Landgericht München I Endurteil, 02. Mai 2018 - 9 O 7697/17

bei uns veröffentlicht am02.05.2018

Gericht

Landgericht München I

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelferin zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Beklagte und die Streithelferin – hinsichtlich der Kosten – gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Freistellung von Unterhaltsansprüchen im Zusammenhang mit einem Embryonentransfer.

Der Kläger stellte sich mit seiner damaligen Ehefrau, der Streithelferin, am 18.04.2012 erstmals in der Praxis der Beklagten wegen eines Kinderwunsches vor. Es erfolgten eine von ihm und der Streithelferin unterzeichnete Anmeldung, ferner eine Blutentnahme, das Einverständnis zur Kinderwunschbehandlung und die Teilnahme am Patientenportal. Die Unterschriften, die dazu erforderlich waren, leistete auch der Kläger. Am 07.10. und 28.11.2012 erfolgten zwei erfolglose Inseminationen; auch für die schriftliche Einwilligung in diese Behandlungen leisteten der Kläger und seine damalige Ehefrau gemeinsam ihre Unterschriften.

Am 11.03. und 02.07.2013 fanden Gespräche zwischen dem Kläger und der Streithelferin einerseits und den behandelnden Ärzten der Beklagten andererseits über eine Befruchtung außerhalb der Gebärmutter statt, weil sich bei der Streithelferin ein Eileiterverschluss links und eine Endometriose gezeigt hatten. Am 13.08.2013 unterzeichneten der Kläger und die Streithelferin einen Behandlungsvertrag, sowie einen Vertrag über eine homologe Insemination, einschließlich In-vitro-Fertilisation und ICSI.

Am 03.09.2013 unterzeichnete der Kläger zudem gemeinsam mit der Streithelferin einen Vertrag über eine Lagerung der befruchteten und kryo-konservierten Eizellen durch die Fa. K. GmbH. Am gleichen Tag erfolgte auch ein „Vertrag zur Kryokonservierung von Vorkernstadium/Embryozellen“ mit der Beklagten. Beide Verträge unterzeichnete auch der Kläger. Der Vertrag zur Kryokonservierung beinhaltete die Kryokonservierung (das Einfrieren) befruchteter Eizellen „sofern in dem bevorstehenden Behandlungszyklus überzählige, befruchtete Eizellen zur Verfügung stehen (...)“, die über die Beklagte vermittelte Lagerung bei der K. GmbH und das „Auftauen der eingefrorenen Zellen/Embryonentransfer“. Für Einzelheiten des Vertrages wird auf den in den Behandlungsunterlagen befindlichen „Vertrag zur Kryokonservierung“ vom 03.09.2013 Bezug genommen.

Am 04.09.2013 wurden 13 Eizellen bei der Streithelferin entnommen und zum Teil im Wege der In-Vitro-Fertilisation (Zusammenführen von Eizelle und Samenzellen im Reagenzglas – IVF), zum Teil im Wege der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (Injektion der Samenzelle in die Eizelle – ICSI) befruchtet. Die IFV blieb erfolglos. Die ICSI-behandelten Eizellen wurden am 05.09.2017 – ausweislich der Behandlungsdokumentation – im sog. Vorkernstadium kryokonserviert.

Am 21.10.2013 übersandte die Streithelferin der Beklagten eine schriftliche Einverständniserklärung zum Auftauen und zum Transfer von Eizellen. Diese Erklärung trug auch die Unterschrift des Klägers, die Unterschrift hatte die Streithelferin allerdings gefälscht.

Am 23.10.2013 kam es zu einem Telefonat des Klägers mit der Praxis der Beklagten und dort der Zeugin P. J. Der Inhalt des Gespräches ist zwischen den Parteien streitig. In der Behandlungsdokumentation findet sich dazu folgender Vermerk:

„TEL mit Mann: wollte seine Einwilligung jetzt! zurücknehmen, ist wohl mit dem Kryo nicht einverstanden? soll sich nochmal mit seiner Frau besprechen (hält ihn wohl nicht so auf dem Laufenden ...), Info das am Samstag Transfer stattfinden wird; wird mit seiner Frau sprechen

TEL Transfertermin etc. mitgeteilt + im OP-Plan abgehakt“

Am 25.10.2013 erfolgte das Auftauen und der Transfer von Eizellen, was aber im Ergebnis nicht zu einer Schwangerschaft führte.

Am 24.03.2014 übermittelte die Streithelferin der Beklagten erneut eine schriftliche Einverständniserklärung zum Auftauen und zum Transfer von Eizellen, ebenso unter dem Datum vom 31.03.2014. Beide Erklärungen tragen die Unterschrift des Klägers, in beiden Fällen ist die Unterschrift jedoch von der Streithelferin gefälscht. Am 31.03.2014 kommt es daraufhin zum Auftauen und zum Eizellentransfer. Am 22.04.2014 wurde durch Blutkontrolle und Ultraschall die Schwangerschaft bei der Streithelferin festgestellt. Die weitere gynäkologische Betreuung erfolgte durch die niedergelassenen Gynäkologin der Streithelferin.

Am 23.04.2014 kam es zu einem Telefonat des Klägers mit der Zeugin J. Dabei erfuhr der Kläger, dass schriftliche Einverständniserklärungen für das Auftauen und den Embryonentransfer vorgelegen hätten. Noch am gleichen Tag kam es dann zu einem Telefonat Dr. B. von der Beklagten und der Streithelferin, bei dem diese die Fälschung der Unterschriften zugab.

Am 05.05.2014 erhielt der Kläger die Kopien der Erklärungen, die seine gefälschten Unterschriften trugen. Er erstattete daraufhin Strafanzeige. Am 15.10.2014 erließ das Amtsgericht München einen Strafbefehl wegen Urkundenfälschung über 90 Tagessätze in Höhe von jeweils 40,– Euro. Der Strafbefehl ist rechtskräftig. Gleichfalls im Oktober 2014 teilte der Kläger per E-Mail der Beklagten mit, dass er das Auftauen und Verwerfen der noch vorhandenen Eizellen wünsche. Am 19. und 20.11.2014 gingen die vom Kläger und der Streithelferin unterzeichneten Kündigungserklärungen für den Kryo-Konservierungsvertrag ein.

Am ...2014 wurde J. A. geboren. Der Kläger ist gemäß Unterhaltsurkunde vom 10.07.2015 zum Unterhalt verpflichtet.

Der Kläger trägt vor, bereits im Jahr 2012 und 2013 habe es Eheprobleme gegeben, schon im April 2013 sei er temporär aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen, es habe aber noch weiterhin Kontakt mit der Streithelferin bestanden. Im September 2013 habe die Streithelferin ihm dann mitgeteilt, unter schlimmem Hautkrebs zu leiden. Es sei eine Bestrahlung notwendig oder eine Chemotherapie, welche Auswirkungen auf ihre Fruchtbarkeit haben könnte. So habe sie den Kläger überredet, Eizellen befruchten und kryokonservieren zu lassen. Der Kläger habe aus Mitleid eingewilligt und weil er seine Ehe noch nicht vollständig aufgegeben gehabt habe. So sei es dann zu einem Kryo-Konservierungsvertrag mit der Fa. KryoDat GmbH gekommen und auch zu der Insemination und Kryo-Konservierung.

Von dem schriftlichen Einverständnis zum Auftauen und Embryonentransfer im Oktober 2013 habe der Kläger keinerlei Kenntnis gehabt. Er habe am 22.10.2013 erfahren, dass die Streithelferin doch keinen Hautkrebs habe. Am 23.10.2013 habe er sehr erregt in der Praxis der Beklagten angerufen und unmissverständlich mitgeteilt, dass er seine Einwilligung jetzt zurücknehmen wolle. Damit sei ein eindeutiger Widerruf erklärt worden. In der Folgezeit seien jedoch keinerlei weitere Nachfragen gekommen. Die Beklagte habe sich in keiner Weise vergewissert, dass die weiteren Unterschriften überhaupt von ihm stammten. Dabei sei ein Vergleich der Unterschriften möglich gewesen und hätte eindeutig zu erkennen gegeben, dass die weiteren Unterschriften nicht von ihm stammten.

Aufgrund all dessen habe die Beklagte ihre vertraglichen Pflichten und darüber hinausgehend auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt. Sie habe weder die Unterschriften, bzw. das Einverständnis des Klägers überprüft, noch entsprechend Rückfragen vorgenommen, bevor der Embryonentransfer durchgeführt worden sei.

Dementsprechend sei sie zum Schadenersatz durch Freistellung von den Unterhaltskosten, sowohl bis zum Ende des 18. Lebensjahres, als auch für einen etwaigen darüber hinausgehenden Unterhalt verpflichtet.

Der Kläger beantragt,

  • 1.die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 01.05.2017 von der Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind J. A., geboren ...2014, in Höhe des gesetzlichen Mindestunterhalts (Mindestbetrag gemäß der jeweils einschlägigen Düsseldorfer Tabelle) bis einschließlich zum 03.12.2032 (Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres) freizustellen,

  • 2.festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von zukünftigen, über die Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes J. A., geboren ...2014, hinausgehend entstehenden Unterhaltsansprüchen freizustellen, beschränkt auf den jeweils gesetzlichen Mindestunterhalt, und

  • 3.die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 958,19 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, weder die Eheprobleme, noch ein etwaiger temporärer Auszug im April 2013 seien ihr bekannt gewesen. Insbesondere seien auch die Angaben zur Hautkrebserkrankung nicht nachvollziehbar, jedenfalls der Beklagten nicht mitgeteilt worden. Der Kinderwunsch habe aber schon vorher bestanden, auch der Wunsch zu einer künstlichen Befruchtung. Im übrigen wäre lediglich im Hinblick auf die Hautkrebserkrankung keine Befruchtung erforderlich gewesen, es hätte genügt, die Eizellen zu entnehmen und zu konservieren.

Bei dem Telefonat am 23.10.2013 habe die Zeugin J. dem Kläger geraten, sich mit seiner Ehefrau zu besprechen. Es sei auch der Termin zum Embryonentransfer am 25.10.2013 mitgeteilt worden. Der Kläger habe sich allerdings dann nicht mehr gemeldet. Vor diesem Hintergrund habe die Beklagte von einem fortbestehenden Einverständnis, wie es durch den ursprünglichen Vertrag bereits erklärt worden sei, ausgehen dürfen.

Im übrigen sei ein etwaiger mündlich erklärter Widerruf auch nicht formwirksam, weil der Kryo-Konservierungsvertrag die Schriftform erfordere. Es sei auch keine ausdrückliche Einverständniserklärung des Vaters nach dem Embryonenschutzgesetz erforderlich, sondern nur das Einverständnis der Mutter, ob dieser Transfer erfolge. Dass die Unterschriften gefälscht gewesen seien, sei für die Beklagte nicht erkennbar gewesen. Nachprüfungspflichten hätten insoweit nicht bestanden.

Die Streithelferin trägt vor, der Kläger sei erst im November 2013 aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Er sei sich auch in der Folgezeiten nicht sicher gewesen, ob er sein Einverständnis mit einer künstlichen Befruchtung widerrufen solle. Spätestens ab November 2013 habe er aber von der Fortsetzung der Kinderwunschbehandlung durch die Streithelferin gewusst und gleichwohl nicht reagiert.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeuginnen S. A. (zugleich Streithelferin) und P. J.; darüber hinaus hat sie den Kläger und den Gesellschafter der Beklagten Dr. B. als behandelnden Arzt gem. § 141 ZPO informatorisch angehört. Für das Ergebnis wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2018 (Bl. 91–107 d.A.) Bezug genommen.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien mit Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2018 (Bl. 91–107 d.A.) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe der Unterhaltsleistungen, und zwar weder wegen einer Verletzung der vertraglichen Pflichten aus dem Behandlungsvertrag (§§ 630 a, 280 BGB) noch wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeits- und/oder Selbstbestimmungsrechts gem. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG bzw. §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 ESchG. Denn der Kläger hatte zunächst – und unstreitig – wirksam in die Befruchtung, Kryokonsverierung und anschließende Wiedereinsetzung von Eizellen eingewilligt und den Nachweis, diese Einwilligung wirksam widerrufen zu haben, nicht zur Überzeugung der Kammer zu führen vermocht. Auch bestanden für die Beklagte auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls keine Anhaltspunkte, an einem Fortbestehen der Einwilligung des Klägers vor dem erfolgreichen Transfer am 31.03.2014 zu zweifeln, so dass insoweit auch keine Verletzung vertraglicher Nebenpflichten in Betracht kommt.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen Verletzung von vertraglichen Pflichten aus dem Behandlungsvertrag gem. §§ 280, 630 a BGB.

1.1. Zwischen dem Kläger und der Beklagten sind im Rahmen der Vereinbarung über die Kinderwunschbehandlung mehrere Verträge zustande gekommen, vorliegend im zeitlichen Zusammenhang maßgeblich insbesondere die sowohl von der Streithelferin als auch von dem Kläger bereits am 13.08.2013 unterschriebenen folgenden Vereinbarungen:

  • Einwilligung in die In-Vitro-Fertilisationsbehandlung (IVF-Behandlung)

  • Einverständniserklärung in In-vitro-Fertilisation, ICSI und anschließenden Transfer

  • Teilnahmeerklärung der Eheleute für die integrierte Versorgung in der Reproduktionsmedizin (IV-ART).

Weiter unterschrieb der Kläger – zusammen mit seiner Ehefrau – am 03.09.2013 den „Vertrag zur Kryokonservierung von Vorkernstadium/Embryozellen“. Darin erklärte der Kläger nicht nur seine ausdrückliche Einwilligung in de Kryokonservierung von befruchteten Eizellen bzw. Eizellen im Vorkernstadium, sondern als vereinbarte Leistungen finden sich auch „Auftauen der eingefrorenen Zellen/Embryonentransfer“.

Zwischen den Parteien ist – und dies ist im Kern auch unstreitig – somit ein Behandlungsvertrag mit dem Inhalt sowohl einer Befruchtung von Eizellen der Streithelferin mit Samenzellen des Klägers im Wege sowohl der IVF als auch der ICSI, der Kryo-Konservierung eines Teils der Eizellen, in die bereits Spermien eingebracht wurden (Vorkernstadium), und der späteren Übertragung dieser Zellen zustande gekommen.

1.2. Der Kläger hat eine wirksame Einwilligung in diese Behandlungsschritte erteilt.

1.2.1. Grundsätzlich ist eine Einwilligung des Mannes nicht nur in die Befruchtung einer Eizelle mit seinen Samenzellen, sondern auch in den anschließenden Transfer dieser Eizelle auf die Frau erforderlich, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Eizelle im Vorkernstadium oder um einen Embryo handelt.

1.2.1.1. Das Erfordernis zur Einwilligung in die künstliche Befruchtung der Eizelle ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Embryonenschutzgesetzes (ESchG). Danach wird bestraft, wer es unternimmt, eine Eizelle künstlich zu befruchten, ohne dass die Frau, deren Eizelle befruchtet wird, und der Mann, dessen Samenzelle zur Befruchtung verwendet wird, eingewilligt haben.

1.2.1.2. Eine weitergehende ausdrückliche gesetzliche Regelung, in der ein Einwilligungserfordernis des Mannes vor dem Transfer der mit seinen Samenzellen versehenen Eizellen als erforderlich statuiert würde, besteht nicht.

Eine solche Regelung ergibt sich – insoweit ist der Beklagten zuzustimmen – nicht aus § 4 Abs. 1 Nr. 1 ESchG. Danach wird bestraft, wer es unternimmt, auf eine Frau ohne deren Einwilligung einen Embryo zu übertragen. Abgestellt wird hier ausdrücklich nur auf die Einwilligung der Frau. Indem die Vorschrift ausdrücklich auf die Einwilligung der Frau bei der Übertragung eines Embryos (also der befruchteten Eizelle) abstellt, dient sie dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Frau (Pelchen/Häberle in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, München, Stand Okt. 2017, § 4 ESchG, Rz. 3; in diesem Sinne wohl auch OLG München v. 22.02.2017 – Az. 3 U 4080/16 – Rz. 36; alle Entscheidungen, soweit nicht anders gekennzeichnet, nach juris-Datenbank). Das Erfordernis einer ausdrücklichen Einwilligung auch des Mannes zum Embryonentransfer lässt sich dem Wortlaut der Norm nicht entnehmen.

Hinzu kommt, dass § 4 Abs. 1 Nr. 2 ESchG ausdrücklich die Übertragung von Embryonen ins Auge fasst. Als Embryo im Sinne dieses Gesetzes gilt gem. § 8 Abs. 1 ESchG die bereits befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an. Entscheidend ist dafür, wie u.a. auch von der Bundesregierung auf eine Anfrage hin später klargestellt wurde, „im Rahmen eines sogenannten Befruchtungsvorgangs die sogenannte Kernverschmelzung“ (BT-Drucksache 12/6455 – veröffentlicht in MedR 1994, S. 275). Damit ist nach der Legaldefinition von einem Embryo „ab dem Ende der Befruchtungskaskade, die mit dem Zusammentreten der beiden Chromosomensätze aus Ei- und Samenzelle endet“ (Taupitz, NJW 2001, S. 3433/3434), auszugehen. Eizellen, in die zwar das Spermium bereits eingedrungen ist, in der es aber noch zu keiner Kernverschmelzung gekommen ist, fallen als sog. „Zellen im Vorkernstadium“ dagegen nicht unter die Definition eines Embryos im Sinne von § 8 Abs. 1 ESchG und damit auch nicht unter die Definition eines Embryos im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 ESchG (in diesem Sinne auch Kamps, MedR 1994, S. 339/341). Die „befruchtete“ Eizelle im Stadium der männlichen und weiblichen Vorkerne wird damit vom Strafrechtsschutz noch nicht umfasst (Kamps, MedR 1994, S. 339/342 – insoweit allerdings vor allem mit Blick auf den Schutzgehalt des § 5 ESchG).

Da es sich bei § 4 Abs. 1 ESchG um eine Norm des materiellen Strafrechts handelt, stellt sie insoweit die „ultima ratio“ zum Schütze des von ihr erfassten Rechtsgutes dar. Das bedeutet, dass die Norm gem. Art. 103 Abs. 2 GG nicht über ihren Wortlaut hinaus erweiternd dahingehend ausgelegt werden kann, dass auch der Schutz des Persönlichkeitsrechts des Mannes eine Strafbarkeit für die ohne seine Einwilligung durchgeführte Eizellenübertragung erfordere.

