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| Die Klage ist zulässig und insgesamt begründet. |
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| Der Kläger hat einen Anspruch auf Auszahlung der ausgelobten Belohnung in Höhe von 100.000,00 EUR gegen den Beklagten aus § 657 BGB. |
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| Das „Preisausschreiben“ des Beklagten enthält ein ernst gemeintes, bindendes Belohnungsversprechen (dazu I.), die Auslobung ist auch öffentlich bekannt gemacht i.S.v. § 657 BGB (II.). Die Auslegung der Auslobungserklärung ergibt keine Einschränkungen, wie sie vom Beklagten geltend gemacht werden (III.); mit den vom Kläger vorgelegten Publikationen sind die Anforderungen der Auslobung vollständig erfüllt (IV.). |
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| Aus dem Auslobungstext selbst und unter Berücksichtigung des hierzu zwischen den Parteien gewechselten Briefverkehrs ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit eine bindende Leistungs-verpflichtung des Beklagten, insbesondere auch die Ernstlichkeit des Belohnungsversprechens. |
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| Zwar könnte insbesondere die durchaus reißerische Züge tragende Überschrift „Das Masern-Virus - 100.000 EUR Belohnung! - WANTED - Der Durchmesser“ und auch die schiere Höhe der versprochenen Belohnung den Eindruck fehlender Ernstlichkeit dahingehend erwecken, dass es dem Beklagten nur darum gegangen sein könnte, ein möglichst hohes Maß an Aufmerksamkeit für seine im Text zum Ausdruck gebrachte Impfkritik zu erwecken. Doch spricht insbesondere der Zweck, den der Beklagte mit der versprochenen Belohnung verfolgt, gegen die Annahme einer erkennbar nicht ernst gemeinten Erklärung. Der Beklagte will - so erläutert er selbst ausdrücklich - „mit dem Preisgeld bewirken, 1. dass sich Menschen aufklären und 2. dass die aufgeklärten Menschen den nicht-aufgeklärten helfen und 3. die Aufgeklärten im Sinne der Gesetze auf die Akteure einwirken.“ Dem Beklagten geht es also ersichtlich darum, denjenigen, die - aus seiner Sicht - den Argumenten der Impfbefürworter allzu unkritisch gegenüberstehen, einen Ansporn zu liefern, sich mit der Frage, ob es einen wissenschaftlichen Beweis für die Existenz des Masernvirus gibt, kritisch auseinanderzusetzen. Einen Ansporn in diesem Sinne gibt es aber nur, wenn die Erlangung der Belohnung tatsächlich möglich und deren Auslobung damit ernst gemeint ist. |
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| Schließlich ließ der Beklagte auch in seinem Schreiben vom 30.1.2012 (Anl. K3) keinen Zweifel an der Ernstlichkeit seines Preisgeld-Versprechens aufkommen. Die inhaltliche Anfrage des Klägers vom 16.1.2012 (Anl. K2) nach der Aktualität und den Bedingungen der - in der Betreffzeile des Klägerschreibens sogar ausdrücklich als solche bezeichneten - Auslobung hatte dem Beklagten ausreichend Gelegenheit gegeben, eine etwa fehlende Ernstlichkeit klarzustellen bzw. offen zu legen. Dergleichen tat der Beklagte aber nicht, vielmehr bestätigte er ausdrücklich, dass das Preisgeld ausgeschrieben ist. |
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| Durch die Veröffentlichung der Ausschreibung des „Preisgeldes“ auf den Internetseiten des „... - Verlages“ machte der Beklagte die Auslobung öffentlich bekannt. Eine öffentliche Bekanntmachung setzt die Kundgabe gegenüber einem individuell unbestimmten Personenkreis voraus (vgl. Seiler, in: MünchKomm-BGB, 6. Auflage 2012, § 657 Rn. 12; Sprau, in: Palandt BGB, 74. Aufl. 2015, § 657 Rn. 3), der sich vorliegend aus sämtlichen potentiellen Besuchern der Verlagsseiten zusammensetzt. |
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| Die Auslobung ist eine einseitige, an die Allgemeinheit gerichtete und nicht empfangs-, sondern bekanntmachungsbedürftige Erklärung (BGH Urt. v. 23.09.2010 - III ZR 246/09 - BeckRS 2010, 24346 Rn. 12; Sprau a.a.O. Rn 1; Seiler a.a.O. Rn 4). Ihr Gegenstand ist durch Auslegung gemäß §§ 133, 242 BGB zu ermitteln, die sich nach der Verständnismöglichkeit eines beliebigen vernünftigen Teilnehmers am Rechtsverkehr - als Teil der durch die Auslobung angesprochenen Öffentlichkeit - richtet (Seiler a.a.O. Rn. 6; Sprau a.a.O. Rn. 4; Kotzian-Marggraf, in: Beck-OK-BGB, Stand 1.2.2015, § 657 Rn. 7). Dabei sind ausgehend vom Wortlaut der Erklärung auch solche Umstände zu berücksichtigen, die jedermann oder doch jedem Angehörigen des angesprochenen Adressatenkreises bekannt oder erkennbar sind (vgl. BGHZ 53, 307 - juris-Rn. 12). Die nach diesem Maßstab vorzunehmende Auslegung führt zu dem Ergebnis, dass entgegen der Auffassung des Beklagten die Publikationen weder solche des RKI sein (dazu 1.) noch aus der Zeit nach Inkrafttreten des IfSG stammen müssen (2.); auch ist die Auslobung nicht dahingehend zu verstehen, dass der geforderte Nachweis in einer einzigen Publikation erbracht sein müsse oder dass Übersichtsarbeiten nicht herangezogen werden dürften (3.). |
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| 1. Die Auslegung der Auslobungserklärung ergibt keine einschränkende Voraussetzung dahingehend, dass es sich bei der vorzulegenden wissenschaftlichen Publikation um eine solche des RKI oder seiner Mitarbeiter handeln müsse. |
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| Diese Voraussetzung hat der Beklagte erstmals im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens postuliert. Außergerichtlich hatte er sich, wie aus seinem Schreiben vom 6.3.2012 (Anl. K6) hervorgeht, hinsichtlich der vom Kläger übersandten Publikationen noch im Wesentlichen lediglich inhaltlich darauf berufen, dass darin „nur zelleigene Bestandteile und Strukturen dargestellt werden, die nicht isoliert und biochemisch charakterisiert wurden“, weshalb er das Preisgeld nicht aushändigen könne. Der Einwand, die Artikel erfüllten schon deshalb die Auslobungskriterien nicht, weil keiner von Mitarbeitern des RKI stamme, findet dagegen in dieser vorgerichtlichen Korrespondenz keinerlei Erwähnung. |
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| a) Der Wortlaut der Erklärung des Beklagten trägt die Annahme einer solchen einschränkenden Auslobungsbedingung nicht. |
