Oberlandesgericht München Endurteil, 22. Feb. 2017 - 3 U 4080/16

bei uns veröffentlicht am22.02.2017
vorgehend
Landgericht Traunstein, 8 O 2014/16, 21.09.2016

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 21.09.2016, Az.: 8 O 2014/16, wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des erstinstanziellen Verfahrens sowie des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, es sei denn, dass die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Streit um die von der Klägerin verlangte Herausgabe kryokonservierter Spermaproben ihres am ... 1978 geborenen und am ... 2015 verstorbenen Ehemanns H. J. L., die unter dessen Namen bei der Beklagten eingelagert sind. Die Klägerin will mit dem Sperma beim Kinderwunsch Centrum C. im Wege der künstlichen Befruchtung in Fortsetzung einer im Juni 2014 begonnenen Behandlung ihre Schwangerschaft herbeiführen.

Das Landgericht Traunstein hat mit am 21.09.2016 verkündetem Endurteil die Klage abgewiesen. Auf die in dem landgerichtlichen Urteil getroffenen Feststellungen wird Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzielles Klagebegehren in präzisierter Fassung weiter.

Sie trägt hierzu vor, die Beklagte mache sich entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung durch die Herausgabe der kryokonservierten Spermaproben nicht wegen Beihilfe zu einer Straftat nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz strafbar. Diese Norm sei verfassungswidrig und verletze das klägerische Recht auf Fortpflanzung. Der auf die Klägerin übergegangene vertragliche Herausgabeanspruch auf das Kryosperma - das dem alleinigen Verfügungsrecht der Klägerin unterliege - sei mithin nicht auf eine im Sinne von § 275 BGB (rechtlich) unmögliche Leistung gerichtet.

Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts fehle es an einem legitimen Gemeinschaftsbelang als Strafgrund für § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz. Es gebe keinen legitimen Zweck staatlicher Intervention, der die Einschränkung des Grundrechts auf Fortpflanzung der Klägerin rechtfertige; dies ergebe sich aus der Verhältnismäßigkeitsprüfung.

Das erstinstanzliche Gericht habe nicht hinreichend geprüft, ob § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz den besonderen Verhältnismäßigkeitsanforderungen entspreche. Die Klägerin habe nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ein aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitetes schützenswertes Grundrecht auf Fortpflanzung, das auch das Recht der Klägerin auf Fortpflanzung mit dem Samen des verstorbenen Mannes umfasse. Es sei nicht legitim, bei der postmortalen Insemination die natürlichen Schranken auch als rechtliche festzulegen. Wenn ein Paar durch den Tod eines der Partner kein Kind mehr auf natürlichem Weg zeugen könne, könne dies nicht die Konsequenz haben, dass die Partner danach auch kein Recht mehr auf Fortpflanzung hätten. Der Verweis auf die natürlichen oder normalen Grenzen könne bei jeder Form der künstlichen Fortpflanzung herangezogen werden und sei somit kein Argument. Das „ob“ der natürlichen/künstlichen Fortpflanzung falle in einen unantastbaren Kernbereich des Persönlichkeitsrechts, in dem die Privatsphäre nur unter erschwerten Bedingungen eingeschränkt werden dürfe. An entsprechende Gesetze würden insoweit besondere Verhältnismäßigkeitsanforderungen gestellt, wobei ein wichtiges staatliches Interesse geschützt und ein milderer Eingriff ausgeschlossen sein müsse. Das Interesse der Klägerin auf Fortpflanzung, insbesondere daran, die Gene ihres verstorbenen Mannes und ihre eigenen im und am Kind zu sehen und zu erleben, überwiege die Aspekte, dass das Kind ohne Vater aufwachse und es möglicherweise für das Kind ein Problem darstelle, wenn es erfahre, wie es gezeugt wurde. Der Schutz des Kindeswohls sei nachrangig, das ungezeugte Kind noch nicht grundrechtsfähig. Auch sei die Berücksichtigung des Kindeswohls bedenklich, weil das Kind gar nicht existieren würde, wenn man die postmortale Insemination nicht zuließe. Soweit es im Gesetzgebungsverfahren als Gefahr für die Entwicklung des Kindes angesehen wurde, das Kind könne erfahren, wenn seine Zeugung in einer dem Willen der Beteiligten nicht entsprechenden Weise erfolgt sei, treffe dies dann nicht zu, wenn, wie hier, ausdrücklicher Wille des verstorbenen Ehemanns der Klägerin gewesen sei, dass sie mit seinem Samen schwanger werden solle.

Auch in dem vom OLG Rostock (Urteil vom 07.05.2010, Az.: 7 U 67/09) entschiedenen Fall spiele der Schutz des Kindeswohls keine Rolle mehr. Das Kind werde, wie auch von Anfang an viele Kinder allein erziehender Elternteile, in eine nicht bestehende Partnerschaft geboren, wobei hier die befruchtete Eizelle nach der Erkenntnis des OLG Rostock nicht unter § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz falle. Für das Kindeswohl spiele es keine Rolle, ob das Kind nach dem Tod eines Elternteils erst durch die Befruchtung mit dem Samen gezeugt wurde oder durch die Einpflanzung der befruchteten Eizelle, nachdem der Vater bereits verstorben war.

Eine Lebensqualität könne einem durch postmortale Insemination geborenen Kind nicht deswegen, dass dieses Kind seinen Vater nicht kenne, abgesprochen werden, zumal dies in Konsequenz bedeutete, dass alle Kinder von allein erziehenden Elternteilen keine solche Lebensqualität hätten. Nach heutigen Erkenntnissen hätten Kinder von Alleinerziehenden keine bemerkbaren Defizite. Es fehle an der griffigen Benennung, welche Aspekte des Kindeswohls für dessen geistig-seelische Entwicklung maßgeblich sind und welche nachweislich durch eine Befruchtung post mortem das Kindeswohl messbar beeinträchtigen. Außerdem laufe die postmortale Insemination nicht der Intention des Gesetzgebers des Embryonenschutzgesetzes zuwider, die darin bestehe, Grenzen der neuen Techniken der Fortpflanzungsmethoden, vor allem der In-Vitro-Fertilisation zu ziehen, um Missbräuche zu verhindern. An wirklichen Konturen einer gegen das Recht der Fortpflanzung der Klägerin anzuführenden herrschenden Sozialmoral fehle es. Selbst wenn man in den Sittengesetzen eine rechtsethische Kontrollschranke sehen würde, könne dies nicht zu einer grundsätzlich anderen Bewertung führen.

Auf den weiteren Inhalt der Berufungsbegründungsschrift vom 17.11.2016 (Bl. 50/59 d. A.) wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die unter dem Namen des verstorbenen Ehemanns der Klägerin, Herr H. J. L., geboren am ... 1978, vor seinem Tod wohnhaft eingelagerten 13 kryokonservierten Spermaproben an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Ersturteil.

Sie trägt hierzu vor, die Klägerin versuche insbesondere mit sehr weiten verfassungsrechtlichen Auslegungen den Herausgabeanspruch zu begründen. Wenngleich das Embryonenschutzgesetz nach 27 Jahren dem aktuellen Behandlungsstandard nicht mehr entspreche, enthalte es hinsichtlich der hier streitigen Frage keine verfassungsrechtlich zu beanstandenden Regulierungen. Aus nachvollziehbaren Gründen sei das Verbot der Befruchtung mit dem Samen eines Verstorbenen unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des Kindeswohls in das Gesetz aufgenommen worden.