Somit ergibt sich weder für den Embryonentransfer noch für den Transfer von Eizellen im Vorkernstadium eine ausdrückliche gesetzliche Regelung in Bezug auf die Einwilligung des Mannes.

1.2.1.3. Gleichwohl geht die Kammer – anders als die Beklagte – dennoch von dem Erfordernis der Einwilligung des Mannes nicht nur in die Befruchtung, sondern auch in den anschließenden Transfer der Eizelle aus, sei es einer Eizelle im Vorkernstadium, sei es eines Embryos (d.h. befruchteten Eizelle). Dies folgt aus dem Recht jedes Menschen, über seine Fortpflanzung selbst zu bestimmen, wie es als Ausfluss seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist.

Dass diesem Aspekt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch auf dem Gebiet der assistierten Fortpflanzung, wie sie – zumindest teilweise – im ESchG geregelt ist, große Bedeutung zukommt, ergibt sich bereits aus der Gesetzesbegründung. So wird in der Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 1 Nr. 1 und § 4 Abs. 1 Nr. 2 ESchG damals noch als § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 ESchG ausgestaltet – herausgestellt (BT-Drucksache 11/54609, S. 10), dass das Verbot der „eigenmächtigen Befruchtung“, d.h. der Befruchtung ohne Einwilligung des Mannes und der Frau, gewährleisten solle, dass das Selbstbestimmungsrecht des einzelnen in einem für ihn besonders wesentlichen Bereich erhalten bleibt. Daneben solle aber auch Gefahren für die Entwicklung des Kindes entgegengewirkt werden, die „zumindest dann nicht ausgeschlossen werden können, wenn seine Erzeugung in einer dem Willen der Beteiligten nicht entsprechenden Weise erfolgt ist. Die Herausbildung enger personaler Beziehungen zu dem Kind könnte hier zu dessen Lasten erschwert werden.“ Unmittelbar daran schließt die Begründung zum Verbot der „eigenmächtigen Embryonenübertragung“ an, der Übertragung der befruchteten Eizelle auf die Frau ohne deren Einwilligung: „Diese Gesichtspunkte treffen in noch verstärktem Maße auf den Fall zu, dass ein menschlicher Embryo auf eine Frau übertragen wird, ohne dass sie in die Übertragung eingewilligt hat.“

Daraus folgt zunächst zum einen, dass das Selbstbestimmungsrecht der Beteiligten – Frau und Mann – neben dem Kindeswohl ein gleichberechtigtes und anerkanntes Rechtsgut gerade im Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtung ist. Daraus folgt zum ändern, dass das Selbstbestimmungsrecht beider – sowohl der Frau als auch des Mannes – jedenfalls unzweifelhaft dann verletzt ist, wenn eine künstliche Befruchtung einer Eizelle ohne die Einwilligung beider erfolgt und dass das Selbstbestimmungsrecht der Frau in noch größerem Maße schutzwürdig ist, wenn es um die Übertragung der befruchteten Eizelle in ihren Körper geht. Denn dann ist ihre körperliche Integrität zusätzlich – anders als bei einem Mann – beeinträchtigt, weil auf diese Weise eine (zumindest potentielle) Schwangerschaft herbeigeführt wird. Dies bedarf nach dem Willen des Gesetzgebers eines besonderen, zusätzlich strafrechtlich sanktionierten Schutzes, ohne dass daraus aber eine Abwertung des Selbstbestimmungsrechts des Mannes im Hinblick auf die Fortpflanzung resultieren muss. Denn rechtliche Voraussetzungen einerseits und strafrechtliche Sanktionen bei ihrem Fehlen andererseits müssen keineswegs zwingend Hand in Hand gehen.

Das Strafrecht stellt insoweit nur die „ultima ratio“ dar, um die äußersten Grenzen des zulässigen Handelns zu markieren; in den Worten der Gesetzesbegründung zum ESchG: „Der Entwurf beschränkt sich bewusst darauf, strafrechtliche Verbote nur dort vorzusehen, wo sie zum Schutz besonders hochrangiger Rechtsgüter unverzichtbar erschienen.“ (BT-Drucksache 11/5460, S. 6). Wo von dem strafrechtlichen Schutz abgesehen wird, bestehen andere Rechtsgüter gleichwohl fort, dann allerdings mit einem „nur“ zivilrechtlichen, nicht auch zusätzlichen strafrechtlichen Schutz.

Wie der BGH u.a. bereits in seinem Urteil vom 21.02.2001 (Az. XII ZR 34/99 – dort Rz. 11) ausgeführt hat, stellt der Entschluss, zur Entstehung eines neuen Lebens beizutragen und in der Folge für dieses verantwortlich zu sein, eine höchstpersönliche Angelegenheit dar, so dass es zum Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen im Sinne von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG gehört, sich jederzeit erneut und frei für oder gegen ein Kind entscheiden zu können. Dies entspricht auch der rechtlichen Überzeugung der erkennenden Kammer (in diesem Sinne wohl auch LG Bonn v. 19.10.2016 – Az. 1 O 42/16 – Rz. 41).

Auch die Muster-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur assistierten Reproduktion sieht die schriftliche Einwilligung sowohl in die sog. ICSI als auch in die Kryokonsvervierung der daraus resultierenden, aber nicht umgehend wieder eingesetzten Eizellen im Vorkernstadium vor. Aber auch der Transfer von Embryonen als bereits (vollständig) befruchteter, entwicklungsfähiger Eizellen bedarf nach den eben dargelegten Erwägungen grundsätzlich der Einwilligung auch des Mannes, wenngleich hier als weiteres, besonderes Schutzgut der Embryo selbst in dem Abwägungsvorgang besondere Berücksichtigung finden muss. Letztlich kann das aber vorliegend dahingestellt bleiben, weil die Beklagten hier unstreitig Eizellen im Vorkernstadium (die also noch nicht Embryonen im Sinne von § 8 Abs. 1 ESchG waren) kryokonserviert und anschließend wieder aufgetaut und auf die Streithelferin transferiert haben.

Für diese Maßnahmen war die Einwilligung des Klägers als desjenigen, von dem die Samenzellen stammen, erforderlich.

1.2.2. Allerdings hat der Kläger auch wirksam die Einwilligung nicht nur in die Befruchtung der Eilzelle mit seinen Samenzellen, sondern auch in die Kryo-Konservierung der daraus entstehenden Eizellen im Vorkernstadium und ihren späteren Transfer erteilt.

1.2.2.1. Die Einwilligung in die Befruchtung im Wege der ICSI und den anschließenden Transfer der Eizellen hat der Kläger bereits mit den Erklärungen vom 13.08.2013 erteilt. Er wusste auch um die Vornahme dieser einzelnen Schritte Anfang September 2013 und war damit – auch nach eigenem Vortrag – einverstanden.

1.2.2.2. Der Kläger hat aber auch in die Kryokonservierung der bereits mit seinen Samenzellen versehenen Eizellen (Vorkernstadium) und das spätere Auftauen und den späteren Transfer dieser Zellen eingewilligt, wie sich aus dem (unstreitig noch von ihm selbst) unterschriebenen „Vertrag zur Kryokonservierung von Vorkernstadium/Embryozellen“ vom 03.09.2013 ergibt. Denn in diesem Vertrag hat er nicht nur in die Kryokonservierung eingewilligt, sondern als vertragliche Leistungen der Beklagten auch das „Auftauen der eingefrorenen Zellen/Embryonentransfer“ vereinbart. Wird dies aber zum Gegenstand einer vertraglich geschuldeten Leistung gemacht, dann liegt darin zugleich auch die Einwilligung des Gläubigers (also des Klägers), dass der Schuldner (also die Beklagte) diese vertraglich geschuldete Leistung auch erbringt.

1.2.2.3. Eine weitergehende, vor jedem einzelnen Teilschritt der Behandlung zu erteilende erneute Einwilligung war demgegenüber nicht erforderlich, solange die bereits erteilte Einwilligung fortbestand. Weder gebietet die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Klägers, dass die Einwilligung immer wieder erneut positiv – gar schriftlich – einzuholen wäre, denn das Selbstbestimmungsrecht ist gewahrt, wenn die Einwilligung vorliegt und fortbesteht – ob und in welcher Form sie dann dokumentiert ist, dient dann möglicherweise der Vorbeugung von Missverständnissen oder (nicht zuletzt forensisch begründeten) Dokumentationszwecken, das Selbstbestimmungsrecht wird dadurch aber nicht beschränkt. Noch ergibt sich ein solches Erfordernis immer wieder zu erholender ausdrücklicher Einwilligungen aus dem zwischen den Parteien hier geschlossenen Vertrag. Zwar hat die Beklagte selbst ein entsprechendes Formular entwickelt und verwendet es auch. Doch auch diesem kommt insoweit keine konstitutive (die Einwilligung begründende), sondern nur eine deklaratorische, d.h. klarstellende Funktion zu. Das gilt umso mehr, als eine entsprechende Verpflichtung zur Verwendung solcher Formulare nicht vertraglich vereinbart ist.

1.2.3. Damit ist die am 03.09.2013 erteilte Einwilligung des Klägers in die Kryokonservierung und den späteren Transfer der Eizellen im Vorkernstadium ausreichend, wenn und soweit sie im Zeitpunkt des Transfers noch wirksam bestand.

1.3. Die Einwilligung des Klägers bestand im Zeitpunkt des – letztlich erfolgreichen – Transfers der Eizellen im Vorkernstadium am 31.03.2014 noch fort. Insbesondere hat der Kläger seine Einwilligung nicht wirksam widerrufen.

1.3.1. Grundsätzlich durfte der Kläger – entgegen der Ansicht der Beklagten – die Einwilligung in den Transfer der Eizellen, in die seine Samenzellen injiziert wurden, auch nach der ICSI-Behandlung noch widerrufen. Dies ergibt sich aus mehreren Erwägungen:

Zum einen setzt der Schutz des Embryos, wie er u.a. nach den oben dargelegten Erwägungen des Gesetzgebers auch in § 4 Abs. 1 Nr. 2 ESchG ins Auge gefasst ist, wonach (nur) die Einwilligung der Mutter in den Embryonentransfer erforderlich ist, erst mit der (vollständig) befruchteten Eizelle im Sinne von § 8 Abs. 1 ESchG ein. Es muss also bereits zu einer Verschmelzung der Zellkerne gekommen sein; ab diesem Zeitpunkt liegt ein Embryo vor, dessen Schutz zweifelsfrei als eigenständiges Rechtsgut in den Abwägungsvorgang einbezogen werden muss, vorher dagegen befindet sich die Eizelle in einem „Zwischenstadium“ – der Befruchtungsvorgang wurde durchgeführt, ist aber noch nicht vollendet. Mögen also Gründe dafür sprechen, dass die Einwilligung bei Bestehen eines Embryos nicht mehr widerrufen werden kann, so muss das letztlich hier nicht entschieden werden. Denn vorliegend wurden unstreitig Eizellen im Vorkernstadium transferiert, die also gerade noch nicht Embryonen waren.

Jedenfalls die Einwilligung in die Befruchtung und die Einwilligung in die Kryokonservierung und den späteren Transfer von Eizellen im Vorkernstadium ist daher – bis zum Transfer – frei widerruflich, und zwar nicht nur für den die Frau, sondern auch für den Mann (LG Bonn v. 19.10.2016 – Az. 1 O 42/16 – Rz. 36; Kamps, MedR 1994, S. 339/347). Auch dies ist Ausfluss seines Rechts, über seine Fortpflanzung selbst zu bestimmen, wie oben dargelegt.

1.3.2. Allerdings hat der Kläger es nicht vermocht, zur Überzeugung der Kammer den Nachweis dafür zu führen, dass er tatsächlich seine Einwilligung – insbesondere in dem Telefonat mit der Zeugin J. am 23.10.2013 – wirksam widerrief.

1.3.2.1. Ein solcher Nachweis ergibt sich nicht bereits aus der von der Beklagten selbst vorgelegten Dokumentation des Telefonates. Dort findet sich der Eintrag:

„TEL mit Mann: wollte seine Einwilligung jetzt! zurücknehmen, ist wohl mit dem Kryo nicht einverstanden? soll sich nochmal mit seiner Frau besprechen (hält ihn wohl nicht so auf dem Laufenden ...), Info das am Samstag Transfer stattfinden wird; wird mit seiner Frau sprechen“

Aus dem ersten Teil dieses Eintrags – nur diesen Teil hat der Kläger auch in seiner Klageschrift zitiert – ergibt sich zunächst zwar dass der Kläger bei dem Telefonat durchaus erklärt hat, mit „dem Kryo“ wohl nicht einverstanden zu sein und seine Einwilligung „jetzt!“ zurücknehmen zu wollen. Allerdings lässt die Verwendung des Wortes „wollte“ – also der Vergangenheitsform – auch den Rückschluss zu, dass es sich nur um einen schon im Zeitpunkt der Dokumentation nicht mehr aktuellen Wunsch handelte. Der weitere Teil des Eintrags – diesen hat der Kläger in seiner Klagebegründung nicht zitiert – lässt dann jedenfalls einen weiteren Fortgang des Telefonates erkennen, in welchem dem Kläger nicht nur der (ihm bis dahin möglicherweise nicht bekannte) Termin für den Eizellentransfer am Samstag mitgeteilt wurde, sondern in dem ihm auch geraten wurde, sich mit seiner Frau zu besprechend und das weitere zu klären. Schließlich wird dokumentiert, dass er genau dies auch tun werde: „wird mit seiner Frau sprechen“. Damit aber wird ein eingangs dokumentierte Widerrufswunsch jedenfalls noch einmal in Zweifel gezogen. Die Dokumentation ist damit jedenfalls auch zwanglos dahingehend zu verstehen, dass der Kläger zunächst – ggf. aufgebracht – und mit dem Wunsch nach einem Widerruf angerufen, irrt Laufe des Gespräches aber zunächst ein Gespräch und eine entsprechende Klärung mit seiner Frau ins Auge gefasst hat. Dann aber handelt es sich bereits nach dem Dokumentierten nicht um einen eindeutigen und unbedingten Widerruf, wie er für eine wirksame, einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung erforderlich wäre.

1.3.2.2. Auch nach der Einvernahme der Zeuginnen und des Klägers sowie von Dr. B. für die Beklagte sieht die Kammer den Nachweis für einen eindeutigen Widerruf bei dem Telefonat nicht als geführt an.

1.3.2.2.1. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2018 angegeben, er sei ursprünglich bereits im April 2013 endgültig ausgezogen gewesen, dann aber im Zusammenhang mit der ihm von seiner Ehefrau angegebenen Krebserkrankung Anfang August 2013 zurückgekommen. Sie habe ihm auch gesagt, dass wegen der anstehenden Behandlungen – Chemotherapie und Bestrahlung – eine endgültige Unfruchtbarkeit drohe. Deshalb habe er dann in die weitere Behandlung eingewilligt, die entsprechenden Unterschriften, aber auch die Samenspende geleistet. Dabei sei die Krebserkrankung aber kein Gesprächsthema gegenüber der Beklagten gewesen, das habe ja auch nichts zur Sache getan. Er habe aber in die Kryo-Konservierung eingewilligt, weil er gedacht habe, dass das die einzige Möglichkeit sei. Eine isolierte Eizellenentnahme (und Konservierung nur der Eizelle) sei ihm als Möglichkeit nicht bekannt gewesen. Das Ziel sei jedenfalls die Konservierung gewesen, um zu einem eventuell späteren Zeitpunkt eine Schwangerschaft möglich zu machen. Grundsätzlich sei es ja auch damals möglich gewesen, es auf natürlichem Wege zu versuchen, wenn man eine sofortige Schwangerschaft gewollt hätte. Denn im Hinblick auf andere Schwierigkeiten seien ja schon Eingriffe vorgenommen gewesen, um den Versuch zu ermöglichen.

Der Termin bei der Beklagten sei im August gewesen, an einen Termin am 04.09.2013 könne er sich nicht erinnern, ebenso wenig an einen Termin bereits Anfang Juli 2013, in dem es um die Problematik von Tubenverschluss und Fruchtbarkeitsstörungen gegangen sei. An die zeitliche Einordnung könne er sich insoweit erinnern, als er dies immer an den Ferienzeiten festmache. An Details habe er insoweit aber keine Erinnerungen mehr. Er habe dann an der behaupteten Erkrankung aber schnell Zweifel bekommen, seine Frau damit konfrontiert und so erfahren, dass das tatsächlich gar nicht zutreffe. Das müsse ca. zwei Wochen nach dem Wiedereinzug oder auch nach dem Termin beim Beklagten gewesen sein. Er habe seiner Frau jedenfalls deutlich gemacht, dass er diesen Kinderwunsch nicht möchte; das habe er auch bei einem familientherapeutischen Gespräch in der Diakonie gegenüber dem Therapeuten geäußert; dass er diesem allerdings auch gesagt, habe, er gehe ohnehin davon aus, dass seine Einwilligung erforderlich sei (wie in einer Stellungnahme des Therapeuten angegeben), daran könne er sich nicht erinnern. Kurz vor dem Telefonat in der Praxis des Beklagten habe er dann zufällig einen Überweisungsschein für seine Frau an Dr. B. gesehen, das Gefühl gehabt, dass da etwas nicht stimme, zunächst mit seiner Frau darüber gesprochen und dann auch in der Praxis angerufen.