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| Zu den Voraussetzungen für die Auszahlung des Preisgeldes wird vielmehr ausdrücklich nur erhoben, dass „eine wissenschaftliche Publikation vorgelegt wird, in der die Existenz des Masern-Virus nicht nur behauptet, sondern auch bewiesen und darin u.a. dessen Durchmesser bestimmt ist.“ Eingeschränkt wird dies dem Wortlaut nach lediglich dadurch, dass das Preisgeld nicht ausgezahlt werde, „wenn es sich bei der Bestimmung des Durchmessers des Masern-Virus nur um Modelle oder Zeichnungen […] handelt.“ Es wäre dem Beklagten ein Leichtes gewesen, die von ihm im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens erstmals vorgetragene einschränkende Voraussetzung der Auslobung dadurch deutlich zu machen, dass er etwa formuliert hätte: „eine wissenschaftliche Publikation des Robert-Koch-Instituts […]“. Gelegenheit zu einer dahingehenden Klarstellung hätte der Beklagte nicht zuletzt in seinem Schreiben vom 30.1.2012 gehabt, das er auf die explizite Anfrage des Klägers nach den Auslobungskriterien (Anl. K2) verfasst hat. Der Beklagte ergänzt die vom Kläger aus dem „Preisausschreiben“ zitierten Auslobungsbedingungen jedoch nur dahingehend, dass die Publikation die durch das IfSG festgelegten gesetzlichen Bestimmungen erfüllen müsse, und lässt sie im Übrigen unwidersprochen. |
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| b) Auch unter Berücksichtigung der einem objektiven Erklärungsempfänger aus dem Kreis der potentiellen Besucher der Internetseiten des „...-Verlages“ bekannten oder erkennbaren Umstände ist der Auslobung nicht zu entnehmen, dass es sich um eine Publikation aus dem Kreis der Forschungsangehörigen des RKI handeln müsse. |
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| (1) Dabei kommt zunächst dem Interesse, welches der Beklagte mit seiner Auslobung erkennbar verbunden hat, maßgebliche Bedeutung zu. |
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| Die Auslobung ist Teil eines Internetartikels, in dem sich der Beklagte gegen die Pharma-Industrie ausspricht und die „Idee, dass Masern durch ein Virus verursacht werde“ als Bestandteil einer Werbekampagne zu entlarven sucht, die - unterstützt durch die Bundesregierung sowie internationale Einrichtungen (WHO) - gesunkene Umsätze im Bereich von Impfstoffen wieder steigern solle. Der Beklagte verneint die Existenz von Masern-Viren, nicht die der Masernerkrankung. Sein erklärtes Ziel ist es, die Bevölkerung darüber aufzuklären, dass es keine Masern-Viren gebe, und sie davon abzubringen, sich diesbezüglich impfen zu lassen. |
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| Ein besonderer Fokus des Beklagten liegt dabei auf PD Dr ... vom RKI, der er anlastet, die Zucht von Masern-Viren zu behaupten, was doch voraussetze, dass ihr der Durchmesser des Masern-Virus bekannt sei. Er ruft dazu auf, sich an Dr. ... zu wenden, die von der Bundesregierung beauftragt sei, eigenständig Forschung zu den Ursachen von Masern zu betreiben, um an sie die Frage nach dem Durchmesser des Masern-Virus zu stellen. |
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| Aus dieser Bezugnahme auf den von Seiten der Bundesregierung erhaltenen Auftrag, eigenständig Forschung zu betreiben, könnte sich der Schluss darauf anbieten, der Beklagte habe gerade die Vorlage von Resultaten dieser eigenständigen Forschung verlangt, mithin eine Publikation von Dr. ... oder jedenfalls eine aus dem Kreis der am RKI mit diesem Forschungsauftrag betrauten Personen. Doch greift ein solches Verständnis unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes, in den der Beklagte seine Auslobung stellt, zu kurz. |
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| Unter Berücksichtigung des Auslobungstextes im Übrigen ergibt die Auslegung vielmehr ein Anliegen des Beklagten, das von weitaus grundsätzlicherem Charakter ist. Ziel des Beklagten ist es letztlich, das RKI insoweit bloß zu stellen, als durch die Anfragen von Seiten der Besucher der Verlagsseiten bzw. deren Recherche nach wissenschaftlichen Publikationen zum vom Beklagten negierten Masernvirus deutlich werden soll: Das RKI propagiere Masernviren, ohne sich diesbezüglich auf wissenschaftliche Beweise stützen zu können. Wäre - so die Idee des Beklagten - ein solchermaßen unredliches Verhalten erst einmal belegt, sei der Schritt zur Erkenntnis bei der aufzuklärenden Bevölkerung, das Institut handle für die Pharma-Industrie, nicht mehr weit. |
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| Dass es dem Beklagten nicht allein um den Vorwurf ging, das RKI vernachlässige sozusagen den ihm übertragenen Forschungsauftrag, ergibt sich auch daraus, dass der Beklagte ganz grundsätzlich betont, es sei „verboten, Unwahres zu behaupten“ und nicht etwa, es sei verboten, Behauptungen aufzustellen, die nicht auf eigener Forschung fußen. Ferner stellt er sich in Bezug auf Dr ... auch auf den Standpunkt, sie müsse „[…] zumindest […] wissen, wo es [gemeint ist der Durchmesser des Masernvirus, Anm. der Kammer] steht“, wodurch er wiederum einen Bezug zu Fremdpublikationen herstellt, die den Mitarbeitern des RKI und unter ihnen insbesondere der „Hauptverantwortlichen“ Dr. ... (lediglich) zum Nachlesen zur Verfügung stehen. Unterhalb der Zeichnung eines Masernvirus nach Art einer Kinderzeichnung führt der Beklagte aus, „[…] dass im Kern die offizielle Wissenschaft, auf die sich alle berufen, nicht viel wissenschaftlicher arbeitet“ - auch diese Betonung des allseitigen „Sich-Berufens“ auf „die offizielle Wissenschaft“ spricht dafür, dass die Vorlage einer Publikation genügt, auf die sich das RKI beruft, ohne dass diese zwingend vom RKI bzw. dessen Mitarbeitern selbst stammen müsste. |
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| Schließlich offenbart er auch unter der Überschrift „Das weitere Vorgehen“, dass es ihm ganz allgemein darum geht, aufzudecken, dass das RKI - so der Ansatz des Beklagten - letztlich ohne jeden Beweis und nicht lediglich ohne eigenständig erzielte Forschungsergebnisse Impfungen empfehle, wenn er schreibt: „Wenn sich herausstellt, dass Frau Dr. ... Masern-Viren behauptet, ohne einen wissenschaftlichen Beweis für deren Existenz zu haben, darf ihr Verhalten - so zu tun, als ob es ein Masern-Virus gäbe - nicht hingenommen werden. Ihr Vorgesetzter, bei dem sich dann über Frau Dr ... beschwert werden muss, falls diese keinen Beweis vorlegen kann, ist […]. Sollte sich herausstellen, dass Prof. ... weiß, dass Frau Dr. ... ohne wissenschaftliche und damit gesetzliche Grundlage arbeitet […, Hervorhebung jeweils durch die Kammer]“. |