Tatsächlich handele es sich bei der von der Klägerin erstrebten weiteren Kinderwunschbehandlung um eine angestrebte Selbstverwirklichung, die über die Gefährdung der Interessen des zu zeugenden Kindes gestellt werde. Auf den weiteren Inhalt der Berufungserwiderung vom 05.01.2017 wird Bezug genommen.

Der Senat hat am 01.02.2017 mündlich verhandelt; auf das Protokoll wird verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Ein vertraglicher Anspruch auf Herausgabe besteht nicht.

Nach § 4 Nr. 3 des zwischen dem verstorbenen Ehemann der Klägerin und der Beklagten abgeschlossenen Vertrags über die Kryokonservierung und Lagerung von Sperma endete der Vertrag mit dem Tod des Ehemanns der Klägerin. Ein unerledigtes Herausgabeverlangen des Ehemannes, das durch Erbgang einen Herausgabeanspruch der Klägerin hätte rechtfertigen können, liegt nicht vor. Dem derzeitigen Verwahrungsverhältnis bezüglich des trotz der Vertragsbestimmung des § 11 Nr. 2 nicht vernichteten Spermas ist die Herausgabepflicht der Beklagten nicht immanent, sondern von der rechtskräftigen Entscheidung über die Klage abhängig.

Dem auf § 985 BGB gestützten Herausgabeverlangen der Klägerin als nunmehriger Alleinerbin der 13 kryokonservierten Spermaproben steht der Einwand der Beklagten, sich im Falle der Herausgabe einer Beihilfe zum Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz schuldig zu machen, damit ein Fall der rechtlichen Unmöglichkeit, entgegen (dazu siehe unten nachfolgend 1.). Von der Verfassungswidrigkeit der entscheidungserheblichen Norm des § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz ist der Senat nicht überzeugt; Veranlassung zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG besteht nicht (siehe dazu unten 2.). Dem Klageanspruch steht in jedem Fall das postmortale Persönlichkeitsrecht des verstorbenen Ehemanns der Klägerin entgegen (siehe dazu unten 3.).

Im Einzelnen ist dazu auszuführen:

1. § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz verbietet die Verwendung des Samens eines Mannes nach dessen Tod (post-mortem-Befruchtung). Diese erst im Gesetzgebungsverfahren eingefügte Strafbestimmung anerkennt den Umstand, dass beim Tod eines Mannes eine noch mögliche künstliche Befruchtung im Sinne der Frau liegen könnte, dadurch, dass die Frau selbst in jedem Falle straflos bleibt (persönlicher Strafausschließungsgrund nach Abs. 2).

Scheidet demnach eine post-mortem-Befruchtung im Inland aus, kann die Klägerin ihre Forderung auch nicht auf eine im Ausland durchzuführende dergestalte künstliche Befruchtung stützen. Nach einer Erhebung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht zu den rechtlichen Regelungen zur Fortpflanzungsmedizin in europäischen Ländern wäre dies in mehreren europäischen Ländern, so etwa ohne größere Restriktionen in Belgien (Gesetz vom 11.05.2003), Dänemark (Gesetz Nr. 460 vom 10.06.1997 mit Änderungsgesetz Nr. 427 vom 10.06.2003 und Nr. 240 vom 05.04.2004 sowie Verordnung Nr. 728 vom 17.09.1997), den Niederlanden (StGB-Ergänzung vom 16.09.1993, Embryonenschutzgesetz vom 01.09.2002) und Polen möglich. Auch diese Rechtslage ändert aber nichts an der möglichen Strafbarkeit der Beklagten wegen Beihilfe zu einer von der Witwe begangenen Auslandstat nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz.

Zwar muss § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB nach einhelliger Ansicht einschränkend interpretiert werden; so wird durch die Norm die ausländische Haupttat gerade nicht automatisch zur Inlandstat, vielmehr muss der Auslandsbezug der Haupttat weiterhin bei der Beurteilung des strafrechtsrelevanten Verhaltens Berücksichtigung finden. Die Fragestellung lautet, ob der territoriale Schutzbereich des verletzten Straftatbestands die im Ausland begangene Tat ebenfalls erfassen will, wobei dieser Schutzbereich tatbestandsimmanent zu ermitteln und der Frage der Auslandserstreckung vorgelagert ist. Schützt der in Rede stehende Tatbestand ausschließlich inländische Rechtsgüter, ist § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB teleologisch zu reduzieren, so dass in solchen Fällen die Inlandsteilnahme an einer straflosen Auslandstat nicht strafbar ist. Hier gelangt man jedoch zum Ergebnis, dass nicht bloß inländische Rechtsgüter geschützt werden, da es sich bei dem durch § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz geschützten Rechtsgut jedenfalls um das Individualrechtsgut des Kindeswohls handelt; dieses genießt, wie sich etwa auch aus § 5 Nr. 6 a StGB ersehen lässt, universellen Schutz (Krüger, Das Verbot der post-mortem-Befruchtung, Schriftenreihe Medizin-Ethik-Recht, Band 12, 2010, Seiten 22 f.; an diesen Aufsatz sind auch die nachfolgenden Ausführungen unter 2., wenn auch nicht zwingend das gewonnene Ergebnis, angelehnt).

Nach dem Wortlaut des Gesetzes in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB hätte sich die Beklagte daher berechtigtermaßen gegenüber dem Herausgabeanspruch mit dem Gesichtspunkt der rechtlichen Unmöglichkeit (§ 275 BGB) verteidigen können, es sei denn, es wäre von der Verfassungswidrigkeit der Strafvorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz auszugehen.

2. Wenngleich klägerseits § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz für verfassungswidrig gehalten wird, weil das sich zum einen aus Art. 6 Abs. 1 GG sowie aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ergebende Recht auf Fortpflanzung nicht durch das Embryonenschutzgesetz beschränkt werden könne, sieht der Senat keine Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG, da er dieses Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, nicht für verfassungswidrig hält. Eine Vorlage wäre auch dann unzulässig, wenn das Gericht nur Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des entscheidungserheblichen Gesetzes haben sollte (vgl. BVerfGE 78, 104 (117); 80, 54 (59); 86, 52 (57)). Kann der Widerspruch zwischen der einfach gesetzlichen Norm und dem Grundgesetz durch eine verfassungskonforme Auslegung des einfachen Gesetzes aufgelöst werden, kommt auch in solchen Fällen eine Vorlage nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 22, 373 (377); 70, 134 (137); 76, 100 (105)). Lässt der Wortlaut des Gesetzes mehrere Deutungen zu und ist eine Deutung verfassungsgemäß, so ist diese zu wählen (vgl. BVerfGE 83, 201 (214 f.); 88, 145 (166)).

a) Die Prüfungsmaßstäbe für die verfassungsrechtliche Überprüfung der Strafvorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz lassen sich der Inzest-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2008 (Az.: 2 BvR 392/07, Rn. 34) entnehmen. Hiernach ist der Strafgesetzgeber in materieller Hinsicht zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, wobei dem Übermaßverbot „als Maßstab für die Überprüfung einer Strafnorm besondere Bedeutung zu(kommt)“. Das heißt: Eine Strafnorm muss dem Schutz anderer oder der Allgemeinheit dienen und darüber hinaus geeignet und erforderlich sein, um diesen erstrebten Zweck zu erreichen (BVerfG a. a. O., Rn. 35, 36). Ferner muss bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs auf der einen und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der rechtfertigenden Gründe auf der anderen Seite die Grenze der Zumutbarkeit für den Normadressaten des Verbots noch gewahrt sein, sogenannte Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (BVerfG a. a. O., Rn. 37).

