Landgericht München I Endurteil, 11. Jan. 2018 - 7 O 16124/17

bei uns veröffentlicht am11.01.2018

Gericht

Landgericht München I

Tenor

I. Der Beklagtenpartei wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Vorstand der Beklagten zu vollziehen ist, untersagt, eine pharmazeutische Lösung, umfassend

– Levosimendan als Wirkstoff,

– ein pharmazeutisch verträgliches organisches Lösungsmittel, welches Ethanol umfasst,

– eine stabilitätsverbessernde Menge einer pharmazeutisch verträglichen organischen Essigsäure mit einem pKa-Wert von 4,75, und

– ein die Wasserlöslichkeit verbesserndes Mittel, welche geeignet ist zur Zubereitung einer wässrigen Lösung zur intravenösen Infusion, umfassend Levosimendan oder ein Salz davon als Wirkstoff, wobei der pH-Wert der Lösung weniger als 5 beträgt, und einen Löslichkeitsverbesserer, Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zuliefern, ohne im Fall des Anbietens im Angebot ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die pharmazeutische Lösung nicht ohne Zustimmung der Orion Corporation als Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patentes EP 1 210 085 B1 zur Herstellung einer wässrigen Lösung zur intravenösen Infusion, die mit den vorstehend bezeichneten Merkmalen ausgestattet ist, verwendet werden darf;

im Falle der Lieferung den Abnehmern unter Auferlegung einer an die Orion Corporation als Patentinhaberin zu zahlenden Vertragsstrafe von EUR 5.000,00 für jeden Fall der Zuwiderhandlung, mindestens jedoch EUR 1.500,00 pro geliefertem Präparat, die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die pharmazeutische Lösung nicht ohne Zustimmung der Orion Corporation als Patentinhaberin des deutschen Teils des europäischen Patentes EP 1 210 085 B1 zur Herstellung einer wässrigen Lösung zur intravenösen Infusion zu verwenden, die mit den vorstehend bezeichneten Merkmalen ausgestattet ist;

II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klagepartei zu 2/3 und die Beklagtenpartei zu 1/3.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Hinsichtlich der Ziffer I. gegen das Leisten einer Sicherheit von 150.000 Euro. Die Klagepartei darf die Vollstreckung durch die Beklagtenpartei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagtenpartei zuvor Sicherheit in Höhe des aufgrund des Urteiles vollstreckbaren Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klagepartei begehrt den Erlass einer Unterlassungsverfügung hinsichtlich eines von der Beklagtenpartei hergestellten und an Dritte gelieferten Arzneimittels. Sie macht aus zwei unabhängigen Patentansprüchen zum einen eine mittelbare wortsinngemäße Verletzung und zum anderen eine unmittelbare äquivalente Patentverletzung geltend.

Die Klagepartei ist Herstellerin und Entwicklerin von Pharmazeutika. Sie ist Inhaber des Streitpatents EP 1 210 085 B1 (= DE 600 25 627 T2), betreffend einer pharmazeutischen Lösung von Levosimendan. Dieses Patent basiert auf einer PCT-Anmeldung, die am 8. September 2000 eingereicht wurde und eine Priorität vom 10. September 1999 in Anspruch nimmt. Am 18. Januar 2002 wurde die Patenterteilung durch das Europäische Patentamt bekanntgemacht. Gegen das Verfügungspatent wurde kein Einspruch eingelegt.

Die Verfahrenssprache ist Englisch. Das Streitpatent hat u.a. die nachfolgenden Ansprüche 1 und 6:

Anspruch 1:

A pharmaceutical aqueous solution comprising levosimendan or a salt thereof as an active ingredient the pH-value of the solution being lower than 5, prefer ably about 4.5 or lower, and optionally a solubility enhancing agent.

Anspruch 6:

A pharmaceutical solution, particularly an intravenous infusion concentrate, com prising (a) levosimendan or a pharmaceutically acceptable salt thereof as an active in gredient, (b) pharmaceutically acceptable organic solvent comprising ethanol, (c) a stability enhancing amount of a pharmaceutically acceptable organic acid having pKa in the range of from 2 to 4, and optionally (d) a water-solubility enhancing agent Auf Deutsch:

Anspruch 1:

Wäßrige Lösung zur intravenösen Infusion, umfassend Levosimendan oder ein Salz davon als Wirkstoff, wobei der pH-Wert der Lösung weniger als 5, vorzugsweise etwa 4,5 oder weniger beträgt, und gegebenenfalls einen Löslichkeitsverbesserer.

Anspruch 6:

Pharmazeutische Lösung, umfassend: (a) Levosimendan oder ein pharmazeutisch verträgliches Salz davon als Wirkstoff, (b) ein pharmazeutisch verträgliches organi sches Lösungsmittel, welches Ethanol umfaßt, (c) eine stabilitäts verbessernde Men ge einer pharmazeutisch verträglichen organischen Säure mit einem pKa im Bereich von 2 bis 4, und gegebenenfalls (d) ein die Wasserlöslichkeit verbesserndes Mittel.

Die Klagepartei stellt das Produkt „Simdax“, welches zur Behandlung von Patienten mit Herzinsuffizienz verwendet wird, her und vertreibt es.

Die Beklagtenpartei ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie betreibt das Universitätsklinikum G. Dieses unterhält eine Apotheke als nicht selbstständige Abteilung.

Bis 2009 bezog die Beklagtenpartei das Produkt „Simdax“ von der Klagepartei. 2013 gab es einen Schriftverkehr zwischen den Parteien, weil die Beklagtenpartei von der Lehre des Streitpatents Gebrauch gemacht haben soll. Damals berief sich die beklagte Partei auf § 11 Nr. 3 PatG.

Im November 2016 sah ein Mitarbeiter der deutschen Tochter der Klagepartei zwei Flaschen mit der Aufschrift „Levosimendan 2,5 mg/ml“ in der K. Stadtklinik in Bad Tölz. Ihm wurde nicht gestattet diese Flaschen mitzunehmen.

Am 01.08.2017 bestellte der in der K. Stadtklinik beschäftigte Oberarzt Dr. Z. mit einem Formular „Sonderanforderung an die Apotheke des Uniklinikums G.“ (Anlagen der beklagten Partei, bezeichnet als AST 2) 2 Ampullen „Levosimendan (Simdax ®)“ bei der beklagten Partei. Dabei wurde der Vermerk „Bitte nur ankreuzen, wenn Verwendung eines gelisteten, kostengünstigen Alternativpräperates aus therapeutischer Sicht nicht möglich ist.“ nicht angekreuzt. Auf Grund dieser Bestellung wurden von der beklagten Partei zwei Ampullen geliefert. Eine der beiden Ampullen ist auf folgendem Bild gezeigt:

Neben der Beschriftung „Levosimendan 2,5 mg/ml“ war auf den Ampullen u.a. aufgedruckt: „Levosimendan 0,025g, Ethanol 99,8% p.a. 7,46 g, Essigsäure 99% 0,525 g, Povidon 25 löslich 0,1 g. Entnahmemennge mind. 10ml; Überfüllung möglich, hergestellt am 09.01.2017, Haltbar bis 09.01.2018“.

Die Klagepartei behauptet hinsichtlich dieser Lieferung, dass die Fachinformation zu „Levosimendan 2,5 mg/ml“ (Anlagen der beklagten Partei, bezeichnet als AST 1) nicht mitgeliefert worden sei.

Nachdem eine Ampulle mit „Levosimendan 2,5 mg/ml“ am 29.08.2017 im Rahmen einer ärztlichen Behandlung verwendet wurde, informierte der Oberarzt Dr. Z. den Regionalleiter der deutschen Tochtergesellschaft der Klagepartei, Dr. S.. Dieser übernahm die Probe am 07.09.2017 und übergab diese Probe am 14.09.2017 an das Transportunternehmen T., welche die Probe an das Analysebüro C. lieferte. Dort traf die Probe am 19.09.2017 ein. Am 11.10.2017 erhielt die Klagepartei den als Anlage AST 15 vorliegenden Analysebericht. In diesem Analysebericht wurde die Probe von „Levosimendan 2,5 mg/ml“ entsprechend den Fachinformationen zu „Simdax“ (AST 31) in einem Verhältnis 1:100 gemischt. Dort lautet es in Nr. 6.6:

Simdax 2,5 mg/ml, Konzentrat zur Zubereitung einer Infusionslösung ist nur zum einmaligen Gebrauch bestimmt. Wie alle Parenteralia sollte die verdünnte Lösung vor der Verabreichung visuell auf Niederschlag und Farbveränderung kontrolliert werden.

Zur Zubereitung einer Infusionslösung von 0,025 mg/ml werden 5 ml Simdax 2,5 mg/ml Konzentrat mit 500 ml einer 5%igen Glukoselösung gemischt.

In der von der Beklagtenpartei vorgelegten Fachinformation zu „Levosimendan 2,5 mg/ml“ (Anlagen der Beklagtenpartei: AST 1) lautet es unter Ziffer 23.:

Levosimendan 2,5 mg/ml, Konzentrat zur Zubereitung einer Infusionslösung ist nur zum einmaligen Gebrauch bestimmt. Wie alle Parenteralia sollte die verdünnte Lö sung vor der Verabreichung visuell auf Niederschlag und Farbver änderung kontrol liert werden.

Zur Zubereitung einer Infusionslösung von 0,025 mg/ml werden 5 ml Levosi mendan 2,5 mg/ml Konzentrat mit 500 ml einer 5%igen Glukoselösung und 5 ml Nat riumhydrogencarbonatlösung 8,4% unmittelbar vor der Anwendung gemischt.

Hinweis: Der Zusatz von Natriumhydrogencarbonatlösung erfolgt aus patentrecht lichen Gründen und führt zu einer Infusionslösung mit einem annähernd neutralen pH Wert.

Mit Schreiben vom 03.11.2017 (AST 5) mahnte die Klagepartei die beklagte Partei ab.

Die Klagepartei behauptet, dass der Fachmann den von der beklagten Partei gelieferten Wirkstoff entsprechend der Fachinformation für das Medikament „Simdax“ (AST 31) mischen würde, also insbesondere keine Natriumhydrogencarbonatlösung 8,4% hinzugeben würde. Es ergäbe sich in der hergestellten wässrigen Lösung ein pH-Wert von 3,5. Die von der beklagten Partei vorgelegte Fachinformation zu „Levosimendan 2,5 mg/ml“ sei weitgehend eine Kopie der Fachinformation zu „Simdax“ (AST 31, Vergleich AST 34). Es seien sogar Verweise übernommen worden, die in der Fachinformation zu „Levosimendan 2,5 mg/ml“ ins Leere führten. Die Umstände sprächen dafür, dass die in Kopie vorgelegte Fachinformation erst für dieses Verfahren hergestellt worden sei.

Die Klagepartei ist der Ansicht, dass Anspruch 1 des Klagepatents mittelbar wortsinngemäß verletzt sei. Der Fachmann würde das von der beklagten Partei hergestellte Produkt wie das Originalmedikament „Simdax“ verwenden und dann einen pH-Wert von 3,5 in der hergestellten wässrigen Lösung erhalten. Hinsichtlich des Anspruchs 6 läge eine unmittelbare äquivalente Verletzung vor. Die im Anspruch 6 enthaltene Angabe eines pKa-Wertes von 2 bis 4 sei aus fachmännischer Sicht so zu verstehen, dass der Wortsinn einen pKa -Wert von 1,50 bis 4,49 umfasse. Essigsäure sei mit einem pKa -Wert von 4,75 unter Heranziehung eines technischen Toleranzbereichs so dicht an der genannten Grenze, dass von einer äquivalenten Verletzung auszugehen sei.

Die Klagepartei beantragt,

Der beklagten Partei wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Vorstand der beklagten Partei zu vollziehen ist, untersagt,

1. eine pharmazeutische Lösung, umfassend

 Levosimendan als Wirkstoff,

 ein pharmazeutisch verträgliches organisches Lösungsmittel, welches Ethanol umfasst,

 eine stabilitätsverbessernde Menge einer pharmazeutisch verträglichen organischen Essigsäure mit einem pKa-Wert von 4,75, und

 ein die Wasserlöslichkeit verbesserndes Mittel, welche geeignet ist für eine wässrige Lösung zur intravenösen Infusion, umfassend Levosimendan oder ein Salz davon als Wirkstoff, wobei der pH-Wert der Lösung weniger als 5 beträgt, und einen Löslichkeitsverbesserer, Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern, ohne

 im Fall des Anbietens im Angebot ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die pharmazeutische Lösung nicht ohne Zustimmung der Orion Corporation als Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patentes EP 1 210 085 B1 zur Herstellung einer wässrigen Lösung zur intravenösen Infusion, die mit den vorstehend bezeichneten Merkmalen ausgestattet ist, verwendet werden darf;

 im Falle der Lieferung den Abnehmern unter Auferlegung einer an die Orion Corporation als Patentinhaberin zu zahlenden Vertragsstrafe von EUR 5.000,00 für jeden Fall der Zuwiderhandlung, mindestens jedoch EUR 1.500,00 pro geliefertem Präparat, die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die pharmazeutische Lösung nicht ohne Zustimmung der Orion Corporation als Patentinhaberin des deutschen Teils des europäischen Patentes EP 1 210 085 B1 zur Herstellung einer wässrigen Lösung zur intravenösen Infusion zu verwenden, die mit den vorstehend bezeichneten Merkmalen ausgestattet ist;

2. eine pharmazeutische Lösung, umfassend

 Levosimendan oder ein pharmazeutisch verträgliches Salz davon als Wirkstoff,

 ein pharmazeutisch verträgliches organisches Lösungsmittel, welches Ethanol umfasst,

 eine stabilitätsverbessernde Menge einer pharmazeutisch verträglichen organischen Essigsäure mit einem pKa-Wert von 4,75, und

 ein die Wasserlöslichkeit verbesserndes Mittel,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen.

Die beklagte Partei beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagtenpartei ist der Ansicht, dass keine mittelbare Verletzung des Anspruchs 1 vorliege. Wenn die wässrige Lösung entsprechend den Hinweisen in der Fachinformationen der beklagten Partei hergestellt werden würde, also unter Verwendung von Natriumhydrogencarbonatlösung 8,4%, hätte die wässrige Lösung einen pH-Wert, der deutlich über 5 liege. Eine äquivalente Verletzung des Anspruchs 6 liege nicht vor. Essigsäure habe eine Säurekonstante (pKa-Wert) von 4,75. Diese liege deutlich über der in Anspruch 6 genannten Säurekonstante. Die Verwendung von Essigsäure sei weder gleichwirkend, noch gleichwertig zu den im Anspruch 6 beschriebenen Säuren.

Weiter würde kein Verfügungsgrund vorliegen. Die Klagepartei habe bereits im November 2016, spätestens aber mit Erhalt der von Dr. Z. übergebenen Probe am 07.09.2017, alle maßgeblichen Tatsachen für die behauptete Verletzung des Anspruchs 6 gehabt, der seinem Gegenstand nach auch die Verletzung des Anspruchs 1 umfasse. Auf der Ampulle „Levosimendan 2,5 mg/ml“ seien alle Inhaltsstoffe aufgeführt und allein damit hätte die Klagepartei bereits vorgehen können.

Zumindest aber habe die Klagepartei zu lange gewartet, nachdem sie die Probe von Dr. Z. übergeben bekommen habe. Sie habe beispielsweise versäumt, das Labor zu verpflichten, über ermittelte Zwischenwerte zu berichten.

Bei der Bestellung durch Dr. Z. habe es sich um einen Testkauf gehandelt, so dass insofern keine Patentverletzung vorliege. Weiter sei von einem Verwertungsverbot auszugehen, weil Dr. Z. die Ampulle ohne Berechtigung der Klagepartei übergeben habe.

Die Beklagtenpartei könne nicht mehr feststellen, ob die Fachinformationen zu „Levosimendan 2,5 mg/ml“ im November 2016 und/ oder August 2017 mitgeliefert worden seien. Auf alle Fälle hätten die belieferten Mitarbeiter der Klinik in Bad Tölz bei einer Kontrolle aber feststellen müssen, dass die Fachinformationen nicht vorlagen und hätten daher nachfragen müssen, wie das Medikament zu verwenden sei.

Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2017 Bezug genommen.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und im Hinblick auf die mittelbare Verletzung des Patentanspruchs 1 begründet. Hinsichtlich der unmittelbaren Verletzung des Patentanspruchs 6 war der Antrag als unbegründet zurückzuweisen.

I. Zulässigkeit

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts München I folgt aus § 143 Abs. 1 PatG, weil eine Patentstreitsache vorliegt. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung und dem Sitz der beklagten Partei.

II. Verfügungsanspruch

Es wurde glaubhaft gemacht, dass ein Anspruch auf Unterlassung aus §§ 10 Absatz 1, 139 Absatz 1 PatG vorliegt. Es besteht Wiederholungsgefahr hinsichtlich einer mittelbaren Verletzung des Patentanspruchs 1. Eine äquivalente Verletzung des Patentanspruchs 6 konnte die Klagepartei allerdings nicht glaubhaft machen.

Durch die Lieferung der angegriffenen Ausführungsform macht die Beklagtenpartei von Anspruch 1 mittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Das einzig streitige Merkmal 1 b ist erfüllt, weil die bestimmungsgemäß hergestellte wässrige Lösung einen pH-Wert von 3,9 hat. Eine äquivalente Verletzung des Anspruchs 6 liegt hingegen nicht vor. Das Merkmal 6 c ist nicht erfüllt. Die von der beklagten Partei verwendete Essigsäure hat einen pKa-Wert von 4,75, der nicht mehr im äquivalenten Schutzbereich des Patents liegt.