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| (2) Gegen das vom Beklagten reklamierte Verständnis spricht ferner auch der Umstand, dass sich die Kritik des Beklagten keineswegs allein gegen das RKI richtet. Vielmehr bezieht sich diese auch auf die WHO und das Paul Ehrlich-Institut (PEI) als Impfstoff zulassende Behörde sowie den Berliner Gesundheitssenat. Zudem wird im Auslobungstext ein Kontext zu deutschen Forschern insgesamt hergestellt, wenn es im unmittelbaren Anschluss an die Darstellung der von Seiten der Bundesregierung verbreiteten Forschungserfolge des PEI sowie des Handelns des Berliner Gesundheitssenats und noch vor der Nennung des RKI heißt: „Wenn also deutsche Forscher im Auftrag der Bundesregierung mit Masern-Viren arbeiten, muss es eine Dokumentation dieser Forschungen geben […].“ Schon dies spricht dafür, dass mit den deutschen Forschern, die im Auftrag der Bundesregierung mit Masern-Viren arbeiten, nicht allein die Mitarbeiter des RKI gemeint sein können. |
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| (3) Schließlich ist auch der in der Auslobungserklärung selbst unter der Überschrift „100.000 EUR“ im vierten Absatz erfolgten Bezugnahme auf das IfSG und dem im Schreiben vom 16.1.2012 (Anl. K3) formulierten Hinweis des Beklagten an den Kläger, wonach die gesetzlichen Bestimmungen, die die Publikation erfüllen müsse, durch das IfSG festgelegt seien, nicht zu entnehmen, dass die Publikation eine solche des RKI sein müsste. |
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| So ist zunächst festzustellen, dass sich dem IfSG unmittelbar als solche formulierte gesetzlich festgelegte Vorgaben für wissenschaftliche Publikationen nicht entnehmen lassen. Vor diesem Hintergrund ist die Bezugnahme des Beklagten auf das IfSG zwar interpretationsbedürftig; die vom Beklagten nunmehr geschlagene Brücke von der Bezugnahme auf die gesetzlichen Bestimmungen des IfSG hin zum postulierten Erfordernis, dass die Publikation aus der Feder von Angehörigen des RKI stammen müsse, ist im Ergebnis aber nicht tragend. |
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| Zwar gehört gemäß § 4 IfSG zu den Aufgaben, die dem RKI im Rahmen des IfSG übertragen sind, auch die „Forschung zu Ursache, Diagnostik und Prävention übertragbarer Krankheiten“. Jedoch steckt in der Übertragung eines Aufgabenkreises nicht ohne Weiteres eine gesetzliche Bestimmung dazu, welche Anforderungen eine Publikation nach dem IfSG erfüllen muss. Jedenfalls lässt die Bezugnahme des Beklagten auf die Vorgaben des IfSG nicht zwingend den Schluss zu (insbesondere nicht in einer aus dem objektiven Empfängerhorizont erkennbaren Weise), dass hierdurch eine weitere Auslobungsbedingung dahingehend aufgestellt werden sollte, dass allein Publikationen des RKI den geforderten wissenschaftlichen Nachweis der Existenz des Masernvirus erbringen dürften. Vielmehr liegt bei unbefangener Betrachtung eine Auslegung dahingehend näher, dass es dem Beklagten darum ging, gewisse Standards zu formulieren, die seitens der vorzulegenden Publikationen zu erfüllen sind, wenn in § 1 Abs. 2 IfSG etwa ausdrücklich der jeweilige Stand der medizinischen und epidemiologischen Wissenschaft und Technik zum maßgeblichen Qualitätsstandard erhoben wird. Dass dem Beklagten selbst ein solches Verständnis keinesfalls fremd ist, hat er schließlich auch durch seine zu Bl. 125 vorgelegte Stellungnahme vom 2.2.2015, dort S. 2, bestätigt, wo er ausführt: „Mit der Bindung des Preisausschreibens an das IfSG, welches ab dem 1.1.2001 in Kraft getreten ist und das in § 2 IfSG die Anforderung wissenschaftlichen Arbeitens auf dem jeweiligen Stand der Wissenschaft fordert, wurde sichergestellt, dass die geforderte Publikation auf der Grundlage der präzisen Formulierungen der „Regeln zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ erstellt wurde. […].“ |
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| Zu beachten ist schließlich, dass der Gesetzgeber bei der Normierung des IfSG offenbar bereits von der Existenz von Masernviren ausging, da er schon in der ersten, ab dem 1.1.2001 geltenden Fassung des IfSG unter § 7 Abs. 1 Nr. 30 das Masernvirus zum meldepflichtigen Krankheitserreger erhob; ersichtlich hielt also der Gesetzgeber eine vom RKI erst noch vorzunehmende Beweisführung hinsichtlich des Masernvirus nicht mehr für erforderlich. Auch dieser Umstand spricht dagegen, die Bezugnahme auf das IfSG als Indiz dafür zu verstehen, dass die Auslobung des Beklagten nur Publikationen des RKI gelten lassen wolle. |
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| 2. Die Auslobung ist auch nicht dahingehend auszulegen, dass nur eine Publikation, die nach dem Inkrafttreten des IfSG veröffentlicht wurde, die Auslobungsvoraussetzungen erfüllen könne. |
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| Dass der Beklagte sich hinsichtlich der vorzulegenden Publikationen auf die gesetzlichen Bestimmungen des IfSG bezieht, reicht nach dem objektiven Empfängerhorizont für eine derartige Einschränkung nicht. Allein aus dem Zeitpunkt einer Veröffentlichung folgt nämlich noch nicht, dass die Publikation sich an dem in § 1 Abs. 2 IfSG zur Messlatte erhobenen jeweiligen Stand der medizinischen und epidemiologischen Wissenschaft und Technik nicht mit dem Ergebnis prüfen ließe, dass ihr auch diese Qualität zukommt. Vielmehr ist die Wandelbarkeit und Entwicklungsoffenheit forschungsbezogener Standards im medizinischen Bereich den gesetzlichen Bestimmungen des IfSG geradezu immanent, wenn diesem in § 1 Abs. 2 IfSG eine Regelung vorangestellt ist, die ausdrücklich den „jeweiligen“ Stand der Wissenschaft zur Richtschnur erklärt. |