b) Im Entwurf der Bundesregierung zu einem „Gesetz zum Schutz von Embryonen“ vom 25.10.1989 (BT-Drucksache 11/5460) ist das hier einschlägige Verbot der „post-mortem-Befruchtung“ nicht angesprochen worden, ebensowenig in der Unterrichtung der Bundesregierung“ zur künstlichen Befruchtung beim Menschen“ vom 23.02.1988 (BT-Drucksache 11/8056), auf die das Embryonenschutzgesetz zurückgeht.

a) Erstmals in den Beratungen im Rechtsausschuss des deutschen Bundestages wurde das Verbot der „post-mortem-Befruchtung“ in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt. In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses vom 08.10.1990 (BT-Drucksache 11/8057) findet sich die dann mit dem Embryonenschutzgesetz in Kraft getretene Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 3. Der gegenüber dem Gesetzentwurf der Bundesregierung geänderte § 4 Embryonenschutzgesetz stand allerdings nicht im Mittelpunkt des Gesetzgebungsverfahrens, wie sich schon aus der Darstellung zum „Inhalt des Gesetzentwurfs“ (BT-Drucksache 11/8057, Seite 12) ergibt. Zu § 4 enthält einzig der Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages die Motive des Gesetzgebers zu § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz. Hiernach sollte die Norm die „Frage künstlicher Befruchtung mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tod“ regeln. Es sollte „nicht Samen eines Mannes verwendet“ werden, der bereits verstorben ist (BT-Drucksache 11/8057, Seite 16). Nach eingehender Erörterung sei die Strafbarkeit dessen in den Gesetzentwurf eingeführt worden, der „wissentlich“ eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tode künstlich befruchte. Anlass, dieses Verbot in die Beschlussempfehlung aufzunehmen, war ein während der Beratungen zum Embryonenschutzgesetz eingebrachter Entwurf der SPD-Fraktion zu einem „Gesetz zur Regelung von Problemen der künstlichen Befruchtung beim Menschen und bei Eingriffen in menschliche Keimzellen“ (BT-Drucksache 11/5710). Dessen Art. 1 sah das Verbot im Fortpflanzungsmedizingesetz vor, wonach es als Ordnungswidrigkeit geahndet werden sollte, wenn bei der künstlichen Befruchtung Samen des verstorbenen (Ehe-)Mannes verwendet werden sollte.

Begründet wurde dies mit Kindeswohl-Interessen. Bei der Identitätsfindung des Kindes könnte sich die Vorstellung belastend auswirken, von einem zur Zeit der Zeugung bereits Gestorbenen abzustammen. Demgegenüber müsse selbst das Interesse des Mannes, dass sein Sperma noch nach seinem Tod verwendet werden kann, zurücktreten (BT-Drucksache 11/5710, Seite 10). Wegen der geschilderten historischen Entwicklung der Vorschrift ist die Schutzrichtung des § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz eine etwas andere als die des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, womit andere Rechtsgüter geschützt werden sollen. So geht es bei § 4 Abs. 1 Nr. 3 zum Teil auch - aber sicher nicht vorrangig - um den Schutz der Frau, der potentiellen Mutter. Dieser Aspekt kann jedenfalls im Einzelfall eine Rolle spielen, wenn etwa der Frau verschwiegen wird, dass sie mit dem Samen eines Verstorbenen befruchtet wird. § 4 Abs. 2 Embryonenschutzgesetz erfasst aber ebenso den Fall, dass die Frau hiervon Kenntnis hat, und stellt sie, nicht aber den Reproduktionsmediziner von Strafe frei (Krüger, a. a. O., Seite 11).

Was den Schutz des Samenspenders angeht, wäre insoweit sein post-mortales Persönlichkeitsrecht betroffen, als nach seinem Tod noch Kinder mit seinem Samen gezeugt werden. Während er zu seinen Lebzeiten sein Einverständnis mit der Verwendung seiner Samenspende jederzeit und ohne Angabe von Gründen widerrufen kann, wäre es ohne strafrechtliches Verbot denkbar, dass auf nicht absehbare Zeit Kinder mit dem Genmaterial des Verstorbenen entstehen könnten. Insoweit geht der Gesetzgeber von einem entgegenstehenden Willen des verstorbenen Mannes aus, was in Einklang damit steht, dass das in § 4 Abs. 1 Nr. 1 Embryonenschutzgesetz enthaltene Verbot der künstlichen Befruchtung einer Eizelle die Tatbestandserfüllung u. a. davon abhängig macht, dass keine Einwilligung des Mannes vorliegt, „dessen Samenzelle für die Befruchtung verwendet wird“. Da auch in § 4 Abs. 1 Nr. 2 die Strafbarkeit von der fehlenden Einwilligung der Frau zur Übertragung eines Embryos abhängt, ist resümierend festzustellen, dass § 4 Abs. 1 Embryonenschutzgesetz im Ganzen dem Schutz des Persönlichkeitsrechts dient und auch dessen Nr. 3, soweit dieses Recht postmortal fortwirkt (vgl. Krüger, a. a. O., Seite 12 f.).

c) Der Schutz des Kindeswohls als denkbares und der gesetzlichen Regelung primär zugrunde liegendes Rechtsgut scheitert nicht schon daran, dass die Interessen eines Kindes geschützt werden, das wegen § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz nicht gezeugt werden darf.

Zwar wird die Auffassung vertreten, dass es mit der Menschenwürde nicht vereinbar sei, Eingriffe in Freiheitsrechte zum angeblichen Schutz anderer vorzunehmen, deren Entstehen gerade durch diesen Eingriff verhindert werden soll. Noch weniger, so wird argumentiert, könne die Menschenwürde selbst angeführt werden, um die Entstehung eines Menschen zum Schutze gerade dieses potentiellen Menschen zu verhindern (vgl. Coester-Waltjen, Gesetzgebung in der Fortpflanzungsmedizin - die Lage in der Bundesrepublik Deutschland, Vortrag vor der deutsch-französischen Juristenvereinigung vom 21.09.2002). Dass der staatliche Gesetzgeber aufgrund der Schutzgebotsfunktion der Grundrechte dafür zu sorgen habe, dass rechtliche Regelungen auch dem Kindeswohl Rechnung trügen, könne nicht dazu führen, dass ein Interesse eines (künftigen) Kindes dessen Entstehung untersage; dem entspreche die bisherige Grundeinstellung des deutschen Rechts; so lehne die herrschende Meinung einen Schadensersatzanspruch wegen „Wrongful Birth“ generell ab (vgl. Coester-Waltjen, a. a. O.).

Diese durchaus nachvollziehbaren Erwägungen sind jedoch durch die Inzestentscheidung des Bundesverfassungsgerichts relativiert worden: Hier erhielt die Intention, den Nachwuchs dadurch vor möglichen Erbkrankheiten zu schützen, dass man bereits seine Zeugung verbietet, die Billigung des Verfassungsgerichts.