1. Das Verfügungspatent

a. Das Verfügungspatent EP 1 210 085 B1 betrifft Levosimendanlösungen zur pharmazeutischen Verwendung und insbesondere zur intravenösen Verabreichung, zum Beispiel als Infusions- oder Injektionslösungen [0001]. Im Stand der Technik ist der Wirkstoff Levosimendan bekannt, bei dem es sich um das (-)-Enantiomer von [4-(1,4,5,6-Tetrahydro-4-methyl-6-oxo-3-pyridazinyl) phenyl]hydrazono]propandinitril handelt. Es handelt sich um ein hoch wirksames Mittel bei der Behandlung von Herzinsuffizienz [0002]. Diese Verwendung, die Vorteile der hämodynamischen Wirkungen von Levosimendan sowie die Vorzüge einer Anwendung durch z.B. parenterale Verabreichung sind bekannt [0003,0004].

b. Die Kammer definiert den Fachmann entsprechend dem Vortrag der Klagepartei als Team aus einem Chemiker, einem Pharmazeuten und einem Arzt. Der Vortrag der beklagten Partei, die den Fachmann als Pharmazeuten mit chemischen Kenntnissen definiert haben, möchte, greift zu kurz, weil für die erfindungsgemäße Lösung insbesondere auch die Verträglichkeit beim Patienten, mithin die klinische Erfahrung eines Arztes von Bedeutung ist.

c. Im Stand der Technik warf die Herstellung von Levosimendanlösungen – insbesondere für die intravenöse Verabreichung – eine Reihe von Problemen auf. Unter anderem ist Levosimendan empfindlich gegenüber chemischen und physikalischen Einflüssen. Es war schlecht zu lagern und ist leicht aus wässrigen Lösungen herausgefallen. Gerade das Ausfallen aus intravenösen Lösungen ist äußerst gefährlich, weil teilchenförmiges Material die Blutgefäße verstopfen kann. Deshalb bestand ein Bedarf an besseren wässrigen Formulierungen von Levosimendan, die bei längerer Lagerung chemisch und physikalisch stabil sind und sich zur intravenösen Verabreichung eignen [0005].

d. Ausgehend von diesem Stand der Technik stellt sich das Patent die Aufgabe, eine Levosimendanlösung zur pharmazeutischen Verwendung und insbesondere zur intravenösen Verabreichung zur Verfügung zu stellen, die eine bessere Stabilität hat, so dass sie länger gelagert werden kann und sich besonders als Infusions- oder Injektionslösung oder als Infusionskonzentrat eignet.

e. Diese Aufgabe löst das Patent mit den hier geltend gemachten Patentansprüchen 1 und 6.

Beide Parteien haben unterschiedliche Merkmalsgliederungen vorgelegt, ohne dass es für das Verfahren erhebliche Unterschiede gibt. Das Gericht folgt der von der Klagepartei vorgelegten Gliederung, welche wie folgt lautet:

1. Aqueous intravenous infusion solution comprising

a) levosimendan or a salt thereof as an active ingredient,

b) the pH-value of the solution being lower than 5, preferably about 4.5 or lower,

c) and optionally a solubility enhancing agent.

6. A pharmaceutical solution comprising

a) levosimendan or a pharmaceutical acceptable salt thereof as an active ingre dient,

b) pharmaceutical acceptable organic solvent comprising ethanol,

c) a stability enhancing amount of a pharmaceutically acceptable organic acid having pKa in the range of from 2 to 4, and optionally

d) a water-solubility enhancing agent.

In deutscher Übersetzung lauten diese Merkmale:

1. Wässrige Lösung zur intravenösen Infusion, umfassend

a) Levosimendan oder ein Salz davon als Wirkstoff,

b) wobei der pH-Wert der Lösung weniger als 5, vorzugsweise etwa 4,5 oder weniger beträgt,

c) und gegebenenfalls einen Löslichkeitsverbesserer.

6. Pharmazeutische Lösung, umfassend

a) Levosimendan oder ein Salz davon als Wirkstoff,

b) ein pharmazeutisch verträgliches organisches Lösungsmittel, welches Ethanol umfasst,

c) eine stabilitätsverbessernde Menge einer pharmazeutisch verträglichen orga nischen Säure mit einem pKa im Bereich von 2 bis 4,

d) und gegebenenfalls ein die Wasserlöslichkeit verbesserndes Mittel.

2. Auslegung des Patents

a. Der Schutzbereich eines Europäischen Patents wird nach Art. 69 EPÜ durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung heranzuziehen. Hierbei ist funktionsorientiert und aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns auszulegen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Patentschrift ihr eigenes Lexikon bilden kann. Durch in den Patentanspruch aufgenommene Zahlen- und Maßangaben wird der Schutzgegenstand des Patents mitbestimmt und damit auch begrenzt. Wie jeder Bestandteil eines Patents sind Zahlen- und Maßangaben jedoch grundsätzlich der Auslegung fähig (BGH, Urteil vom 12.03.2002, X ZR 168/00 – Schneidmesser).

b. Unter Anwendung dieser Grundsätze wird der Fachmann das Patent so verstehen, dass sich Anspruch 1 mit der zur unmittelbaren medizinischen Anwendung verwendbaren wässrigen Lösung beschäftigt. Durch den niedrigen, also sauren, pH Wert von weniger als 5 wird die Haltbarkeit und Stabilität dieser wässrigen Lösung sichergestellt [0012]. Dies kann erreicht werden durch die Verwendung von pharmazeutisch verträglichen organischen Säuren mit einem pKa im Bereich von 2 bis etwa 4. Beispielsweise 2-Hydroxyalkansäuren, wie Zitronensäure, Milchsäure, Weinsäure oder Äpfelsäure. Diese Säuren sind mit einem Puffersystem auf den benannten pH Wert einzustellen.

Anspruch 6 beschreibt hingegen ein Konzentrat, welches vor Gebrauch mit einem wässrigen Träger zu verdünnen ist. Dieses Konzentrat soll nach Merkmal 6 c mit einer pharmazeutisch verträglichen Säure in einem pKa im Bereich von 2 bis 4 gefertigt werden. Nach [0023] umfasst die pharmazeutisch verträgliche organische Säure vorzugsweise eine 2-Hydroxyalkansäure. Solche Säuren umfassen Zitronensäure, Milchsäure, Weinsäure und Äpfelsäure, wobei Zitronensäure ganz besonders bevorzugt ist.

Entgegen den Ausführungen der Klagepartei ist keine technische Toleranz zu dem in Anspruch 6 angegebenen Zahlenbereich von 2 bis 4 pKa im Bereich des Wortsinn zuzuschlagen. Ein solches Verständnis lässt sich bereits der Beschreibung nicht entnehmen. Der pKa Wert wird an zwei Stellen thematisiert, im Hinblick auf die wässrige Lösung nach Anspruch 1 in Absatz 4. Dort lautet es: „Bevorzugte saure Verbindungen umfassen pharmazeutisch verträgliche organische Säuren mit einem pKa im Bereich von 2 bis etwa 4.“ In Absatz 21 wird jedoch im Hinblick auf das Konzentrat gem. Anspruch 6 von „organischen Säuren mit einem pKa im Bereich von 2 bis 4“ gesprochen. Aus diesem Unterschied muss der Fachmann schlussfolgern, dass der pKa-Wertbereich im Anspruch 6 genauer einzuhalten ist, als derjenige zur Herstellung einer Injektionslösung gem. Anspruch 1.

Weiter weiß der Fachmann, dass geeignete organische Säuren einen individuellen und konstanten pKa-Wert aufweisen. Durch die Bereichsangabe hat der Anspruch daher aus dem Bereich bekannter und pharmazeutisch geeigneter organischer Säuren (vgl. Tabelle gem. Schriftsatz der Klagepartei vom 21.12.2017, S. 3) diejenigen ausgewählt, deren konstanter pKa-Wert zwischen 2 und 4 liegt. Bei diesen handelt es sich zum einen um die in [0023] bevorzugten 2-Hydroxyalkansäuren. Es kommen aber auch andere organische Säuren mit entsprechenden pKa-Werten, wie etwa Malonsäure (pKa 2,83), in Betracht. Hieraus schlussfolgert der Fachmann, dass kein technischer Toleranzbereich vorzusehen ist, denn es gibt keine schwankenden pKa-Werte. Der pKa-Wert ist eine Naturkonstante. Die nächstliegende organische Säure mit einem pKa-Wert über 4 wäre z.B. die Bernsteinsäure mit einem pKa-Wert von 4,16 oder die Glutarsäure mit einem pKa von 4,32.

2. Mittelbare Patentverletzung des Anspruchs 1 Mit der Lieferung des Produkts „Levosimendan 2,5 mg/ml“ an die K. Stadtklinik in Bad Tölz hat die Beklagtenpartei das Streitpatent mittelbar verletzt, § 10 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ.

Gemäß § 10 Abs. 1 PatG hat das Patent die Wirkung, dass es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Die Vorschrift formuliert damit einen Gefährdungstatbestand, der auf in der Sphäre des Abnehmers liegende Umstände zurückgreift und dem anbietenden Dritten zurechnet. Sie ermöglicht damit die Durchsetzung des Patents bereits im Vorfeld einer drohenden unmittelbaren Patentverletzung.

Vorliegend stellt die Lieferung des Produkts „Levosimendan 2,5 mg/ml“ eine mittelbare Verletzung des Anspruchs 1 dar. Insbesondere ist das einzige zwischen den Parteien streitige Merkmal 1 c „wobei der pH-Wert der Lösung weniger als 5, vorzugsweise etw 4,5 oder weniger beträgt“, erfüllt. Denn der Belieferte wird dieses Produkt entsprechend den Benutzungsangaben des Produkts „Simdax“ mischen und dann in der fertigen Lösung einen pH Wert von 3,5 erhalten.

Die Klagepartei hat dies glaubhaft gemacht durch Vorlage einer eidesstattlicher Versicherung des Arztes Dr. Z. (AST 11).

Soweit die beklagte Partei auf die Fachinformation zu dem von ihr gefertigten Produkt „Levosimendan 2,5 mg/ml“ verweist, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Zum einen ist die beklagte Partei dem Vortrag der Klagepartei, dass die Fachinformationen weder in November 2016, noch im August 2017 mitgeliefert worden sei, nicht entgegengetreten. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Fachinformation in der Klinik in Bad Tölz nicht vorlag. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die zur Verwendung berufenen Ärzte vor der Anwendung eine Fachinformation bei der Beklagtenpartei hätten anfordern müssen.

Bereits aus dem Bestellbogen für das im August 2017 gelieferte Medikament (Anlagen der Beklagtenpartei – AST 2) ergibt sich, dass die beklagte Partei bei einer Bestellung von „Levosimendan (Simdax)“ das streitgegenständliche Präparat liefert. Bereits dadurch ist offensichtlich, dass es sich um ein Austauschpräparat handelt. Vor diesem Hintergrund kann auch dahinstehen, ob die beklagte Partei tatsächlich – wie von der Klagepartei behauptet und von der beklagten Partei nicht substantiiert bestritten – die Fachinformation erst anlässlich des vorliegenden Verfahrens angefertigt hat. Ein Original der Fachinformation wurde – trotz Hinweises in der Verfügung vom 20.12.2017 – nicht vorgelegt (§ 420 ZPO).

3. Äquivalente Verletzung des Anspruchs 6

Der Anspruch 6 wird durch das Produkt „Levosimendan 2,5 mg/ml“ nicht verletzt. Die Klagepartei geht bereits nicht von einer wortsinngemäßen Verletzung aus. Die von der beklagten Partei verwendete Essigsäure (CH3COOH) hat eine Säurekonstante (pKa Wert) von 4,75 (vgl. auch Anlage AST 10). Damit liegt sie außerhalb des in Merkmal 6 c benannten Bereichs eines pKa Werts von 2 bis 4. Entgegen des Vortrags der Klagepartei gibt es zudem aus den genannten Gründen keinen Toleranzbereich. Ein pKa-Wert von 4,75 liegt aber auch außerhalb eines möglichen Äquivalenzbereichs.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, z.B. im Urteil vom 13.01.2015, X ZR 81/13 – Kochgefäß, muss regelmäßig dreierlei erfüllt sein, damit eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführung in dessen Schutzbereich fällt. Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquivalente) Lösung in Betracht zu ziehen und damit nach dem Gebot des Art. 2 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen. Der Schutzbereich des Patents wird auf diese Weise nach Maßgabe dessen bestimmt, was der Fachmann auf der Grundlage der erfindungsgemäßen Lehre als äquivalent zu erkennen vermag und damit an dem Gebot des Art. 1 des Auslegungsprotokolls ausgerichtet, bei der Bestimmung des Schutzbereichs einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte zu verbinden.

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist es der Klagepartei vorliegend nicht gelungen, eine äquivalente Patentverletzung glaubhaft zu machen. Zumindest die dritte Frage, also ob der Fachmann bei der Anwendung des Austauschmittels am Sinngehalt des Patentanspruchs orientiert gehandelt hat, muss verneint werden.

Auch bei einer unterstellten Gleichwirkung und einem unterstellten Naheliegen ist die Verwendung von Essigsäure jedenfalls nicht am Patentanspruch orientiert. Entgegen den Ausführungen der Klagepartei kann das Merkmal 6c nicht so verstanden werden, dass die Angabe „pKa 2 bis 4“ unter Einbeziehung eines technischen Toleranzbereichs bedeutet „pKa 1,50 bis 4,49“. Ein solches Verständnis lässt sich der Beschreibung aus den benannten Gründen nicht entnehmen. Insofern ist bereits der Ausgangspunkt der Klagepartei für die Äquivalenzbetrachtung, dass nämlich der pKa von Essigsäure mit 4,75 so dicht an der wortsinngemäß beanspruchten Obergrenze (4,49) plus technische Toleranz sei, dass es nur ein kleiner Schritt sei, um Essigsäure als Austauschmittel zu finden, fehlerhaft.

Zum anderen kann aus den in der Beschreibung erörterten Tests mit unterschiedlichen pH-Werten nichts für die pKa-Werte des Anspruchs 6 abgeleitet werden. Denn aus der Gesamtschau folgt, dass der pH Wert der Lösung für das Konzentrat des Anspruchs 6 keine Bedeutung hat. Maßgeblich ist die Säurekonstante, also der pKa Wert. Allerdings muss sichergestellt sein, dass die Säure in der später herzustellenden wässrigen Lösung einen pH Wert herbeiführt, der zum einen pharmazeutisch verträglich ist, zum anderen aber auch die Haltbarkeit und Stabilität des Konzentrats und der wässrigen Lösung sicherstellt.

Weiter wird der Fachmann auch aus den mathematischen Gegebenheiten, die sich aus der Definition des pKa-Wertes als negativer dekadischer Logarithmus der Säurekonstante ergeben, nicht den Schluss auf einen über den pKa-Wert 4 hinausgehenden Äquivalenzbereich ziehen, sondern im Gegenteil diese Bereichsangabe sehr ernst nehmen. Die Vertreter der Klagepartei haben im Termin durch Vorlage der Anlage AST 40 verdeutlicht, dass in einer grafischen Darstellung der Dissoziationskonstante für den pKa -Bereich 2,0 bis 4,0 der Abstand zwischen den ganzzahligen Inkrementen, also zwischen 10-2 und 10-3 (entspricht pKa 2,0 und 3,0), zwischen 10-3 und 10-4 und zwischen 10-4 und 10-5 nach oben hin exponentiell abnimmt. Hieraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass der Fachmann über den pKa-Wert 4 hinaus irgendeinen Bereich als gleichwirkend in Betracht ziehe würde. Allenfalls kann hieraus abgeleitet werden, dass der Fachmann die Wertgrenze besonders genau nimmt, zumal ihm in der Beschreibung mitgeteilt wird, dass die Kontrolle des Säuregehalts erfindungswesentlich ist [21] und es sich dabei um den Kern der Erfindung handelt und er - nach dem unwidersprochenen Vortrag der beklagten Partei - ferner weiß, dass die Säurestärke bei einem pKa-Wert von 4,75 (Essigsäure) im Vergleich zu einer Säure mit einem pKa-Wert von 4,0 nur 18% beträgt. Im Vergleich zu einer Säure mit einem pKa-Wert von 4,49 hätte Essigsäure eine Säurestärke von 56%.

Schließlich weisen die beiden organischen Säuren Bernsteinsäure mit 4,16 und die Glutarsäure mit 4.32 pKa-Werte auf, die noch vor dem pKa-Wert von Essigsäure mit 4,75 liegen. Mithin kann der Abstand zwischen dem pKa-Wert der Essigsäure mit 4,75 und der beanspruchten Wertgrenze von 4 pKa nicht als gering eingeschätzt werden.

Vor diesem Hintergrund kann die Verwendung von Essigsäure nicht mehr als am Patentanspruch orientiert angesehen werden. Der Anmelder hat sich durch die Zahlenangabe 2 bis 4 im Merkmal 6 und durch die eindeutigen Erläuterungen in der Beschreibung auf bestimmte, durch ihre unveränderlichen pKa-Werte gekennzeichnete organische Säuren festgelegt. Wenn nunmehr die beklagte Partei das Merkmal 6c durch eine organische Säure ersetzt, die einen erheblich höheren pKa Wert hat so ist dies nicht mehr am Patentanspruch 6 orientiert.

4. Wiederholungsgefahr

Ob die für einen provozierten Testkauf entwickelten Grundsätze für die im August 2017 ausgelieferte Lieferung von „Levosimendan 2,5 mg/ml“ Anwendung finden – und die Bestellung vom August 2017 bei der Beurteilung einer Wiederholungsgefahr unberücksichtigt bleiben muss – kann dahin gestellt bleiben. Denn es handelte sich um die zweite – nicht bestrittene – Lieferung des gleichen Produkts. Insofern liegt zumindest eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der im November 2016 gelieferten Probe vor.

5. Beweisverwertungsverbot

Im vorliegenden Fall kommt kein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der im August 2017 von Dr. Z. an die Klagepartei gelieferten Probe von „Levosimendan 2,5 mg/ml“ in Betracht. Nach herrschender Meinung (siehe Prütting, MüKo ZPO, 5. Aufl. 2016, § 287, Rn. 67) kommt die Annahme eines Verwertungsverbotes in zivilrechtlichen Verfahren nur ausnahmsweise in Betracht. Insbesondere, wenn der Schutzzweck der verletzten Norm dies erfordere, nämlich wo ein rechtswidriger Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Grundpositionen des Einzelnen vorliegt (insbesondere Eingriffe in die Menschenwürde und das allgemeine Persönlichkeitsrecht). Dies muss insbesondere bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen gelten, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen werden.