An das Telefonat habe er noch eine gewisse Erinnerung, allerdings nicht mehr an Details. Er habe mit einer Mitarbeiterin – möglicherweise Frau J. – gesprochen. Er habe zunächst um Auskunft gebeten, ob eine Behandlung anstehe und erfahren, dass Eizellen aufgetaut worden seien. Er habe dann mit Worten, an die er sich zwar nicht mehr im Detail erinnern könne, die aber aus seiner Sicht eindeutig gewesen seien, darauf hingewiesen, dass er das nicht mehr möchte und seine Zustimmung zurückziehen möchte. Dass ihm gesagt worden sei, er solle mit seiner Frau reden, könne er nicht nachvollziehen. Er habe vielmehr in Erinnerung, dass ihm gesagt worden sei, dass er jetzt keinen Einfluss in der Praxis mehr nehmen könne und deshalb mit seiner Frau sprechen müsse, weil die schließlich die Entscheidung treffen müsse. Ihm sei ausdrücklich gesagt worden, er könne nicht mehr Widerrufen. Daraufhin habe er am gleichen Tag mit seiner Frau gesprochen und deutlich gemacht, dass er das nicht wolle. Sie habe es auch sofort zugegeben, habe aber gesagt, dass sie das schon mache. Dann sei der Streit aber sofort wieder eskaliert und das sei auch der Grund gewesen, warum er wieder ausgezogen sei, wohl im November. Er sei aber davon ausgegangen, dass der Eizellentransfer im Oktober erfolgt sei – ausdrücklich erfahren habe er das aber nicht von seiner Frau. In der Folge habe er dann selten Kontakt mit seiner Frau gehabt, die allerdings oft Anrufe und E-Mails an ihn gerichtet habe. Seiner Erinnerung habe es dann ein Gespräch in Gegenwart anderer Ende Dezember oder Anfang Januar gegeben, was aber nicht dazu geführt habe, dass die Beziehung habe beibehalten werden sollen. Er habe dann seiner Frau noch einmal eine Kamera übergeben, aber auch dabei habe es keine größeren Gespräche gegeben. Erst im April habe er von gemeinsamen Freunden erfahren, dass sie auf ihrer Geburtstagsfeier berichtet habe, schwanger zu sein. Sie habe ihm dann auch eine E-Mail geschrieben, so habe er von der Schwangerschaft erfahren. Daraufhin habe er dann die Unterlagen geholt und ein Gespräch mit den Ärzten der Beklagten gehabt. Vor April habe er aber jedenfalls keinen Kontakt mehr mit der Praxis der Beklagten aufgenommen. Er habe nämlich zum einen nach dem Auszug andere Sachen zu regeln gehabt, die für ihn im Vordergrund gestanden hätten. Zum ändern sei er davon ausgegangen, einen Anwalt zu benötigen, und dafür sei kein Geld dagewesen.

1.3.2.2.2. Die Zeugin J. hat demgegenüber in der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2018 ausgesagt, zwar keine eigenständigen Erinnerungen mehr an das Telefonat mit dem Kläger am 23.10.2013 zu haben, sich aber insoweit auf die Dokumentation stützen zu können. Sie dokumentiere im Allgemeinen auch sorgfältig und über die Tätigkeit schon im sechzehnten Jahr aus.

Gestützt auf die Dokumentation gehe sie davon aus, dass der Kläger zuerst gesagt habe, dass er „jetzt“ seine Einwilligung zurücknehmen wolle; das sei aber am Telefon nicht möglich sondern müsse schriftlich erfolgen. Sie könne auch – selbst wenn sie sich nicht daran erinnere – nicht ausschließen, dass der Kläger es so verstanden habe, dass er alleine die Einwilligung gar nicht widerrufen könne – denn da müsse ja auch die Frau einwilligen. Ob sie ihm das tatsächlich so auch gesagt habe, wisse sie allerdings nicht mehr. Sie denke, dass es wohl ein längeres Gespräch gewesen sei, bei dem es einmal darum gegangen sei, dass der Kläger seine Einwilligung habe zurücknehmen wollen, dass er allerdings wohl auch nicht genau gewusst habe, was seine Frau vorhabe und dass sie – die Zeugin – ihm deshalb auch den Termin für den Transfer genannt habe. Im weiteren Verlauf des Gesprächs habe er dann wohl gesagt, dass er mit seiner Frau sprechen wolle und damit sei für sie das wohl erledigt gewesen. Eigenständige Erinnerungen habe sie die Zeugin – tatsächlich nicht mehr. Sie gehe allerdings auch davon aus, dass zu dem Zeitpunkt nur bekannt gewesen sei, dass der Transfer am Samstag stattfinden werde, aber die Uhrzeit habe noch nicht festgestanden. Das sei immer erst donnerstags für den Samstag festgelegt worden. Das habe sie dem Kläger so auch gesagt. Dem Eintrag zufolge sei für sie – die Zeugin – nach dem Telefonat die Situation aber so gewesen, dass der Kläger seine Einwilligung noch nicht endgültig habe zurücknehmen wollen. Andernfalls hätte sie nämlich dann keinen Termin mit der Ehefrau ausgemacht, sondern Dr. B. informiert.

Das sei aber nicht der Fall gewesen; vielmehr habe sie dann ca. drei bis vier Stunden später mit der Ehefrau gesprochen und den Termin vereinbart. Dabei habe sie nicht über den Anruf des Klägers gesprochen, weil dieser ja mit seiner Frau habe sprechen wollen. Dr. B. habe sie von dem Anruf des Klägers auch nicht verständigt, sondern einen Vermerk in die Behandlungsunterlagen aufgenommen. Offensichtlich habe der Kläger auch keine Information an Dr. B. gewünscht, andernfalls hätte sie diesen nämlich informiert. Es sei nämlich üblich, alle wichtigen Informationen auch weiterzugeben und das entsprechend auch zu dokumentieren. Hier sei nichts dokumentiert.

1.3.2.2.3. Die Zeugin S. A., die Streithelferin, hat in der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2018 ausgesagt, nach einem – schleichenden – Auszug bis Anfang Mai hätten sie und der Kläger bereits in den Pfingstferien einen gemeinsamen Urlaub verbracht und dann sei der Kläger auch wieder eingezogen. Wegen des bestehenden Kinderwunsches einerseits, einer Problematik mit Eileiter und Endometriose andererseits und eines Spermiogramms habe es dann im Sommer 2013 bereits einen Beratungstermin in Praxis der Beklagten gegeben, allerdings nicht bei Dr. B. Zu dem Zeitpunkt sei der Kläger bereits wieder eingezogen gewesen. Es habe auch eine Zeit lang ein Krebsverdacht bestanden, der sich allerdings dann nicht bestätigt habe. Im Zeitpunkt der Kinderwunschbehandlung sei das bereits klar gewesen, dass kein Krebsverdacht vorliege. Es sei vielmehr – nachdem nach ihrem Eindruck die Beziehungskrise beigelegt gewesen sei – um die Verwirklichung des Kinderwunsches gegangen. Jedenfalls habe sie das so gesehen. Es habe auch eine Kostenübernahme der Krankenkasse vorgelegen. Es sei dann auch zu der Hormonstimulation – mit horrenden Preisen – gekommen. Von Juli bis Anfang September habe nach ihrem Eindruck aber jedenfalls das Einverständnis bestanden, den Kinderwunsch zu verwirklichen. Sie gehe davon aus, dass das auch ihr Mann so gesehen habe und dass ihm klar gewesen sei, dass der Krebsverdacht nicht mehr bestanden habe.

Man habe die Embryonen dann aber nicht sofort übertragen können wegen der durch die Hormonbehandlung hervorgerufenen Überhormonisierung, sondern man habe ca. einen Monat warten müssen. Der Kläger sei über alles – auch den Transfer im Oktober – informiert gewesen und habe zudem Zugang zum Patientenportal der Beklagten gehabt, in dem alle Befunde und Behandlungsschritte vermerkt gewesen seien. An dem Tag, an dem der Kläger allerdings die Einwilligungserklärung für den Transfer im Oktober habe unterschreiben sollen, habe es Streit gegeben. Weil sie befürchtet habe, er werde deshalb nicht unterschreiben, habe sie die Unterschrift gefälscht. Sie gehe aber davon aus, dass er von allem gewusst habe, auch von dem Fehlschlag im Oktober. Der erneute Auszug sei dann ein schleichender Prozess gewesen, bereits im November sei er in eine WG gezogen, habe sich aber erst im Zusammenhang mit der Scheidung tatsächlich abgemeldet. Später sei über die Frage der künstlichen Befruchtung eigentlich nicht wieder gesprochen worden. Sie habe den erneuten Anlauf Ende März unternommen, weil sie – nach der Beendigung einer zwischenzeitlichen Beziehung ihres Mannes – wieder Hoffnungen gehabt habe.

Angaben dazu, was der Kläger ihr von dem Telefonat in der Praxis der Beklagten berichtet habe, mache sie aber unter Berufung auf ihr Aussageverweigerungsrecht im Hinblick auf ein auf Anzeige des Klägers eingeleitetes weiteres Strafverfahren nicht.

1.3.2.2.4. Der Gesellschafter der Beklagten, Dr. Brückner, schließlich hat in der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2018 angegeben, bereits der erste Termin am 18.04.2012 mit dem Kläger und seiner Ehefrau sei im Rahmen einer ganz normalen Kinderwunschbehandlung erfolgt. Nach umfangreicher Anamnese und weiteren Untersuchungen habe sich dann gezeigt, dass körperliche Probleme im Hinblick auf die Empfängnis bestanden hätten. Zwei Inseminationen hätten zu keinem Erfolg geführt, Spermiogramme hätten unterschiedliche Ergebnisse gebracht, so dass dann eine Bauchspiegelung erfolgt sei, die wohl einen Verschluss eines Eileiters und eine Endometriose ergeben hätten. Der Termin sei damals von seinem Kollegen Dr. O. durchgeführt worden. Ausweislich der Dokumentation – und weil insoweit alle Ärzte in der Praxis standardisiert vergleichbar vorgingen – ergebe sich, dass dann wohl eine homologe Insemination vorgeschlagen worden sei. Es seien dann zwei Wege eingeschlagen worden, nämlich einmal eine IVF-Behandlung und zum ändern eine ICSI-Behandlung. Dazu seien insgesamt 13 Eizellen entnommen worden, bei der Hälfte davon sei eine IVF-Behandlung versucht worden, was aber nicht zum Erfolg geführt habe. Die ICSI-behandelten Zellen seien dann eingefroren worden. Zur Vermeidung einer Überstimulation sei klar gewesen, dass man frühestens bei dem nächsten Zyklus würde versuchen können, einen Transfer vorzunehmen, daher seien die Eizellen dann eingefroren worden. Es sei aber jedenfalls immer geplant gewesen, eine aktuelle Schwangerschaft herbeizuführen. Eine Hautkrebserkrankung habe keine Rolle gespielt, das sei ihm auch nicht bekannt gewesen.

Von dem Telefonat am 23.10.2013 zwischen dem Kläger und der Zeugin J. habe er nichts gewusst. Er könne nicht mit Sicherheit sagen, ob er die Dokumentation dazu bereits vor dem Eizellentransfer am 25.10.2013 gelesen gehabt habe; jedenfalls habe sie ihm grundsätzlich über den Bildschirm zur Verfügung gestanden. Er erachte die Eintragung aber als aussagekräftig und verstehe sie so, wie von der Zeugin Dr. J. auch berichtet. Allerdings gehe er davon aus, dass er – wenn ihm die Dokumentation zeitnah tatsächlich bekannt gewesen wäre – er nochmals zumindest mit der Streithelferin gesprochen hätte. Wenn ihm – demgegenüber – einer der beiden vor Beginn der Behandlung eindeutig vermittelt hätte, dass er das nicht wolle, hätte den Transfer natürlich nicht gemacht. Er – Dr. B. – habe in der Folgezeit und bis April 2014 aber keinen Kontakt mit dem Kläger mehr gehabt. Allerdings habe der Kläger als Ehemann, der ja auch als Patient geführt worden sei, von Anfang an Zugriff auf das Praxisportal gehabt. Erst bei dem Telefonat im April habe er dann erfahren, dass der Kläger mit der Schwangerschaft nicht einverstanden gewesen sei.

1.3.2.3. Die Kammer hat sich mit den Angaben aller Beteiligter – nicht nur der Zeugen, sondern auch der Parteien – auseinandergesetzt und sieht im Ergebnis den Nachweis für einen Widerruf der Einwilligung durch den Kläger in dem Telefonat am 23.10.2013 – einen weiteren Widerruf vor dem letztlich erfolgreichen Transfer am 31.03.2014 hat er selbst nicht behauptet – nicht als geführt an.

1.3.2.3.1. Ausgangspunkt dafür ist zunächst, dass die Kammer bereits die eigenen Angaben des Klägers dazu als nicht hinreichend glaubhaft und den Kläger selbst in seinem Aussageverhalten nicht als hinreichend glaubwürdig erachtet.

Dabei ist aus Sicht der Kammer nicht einmal entscheidend, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung eine zeitliche Einordnung vorgenommen hat, die weder mit seinem eigenen schriftsätzlichen Vortrag noch mit seinen früheren Angaben (z.B. im Rahmen der Strafanzeige gegen die Streithelferin) und der Dokumentation in Einklang zu bringen ist. Das ließe sich in der Tat – worauf der Kläger in seinem nachgelassenen Schriftsatz hingewiesen hat – durch einen Irrtum und den langen zeitlichen Abstand zum damaligen Geschehen möglicherweise noch erklären. Aber die Kammer vermag nicht nachzuvollziehen, dass

  • der Kläger weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung berichtet hat, dass es bereits im Juli 2013 ein erstes – so auch dokumentiertes – Beratungsgespräch über eine künstliche Befruchtung im Hinblick auf Tubenverschluss, Endometriose und Schwierigkeiten bei der Empfängnis gab und sich daran auch in der mündlichen Verhandlung nicht zu erinnern vermocht hat;

  • der nach dem eigenen Vortrag des Klägers maßgebliche Grund für die ICSI-Befruchtung und anschließende Kryo-Konservierung – nämlich die zu erwartende Therapie einer Krebserkrankung – kein Thema bei den Beratungsgesprächen gewesen sein soll, weil das nichts zur Sache getan habe (so der Kläger), wenn dies doch der bestimmende Grund gewesen sein soll;

  • eine aktuelle Kinderwunschbehandlung zum damaligen Zeitpunkt verneint und angegeben hat, es sei nur darum gegangen, einen zukünftigen Kinderwunsch sicherzustellen, wenn dazu zum einen eine Konservierung nur der Eizellen (ohne Befruchtung mit Samenzellen) ausgereicht hätte und zum ändern neben der ICSI-Befruchtung auch eine (von ihm allerdings auch gar nicht vorgetragene!) IVF-Befruchtung durchgeführt wurde.

Soweit der Kläger vor diesem Hintergrund einerseits angegeben hat, sich nicht mehr an den genauen Wortlaut, mit dem er den Widerruf telefonisch gegenüber der Zeugin Jaksch erklärt haben will, erinnern zu können, sich aber andererseits sicher zu sein, dass es eindeutig gewesen sei, erscheint dies als wenig belastbar. Das gilt umso mehr, als er auch angegeben hat, er habe dann nichts weiter unternommen, weil er zum einen so viele andere Dinge zu erledigen gehabt habe und er zum ändern auf Grund der Angaben der Zeugin J. davon ausgegangen sei, dass er alleine einseitig nicht widerrufen könne und daher einen Rechtsanwalt benötigen werde – in der von ihm selbst vorgelegten Bestätigung des Therapeuten der Diakonie Oberland (Anlage K13) allerdings seine damalige Einschätzung gegenüber dem Therapeuten berichtet wird, er sei sich sicher gewesen, dass eine Verwendung seines eingefrorenen Spermas nur mit seiner ausdrücklichen Zustimmung erfolgen könne. An diese Aussage hat er sich auf Vorhalt allerdings in der mündlichen Verhandlung wiederum nicht zu erinnern vermocht. Sie legt allerdings nahe, dass er selbst tatsächlich weder davon ausging, bereits wirksam widerrufen zu haben (er hielt ja eine weitere Einwilligung für erforderlich), noch dass er alleine gar nichts machen könne.

In einer von der Beklagten vorgelegten E-Mail des Klägers vom 30.10.2014 an Ivf-bbn.de (die Beklagte) stellte der Kläger wiederum aus seiner Sicht dar, dass er im November (!) sein Einverständnis widerrufen habe; er führt dazu aus „Ich sprach von dem Vertrag mit Kryodat, Ihre Mitarbeiter dachten an den gefälschten Auftrag“. Das wiederum steht nicht im Einklang mit seinem jetzigen Vortrag, er habe die Einwilligung in den Embryonentransfer widerrufen, denn der Vertrag mit der KryoDat GmbH betraf ja den Lagerungsvertrag. Es zeigt aber jedenfalls, dass offensichtlich der Inhalt des Telefonates keineswegs so eindeutig war, wie der Kläger nunmehr vorträgt und auch, dass die Erinnerung des Klägers zu dem Telefonat in unterschiedlicher Weise variiert.

Insgesamt vermag die Kammer bereits aus den eigenen Angaben des Klägers keine hinreichende Überzeugung davon zu gewinnen, dass der Kläger in dem Telefonat am 23.10.2013 eindeutig einen Widerruf der Einwilligung erklärt hätte.

1.3.2.3.2. Demgegenüber haben die Zeugin J. und Dr. B. für die Beklagte in ihren Aussagen nicht nur deutlich gemacht, inwieweit sie sich auf eigene Erinnerungen, auf durch Dokumentation gestützte Erinnerungen und aus der Dokumentation gezogene Rückschlüsse oder gar auf ein regelhaftes Vorgehen beziehen. Die Zeugin J. hat in gut nachvollziehbarer und widerspruchsfreier Weise geschildert, dass sie ausgehend von ihrer Dokumentation – die sie regelhaft zuverlässig erstelle – davon ausgehe, dass der Kläger zwar zunächst die Einwilligung habe widerrufen wollen, dann allerdings nach Hinweis auf den anstehenden Termin und die Empfehlung, sich mit seiner Frau zu besprechen, das habe tun wollen, so dass gerade kein eindeutiger Widerruf vorgelegen habe, sondern der Kläger sich erst einmal habe besprechen wollen – und sich danach nicht mehr gemeldet habe. Die Zeugin hat das Telefonat vor diesem Hintergrund auch nicht als erklärten, sondern zunächst nur geplanten, dann aber von einem weiteren Gespräch abhängig gemachten Widerruf verstanden, weil sie andernfalls Dr. B. informiert hätte. Auch Dr. B. hat in nachvollziehbarer und widerspruchsfreier Weise geschildert, dass ihm ein erklärter Widerruf nicht berichtet worden sei, er dies andernfalls durchaus berücksichtigt hätte.

Diese Angaben sind glaubhaft und die Zeugin und Dr. B. als Partei machten auch einen erkennbar um möglichst wahrheitsgetreue Wiedergabe des Geschehenen bemühten Eindruck; die Kammer erachtet sie als glaubwürdig und legt ihre Angaben, die sich – anders als die Angaben des Klägers – auch zwanglos mit der Dokumentation decken, zugrunde.