Der historische Gesetzgeber des Embryonenschutzgesetzes ist jedenfalls davon ausgegangen, auch mit § 4 Abs. 1 Nr. 3 den Schutz des noch nicht einmal gezeugten Kindes und dessen Wohl zu ermöglichen. So wird im allgemeinen Teil der Begründung des Embryonenschutzgesetzes in einer Vorbemerkung ausgeführt (BT-Drucksache 11/5460, Seite 6), strafrechtliche Verbote bloß insofern vorzusehen, als „sie zum Schutz besonders hochrangiger Rechtsgüter unverzichtbar erscheinen“. Im nächsten Satz heißt es, dass dabei der Wahrung des Kindeswohls besondere Beachtung geschenkt wird.

d) Ob das im Einzelfall strafrechtlich schützenswerte Kindeswohl im vorliegenden Zusammenhang ein überragendes Rechtsgut darstellt, ist damit noch nicht gesagt. Gleichwohl werden die „Sorge für das Kindeswohl“ und der „hohe Rang des Kindeswohls auch für den Umgang mit dem noch nicht geborenen Kind“ in den Richtlinien der Bundesärztekammer zur assistierten Reproduktion betont, nämlich in einem Vorwort zur eigentlichen Richtlinie (DÄBl 2006 (103), A 1392). Hier heißt es, „dass dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Herkunft Rechnung zu tragen sei“, was zwar für sich gesehen die Frage nach einem überragenden Rechtsgut offen lässt. Allerdings wird man vor dem Hintergrund der Inzest-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts konstatieren müssen, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber weitestgehend freie Hand für die Auswahl der strafrechtlich schützenswerten Rechtsgüter lässt (BVerfG, 2 BvR 392/07, Rn. 39).

Dies gilt auch bei der Beurteilung, ob eine Strafnorm geeignet und erforderlich sein muss. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit im Inzest-Beschluss ausgeführt: „Bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung der erstrebten Ziele sowie bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Einschätzung und Prognose der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren steht dem Gesetzgeber ein Beurteilungsspielraum zu, welcher vom Bundesverfassungsgericht je nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter und der Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, nur im begrenzten Umfang überprüft werden kann.“

e) Das Übermaßverbot als dritte Stufe des Verhältnismäßigkeitsprinzips wiederum gebietet, dass der Eingriff in ein Grundrecht nicht außer Verhältnis zum angestrebten Zweck stehen darf (BVerfGE 65, 1, 54; 80, 297, 312). Es ist erst verletzt, wenn die betroffenen Interessen der Grundrechtsträger gegenüber den mit dem staatlichen Eingriff verfolgten Belangen „ersichtlich schwerer wiegen“, etwa weil der Gesetzgeber ein nach Art und/oder Maß schlechthin unangemessenes Mittel zur Erreichung des erstrebten Zwecks gewählt hat (BVerfGE 90, 145, 173).

So stellt sich die Frage, ob das Verbot der „post-mortem-Befruchtung“, wenn man dieses grundsätzlich als verfassungsrechtlich zulässig beurteilt, im Einzelfall (insbesondere bei Eheleuten) wegen Art. 6 GG nachrangig ist.

Art. 6 GG und damit Ehe und Familie sind berührt, wenn es sich - wie vorliegend - bei der Klägerin um eine Witwe handelt, die vom verstorbenen Ehemann ein Kind austragen will. Dabei scheitert die Berufung auf Grundrechte nicht daran, dass mit dem Ehemann ein Grundrechtsträger bereits verstorben ist, vielmehr wirkt das - quasi aktive Persönlichkeitsrecht postmortal fort und genießt insofern weiterhin grundrechtlichen Schutz (so auch Krüger, a. a. O., Seite 21).

Die möglicherweise missverständliche Kurzformel „Recht auf Fortpflanzung“ bedeutet aber nicht, dass jeder Mensch einen Anspruch darauf hat, sich fortzupflanzen, sondern nur, dass er in seiner Fortpflanzungsmöglichkeit nicht behindert wird, wobei die Fortpflanzung aber auch die medizinisch assistierte Zeugung umfasst.

Die Auffassungen zur Zulässigkeit der postmortalen Insemination unter dem grundrechtlichen Aspekt des Art. 6 GG gehen indessen, insbesondere in der Literatur und Wissenschaft, auseinander.

Starck (Freiheit und Institutionen, 2002, S. 98 ff) verneint z. B., was die Benutzung des Samens des Ehemannes nach seinem Tod angeht, mit näherer Begründung einen grundrechtlichen Anspruch auf postmortale Zeugung.

Teilweise wird Art. 6 Abs. 2 GG, wonach den Eltern die Pflege und Erziehung ihrer Kinder obliegt (Elternverantwortung, beinhaltend die Pflicht, dieses Recht auszuüben) auch als überwiegender Grundrechtsartikel angesehen, der ein Verbot der postmortalen Insemination zu rechtfertigen vermag).

Dieser Argumentation wird entgegengehalten, dass sich der verstorbene Mann seinen Pflichten nicht entziehe, vielmehr diese nie zur Entstehung gelangten. Auch vermöge der Gesichtspunkt, dass dem postmortal gezeugten Kind ein Unterhaltsschuldner fehle, ein pauschales Verbot der postmortalen Insemination nicht zu rechtfertigen. Denn das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 GG beinhalte nicht hauptsächlich die Unterhaltsverpflichtung sondern umfasse vielmehr die Beziehung zwischen Eltern und Kind im Sinne einer umfassenden Personensorge, die auch von einem Elternteil ausgeübt werden kann. Andererseits solle zu berücksichtigen sein, dass der Schutzumfang des Art. 6 GG nicht dazu führen könne, zeitlich unbegrenzt Verstöße gegen § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz nicht zu sanktionieren (vgl. Krüger, a. a. O., Seite 20). So wird es von Krüger (a. a. O., Seite 26) als für das Kindeswohl abträglich gehalten, wenn das Kind „bloß über den Verlust des Ehemanns hinweghelfen soll“, bzw. die Witwe sich nach einem längeren Zeitraum als einem Jahr sich nur noch deshalb zur postmortalen Befruchtung entschiede, „weil sie sich einsam fühlt“.

f) Der Senat vermag jedenfalls angesichts der verschiedenen vertretenen Auffassungen und in Auseinandersetzung damit nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber des Embryonenschutzgesetzes in Verfolgung der Absicht, das Kindeswohl zu schützen, die betroffenen Interessen verschiedener Rechtsgutträger unangemessen berücksichtigt bzw. abgewogen und dabei das von der Klägerin als überragend angesehene Interesse der Frau auf Fortpflanzung in unzulässiger Weise eingeschränkt hätte.