Diese Anforderungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die äußeren Umstände mögen zwar dafür sprechen, dass die Bestellung von Dr. Z. vom 01.08.2017 von der Klagepartei initiiert worden sind. Insbesondere die Tatsache, dass das Labor C. – nach Angaben der Klagepartei – bereits im Juli 2017 kontaktiert wurde, ob eine entsprechende Probe analysieren werden könne und die Bestellung unmittelbar zeitlich folgte. Dies rechtfertigt es aber – unter Verwendung der genannten Anforderungen – nicht, von einem Beweisverwertungsverbot auszugehen. Es mag bei der Beklagtenpartei allenfalls ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vorliegen, der aber hinter der Tatsache zurücktritt, dass es der Klagepartei ohne den Einsatz eines Whistleblowers faktisch unmöglich wäre, Patentverletzungen nachzuweisen. Wie in diesem Verfahren deutlich zu Tage getreten, wäre es für die Klagepartei ansonsten nicht möglich die Medikamente zu untersuchen, die die beklagte Partei an mit ihr verbundene Krankenhäuser ausliefert. Insgesamt ist kein rechtlicher Gesichtspunkt ersichtlich, der einer Verwertung der durch einen Whistleblower gewonnenen Proben entgegensteht.

III. Verfügungsgrund

Es liegt ein Verfügungsgrund hinsichtlich der geltend gemachten mittelbaren Verletzung des Anspruchs 1 vor. Der Antrag wurde innerhalb der im Zuständigkeitsgebiet des Oberlandesgerichts München geltende Monatsfrist eingereicht. Die Klagepartei hat glaubhaft gemacht, dass sie die Messergebnisse der C. am 11.10.2017 mitgeteilt bekommen hat. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist am 09.11.2017 bei Gericht eingegangen. Damit wurde die Monatsfrist eingehalten.

Entgegen der Ansicht der beklagten Partei ist nicht auf einen früheren Zeitpunkt abzustellen. Vor allem war die Klagepartei berechtigt, erst eine Analyse der Inhaltsstoffe des streitgegenständlichen Medikaments einzuholen. Sie war nicht verpflichtet, sich allein auf die Angaben auf den Ampullen mit dem Produkt „Levosimendan 2,5 mg/ml“ zu verlassen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass es möglich wäre, den pH Wert allein anhand der Angaben auf dem Etikett zu errechnen, bzw. dass die Klagepartei die angegebenen Inhaltsstoffe hätte nachmischen können, um sie einer Analyse zuzuführen. Dies ist aber insofern unbeachtlich, weil ein derart ermitteltes Ergebnis vielfältigen Angriffen ausgesetzt gewesen wäre. Der Patentinhaber ist in derartigen Fällen nicht gehalten, den unsichereren Weg sogleich zu bestreiten.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Erwägung, dass die Klagepartei vor der Beauftragung des Analyselabors C. zu langsam hantiert habe. Es erscheint dem Gericht zwar nicht ersichtlich, dass allein das Erfordernis des Aufrechterhaltens einer Kühlkette eine Verzögerung von zwei Wochen rechtfertigt. Letztlich ist aber maßgeblich, dass die Monatsfrist erst ab Kenntnis von Tat und Täter, mithin also ab Erhalt der Laborergebnisse zu laufen begonnen hat. Entgegen den Ausführungen der beklagten Partei kann auch nicht auf den im Gutachten (AST 15) genannten 02.10.2017 abgestellt werden. Zu diesem Tag hat das Labor den pH Wert ermittelt. Nicht gesagt ist damit aber, dass die Klagepartei den Wert auch zu diesem Termin mitgeteilt bekommen hat.

Anders zu beurteilen ist die Dringlichkeit hinsichtlich der geltend gemachten äquivalenten Verletzung des Anspruchs 6. Insofern hätte die Klagepartei bereits ab Kenntnis der Beschriftung des Medikaments im November 2016 tätig werden können. Die Verletzungsdiskussion der Klagepartei wird allein mit den Angaben auf der Ampulle geführt. Es ist entgegen den Ausführungen der Klagepartei nicht ersichtlich, dass es ein Risiko gegeben hat, dass die beklagte Partei zur Verdeckung einer mutmaßlichen Patentverletzung falsche Angaben auf ein Medikament schreibt. Die fehlende Dringlichkeit kann aber dahinstehen, weil aus den genannten Gründen bereits nicht vom Vorliegen eines Verfügungsanspruchs im Hinblick auf eine äquivalente Verletzung des Anspruchs 6 ausgegangen werden kann.

IV. Tenorierung

Dem Unterlassungsgebot hinsichtlich der mittelbaren Verletzung des Anspruchs 1 war mit der Auflage, dass die Abnehmer eine strafbewährte Unterlassungserklärung abgeben müssen, zusätzliches Gewicht zu verleihen.

Nach BGH, Urteil vom 09.01.2007, X ZR 173/02 – Haubenstretchautomat, kommt die Verpflichtung, Abnehmern strafbewährte Unterlassungserklärungen aufzuerlegen nur in Betracht, wenn ein Warnhinweis nach den konkreten Umständen des Einzelfalles unzureichend ist. Dies ist vorliegend der Fall, weil die beklagte Partei an Krankenhäuser liefert, die mit ihr in einem dauerhaften Belieferungsverhältnis stehen und ein Interesse haben, günstige Alternativpräparate zu hochpreisigen Medikamenten zu erhalten. In dieser Konstellation haben die Belieferten kein Interesse, etwaige Verstöße an Rechteinhaber mitzuteilen. Als Folge ist es für die Klagepartei – wie sich auch im vorliegenden Fall gezeigt hat – nur schwer möglich zu überprüfen, wie und mit welchen Informationen das Produkt „Levosimendan 2,5 mg/ml“ geliefert wird. Letztlich ist es ihr auch im vorliegenden Fall nur durch den Einsatz eines Whistleblowers gelungen, eine Probe des streitgegenständlichen Produkts zu bekommen.

Gegen diesen Whistleblower wurde durch dessen Arbeitgeber, der von der beklagten Partei belieferten K. Stadtklinik in Bad Tölz, bereits eine Anzeige wegen Diebstahls erhoben (Anlage der beklagten Partei – AST 4). Fälschlicherweise wurde in dieser Anzeige verschwiegen, dass kein verabreichungsfähiges Medikament, sondern nur die übriggebliebenen Reste, die ohnehin nicht mehr verwendet werden durften, weitergegeben wurden. Das Gericht verkennt nicht, dass die Anzeige nicht von der beklagten Partei erstattet wurde, bewertet aber in Zusammenschau die vorliegenden Umstände so, dass bei den Belieferten der Anreiz, ein kostengünstiges Ersatzpräparat zu verwenden, um das über 1.000 Euro teurere Originalpräparat zu substituieren, als eher hoch und die Rechtstreue als eher niedrig einzuschätzen ist. Ein schlichter Warnhinweis erscheint vor diesem Hintergrund nicht ausreichend, eine spätere Patentverletzung auszuschließen. Bei Abwägung aller Umstände kommt daher die gewählte Tenorierung als einzige Möglichkeit in Betracht, um zukünftige Verletzungen des Anspruchs 1 effektiv abzuwehren.

V. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 1 ZPO. Nach den übereinstimmenden Angaben beider Parteien, denen die Kammer folgt, sind die Ansprüche aus Patentanspruch 6 mit 2/3 und solche aus Patentanspruch 1 mit 1/3 zu bewerten.

Die Entscheidung hinsichtlich der Sicherheitsleistung für die vorläufige Vollstreckbarkeit der Ziffer I. des Tenors auf § 938 ZPO. Die Höhe der Sicherheitsleistung orientiert sich am Streitwert. Hinsichtlich der Erstattung der Verfahrenskosten der Beklagtenpartei beruht die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

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Landgericht München I Endurteil, 11. Jan. 2018 - 7 O 16124/17 zitiert 10 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Zivilprozessordnung - ZPO | § 938 Inhalt der einstweiligen Verfügung


(1) Das Gericht bestimmt nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind. (2) Die einstweilige Verfügung kann auch in einer Sequestration sowie darin bestehen, dass dem Gegner eine Handlung geboten oder verbo

Patentgesetz - PatG | § 10


(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesent

Patentgesetz - PatG | § 143


(1) Für alle Klagen, durch die ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird (Patentstreitsachen), sind die Zivilkammern der Landgerichte ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 420 Vorlegung durch Beweisführer; Beweisantritt


Der Beweis wird durch die Vorlegung der Urkunde angetreten.

Patentgesetz - PatG | § 11


Die Wirkung des Patents erstreckt sich nicht auf 1. Handlungen, die im privaten Bereich zu nichtgewerblichen Zwecken vorgenommen werden;2. Handlungen zu Versuchszwecken, die sich auf den Gegenstand der patentierten Erfindung beziehen;2a. die Nutzung

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 173/02 Verkündet am: 9. Januar 2007 Potsch Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: nei

Bundesgerichtshof Urteil, 12. März 2002 - X ZR 168/00

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 168/00 Verkündet am: 12. März 2002 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja Schneidmesser

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X Z R 8 1 / 1 3 Verkündet am: 13. Januar 2015 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

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Die Wirkung des Patents erstreckt sich nicht auf

1.
Handlungen, die im privaten Bereich zu nichtgewerblichen Zwecken vorgenommen werden;
2.
Handlungen zu Versuchszwecken, die sich auf den Gegenstand der patentierten Erfindung beziehen;
2a.
die Nutzung biologischen Materials zum Zweck der Züchtung, Entdeckung und Entwicklung einer neuen Pflanzensorte;
2b.
Studien und Versuche und die sich daraus ergebenden praktischen Anforderungen, die für die Erlangung einer arzneimittelrechtlichen Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Europäischen Union oder einer arzneimittelrechtlichen Zulassung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in Drittstaaten erforderlich sind;
3.
die unmittelbare Einzelzubereitung von Arzneimitteln in Apotheken auf Grund ärztlicher Verordnung sowie auf Handlungen, welche die auf diese Weise zubereiteten Arzneimittel betreffen;
4.
den an Bord von Schiffen eines anderen Mitgliedstaates der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums stattfindenden Gebrauch des Gegenstands der patentierten Erfindung im Schiffskörper, in den Maschinen, im Takelwerk, an den Geräten und sonstigem Zubehör, wenn die Schiffe vorübergehend oder zufällig in die Gewässer gelangen, auf die sich der Geltungsbereich dieses Gesetzes erstreckt, vorausgesetzt, daß dieser Gegenstand dort ausschließlich für die Bedürfnisse des Schiffes verwendet wird;
5.
den Gebrauch des Gegenstands der patentierten Erfindung in der Bauausführung oder für den Betrieb der Luft- oder Landfahrzeuge eines anderen Mitgliedstaates der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums oder des Zubehörs solcher Fahrzeuge, wenn diese vorübergehend oder zufällig in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gelangen;
6.
die in Artikel 27 des Abkommens vom 7. Dezember 1944 über die Internationale Zivilluftfahrt (BGBl. 1956 II S. 411) vorgesehenen Handlungen, wenn diese Handlungen ein Luftfahrzeug eines anderen Staates betreffen, auf den dieser Artikel anzuwenden ist.

(1) Für alle Klagen, durch die ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird (Patentstreitsachen), sind die Zivilkammern der Landgerichte ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig.

(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Patentstreitsachen für die Bezirke mehrerer Landgerichte einem von ihnen zuzuweisen. Die Landesregierungen können diese Ermächtigungen auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. Die Länder können außerdem durch Vereinbarung den Gerichten eines Landes obliegende Aufgaben insgesamt oder teilweise dem zuständigen Gericht eines anderen Landes übertragen.

(3) Von den Kosten, die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts in dem Rechtsstreit entstehen, sind die Gebühren nach § 13 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und außerdem die notwendigen Auslagen des Patentanwalts zu erstatten.

(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, daß der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 verbotenen Weise zu handeln.

(3) Personen, die die in § 11 Nr. 1 bis 3 genannten Handlungen vornehmen, gelten im Sinne des Absatzes 1 nicht als Personen, die zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 168/00 Verkündet am:
12. März 2002
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
Schneidmesser I
PatG 1981 § 14; EPÜ Art. 69

a) Durch in den Patentanspruch aufgenommene Zahlen- und Maßangaben
wird der Schutzgegenstand des Patents mitbestimmt und damit auch begrenzt.
Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und
Maßangaben jedoch grundsätzlich der Auslegung fähig.

b) Erschließt sich dem Fachmann kein abweichender Zahlenwert als im Sinne
des anspruchsgemäßen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich
insoweit nicht über den Sinngehalt des Anspruchs hinaus.
BGH, Urt. v. 12. März 2002 - X ZR 168/00 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. MeierBeck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 23. August 2000 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Inhaberin einer ausschlieûlichen Lizenz an dem am 12. Juni 1987 angemeldeten deutschen Patent 37 19 721 (Klagepatent), wegen dessen Verletzung sie die Beklagte in Anspruch nimmt.
Das Klagepatent ist im Einspruchsverfahren vom Bundespatentgericht beschränkt aufrechterhalten worden. Patentanspruch 1 lautet danach:
"Mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser (1) für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte in Schuppenformation, mit einem runden, im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper (4), dessen zur senkrecht zur Drehachse verlaufenden Schneidebene (6) konische Tragfläche Klingen (8) o. dgl. trägt, dadurch gekennzeichnet , daû die Klingen (8)

a) auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche (3) des Grundkörpers (4) angeordnet sind und mit der Schneidebene (6) einen Winkel (5) von 10°- 22°, vorzugsweise 16° einschlieûen,

b) in unterschiedlichen Schneidstellungen in Richtung auf die Schneidebene (6) in länglichen Aussparungen (18) des Grundkörpers (4) verschiebbar gelagert und in diesem arretierbar sind,

c) mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers (4), der 9° - 12° beträgt, einschlieûen ,
- in Draufsicht rechteckig ausgebildet sind, und
- in Zahnform die Schneidfläche (13) bilden."
Die Beklagte ist als übernehmende Gesellschaft Rechtsnachfolgerin der mit ihr verschmolzenen E. GmbH (im folgenden: E.). E. belieferte ein französi-
sches Unternehmen, das eine Rotationsschneidemaschine von der Klägerin bezogen hatte, mit passenden Schneidmessern, in denen die Klägerin eine Verletzung des Klagepatents sieht.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäû zur Unterlassung und zur Rechnungslegung verurteilt und ihre Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung festgestellt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daû die angegriffenen Schneidmesser in den Schutzbereich des Klagepatents fallen und die Beklagte wegen deren Herstellung und Vertriebs zur Unterlassung, zum Schadensersatz und zur Entschädigung sowie zur Rechnungslegung verpflichtet ist (§§ 14, 139 Abs. 1 und 2, 33 Abs. 1 PatG, 242 BGB).
I. Das Klagepatent betrifft ein Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier. Derartige Schneidmesser dienen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, im Zusammenwirken mit einem Gegenmesser eine Schuppe aus vereinzelten, überlappend aufeinanderliegenden Druckerzeug-
nissen zu beschneiden. Sie bestehen aus einem runden Grundkörper, dessen zur - senkrecht zur Drehachse verlaufenden - Schneidebene konische Tragfläche mit einer Vielzahl von Klingen bestückt ist.
Bei einem aus der deutschen Offenlegungsschrift 35 36 989 bekannten Schneidmesser dieser Art ist die konische Tragfläche als Vorderfläche des Grundkörpers der Schneidebene zugekehrt. Sind die Schneidflächen der (unverschiebbar ) in Ausnehmungen der Tragfläche untergebrachten Klingen abgenutzt , können sie zwar nachgeschliffen werden, jedoch verringert sich der Durchmesser des Schneidmessers entsprechend.
Das Berufungsgericht hat das technische Problem in Übereinstimmung mit den Angaben in der Klagepatentschrift dahin formuliert, die Lebensdauer derartiger Schneidmesser zu erhöhen und gleichzeitig zu gewährleisten, daû der jeweils wirksame Radius der Schneidflächen auch nach einem etwaigen Nachschleifen unverändert bleiben kann, und die erfindungsgemäûe Lösung nach dem aufrechterhaltenen Patentanspruch 1 wie folgt in Merkmale gegliedert :
1. Es handelt sich um ein mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte in Schuppenformation.
2. Das Schneidmesser besitzt einen runden, im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper.
3. Der Grundkörper weist eine Tragfläche auf, die zur - senkrecht zur Drehachse verlaufenden - Schneidebene konisch ist und Klingen oder dergleichen trägt.
4. Die Klingen

a) sind auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche des Grundkörpers angeordnet und schlieûen mit der Schneidebene einen Winkel von 10° bis 22°, vorzugsweise von 16°, ein,

b) sind in unterschiedlichen Schneidstellungen in Richtung auf die Schneidebene in länglichen Aussparungen des Grundkörpers verschiebbar gelagert und in diesen arretierbar,

c) schlieûen mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers ein, wobei der Winkel 9° bis 12° beträgt ,