1.3.2.3.3. Vor diesem Hintergrund kam es auf die Aussage der Streithelferin – die zu dem Inhalt des Telefonates ohnehin keine Angaben machen konnte – gar nicht mehr an. Die Kammer verkennt dabei einerseits nicht, dass die Streithelferin (wie die Fälschung der Unterschriften zeigt) zur Wahrung des eigenen Vorteils auch bereit ist, Täuschungen zu begehen und in Kauf zu nehmen. Allerdings erscheint es aus Sicht der Kammer bemerkenswert, dass ihre Aussage dazu, dass es bereits zu Pfingsten 2013 einen gemeinsamen Urlaub gegeben habe und dann die Kinderwunschbehandlung ab Juli 2013 geplant gewesen sei (letzteres deckt sich auch mit der vorliegenden Dokumentation) vom Kläger nicht in Abrede gestellt wurde – sich aber auch nicht mit seinem früheren Vortrag von einem ersten Auszug im April und einem Wiedereinzug nur auf Grund des Krebsverdachts im August 2013 deckt. Insoweit lässt die Aussage der Streithelferin damit durchaus Zweifel an der Genauigkeit und Belastbarkeit der Erinnerung des Klägers zu.

1.3.2.4. Auf Grund all dessen sieht die Kammer nicht den Nachweis als geführt an, dass der Kläger am 23.10.2013 eindeutig seine Einwilligung widerrufen hat. Vielmehr geht die Kammer nach der Dokumentation und den Angaben insbesondere der Zeugin J. davon aus, dass er zwar – aufgebracht und wütend – zunächst mit der Absicht des Widerrufs anrief, dann allerdings von einem sofortigen und unzweideutigen Widerruf Abstand nahm und sich zunächst einmal – wie angeraten mit seiner Frau besprechen wollte. Jedenfalls war damit kein eindeutiger Widerruf erklärt. Danach kam es – aus welchen Gründen auch immer – weder vor dem ersten Eizellentransfer noch in dem Zeitraum danach (als er ja erfahren hatte, dass es einen Transfer gegeben hatte, der erfolglos geblieben war) bis zu dem zweiten Eizellentransfer zu keiner weiteren Erklärung gegenüber der Beklagten.

1.3.3. In diesem Zusammenhang kann es auch dahingestellt bleiben, aus welchem Grund der Kläger nach dem Telefonat keine Reaktion mehr gegenüber der Beklagten gezeigt hat.

Sollte er davon ausgegangen zu sein, dass dies nicht nötig sei, weil seine ausdrückliche Zustimmung erforderlich sei (dafür spricht das als Anlage K13 vorgelegte Schreiben des Therapeuten), so ist dies ein rechtlicher Irrtum, der nicht zu Lasten der Beklagten geht.

Sollte er davon ausgegangen sein, dass er nicht einseitig die Einwilligung widerrufen könne, so stellt dies gleichfalls einen rechtlichen Irrtum dar, der nicht zu Lasten der Beklagten gehen kann. Zwar hat der Kläger vorgetragen, eine entsprechende Information von der Zeugin J. erhalten zu haben. Allerdings sieht die Kammer den Nachweis dafür nicht als geführt an und allein aus dem Umstand, dass die Zeugin J. – die sich nicht an eine solche Aussage erinnern konnte – dies nicht auszuschließen vermocht hat, genügt nicht als positiver Beweis für die tatsächliche Aussage. Das gilt umso mehr, als auch das Erinnerungsvermögen des Klägers – wie oben dargelegt – jedenfalls nicht ausreichen belastbar erscheint.

Sollte der Kläger schließlich schlichtweg aus anderen, ihn vorrangig belastenden Gründen nicht die Notwendigkeit gesehen habe, gegenüber der Beklagten noch etwas zu unternehmen, so führt auch dies nicht dazu, dass ein unterbliebener Widerruf zu Lasten der Beklagten gehen könnte.

1.3.4. Insgesamt hat der Kläger somit nicht zur Überzeugung der Kammer den Nachweis zu führen vermocht, dass er die Einwilligung wirksam widerrufen hätte.

1.4. In Anbetracht der bereits mit Abschluss des Vertrages erteilten wirksamen Einwilligung vom 03.09.2013 und des Ausbleibens eines eindeutigen Widerrufs hatte die Beklagte auch keine Veranlassung, an einem Fortbestand der Einwilligung zu zweifeln.

1.4.1. Die von der Streithelferin übermittelten weiteren Einwilligungserklärungen vom 20.10.2013, vom 24.03.2014 und vom 31.03.2014 stammen zwar unstreitig nicht vom Kläger, sondern tragen die von seiner damaligen Ehefrau gefälschte Unterschrift. Allerdings weicht diese Unterschrift ausweislich der vorgelegten Unterlagen nicht in so deutlicher Weise von den früher – und unzweifelhaft – vom Kläger geleisteten Unterschriften ab, als dass der Betrachter hier eine Fälschung hätte befürchten, zumindest aber Verdacht hätte schöpfen müssen.

1.4.2. Auch das – nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme – keineswegs eindeutige Telefonat vom 23.10.2013 hätte, wenn überhaupt, dann allenfalls vor dem ersten Eizellentransfer im Oktober 2013 Anlass geboten, abzuklären, ob die Einwilligung noch fortbestand. Da aber nicht nur zu diesem Zeitpunkt eine schriftliche neuerliche Einwilligung vorlag (deren gefälschte Unterschrift sich eben nicht aufdrängte), sondern auch danach keinerlei weiterer Widerruf durch den Kläger erfolgte (was eigentlich zu erwarten gewesen wäre, wenn kein Einverständnis mehr bestanden haben sollte) und statt dessen dann im März 2014 zwei weitere zusätzliche Einwilligungserklärungen vorgelegt wurden (deren gefälschte Unterschriften sich wiederum nicht aufdrängten), bestand spätestens vor dem zweiten Eizellentransfer auch kein Grund für die Beklagte, Nachforschungen im Hinblick auf die erklärte und nicht widerrufene Einwilligung anzustellen bzw. diese zu hinterfragen.

1.4.3. Das gilt umso mehr, als die Kammer – anders als vom Kläger angegeben – davon ausgeht, dass er zusätzlich auch die Möglichkeit gehabt hätte, Informationen zum Stand der Kinderwunschbehandlung über das Patientenprotal zu erhalten. Er hat zwar bestritten – so auch ausdrücklich durch nachgelassenen Schriftsatz – dass dies der Fall gewesen sei. Die Kammer sieht den Nachweis dazu aber nicht nur auf Grund der in den Behandlungsunterlagen befindlichen, auch vom Kläger unterschriebenen Einverständniserklärung zur Teilnahme am Patientenportal, sondern auch durch die entsprechende Parteiaussage des Dr. B., wonach der Kläger Zugriff darauf gehabt habe, und eine damit zwanglos zu vereinbarende entsprechende Aussage der Streithelferin in der mündlichen Verhandlung als geführt an. Es mag sein, dass dem Kläger dies nicht mehr bewusst oder erinnerlich war – auch wenn die Kammer nicht wirklich nachzuvollziehen vermag, warum bei einem so wichtigen und auch auslastenden Thema wie einer Kinderwunschbehandlung der Kläger nur sehr selektive Erinnerungen an einzelne, seiner Klage zuträgliche Geschehnisse haben will. Jedenfalls aber trägt die für den Kläger bestehende Möglichkeit, sich über den jeweiligen Stand zu informieren, aus der Sicht der Beklagten dazu bei, dass diese umso weniger Grund hatten, an einer fortbestehenden Einwilligung in die Behandlung zu zweifeln.

1.5. Auf Grund all dessen hat die Beklagten den Eizellentransfer am 31.03.2014 mit ausreichender Einwilligung des Klägers vorgenommen und somit keine ihm gegenüber bestehenden Pflichten verletzt. Entsprechend hat er auch unter diesem Gesichtspunkt keinen Anspruch auf Schadenersatz gegen die Beklagte.

2. Der Kläger hat gegen die Beklagten auch keinen Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Embryonenschutzgesetz (ESchG), weil weder eine eigenmächtige Befruchtung noch eine eigenmächtige Embryoübertragung im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ESchG vorliegen.

2.1. Der Straftatbestand des § 4 ESchG stellt ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar.

2.2. Vorliegend ist der Tatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 1 ESchG nicht erfüllt, denn die Eizellen wurden – wie bereits ausgeführt – mit bereits am 13.08.2013 erklärtem Einverständnis des Klägers befruchtet.

2.3. Auch der Tatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 2 ESchG ist nicht erfüllt, denn zum einen ist bereits fraglich, ob diese Strafvorschrift auf den Transfer von Eizellen im Vorkeimstadium Anwendung findet, zum ändern ist nach der Vorschrift dieser Norm nur die Einwilligung der Frau zur Meidung strafrechtlicher Sanktionen erforderlich und schließlich – und vor allem – geht die Kammer nach dem oben Dargelegten von einer am 03.09.2013 erteilten und nicht widerrufenen Einwilligung in den Transfer aus.

3. Aus dem gleichen Grund – nämlich weil der Kläger am 13.08.2013 in die Befruchtung und am 03.09.2013 in die Kryokonservierung und den späteren Transfer eingewilligt und diese Einwilligung auch nicht widerrufen hat – hat er auch keinen Anspruch auf Schadenersatz gem. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Denn sein allgemeines Persönlichkeitsrecht ist nicht verletzt, weil der Eizellentransfer nicht ohne seine Einwilligung erfolgt ist.

4. Damit hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadenersatz, so dass die Klage als unbegründet abzuweisen ist.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 101 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


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(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
es unternimmt, eine Eizelle künstlich zu befruchten, ohne daß die Frau, deren Eizelle befruchtet wird, und der Mann, dessen Samenzelle für die Befruchtung verwendet wird, eingewilligt haben,
2.
es unternimmt, auf eine Frau ohne deren Einwilligung einen Embryo zu übertragen, oder
3.
wissentlich eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tode künstlich befruchtet.

(2) Nicht bestraft wird im Fall des Absatzes 1 Nr. 3 die Frau, bei der die künstliche Befruchtung vorgenommen wird.

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 21.09.2016, Az.: 8 O 2014/16, wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des erstinstanziellen Verfahrens sowie des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, es sei denn, dass die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Streit um die von der Klägerin verlangte Herausgabe kryokonservierter Spermaproben ihres am ... 1978 geborenen und am ... 2015 verstorbenen Ehemanns H. J. L., die unter dessen Namen bei der Beklagten eingelagert sind. Die Klägerin will mit dem Sperma beim Kinderwunsch Centrum C. im Wege der künstlichen Befruchtung in Fortsetzung einer im Juni 2014 begonnenen Behandlung ihre Schwangerschaft herbeiführen.

Das Landgericht Traunstein hat mit am 21.09.2016 verkündetem Endurteil die Klage abgewiesen. Auf die in dem landgerichtlichen Urteil getroffenen Feststellungen wird Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzielles Klagebegehren in präzisierter Fassung weiter.

Sie trägt hierzu vor, die Beklagte mache sich entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung durch die Herausgabe der kryokonservierten Spermaproben nicht wegen Beihilfe zu einer Straftat nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz strafbar. Diese Norm sei verfassungswidrig und verletze das klägerische Recht auf Fortpflanzung. Der auf die Klägerin übergegangene vertragliche Herausgabeanspruch auf das Kryosperma - das dem alleinigen Verfügungsrecht der Klägerin unterliege - sei mithin nicht auf eine im Sinne von § 275 BGB (rechtlich) unmögliche Leistung gerichtet.

Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts fehle es an einem legitimen Gemeinschaftsbelang als Strafgrund für § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz. Es gebe keinen legitimen Zweck staatlicher Intervention, der die Einschränkung des Grundrechts auf Fortpflanzung der Klägerin rechtfertige; dies ergebe sich aus der Verhältnismäßigkeitsprüfung.

Das erstinstanzliche Gericht habe nicht hinreichend geprüft, ob § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz den besonderen Verhältnismäßigkeitsanforderungen entspreche. Die Klägerin habe nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ein aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitetes schützenswertes Grundrecht auf Fortpflanzung, das auch das Recht der Klägerin auf Fortpflanzung mit dem Samen des verstorbenen Mannes umfasse. Es sei nicht legitim, bei der postmortalen Insemination die natürlichen Schranken auch als rechtliche festzulegen. Wenn ein Paar durch den Tod eines der Partner kein Kind mehr auf natürlichem Weg zeugen könne, könne dies nicht die Konsequenz haben, dass die Partner danach auch kein Recht mehr auf Fortpflanzung hätten. Der Verweis auf die natürlichen oder normalen Grenzen könne bei jeder Form der künstlichen Fortpflanzung herangezogen werden und sei somit kein Argument. Das „ob“ der natürlichen/künstlichen Fortpflanzung falle in einen unantastbaren Kernbereich des Persönlichkeitsrechts, in dem die Privatsphäre nur unter erschwerten Bedingungen eingeschränkt werden dürfe. An entsprechende Gesetze würden insoweit besondere Verhältnismäßigkeitsanforderungen gestellt, wobei ein wichtiges staatliches Interesse geschützt und ein milderer Eingriff ausgeschlossen sein müsse. Das Interesse der Klägerin auf Fortpflanzung, insbesondere daran, die Gene ihres verstorbenen Mannes und ihre eigenen im und am Kind zu sehen und zu erleben, überwiege die Aspekte, dass das Kind ohne Vater aufwachse und es möglicherweise für das Kind ein Problem darstelle, wenn es erfahre, wie es gezeugt wurde. Der Schutz des Kindeswohls sei nachrangig, das ungezeugte Kind noch nicht grundrechtsfähig. Auch sei die Berücksichtigung des Kindeswohls bedenklich, weil das Kind gar nicht existieren würde, wenn man die postmortale Insemination nicht zuließe. Soweit es im Gesetzgebungsverfahren als Gefahr für die Entwicklung des Kindes angesehen wurde, das Kind könne erfahren, wenn seine Zeugung in einer dem Willen der Beteiligten nicht entsprechenden Weise erfolgt sei, treffe dies dann nicht zu, wenn, wie hier, ausdrücklicher Wille des verstorbenen Ehemanns der Klägerin gewesen sei, dass sie mit seinem Samen schwanger werden solle.

Auch in dem vom OLG Rostock (Urteil vom 07.05.2010, Az.: 7 U 67/09) entschiedenen Fall spiele der Schutz des Kindeswohls keine Rolle mehr. Das Kind werde, wie auch von Anfang an viele Kinder allein erziehender Elternteile, in eine nicht bestehende Partnerschaft geboren, wobei hier die befruchtete Eizelle nach der Erkenntnis des OLG Rostock nicht unter § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz falle. Für das Kindeswohl spiele es keine Rolle, ob das Kind nach dem Tod eines Elternteils erst durch die Befruchtung mit dem Samen gezeugt wurde oder durch die Einpflanzung der befruchteten Eizelle, nachdem der Vater bereits verstorben war.

Eine Lebensqualität könne einem durch postmortale Insemination geborenen Kind nicht deswegen, dass dieses Kind seinen Vater nicht kenne, abgesprochen werden, zumal dies in Konsequenz bedeutete, dass alle Kinder von allein erziehenden Elternteilen keine solche Lebensqualität hätten. Nach heutigen Erkenntnissen hätten Kinder von Alleinerziehenden keine bemerkbaren Defizite. Es fehle an der griffigen Benennung, welche Aspekte des Kindeswohls für dessen geistig-seelische Entwicklung maßgeblich sind und welche nachweislich durch eine Befruchtung post mortem das Kindeswohl messbar beeinträchtigen. Außerdem laufe die postmortale Insemination nicht der Intention des Gesetzgebers des Embryonenschutzgesetzes zuwider, die darin bestehe, Grenzen der neuen Techniken der Fortpflanzungsmethoden, vor allem der In-Vitro-Fertilisation zu ziehen, um Missbräuche zu verhindern. An wirklichen Konturen einer gegen das Recht der Fortpflanzung der Klägerin anzuführenden herrschenden Sozialmoral fehle es. Selbst wenn man in den Sittengesetzen eine rechtsethische Kontrollschranke sehen würde, könne dies nicht zu einer grundsätzlich anderen Bewertung führen.

Auf den weiteren Inhalt der Berufungsbegründungsschrift vom 17.11.2016 (Bl. 50/59 d. A.) wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die unter dem Namen des verstorbenen Ehemanns der Klägerin, Herr H. J. L., geboren am ... 1978, vor seinem Tod wohnhaft eingelagerten 13 kryokonservierten Spermaproben an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Ersturteil.

Sie trägt hierzu vor, die Klägerin versuche insbesondere mit sehr weiten verfassungsrechtlichen Auslegungen den Herausgabeanspruch zu begründen. Wenngleich das Embryonenschutzgesetz nach 27 Jahren dem aktuellen Behandlungsstandard nicht mehr entspreche, enthalte es hinsichtlich der hier streitigen Frage keine verfassungsrechtlich zu beanstandenden Regulierungen. Aus nachvollziehbaren Gründen sei das Verbot der Befruchtung mit dem Samen eines Verstorbenen unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des Kindeswohls in das Gesetz aufgenommen worden.

Tatsächlich handele es sich bei der von der Klägerin erstrebten weiteren Kinderwunschbehandlung um eine angestrebte Selbstverwirklichung, die über die Gefährdung der Interessen des zu zeugenden Kindes gestellt werde. Auf den weiteren Inhalt der Berufungserwiderung vom 05.01.2017 wird Bezug genommen.

Der Senat hat am 01.02.2017 mündlich verhandelt; auf das Protokoll wird verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Ein vertraglicher Anspruch auf Herausgabe besteht nicht.

Nach § 4 Nr. 3 des zwischen dem verstorbenen Ehemann der Klägerin und der Beklagten abgeschlossenen Vertrags über die Kryokonservierung und Lagerung von Sperma endete der Vertrag mit dem Tod des Ehemanns der Klägerin. Ein unerledigtes Herausgabeverlangen des Ehemannes, das durch Erbgang einen Herausgabeanspruch der Klägerin hätte rechtfertigen können, liegt nicht vor. Dem derzeitigen Verwahrungsverhältnis bezüglich des trotz der Vertragsbestimmung des § 11 Nr. 2 nicht vernichteten Spermas ist die Herausgabepflicht der Beklagten nicht immanent, sondern von der rechtskräftigen Entscheidung über die Klage abhängig.