Es mag durchaus kontrovers diskutiert werden, ob, wie das Landgericht Neubrandenburg in seinem Urteil vom 12.08.2009 (2 O 111/09, zitiert nach Juris, Rn. 38) ausführt, bereits eine ernsthafte Befürchtung von Fehlentwicklungen des zu zeugenden Kindes die Wertung des Gesetzgebers unter Berücksichtigung des bestehenden Beurteilungsspielraums als in jeder Hinsicht verfassungsrechtlich unbedenklich erscheinen lässt und ausreicht, um hier gleichsam eine relevante Gefahrenlage, die den Erlass von Strafgesetzen rechtfertigt, zu sehen. Wenn der Gesetzgeber dies aber so sieht und in einem nach Auffassung des Senats noch ausreichendem Umfang begründet, hält er sich damit jedenfalls in dem ihm eröffneten Rahmen. Wenn er selbst postuliert, „strafrechtliche Verbote nur dort vorzusehen, wo sie zum Schutz besonders hochrangiger Rechtsgüter unverzichtbar erscheinen“ (BT-Drucksache 11/5460, Seite 6), ist davon auszugehen, dass er sich seiner Verantwortung bewusst war und bringt er ein zusätzliches Beurteilungskriterium für die Verfassungsmäßigkeit ein. Die Befürchtung einer Beeinträchtigung des Kindeswohls ist jedenfalls real. Sie ist auch umso größer einzuschätzen, je weiter der Zeitpunkt der möglichen Geburt des Kindes von dem Zeitpunkt des Todes des verstorbenen Ehemanns entfernt wäre; je länger diese Zeitspanne sein wird, desto eher mag für das entstandene Kind der Eindruck entstehen, seine Zeugung sei von seinem Vater nicht gewünscht worden. Negative psychologische Entwicklungen sind von daher nicht lediglich im theoretischen Bereich angesiedelt. Dass dabei das Interesse einer Witwe, möglicherweise Jahre nach dem Tod des Mannes mit dessen Samen noch ein Kind zu zeugen, zurückzutreten hat, ist hinzunehmen.

3. Selbst wenn man im Übrigen anderer Auffassung sein sollte und grundrechtlich geschützte Positionen der Klägerin über den Schutz des Kindeswohls stellen wollte, könnte dies den klägerischen Anspruch nicht als begründet erscheinen lassen.

Denn in jedem Fall stehen die grundrechtlich geschützten Interessen des verstorbenen Ehemanns der Klägerin ihrer Selbstverwirklichung durch eine post-mortem-Befruchtung entgegen.

Die Klägerin stellt den gesetzlichen Schutz des Kindeswohls ihrem eigenen Recht auf Fortpflanzung gegenüber, das sie im konkreten Fall als höherrangig und schutzwürdiger ansieht.

Dabei übersieht sie aber, dass auch das postmortale Persönlichkeitsrecht des samenspendenden Ehemannes nicht ungeschützt bleiben darf. Dieses Recht wäre in Frage gestellt, wenn man mit rechtlichen Fiktionen, etwa mit dem Institut der mutmaßlichen Einwilligung, einen sonst nicht belegbaren Willen des Verstorbenen, dass nach seinem Tod die Zeugung mit seinen Spermien weiter unternommen wird, ableiten könnte. Dem postmortalen Persönlichkeitsrecht des verstorbenen Ehemanns kann nur durch eine unmissverständliche eigene Erklärung, etwa im Testament oder auch in der Vertragsurkunde über die Kryokonservierung der Spermaproben, Rechnung getragen werden. Insoweit ist auf den als Anlage K 1 vorgelegten Vertrag „über die Kryokonservierung und Lagerung von Sperma“ zwischen der Kryolab C. Unternehmergesellschaft (UG) und dem verstorbenen Ehemann der Klägerin als Auftraggeber zu verweisen. Die maßgebenden Regelungen finden sich in §§ 4 und 11. Nach § 4 Nr. 3 endet das Vertragsverhältnis - das nach dem Sachverhalt hier vor dem 3-monatigen Krankenhausaufenthalt des Ehemannes der Klägerin im... 2015 begonnen haben wird - durch Kündigung seitens der Beklagten nach § 10 sowie im Falle des Todes des Auftraggebers. Nach § 11 Nr. 1 ist das Kryosperma alleiniges Eigentum des Auftraggebers und unterliegt seinem alleinigen Verfügungsrecht. Bei Beendigung des Vertrags durch Zeitablauf, Kündigung oder aus sonstigen Gründen, worunter nach § 4 Nr. 3 auch der Tod des Auftraggebers zählt, ist in § 11 Nr. 2 des Vertrags festgelegt, dass die Kryolab C. KG das Kryosperma unverzüglich vernichtet, es sei denn, der Kryolab ginge rechtzeitig, „mindestens jedoch 2 Wochen vor diesem Zeitpunkt, eine schriftliche Anweisung des Auftraggebers zu, an wen das Kryosperma zu übergeben ist.“ Ferner ist in § 11 Nr. 3 des Vertrags das Recht des Auftraggebers festgelegt, „jederzeit die Herausgabe des Kryospermas an sich oder einen Dritten zur Durchführung einer Kinderwunschbehandlung oder zum Zweck der Fortsetzung der Kryokonservierung zu verlangen.“ Die in § 11 Nr. 2 getroffene Bestimmung, wann (ausnahmsweise) das Kryosperma nicht zu vernichten ist („es sei denn …“) betrifft ersichtlich nicht den Todesfall, jedenfalls sofern dieser nicht absehbar ist, da die Herausgabealternative eine schriftliche Anweisung des Auftraggebers und damit dessen Fortexistenz voraussetzt. Dies gilt auch für § 11 Nr. 3 mit der dortigen Regelung des Herausgaberechts des Auftraggebers. Die vertraglichen Regelungen sind erkennbar und verständlich von dem Bemühen geprägt, dass ein Konflikt mit den Bestimmungen des Embryonenschutzgesetzes für den Fall des Todes des Auftraggebers erst gar nicht entsteht. So wäre es allenfalls zu Lebzeiten des Ehemannes der Klägerin ohne weiteres möglich gewesen, die Kryospermaproben an ein in einem Staat mit weniger restriktiven gesetzlichen Regelungen zur Verwendung des Spermas gelegenes Kinderwunschzentrum weiterzugeben.

Ein etwaiger Wille des Auftraggebers (des verstorbenen Ehemannes der Klägerin), dass im Falle seines Todes die kryokonservierten Spermien zur Kinderwunschbehandlung seiner Ehefrau weiter zur Verwendung kommen sollten, kommt im Vertrag von vornherein nicht zum Ausdruck. Dass dieser Vertrag nach den Ausführungen der Klägervertreterin im nachgeschobenen Schriftsatz vom 14.02.2017 „blind“ unterzeichnet wurde, ist umso weniger zielführend. Der erbbedingte Übergang des Eigentums an den Kryospermaproben besagt für den festzustellenden Willen des verstorbenen Ehemannes ohnehin nichts. Eine Willensäußerung des Ehemannes der Klägerin vor seinem Tode, dass im Falle seines Versterbens die Befruchtungsmaßnahmen mit seinem Sperma fortgesetzt werden sollten, liegt hier eindeutig nicht vor. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 01.02.2017 wurde klägerseits erklärt: „Die Frage eines möglichen Todes des Ehemannes der Klägerin vor Abschluss der getroffenen Befruchtungsmaßnahmen war zwischen der Klägerin und ihrem Mann niemals ein Thema. Man ist davon ausgegangen, dass der Ehemann alles überleben wird.“

Mag diese Einschätzung der Klägerin und ihres Ehemannes sich damals bedauerlicherweise nicht als zutreffend erwiesen haben, da der Ehemann der Klägerin aufgrund der Folgen von Abwehrreaktionen gegen das eingesetzte künstliche Herz am ... 2015 verstarb, rechtfertigt dies nicht, ihm den fiktiven Willen zu unterstellen, dass seine Frau als Witwe seinen Samen zur künstlichen Befruchtung hätte verwenden können und er damit dieses Kind vaterlos aufwachsen lassen hätte wollen.