d) sind in Draufsicht rechteckig ausgebildet und

e) bilden in Zahnform die Schneidfläche.
Nach den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, bei denen es sich auf den Beschluû des Bundespatentgerichts im Einspruchsverfahren bezogen hat, unterscheidet sich das so umschriebene Schneidmesser von dem im Einspruchsverfahren gewürdigten Stand der Technik insbesondere dadurch, daû die Klingenlängsachsen nur einen kleinen Winkel von 9° bis 12° zum
Radius des Grundkörpers aufweisen und die Schneidkanten entsprechend flach in das Schneidgut eintauchen, wodurch sich eine besonders vorteilhafte Schnittführung ergibt. Das wird weder von der Revisionsklägerin noch von der Revisionsbeklagten angegriffen und läût keinen Rechtsfehler erkennen.
II. Auch insoweit unbeanstandet und rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht weiterhin festgestellt, daû das von E. hergestellte und vertriebene Schneidmesser bis auf Merkmal 4 c) wortsinngemäû Patentanspruch 1 des Klagepatents entspreche. Hinsichtlich des streitigen Merkmals 4 c) hat das Landgericht gemeint, daû auch dieses verwirklicht sei, weil der Winkel bei der angegriffenen Ausführungsform selbst mit dem von der Beklagten behaupteten Maû von 8° 40' noch im Wortsinn des Anspruchs liege, zu dem der Fachmann den in der DIN ISO 2768 T2 für die Toleranzklassen "fein" und "mittel" vorgesehenen Toleranzbereich von ± 20' rechne. Das Berufungsgericht hat offengelassen , ob dem zu folgen sei, und angenommen, daû ein Winkel von 8° 40' jedenfalls eine Verletzung des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln begründe.
1. Die Auffassung der Beklagten, der Schutzbereich eines Patents, in dessen Anspruch Maûangaben als Höchst- und Mindestwerte angegeben seien , beschränke sich unter Ausschluû von Äquivalenten auf den im Anspruch genannten Bereich, hat das Berufungsgericht für unzutreffend erachtet. Zwar möge die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rechtslage vor 1978 (Sen.Urt. v. 31.1.1984 - X ZR 7/82, GRUR 1984, 425 - Bierklärmittel) im Hinblick auf die durch § 14 PatG betonte Bedeutung der Patentansprüche für die Bemessung des Schutzbereichs sowie unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Rechtssicherheit einer Einschränkung bedürfen. Sie könne jedoch nicht so weit gehen, daû jeder über den Anspruchswortlaut hinausgehende
Schutzbereich ausgeschlossen sei. Vielmehr erfasse, soweit nicht der Stand der Technik oder sonstige Umstände wie etwa Beschränkungen oder Verzichtserklärungen im Erteilungsverfahren eine einschränkende Auslegung geböten , der Schutzbereich eines Patents, dessen Anspruch Zahl- und Maûangaben enthalte, jedenfalls solche Ausführungsformen, bei denen von dem im Patent beanspruchten Bereich nur in derart geringfügigem Maû abgewichen werden, daû sich dem Fachmann die Gleichwirkung geradezu aufdränge.
2. Die Revision ist demgegenüber der Meinung, das entscheidende Gewicht , das der Rechtssicherheit für auûenstehende Dritte nach dem Auslegungsprotokoll zu Art. 69 EPÜ zukomme, hindere, den Schutzbereich von Patentansprüchen , die Zahlenangaben als Höchst- und Mindestwerte enthalten, durch Äquivalenzbetrachtungen über die im Patentanspruch genannten Grenzen hinaus zu erweitern. Solche Höchst- und Mindestwerte müûten vielmehr wörtlich genommen und als absolute Grenzen des Schutzbereichs behandelt werden. Die Rechtsprechung des Senats zur Erstreckung des Schutzbereichs auf äquivalente Ausführungsformen sei nicht auf Anspruchsmerkmale übertragbar , die mit der Formulierung "von ... bis" mit Zahlen- und Maûangaben Höchst- und Mindestwerte festlegten. Die Lehre von der Äquivalenz sei für normale Anspruchsmerkmale entwickelt worden, die den unter Schutz gestellten Gegenstand mit Worten und Begriffen definierten. Zahlen- und Maûangaben seien schon begrifflich durch die Angabe der Maûeinheit und des Zahlenwertes um ein Vielfaches schärfer und exakter definiert als ein normales, in Worten und Begriffen formuliertes Anspruchsmerkmal; sie würden daher vom angesprochenen Verkehr von vornherein als exakte scharf definierte Grenze des Schutzbereichs verstanden. Zudem habe es der Anmelder in der Hand, die
im Patentanspruch angegebenen Höchst- und Mindestwerte zu variieren und exakt an den Anwendungsbereich der Erfindung anzupassen.
3. Dem kann nur zum Teil gefolgt werden.

a) Nach § 14 PatG und der wortgleichen Vorschrift des Art. 69 Abs. 1 EPÜ wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Nach den Grundsätzen, die der erkennende Senat hierzu entwickelt hat, dient die Auslegung der Patentansprüche nicht nur der Behebung etwaiger Unklarheiten, sondern auch zur Erläuterung der darin verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung (BGHZ 98, 12, 18 f. - Formstein; 105, 1, 10 - Ionenanalyse; 125, 303, 309 f. - Zerlegvorrichtung für Baumstämme; Sen.Urt. v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung ). Abzustellen ist dabei auf die Sicht des Fachmanns, von dessen Verständnis bereits die Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschlieûlich der dort verwendeten Begriffe abhängt und das auch bei der Feststellung des über den Wortlaut hinausgehenden Umfangs des von den Patentansprüchen ausgehenden Schutzes maûgebend ist. Bei der Prüfung der Frage, ob die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung benutzt wird, ist daher zunächst unter Zugrundelegung dieses Verständnisses der Inhalt der Patentansprüche festzustellen, d.h. der dem Anspruchswortlaut vom Fachmann beigelegte Sinn zu ermitteln. Macht die angegriffene Ausführungsform von dem so ermittelten Sinngehalt eines Patentanspruchs Gebrauch, dann wird die unter Schutz stehende Erfindung benutzt. Bei einer vom Sinngehalt der Patentansprüche abweichenden Ausführung kann eine Benutzung dann vorliegen, wenn der Fach-
mann auf Grund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der Erfindung zugrundeliegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte (BGHZ 105, 1, 10 f. - Ionenanalyse; Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr). Dabei fordert es das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit, daû der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maûgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich an den Patentansprüchen auszurichten (BGHZ 106, 84, 90 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; v. 20.4.1993 - X ZR 6/91, GRUR 1993, 886, 889 - Weichvorrichtung I). Für die Zugehörigkeit einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführung zum Schutzbereich genügt es hiernach nicht, daû sie (1.) das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst und (2.) seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen , die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden. Ebenso wie die Gleichwirkung nicht ohne Orientierung am Patentanspruch festgestellt werden kann (Einzelheiten hierzu Sen.Urt. v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr), müssen (3.) darüber hinaus die Überlegungen , die der Fachmann anstellen muû, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein, daû der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht.

Von diesen Grundsätzen abzuweichen, besteht kein Anlaû. Sie stehen in Einklang mit dem Protokoll über die Auslegung von Art. 69 Abs. 1 EPÜ (BGBl. 1976 II 1000), das nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BGHZ 106, 84, 93 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung) auch zur Auslegung von § 14 PatG heranzuziehen ist. Nach Art. 2 Nr. 1 der Münchener Revisionsakte zum Europäischen Patentübereinkommen vom 29.11.2000 soll zukünftig das revidierte Auslegungsprotokoll in Art. 2 ausdrücklich vorsehen, daû bei der Bestimmung des Schutzbereichs des europäischen Patents solchen Elementen gebührend Rechnung zu tragen ist, die Äquivalente der in den Patentansprüchen genannten Elemente sind.

b) Die Grundsätze der Schutzbereichsbestimmung sind auch dann anzuwenden , wenn der Patentanspruch Zahlen- oder Maûangaben enthält. Solche Angaben nehmen an der Verbindlichkeit des Patentanspruchs als maûgeblicher Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs teil. Die Aufnahme von Zahlen- oder Maûangaben in den Anspruch verdeutlicht, daû sie den Schutzgegenstand des Patents mitbestimmen und damit auch begrenzen sollen (Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung). Es verbietet sich daher, solche Angaben als minder verbindliche, lediglich beispielhafte Festlegungen der geschützten technischen Lehre anzusehen, wie dies in der Rechtsprechung zur Rechtslage im Inland vor Inkrafttreten des Art. 69 EPÜ und der entsprechenden Neuregelung des nationalen Rechts für möglich erachtet worden ist (vgl. RGZ 86, 412, 416 f. - pyrophore Metallegierungen; RG, Urt. v. 10.3.1928 - I 238/27, GRUR 1928, 481 - Preûhefe I; OGH BrZ 3, 63, 71 f. - künstliche Wursthüllen).


c) Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und Maûangaben grundsätzlich der Auslegung fähig. Wie auch sonst kommt es darauf an, wie der Fachmann solche Angaben im Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs versteht, wobei auch hier zur Erläuterung dieses Zusammenhangs Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind. Dabei ist zu berücksichtigen , daû Zahlen- und Maûangaben schon nach ihrem objektiven Gehalt, der auch das Verständnis des Fachmanns prägen wird, nicht einheitlich sind, sondern in unterschiedlichen Formen Sachverhalte mit durchaus verschiedenen Inhalten bezeichnen können.

d) Schon diese Umstände schlieûen es aus, daû der Fachmann Zahlen-, Maû- oder Bereichsangaben eine immer gleiche feste Bedeutung zuweisen wird. Jedoch wird er solchen Angaben in aller Regel einen höheren Grad an Eindeutigkeit und Klarheit zubilligen, als dies bei verbal umschriebenen Elementen der erfindungsgemäûen Lehre der Fall wäre (v. Rospatt, GRUR 2001, 991, 993). Denn Zahlen sind als solche eindeutig, während sprachlich formulierte allgemeine Begriffe eine gewisse Abstraktion von dem durch sie bezeichneten Gegenstand bedeuten. Zudem müssen solche Begriffe, wenn sie in einer Patentschrift verwendet werden, nicht notwendig in dem Sinn gebraucht werden , den der allgemeine technische Sprachgebrauch ihnen beimiût; die Patentschrift kann insoweit ihr "eigenes Wörterbuch" bilden (vgl. Sen.Urt. v. 2.3.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube; v. 13.4.1999 - X ZR 23/97, Mitt. 2000, 105, 106 - Extrusionskopf). Aus der Sicht des fachmännischen Lesers kann durch Zahlen- und Maûangaben konkretisierten Merkmalen deshalb die Bedeutung zukommen, daû der objektive, erfindungsgemäû zu erreichende Erfolg genauer und gegebenenfalls enger eingegrenzt
wird, als dies bei bloû verbaler Umschreibung der Fall wäre. Da es Sache des Anmelders ist, dafür zu sorgen, daû in den Patentansprüchen alles niedergelegt ist, wofür er Schutz begehrt (Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 905 - Batteriekastenschnur; v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - Mechanische Betätigungsvorrichtung), darf der Leser der Patentschrift annehmen, daû diesem Erfordernis auch bei der Aufnahme von Zahlenangaben in die Formulierung der Patentansprüche genügt worden ist. Dies gilt um so mehr, als der Anmelder bei Zahlenangaben besonderen Anlaû hat, sich über die Konsequenzen der Anspruchsformulierung für die Grenzen des nachgesuchten Patentschutzes klar zu werden.
Daher ist eine deutlich strengere Beurteilung angebracht, als es der Praxis zur Rechtslage in Deutschland vor 1978 entsprach (Bruchhausen, GRUR 1982, 1, 4). Eine eindeutige Zahlenangabe bestimmt und begrenzt den geschützten Gegenstand grundsätzlich insoweit abschlieûend; ihre Über- oder Unterschreitung ist daher in aller Regel nicht mehr zum Gegenstand des Patentanspruchs zu rechnen (v. Falck, Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, S. 543, 577).
Andererseits schlieût dies nicht aus, daû der Fachmann eine gewisse, beispielsweise übliche Toleranzen umfassende, Unschärfe als mit dem technischen Sinngehalt einer Zahlenangabe vereinbar ansieht. So hat das House of Lords in der Catnic-Entscheidung (R.P.C. 1982, 163; deutsch GRUR Int. 1982, 136), die allerdings die Rechtslage im Vereinigten Königreich vor der europäischen Harmonisierung betraf, bei einem auf einen rechten Winkel gerichteten Anspruchsmerkmal Abweichungen von 6° bzw. 8° vom rechten Winkel als mit
der Annahme einer Benutzung der geschützten Lehre vereinbar angesehen. In einem solchen Fall kann es grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob im Anspruch von einem rechten Winkel oder von 90° die Rede ist. Maûgeblich ist vielmehr der unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen zu ermittelnde Sinngehalt des Patentanspruchs. In einem anderem Zusammenhang kann der gleiche Winkel sich daher dem Fachmann auch als exakt einzuhaltende Gröûe darstellen. Dies gilt grundsätzlich auch für Zahlenbereiche mit Grenzwerten (vgl. Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung; vgl. auch White, The C.I.P.A. Guide to the Patents Act, 5. Aufl., Part III, Section 125 Rdn. 22 mit Hinweis auf die soweit ersichtlich - insoweit - unveröffentlichten Entscheidungen Lubrizol v. Esso und Goldschmidt v. EOC Belgium). Ein Verständnis , daû ein Wert genau einzuhalten ist, wird vor allem dann der Vorstellung des Fachmanns entsprechen, wenn er erkennt, daû es sich um einen "kritischen" Wert handelt. Wie eine bestimmte Zahlen- oder Maûangabe im Patentanspruch demnach zu verstehen ist, ist eine Frage des der tatrichterlichen Beurteilung unterliegenden fachmännischen Verständnisses im Einzelfall.