Dem auf § 985 BGB gestützten Herausgabeverlangen der Klägerin als nunmehriger Alleinerbin der 13 kryokonservierten Spermaproben steht der Einwand der Beklagten, sich im Falle der Herausgabe einer Beihilfe zum Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz schuldig zu machen, damit ein Fall der rechtlichen Unmöglichkeit, entgegen (dazu siehe unten nachfolgend 1.). Von der Verfassungswidrigkeit der entscheidungserheblichen Norm des § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz ist der Senat nicht überzeugt; Veranlassung zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG besteht nicht (siehe dazu unten 2.). Dem Klageanspruch steht in jedem Fall das postmortale Persönlichkeitsrecht des verstorbenen Ehemanns der Klägerin entgegen (siehe dazu unten 3.).

Im Einzelnen ist dazu auszuführen:

1. § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz verbietet die Verwendung des Samens eines Mannes nach dessen Tod (post-mortem-Befruchtung). Diese erst im Gesetzgebungsverfahren eingefügte Strafbestimmung anerkennt den Umstand, dass beim Tod eines Mannes eine noch mögliche künstliche Befruchtung im Sinne der Frau liegen könnte, dadurch, dass die Frau selbst in jedem Falle straflos bleibt (persönlicher Strafausschließungsgrund nach Abs. 2).

Scheidet demnach eine post-mortem-Befruchtung im Inland aus, kann die Klägerin ihre Forderung auch nicht auf eine im Ausland durchzuführende dergestalte künstliche Befruchtung stützen. Nach einer Erhebung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht zu den rechtlichen Regelungen zur Fortpflanzungsmedizin in europäischen Ländern wäre dies in mehreren europäischen Ländern, so etwa ohne größere Restriktionen in Belgien (Gesetz vom 11.05.2003), Dänemark (Gesetz Nr. 460 vom 10.06.1997 mit Änderungsgesetz Nr. 427 vom 10.06.2003 und Nr. 240 vom 05.04.2004 sowie Verordnung Nr. 728 vom 17.09.1997), den Niederlanden (StGB-Ergänzung vom 16.09.1993, Embryonenschutzgesetz vom 01.09.2002) und Polen möglich. Auch diese Rechtslage ändert aber nichts an der möglichen Strafbarkeit der Beklagten wegen Beihilfe zu einer von der Witwe begangenen Auslandstat nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz.

Zwar muss § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB nach einhelliger Ansicht einschränkend interpretiert werden; so wird durch die Norm die ausländische Haupttat gerade nicht automatisch zur Inlandstat, vielmehr muss der Auslandsbezug der Haupttat weiterhin bei der Beurteilung des strafrechtsrelevanten Verhaltens Berücksichtigung finden. Die Fragestellung lautet, ob der territoriale Schutzbereich des verletzten Straftatbestands die im Ausland begangene Tat ebenfalls erfassen will, wobei dieser Schutzbereich tatbestandsimmanent zu ermitteln und der Frage der Auslandserstreckung vorgelagert ist. Schützt der in Rede stehende Tatbestand ausschließlich inländische Rechtsgüter, ist § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB teleologisch zu reduzieren, so dass in solchen Fällen die Inlandsteilnahme an einer straflosen Auslandstat nicht strafbar ist. Hier gelangt man jedoch zum Ergebnis, dass nicht bloß inländische Rechtsgüter geschützt werden, da es sich bei dem durch § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz geschützten Rechtsgut jedenfalls um das Individualrechtsgut des Kindeswohls handelt; dieses genießt, wie sich etwa auch aus § 5 Nr. 6 a StGB ersehen lässt, universellen Schutz (Krüger, Das Verbot der post-mortem-Befruchtung, Schriftenreihe Medizin-Ethik-Recht, Band 12, 2010, Seiten 22 f.; an diesen Aufsatz sind auch die nachfolgenden Ausführungen unter 2., wenn auch nicht zwingend das gewonnene Ergebnis, angelehnt).

Nach dem Wortlaut des Gesetzes in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB hätte sich die Beklagte daher berechtigtermaßen gegenüber dem Herausgabeanspruch mit dem Gesichtspunkt der rechtlichen Unmöglichkeit (§ 275 BGB) verteidigen können, es sei denn, es wäre von der Verfassungswidrigkeit der Strafvorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz auszugehen.

2. Wenngleich klägerseits § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz für verfassungswidrig gehalten wird, weil das sich zum einen aus Art. 6 Abs. 1 GG sowie aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ergebende Recht auf Fortpflanzung nicht durch das Embryonenschutzgesetz beschränkt werden könne, sieht der Senat keine Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG, da er dieses Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, nicht für verfassungswidrig hält. Eine Vorlage wäre auch dann unzulässig, wenn das Gericht nur Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des entscheidungserheblichen Gesetzes haben sollte (vgl. BVerfGE 78, 104 (117); 80, 54 (59); 86, 52 (57)). Kann der Widerspruch zwischen der einfach gesetzlichen Norm und dem Grundgesetz durch eine verfassungskonforme Auslegung des einfachen Gesetzes aufgelöst werden, kommt auch in solchen Fällen eine Vorlage nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 22, 373 (377); 70, 134 (137); 76, 100 (105)). Lässt der Wortlaut des Gesetzes mehrere Deutungen zu und ist eine Deutung verfassungsgemäß, so ist diese zu wählen (vgl. BVerfGE 83, 201 (214 f.); 88, 145 (166)).

a) Die Prüfungsmaßstäbe für die verfassungsrechtliche Überprüfung der Strafvorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz lassen sich der Inzest-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2008 (Az.: 2 BvR 392/07, Rn. 34) entnehmen. Hiernach ist der Strafgesetzgeber in materieller Hinsicht zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, wobei dem Übermaßverbot „als Maßstab für die Überprüfung einer Strafnorm besondere Bedeutung zu(kommt)“. Das heißt: Eine Strafnorm muss dem Schutz anderer oder der Allgemeinheit dienen und darüber hinaus geeignet und erforderlich sein, um diesen erstrebten Zweck zu erreichen (BVerfG a. a. O., Rn. 35, 36). Ferner muss bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs auf der einen und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der rechtfertigenden Gründe auf der anderen Seite die Grenze der Zumutbarkeit für den Normadressaten des Verbots noch gewahrt sein, sogenannte Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (BVerfG a. a. O., Rn. 37).

b) Im Entwurf der Bundesregierung zu einem „Gesetz zum Schutz von Embryonen“ vom 25.10.1989 (BT-Drucksache 11/5460) ist das hier einschlägige Verbot der „post-mortem-Befruchtung“ nicht angesprochen worden, ebensowenig in der Unterrichtung der Bundesregierung“ zur künstlichen Befruchtung beim Menschen“ vom 23.02.1988 (BT-Drucksache 11/8056), auf die das Embryonenschutzgesetz zurückgeht.

a) Erstmals in den Beratungen im Rechtsausschuss des deutschen Bundestages wurde das Verbot der „post-mortem-Befruchtung“ in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt. In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses vom 08.10.1990 (BT-Drucksache 11/8057) findet sich die dann mit dem Embryonenschutzgesetz in Kraft getretene Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 3. Der gegenüber dem Gesetzentwurf der Bundesregierung geänderte § 4 Embryonenschutzgesetz stand allerdings nicht im Mittelpunkt des Gesetzgebungsverfahrens, wie sich schon aus der Darstellung zum „Inhalt des Gesetzentwurfs“ (BT-Drucksache 11/8057, Seite 12) ergibt. Zu § 4 enthält einzig der Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages die Motive des Gesetzgebers zu § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz. Hiernach sollte die Norm die „Frage künstlicher Befruchtung mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tod“ regeln. Es sollte „nicht Samen eines Mannes verwendet“ werden, der bereits verstorben ist (BT-Drucksache 11/8057, Seite 16). Nach eingehender Erörterung sei die Strafbarkeit dessen in den Gesetzentwurf eingeführt worden, der „wissentlich“ eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tode künstlich befruchte. Anlass, dieses Verbot in die Beschlussempfehlung aufzunehmen, war ein während der Beratungen zum Embryonenschutzgesetz eingebrachter Entwurf der SPD-Fraktion zu einem „Gesetz zur Regelung von Problemen der künstlichen Befruchtung beim Menschen und bei Eingriffen in menschliche Keimzellen“ (BT-Drucksache 11/5710). Dessen Art. 1 sah das Verbot im Fortpflanzungsmedizingesetz vor, wonach es als Ordnungswidrigkeit geahndet werden sollte, wenn bei der künstlichen Befruchtung Samen des verstorbenen (Ehe-)Mannes verwendet werden sollte.

Begründet wurde dies mit Kindeswohl-Interessen. Bei der Identitätsfindung des Kindes könnte sich die Vorstellung belastend auswirken, von einem zur Zeit der Zeugung bereits Gestorbenen abzustammen. Demgegenüber müsse selbst das Interesse des Mannes, dass sein Sperma noch nach seinem Tod verwendet werden kann, zurücktreten (BT-Drucksache 11/5710, Seite 10). Wegen der geschilderten historischen Entwicklung der Vorschrift ist die Schutzrichtung des § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz eine etwas andere als die des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, womit andere Rechtsgüter geschützt werden sollen. So geht es bei § 4 Abs. 1 Nr. 3 zum Teil auch - aber sicher nicht vorrangig - um den Schutz der Frau, der potentiellen Mutter. Dieser Aspekt kann jedenfalls im Einzelfall eine Rolle spielen, wenn etwa der Frau verschwiegen wird, dass sie mit dem Samen eines Verstorbenen befruchtet wird. § 4 Abs. 2 Embryonenschutzgesetz erfasst aber ebenso den Fall, dass die Frau hiervon Kenntnis hat, und stellt sie, nicht aber den Reproduktionsmediziner von Strafe frei (Krüger, a. a. O., Seite 11).

Was den Schutz des Samenspenders angeht, wäre insoweit sein post-mortales Persönlichkeitsrecht betroffen, als nach seinem Tod noch Kinder mit seinem Samen gezeugt werden. Während er zu seinen Lebzeiten sein Einverständnis mit der Verwendung seiner Samenspende jederzeit und ohne Angabe von Gründen widerrufen kann, wäre es ohne strafrechtliches Verbot denkbar, dass auf nicht absehbare Zeit Kinder mit dem Genmaterial des Verstorbenen entstehen könnten. Insoweit geht der Gesetzgeber von einem entgegenstehenden Willen des verstorbenen Mannes aus, was in Einklang damit steht, dass das in § 4 Abs. 1 Nr. 1 Embryonenschutzgesetz enthaltene Verbot der künstlichen Befruchtung einer Eizelle die Tatbestandserfüllung u. a. davon abhängig macht, dass keine Einwilligung des Mannes vorliegt, „dessen Samenzelle für die Befruchtung verwendet wird“. Da auch in § 4 Abs. 1 Nr. 2 die Strafbarkeit von der fehlenden Einwilligung der Frau zur Übertragung eines Embryos abhängt, ist resümierend festzustellen, dass § 4 Abs. 1 Embryonenschutzgesetz im Ganzen dem Schutz des Persönlichkeitsrechts dient und auch dessen Nr. 3, soweit dieses Recht postmortal fortwirkt (vgl. Krüger, a. a. O., Seite 12 f.).

c) Der Schutz des Kindeswohls als denkbares und der gesetzlichen Regelung primär zugrunde liegendes Rechtsgut scheitert nicht schon daran, dass die Interessen eines Kindes geschützt werden, das wegen § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz nicht gezeugt werden darf.

Zwar wird die Auffassung vertreten, dass es mit der Menschenwürde nicht vereinbar sei, Eingriffe in Freiheitsrechte zum angeblichen Schutz anderer vorzunehmen, deren Entstehen gerade durch diesen Eingriff verhindert werden soll. Noch weniger, so wird argumentiert, könne die Menschenwürde selbst angeführt werden, um die Entstehung eines Menschen zum Schutze gerade dieses potentiellen Menschen zu verhindern (vgl. Coester-Waltjen, Gesetzgebung in der Fortpflanzungsmedizin - die Lage in der Bundesrepublik Deutschland, Vortrag vor der deutsch-französischen Juristenvereinigung vom 21.09.2002). Dass der staatliche Gesetzgeber aufgrund der Schutzgebotsfunktion der Grundrechte dafür zu sorgen habe, dass rechtliche Regelungen auch dem Kindeswohl Rechnung trügen, könne nicht dazu führen, dass ein Interesse eines (künftigen) Kindes dessen Entstehung untersage; dem entspreche die bisherige Grundeinstellung des deutschen Rechts; so lehne die herrschende Meinung einen Schadensersatzanspruch wegen „Wrongful Birth“ generell ab (vgl. Coester-Waltjen, a. a. O.).

Diese durchaus nachvollziehbaren Erwägungen sind jedoch durch die Inzestentscheidung des Bundesverfassungsgerichts relativiert worden: Hier erhielt die Intention, den Nachwuchs dadurch vor möglichen Erbkrankheiten zu schützen, dass man bereits seine Zeugung verbietet, die Billigung des Verfassungsgerichts.

Der historische Gesetzgeber des Embryonenschutzgesetzes ist jedenfalls davon ausgegangen, auch mit § 4 Abs. 1 Nr. 3 den Schutz des noch nicht einmal gezeugten Kindes und dessen Wohl zu ermöglichen. So wird im allgemeinen Teil der Begründung des Embryonenschutzgesetzes in einer Vorbemerkung ausgeführt (BT-Drucksache 11/5460, Seite 6), strafrechtliche Verbote bloß insofern vorzusehen, als „sie zum Schutz besonders hochrangiger Rechtsgüter unverzichtbar erscheinen“. Im nächsten Satz heißt es, dass dabei der Wahrung des Kindeswohls besondere Beachtung geschenkt wird.

d) Ob das im Einzelfall strafrechtlich schützenswerte Kindeswohl im vorliegenden Zusammenhang ein überragendes Rechtsgut darstellt, ist damit noch nicht gesagt. Gleichwohl werden die „Sorge für das Kindeswohl“ und der „hohe Rang des Kindeswohls auch für den Umgang mit dem noch nicht geborenen Kind“ in den Richtlinien der Bundesärztekammer zur assistierten Reproduktion betont, nämlich in einem Vorwort zur eigentlichen Richtlinie (DÄBl 2006 (103), A 1392). Hier heißt es, „dass dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Herkunft Rechnung zu tragen sei“, was zwar für sich gesehen die Frage nach einem überragenden Rechtsgut offen lässt. Allerdings wird man vor dem Hintergrund der Inzest-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts konstatieren müssen, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber weitestgehend freie Hand für die Auswahl der strafrechtlich schützenswerten Rechtsgüter lässt (BVerfG, 2 BvR 392/07, Rn. 39).

Dies gilt auch bei der Beurteilung, ob eine Strafnorm geeignet und erforderlich sein muss. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit im Inzest-Beschluss ausgeführt: „Bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung der erstrebten Ziele sowie bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Einschätzung und Prognose der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren steht dem Gesetzgeber ein Beurteilungsspielraum zu, welcher vom Bundesverfassungsgericht je nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter und der Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, nur im begrenzten Umfang überprüft werden kann.“

e) Das Übermaßverbot als dritte Stufe des Verhältnismäßigkeitsprinzips wiederum gebietet, dass der Eingriff in ein Grundrecht nicht außer Verhältnis zum angestrebten Zweck stehen darf (BVerfGE 65, 1, 54; 80, 297, 312). Es ist erst verletzt, wenn die betroffenen Interessen der Grundrechtsträger gegenüber den mit dem staatlichen Eingriff verfolgten Belangen „ersichtlich schwerer wiegen“, etwa weil der Gesetzgeber ein nach Art und/oder Maß schlechthin unangemessenes Mittel zur Erreichung des erstrebten Zwecks gewählt hat (BVerfGE 90, 145, 173).

So stellt sich die Frage, ob das Verbot der „post-mortem-Befruchtung“, wenn man dieses grundsätzlich als verfassungsrechtlich zulässig beurteilt, im Einzelfall (insbesondere bei Eheleuten) wegen Art. 6 GG nachrangig ist.

Art. 6 GG und damit Ehe und Familie sind berührt, wenn es sich - wie vorliegend - bei der Klägerin um eine Witwe handelt, die vom verstorbenen Ehemann ein Kind austragen will. Dabei scheitert die Berufung auf Grundrechte nicht daran, dass mit dem Ehemann ein Grundrechtsträger bereits verstorben ist, vielmehr wirkt das - quasi aktive Persönlichkeitsrecht postmortal fort und genießt insofern weiterhin grundrechtlichen Schutz (so auch Krüger, a. a. O., Seite 21).

Die möglicherweise missverständliche Kurzformel „Recht auf Fortpflanzung“ bedeutet aber nicht, dass jeder Mensch einen Anspruch darauf hat, sich fortzupflanzen, sondern nur, dass er in seiner Fortpflanzungsmöglichkeit nicht behindert wird, wobei die Fortpflanzung aber auch die medizinisch assistierte Zeugung umfasst.

Die Auffassungen zur Zulässigkeit der postmortalen Insemination unter dem grundrechtlichen Aspekt des Art. 6 GG gehen indessen, insbesondere in der Literatur und Wissenschaft, auseinander.

Starck (Freiheit und Institutionen, 2002, S. 98 ff) verneint z. B., was die Benutzung des Samens des Ehemannes nach seinem Tod angeht, mit näherer Begründung einen grundrechtlichen Anspruch auf postmortale Zeugung.

Teilweise wird Art. 6 Abs. 2 GG, wonach den Eltern die Pflege und Erziehung ihrer Kinder obliegt (Elternverantwortung, beinhaltend die Pflicht, dieses Recht auszuüben) auch als überwiegender Grundrechtsartikel angesehen, der ein Verbot der postmortalen Insemination zu rechtfertigen vermag).