Fehl geht insbesondere die Argumentation der Klageseite, aus dem Vertrag könne und dürfe nicht abgeleitet werden, dass der Wille des Verstorbenen bezüglich der gemeinsamen Familienplanung im Wege der künstlichen Befruchtung nach seinem Tod enden sollte und dass maßgeblich sei, dass er sich nicht ausdrücklich dagegen entschieden und dies entsprechend bekundet hat. Diese Sichtweise kehrt die Dinge um und vernachlässigt die Bedeutung des postmortalen Persönlichkeitsrechts in entscheidender und nicht zulässiger Weise. Fakt ist, dass der Verstorbene nirgendwo zum Ausdruck gebracht hat, dass die nach seinem Tod von der Klägerin verfolgte Absicht seinem Willen entspreche. Die in diesem Zusammenhang klägerseits geäußerte Einschätzung, dass das so gezeugte Kind in einer Großfamilie bestens ver- und umsorgt hätte aufwachsen können, mag zutreffen. Dieser Umstand könnte aber nur im Rahmen der Ermittlung eines mutmaßlichen Willens des verstorbenen Ehemanns zum Tragen kommen, was der Senat als gegen dessen postmortale Selbstbestimmung verstoßende Vorgehensweise nicht zur Grundlage seiner Entscheidung machen kann.

Die Berufung musste daher zurückgewiesen werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 ZPO). Die für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserhebliche Rechtsfrage der Gültigkeit von § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz (im Wege einer verfassungskonformen Auslegung) ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt. Die im Urteil wiederholt angesprochene Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock vom 07.05.2010, Az.: 7 U 67/09, betraf eine andere Fallkonstellation, da das Berufungsgericht dort schon nicht die nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz tatbestandliche Verwendung des Samens eines Mannes nach dessen Tode feststellen konnte. Die Frage ist weiterhin klärungsbedürftig und klärungsfähig; das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts ist berührt, weil sich die Frage in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen erneut stellen kann. Dies insbesondere dadurch, dass nicht absehbar ist, wann die im Embryonenschutzgesetz getroffenen Regelungen durch ein immer noch ausstehendes Fortpflanzungsmedizingesetz ersetzt werden. Obwohl die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die „medizinisch unterstützte Zeugung menschlichen Lebens“ (Art. 74 Nr. 26 GG) bereits im Jahre 1994 geschaffen wurde, ist seit 1990 eine umfassende Regelung der Vorschriften zur künstlichen Befruchtung nach dem Tode unterblieben und das als Strafgesetz Ende 1990 verabschiedete Embryonenschutzgesetz nach wie vor geltendes Recht.

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(1) Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte. (2) Die

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Landgericht Neubrandenburg Urteil, 12. Aug. 2009 - 2 O 111/09

bei uns veröffentlicht am 12.08.2009

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils aus diesem Urtei
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Landgericht München I Endurteil, 02. Mai 2018 - 9 O 7697/17

bei uns veröffentlicht am 02.05.2018

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelferin zu tragen. 3. Das Urteil ist für die Beklagte und die Streithelferin – hinsichtlich der K

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(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.

(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.

(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte.

(2) Die Teilnahme ist sowohl an dem Ort begangen, an dem die Tat begangen ist, als auch an jedem Ort, an dem der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem nach seiner Vorstellung die Tat begangen werden sollte. Hat der Teilnehmer an einer Auslandstat im Inland gehandelt, so gilt für die Teilnahme das deutsche Strafrecht, auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist.

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(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.

(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.

(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils aus diesem Urteil beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert für das Verfahren wird auf EUR 10.000,00 festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Herausgabe kryokonservierter Eizellen der Klägerin, die sich im Vorkernstadium befinden.

2

Die Klägerin und ihr Ehemann unterzogen sich bei der Beklagten einer Behandlung zur In-vitro-Fertilisation. Am 13.03.2008 entnahm die Beklagte der Klägerin neun Eizellen, die sie nach einer morphologischen Kontrolle mit dem Samen des Ehemannes der Klägerin entweder in einem Reagenzglas oder Petrischälchen in speziellen Zellkulturmedien befruchtete – fertilisierte - und im Vorkernstadium kryokonservierte.

3

Die Parteien schlossen einen nicht zur Akte gereichten Vertrag über die Einlagerung der kryokonservierten Eizellen der Klägerin. Gegen ein jährliches Entgelt in Höhe von € 55,00 verpflichtete sich die Beklagte zur Einlagerung (Auf- und Verwahrung) der kryokonservierten Eizellen.

4

Anfang Juli 2008 verstarb der Ehemann der Klägerin an den Folgen eines Motorradunfalls.

5

Die Beklagte lehnte eine Implantation der kryokonservierten Eizellen im Vorkernstadium in die Gebärmutter der Klägerin unter Berufung auf § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG ab. Daraufhin nahm die Klägerin, den bereits mit ihrem Ehemann angebahnten Kontakt zum Westpommerschen Kinderwunschzentrum für die Infertilitätsbehandlung im polnischen Szczecin (Stettin) wieder auf. Das Institut erklärte sich bereit, die von der Klägerin stammenden kryokonservierten Eizellen der Klägerin zu implantieren.

6

Mit anwaltlichem Schreiben vom 30.07.2008 forderte die Klägerin die Beklagte zur Herausgabe der Eizellen zum Zwecke der Fortsetzung der Behandlung in Polen auf. Die Beklagte lehnte das Herausgabeverlangen der Klägerin mit Schreiben vom 26.11.2008 unter Berufung auf die möglicherweise gegebene Strafbarkeit bei der Ermöglichung der postmortalen Beendigung des durch die Kryokonservierung unterbrochenen Befruchtungsvorganges ab.

7

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sich die Beklagte durch die Herausgabe der Eizellen nicht strafbar machen könne und diese daher ihr gegenüber zur Herausgabe verpflichtet sei. Sie meint, § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG sei nicht einschlägig, weil die Eizellen schon vor dem Tod ihres Ehegatten befruchtet worden seien. Schließlich sei der Transfer eines Embryos nach dem Tod des Samengebers keinen Einschränkungen unterworfen.

8

Die Klägerin beantragt,

9

die Beklagte zu verurteilen, die neun unter dem Namen der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemanns eingelagerten befruchteten kryokonservierten Eizellen an sie herauszugeben.

10

Die Beklagte beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Sie ist der Ansicht, dass eine Herausgabe der Eizellen jedenfalls als strafbare Beihilfe zu einer Tat nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG zu werten wäre. Sie sei berechtigt, die Herausgabe der kryokonservierten Vorkernzellen zu verweigern, weil sie in Kenntnis der von der Klägerin beabsichtigten Implantation in Polen, die in § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG normierte Handlung erfüllen würde. Da die Befruchtung erst mit der Kernverschmelzung abgeschlossen sei, laufe sie Gefahr, auch bei der postmortalen Verwendung der kryokonservierten Eizellen zur Vollendung des unterbrochenen Befruchtungsvorganges durch die Eizellengeberin, den Straftatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG zu erfüllen, weil sie Kenntnis von der Verwendungsabsicht der Klägerin erhalten habe.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien und die in Bezug genommenen Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 12.08.2009 verwiesen.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässig Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Herausgabe der kryokonservierten Eizellen im Vorkernstadium. Die Klägerin kann ihr Herausgabebegehren weder auf § 985 Abs. 1 BGB noch auf § 695 BGB stützen.