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| Im übrigen hat der Sachverständige P. anschaulich erläutert, dass nahezu alle von der einschlägigen wissenschaftlichen „Community“, d. h. der weltweiten Gesamtheit an Masernvirusforschenden und medizinischen Anwendern dieser Forschungsergebnisse, als notwendig und hinreichend akzeptierten Fachartikel zum Beleg der Existenz und zur strukturellen und molekularen Natur des Masernvirus vor Juli 2000 veröffentlicht worden seien. Fachartikel aus späterer Zeit hierzu seien also schon deshalb fernliegend bzw. äußerst rar, weil in den Augen dieser scientific community kein Grund bestehe, bereits Bewiesenes neu zu beweisen; entsprechende Untersuchungen wären zudem auch nicht publikabel, da wissenschaftliche Fachzeitschriften bereits publizierte und allgemein akzeptierte Ergebnisse nicht ein weiteres Mal, egal aus welcher Quelle, zur Publikation annehmen würden. Aus Sicht eines Erklärungsempfängers aus dem Kreis der durch die Auslobung jedenfalls auch angesprochenen medizinisch geschulten bzw. interessierten Besucher der Verlagsseiten kann die Bezugnahme auf das IfSG deshalb kein Anhaltspunkt dafür sein, dass damit alle Fachartikel aus den Jahren vor 2001 ausgeschlossen sein sollten. Ein solchermaßen einschränkendes Kriterium würde nämlich die Erfüllbarkeit der Auslobungskriterien von vornherein in einem solchem Maße einschränken, dass hiermit aus der Perspektive eines unbefangenen Lesers mit einer gewissen medizinischen Vorbildung schlicht nicht zu rechnen wäre. |
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| 3. Schließlich ergibt die Auslegung des Auslobungstextes auch nicht, dass der geforderte Nachweis der Existenz des Masernvirus und die Bestimmung von dessen Durchmesser in einer einzigen Publikation erbracht werden müsste (a) und dass Übersichtsartikel nicht als taugliche Publikationen anzusehen seien (b). |
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| a) Auf diese einschränkenden Kriterien hat sich der Beklagte erstmals nach Vorlage des Sachverständigengutachtens vom 17.11.2014 berufen, in dem der Sachverständige P. im Ergebnis zum Schluss kam, dass zwar nicht ein Artikel für sich genommen für die Beweisführung ausreiche, dass aber die - hinreichend durch adäquate und wissenschaftlich korrekt durchgeführte Experimente belegten - Aussagen der sechs eingereichten Publikationen in ihrer Kombination sowohl die Existenz des Masernvirus belegten als auch seine spezifische Infektiosität sowie seinen ungefähren Durchmesser zeigten. |
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| Dem Beklagten ist dabei zuzugestehen, dass der Wortlaut der Auslobung seinem Verständnis jedenfalls nicht entgegensteht, wenn es heißt: „Das Preisgeld wird ausgezahlt, wenn eine wissenschaftliche Publikation vorgelegt wird, in der die Existenz des Masern-Virus nicht nur behauptet, sondern auch bewiesen und darin u.a. dessen Durchmesser bestimmt ist.“ (Hervorhebung durch die Kammer). |
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| Ein solches einschränkendes Verständnis der Auslobung lässt sich jedoch nicht in Einklang bringen mit deren oben bereits im Einzelnen aufgefächerten Begleitumständen und dem Gesamtkontext, in den die Auslobung textlich eingebunden ist. |
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| In der Sache geht es dem Beklagten doch darum, durch die Auslobung des „Preisgeldes“ ans Licht zu bringen, dass es „nicht einmal eine“ Publikation gebe, in der die Existenz des Masernvirus nachgewiesen und dessen Durchmesser bestimmt werde, da er insgesamt den Lesern der Verlagsseiten zur Erkenntnis verhelfen möchte, dass die Behauptung eines Masernvirus wissenschaftlich in keiner Form belegt sei. Er betont damit letztlich, wie sicher er sich seiner Sache ist. Nicht ansatzweise stützt sich dagegen die Kritik des Beklagten gegenüber den angesprochenen Impfbefürwortern darauf, dass es die eine große, zusammenhängende Originalarbeit, welche die vom Beklagten verlangte Beweisführung biete, bislang noch nicht gebe. |
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| Ein solches Verständnis vertrüge sich auch nicht mit der Publikationspraxis im medizinischen Forschungskontext, in den der Beklagte seine Auslobung aber ausdrücklich selbst eingebunden sehen möchte und auf dessen Standards er - jedenfalls in einer Form, wie er sie verstanden wissen will - mit Nachdruck abhebt. Naturwissenschaftliche Indizienketten oder gar Beweisführungen - so hat es der Sachverständige P. dargelegt - würden mindestens schon seit Jahrzehnten nicht mehr als Monographien, sondern als Abfolgen von mehreren bis zu sehr vielen Fachartikeln publiziert. Dies liege zunächst einmal an der Komplexität der in neuerer Zeit erarbeiteten Erkenntnisse, die in aller Regel den gleichzeitigen oder konsekutiven Einsatz verschiedener Wissenschaftlergruppen mit ihren jeweiligen methodischen und finanziellen Ressourcen notwendig machen. Als weitere Gründe kämen hinzu ein deutlich gestiegener internationaler Wettbewerb unter den Wissenschaftlern sowie das Aufkommen neuer Publikationsformate. Das Verlangen eines einzigen und umfassenden wissenschaftlichen Fachartikels würde daher angesichts der komplexen Zusammenhänge und dem Differenzierungsgrad heutiger medizinischer Forschung den theoretischen und praktischen Standards moderner Wissenschaft schlicht nicht gerecht. |
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| b) Aus dem gleichen Grund kann auch die vom Beklagten zuletzt eingewandte grundsätzliche Ausgrenzung von Übersichtsarbeiten aus dem Kanon der tauglichen wissenschaftlichen Publikationen nicht Ergebnis der Auslegung des „Preisausschreibens“ sein. |
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| Der Sachverständige P. hat erläutert, dass die Publikationsform der Übersichtsarbeit spezifischen wissenschaftlichen Wert dadurch erhält, dass sie sozusagen ein modernes Äquivalent einer Monographie darstellt. Die Übersichtsarbeit präsentiert zwar keine eigenständigen Forschungsleistungen des Autors / der Autoren, enthält aber für alle präsentierten Fakten und Forschungsergebnisse Literaturzitate, die das Auffinden der relevanten Primärliteratur eineindeutig ermöglichen; eine Übersichtsarbeit gewinnt gerade aus der Zusammenschau zahlreicher Originalarbeiten - über die reine Darstellung bisheriger Forschungsergebnisse hinaus - eigenständige Schlussfolgerungen. |
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| Die Ausgrenzung dieses Publikationstyps widerspräche also ebenfalls den Standards moderner Wissenschaft. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, weshalb das erkennbare Auslobungsziel des Beklagten einer Berücksichtigung von Übersichtsarbeiten entgegen stehen sollte. |
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| Der Kläger hat sich die ausgelobte Belohnung verdient; denn die vorgelegten Publikationen genügen den Vorgaben der Auslobung. |