Dieser Argumentation wird entgegengehalten, dass sich der verstorbene Mann seinen Pflichten nicht entziehe, vielmehr diese nie zur Entstehung gelangten. Auch vermöge der Gesichtspunkt, dass dem postmortal gezeugten Kind ein Unterhaltsschuldner fehle, ein pauschales Verbot der postmortalen Insemination nicht zu rechtfertigen. Denn das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 GG beinhalte nicht hauptsächlich die Unterhaltsverpflichtung sondern umfasse vielmehr die Beziehung zwischen Eltern und Kind im Sinne einer umfassenden Personensorge, die auch von einem Elternteil ausgeübt werden kann. Andererseits solle zu berücksichtigen sein, dass der Schutzumfang des Art. 6 GG nicht dazu führen könne, zeitlich unbegrenzt Verstöße gegen § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz nicht zu sanktionieren (vgl. Krüger, a. a. O., Seite 20). So wird es von Krüger (a. a. O., Seite 26) als für das Kindeswohl abträglich gehalten, wenn das Kind „bloß über den Verlust des Ehemanns hinweghelfen soll“, bzw. die Witwe sich nach einem längeren Zeitraum als einem Jahr sich nur noch deshalb zur postmortalen Befruchtung entschiede, „weil sie sich einsam fühlt“.

f) Der Senat vermag jedenfalls angesichts der verschiedenen vertretenen Auffassungen und in Auseinandersetzung damit nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber des Embryonenschutzgesetzes in Verfolgung der Absicht, das Kindeswohl zu schützen, die betroffenen Interessen verschiedener Rechtsgutträger unangemessen berücksichtigt bzw. abgewogen und dabei das von der Klägerin als überragend angesehene Interesse der Frau auf Fortpflanzung in unzulässiger Weise eingeschränkt hätte.

Es mag durchaus kontrovers diskutiert werden, ob, wie das Landgericht Neubrandenburg in seinem Urteil vom 12.08.2009 (2 O 111/09, zitiert nach Juris, Rn. 38) ausführt, bereits eine ernsthafte Befürchtung von Fehlentwicklungen des zu zeugenden Kindes die Wertung des Gesetzgebers unter Berücksichtigung des bestehenden Beurteilungsspielraums als in jeder Hinsicht verfassungsrechtlich unbedenklich erscheinen lässt und ausreicht, um hier gleichsam eine relevante Gefahrenlage, die den Erlass von Strafgesetzen rechtfertigt, zu sehen. Wenn der Gesetzgeber dies aber so sieht und in einem nach Auffassung des Senats noch ausreichendem Umfang begründet, hält er sich damit jedenfalls in dem ihm eröffneten Rahmen. Wenn er selbst postuliert, „strafrechtliche Verbote nur dort vorzusehen, wo sie zum Schutz besonders hochrangiger Rechtsgüter unverzichtbar erscheinen“ (BT-Drucksache 11/5460, Seite 6), ist davon auszugehen, dass er sich seiner Verantwortung bewusst war und bringt er ein zusätzliches Beurteilungskriterium für die Verfassungsmäßigkeit ein. Die Befürchtung einer Beeinträchtigung des Kindeswohls ist jedenfalls real. Sie ist auch umso größer einzuschätzen, je weiter der Zeitpunkt der möglichen Geburt des Kindes von dem Zeitpunkt des Todes des verstorbenen Ehemanns entfernt wäre; je länger diese Zeitspanne sein wird, desto eher mag für das entstandene Kind der Eindruck entstehen, seine Zeugung sei von seinem Vater nicht gewünscht worden. Negative psychologische Entwicklungen sind von daher nicht lediglich im theoretischen Bereich angesiedelt. Dass dabei das Interesse einer Witwe, möglicherweise Jahre nach dem Tod des Mannes mit dessen Samen noch ein Kind zu zeugen, zurückzutreten hat, ist hinzunehmen.

3. Selbst wenn man im Übrigen anderer Auffassung sein sollte und grundrechtlich geschützte Positionen der Klägerin über den Schutz des Kindeswohls stellen wollte, könnte dies den klägerischen Anspruch nicht als begründet erscheinen lassen.

Denn in jedem Fall stehen die grundrechtlich geschützten Interessen des verstorbenen Ehemanns der Klägerin ihrer Selbstverwirklichung durch eine post-mortem-Befruchtung entgegen.

Die Klägerin stellt den gesetzlichen Schutz des Kindeswohls ihrem eigenen Recht auf Fortpflanzung gegenüber, das sie im konkreten Fall als höherrangig und schutzwürdiger ansieht.

Dabei übersieht sie aber, dass auch das postmortale Persönlichkeitsrecht des samenspendenden Ehemannes nicht ungeschützt bleiben darf. Dieses Recht wäre in Frage gestellt, wenn man mit rechtlichen Fiktionen, etwa mit dem Institut der mutmaßlichen Einwilligung, einen sonst nicht belegbaren Willen des Verstorbenen, dass nach seinem Tod die Zeugung mit seinen Spermien weiter unternommen wird, ableiten könnte. Dem postmortalen Persönlichkeitsrecht des verstorbenen Ehemanns kann nur durch eine unmissverständliche eigene Erklärung, etwa im Testament oder auch in der Vertragsurkunde über die Kryokonservierung der Spermaproben, Rechnung getragen werden. Insoweit ist auf den als Anlage K 1 vorgelegten Vertrag „über die Kryokonservierung und Lagerung von Sperma“ zwischen der Kryolab C. Unternehmergesellschaft (UG) und dem verstorbenen Ehemann der Klägerin als Auftraggeber zu verweisen. Die maßgebenden Regelungen finden sich in §§ 4 und 11. Nach § 4 Nr. 3 endet das Vertragsverhältnis - das nach dem Sachverhalt hier vor dem 3-monatigen Krankenhausaufenthalt des Ehemannes der Klägerin im... 2015 begonnen haben wird - durch Kündigung seitens der Beklagten nach § 10 sowie im Falle des Todes des Auftraggebers. Nach § 11 Nr. 1 ist das Kryosperma alleiniges Eigentum des Auftraggebers und unterliegt seinem alleinigen Verfügungsrecht. Bei Beendigung des Vertrags durch Zeitablauf, Kündigung oder aus sonstigen Gründen, worunter nach § 4 Nr. 3 auch der Tod des Auftraggebers zählt, ist in § 11 Nr. 2 des Vertrags festgelegt, dass die Kryolab C. KG das Kryosperma unverzüglich vernichtet, es sei denn, der Kryolab ginge rechtzeitig, „mindestens jedoch 2 Wochen vor diesem Zeitpunkt, eine schriftliche Anweisung des Auftraggebers zu, an wen das Kryosperma zu übergeben ist.“ Ferner ist in § 11 Nr. 3 des Vertrags das Recht des Auftraggebers festgelegt, „jederzeit die Herausgabe des Kryospermas an sich oder einen Dritten zur Durchführung einer Kinderwunschbehandlung oder zum Zweck der Fortsetzung der Kryokonservierung zu verlangen.“ Die in § 11 Nr. 2 getroffene Bestimmung, wann (ausnahmsweise) das Kryosperma nicht zu vernichten ist („es sei denn …“) betrifft ersichtlich nicht den Todesfall, jedenfalls sofern dieser nicht absehbar ist, da die Herausgabealternative eine schriftliche Anweisung des Auftraggebers und damit dessen Fortexistenz voraussetzt. Dies gilt auch für § 11 Nr. 3 mit der dortigen Regelung des Herausgaberechts des Auftraggebers. Die vertraglichen Regelungen sind erkennbar und verständlich von dem Bemühen geprägt, dass ein Konflikt mit den Bestimmungen des Embryonenschutzgesetzes für den Fall des Todes des Auftraggebers erst gar nicht entsteht. So wäre es allenfalls zu Lebzeiten des Ehemannes der Klägerin ohne weiteres möglich gewesen, die Kryospermaproben an ein in einem Staat mit weniger restriktiven gesetzlichen Regelungen zur Verwendung des Spermas gelegenes Kinderwunschzentrum weiterzugeben.

Ein etwaiger Wille des Auftraggebers (des verstorbenen Ehemannes der Klägerin), dass im Falle seines Todes die kryokonservierten Spermien zur Kinderwunschbehandlung seiner Ehefrau weiter zur Verwendung kommen sollten, kommt im Vertrag von vornherein nicht zum Ausdruck. Dass dieser Vertrag nach den Ausführungen der Klägervertreterin im nachgeschobenen Schriftsatz vom 14.02.2017 „blind“ unterzeichnet wurde, ist umso weniger zielführend. Der erbbedingte Übergang des Eigentums an den Kryospermaproben besagt für den festzustellenden Willen des verstorbenen Ehemannes ohnehin nichts. Eine Willensäußerung des Ehemannes der Klägerin vor seinem Tode, dass im Falle seines Versterbens die Befruchtungsmaßnahmen mit seinem Sperma fortgesetzt werden sollten, liegt hier eindeutig nicht vor. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 01.02.2017 wurde klägerseits erklärt: „Die Frage eines möglichen Todes des Ehemannes der Klägerin vor Abschluss der getroffenen Befruchtungsmaßnahmen war zwischen der Klägerin und ihrem Mann niemals ein Thema. Man ist davon ausgegangen, dass der Ehemann alles überleben wird.“

Mag diese Einschätzung der Klägerin und ihres Ehemannes sich damals bedauerlicherweise nicht als zutreffend erwiesen haben, da der Ehemann der Klägerin aufgrund der Folgen von Abwehrreaktionen gegen das eingesetzte künstliche Herz am ... 2015 verstarb, rechtfertigt dies nicht, ihm den fiktiven Willen zu unterstellen, dass seine Frau als Witwe seinen Samen zur künstlichen Befruchtung hätte verwenden können und er damit dieses Kind vaterlos aufwachsen lassen hätte wollen.

Fehl geht insbesondere die Argumentation der Klageseite, aus dem Vertrag könne und dürfe nicht abgeleitet werden, dass der Wille des Verstorbenen bezüglich der gemeinsamen Familienplanung im Wege der künstlichen Befruchtung nach seinem Tod enden sollte und dass maßgeblich sei, dass er sich nicht ausdrücklich dagegen entschieden und dies entsprechend bekundet hat. Diese Sichtweise kehrt die Dinge um und vernachlässigt die Bedeutung des postmortalen Persönlichkeitsrechts in entscheidender und nicht zulässiger Weise. Fakt ist, dass der Verstorbene nirgendwo zum Ausdruck gebracht hat, dass die nach seinem Tod von der Klägerin verfolgte Absicht seinem Willen entspreche. Die in diesem Zusammenhang klägerseits geäußerte Einschätzung, dass das so gezeugte Kind in einer Großfamilie bestens ver- und umsorgt hätte aufwachsen können, mag zutreffen. Dieser Umstand könnte aber nur im Rahmen der Ermittlung eines mutmaßlichen Willens des verstorbenen Ehemanns zum Tragen kommen, was der Senat als gegen dessen postmortale Selbstbestimmung verstoßende Vorgehensweise nicht zur Grundlage seiner Entscheidung machen kann.

Die Berufung musste daher zurückgewiesen werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 ZPO). Die für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserhebliche Rechtsfrage der Gültigkeit von § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz (im Wege einer verfassungskonformen Auslegung) ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt. Die im Urteil wiederholt angesprochene Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock vom 07.05.2010, Az.: 7 U 67/09, betraf eine andere Fallkonstellation, da das Berufungsgericht dort schon nicht die nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz tatbestandliche Verwendung des Samens eines Mannes nach dessen Tode feststellen konnte. Die Frage ist weiterhin klärungsbedürftig und klärungsfähig; das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts ist berührt, weil sich die Frage in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen erneut stellen kann. Dies insbesondere dadurch, dass nicht absehbar ist, wann die im Embryonenschutzgesetz getroffenen Regelungen durch ein immer noch ausstehendes Fortpflanzungsmedizingesetz ersetzt werden. Obwohl die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die „medizinisch unterstützte Zeugung menschlichen Lebens“ (Art. 74 Nr. 26 GG) bereits im Jahre 1994 geschaffen wurde, ist seit 1990 eine umfassende Regelung der Vorschriften zur künstlichen Befruchtung nach dem Tode unterblieben und das als Strafgesetz Ende 1990 verabschiedete Embryonenschutzgesetz nach wie vor geltendes Recht.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
es unternimmt, eine Eizelle künstlich zu befruchten, ohne daß die Frau, deren Eizelle befruchtet wird, und der Mann, dessen Samenzelle für die Befruchtung verwendet wird, eingewilligt haben,
2.
es unternimmt, auf eine Frau ohne deren Einwilligung einen Embryo zu übertragen, oder
3.
wissentlich eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tode künstlich befruchtet.

(2) Nicht bestraft wird im Fall des Absatzes 1 Nr. 3 die Frau, bei der die künstliche Befruchtung vorgenommen wird.

(1) Als Embryo im Sinne dieses Gesetzes gilt bereits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag.

(2) In den ersten vierundzwanzig Stunden nach der Kernverschmelzung gilt die befruchtete menschliche Eizelle als entwicklungsfähig, es sei denn, daß schon vor Ablauf dieses Zeitraums festgestellt wird, daß sich diese nicht über das Einzellstadium hinaus zu entwickeln vermag.

(3) Keimbahnzellen im Sinne dieses Gesetzes sind alle Zellen, die in einer Zell-Linie von der befruchteten Eizelle bis zu den Ei- und Samenzellen des aus ihr hervorgegangenen Menschen führen, ferner die Eizelle vom Einbringen oder Eindringen der Samenzelle an bis zu der mit der Kernverschmelzung abgeschlossenen Befruchtung.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
es unternimmt, eine Eizelle künstlich zu befruchten, ohne daß die Frau, deren Eizelle befruchtet wird, und der Mann, dessen Samenzelle für die Befruchtung verwendet wird, eingewilligt haben,
2.
es unternimmt, auf eine Frau ohne deren Einwilligung einen Embryo zu übertragen, oder
3.
wissentlich eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tode künstlich befruchtet.

(2) Nicht bestraft wird im Fall des Absatzes 1 Nr. 3 die Frau, bei der die künstliche Befruchtung vorgenommen wird.

(1) Wer die Erbinformation einer menschlichen Keimbahnzelle künstlich verändert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine menschliche Keimzelle mit künstlich veränderter Erbinformation zur Befruchtung verwendet.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 findet keine Anwendung auf

1.
eine künstliche Veränderung der Erbinformation einer außerhalb des Körpers befindlichen Keimzelle, wenn ausgeschlossen ist, daß diese zur Befruchtung verwendet wird,
2.
eine künstliche Veränderung der Erbinformation einer sonstigen körpereigenen Keimbahnzelle, die einer toten Leibesfrucht, einem Menschen oder einem Verstorbenen entnommen worden ist, wenn ausgeschlossen ist, daß
a)
diese auf einen Embryo, Foetus oder Menschen übertragen wird oder
b)
aus ihr eine Keimzelle entsteht,
sowie
3.
Impfungen, strahlen-, chemotherapeutische oder andere Behandlungen, mit denen eine Veränderung der Erbinformation von Keimbahnzellen nicht beabsichtigt ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
es unternimmt, eine Eizelle künstlich zu befruchten, ohne daß die Frau, deren Eizelle befruchtet wird, und der Mann, dessen Samenzelle für die Befruchtung verwendet wird, eingewilligt haben,
2.
es unternimmt, auf eine Frau ohne deren Einwilligung einen Embryo zu übertragen, oder
3.
wissentlich eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tode künstlich befruchtet.

(2) Nicht bestraft wird im Fall des Absatzes 1 Nr. 3 die Frau, bei der die künstliche Befruchtung vorgenommen wird.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
es unternimmt, eine Eizelle künstlich zu befruchten, ohne daß die Frau, deren Eizelle befruchtet wird, und der Mann, dessen Samenzelle für die Befruchtung verwendet wird, eingewilligt haben,
2.
es unternimmt, auf eine Frau ohne deren Einwilligung einen Embryo zu übertragen, oder
3.
wissentlich eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tode künstlich befruchtet.