I.

15

Der Klägerin steht ein Herausgabeanspruch nach § 985 BGB nicht zu.

1.

16

Die Klägerin ist Eigentümerin ihrer kryokonservierten mit dem Samen ihres verstorbenen Ehemannes imprägnierten Eizellen, die jedoch noch nicht als befruchtet gelten.

a)

17

Nach der Rechtsprechung des BGH gehören vom Körper eines Menschen getrennte Körperteile wie Haare, Blut und Sperma weiter zum Schutzgut des Körpers, wenn sie zur Bewahrung der Körperfunktionen oder zur Wiedereingliederung in den Körper bestimmt sind (BGHZ 127, 52). Anderenfalls werden sie bewegliche Sachen. Mit der Trennung wandelt sich die Herrschaft analog § 953 BGB ipso facto in Eigentum, welches übertragen werden kann, etwa an einen Arzt oder eine Forschungseinrichtung. Allerdings unterliegt die Übertragung von Körperteilen und die Verfügungsbefugnis des Eigentümers engen gesetzlichen Schranken.

18

Nach einhelliger Ansicht, sind sonach die menschlichen Keimzellen (Gameten) vor der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, anders als Embryonen als Sache anzusehen und grundsätzlich eigentumsfähig. Das Eigentum erwirbt unmittelbar derjenige, zu dessen Körper die Keimzelle vor der Abtrennung oder Absonderung gehörte (vgl. Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rdn. 17 m.w.N.).

b)

19

Die unter dem Namen der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemanns bei der Beklagten eingelagerten kryokonservierten Eizellen befinden sich im Vorkernstadium und sind damit eigentumsfähige Keimzellen. Nach dem übereinstimmenden Sachvortrag der Parteien ist davon auszugehen, dass die Samenzellen bereits in das Zytoplasma der Eizellen eingedrungen oder injiziert worden sind. Eine Verschmelzung von Samen- und Eizelle hat aber noch nicht stattgefunden.

20

Mit dem Eindringen der Samenzelle in das Plasma der Eizelle (Imprägnation) entsteht die Zygote. Durch Stoffwechselvorgänge formieren sich aus den haploiden Chromosomsätzen der Ei- und Samenzelle je zwei Vorkerne (Pronuklei), die von Membranen umgeben sind. Es beginnt in jedem Vorkern die Verdopplung (identische Reduplikation). Die Vorkerne wandern aufeinander zu, die Membranen lösen sich auf und die haploiden Chromosomensätze der Vorkerne vereinigen sich (Konjugation) zur ersten gemeinsamen Teilung (Furchung). Dieser Vorgang dauert 15 bis 18 Stunden. Erst damit ist die Befruchtung abgeschlossen. (vgl. Günther in Günther/Taupitz/Kaiser, a.a.O., Einf. A Rdn. 36). Mit dem Eindringen des Spermiums in die Eizelle ist die Befruchtung folglich noch nicht abgeschlossen. Vielmehr liegen in diesem Stadium noch Vorkernzellen vor, die sich noch nicht vereinigt haben.

21

Vor der Verschmelzung der Zellen liegt nach der Legaldefinition des § 8 Abs. 1 ESchG auch noch kein Embryo vor. Denn nach der gesetzlichen Definition gilt die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an als Embryo.

2.

22

Der aus dem Eigentumsrecht resultierenden Herausgabeanspruch der Klägerin gegen die Beklagte als Besitzer der Eizellen ist jedoch gem. § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Das Herausgabeverlangen der Klägerin zu dem angestrebten Zweck zielt auf eine rechtlich unmögliche Leistung ab.

a)

23

Es ist anerkannt, dass von einer rechtlichen Unmöglichkeit der Leistung auch dann ausgegangen werden kann, wenn die Verpflichtung des Schuldners auf die Herbeiführung eines Rechtserfolges gerichtet ist, den die Rechtsordnung nicht anerkennt (BGH, NJW 2008, 1070). Der Schuldner kann die Herausgabe verweigern, wenn er durch die Herausgabe eine strafbare Handlung begeht und sich selbst der Gefahr eigener strafrechtlicher Verfolgung aussetzt. In diesen Fällen besteht ein gesetzliches Verbot zu Erfüllung des Herausgabebegehrens. Das Herausgabeverlangen kann der Schuldner, ohne gegen ein Gesetz zu verstoßen, nicht erfüllen, es ist mithin rechtlich unmöglich; hierzu darf auch das Gericht den Schuldner nicht verpflichten.

b)

24

Vorliegend steht der beabsichtigten Nutzung der kryokonservierten Eizellen § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG entgegen, der die beabsichtigte Weiterverwendung der imprägnierten Zellen zum Zwecke der Herbeiführung einer Schwangerschaft in Deutschland unter Strafe stellt.

aa)

25

Die freiwillige Herausgabe durch die Beklagte würde den Tatbestand der Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zu einer Straftat nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG erfüllen. Nach dieser Vorschrift ist strafbar, wer wissentlich eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tod künstlich befruchtet.

bb)

26

Die kryokonservierten Eizellen im Vorkernstadium sind noch nicht als befruchtet zu betrachten, so dass sie Fortsetzung des eingeleiteten Befruchtungsprozesses als wissentliche künstliche Befruchtung einer Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tod zu werten ist.

27

Das ESchG differenziert lediglich zwischen befruchteten und unbefruchteten Eizellen; eine weitere Differenzierung nimmt das Gesetz nicht vor. Eine im Befruchtungsvorgang befindliche (imprägnierte) Zelle ist - wie schon oben aufgezeigt - noch nicht (fertig) befruchtet und ist damit noch als unbefruchtet im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG und den weiteren Vorschriften des ESchG zu betrachten.

(1)

28

Aus der Gesetzesbegründung ergeben sich keine sicheren Anhaltspunkte dafür, ab welchem Stadium von einer befruchteten Eizelle ausgegangen werden kann und wie die im Befruchtungsstadium befindliche Eizelle zu behandeln ist. Dem Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Fortpflanzungsmedizin" vom 29.11.1988 lässt sich entnehmen, dass eine Eizelle nach dem Eindringen der Samenzelle als befruchtet zu betrachten sei (Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, a.a.O., § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rdn. 19).

29

Dieser weiten Auslegung des Begriffes "befruchtet" kann jedoch nicht gefolgt werden. Schon nach dem allgemeinem Sprachgebrauch ist die Zelle erst mit Abschluss des Befruchtungsvorgangs auch tatsächlich befruchtet. Die Zuordnung der im Befruchtungsvorgang befindlichen, noch nicht fertig befruchteten Eizelle als befruchtete Eizelle würde zu inhaltlich nicht begründbaren Strafbarkeitslücken führen. Gegen ein solches Verständnis kann auch nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass der Befruchtungsvorgang ohne Zutun des Täters regelmäßig bereits mit der Zugabe der Samenzellen in Gang gesetzt worden ist, ohne dass es einer weiteren Handlung bedürfte. Die in der Praxis übliche und gesetzeskonforme Kryokonservierung von Vorkernzellen zeigt jedoch, dass auch eine Fortsetzung des Befruchtungsvorgangs gegebenenfalls nur durch eine weitere Handlung, wie das Auftauen der Zellen, möglich ist und der durch die Kryokonservierung unterbrochene Befruchtungsvorgang infolge des Auftauens zur Vollendung gelangt. Folglich ist es naheliegend, die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG dahingehend zu auszulegen, dass die Befruchtung der Eizelle erst mit der nach dem Auftauen stattfindenden, sich dann aber selbständig fortsetzenden Prozess der Kernverschmelzung erfolgt (so auch Taupitz a.a.O.).