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| Die Kammer ist zu dieser Überzeugung gelangt auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen P.. Der Sachverständige ist Arzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie sowie für Hygiene und Umweltmedizin und Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene an der Universitätsmedizin R., seine Qualifikation steht außer Zweifel. Diese herausragende fachliche Qualifikation ist für die Kammer sowohl in den schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen als auch im Rahmen seiner Anhörung deutlich geworden. Der Sachverständige hat die vorgelegten Publikationen im einzelnen ausführlich dargestellt und nachvollziehbar und verständlich in den forschungsgeschichtlichen Zusammenhang eingeordnet; mit den Einwendungen des Beklagten hat er sich eingehend und gründlich auseinandergesetzt. |
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| Aufgrund der Darlegungen des Sachverständigen ist die Kammer überzeugt, dass die vom Kläger mit Schreiben vom 31.1.2012 (Anl. K 4) übersandten Publikationen wissenschaftliche Publikationen sind (dazu 1.), die in ihrer Gesamtschau die Existenz des Masern-Virus belegen (2.) und dessen Durchmesser bestimmen (3.). |
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| 1. Nach dem gegenwärtigen Stand der medizinischen Wissenschaft in ihrem forschungsgeschichtlichen Zusammenhang sind die klägerseits vorgelegten Publikationen allesamt von solcher formaler Qualität, dass sie das Prädikat „wissenschaftlich“ in diesem Sinne erhalten. |
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| a) Der Sachverständige hat überzeugend erläutert, weshalb die vorgelegten Publikationen ausnahmslos als wissenschaftliche Fachartikel zu qualifizieren seien. Dabei hat er dargelegt, dass eine Publikation im Wesentlichen zwei formale Voraussetzungen zu erfüllen habe, um gegenwärtig auf internationalem Niveau als wissenschaftlicher Fachartikel qualifiziert werden zu können. Der Artikel müsse zum einen in einer Zeitschrift mit einem sog. „peer review“ (Fachgutachter) System veröffentlicht und damit in der Regel von mindestens zwei unabhängigen Fachwissenschaftlern vor der Veröffentlichung geprüft und ggf. mit Korrekturforderungen versehen worden sein. Zum anderen sei die Listung und Einsehbarkeit (mindestens in Form eines sog. Abstract) in wissenschaftlichen Fachdatenbanken wie NCBI (National Center for Biolotechnological Information; Bethesda, USA) und DIMDI (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information) erforderlich. Sämtliche vorgelegte Artikel erfüllten diese Anforderungen. |
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| b) Der Beklagte hat die Wissenschaftlichkeit der Artikel in formaler Hinsicht unter Berufung auf das Regelwerk der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis in der aktuellen Form in Zweifel gezogen. |
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| Aus Sicht der Kammer überzeugend hat der Sachverständige P. hierzu darauf verwiesen, dass die Regeln der DFG sowohl in zeitlicher als auch in gegenständlicher Hinsicht nur bedingt als Kriterien für Wissenschaftlichkeit angesehen werden können. Dies leuchtet schon deshalb unmittelbar ein, weil ein Großteil der wissenschaftlichen Forschung im medizinischen Bereich außerhalb Deutschlands und damit außerhalb des Geltungsbereichs des DFG-Regelwerks betrieben wird und aktuelle Standards wissenschaftlichen Arbeitens von Forschungsergebnissen vergangener Zeiten schon aufgrund der sich stetig weiter entwickelnden (sowohl informations- als auch dokumentations-)technischen Möglichkeiten von vorneherein nicht erfüllt werden können. |
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| 2. Die streitgegenständlichen Publikationen beweisen in ihrer Gesamtschau die Existenz eines Virus, das für die Masernerkrankung ursächlich ist. |
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| a) Wie der Sachverständige dargelegt hat, gilt es grundsätzlich zwei Fragen auseinanderzuhalten - zum einen die Frage, ob es überhaupt einen bestimmten Mikroorganismus gebe und welche Natur dieser habe, zum anderen die Frage, ob eben dieser Mikroorganismus tatsächlich kausal bedeutsam für eine Erkrankung (hier die Masernerkrankung) sei. Zur diesbezüglichen Beweisführung genügt zwar die Aussagekraft einer einzelnen der sechs streitgegenständlichen Publikationen für sich genommen nicht. In der Gesamtschau belegen die Aussagen der vom Kläger vorgelegten Artikel jedoch auf der Grundlage adäquater und wissenschaftlich korrekt durchgeführter Experimente sowohl die Existenz des Masernvirus als spezifischen Mikroorganismus als auch dessen Ursächlichkeit für die Masernerkrankung. |
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| (1) Was die Existenz und die Natur des Masernvirus anbelange - so der Sachverständige -, gebe es zur Belegsammlung viele grundsätzlich gleichwertige Wege, wobei in der Biologie typischerweise verlangt werde, dass zwei voneinander unabhängige Wege beschritten würden, um die Existenz eines Mikroorganismus zu belegen und diesen taxonomisch einzuordnen. Der klassische Weg sei der optische Nachweis mit mikroskopischen Methoden, im Falle von Viren mithilfe eines Elektronenmikroskops. Zum anderen könne man die Bestandteile eines Erregers nachweisen. Bei einem Krankheitserreger würde man ferner typischerweise erwarten, dass dieser sich vermehren kann; von daher rühre die Methode des kulturellen Nachweises dieses Keims. Ein weiterer Schritt könne dann darin bestehen, dass man die Vermehrung des Keims als Reinigungsschritt begreife und anschließend den Erreger nochmals einer mikroskopischen Untersuchung daraufhin unterziehe, ob sein Aussehen und die Biochemie seines Keims unverändert sei. Zu diesen Methoden komme zwischenzeitlich die Möglichkeit hinzu, die Nukleinsäuren zu isolieren und vollständig zu sequenzieren. - Ausgehend hiervon belegten die vorgelegten Artikel in ihrer Gesamtschau die Existenz des Masernvirus als spezifischen Mikroorganismus. |
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| Dabei hat der Sachverständige im Einzelnen prägnant, nachvollziehbar und in der Sache überzeugend für jede der vorgelegten Publikationen ausgeführt, anhand welcher der oben beschriebenen Methoden die Autoren jeweils zu Ergebnissen gelangten, deren Belegeigenschaft der Sachverständige sodann kritisch analysiert und differenziert beschrieben hat. Auf die Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 17.11.2014 unter Ziffer VII. wird dabei vollumfänglich Bezug genommen. |