(2) Nicht bestraft wird im Fall des Absatzes 1 Nr. 3 die Frau, bei der die künstliche Befruchtung vorgenommen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 34/99
Verkündet am:
21. Februar 2001
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
Zur Frage der Herabsetzung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs nach § 1579
Nr. 3, Nr. 4 BGB, wenn die Ehefrau sich einer homologen In-vitroFertilisation
unterzieht, obwohl der Ehemann sein Einverständnis zurückgezogen
hat.
BGH, Urteil vom 21. Februar 2001 - XII ZR 34/99 - OLG Stuttgart
AG Ulm
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die
Richter Dr. Hahne, Gerber, Sprick und Weber-Monecke

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 16. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 14. Januar 1999 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die seit 8. September 1998 rechtskräftig geschiedenen Parteien streiten um den nachehelichen Unterhaltsanspruch der Ehefrau (Antragsstellerin) aus § 1570 BGB wegen Betreuung eines Kindes, welches im Wege der homologen In-vitro-Fertilisation (im folgenden IVF) gezeugt wurde. Da die seit 1992 verheirateten Parteien auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen konnten und auch künstliche Inseminationen erfolglos blieben , entschlossen sie sich zu einer IVF. Zu diesem Zweck wurden der Antragstellerin nach einer Hormonbehandlung mehrere Eizellen entnommen, die nach extrakorporaler Befruchtung mit dem Sperma des Antragsgegners in die Gebärmutter der Antragstellerin implantiert werden sollten. Drei im März, Juli und
Oktober 1996 durchgeführte Implantationen blieben erfolglos. Am 24. Dezember 1996 unterzog sich die Antragstellerin erneut einer Implantation, die zur Schwangerschaft und am 21. September 1997 zur Geburt einer Tochter führte. Der Antragsgegner hatte im November 1996 während eines allein in Mexiko verbrachten Urlaubs eine andere Frau, seine jetzige Ehefrau, kennengelernt. Nach seiner Rückkehr gestand er der Antragstellerin diese außereheliche Beziehung ein und bedeutete ihr, an der Ehe und an der Abrede der extrakorporalen Befruchtung nicht mehr uneingeschränkt festhalten zu wollen. Der Aufforderung der Antragstellerin, sie am 24. Dezember 1996 zum Arzt zu begleiten , kam er nicht nach. Im Februar 1997 trennten sich die Parteien. Die Antragstellerin stellte im Mai 1997 Scheidungsantrag. Nach der Geburt des Kindes gab sie wegen dessen Betreuung und Erziehung ihre Berufstätigkeit auf, mit der sie bisher ca. monatlich netto 2.200 DM verdient hatte, und bezieht seither das staatliche Erziehungsgeld. Im Rahmen des Scheidungsverbundes hat sie erstinstanzlich einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 1.245 DM geltend gemacht. Das Amtsgericht hat ihren Unterhalt in Anwendung von § 1579 Nr. 3 BGB und unter Anrechnung von Erziehungsgeld auf monatlich 700 DM beschränkt. Auf ihre Berufung hat das Oberlandesgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und ihr den in zweiter Instanz noch verlangten Unterhalt von monatlich 1.228 DM zuerkannt. Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit der zugelassenen Revision , mit der er die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg. Das Urteil des Oberlandesgerichts (veröffentlicht in FamRZ 1999, 1136) hält im Ergebnis, wenn auch nicht in allen Teilen der Begründung, einer Überprüfung stand. 1. Zutreffend ist das Oberlandesgericht dem Grunde nach von einem Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB ausgegangen. Bei der 1997 geborenen Tochter handelt es sich um ein gemeinschaftliches Kind der Parteien, wegen dessen Pflege und Erziehung von der Antragstellerin keine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann. 2. Das Oberlandesgericht hat Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Widerspruchs des Antragsgegners gegen die Vornahme der künstlichen Befruchtung geäußert, weil dieser am 24. Dezember 1996 die Antragstellerin weder am Arztbesuch gehindert noch dem Arzt gegenüber seine Einwilligung widerrufen habe. Es hat diese Frage aber dahinstehen lassen, weil es für die Beurteilung, ob der Unterhaltsanspruch nach § 1579 Nr. 3 oder Nr. 4 BGB auszuschließen oder zu beschränken sei, nicht darauf ankomme. Der Antragstellerin könne nämlich nicht vorgehalten werden, sich durch die künstliche Herbeiführung der Schwangerschaft und die Geburt des Kindes mutwillig bedürftig gemacht und sich leichtfertig und verantwortungslos über die Vermögensinteressen des Antragsgegners hinweggesetzt zu haben. Ob ein Ehegatte sich gegenüber dem Partner verantwortungs- und rücksichtslos verhalte, sei an den Verpflichtungen zu messen, die sich für beide aus der ehelichen Lebensgemeinschaft gemäß § 1353 Abs. 1 BGB ergäben. Die hieraus folgenden Bindungen hätten für die Parteien zum Zeitpunkt der Implantation am 24. Dezember 1996 auch noch
bestanden, da zu diesem Zeitpunkt ihre Ehe zwar in der Krise, aber noch nicht gescheitert gewesen sei. Beide Ehegatten hätten im Rahmen ihrer Familienplanung den gemeinsamen Entschluß gefaßt, eine Schwangerschaft der Antragstellerin im Wege extrakorporaler Befruchtung herbeizuführen. Diese Verabredung , an der der Antragsgegner mitgewirkt habe, stehe nicht zur einseitigen Disposition, sondern bleibe für beide Ehegatten bindend, solange auch nur einer von ihnen daran festhalte; ein späterer Gesinnungswandel eines Ehegatten könne den anderen, auf der Vereinbarung beharrenden nicht ins Unrecht setzen. Pflichtwidrig handle vielmehr derjenige, der sich einseitig entgegen der gemeinschaftlich getroffenen Entscheidung verhalte. Das sei hier der Antragsgegner, der - unter Verstoß gegen seine eheliche Treuepflicht - sich einer anderen Frau zugewandt habe und von der einvernehmlichen Familienplanung einseitig abgerückt sei. Dann aber sei die Antragstellerin nicht verpflichtet , auf seine durch den Treuebruch veränderte Bewußtseinslage Rücksicht zu nehmen, sondern sei im Recht, wenn sie an der ursprünglich gemeinsamen Familienplanung festhalte. Da die Freiheit der Entscheidung für ein Kind zum engsten Kern der Persönlichkeit und ihrer Entfaltung in Selbstbestimmung gehöre, könne man in der Wahrnehmung dieser Freiheit kein leichtfertiges , von üblichen sozialen Standards abweichendes Verhalten sehen. Die Antragstellerin habe den Antragsgegner auch nicht hintergangen, da sie ihn über ihre Absichten, am 24. Dezember 1996 eine erneute Implantation vornehmen zu lassen, nicht im unklaren gelassen habe. Selbst wenn aber ein Härtegrund nach § 1579 Nr. 3 BGB anzunehmen wäre, würde die Erfüllung der Unterhaltspflicht den Antragsgegner nicht grob unbillig belasten. Bei der nach § 1579 BGB gebotenen Billigkeitsprüfung, die zusätzlich zur Feststellung des Härtegrundes erfolgen müsse, seien die Interessen der Antragstellerin an der Erfüllung ihres Kinderwunsches, das Interesse des Antragsgegners an der
Verschonung von Unterhaltspflichten, das im Werden begriffene Persönlichkeitsrecht der befruchteten Eizelle und auch das Schutzbedürfnis des bereits geborenen Kindes an möglichst ungestörter Betreuung gegeneinander abzuwägen. Folge man dabei dem Bundesgerichtshof in seiner Auffassung, daß jedem potentiellen Erzeuger die autonome Entscheidung über seine Elternschaft zukomme, seien die Interessen der Parteien gleichwertig. Vertrete man dagegen die Ansicht, daß sich derjenige ins Unrecht setze, der sich einseitig von einer gemeinsamen Planung lossage, sei der Standpunkt der Antragstellerin eher rechtlich schützenswert. Ein Vorrang der Interessen des Antragsgegners lasse sich nicht erkennen, zumal er die Empfängnis durch einen Widerruf seines Einverständnisses dem Arzt gegenüber noch in letzter Minute hätte verhindern können. 3. Dem kann nicht in allen Punkten gefolgt werden. Die Revision erhebt zu Recht Bedenken gegen den Ansatzpunkt des Oberlandesgerichts, daß sich der Antragsgegner, dessen Gesinnungswandel auf seiner Beziehung zu einer anderen Frau und damit auf einem Verstoß gegen die eheliche Treuepflicht beruht habe, im Rahmen der noch bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft nicht einseitig von der gemeinsam verabredeten Familienplanung habe lossagen können.
a) Nach heutigem Eheverständnis ist ein bestimmter Eheinhalt nicht mehr vorgegeben. Auch eine kinderlose Ehe ist, gleich, ob die Kinderlosigkeit biologisch vorgegeben ist oder auf freiwilligem Entschluß beruht, eine vollwertige Ehe. Kein Ehegatte kann daher von dem anderen unter Berufung auf das eheliche Pflichtenverhältnis nach § 1353 BGB die Zeugung oder den Empfang eines Kindes verlangen (vgl. MünchKomm/Wacke BGB 4. Aufl. § 1353 Rdn. 32; FamK-Rolland/Brudermüller 1993 § 1353 BGB Rdn. 12; Staudinger/Hübner/
Voppel BGB 13. Bearb. 2000 § 1353 Rdn. 34, 38; Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht 4. Aufl. § 18 V 7; Streck Generalklausel und unbestimmter Begriff im Recht der allgemeinen Ehewirkungen, Bonn 1970, S. 88, 89). Vielmehr entscheiden die Ehegatten in freier gemeinsamer Verantwortung darüber, ob, zu welchem Zeitpunkt und gegebenenfalls auf welche Weise sie Nachkommen haben wollen. Jedoch kann sich aus einem solchen Konsens keine Bindung auf Dauer ergeben. Da der Entschluß, zur Entstehung eines neuen Lebens beizutragen und in der Folge für dieses verantwortlich zu sein, für jedes Individuum eine höchstpersönliche Angelegenheit ist, würde eine solche Bindungswirkung die grundrechtlich geschützte personale Würde und das Selbstbestimmungsrecht des einzelnen (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) verletzen, zu denen es auch gehört, sich jederzeit erneut und frei für oder gegen ein Kind zu entscheiden. Das gilt für Männer und Frauen in gleicher Weise. Ein anderes Verständnis wäre auch mit dem Wesen der Ehe nicht zu vereinbaren, in der sich gleichberechtigte Partner in gegenseitiger Achtung der Person und Respektierung der individuellen Anschauungen des anderen, insbesondere was den engsten persönlichen Intimbereich angeht, zusammenfinden. Dem steht nicht entgegen, daß die Ehe auch eine Geschlechtsgemeinschaft ist, in der ein Ehegatte grundsätzlich darauf vertrauen kann, daß der andere Ehegatte sich seinem natürlichen Wunsch nach Kindern nicht verschließen werde. Die Rechtsordnung überläßt es jedoch den Ehegatten, bei widerstreitenden Ansichten zu einem Konsens zu kommen. Gelingt ihnen dies nicht und trägt dies zur Zerrüttung der ehelichen Lebensgemeinschaft bei, so kann dies allenfalls im Rahmen der §§ 1565 ff. BGB Bedeutung erlangen (vgl. Staudinger/Hübner/Voppel aaO § 1353 Rdn. 39). Auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur besteht weitgehend Einigkeit darüber, daß Abreden über die Familienplanung, die den Kernbereich
der ehelichen Lebensgemeinschaft betreffen, keine Rechtsbindungswirkung entfalten und von jedem Ehegatten auch gegen den Willen des anderen aufgekündigt werden können, da eine Bindungswirkung weder mit dem individuellen Selbstbestimmungsrecht eines jeden Ehegatten noch mit dem Wesen der Ehe in Einklang zu bringen ist. Dies wird überwiegend am Fall der vereinbarten Kinderlosigkeit erörtert, trifft aber ebenso auch auf den gemeinsamen Entschluß zu, Kinder zu wollen. So wird die Abrede über den Gebrauch, aber auch umgekehrt über das Unterlassen von empfängnisverhütenden Mitteln als zum rechtsfreien Raum gehörend angesehen, der weder unmittelbar noch mittelbar - etwa im Rahmen eines Schadensersatzanspruches - zum Gegenstand gerichtlicher Überprüfung gemacht werden kann (vgl. Reinhart JZ 1983, 184, 190; Beitzke/ Lüderitz Familienrecht 27. Aufl. Rdn. 214 (3); MünchKomm/Wacke aaO § 1353 Rdn. 32; Staudinger/Hübner/Voppel aaO Rdn. 41; Soergel/Lange BGB 12. Aufl. § 1353 Rdn. 11; im Grundsatz ebenso Kamps MedR 1994, 339, 347, der allerdings in der Vornahme der IVF gegen den Willen des Ehemannes eine die Ehefrau zum Schadensersatz verpflichtende Persönlichkeitsverletzung sieht; a.A., nämlich für eine Bindungswirkung, wohl Palandt/Brudermüller BGB 60. Aufl. § 1353 Rdn. 7; Gernhuber/Coester-Waltjen aaO, die jedoch bei Verstoß eines Ehegatten gegen die Abrede einen Schadensersatzanspruch ausdrücklich verneinen). Der Bundesgerichtshof hat in drei ähnlich gelagerten Bereichen ebenfalls die Bindungswirkung einer Abrede über die Familienplanung verneint. Er hat im Zusammenhang mit den Fällen fehlgeschlagener Sterilisation ausgeführt , daß die freie Entscheidung für oder gegen eine Elternschaft der Wertordnung unserer Verfassung entspreche, die der Einzelpersönlichkeit für diesen innersten Bereich der Lebensverwirklichung einen Freiheitsraum ge-
währe, zu dem die Gemeinschaft keinen Zugang habe. Gegenüber dem Sterilisationswunsch eines Ehegatten müßten etwa entgegenstehende Wünsche und Interessen des anderen Ehegatten zurücktreten. Solche Entscheidungen treffe jeder kraft eigener Selbstbestimmung für sich (BGHZ 67, 48, 51, 54). Es entspreche dem verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen, daß ihm die Entscheidung über die eigene Fortpflanzung freigestellt sein müsse (BGH, Urteil vom 27. Juni 1995 - VI ZR 32/94 - NJW 1995, 2407, 2409). In einem Fall, in dem der Vater des Kindes von seiner nichtehelichen Lebenspartnerin die Erstattung des Regelunterhalts verlangt hat, weil sie abredewidrig empfängnisverhütende Mittel abgesetzt hatte, hat der Bundesgerichtshof die Möglichkeit sowohl eines vertraglichen als auch eines deliktischen Schadensersatzanspruches verneint. Zur personalen Würde und zum Persönlichkeitsrecht von Geschlechtspartnern gehöre es, sich immer wieder neu und frei für ein Kind entscheiden zu können. Sie müßten daher in ihrer Entscheidung über den Gebrauch empfängnisverhütender Mittel frei bleiben, da diese Entscheidung den engsten Kern ihrer Persönlichkeit und ihrer Entfaltung in Selbstbestimmung betreffe. Daher könne sich ein Partner nicht wirksam im voraus zur regelmäßigen Anwendung von Empfängnisverhütungsmitteln verpflichten. Auch unterliege der Intimbereich von Partnern grundsätzlich auch dann nicht dem Deliktsrecht, wenn der eine den anderen abredewidrig über die Anwendung solcher Mittel getäuscht habe (BGHZ 97, 372, 379). Die Frage, ob das vorherige Einverständnis des Ehemannes mit der Vornahme einer heterologen Insemination bei seiner Ehefrau sein Recht auf Anfechtung der Ehelichkeit des dann geborenen Kindes vernichte, hat der Bundesgerichtshof angesichts der rechtlichen, ethischen, gesellschaftlichen
und religiösen Tragweite einer solchen Zustimmung und des notwendigen rechtlichen Schutzes des Ehemannes vor unüberlegten Entscheidungen verneint und einen Verzicht auf das Anfechtungsrecht als rechtlich wirkungslos angesehen (BGHZ 87, 169, 174). Bis zur Durchführung der zur Schwangerschaft führenden Insemination könne der Ehemann seine Zustimmung der Ehefrau gegenüber grundsätzlich frei widerrufen und auf diese Weise die mit der Zustimmung verbundene Vereinbarung kündigen, und zwar auch dann, wenn er aufgrund veränderter Umstände oder auch nur aufgrund einer Sinnesänderung eine auf diese Weise zustande gekommene Schwangerschaft der Ehefrau nicht mehr wolle. Eine unwiderrufliche Bindung sei unwirksam, weil sie gegen elementare Grundsätze des Familienrechts und des Verfassungsrechts verstoße. Die Rechtsordnung erkenne eine vertragliche Verpflichtung der Eheleute zu einer bestimmten Familienplanung nicht an, was auch gelte, wenn das Kind nicht durch natürliche, sondern durch künstliche (hier: heterologe) Befruchtung gezeugt werden solle. Erst dann, wenn durch die Insemination unumkehrbare Fakten geschaffen worden seien, komme ein Widerruf nicht mehr in Betracht (Senatsurteile BGHZ 129, 297, 307 ff. und vom 12. Juli 1995 - XII ZR 128/94 - FamRZ 1995, 1272 ff.).
b) Aus welchen Gründen ein Ehegatte sein Einverständnis mit einer vereinbarten Familienplanung aufgibt, ist unbeachtlich. Eine Unterscheidung danach , ob diese Gründe etwa moralisch-sittlich gerechtfertigt sind oder nicht, verbietet sich aus der höchstpersönlichen Rechtsnatur der Entscheidung. Es ist nicht Aufgabe der Rechtsordnung, den Ehegatten auf diesem Gebiet Maßstäbe vorzugeben. Daher kann aus der Annahme, daß der Gesinnungswandel des Antragsgegners auf seiner Beziehung zu einer anderen Frau und damit auf einem Verstoß gegen die eheliche Treuepflicht beruhe, entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts nichts dafür hergeleitet werden, daß die Verein-
barung bindend, die einseitige Aufkündigung durch den Antragsgegner pflichtwidrig und deshalb die Antragstellerin im Recht sei, wenn sie an der ursprünglich gemeinsamen Familienplanung festhalte. Die Verwirklichung des Kinderwunsches der Antragstellerin - gegen den Willen des Antragsgegners - bedarf einer solchen Rechtfertigung, die nach dieser unzutreffenden Auffassung ihren eigentlichen Grund im Fehlverhalten des Antragsgegners hätte, auch nicht.
c) Die Frage, ob der Antragsgegner dem Unterhaltsanspruch der Antragstellerin aus § 1570 BGB die Einwände aus § 1579 Nr. 3 BGB (mutwilliges Herbeiführen der Bedürftigkeit) oder Nr. 4 BGB (mutwilliges Hinwegsetzen über schwerwiegende Vermögensinteressen) entgegenhalten kann, ist zu verneinen. Dabei bestehen vorab Zweifel, ob die Anwendung des § 1579 BGB nicht bereits im Ansatz ausscheiden muß. Geht man von dem Grundgedanken aus (vgl. u.a. BGHZ 97 aaO; MünchKomm/Wacke aaO Rdn. 32 m.N.), daß die Entscheidung für oder gegen Nachkommenschaft zum nicht justiziablen engsten persönlichen Intimbereich der Partner gehört und weder einer rechtsgeschäftlichen Regelung noch dem Deliktsrecht unterliegt, so ist fraglich, ob eine mittelbare Überprüfung im Rahmen des § 1579 BGB überhaupt zulässig ist. Die Versagung des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 Nr. 3 oder Nr. 4 BGB wäre nämlich eine Sanktion gegen ein mißbilligenswertes Verhalten der Antragstellerin und käme in dieser Wirkungsweise einem Schadensersatzanspruch gleich, der aber nach ganz überwiegender Auffassung dem Antragsgegner nicht zustehen würde. Entsprechendes könnte auch für den Einwand aus § 1579 BGB gelten (vgl. auch Staudinger/Hübner/Voppel aaO Rdn. 41). Die Frage kann aber auf sich beruhen, weil jedenfalls ein Härtegrund weder gemäß § 1579 Nr. 3 noch Nr. 4 BGB gegeben ist.
Nach Nr. 3 kann der Unterhaltsanspruch des Berechtigten versagt, teilweise herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten - auch unter Wahrung der Kindesbelange - grob unbillig wäre, weil der Unterhaltsberechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat. Nach der Rechtsprechung des Senats bedeutet Mutwilligkeit zwar nicht, daß das Verhalten vorsätzlich im Sinne einer zweckgerichteten Herbeiführung der Bedürftigkeit zu Lasten des Unterhaltspflichtigen sein muß, andererseits reicht einfaches Verschulden für die Sanktion der Nr. 3 nicht aus. § 1579 Nr. 3 BGB soll seiner Zielrichtung nach den Bereich zumutbarer nachehelicher Solidarität gegen grob unbillige Unterhaltsforderungen abgrenzen und vermeiden, daß der Unterhaltspflichtige die Folgen einer leichtfertigen Herbeiführung der Bedürftigkeit durch den anderen Ehegatten unterhaltsrechtlich mit tragen muß. Erforderlich ist demgemäß ein leichtfertiges, vom üblichen sozialen Standard abweichendes Verhalten, bei dem sich die Vorstellungen und Antriebe, die diesem Verhalten zugrunde liegen, auch auf die Bedürftigkeit als Folge dieses Verhaltens erstrecken müssen (sog. unterhaltsbezogene Leichtfertigkeit). Leichtfertig in diesem Sinn handelt, wer seine Arbeitskraft oder sein Vermögen, also die Faktoren, die ihn in die Lage versetzen, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, auf sinnlose Art aufs Spiel setzt und einbüßt. Dabei muß er sich unter grober Nichtachtung dessen, was jedem einleuchten muß, oder in Verantwortungslosigkeit und Rücksichtslosigkeit gegen den Unterhaltspflichtigen über die erkannten möglichen nachteiligen Folgen für seine Bedürftigkeit hinwegsetzen (st.Rspr. vgl. u.a. Senatsurteile vom 8. Juli 1981 - IVb ZR 593/80 - FamRZ 1981, 1042 ff.; 14. Dezember 1983 - IVb ZR 38/82 - FamRZ 1984, 364 ff.; 13. Januar 1988 - IVb ZR 15/87 - FamRZ 1988, 375 ff.; vgl. zuletzt auch Urteil vom 12. April 2000 - XII ZR 79/98 - FamRZ 2000, 815 ff.). Die vom Senat bisher entschiedenen Sachverhalte, in denen eine Anwendung des Nr. 3 in
Rede stand, betrafen im wesentlichen Unterhaltsberechtigte, die in vorwerfbar leichtfertiger Weise ihre Erwerbsfähigkeit durch Alkohol- oder Drogenmißbrauch beziehungsweise das Unterlassen rechtzeitiger Entzugsmaßnahmen verloren, Vermögen verschwendet oder verspielt, eine berufliche Aus- oder Weiterbildung unterlassen oder ihren Arbeitsplatz durch eine vorsätzliche Straftat verloren haben. Das Verhalten der Antragstellerin erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Selbst wenn man zugunsten des Antragsgegners unterstellt, daß sie ihre spätere Unterhaltsbedürftigkeit als Folge ihrer Schwangerschaft und der Geburt des Kindes erkannt und in Kauf genommen hat (was nicht zwingend ist, da sie einen Beruf hatte, den sie - bei anderweitiger Sicherstellung der Betreuung des Kindes - gegebenenfalls weiter ausüben konnte), so kann man ihr die Verwirklichung ihres Kinderwunsches nicht als sinnloses leichtfertiges Verhalten vorwerfen , welches ein verständiger Mensch in vergleichbarer Situation vermieden hätte. Ein Kind zu bekommen, auch in der Situation der Antragstellerin, ist weder sinnlos noch weicht es vom sozialen Standard ab. Daß sich der Kinderwunsch nur durch die - heute noch ungewöhnliche - Methode der IVF bewerkstelligen ließ, kann die Anwendung des § 1579 Nr. 3 BGB ebenfalls nicht begründen. Aus entsprechenden Erwägungen kann der Antragstellerin auch nicht vorgehalten werden, sich mutwillig über schwerwiegende Vermögensinteressen des Antragsgegners hinweggesetzt zu haben (§ 1579 Nr. 4 BGB). Da es somit schon am Tatbestandsmerkmal des Härtegrundes fehlt, kommt es auf die Frage der unbilligen Belastung des Antragsgegners nicht mehr an. Das Oberlandesgericht hat daher im Ergebnis zu Recht eine Herabsetzung des Unterhalts gemäß § 1579 BGB verneint und das Erziehungsgeld
der Antragstellerin nicht gemäß § 9 Satz 2 Bundeserziehungsgeldgesetz auf ihren Unterhaltsanspruch angerechnet. 4. Daß das Oberlandesgericht nach dem Sachvortrag des Antragsgegners einen Unterhaltsverzicht der Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner verneint hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
5. Die Berechnung des Unterhaltsanspruchs der Höhe nach läßt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Antragsgegners und Revisionsführers erkennen , so daß die Entscheidung auch insoweit Bestand hat. Blumenröhr Hahne Gerber Sprick Weber-Monecke