d) Wie für die Erfassung des technischen Sinngehalts des Patentanspruchs gilt auch für die Bestimmung eines über diesen hinausreichenden Schutzbereichs, daû im Anspruch enthaltene Zahlen- oder Maûangaben mit den angegebenen Werten den geschützten Gegenstand begrenzen. Im Rahmen der Schutzbereichsbestimmung darf vom Sinngehalt der Zahlen- und Maûangaben nicht abstrahiert werden. Bei der Prüfung der Frage, ob der Fachmann eine Ausführungsform mit einem vom Anspruch abweichenden Zahlenwert aufgrund von Überlegungen, die sich am Sinngehalt der im Anspruch umschriebenen Erfindung orientieren, als gleichwirkende Lösung auffinden kann, muû vielmehr die sich aus der Zahlenangabe ergebende Eingren-
zung des objektiven, erfindungsgemäû zu erreichenden Erfolgs berücksichtigt werden. Als im Sinne des Patentanspruchs gleichwirkend kann nur eine Ausführungsform angesehen werden, die der Fachmann als eine solche auffinden kann, die nicht nur überhaupt die Wirkung eines - im Anspruch zahlenmäûig eingegrenzten - Merkmals der Erfindung erzielt, sondern auch gerade diejenige , die nach seinem Verständnis anspruchsgemäû der zahlenmäûigen Eingrenzung dieses Merkmals zukommen soll. Fehlt es daran, ist auch eine objektiv und für den Fachmann erkennbar technisch ansonsten gleichwirkende Ausführungsform vom Schutzbereich des Patents grundsätzlich nicht umfaût.
Damit im Kern übereinstimmend hat auch die Rechtsprechung im Vereinigten Königreich zur Feststellung einer Verletzung geprüft, ob die fachkundige Öffentlichkeit erwarten und sich darauf einstellen darf, daû es nach dem Patent auf die genaue Einhaltung des Wortlauts des Patentanspruchs ankommen soll (vgl. die sog. dritte Catnic-Frage; für das harmonisierte Recht u.a. Patents Court, F.S.R. 1989, 181 = GRUR Int. 1993, 245 - Improver Corporation v. Remington Consumer Products Ltd. ("Epilady"-Fall); Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 - Kastner v. Rizla Ltd.). Bezogen auf ein einzelnes Merkmal des Patentanspruchs geht es darum, ob das betreffende Merkmal dem Fachmann als ein solches erscheint, das ausschlieûlich wortsinngemäû benutzt werden kann, wenn die beanspruchte Lehre zum technischen Handeln eingehalten werden soll (vgl. Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 - Kastner v. Rizla Ltd.). Ein solches Verständnis kann insbesondere bei Zahlen- und Maûangaben in Betracht zu ziehen sein (vgl. Patents Court, R.P.C. 1997, 649 - Auchincloss v. Agricultural & Veterinary Supplies Ltd.).
Wie bei anderen Elementen des Patentanspruchs auch darf deshalb die anspruchsgemäûe Wirkung nicht unter Auûerachtlassung von im Anspruch enthaltenen Zahlen- und Maûangaben bestimmt werden. Es reicht daher für die Einbeziehung abweichender Ausführungsformen in den Schutzbereich grundsätzlich nicht aus, daû nach der Erkenntnis des Fachmanns die erfindungsgemäûe Wirkung im übrigen unabhängig von der Einhaltung des Zahlenwertes eintritt. Erschlieût sich dem Fachmann kein abweichender Zahlenwert als im Sinne des anspruchsgemäûen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich insoweit nicht über den Sinngehalt des Patentanspruchs hinaus. Die anspruchsgemäûe Wirkung des zahlenmäûig bestimmten Merkmals wird in diesem Fall nach dem Verständnis des Fachmanns durch die (genaue ) Einhaltung eines Zahlenwertes bestimmt und kann daher notwendigerweise durch einen abweichenden Zahlenwert nicht erzielt werden. In einem solchen Fall genügt es nicht, daû der Fachmann auch eine von der Zahlenangabe abstrahierende Lehre als technisch sinnvoll erkennt.
Der Anmelder wird nicht immer den vollen technischen Gehalt der Erfindung erkennen und ausschöpfen; er ist auch - unbeschadet der Frage, ob ihm das rechtlich möglich ist - von Rechts wegen nicht gehalten, dies zu tun. Beschränkt sich das Patent bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung , als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre, darf die Fachwelt darauf vertrauen, daû der Schutz entsprechend beschränkt ist. Dem Patentinhaber ist es dann verwehrt, nachträglich Schutz für etwas zu beanspruchen, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen. Das gilt selbst dann, wenn der Fachmann erkennt, daû die erfindungsgemäûe Wirkung als solche (in dem vorstehend ausgeführ-
ten engeren Sinn) über den im Patentanspruch unter Schutz gestellten Bereich hinaus erreicht werden könnte.
4. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze läût die Bestimmung des Schutzbereichs des Klagepatents durch das Berufungsgericht keinen Rechtsfehler erkennen.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die angegriffenen Schneidmesser erzielten mindestens im wesentlichen die gleiche Wirkung wie Vorrichtungen, bei denen der Winkel zwischen den Längsachsen der Klingen und dem jeweiligen Radius des Grundkörpers zwischen 9° und 12° liege. Die im Klagepatent unter Schutz gestellte geringfügige Abwinklung der Klingen zum jeweiligen Radius führe im Vergleich mit dem Stand der Technik zu einer anderen Schneidgeometrie. Sie bewirke, wie das Bundespatentgericht in seinem Beschluû vom 15. Februar 1996 überzeugend ausgeführt habe, im Zusammenwirken mit der Grundform der Klingen, daû bei einem entsprechend dem Klagepatent ausgestalteten Schneidmesser stets das radial innere Ende der Schneidkante zuerst in das Papier eintauche. Das flache Eintauchen der Schneidkanten in das Schneidgut gewährleiste einen "sanften Einschnitt", wobei gleichzeitig die gegenüber einem Rundmesser bessere Schneidwirkung einer zahnförmigen Schneidfläche erhalten bleibe. Diese Wirkungen träten, wie auch die Beklagte nicht in Abrede stelle, bei der Wahl eines geringfügig spitzeren Winkels (8° 40© statt 9°) in gleicher Weise ein.
Der Fachmann, dem die Wirkungsweise eines gemäû dem Hauptanspruch des Patents ausgestalteten Schneidmesser auch ohne nähere Darstellung in der Beschreibung aufgrund seines Fachwissens klar sei, könne auf-
grund von Überlegungen, die sich an der im Anspruch 1 umschriebenen Erfindung orientierten, ohne weiteres erkennen, daû die Wahl eines geringfügig spitzeren Winkels die erzielten Ergebnisse nicht wesentlich ändere. Allerdings werde der Fachmann dann, wenn in einem Patentanspruch ein bestimmter Bereich vorgegeben sei und sich der Patentschrift kein Anhaltspunkt dafür entnehmen lasse, daû die beanspruchten Werte nur beispielhaft gemeint sein könnten, in der Regel keinen Anlaû haben, sich darüber Gedanken zu machen, ob die Erfindung auch bei der Wahl anderer Werte ausführbar sein könnte. Etwas anderes müsse aber für solche Werte gelten, die nur in so geringem Maû auûerhalb des im Patent genannten Bereichs lägen, daû eine ins Gewicht fallende Änderung der Wirkung von vornherein ausgeschlossen erscheine. So liege es im Streitfall, da der Winkel von 8° 40© um weniger als 4 % von dem im Patent genannten unteren Wert abweiche. Dem angesprochenen Fachmann - einem mit einschlägigen Schneidanordnungen vertrauten Maschinenbauingenieur - sei zudem bekannt, daû eine Abweichung von ± 20© sich im Rahmen der von der einschlägigen DIN-Norm vorgegebenen Allgemeintoleranz für Winkelmaûe halte.
Dem Inhalt der Patentschrift und dem dort mitgeteilten Stand der Technik könne nicht entnommen werden, daû die Vermeidung einer noch so geringfügigen Überschreitung des im Merkmal 4 c) der Merkmalsgliederung genannten Bereichs für die unter Schutz gestellte Lehre wesentlich und bestimmend sei. Bei der in der Patentschrift gewürdigten DE-OS 35 36 989 seien die Längsachsen der Klingen parallel zum jeweiligen Radius angeordnet, ihre Schneidkanten seien schräg zu den Längsachsen in der Weise orientiert, daû stets das radial äuûere Ende zuerst in das Papier eintauche. Aber auch der übrige, im Einspruchsverfahren herangezogene und auf dem Deckblatt der
Klagepatentschrift genannte Stand der Technik gebe keine Veranlassung zu einer einschränkenden und eine äquivalente Verletzung ausschlieûenden Auslegung des Patents.
Damit hat das Berufungsgericht alle maûgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt , daû der Fachmann den unteren Wert des Winkelbereichs von 9° bis 12° im Prioritätszeitpunkt nicht als starren Grenzwert ansah und eine Ausführungsform , bei der das Winkelmaû von 9° geringfügig unterschritten wird, als gleichwirkend auffinden konnte. Aus den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Wirkung der im Klagepatent unter Schutz gestellten geringfügigen Abwinklung der Klingen zum jeweiligen Radius, die im Vergleich mit dem Stand der Technik zu einer anderen Schneidgeometrie führe, ergibt sich, daû der für den Fachmann erkennbare technische Sinngehalt des durch die Bereichsangabe 9 bis 12° näher definierten spitzen Winkels zum jeweiligen Radius des Grundkörpers in dieser durch den Winkel bestimmten und im Anspruch durch die Winkelangabe ausgedrückten Schneidgeometrie zu finden ist. Dann konnte das Berufungsgericht aber auch ohne Rechtsfehler zu der Feststellung gelangen , daû der Fachmann den objektiv unstreitig gleichwirkenden geringfügig kleineren Winkel der angegriffenen Ausführungsform aufgrund von Überlegungen als gleichwirkend auffinden konnte, die sich derart am Sinngehalt des Patentanspruchs einschlieûlich der in Merkmal 4 c) enthaltenen Winkelangabe orientierten, daû er die angegriffene Ausführungsform als der gegenständlichen gleichwertige Lösung des dem Klagepatent zugrundeliegenden Problems in Betracht zog.
5. Die Rüge der Revision, mit der Berufung auf die Allgemeintoleranz setze sich das Berufungsgericht in Widerspruch zu seiner Unterstellung, nach dem Verständnis des Fachmanns seien bei der Angabe des Bereichs 9° bis 12° Herstellungstoleranzen bereits berücksichtigt, ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat mit dieser Unterstellung ersichtlich nur sagen wollen, der technische Sinngehalt (Wortsinn) des Winkelbereichs 9° bis 12° dürfe nach dem Verständnis des Fachmanns nicht noch um einen Toleranzbereich auf 8° 40© bis 12° 20© erweitert werden. Das schloû es nicht aus, bei der Prüfung der Frage, ob die angegriffene Ausführungsform vom Fachmann als gleichwirkend aufgefunden werden konnte, das geringe, sich im Rahmen der üblichen Toleranz haltende Maû der Abweichung vom Wortlaut des Anspruchs zu berücksichtigen.
6. Keinen Erfolg hat auch die weitere Rüge, das Klagepatent sei im Einspruchsbeschwerdeverfahren durch Aufnahme des Winkelbereichs 9° bis 12° eingeschränkt worden, was es ausschlieûe, den Schutzbereich über diese Grenzen hinaus wieder auszudehnen.
Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Beschränkung nehme dem Klagepatent nicht den Schutzbereich, den es gehabt hätte, wenn es schon in der nunmehr geltenden Fassung angemeldet (und erteilt) worden wäre. Das ist richtig, und dabei hat das Berufungsgericht auch nicht, wie die Revision meint, übersehen, daû das Klagepatent "doppelt" beschränkt worden ist, nämlich zunächst durch die Aufnahme des Merkmals des spitzen Winkels aus dem erteilten Anspruch 6 und sodann durch den konkreten Winkelbereich aus dem erteilten Anspruch 7. Denn das schlieût es zwar aus, jeden spitzen Winkel als äquivalent anzusehen, verbietet jedoch nicht die Annahme, der Fachmann er-
kenne eine geringfügige Unterschreitung des 9°-Winkels als für die erfindungsgemäûe Wirkung unschädlich.
III. Ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Rechtsfolgen, die es aus der festgestellten Patentverletzung abgeleitet hat; die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen. Sie ist daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, daß der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 verbotenen Weise zu handeln.

(3) Personen, die die in § 11 Nr. 1 bis 3 genannten Handlungen vornehmen, gelten im Sinne des Absatzes 1 nicht als Personen, die zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind.

Der Beweis wird durch die Vorlegung der Urkunde angetreten.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X Z R 8 1 / 1 3 Verkündet am:
13. Januar 2015
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Kochgefäß
EPÜ Art. 69; PatG § 14; IntPatÜbkG Art. II § 3 i.d.F vom 20. Dezember 1991

a) Zur Prüfung der Gleichwirkung ist es erforderlich, den Patentanspruch darauf
zu untersuchen, welche der Wirkungen, die mit seinen Merkmalen erzielt
werden können, zur Lösung der zugrundeliegenden Aufgabe erfindungsgemäß
zusammenkommen müssen. Die Gesamtheit dieser Wirkungen repräsentiert
die patentgemäße Lösung; ihre weitere Unterteilung in "erfindungswesentliche"
und "zusätzliche" Wirkungen ist verfehlt.

b) Auf den Gutglaubensschutz nach Art. II § 3 Abs. 5 IntPatÜbkG aF kann sich
auch derjenige berufen, dem die fehlerhafte Übersetzung der Patentschrift
nicht bekannt war, der jedoch in Kenntnis derselben zu dem Schluss hätte
kommen dürfen, dass durch das Patent ein von dem tatsächlich unter Schutz
gestellten abweichender Gegenstand geschützt ist.
BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 - X ZR 81/13 - OLG München
LG München I
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Januar 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter
Gröning, Dr. Bacher und Dr. Deichfuß und die Richterin Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das am 23. Mai 2013 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin war Inhaberin des am 4. Oktober 1991 angemeldeten, mit Wir1 kung für Deutschland erteilten und inzwischen wegen Ablaufs der Schutzdauer erloschenen europäischen Patents 481 303, das Kochgefäße mit einem kapselförmigen Boden mit einem seitlich profilierten Band betrifft (Klagepatent). Der einzige Anspruch des Klagepatents lautet in der Verfahrenssprache: "A cooking pan (10) with a capsular base (18), characterised in that the lateral wall (26) of the protection covering (22) of said capsular base (18) is shaped with raised portions (28, 30) and/or depressions (32, 34) obtained by providing corresponding recesses and/or projections in the relative region of the die of the mould used to produce said capsular base (18)."
2
Die Klägerin hat die Beklagten wegen des Vertriebs bestimmter Topfmodelle in Deutschland mit der Behauptung, die angegriffenen Ausführungsformen verletzten das Klagepatent, auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Im Berufungsrechtszug haben die Parteien nach dem Ablauf der Schutzfrist den Rechtsstreit hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Berufungsgericht hat ein Gutachten eingeholt und sodann die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten, soweit der Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, den Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