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| Für die Überzeugungsbildung der Kammer kommt insoweit den Arbeiten von Horikami & Moyer von 1995 sowie von Daikoku et al. aus dem Jahr 2007 besondere Bedeutung zu. So werden in der Übersichtsarbeit von Horikami & Moyer - wie der Sachverständige erläutert hat - grundlegende und vollkommen eindeutige Charakteristika von Masernviren wie deren komplette Genomsequenz vorgestellt, wobei der Artikel den Inhalt von 97 Original-Arbeiten aus Fachzeitschriften mit Fachgutachter-System („peer review“) zu Struktur, Genomtranskription und Vermehrung des Masernvirus auswerte und zusammenfasse. Durch diesen Übersichtsartikel und die darin zitierten Publikationen sei insbesondere auch der sog. Goldstandard eines bis ins molekulare Detail charakterisierten Agens eingebracht, da dank der Genomsequenzierung alle modernen Wege zum direkten (z. B. Antigennachweis, Hybridisierungen, Nukleinsäurenamplifikationen) und indirekten (z. B. Antikörperreaktionen, T-Zellaktivierung) eineindeutigen Nachweis eines Mikroorganismus in einem Wirtsorganismus beschritten werden könnten. Die als Originalarbeit und angesichts ihres Aufbaus und Umfangs als sog. „full-sized“ Artikel zu qualifizierende Publikation von Daikoku et al. belege ferner ebenfalls mittels zweier - vom Sachverständigen jeweils näher beschriebenen - voneinander unabhängiger Verfahren die Masernvirus-Spezifizität der untersuchten Virionen des klassischen Edmonston-Masernvirusstammes. |
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| (2) Mit Blick auf die Frage der Ursächlichkeit des Masernvirus für die Masernerkrankung hat der Sachverständige ausdrücklich festgehalten, dass die vorgelegten Arbeiten in ihrer Zusammenschau insbesondere auch die vom Beklagten im Laufe des Rechtsstreits zum Beweismaß erhobenen Koch-Henle´schen Postulate erfüllen. |
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| Diese Postulate wurden formuliert, um die kausale Bedeutung eines mikrobiellen Erregers für eine Infektionskrankheit zu belegen. In ihrer klassischen Form enthalten sie nach den plausiblen Darlegungen des Sachverständigen - paraphrasiert - folgende Aussagen: Ein Erreger ist kausal verantwortlich für eine Infektionskrankheit, wenn er (1) bei Anwesenheit in Menschen typischerweise mit einem fest umrissenen klinischen Bild assoziiert ist, (2) aus den betroffenen Menschen isoliert und kultiviert werden kann, (3) nach Übertragung auf ein Versuchstier dort ähnliche Symptome verursacht und schließlich (4) aus dem erkrankten Versuchstier wiederum isoliert bzw. kultiviert werden kann. |
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| Dabei hat der Sachverständige zum historischen Kontext der Koch-Henle´schen Postulate ergänzend ausgeführt, dass diese zu einer Zeit formuliert worden seien, als erst wenige, besonders aggressive, für Menschen und Tiere gleichermaßen bedrohliche Bakterienarten (wie die Erreger des Milzbrandes und der Tuberkulose) bekannt waren, die also auch Abwehr-gesunde Menschen vital bedrohen. Auch die Mechanismen der Erregerabwehr im Menschen seien zum Zeitpunkt der Formulierung der Postulate weitgehend bzw. auf molekularer Ebene komplett unbekannt gewesen. Hinzutrete, dass Viren damals noch überhaupt nicht bekannt gewesen seien, so dass die Anwendbarkeit der Postulate auf diese Form von Erregern zumindest diskutabel sei. Zudem seien seit der Formulierung der Postulate zahlreiche Erreger entdeckt, eingehend charakterisiert und als Infektionserreger eindeutig identifiziert worden, ohne dass auf sie alle bzw. sogar nur eine der Aussagen zugetroffen habe. Vor diesem Hintergrund hätten sich drei ergänzende Aussagen in vielen Fällen als hilfreich erwiesen: Kausal für Infektionskrankheiten verantwortliche Erreger führen zum einen zu einer lokal oder systemisch nachweisbaren Abwehrreaktion im betroffenen Menschen (1), zeigen ferner bei in-vitro-Versuchen ein gleichartiges Verhalten wie bei der natürlichen Infektion bzw. führen zu einer gleichartigen Zell-/Histopathologie (2); außerdem führt deren selektive Eradikation aus dem betroffenen Menschen zu einer Symptombesserung bzw. sogar Gesundung (3). Diese modernen Kriterien träten neben die klassisch formulierten Postulate bzw. zum Teil auch an deren Stelle. |
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| Dass und wie die streitgegenständlichen Publikationen in ihrer Zusammenschau den Beweis für die Erregereigenschaft des Masernvirus erbringen, hat der Sachverständige ergänzend zu seinem schriftlichen Gutachten im Rahmen seiner Anhörung im Einzelnen nachvollziehbar erläutert. Er hat ausgeführt, dass der Beitrag von Enders & Peebles 1954 die klassischen Postulate (1) und (2) erfülle; hinzu trete eine gewisse biochemische Charakterisierung (Temperaturempfindlichkeit) und eine Aussage zur Größe. Im Beitrag von Bech & von Magnus 1958 sei dann auch das klassische Postulat (3) erfüllt und zusätzlich eine Abwehrreaktion entsprechend der erweiterten Postulate-Fassung. Der Übersichtsartikel von Horikami & Moyer 1995 schließlich zitiere und stelle dar mehrere Artikel, welche die klassischen Postulate (1) bis (4) erfüllten. Auch die spezifische Cytopathologie (erweiterte Postulate) sei belegt, nämlich die Bildung von Syntyzien, also Zellverschmelzungen, welche typisch für Paramyxoviren sei (zu denen auch das Masernvirus zähle). Ergänzend wird vollinhaltlich Bezug genommen auf das Verhandlungsprotokoll, dort insbesondere S. 6 und 7. |
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| Zusammenfassend gelangt die Kammer zur Überzeugung, dass die klägerseits vorgelegten Publikationen in ihrer Gesamtheit auch den Nachweis für die Erregereigenschaft des Masernvirus - gerade auch mit Blick auf die Koch-Henle´schen Postulate - belegen. |