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Gründe

1

1. Die zulässige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Halle - 1. Kammer - vom 9. März 2016 hat in der Sache keinen Erfolg.

2

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die begehrte Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht. Die Annahme des Verwaltungsgerichtes, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Sinne von § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO keine hinreichenden Erfolgsaussichten bietet, wird von der Beschwerde nicht schlüssig infrage gestellt. Hinreichende Erfolgsaussichten sind auch anderweitig nicht ersichtlich.

3

Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass der Kläger die einmonatige Widerspruchsfrist gemäß § 70 Abs. 1 VwGO nicht eingehalten hat. Danach ist der Widerspruch innerhalb eines Monates, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt. Darüber ist der Kläger in der Rechtsbehelfsbelehrung des hier streitgegenständlichen Bescheides des Beklagten vom 13. Juni 2014 gemäß § 70 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 58 Abs. 1 VwGO ebenso zutreffend belehrt worden wie über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde, bei der der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist.

4

In Kenntnis dessen hat der Kläger gleichwohl abweichend hiervon „Widerspruch per E-Mail“ eingelegt. Dies genügt dem Schriftlichkeitserfordernis nach § 70 Abs. 1 VwGO nicht, denn diesem wird bei bestimmenden Schriftsätzen wie dem Widerspruch in der Regel nur durch eine eigenhändige Unterschrift genügt (vgl.: BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1992 - 7 C 16.92 -, juris Rn. 22 [m. w. N.]). Damit liegen auch nicht andere Unterlagen in schriftlicher Form vor, die - ausnahmsweise - die Urheberschaft und den Willen, ein Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, hinreichend sicher ergeben, ohne dass darüber Beweis erhoben werden müsste (vgl. hierzu: BVerwG, a. a. O.). Bei einer schlichten E-Mail ist die Gewähr des „richtigen Absenders“ ohnehin nicht, jedenfalls nicht ohne Weiteres erkennbar.

5

Vorliegend ist der Kläger auch nicht im Sinne von § 70 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO unrichtig belehrt worden mit der Folge, dass nicht die Jahresfrist galt. Eine Rechtsbehelfsbelehrung, die trotz der Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs lediglich auf die Rechtsmitteleinlegung in schriftlicher Form oder zur Niederschrift bei der maßgeblichen Stelle verweist, ist zwar unvollständig und deshalb irreführend, weil sie geeignet ist, den Eindruck zu erwecken, die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs sei ausgeschlossen (vgl.: OVG LSA, Urteile vom 12. November 2013 - 1 L 15/13 - und vom 14. Oktober 2014 - 1 L 99/13 -, jeweils juris [m. w. N.]). Indes ist vorliegend - wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat - der elek-tronische Rechtsverkehr bei bzw. gegenüber dem Beklagten nicht gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 3a Abs. 1 VwVfG eröffnet gewesen. Es besteht zudem keine gesetzlich normierte Pflicht zur Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs; Gegenteiliges zeigt auch die Beschwerde nicht auf. Die gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO für die Widerspruchseinlegung vorgeschriebene Schriftform kann überdies gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 3a Abs. 2 Satz 2 VwVfG nur dann durch ein elektronisches Dokument gewahrt werden, wenn dieses mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist (vgl. hierzu auch: OVG Sachsen, Beschluss vom 9. Juni 2015 - 3 A 63/15 -, juris; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 8. November 2011 - 4 LB 156/11 - juris [m. w. N.]; BayVGH, Beschlüsse vom 18. April 2011 - 20 ZB 11.349 - und vom 18. Juni 2007 - 11 CS 06.1959 -, jeweils juris; HessVGH, Beschluss vom 3. November 2005 - 1 TG 1668/05 - juris [m. w. N.]). Die schlichte E-Mail des Klägers genügt dieser Anforderung ebenso wenig.

6

Für die von den Parteien im Rahmen des Verwaltungsverfahrens bis zu dessen Abschluss durch Erlass eines Verwaltungsaktes betriebene Übung der Kommunikation auch in elektronischer Form gilt nichts anderes, denn auch die gewählte Praxis kann allenfalls darüber Aufschluss geben, dass ein Rechtsbehelf im elektronischen Wege denkbar sein kann, aber nicht darüber hinaus indizieren, dass jedwede Art der elektronischen Äußerung dem Schrifterfordernis genügt (vgl. insoweit auch: BayVGH, Beschluss vom 18. April 2011, a. a. O.). Ein anderslautendes Vertrauen des Klägers durfte sich daher allein aus diesem Grund schon nicht statthafterweise bilden. Dies gilt erst Recht, wenn - wie vorliegend - der Bescheidadressat zutreffend über die Form des einzulegenden Widerspruches belehrt wurde. Damit scheidet zugleich die Annahme aus, der Kläger sei im Sinne von § 70 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 60 Abs. 1 VwGO ohne Verschulden verhindert gewesen, die gesetzliche Frist einzuhalten.

7

Die Regelung des § 55a VwGO ist im Übrigen vorliegend nicht einschlägig, da sie die Übermittlung elektronischer Dokumente an das Gericht, nicht hingegen an die Verwaltung zum Gegenstand hat. Eine - wie die Beschwerde womöglich meint - „analoge“ Anwendung scheidet im Hinblick auf die spezialgesetzliche Regelung in § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 3a VwVfG ohnehin aus.

8

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten werden gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.

9

3. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) für das Beschwerdeverfahren eine Festgebühr in Höhe von 60,00 € anfällt.

10

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


(1) Als Embryo im Sinne dieses Gesetzes gilt bereits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag.

(2) In den ersten vierundzwanzig Stunden nach der Kernverschmelzung gilt die befruchtete menschliche Eizelle als entwicklungsfähig, es sei denn, daß schon vor Ablauf dieses Zeitraums festgestellt wird, daß sich diese nicht über das Einzellstadium hinaus zu entwickeln vermag.

(3) Keimbahnzellen im Sinne dieses Gesetzes sind alle Zellen, die in einer Zell-Linie von der befruchteten Eizelle bis zu den Ei- und Samenzellen des aus ihr hervorgegangenen Menschen führen, ferner die Eizelle vom Einbringen oder Eindringen der Samenzelle an bis zu der mit der Kernverschmelzung abgeschlossenen Befruchtung.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
es unternimmt, eine Eizelle künstlich zu befruchten, ohne daß die Frau, deren Eizelle befruchtet wird, und der Mann, dessen Samenzelle für die Befruchtung verwendet wird, eingewilligt haben,
2.
es unternimmt, auf eine Frau ohne deren Einwilligung einen Embryo zu übertragen, oder
3.
wissentlich eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tode künstlich befruchtet.

(2) Nicht bestraft wird im Fall des Absatzes 1 Nr. 3 die Frau, bei der die künstliche Befruchtung vorgenommen wird.

(1) Als Embryo im Sinne dieses Gesetzes gilt bereits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag.

(2) In den ersten vierundzwanzig Stunden nach der Kernverschmelzung gilt die befruchtete menschliche Eizelle als entwicklungsfähig, es sei denn, daß schon vor Ablauf dieses Zeitraums festgestellt wird, daß sich diese nicht über das Einzellstadium hinaus zu entwickeln vermag.

(3) Keimbahnzellen im Sinne dieses Gesetzes sind alle Zellen, die in einer Zell-Linie von der befruchteten Eizelle bis zu den Ei- und Samenzellen des aus ihr hervorgegangenen Menschen führen, ferner die Eizelle vom Einbringen oder Eindringen der Samenzelle an bis zu der mit der Kernverschmelzung abgeschlossenen Befruchtung.

Gründe

1

1. Die zulässige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Halle - 1. Kammer - vom 9. März 2016 hat in der Sache keinen Erfolg.

2

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die begehrte Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht. Die Annahme des Verwaltungsgerichtes, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Sinne von § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO keine hinreichenden Erfolgsaussichten bietet, wird von der Beschwerde nicht schlüssig infrage gestellt. Hinreichende Erfolgsaussichten sind auch anderweitig nicht ersichtlich.

3

Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass der Kläger die einmonatige Widerspruchsfrist gemäß § 70 Abs. 1 VwGO nicht eingehalten hat. Danach ist der Widerspruch innerhalb eines Monates, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt. Darüber ist der Kläger in der Rechtsbehelfsbelehrung des hier streitgegenständlichen Bescheides des Beklagten vom 13. Juni 2014 gemäß § 70 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 58 Abs. 1 VwGO ebenso zutreffend belehrt worden wie über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde, bei der der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist.

4

In Kenntnis dessen hat der Kläger gleichwohl abweichend hiervon „Widerspruch per E-Mail“ eingelegt. Dies genügt dem Schriftlichkeitserfordernis nach § 70 Abs. 1 VwGO nicht, denn diesem wird bei bestimmenden Schriftsätzen wie dem Widerspruch in der Regel nur durch eine eigenhändige Unterschrift genügt (vgl.: BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1992 - 7 C 16.92 -, juris Rn. 22 [m. w. N.]). Damit liegen auch nicht andere Unterlagen in schriftlicher Form vor, die - ausnahmsweise - die Urheberschaft und den Willen, ein Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, hinreichend sicher ergeben, ohne dass darüber Beweis erhoben werden müsste (vgl. hierzu: BVerwG, a. a. O.). Bei einer schlichten E-Mail ist die Gewähr des „richtigen Absenders“ ohnehin nicht, jedenfalls nicht ohne Weiteres erkennbar.

5

Vorliegend ist der Kläger auch nicht im Sinne von § 70 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO unrichtig belehrt worden mit der Folge, dass nicht die Jahresfrist galt. Eine Rechtsbehelfsbelehrung, die trotz der Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs lediglich auf die Rechtsmitteleinlegung in schriftlicher Form oder zur Niederschrift bei der maßgeblichen Stelle verweist, ist zwar unvollständig und deshalb irreführend, weil sie geeignet ist, den Eindruck zu erwecken, die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs sei ausgeschlossen (vgl.: OVG LSA, Urteile vom 12. November 2013 - 1 L 15/13 - und vom 14. Oktober 2014 - 1 L 99/13 -, jeweils juris [m. w. N.]). Indes ist vorliegend - wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat - der elek-tronische Rechtsverkehr bei bzw. gegenüber dem Beklagten nicht gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 3a Abs. 1 VwVfG eröffnet gewesen. Es besteht zudem keine gesetzlich normierte Pflicht zur Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs; Gegenteiliges zeigt auch die Beschwerde nicht auf. Die gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO für die Widerspruchseinlegung vorgeschriebene Schriftform kann überdies gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 3a Abs. 2 Satz 2 VwVfG nur dann durch ein elektronisches Dokument gewahrt werden, wenn dieses mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist (vgl. hierzu auch: OVG Sachsen, Beschluss vom 9. Juni 2015 - 3 A 63/15 -, juris; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 8. November 2011 - 4 LB 156/11 - juris [m. w. N.]; BayVGH, Beschlüsse vom 18. April 2011 - 20 ZB 11.349 - und vom 18. Juni 2007 - 11 CS 06.1959 -, jeweils juris; HessVGH, Beschluss vom 3. November 2005 - 1 TG 1668/05 - juris [m. w. N.]). Die schlichte E-Mail des Klägers genügt dieser Anforderung ebenso wenig.

6

Für die von den Parteien im Rahmen des Verwaltungsverfahrens bis zu dessen Abschluss durch Erlass eines Verwaltungsaktes betriebene Übung der Kommunikation auch in elektronischer Form gilt nichts anderes, denn auch die gewählte Praxis kann allenfalls darüber Aufschluss geben, dass ein Rechtsbehelf im elektronischen Wege denkbar sein kann, aber nicht darüber hinaus indizieren, dass jedwede Art der elektronischen Äußerung dem Schrifterfordernis genügt (vgl. insoweit auch: BayVGH, Beschluss vom 18. April 2011, a. a. O.). Ein anderslautendes Vertrauen des Klägers durfte sich daher allein aus diesem Grund schon nicht statthafterweise bilden. Dies gilt erst Recht, wenn - wie vorliegend - der Bescheidadressat zutreffend über die Form des einzulegenden Widerspruches belehrt wurde. Damit scheidet zugleich die Annahme aus, der Kläger sei im Sinne von § 70 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 60 Abs. 1 VwGO ohne Verschulden verhindert gewesen, die gesetzliche Frist einzuhalten.

7

Die Regelung des § 55a VwGO ist im Übrigen vorliegend nicht einschlägig, da sie die Übermittlung elektronischer Dokumente an das Gericht, nicht hingegen an die Verwaltung zum Gegenstand hat. Eine - wie die Beschwerde womöglich meint - „analoge“ Anwendung scheidet im Hinblick auf die spezialgesetzliche Regelung in § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 3a VwVfG ohnehin aus.

8

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten werden gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.

9

3. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) für das Beschwerdeverfahren eine Festgebühr in Höhe von 60,00 € anfällt.

10

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
es unternimmt, eine Eizelle künstlich zu befruchten, ohne daß die Frau, deren Eizelle befruchtet wird, und der Mann, dessen Samenzelle für die Befruchtung verwendet wird, eingewilligt haben,
2.
es unternimmt, auf eine Frau ohne deren Einwilligung einen Embryo zu übertragen, oder
3.
wissentlich eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tode künstlich befruchtet.

(2) Nicht bestraft wird im Fall des Absatzes 1 Nr. 3 die Frau, bei der die künstliche Befruchtung vorgenommen wird.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
es unternimmt, eine Eizelle künstlich zu befruchten, ohne daß die Frau, deren Eizelle befruchtet wird, und der Mann, dessen Samenzelle für die Befruchtung verwendet wird, eingewilligt haben,
2.
es unternimmt, auf eine Frau ohne deren Einwilligung einen Embryo zu übertragen, oder
3.
wissentlich eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tode künstlich befruchtet.

(2) Nicht bestraft wird im Fall des Absatzes 1 Nr. 3 die Frau, bei der die künstliche Befruchtung vorgenommen wird.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen.

(2) Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei (§ 69), so sind die Vorschriften des § 100 maßgebend.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.