3
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung. I. Das Klagepatent betrifft Kochgefäße, die aus Metall mit niedrigem Wärme4 leitvermögen, beispielsweise aus rostfreiem Stahl (Edelstahl), hergestellt werden. Eine bessere Verteilung der Wärme auf den Inhalt des Topfes wird bei solchen Kochgefäßen dadurch erreicht, dass auf der Unterseite des Topfes eine gut wärmeleitende Schicht, etwa aus Aluminium, aufgebracht wird. Um diese gut wärmeleitende Schicht zu schützen, wird sie mit einer weiteren Metallschicht umhüllt, die eine größere Beständigkeit gegen Oxidation, Korrosion und Zerkratzen aufweist und typischerweise aus Edelstahl besteht. Im Stand der Technik war es nach der Beschreibung des Klagepatents bekannt, die gut wärmeleitende Schicht nicht nur an der Unterseite zu schützen, sondern die Schutzschicht auch seitlich hochzuziehen, so dass sie den seitlichen Rand der gut wärmeleitenden Schicht schützt. Das Ergebnis ist ein Kochgefäß, bei dem die Schicht aus Metall mit gutem Wärmeleitvermögen vollkommen eingeschlossen ist von Metall mit niedrigerem Wärmeleitvermögen und größerer Beständigkeit gegen Oxidation, Korrosion und Zerkratzen. Ein solches Kochgefäß ist im Klagepatent als "capsular base pan" bezeichnet (Sp. 1, Z. 23 ff.). Ein Kochgefäß dieser Art, bei dem eine gute Verbindung der einzelnen
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Schichten des Bodens erzielt wird, kann nach der Beschreibung durch das im europäischen Patent 209 745 und im italienischen Patent 1 209 648 geschilderte Verfahren hergestellt werden. Dabei wird an der Unterseite des Topfbodens in der Mitte eine konkave Verformung gebildet. Wird ein solchermaßen hergestellter Topf erwärmt , dehnen sich die Schichten des Topfbodens und insbesondere die gut wärmeleitende Schicht aus. Das führt nach der Darstellung in der Beschreibung des Klagepatents tendenziell zu einer konvexen Verformung des Topfbodens, die unter idealen Bedingungen, nämlich bei gleichmäßiger Erwärmung des Topfbodens, durch die erwähnte konkave Verformung kompensiert wird. Diese idealen Bedingungen liegen jedoch nicht immer vor, insbesondere dann nicht, wenn das Kochgefäß nicht mittig auf der Wärmequelle steht. In einer solchen Situation kann es bei Erhitzen des Kochgefäßes zu peripheren Deformationen kommen, die durch die konkave Wölbung im Boden nicht kompensiert werden. Ist der Boden nicht völlig eben, bringt dies den Nachteil mit sich, dass er nicht vollständig auf der Wärmequelle aufliegt und die Weiterleitung der Wärme an das Kochgefäß und seinen Inhalt beeinträchtigt wird. Das technische Problem besteht mithin darin, ein Kochgefäß mit einem kap6 selförmigen Boden dahin weiter zu entwickeln, dass periphere Deformationen verhindert werden. Erfindungsgemäß soll das durch ein Kochgefäß mit den Merkmalen des Pa7 tentanspruchs erreicht werden, die sich wie folgt gliedern lassen: 1. Kochgefäß mit kapselförmigem Boden; 2. die Seitenwand der Schutzabdeckung des kapselförmigen Bodens ist mit erhöhten Bereichen und/oder Vertiefungen geformt; 3. die erhöhten Bereiche und/oder Vertiefungen werden dadurch erhalten , dass im zugehörigen Bereich der Matrize des zur Herstellung des kapselförmigen Bodens verwendeten Presswerkzeugs entsprechende Ausnehmungen und/oder Vorsprünge vorgesehen sind.
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In der zunächst eingereichten deutschen Übersetzung der Patentschrift war der Begriff "mould" in Anspruch und Beschreibung als "Gusswerkzeug" übersetzt worden. Eine berichtigte Übersetzung der Patentschrift ist von der Klägerin erst im Verlauf des Verfahrens vor dem Landgericht beim Patentamt eingereicht worden. Mit dem Klagepatent ist der Klägerin Schutz für ein Erzeugnis gewährt wor9 den, das auch durch das Verfahren zu seiner Herstellung beschrieben wird. Nach Merkmal 3 werden die erhöhten Bereiche oder Vertiefungen der Seitenwand dadurch erhalten, dass das zur Herstellung des kapselförmigen Bodens verwendete Presswerkzeug entsprechende Ausnehmungen oder Vertiefungen im zugehörigen Bereich der Matrize aufweist. Diese Formulierung des Anspruchs als product-by-processAnspruch dient allein der Kennzeichnung des patentgemäßen Erzeugnisses und bringt keine Beschränkung auf Erzeugnisse zum Ausdruck, die tatsächlich mittels der in Merkmal 3 geschilderten Vorgehensweise hergestellt worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 1993 - X ZB 13/90, BGHZ 122, 144, 155 - Tetraploide Kamille; BGH, Urteil vom 8. Juni 2010 - X ZR 71/08, Juris Rn. 23). Auch aus der gebotenen Auslegung des Patentanspruchs unter Berücksichtigung der Beschreibung des Klagepatents (BGH, Urteil vom 19. Juni 2001 - X ZR 159/98, GRUR 2001, 1129, 1133 - Zipfelfreies Stahlband) ergeben sich keine Hinweise auf eine Beschränkung des geschützten Gegenstands durch den zu seiner Kennzeichnung herangezogenen Verfahrensweg. Soweit in der Beschreibung unter Verweis auf die europäische Patentanmeldung 209 745 und das italienische Patent 1 209 648 geschildert wird, dass die dort beschriebene Vorgehensweise, bei der die verschiedenen Bestandteile der Bodenkonstruktion in bestimmter Weise erhitzt und durch stoßartigen, zunächst zentral aufgebrachten Druck verbunden werden, zu einer besonders guten Verbindung der verschiedenen Schichten untereinander führe (Sp. 1, Z. 40 ff.), hat dies keinen Eingang in den Patentanspruch gefunden, der lediglich verlangt, dass die erhöhten Bereiche oder Vertiefungen mittels korrespondierender Ausnehmungen oder Vorsprünge der Matrize eines Presswerkzeugs hergestellt werden können.
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II. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beklagten könnten sich nicht mit Erfolg darauf berufen, das Klagepatent
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habe nach Art. II § 3 Abs. 2 IntPatÜbkG in der bis zum 1. Mai 2008 geltenden Fassung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland wegen der fehlerhaften Übersetzung von vornherein keine Wirkung entfaltet. Eine inhaltlich unrichtige oder unvollständige Übersetzung stehe einer fehlenden Übersetzung nicht gleich. Zutreffend habe das Landgericht eine wortsinngemäße Verletzung verneint.
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Bei den angegriffenen Ausführungsformen fehle es an einem kapselförmigen Boden. Darunter sei nach dem Klagepatent ein Boden zu verstehen, bei dem die Schicht mit hoher Wärmeleitfähigkeit vollständig eingekapselt sei. Dies erfordere, dass die Edelstahlschicht die Schicht mit hoher Wärmeleitfähigkeit nicht nur an der Topfunterseite vollständig abdecke, sondern auch seitlich bis zum Topfboden hochgezogen sei. Bei den von der Beklagten vertriebenen Töpfen sei die gut wärmeleitende Schicht nicht vollständig eingekapselt. Daher sei das gut wärmeleitende Material nicht gegen jegliche Korrosion, Oxidation oder mechanische Beschädigung geschützt. Die angegriffenen Ausführungsformen machten vom Klagepatent aber äquiva13 lent Gebrauch. Die erforderliche Gleichwirkung liege vor. Die Behauptung der Beklagten , das Problem, mit dem sich das Klagepatent befasse - die Verhinderung peripherer Deformationen, die zu Unebenheiten des Topfbodens führten - könne bei den angegriffenen Töpfen nicht auftreten, weil dort die Schicht hoher Wärmeleitfähigkeit nicht vollständig eingekapselt sei, treffe nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht zu. An der Gleichwirkung fehle es auch nicht deshalb, weil die angegriffenen Töpfe keinen kapselförmigen Boden aufwiesen. Die vollständige Einkapselung der gut wärmeleitenden Schicht diene dazu, eine Oxidation, Korrosion oder mechanische Beschädigung dieser Schicht vollständig zu verhindern. Auf die- sen Vorteil des kapselförmigen Bodens komme es aber hier nicht an. Nachdem das Problem, dem sich das Streitpatent widme - die Verhinderung einer Deformation des Topfbodens beim Erwärmen - auch bei Töpfen mit unvollständiger Verkapselung auftreten könne, seien aus dem Erfordernis eines kapselförmigen Bodens keine Mindestanforderungen an den Schutz der gut wärmeleitenden Schicht abzuleiten, denn insoweit handele es sich um eine zusätzliche Wirkung neben der mit dem Merkmal beabsichtigten erfindungswesentlichen Wirkung der Erhöhung der Steifigkeit von Deformationen im peripheren Bereich. Eine andere Beurteilung sei auch in Bezug auf den Einsatz einer Kupferschicht in der Mitte des Topfbodens bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht veranlasst. Der Fachmann habe die abgewandelte Ausführungsform ohne erfinderisches Bemühen auffinden können. Für ihn sei erkennbar gewesen, dass ein Boden, bei dem auf eine vollständige Kapselung verzichtet werde , nicht nur einfacher herzustellen sei, sondern auch dieselben Vorteile in Bezug auf die Versteifung und die dadurch bedingten Auswirkungen auf das Verformungsverhalten biete. Die abgewandelte Ausführungsform sei auch gleichwertig. Sie knüpfe an den Sinngehalt der Lehre des Klagepatents an, weil sie sich ebenso wie diese die Auswirkungen der randseitigen Versteifung auf das Verformungsverhalten bei Erwärmung des Kochgefäßes zunutze mache. Auch mit dem Verweis auf den Gutglaubensschutz nach Art. II § 3 Abs. 5 Int14 PatÜbkG müssten die Beklagten erfolglos bleiben. Auf diese Norm könne sich nur berufen, wer die Erfindung im Vertrauen auf die Richtigkeit der fehlerhaften Übersetzung in Benutzung genommen habe. Voraussetzung hierfür sei, dass der Betreffende die fehlerhafte Übersetzung gekannt habe. Entgegen der Auffassung der Beklagten könne sich derjenige, der, wie die Beklagten von sich behaupteten, das Klagepatent nicht gekannt habe, nicht auf guten Glauben berufen.
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III. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
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1. Das Berufungsgericht hat eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents zu Recht verneint. Ein Kochgefäß mit kapselförmigem Boden im Sinne des Merkmals 1 liegt nach dem zutreffenden Verständnis des Klagepatents durch das Berufungsgericht nur vor, wenn die im Bereich des Bodens des Kochgefäßes angebrachte Schicht aus Metall mit gutem Wärmeleitvermögen vollständig von einer Schicht aus Metall mit niedrigerem Wärmeleitvermögen, aber größerer Beständigkeit gegen Oxidation, Korrosion und Zerkratzen, etwa Edelstahl, eingeschlossen ist. Dies ergibt sich aus der ausdrücklichen Definition eines Kochgefäßes mit kapselförmigem Boden, die die Beschreibung als "patenteigenes Lexikon" mit der Darstellung der insoweit vorbekannten und durch Merkmal 2 weiterentwickelten Ausgestaltung enthält. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass bei den angegriffenen Ausführungsformen die Edelstahlschicht an den Seitenflächen nicht bis zur Oberkante des Topfbodens hochgezogen und daher die Schicht aus gut wärmeleitendem Aluminium an ihrem seitlichen Rand nur teilweise von einer Edelstahlschicht geschützt ist. Außerdem ist im Zentrum des Bodens eine Kupferronde eingesetzt. 2. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine äquivalente Verletzung
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des Klagepatents bejaht hat, ist, wie die Revision zu Recht geltend macht, nicht tragfähig.
a) Damit eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführung in
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dessen Schutzbereich fällt, muss regelmäßig dreierlei erfüllt sein. Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit zwar abgewandelten , aber objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquivalente) Lösung in Betracht zu ziehen und damit nach dem Gebot des Artikels 2 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (vgl. u.a. Senat, Urteil vom 12. März 2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I; Urteil vom 17. April 2007 - X ZR 1/05, GRUR 2007, 959, 961 - Pumpeinrichtung). Der Schutzbereich des Patents wird auf diese Weise nach Maßgabe dessen bestimmt, was der Fachmann auf der Grundlage der erfindungsgemäßen Lehre als äquivalent zu erkennen vermag, und damit an dem Gebot des Art. 1 des Auslegungsprotokolls ausgerichtet, bei der Bestimmung des Schutzbereichs einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte zu verbinden (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2010, GRUR 2011, 313 Rn. 35 - Crimpwerkzeug IV).
b) Für die Frage der Gleichwirkung ist entscheidend, welche einzelnen Wir19 kungen die patentgemäßen Merkmale - für sich und insgesamt - zur Lösung der dem Patentanspruch zugrundeliegenden Aufgabe bereitstellen und ob diese Wirkungen bei der angegriffenen Ausführungsform durch andere Mittel erzielt werden. Danach ist es erforderlich, den Patentanspruch darauf zu untersuchen, welche der Wirkungen , die mit seinen Merkmalen erzielt werden können, zur Lösung der zugrundeliegenden Aufgabe patentgemäß zusammenkommen müssen. Diese Gesamtheit repräsentiert die patentierte Lösung und stellt deshalb die für den anzustellenden Vergleich maßgebliche Wirkung dar (BGH, Urteil vom 28. Juni 2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr; Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 113/11, GRUR 2012, 1122 Rn. 19 - Palettenbehälter III). Nur so ist gewährleistet, dass trotz Abwandlung bei einem oder mehreren Merkmalen lediglich solche Ausgestaltungen vom Schutzbereich des Patentanspruchs umfasst werden, bei denen der mit der geschützten Erfindung verfolgte Sinn beibehalten ist. Als gleichwirkend kann eine Ausführungsform nur dann angesehen werden, wenn sie nicht nur im Wesentlichen die Gesamtwirkung der Erfindung erreicht, sondern gerade auch diejenige Wirkung erzielt , die das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmal erzielen soll (BGH, GRUR 2012, 1122 Rn. 26 - Palettenbehälter III).
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c) Die Ausführungen des Berufungsgerichts hierzu stehen mit dieser Rechtsprechung nicht in Einklang. aa) Die in Merkmal 2 beschriebene Ausgestaltung der Seitenwand der
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Schutzabdeckung mit erhöhten Bereichen und/oder Vertiefungen bewirkt die Ausbildung von Rippen, die den Umfangstreifen der Schutzschicht versteifen, auf diese Weise peripheren Verformungen des Bodens des Kochgefäßes, wie sie etwa durch ungleiche Erwärmung entstehen können, entgegenwirken und damit einen guten Kontakt zwischen Gefäßboden und Wärmequelle sicherstellen. Wird das Kochgefäß gemäß Merkmal 1 mit einem kapselförmigen Boden versehen, zielt dies darauf, die gut wärmeleitenden Bestandteile der Bodenkonstruktion gegen Oxidation, Korrosion oder mechanische Beschädigung, etwa ein Zerkratzen, dadurch zu schützen, dass sie vollständig von einer Schicht aus Metall - etwa Edelstahl - umgeben werden, die eine größere Beständigkeit gegen solche Einwirkungen aufweist. Gleichwirkung kommt mithin nur in Betracht, wenn beide Wirkungen bei den angegriffenen Ausführungsformen erzielt werden. bb) Das Berufungsgericht hat zwar festgestellt, dass die Wirkungen, die mit
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den Versteifungen in der Seitenwand der Schutzabdeckung gemäß Merkmal 2 erzielt werden sollen, nach dem Ergebnis des hierzu eingeholten Sachverständigengutachtens bei den angegriffenen Kochgefäßen gleichfalls erreicht werden. In Bezug auf die Wirkungen, die mit dem kapselförmigen Boden erzielt werden sollen, hat es demgegenüber ausgeführt, dem Merkmal 1 könnten keine Mindestanforderungen an die Schutzwirkung vor Oxidation, Korrosion und mechanische Beschädigung entnommen werden. Insoweit handele es sich um eine zusätzliche Wirkung neben der mit den Merkmalen 2 und 3 verfolgten, erfindungswesentlichen Wirkung der Erhöhung der Steifigkeit des Topfbodens. Diese Ausführungen stimmen mit der dargestellten Rechtsprechung des Se23 nats nicht überein. Sie berücksichtigen nicht, dass eine Gleichwirkung nur angenommen werden kann, wenn sämtliche erfindungsgemäßen Wirkungen erzielt wer- den. Das Berufungsgericht hat vielmehr rechtsfehlerhaft zwischen erfindungswesentlichen und zusätzlichen Wirkungen unterschieden und angenommen, es komme nicht darauf an, ob die angegriffene Ausführungsform auch letztere erziele. Dies wird auch dadurch belegt, dass das Berufungsgericht sich zustimmend auf die Ausführungen des Landgerichts bezogen hat, das die Kapselung der gut wärmeleitenden Schicht als für die Lehre des Patents bedeutungslosen Zweck bezeichnet hat. Mit der gegebenen Begründung kann das Berufungsurteil daher keinen Bestand haben.
d) Eine abschließende Entscheidung des Senats in der Sache scheidet aus,
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weil Feststellungen dazu fehlen, ob die erfindungsgemäßen Wirkungen durch die angegriffenen Ausführungsformen in einem praktisch noch erheblichen Maße erreicht werden. Eine Ausführungsform, die anstelle eines im Patentanspruch genannten
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Merkmals eine abweichende Gestaltung aufweist, fällt nicht nur dann in den Schutzbereich eines Patents, wenn sie die erfindungsgemäßen Wirkungen ohne jede Einschränkung erreicht. Für eine Gleichwirkung kann es genügen, dass eine nach dem Patentanspruch erforderliche Wirkung durch abgewandelte Mittel nur in eingeschränktem Umfang erzielt wird. Unter dem Gesichtspunkt angemessener Belohnung des Erfinders kann die Einbeziehung in den Schutzbereich eines Patents bereits dann sachgerecht sein, wenn die erfindungsgemäßen Wirkungen im Wesentlichen , also in einem praktisch noch erheblichen Maße, erzielt werden. Hierfür kommt es auf die patentgemäße Wirkung und eine sich hieran orientierende Gewichtung der bei den angegriffenen Ausführungsformen festgestellten Defizite an (BGH, Urteil vom 2. März 1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 914 - Spannschraube; BGH, GRUR 2005, 1005, 1006 - Bratgeschirr; BGH, GRUR 2012, 1122 Rn. 27 - Palettenbehälter

III).

Bei den angegriffenen Ausführungsformen wird die mit Merkmal 1 verfolgte
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Wirkung jedenfalls nur in eingeschränktem Umfang erreicht. Die gut wärmeleitende Aluminiumschicht wird an ihrem seitlichen Rand nur teilweise von einer Schutz- schicht aus Edelstahl abgedeckt. Zudem weist die Schutzschicht im Zentrum der Topfbodenunterseite eine runde Einlage aus Kupfer auf und damit aus einem Material , das im Verhältnis zu Edelstahl weich und gut wärmeleitend ist. Für die Frage, ob die durch die nicht vollständige Verkapselung der gut wärmeleitenden Bestandteile der Bodenkonstruktion erzielte Wirkung noch als patentgemäß angesehen werden kann, wird es insbesondere darauf ankommen, welche praktische Bedeutung dem Schutz der einzelnen Bereiche des Topfbodens vor Korrosion, Oxidation und mechanischer Beschädigung zukommt und welche Beeinträchtigungen aus Sicht des Fachmanns hinsichtlich der Funktion und des Erscheinungsbilds bei bestimmungsgemäßer Nutzung der Kochgefäße zu erwarten sind, wenn in eine aus Edelstahl bestehende Schutzschicht im Zentrum der Topfbodenunterseite eine Kupferronde eingesetzt ist und der obere Teil des Seitenrandes der Aluminiumschicht freiliegt und insoweit kein vollständiger Schutz gegen die genannten Einwirkungen gewährleistet ist. Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang nicht getroffen. IV. Das Urteil des Berufungsgerichts kann danach keinen Bestand haben; es
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ist aufzuheben. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). 1. Sollte sich im wiedereröffneten Berufungsverfahren ergeben, dass eine
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Gleichwirkung im oben erläuterten Sinne vorliegt, wird das Berufungsgericht auf dieser Grundlage zu prüfen haben, ob die weiteren Voraussetzungen für eine äquivalente Verletzung vorliegen. 2. Für den Fall, dass das Berufungsgericht wiederum zu dem Ergebnis
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kommen sollte, dass die angegriffenen Ausführungsformen das Klagepatent mit gleichwertigen Mitteln verletzen, wird das Berufungsgericht erneut der Frage nachzugehen haben, ob sich die Beklagten auf den Gutglaubensschutz nach Art. II § 3 Abs. 5 IntPatÜbkG in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung berufen können.
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a) Zutreffend hat das Berufungsgericht zugrunde gelegt, dass das Übersetzungserfordernis nach Art. II § 3 Abs. 1 IntPatÜbkG aF für das Klagepatent maßgeblich ist. Zwar ist der bisherige Art. II § 3 IntPatÜbkG aufgehoben worden. Die Norm findet aber auf europäische Patente, die vor dem 1. Mai 2008 veröffentlicht worden sind, weiterhin in der Fassung Anwendung, die im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Patents gegolten hat (Art. XI § 4 IntPatÜbkG). Nachdem der Hinweis auf die Erteilung des Streitpatents am 3. Mai 1995 veröffentlicht worden ist, ist hier die bis zum 31. Dezember 2001 geltende Fassung von Art. II § 3 IntPatÜbkG maßgeblich. Danach hatte der Anmelder oder Inhaber eines in fremder Verfahrenssprache
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erteilten europäischen Patents, das mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilt werden sollte, binnen drei Monaten ab Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents eine deutsche Übersetzung der Patentschrift einzureichen; anderenfalls galten die Wirkungen des europäischen Patents für das Inland als von Anfang an nicht eingetreten (Art. II § 3 Abs. 1 und 2 IntPatÜbkG aF). Nach Art. II § 3 Abs. 5 IntPatÜbkG aF darf im Falle einer fehlerhaften Übersetzung einer europäischen Patentschrift derjenige, der im Inland in gutem Glauben die Erfindung in Benutzung genommen oder wirkliche und ernsthafte Veranstaltungen zur Benutzung der Erfindung getroffen hat, nach Veröffentlichung der berichtigten Übersetzung die Benutzung für die Bedürfnisse seines eigenen Betriebs in eigenen oder fremden Werkstätten unentgeltlich fortsetzen, wenn die Benutzung keine Verletzung des Patents in der fehlerhaften Übersetzung der Patentschrift darstellen würde.
b) Die unter dem Aktenzeichen 691 09 436 T2 ursprünglich eingereichte
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Übersetzung des Klagepatents war fehlerhaft, insbesondere war angegeben, dass die erhöhten Bereiche und Vertiefungen "durch Vorsehen entsprechender Vertiefun- gen und/oder Vorsprünge im zugehörigen Bereich des (…) verwendeten Gußwerk- zeugs" erhalten werden. Erst in einer berichtigten Übersetzung, die die Klägerin auf einen Hinweis des Landgerichts beim Patentamt eingereicht hat (691 09 436 T4), wurde die entsprechende Wendung in der Verfahrenssprache ("obtained by providing corresponding recesses and/or projections in the relative region of the die of the mould used to produce said capsular base") zutreffend ins Deutsche übersetzt. Zwar ist dort davon die Rede, dass die erhöhten Bereiche und/oder Vertiefungen in der Seitenwand der Schutzabdeckung "durch Vorsehen entsprechender Ausnehmungen und/oder Vorsprünge im zugehörigen Bereich der Matrize des (…) Prellwerkzeugs erhalten wurde", doch ist, wovon beide Parteien stillschweigend ausgehen, aus fachlicher Sicht ohne weiteres erkennbar, dass es sich insoweit um ein Schreibversehen handelt und tatsächlich ein Presswerkzeug gemeint ist. Bei den angegriffenen Ausführungsformen werden die Rippen an der seitli33 chen Wandung der Edelstahlschicht nicht durch Einsatz eines Gusswerkzeugs, sondern durch Verwendung eines Presswerkzeugs hergestellt.
c) Zutreffend hat das Berufungsgericht ferner ausgeführt, dass die Fehler in
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der zunächst eingereichten Übersetzung nicht dazu führten, dass die Wirkungen des Klagepatents für die Bundesrepublik Deutschland als von Anfang an nicht eingetreten gelten. Inhaltliche Abweichungen zwischen Patentschrift und Übersetzung haben auf Bestand und Schutzbereich des europäischen Patents im Inland keinen Einfluss (BGH, Urteil vom 18. März 2010 - Xa ZR 74/09, GRUR 2010, 708 Rn. 12, 16 - Nabenschaltung II).
d) Das Berufungsgericht hat den Standpunkt eingenommen, die Berufung
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der Beklagten auf Art. II § 3 Abs. 5 IntPatÜbkG müsse schon deshalb erfolglos bleiben , weil die Beklagten nach ihrem eigenen Vorbringen die fehlerhafte Übersetzung der Klagepatentschrift nicht gekannt haben. Dies trifft nicht zu. aa) Zu der rechtsähnlichen Regelung in § 43 Abs. 4 PatG aF, der Vorgänger36 vorschrift zu § 123 Abs. 5 PatG, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der dort normierte Schutz des guten Glaubens nicht auf denjenigen beschränkt ist, der bewusst die Nutzung eines beispielsweise wegen unterbliebener Zahlung der gesetzlichen Gebühren erloschenen Patents aufgenommen hat, sondern auch dem unbewussten Benutzer zugutekommt (BGH, Urteil vom 27. Mai 1952 - I ZR 138/51, BGHZ 6, 172, 176 - Wäschepresse; ebenso schon RG, GRUR 1926, 475, 477 zum Weiterbenutzungsrecht nach § 6 der Bekanntmachung betreffend die Begründung, Erhaltung oder Wiederherstellung von gewerblichen Schutzrechten der Angehörigen der Vereinigten Staaten von Amerika vom 6. Juli 1921 [RGBl. 1921, S. 844]). Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung ausgeführt, § 43 Abs. 4 PatG aF enthalte einen allgemeinen Rechtsgedanken, der auch außerhalb seines unmittelbaren Anwendungsbereichs Anwendung finde. Daraus ist zutreffend der Schluss gezogen worden, dass grundsätzlich auch derjenige den Gutglaubensschutz nach Art. II § 3 Abs. 5 IntPatÜbkG aF genießt, der die ihm günstige, unrichtige Fassung der Übersetzung nicht gekannt hat (Rogge, GRUR 1993, 283, 284 f.; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. Aufl. 2014 Rn. 1774; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. Juni 2011 - 2 U 62/04, Juris Rn. 185; aA Rauh, GRUR Int. 2011, 667, 671). bb) Auf den Gutglaubensschutz nach Art. II § 3 Abs. 5 IntPatÜbkG aF kann
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sich mithin auch derjenige berufen, der, wäre ihm die fehlerhafte Übersetzung bekannt gewesen, zu dem Schluss hätte kommen dürfen, dass der Anspruch des betreffenden Patents auf einen vom dem tatsächlich geschützten abweichenden Gegenstand gerichtet ist. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Ein guter Glaube wird etwa dann zu verneinen sein, wenn der angesprochene Fachmann, sofern er die Übersetzung läse, deren Fehlerhaftigkeit ohne weiteres erkennen würde und - gegebenenfalls unter Heranziehung der Übersetzung der Beschreibung - in der Lage wäre, den Inhalt des Patents zutreffend zu bestimmen (vgl. OLG Düsseldorf, aaO, Juris Rn. 181 ff.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 10. April 2003 - 2 U 6/02 Rn. 77 f., in Juris; Rauh, GRUR Int. 2011, 667, 672). Die Darlegungs- und Beweislast hierfür liegt bei der Klägerin (vgl. BGHZ 6, 172, 177 - Wäschepresse). Eine Berufung auf guten Glauben wäre den Beklagten danach verwehrt, wenn ihnen aufgrund ihrer Fachkenntnis bei Lektüre der zunächst eingereichten Übersetzung ohne weiteres hätte klar sein müssen, dass die erfindungsgemäße Ausbildung der Seitenwand des Bodens nicht durch ein Gusswerkzeug be- werkstelligt werden könnte, so dass sie zu dem Schluss hätten kommen müssen, dass die Übersetzung fehlerhaft war.
e) Sollte danach ein Gutglaubensschutz in Betracht kommen, wird das Beru38 fungsgericht auch zu prüfen haben, ob eine Berufung der Beklagten auf ein Weiterbenutzungsrecht daran scheitert, dass die angegriffenen Ausführungsformen auch in der fehlerhaften Übersetzung eine Verletzung des Klagepatents darstellen würden. Da sich, wie ausgeführt, aus Merkmal 3 keine weiteren Anforderungen an die Ausgestaltung der erhöhten Bereiche oder Vertiefungen der Seitenwand der Schutzabdeckung des kapselförmigen Bodens ergeben, wird die Verletzung eines gedachten, der fehlerhaften Übersetzung entsprechenden Patentanspruchs nur dann verneint werden können, wenn sich derartige, von den angegriffenen Ausführungsformen nicht erfüllte Anforderungen aus Sicht des Fachmanns ergäben, sollten die erhöhten Bereiche oder Vertiefungen der Seitenwand der Schutzabdeckung erfindungsgemäß mittels eines Gusswerkzeugs erhältlich sein.
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Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht getroffen. Dies wird gegebenenfalls nachzuholen sein.
Meier-Beck Gröning Bacher
Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 04.02.2010 - 7 O 7110/08 -
OLG München, Entscheidung vom 23.05.2013 - 6 U 2752/10 (2) -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 173/02 Verkündet am:
9. Januar 2007
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: nein
Haubenstretchautomat