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| b) Der Beklagte zweifelt die Tauglichkeit der vorgelegten Artikel an und stützt sich insoweit auch auf Kritikpunkte, die der Sachverständige selbst bei einzelnen Artikeln in methodischer Hinsicht oder unter dem Aspekt von Dokumentationspflichten angebracht hat. Diese nimmt der Beklagte zum Ausgangspunkt seiner These, wonach den vorgelegten Publikationen in inhaltlicher Hinsicht deren Wissenschaftlichkeit abzusprechen sei. Auf der Basis der medizinisch-forschungsgeschichtlichen Erläuterungen des Sachverständigen sind diese Ansätze aus Sicht der Kammer jedoch nicht geeignet, die oben ausgeführte Beweiskraft der vorgelegten Fachartikel in ihrer Gesamtschau in Frage zu stellen. |
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| Zum einen hat der Sachverständige ausdrücklich und nachvollziehbar dargestellt, dass in den vorgelegten Publikationen insbesondere auch die notwendigen Daten und Kontrollexperimente enthalten seien, aufgrund derer ausgeschlossen werden kann, dass lediglich zelleigene Artefakte - als die der Beklagte die vermeintlichen Masernviren einordnet - vorliegen. |
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| Vor allem aber hat der Sachverständige - nachvollziehbar und in der Sache unmittelbar einleuchtend - dargelegt, dass es schon angesichts des Umstands, dass sich der Methodenkanon und insbesondere auch die Dokumentationspraxis wissenschaftlicher Forschung in qualitativer und quantitativer Hinsicht stetig weiterentwickeln, fast schon notwendig und in aller Regel Einzelaspekte wissenschaftlicher Fachpublikationen gebe, an denen rückblickend auch mit kritischen Bemerkungen anzusetzen sei. In der Praxis der wissenschaftlichen Forschung habe sich jedoch ein im Ergebnis guter Reinigungsmechanismus in der Fachliteratur etabliert, der gerade auch in jüngster Zeit zum Teil Artikel aus höchstrangigen Fachzeitschriften betroffen habe. Wenn sich die in einem Artikel dargestellten Abläufe in Folgeversuchen schlechterdings nicht nachvollziehen ließen, so komme das in Artikeln anderer Forscher typischerweise zutage, jedenfalls wäre dies bei einem derart intensiv behandelten Thema wie den Masern zu erwarten. Forschungsergebnisse, die einem breiten wissenschaftlichen Konsens entgegenstehen, seien zwar nicht immer leicht zu publizieren. Gerade gegenüber einer breit akzeptierten Sicht verspreche es jedoch hohe Reputation, neue und bessere Erkenntnisse zu publizieren; wissenschaftlich korrekt begründete Widerlegungen bisheriger Positionen seien dann auch hochrangig zu publizieren. Gleichwohl habe sich auch bei der vom Sachverständigen vorgenommenen stichprobenartigen Überprüfung der riesigen Zahl an Fachartikeln hierzu kein einziger Artikel gefunden, der die Existenz des Masernvirus oder seine ursächliche Bedeutung für die Masernerkrankung negiere. |
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| Der Kammer erscheint es insoweit bezeichnend, dass auch der Beklagte, der selbst im Bereich der Virologie promoviert hat, abgesehen von seinen eigenen Ausführungen keinen einzigen Fachartikel oder namhaften Wissenschaftler benennen konnte, der die Existenz des Masernvirus oder seine ursächliche Bedeutung für die Masernerkrankung in Abrede stellt. |
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| Im Ergebnis sind daher auch die unbestreitbaren Schwachstellen der vorgelegten Publikationen nicht geeignet, deren Beweiskraft insgesamt in Zweifel zu ziehen. |
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| c) Schließlich postuliert der Beklagte eine eigene Indizienkette, wonach der Nachweis verlange, dass das Masernvirus (1) in einem Menschen oder seiner Körperflüssigkeit fotografiert, (2) daraus isoliert, (3) aufgereinigt, (4) wieder fotografiert und anschließend (5) dessen Zusammensetzung biochemisch charakterisiert werde mit einem anschließenden Re-Infektionsexperiment (6). |
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| Hinsichtlich dieser vom Beklagten postulierten Indizienkette hat der Sachverständige der Kammer nachvollziehbar und überzeugend erläutert, dass dieser eine über die Qualität einer Hypothese hinausgehende wissenschaftliche Bedeutung nicht zukomme. Die vorgelegten Publikationen sind hinsichtlich ihres wissenschaftlich fundierten Aussagewerts nach Überzeugung der Kammer jedoch nicht an Hypothesen, sondern ausschließlich an wissenschaftlich etablierten Standards zu messen. Dass es sich bei der vom Beklagten aufgereihten Indizienkette um einen solchen handele, hat der Beklagte jedoch weder darzulegen noch zu belegen vermocht. |
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| 3. Auch die Bestimmung des Durchmessers in der vom Beklagten verlangten Form ist im Rahmen der vom Kläger vorgelegten wissenschaftlichen Fachartikel zur Überzeugung der Kammer gelungen. |
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| Angaben zum Durchmesser des Masernvirus auf der Basis elektronenmikroskopischer Analysen lassen sich nach den im Einzelnen eingehend erläuterten Ausführungen des Sachverständigen insbesondere den Originalarbeiten und sämtlich als sog. „full-sized“ Artikel zu qualifizierenden Beiträgen von Nakai & Imagawa aus dem Jahr 1969, von Lund et al. aus dem Jahr 1984 und Daikoku et al. aus dem Jahr 2007 entnehmen. |
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| Dass dabei die Größen- bzw. Durchmesserangaben in einem Bereich von 50 bis 1000 nm schwanken, lässt sich zur Überzeugung der Kammer plausibel wissenschaftlich erklären, wie dies der Sachverständige auf diesbezüglich geäußerte Zweifel des Beklagten näher erläutert hat. Dabei hat der Sachverständige zur Struktur eines Virus ausgeführt, dass bei jedem Virus die Nukleinsäure (Erbsubstanz) in strukturierter Anordnung von Eiweiß umhüllt sei. Je nach Art des Virus werde das Nukleokapsid von einer weiteren Eiweißhülle mit einer festgelegten Größe und rigiden Struktur (z. B. Polyeder oder komplexer radiärsymmetrischer Aufbau) oder einem Teil der Wirtszellmembran (äußere Hülle) umhüllt. Die Entstehung dieser aufgrund ihres Chemismus flexiblen äußeren Hülle beinhalte für jedes entstehende Virion Zufallsaspekte, was sich wiederum auf die individuelle Größe auswirke. Behüllte Viren hätten also eine vielgestaltige, ständig wechselnde Form und eine zwischen den Virionen einer Generation erheblich variierende Größe. Behüllte Viren einer Virusart seien demgemäß vielgestaltig (= pleomorph) und unterschiedlich groß, was auch auf die taxonomische Familie der Paramyxoviren zutreffe, zu der das Masernvirus gehöre. Wenn nun elektronenmikroskopische Aufnahmen von solchen vielgestaltigen Virionen angefertigt würden, müssten dazu zweidimensionale optische Schnitte durch die dreidimensionalen Partikel gelegt werden. Je nachdem, mit welchem Winkel der Schnitt durch das dreidimensionale Virion und zudem an welcher Stelle des Virions dieser Schnitt durch dessen dreidimensionale Struktur gelegt werde, könnten dabei zweidimensionale Abbildungen entstehen, deren Durchmesser sich erheblich - auch in den für das Masernvirus in den Publikationen konkret festgestellten Variationsbreiten - unterschieden. |