(2)

30

Dieses Verständnis ist auch vom Wortlaut der Vorschrift noch gedeckt.

31

Art. 103 Abs. 2 GG erhebt den Rechtsgrundsatz nulla poena sine lege auf Verfassungsrang. Das Analogieverbot gebietet es, strafrechtliche Vorschriften eng auszulegen. Der teleologischen Auslegung von Strafvorschriften zum Zwecke der Schließung von Strafbarkeitslücken sind durch den Wortlaut des Strafgesetzes und strafrechtlichen Nebengesetze enge Grenzen gesetzt. Zwar mag sich zum Verständnis des § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG aufdrängen, dass dieser auf das Befruchten der Eizelle durch Zugabe beziehungsweise Injektion von Samenflüssigkeit abstellt, dies schließt jedoch ein weiteres Verständnis, dass auch das Auftauen kryokonservierter Eizellen als Befruchtung erfasst, nicht schlechterdings aus. Denn der Auslegung der Vorschrift ist die fortpflanzungsmedizinische und biologische Begriffsbestimmung zu Grunde zu legen.

cc)

32

Soweit das Auftauen der Eizellen in Polen durch polnische Ärzte erfolgt, handelt es sich um eine Auslandstat, deren Ahndung in Deutschland § 7 StGB entgegensteht. Eine Verfolgung scheitert jedenfalls daran, dass nach dem unbestrittenen Vortrag der Parteien das Befruchten von Eizellen mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tod in Polen nicht unter Strafe gestellt ist. In Deutschland besteht für die Frau gem. § 4 Abs. 2 ESchG ein persönlicher Strafausschließunggrund, der den behandelnden Arzt gem. § 28 Abs. 2 StGB jedoch nicht zu Gute kommt.

33

Ob eine entsprechende Strafnorm im polnischen Recht existiert, kann aber letztlich auch dahingestellt bleiben, da § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB die Strafbarkeit des im Inland handelnden Teilnehmers an einer Auslandstat unter andere Voraussetzungen stellt. Hiernach ist der im Inland handelnde Teilnehmer auch dann nach deutschem Recht zu bestrafen, wenn die Tat im Ausland nicht mit Strafe bedroht ist.

34

Die in Deutschland erfolgende Herausgabe der kryokonservierten Eizelle zum Zwecke der Befruchtung im Ausland fördert die Haupttat und ist in Deutschland als Beihilfe zur postmortalen Befruchtung gemäß § 27 StGB i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG strafbar.

c)

35

Nach Ansicht der Kammer bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG, die eine Vorlage des Rechtsstreits an das Bundesverfassungsgericht rechtfertigen könnten.

aa)

36

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet, bei Androhung von Freiheitsstrafe auch im Hinblick auf die Gewährleistung der Freiheit der Person durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, dass eine Strafnorm dem Schutz anderer oder der Allgemeinheit dient (BVerfGE 90, 145; BVerfG, NJW 2008, 1137).

bb)

37

Der Gesetzgeber hat das Risiko gesehen, dass durch die künstliche Befruchtung ein Eingriff in die nicht steuerbare Entwicklung menschlichen Lebens erfolgen könnte und hat mit dem ESchG der Verwendung von menschlichen Eizellen und Embryonen enge Grenzen gesetzt. Der Verabschiedung sind über die Parteigrenzen hinaus umfangreiche ethisch moralische Diskussionen vorausgegangen. Bei der Beurteilung der Geeignetheit und Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung der erstrebten Ziele sowie bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Einschätzung und Prognose der dem Einzelnen oder der Gemeinschaft drohenden Gefahren steht dem Gesetzgeber ein Beurteilungsspielraum zu, welcher vom Bundesverfassungsgericht je nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter und den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, nur in begrenztem Umfang überprüft werden kann (BVerfGE 90, 145).

cc)

38

Auf dieser Grundlage stellt sich § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG als verfassungsgemäß dar. In der Bund-Länder-Arbeitsgruppe wurden Bedenken für das Wohl des zu zeugenden Kindes darin gesehen, dass dieses in dem Bewusstsein aufwachse, keinen Vater zu haben. Hiergegen wird vorgebracht, dass sich bei von hirntoten Müttern abstammenden Kindern keine wissenschaftlichen Erkenntnisse dafür ergeben hätten, dass diese ihre Herkunft schwer verkraften könnten (Roxin/Schroth-Liegesalz, Medizinrecht, 349; Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, a.a.O., § 4 Abs. 1 Nr. 3, Rdn. 26 ff.). Diese Bedenken verfangen jedoch nicht, da eine Beeinträchtigung für die kindliche Entwicklung nicht ausgeschlossen werden kann und die moralischen und ethischen Bedenken bei einer hirntoten Hochschwangeren, deren Leibesfrucht anders als die Vorkernzelle gerade nicht als Sache zu behandeln ist, anders zu beurteilen sind, als die geplante künstliche Befruchtung. Bei der Leibesfrucht steht der Schutz des ungeborenen Lebens im Vordergrund. Soweit hinreichend sichere Erkenntnisse über frühkindliche Entwicklungsstörungen aus künstlicher Befruchtung entstandener, von verstorbenen Vätern abstammender Kindern, etwa aus Ländern, in denen eine vergleichbare Strafnorm nicht besteht, nicht vorliegen, besteht zumindest eine ernsthafte Befürchtung von Fehlentwicklungen, die die Wertung des Gesetzgebers unter Berücksichtigung des bestehenden Beurteilungsspielraums als verfassungsrechtlich unbedenklich erscheinen lässt.

39

Für eine Strafbarkeit der postmortalen Befruchtung spricht auch, dass nach geltender Rechtslage der Samenspender gem. §§ 1592 Nr. 1, 1593 BGB nicht als Vater anerkannt werden könnte, da ausgeschlossen werden kann, dass die Klägerin binnen 300 Tagen nach Auflösung der Ehe durch Tod entbinden wird. Zwar mag man dem mit Taupitz entgegen halten, dass für diesen Fall gegebenenfalls eine Fristenlösung für die Durchführung der Befruchtung hätte erwogen werden können. Wollte man die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG jedoch verfassungskonform auslegen, so würden Bedenken gegen eine Strafbarkeit jedenfalls dann nicht bestehen, wenn eine Vaterschaftsanerkennung innerhalb der gesetzlichen Fristen nicht mehr möglich ist.

40

Die Kammer sieht sich nach allem nicht berufen, ethisch moralische Wertungen des Gesetzgebers, die sogleich auch die Wertvorstellungen der Gesellschaft reflektieren, durch eigene moralisch ethische Erwägungen zu ersetzen.

II.

41

Der Klägerin steht ein Herausgabeanspruch auch nicht nach § 695 BGB oder einer sonstigen Anspruchsnorm zu.

42

Auch insoweit steht dem Herausgabeanspruch der Klägerin der Einwand der rechtlichen Unmöglichkeit der Erfüllung ihres Begehrens gem. § 275 Abs. 1 BGB entgegen.

III.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

44

Der Streitwert ist in Anwendung von § 3 ZPO auf 10.000,00 € zu bemessen.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.