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| Da der Beklagte mit der Zahlung der Belohnung zum Zeitpunkt der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten durch den Kläger in Verzug war, kann der Kläger gemäß §§ 657, 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB auch Ersatz der Rechtsanwaltskosten, die ihm für die diesbezügliche außergerichtliche Tätigkeit seiner Prozessbevollmächtigten entstanden sind, verlangen. |
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| Der Kläger kann ferner - mit Zustimmung der R.-Rechtsschutz-Versicherungs-AG - vom Beklagten aus § 831 BGB Zahlung der Rechtsanwaltskosten an sich verlangen, die für das Anwaltsschreiben vom 14.4.2014 (Anl. K10) und die damit korrespondierende vorgerichtliche Tätigkeit seiner Prozessbevollmächtigten entstanden sind. |
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| Die streitgegenständlichen Äußerungen, hinsichtlich derer der Kläger mit dem als Anlage K10 vorgelegten Anwaltsschreiben vom Beklagten die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung begehrt und nahezu vollständig auch erreicht hat, stellen Tatsachenbehauptungen dar. Denn die Richtigkeit der Äußerung, der Kläger und seine „illegalen Hintermänner“ hätten vor dem Landgericht Ravensburg das Gericht und die Öffentlichkeit angelogen, ist dem Beweis zugänglich (vgl. Rixecker, in MünchKomm-BGB, 6. Auflage 2012, Anhang zu § 12 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht Rn. 143). In der Aussage: „Wir rechnen damit, dass Dr. L... am 24.4.2014 freigesprochen wird und D... B... wegen Gerichtsbetrug, Zahlungsunfähigkeit der Gerichts- und Anwaltsgebühren, Auslagen und Aufwandsentschädigungen, Beihilfe zu massenhafter Körperverletzung, zum Teil mit Todesfolgen und wegen Fluchtgefahr ins Ausland verhaftet wird“ steckt zudem inzident die Behauptung, der Kläger habe das Gericht betrogen und sei zahlungsunfähig, worin ebenfalls eine Tatsachenbehauptung liegt. Allein der Umstand, dass die Behauptungen sehr pointiert formuliert sind, nimmt der Äußerung nicht den Charakter einer Tatsachenbehauptung. |
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| Der Beklagte hat schon gar nicht behauptet, seine Äußerungen seien wahr. Wer jedoch in allgemeiner Form ehrenrührige Tatsachenbehauptungen aufstellt, die den Kläger auch in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzen, muss sich grundsätzlich zu deren Berechtigung näher erklären und Belege für seine Darstellung nennen (Rixecker, a.a.O. Rn. 150). Dieser Darlegungslast hinsichtlich der Wahrheit der Tatsachenbehauptung oder jedenfalls der Umstände, aus denen sich ergibt, dass die Äußerung des Beklagten auf sorgfältigen Recherchen beruht, ist der Beklagte nicht nachgekommen. |
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| Der Beklagte kann sich mit seinem Vortrag, er habe den Eintrag weder selbst verfasst noch veranlasst und die Veröffentlichung sei auch nicht mit seinem Wissen und Wollen erfolgt, nicht entlasten. Der Beklagte hat sich vielmehr das Verhalten seiner Mitarbeiter zurechnen zu lassen. In einer vom Beklagten selbst verfassten Veröffentlichung (Anl. K14) hat dieser selbst angegeben, der Kläger habe es sofort juristisch verbieten lassen, „als meine Mitarbeiter auf unserer Internetseite über den Prozess berichten wollten […]“. Da unstreitig eine Unterlassungserklärung nur hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerung verlangt und erreicht wurde, hat der Beklagte damit selbst eingeräumt, dass die Gestaltung der Website diesbezüglich von seinen eigenen Mitarbeitern veranlasst worden ist. Er hat dem Kläger deshalb denjenigen Schaden zu ersetzen, den der nicht näher bekannte Mitarbeiter diesem in Ausführung der ihm übertragenen Verrichtung zugefügt hat. |
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| Dem Beklagten stand es zwar offen, sich nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB zu entlasten (Exkulpation). Der Beklagte hat aber schon nicht dargelegt, dass er bei der Auswahl und Anleitung der bestellten Personen („meine Mitarbeiter“) die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet habe. Ein dahingehender konkreter Vortrag ist nicht erfolgt, obwohl der Kläger sich zur Begründung der Verantwortlichkeit des Beklagten schon schriftsätzlich auf die vorstehend genannte Bemerkung des Beklagten (Anl. K14) bezogen hat. |
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| Aufgrund der unerlaubten Handlung schuldet der Beklagte Ersatz der Anwaltskosten, die für die Einholung der strafbewehrten Unterlassungserklärung entstanden sind. Die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten war dabei auch erforderlich, da aufgrund dessen, dass es bereits zu einer Beeinträchtigung des Klägers in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gekommen war, die Wiederholungsgefahr im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB vermutet wird und diese Vermutung insbesondere auch durch die bloße Löschung - sei sie nun vollständig oder lediglich teilweise erfolgt - des Eintrags nicht beseitigt wird. Schließlich war dem Kläger angesichts der Umstände und der durchaus gewisse juristische Kenntnisse erfordernden Geltendmachung eines auf die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gestützten Unterlassungsanspruch auch nicht zuzumuten, auf juristischen Beistand zu verzichten. |
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| Der Höhe nach beläuft sich der Anspruch entsprechend der Berechnung der Prozessbevollmächtigten des Klägers (1,3 - Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 5.000,00 EUR nebst Postpauschale und Mehrwertsteuer) auf 492,54 EUR. |
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| Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 + 2 ZPO. |
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