a) Die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer mittelbaren Patentverletzung
müssen im Zeitpunkt des Angebots oder der Lieferung vorliegen, so dass für die Offensichtlichkeit
maßgeblich ist, ob zu diesem Zeitpunkt nach den gesamten Umständen des
Falles die drohende Verletzung des Ausschließlichkeitsrechts aus der objektivierten
Sicht des Dritten so deutlich erkennbar ist, dass ein Angebot oder eine Lieferung unter
diesen objektiven Umständen der wissentlichen Patentgefährdung gleichzustellen ist.

b) Ein Anspruch auf Unterlassung des Vertriebs von Mitteln, die von den Abnehmern patentverletzend
benutzt werden können, solange sich diese Abnehmer nicht auf das Klagepatent
bezogen strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet haben, setzt die Feststellung
besonderer Umstände voraus.

c) Soweit nicht sonstige Schadenspositionen wie etwa Kosten der Rechtsverfolgung und
dergleichen im Streit stehen, ist der im Falle der mittelbaren Patentverletzung zu ersetzende
Schaden derjenige, der durch die unmittelbare Patentverletzung des Abnehmers
des Mittels entsteht; der Schadensersatzanspruch kann in diesem Rahmen gegebenenfalls
auch auf Abschöpfung des Gewinns des mittelbaren Patentverletzers gerichtet
werden.
Nur zur Durchsetzung dieser Schadensersatzansprüche besteht der Anspruch auf
Rechnungslegung.
BGH, Urt. v. 9. Januar 2007 - X ZR 173/02 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Januar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter
Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das mit Beschluss vom 18. September 2002 berichtigte Teilurteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. Juni 2002 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, und auf die Revision der Klägerin, soweit das Berufungsgericht die Verurteilung der Beklagten gemäß Nr. I, 1 des Urteils der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 18. September 1997 abgeändert hat.
Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 399 540 (Klagepatent). Die Anmeldung erfolgte am 25. Mai 1990, die Veröffentlichung der Anmeldung am 28. November 1990 und der Patenterteilung am 8. Dezember 1993. Das Klagepatent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Umhüllen von Stückgutstapeln mit einer Stretchfolienhaube und eine hiermit zu bildende Verpackungseinheit. Das Klagepatent umfasst nach dem Ergebnis des Nichtigkeitsberufungsverfahrens, das mit Senatsurteil vom 11. April 2006 (X ZR 175/01, GRUR 2006, 666 - Stretchfolienhaube) abgeschlossen worden ist, sechs Patentansprüche, von denen die Patentansprüche 1 und 2 wie folgt lauten: "1. Verfahren zum Umhüllen von Stückgut/Stückgutstapeln (2) mit einer Haube (1') aus Stretchfolie, bei dem aus einem von einem Vorrat zugeführten, dehnbaren ("stretchbaren") Seitenfaltenschlauch (1), der im Bevorratungs- und Zuführzustand zwei einander parallele , eng benachbarte ersten Seitenflächen (4, 4) bestimmter (Zuführ -)Breite (B) sowie zwei dazwischen liegende, V-förmig nach innen gefaltete zweite Seitenflächen (5, 5) aufweist und einen um wenigstens 10 % geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut/der zu umhüllende Stapel (2) besitzt vor dem Stretchen dadurch eine Haube (1') gebildet wird, dass der Seitenfaltenschlauch (1) mit Abstand zu seinem freien Ende mit einer Quernaht (13) abgeschweißt und hinter dem die Haube (1') bildenden Abschnitt von dem Vorrat abgetrennt wird, wobei die Haube (1') zum Überziehen über das Stückgut/den Stückgutstapel (2) voll- ständig geöffnet und im wesentlichen über die gesamte Länge auf das zum Überziehen erforderliche Maß gedehnt ("gestretcht") wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Seitenfaltenschlauch (1) mit einer Quernaht (13) versehen wird, deren Länge ("Ideallänge") im wesentlichen gleich der zur Quernaht (13) parallelen Breite (1) des zu umhüllenden Stückgutes/Stückgutstapels (2) ist wobei in Fällen, in denen die (Zuführ-)Breite (B) des Seitenfaltenschlauches (1) ungleich der Ideallänge der zu bildenden Quernaht (13) ist, vor dem Legen der Quernaht (13) wenigstens der obere Endabschnitt des (danach) die Haube (1') bildenden Abschnittes des Seitenfaltenschlauches (1) auf eine der Ideallänge der Quernaht (13) entsprechende Breite gebracht wird; und dass die Folienhaube so gedehnt wird, dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen. 2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Länge (L) der Quernaht (13) wenigstens ca. 95 % der zu ihr parallelen Breite (1) des Stückguts (2) ist."
2
Die Beklagte zu 1, die im Verlauf des Berufungsverfahrens von ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin, der Beklagten zu 2, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 3 ist, übernommen worden ist, hat Haubenstretchautomaten, wie sie in der Werbeschrift Anlage K 8 und der Bedienungsanleitung Anlage B 6 näher beschrieben sind, hergestellt und vertrieben. Befolgt man die Bedienungsanleitung, erhält man eine Schweißnahtlänge der Hauben von 91,7 % der parallelen Gutstapelbreite.
3
Die Klägerin hat die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Anteils des Klagepatents auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung, Entschädigung und Schadensersatz in Anspruch genommen und geltend gemacht, die vorgenannten Maschinen seien dazu geeignet und bestimmt, das in Patentanspruch 1 des Klagepatents beschriebene Verfahren auszuüben. Auch eine Schweißnahtlänge von 91,7 % der parallelen Gutstapelbreite werde von der Lehre des Klagepatents noch erfasst. Messungen bei Abnehmern hätten zudem ergeben, dass die Schweißnahtlänge sogar nahezu 95 % der parallelen Stapelbreite und auch deutlich höhere Werte erreiche. Bei solchen Schweißnähten legten sich die unteren Folienabschnitte im Vförmigen Doppelungsbereich automatisch unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut an. Die Beklagten verletzten das Klagepatent unmittelbar, indem sie das in Patentanspruch 1 beschriebene Verfahren beim Vorführen und Einrichten der Maschinen ausübten, und mittelbar, indem sie die genannten Haubenstretchautomaten an Dritte lieferten.
4
Das Landgericht hat die Beklagten verurteilt, es zu unterlassen, Vorrichtungen zum Umhüllen von Stückgut/Stückgutstapeln mit einer Haube aus Stretchfolie Abnehmern aus der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder an diese zu liefern, die (bestimmt und) geeignet sind, ein Verfahren durchzuführen, bei dem aus einem von einem Vorrat zugeführten, dehnbaren ("stretchbaren") Seitenfaltenschlauch, der im Bevorratungs- und Zuführzustand zwei einander parallele, eng benachbarte erste Seitenflächen bestimmter (Zuführ-)Breite sowie zwei dazwischen liegende , V-förmig nach innen gefaltete zweite Seitenflächen aufweist und einen um wenigstens 10 % geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut/der zu umhüllende Stapel besitzt, vor dem Stretchen dadurch eine Haube gebildet wird, dass der Seitenfaltenschlauch mit Abstand zu seinem freien Ende mit einer Quernaht abgeschweißt und hinter dem die Haube bildenden Abschnitt von dem Vorrat abgetrennt wird, wobei die Haube zum Überziehen über das Stückgut/den Stück- gutstapel vollständig geöffnet und im wesentlichen über die gesamte Länge auf das zum Überziehen erforderliche Maß gedehnt wird, wobei dieses Verfahren durch die Merkmale gekennzeichnet ist, dass der Seitenfaltenschlauch mit einer Quernaht versehen wird, deren Länge im wesentlichen gleich der zur Quernaht parallelen Breite des zu umhüllenden Stückgutes/Stückgutstapels ist, nämlich wenigstens ca. 95 % der zu ihr parallelen Breite des Stückgutes beträgt, und dass die Folienhaube so gedehnt wird, dass sich die unteren Folienabschnitte im Vförmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen, ohne (a) im Falle des Anbietens ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen und/oder (b) im Falle des Inverkehrbringens ihren Abnehmern die schriftliche Verpflichtung mit dem Versprechen einer Vertragsstrafe in Höhe von 10.000,- DM für jeden Fall der Zuwiderhandlung, zu zahlen an die Klägerin , abzuverlangen, dass die Vorrichtungen zum Umhüllen von Stückgut/Stückgutstapeln mit einer Haube aus Stretchfolie nicht ohne die Zustimmung der Klägerin als Inhaberin des deutschen Anteils an dem europäischen Patent 0 399 540 gewerbsmäßig für das vorstehend beschriebene Verfahren verwendet werden dürfen. Darüber hinaus hat das Landgericht die Beklagten zur Rechnungslegung verurteilt und die Schadensersatzpflicht festgestellt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, soweit die Klägerin ihre Anträge auf eine unmittelbare Verletzung des Klagepatents, auf die Herstellung von Hauben mit einer Quernahtlänge von wenigstens ca. 92 % der zu ihr parallelen Breite des Stückguts gerichtet und einen Entschädigungsanspruch geltend gemacht hat.
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Das Berufungsgericht hat durch Teilurteil den auf eine unmittelbare Patentverletzung gestützten Berufungsantrag I, 1 a der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil im Unterlassungsausspruch dahin abgeändert, dass die Beklagten zur Unterlassung verpflichtet sind, sofern sie in der Betriebsanleitung nicht ausdrücklich und unübersehbar folgende Anweisung für die Auswahl des Seitenfaltenschlauches vorsehen: "Bei der Auswahl des Seitenfaltenschlauches ist zur Vermeidung einer Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 0 399 540 jeweils in Bezug auf den zu verpackenden Stückgutstapel strikt darauf zu achten, dass die Rollenbreite des Seitenfaltenschlauches und damit dessen Zuführbreite weniger als wenigstens ca. 95 % der Seitenlänge des zu verpackenden Stückgutstapels beträgt, die parallel zu der zu bildenden Querschweißnaht verläuft". Wegen des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs, die Beklagten zur Unterlassung von Lieferungen zu verurteilen, sofern ihre Abnehmer keine auf das Klagepatent bezogene strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben, hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der Klägerin ausgesetzt, nämlich insoweit, als die Klägerin Unterlassung mittelbarer Patentverletzung bezogen auf eine Quernaht von wenigstens 91,7 % der zu ihr parallelen Breite des Stückgutstapels begehrt und darauf rückbezogene Anträge gestellt hat. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten die Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. Die Klägerin begehrt die teilweise Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückweisung der Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts.

Entscheidungsgründe:


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A) Zur Revision der Beklagten
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Die zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung.
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I. Die Revision der Beklagten ist entgegen der Auffassung der Klägerin statthaft , denn das Berufungsgericht hat die Revision unbeschränkt zugelassen. Der Tenor des angefochtenen Urteils enthält weder eine Beschränkung der Revisionszulassung auf eine bestimmte Partei noch auf einen bestimmten Teil des Streitstoffes. Eine derartige Beschränkung der Zulassung ergibt sich auch nicht aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils. In den Entscheidungsgründen hat das Berufungsgericht zur Frage der Zulassung der Revision ausgeführt, die Sache habe im Hinblick auf die vom mittelbaren Patentverletzer zu verlangenden Vorkehrungen zur Vermeidung unmittelbarer Patentverletzungen beim Abnehmer grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F. Damit hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Klägerin lediglich seine Gründe für die Zulassung der Revision dargelegt, nicht aber die Zulassung der Revision auf die vom Berufungsgericht als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage beschränkt.
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II. Patentanspruch 1 des Klagepatents betrifft ein Verfahren zum Umhüllen von Stückgut oder Stückgutstapeln mittels eines schlauchförmigen Stretchfolienabschnitts.
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1. Der Beschreibung des Klagepatents zufolge waren am Prioritätstag Verpackungsverfahren bekannt, bei denen das Stückgut mit Schrumpffolie umhüllt und nach dem Umhüllen mit Wärme beaufschlagt wird, wodurch sich die Folie unter Schrumpfung fest an das zu umhüllende Stückgut legt (Beschreibung Abs. 0004). Ferner waren Wickelverfahren bekannt, bei denen Flachfolie um das zu umhüllende Stückgut gewickelt wird, sowie Verfahren, bei denen wenigstens eine Folienhaube über das zu umhüllende Stückgut gezogen und sodann an dieses geschrumpft wird (Beschreibung Abs. 0005). Das Klagepatent bezeichnet es als Nachteile der bekannten Schrumpffolienverfahren, dass bei ihnen eine Beaufschlagung mit Wärme zu erfolgen habe, was zu hohen Energiekosten führe, wegen der Beaufschlagung mit of- fener Flamme für bestimmte, insbesondere entflammbare Güter ungeeignet sei (Beschreibung Abs. 0006), aufgrund der erforderlichen Foliendicke einen hohen Materialeinsatz bedinge (Beschreibung Abs. 0007), als wenig umweltfreundlich angesehen werde, eine hohe Lärmbelästigung mit sich bringe (Beschreibung Abs. 0008) und schließlich ein Verkleben mit dem zu verpackenden Gut stattfinden könne (Beschreibung Abs. 0009).
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Den weiteren Angaben der Beschreibung zufolge wurde diesen Nachteilen im Stand der Technik begegnet, indem an Stelle von Schrumpffolien Stretchfolien eingesetzt wurden, die keiner Wärmebeaufschlagung bedürfen und bei denen das Folienmaterial vor dem Umhüllen des zu verpackenden Stückguts gestretcht (gedehnt) wird (Beschreibung Abs. 0010). Insoweit war das Wickelstretchen bekannt, bei dem bahnförmige Stretchfolie um das zu umhüllende Gut gewickelt wird. An diesem Verfahren wird als nachteilig bezeichnet, dass die Ladungssicherheit unbefriedigend sei, weil entweder nur horizontale oder nur vertikale Spannkräfte entstünden. Umwickele man das Gut in beiden Richtungen, sei ein hoher Materialeinsatz erforderlich (Beschreibung Abs. 0011). Außerdem werde eine Flachfolie als Deckblatt benötigt (Beschreibung Abs. 0012). Ferner bezeichnet es das Klagepatent als nachteilig, dass die durch Wickelstretchen erhaltene Verpackung nicht hinreichend witterungsbeständig sei (Beschreibung Abs. 0013).
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Die Beschreibung weist sodann darauf hin, dass bereits Verfahren entwickelt worden seien, bei denen das zu verpackende Gut mit einer Haube aus Stretchfolie überzogen werde. Bei diesen Verfahren, zu denen auch ein von der Beklagten und Wettbewerbern praktiziertes Verfahren gehöre, erfolge das Abschweißen des Folienabschnitts vor dem Stretchen und in einer Form, die praktisch der Bevorratungsbreite entspreche (Beschreibung Abs. 0014 bis 0017). Da die Schlauchfolie im nicht gestretchten Zustand bestimmungsgemäß nennenswert (z.T. ganz erheblich) kleiner sei als die Länge der Stirnseitenränder der zu umhüllenden Güter, werde die Schweißnaht bei dieser Arbeitsweise beim Stretchen zwangsläufig einer ganz erheblichen Dehnung unterworfen, und zwar nicht nur beim Querstretchen vor dem Umhüllen des Stapels, sondern auch danach, wenn die Haube fest am Stückgut anliege (Beschreibung Abs. 0018). Bei diesen Verfahren träten Probleme insbesondere an den Stellen auf, an denen die bei einer derartigen Schlauchfolienhaube im umhüllten Zustand zwangsläufig entstehenden Zipfel an der betreffenden Stirnseite des Stückgutstapels aufeinander lägen (Beschreibung Abs. 0019).
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Um dies zu vermeiden, sei bereits vorgeschlagen worden, die Folie vor dem Schweißen zu öffnen, horizontal zu stretchen und erst dann vom Folienvorrat abzutrennen und zu schweißen (deutsche Offenlegungsschrift 37 07 877). Dadurch ergebe sich eine Schweißnaht, deren Länge im Dehnungszustand vor dem Überziehen erheblich größer sei als die Länge der im umhüllten Zustand parallel zu der Schweißnaht verlaufenden Stirnseitenränder des zu umhüllenden Guts (Beschreibung Abs. 0020). Als nachteilig an diesem Verfahren sieht das Klagepatent an, dass die in dem Folienmaterial vorhandenen inneren Spannungen bei der beim Schweißvorgang erfolgenden Plastifizierung des Folienmaterials weitgehend verloren gingen, während sie im übrigen Folienmaterial verblieben. Dadurch bestehe die Gefahr, dass es in den Grenzbereichen zwischen Schweißnaht und benachbartem Folienmaterial zu Ein- oder Abrissen kommen könne, insbesondere bei mehrfachem Umschlag der verpackten Güter (Beschreibung Abs. 0021).
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2. Diesem Nachteil soll durch die Lehre des Klagepatents abgeholfen und ein Verfahren bereitgestellt werden, bei dem die bisher im Schweißnahtbereich sowie in den benachbarten Bereichen auftretenden Probleme vermieden oder zumindest auf ein unschädliches Maß erheblich verringert werden.
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Dies wird nach Patentanspruch 1 erreicht, indem wie folgt verfahren wird: 1. Zum Umhüllen von Stückgutstapeln wird eine Haube aus Stretchfolie gebildet. 2. Zum Bilden der Haube wird aus einem Vorrat dehnbarer ("stretchbarer" ) Seitenfaltenschlauch zugeführt, der im Bevorratungs- und Zuführzustand
a) zwei einander parallele, eng benachbarte Seitenflächen bestimmter (Zuführ-)Breite,
b) zwei dazwischen liegende, V-förmig nach innen gefaltete zweite Seitenflächen und
c) (vor dem Stretchen) einen um wenigstens 10% geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut aufweist. 3. Die Haube wird vor dem Stretchen des Seitefaltenschlauchs zum Umhüllen des Stückguts (Stückgutstapels) gebildet. 4. Zum Bilden der Haube wird der Seitenfaltenschlauch
a) mit Abstand zu seinem freien Ende
b) mit einer Quernaht abgeschweißt, deren Länge ("Ideallänge") im Wesentlichen gleich der zur Quernaht parallelen Breite des zu umhüllenden Stückguts/Stückgutstapels ist, und
c) hinter dem die Haube bildenden Abschnitt von dem Vorrat abgetrennt. 5. Ist die (Zuführ-)Breite des Seitenfaltenschlauchs ungleich der Ideallänge der zu bildenden Quernaht, wird vor dem Legen der Quernaht wenigstens der obere Endabschnitt des (danach) die Haube bildenden Abschnitts des Seitenfaltenschlauchs auf eine der Ideallänge der Quernaht entsprechende Breite gebracht.
6. Nach dem Abtrennen des die Haube bildenden Abschnitts und der Bildung der Quernaht wird
a) die Haube zum Überziehen über das Stückgut (den Stückgutstapel ) vollständig geöffnet und
b) im Wesentlichen über die gesamte Länge auf das zum Überziehen erforderliche Maß gedehnt ("gestretcht"). 7. Die Dehnung erfolgt so, dass sich die unteren Folienabschnitte im Vförmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen.
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In der Ausführungsform des Verfahrens nach Patentanspruch 2 des Klagepatents beträgt die Länge der Quernaht wenigstens ca. 95 % der zu ihr parallelen Breite des Stückguts.
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III. 1. Das Berufungsgericht hat es als wesentlich für die mit den genannten Merkmalen beschriebene Erfindung angesehen, dass die Länge der Quernaht in der Ausführungsform nach Patentanspruch 2 des Klagepatents wenigstens ca. 95 % der parallelen Breite des zu umhüllenden Stückguts oder Stückgutstapels beträgt. Es sei nicht mehr die Zuführbreite des ungedehnten Folienschlauchs maßgebend, sondern die zur Schweißnaht parallele Stapelbreite. Das schließe nicht aus, dass im Einzelfall auch dann von der Lehre des Klagepatents Gebrauch gemacht werde, wenn die Schweißnahtlänge der Zuführbreite der Folie entspreche, nämlich dann, wenn auch die parallele Stapelbreite im Wesentlichen der Länge der Schweißnaht entspreche. Durch die Ausrichtung der Schweißnahtlänge an der parallelen Stapelbreite träten im fertigen Umhüllungszustand der Verpackungseinheit weder schädliche Spannungen auf, noch komme es zu Abrissen, unerwünschten Wellungen und dergleichen, weil die Schweißnaht im ungedehnten Ausgangszustand vor dem Stretchen des Folienmaterials mehr oder weniger genau dieselbe Länge aufweise wie im Umhüllungszu- stand. Insbesondere im Vergleich zu deutlich kürzeren Schweißnähten als die Stapellänge stellten sich die auftretenden Spannungen im Wesentlichen senkrecht zur Schweißnaht ein und nicht mehr unter beliebigen oder zufälligen Winkeln zu ihr. Es werde auch vermieden, dass sich im "Haubendachbereich" in den V-förmigen Doppelungsbereichen in der unten liegenden Folie größere Spannungen einstellten als in der oberen. Vielmehr seien die Folienspannungen im oben liegenden Abschnitt jeweils größer als im unteren, so dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich entsprechend Merkmal 7 an den Gutstapel anlegten und für eine glatte Fläche gesorgt werde und damit die unerwünschte Zipfelbildung unterbleibe. Da es entscheidend auf den Zustand der Folie nach dem Einhüllen ankomme, sei das Merkmal, nach dem die Quernaht eine Länge ("Ideallänge") von wenigstens ca. 95 % der zu ihr parallelen Breite des zu umhüllenden Stückguts bzw. Stückgutstapels betrage, als Bezugsgröße für die Länge der Quernaht wörtlich zu nehmen; auf die Palettenbreite könne es schon deshalb nicht ankommen, weil die Haube auf den Gutstapel passen müsse, dessen Maß von der Palettenbreite abweichen könne (BU 24, 25). Merkmal 7 enthält nach den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts nicht nur eine Angabe der durch Merkmal 5 erzielten Wirkungen. Dagegen spreche schon, dass Merkmal 7 das erzielte Ergebnis, nämlich dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegten, als Folge einer in bestimmter Weise vorgenommenen Dehnung der Folie darstelle. Merkmal 7 enthalte die - hinsichtlich ihrer Konkretisierung in sein Belieben gestellte - Anweisung an den Fachmann, die Folie, deren Schweißnahtlänge nach Merkmal 5 bemessen sei, so zu dehnen, dass sich der in Merkmal 7 beschriebene Erfolg einstelle. Wenn in Merkmal 7 von Spannung in der oberen Folienlage die Rede sei, so sei damit eine Zugspannung gemeint, die die Folienlage straff ziehe, wobei ein geringes Maß an Spannung bereits ausreiche; eine Mindestvorgabe für das Ausmaß der Spannung enthielten die Patentansprüche nicht (BU 26).

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2. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand. Die Auslegung des Klagepatents ist eine Rechtsfrage, so dass das Revisionsgericht das Klagepatent selbst auslegen und die Auslegung durch den Tatrichter in vollem Umfang überprüfen kann (BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild; 160, 204, 212 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung).
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a) Der Senat hat im das parallele Nichtigkeitsverfahren betreffenden Urteil vom 11. April 2006 (X ZR 175/01, GRUR 2006, 666 - Stretchfolienhaube) ausgeführt, dass sich das Verfahren nach Patentansprüchen 1 und 2 des Klagepatents nicht auf Seitenfaltenschlauchmaterial bestimmter Zuführbreite bezieht, so dass das Seitenfaltenschlauchmaterial im Bevorratungs- und Zuführzustand der der Quernaht parallelen Breite des zu umhüllenden Guts entsprechen oder von ihr abweichen kann. Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen, denn es hat ausgeführt, dass für das patentierte Verfahren nicht die Zuführbreite des ungedehnten Folienschlauchs maßgebend sei, sondern die zur Schweißnaht parallele Stapelbreite, in deren Länge die Schweißnaht beim Abschweißen der Haube vom Folienvorrat auszubilden sei.
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Wie der Senat im Urteil vom 11. April 2006 weiter ausgeführt hat, wird bei dem geschützten Verfahren die Haube vor dem Stretchen des Seitenfaltenschlauchs gebildet , indem der im Bevorratungszustand zusammengefaltete Folienschlauch in einer bestimmten Länge von dem Vorrat abgezogen (Merkmal 4 a) und dabei teilweise geöffnet wird. Die Beschreibung des Klagepatents weist den Fachmann in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das schlauchförmige Folienmaterial vor dem Abschweißen an seinem abzuschweißenden Endabschnitt so verformt wird, dass die beiden zueinander parallelen ersten Seitenflächen unter Verkleinerung oder Vergrößerung der V-förmigen, nach innen gefalteten zweiten Seitenflächen die gewünschte Länge der Schweißnaht aufweisen (Beschreibung Abs. 0027). Zwischen dem zu- sammengefalteten, in seinem Zuführzustand befindlichen Folienschlauch und dessen freiem Ende (Merkmal 4 a), in das die Mittel zum Abziehen und Stretchen der Folie eingreifen, liegt demzufolge ein Bereich, in dem der die Haube bildende Abschnitt des Folienmaterials eine vom Zuführ- und Bevorratungszustand abweichende Breite aufweisen kann. Wird festgestellt, dass das Schlauchmaterial im Zuführzustand eine Breite aufweist, die der Breite der parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Stückguts bereits entspricht, kann eine Veränderung des Seitenfaltenbereichs unterbleiben; wird festgestellt, dass das Schlauchmaterial in seinem Zuführzustand eine von der Breite der parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Stückguts abweichende Breite aufweist, wird der Seitenfaltenbereich so verändert, dass der obere Endabschnitt des vom Vorrat abgezogenen Teils des Schlauchmaterials eine der Ideallänge der Quernaht entsprechende Breite aufweist (Merkmale 4 und 5). Erst nach dem Abschweißen der Quernaht in einer Länge, die der "Ideallänge" im Wesentlichen entspricht (Merkmal 5), und dem Abtrennen der fertigen Haube wird diese vollständig geöffnet (Merkmal 6 a) und auf das zum Überziehen des Guts erforderliche Maß gestretcht (Merkmal 6 b). Hierbei erfolgt die Dehnung der fertigen Haube so, dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Gut anlegen (Merkmal 7). Dabei versteht der Fachmann die Angabe, die Quernaht solle eine Länge aufweisen, die "im Wesentlichen" (Merkmal 4 b) der Breite der zur Quernaht der Haube parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Stückguts oder Stückgutstapels entspricht, dahin, dass bei der Länge der Quernaht Toleranzen auftreten können, deren Ausmaß in Patentanspruch 1 offengelassen ist. Daher legt der Fachmann, wenn er den Stapel so umhüllen will, dass keine vorstehenden Zipfel auftreten und übermäßige Spannungen in der Folie nach dem Umhüllen des Stückguts vermieden werden, diese Toleranzen mit der erforderlichen und technisch bei wirtschaftlich vertretbarem Aufwand machbaren Genauigkeit so fest, dass die Stretchfolie nach dem Abschweißen der Quernaht und vor dem Überziehen des Stapels mit der Haube in einem solchen Maße gedehnt wird, dass sie sich unter Spannung der oberen Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich am Ende der Quernaht an das Stückgut anlegt. Dies wird erreicht, wenn die Quernaht gleich der Breite der zu ihr parallelen Seite des Stückguts ist, ihr also - unter Berücksichtigung von Toleranzen - "im Wesentlichen" entspricht, wobei der Fachmann aus Patentanspruch 2 ersieht, dass die Toleranzen maximal 5 % betragen dürfen, die Länge der Quernaht also "wenigstens ca. 95 %" der parallelen Breite des Stückguts beträgt.
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Der Fachmann entnimmt daraus, dass er für die Ausführung des Verfahrens Schlauchmaterial mit dem erforderlichen Mindestumfang, in Relation zur Breite des zu verpackenden Gutes jedoch beliebiger Zuführbreite verwenden kann, wenn er den für die Bildung der Haube erforderlichen Folienabschnitt nach dem Abziehen der Folie von dem Vorrat und vor dem Stretchen der Haube an der Stelle mit einer Quernaht abschweißt, die im dargestellten Sinn so lang bemessen ist, wie das zu umhüllende Gut auf der der Quernaht parallelen Seite breit ist. Auf diese Weise wird erreicht , dass die Länge der Quernaht nicht nur nach ihrem Abschweißen und Abtrennen vom Vorrat, sondern auch nach dem Stretchen und Umhüllen des zu verpackenden Gutes dessen Breite entspricht. Diese kann von der Breite gegebenenfalls verwendeter Paletten oder dergleichen abweichen und bei verschiedenen Gütern in den einzelnen Lagen unterschiedlich groß sein. Sind die Folie auf diese Weise auf die erforderliche Breite gebracht, die Quernaht in der erforderlichen Länge abgeschweißt und die dadurch gebildete Haube von dem Vorrat getrennt, wird die Haube vollständig geöffnet (Merkmal 6 a) und zur Umhüllung des zu verpackenden Gutes in dem erforderlichen Maß gestretcht.
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b) Davon ist das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgegangen, indem es ausgeführt hat, bei dem patentierten Verfahren sei nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall auch dann von der Lehre des Klagepatents Gebrauch gemacht werde, wenn die Schweißnahtlänge der Zuführbreite der Folie entspreche. In einem solchen Fall kann auf eine Anpassung der Länge der Quernaht an die Breite der zu ihr parallelen Seite des Stapels verzichtet werden, weil die Zuführbreite der Folie bereits der "Ideallänge" der Haubenquernaht entspricht und die Quernaht deshalb ohne Umfalten der Schlauchfolie abgeschweißt werden kann.
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Das Berufungsgericht hat jedoch, wie seine Ausführungen zu der angegriffenen Ausführungsform zeigen, unbeachtet gelassen, dass bei dem patentgemäßen Verfahren in einem ersten Verfahrensschritt die Breite der zur Quernaht parallelen Seite des Stückgutstapels zu ermitteln und in einem zweiten Verfahrensschritt die Länge der Quernaht hierauf einzustellen ist (Ideallänge). Wie der Senat im bereits genannten Urteil vom 11. April 2006 (X ZR 175/01) ausgeführt hat, kann Patentanspruch 1, auf den Patentanspruch 2 rückbezogen ist, nicht dahin ausgelegt werden, dass Merkmal 5 ein gegenüber Merkmal 4 b selbständiges (alternatives) Verfahren enthält, so dass im Verlauf des einen Verfahrens die Breite des Schlauchmaterials im Bevorratungszustand bereits der Breite der der Quernaht parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Guts entspricht und die Quernaht in der Bevorratungsbreite der Folie ohne Anpassung der Länge der Quernaht an die Breite des zu umhüllenden Guts abgeschweißt wird, wie dies im Stand der Technik praktiziert worden ist (Beschreibung des Klagepatents Abs. 0017), und in dem anderen Verfahren eine Umformung der Schlauchfolie erfolgt, um eine Quernaht in "Ideallänge" abschweißen zu können. Merkmal 5, wonach dann, wenn die Zuführbreite des Seitenfaltenschlauchs ungleich der Ideallänge der abzuschweißenden Quernaht ist, vor dem Legen der Quernaht wenigstens der obere Endabschnitt des nach dem Abschweißen die Haube bildenden Abschnitts des Seitenfaltenschlauchs auf eine der Ideallänge der Quernaht entsprechende Breite gebracht wird, enthält gegenüber Merkmal 4 b lediglich die zusätzliche Anweisung, dass es zur Vermeidung unerwünschter Zipfelbildung und übermäßiger Spannungen im Bereich der Quernaht ausreicht, wenigstens den oberen End- abschnitt der Haube auf eine der Ideallänge der Quernaht entsprechende Breite zu bringen. Auch dann, wenn auf eine solche Anpassung im Einzelfall verzichtet werden kann, weil die Zuführbreite bereits der Ideallänge der Quernaht entspricht, ist es für das patentierte Verfahren wesentlich, die Breite der der Quernaht parallelen Seite des zu umhüllenden Stapels und damit die "Ideallänge" der Quernaht zu ermitteln, um entscheiden zu können, ob eine Abstimmung der Quernaht auf die Breite der parallelen Seite des Stückgutstapels erforderlich ist oder nicht.
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IV. 1. Zur Frage einer mittelbaren Patentverletzung hat das Berufungsgericht ausgeführt, der angegriffene Haubenstretchautomat sei ein Mittel im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehe. Er sei geeignet, ein Verfahren auszuführen, das alle Merkmale des Verfahrensanspruchs 2 verwirkliche. Mit ihm könnten Benutzungshandlungen im Sinne von § 9 Nr. 2 PatG vorgenommen werden. Der Abnehmer R. habe durch eine von der Bedienungsanweisung der Beklagten abweichende Einstellung des ihm von der Beklagten gelieferten Haubenstretchautomaten ein Verfahren ausgeübt, das von Patentanspruch 2 des Klagepatents Gebrauch gemacht habe und bei dem insbesondere die Schweißnaht die nach Patentanspruch 2 des Klagepatents erforderliche Länge erreicht habe. Dass bei dem angegriffenen Haubenstretchautomat von einem Vorrat dehnbarer Seitenfaltenschlauch zugeführt werde, der im Bevorratungs- und Zuführzustand zwei einander parallele, eng benachbarte erste Seitenflächen bestimmter Zuführbreite sowie zwei dazwischen liegende V-förmige nach innen gefaltete zweite Seitenflächen aufweise, und dass vor dem Stretchen eine Haube dadurch gebildet werde, dass der Seitenfaltenschlauch mit Abstand zu seinem freien Ende mit einer Quernaht abgeschweißt und hinter dem die Haube bildenden Abschnitt von dem Vorrat abgetrennt werde, stehe zwischen den Parteien ebenso außer Streit wie der Umstand , dass die Haube zum Überziehen des Stückguts vollständig geöffnet und im Wesentlichen über die gesamte Länge auf das zum Überziehen erforderliche Maß gestretcht werde (BU 27 unter a). Davon geht auch die Revision aus.
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2. Zu den weiteren Merkmalen des Verfahrens nach Patentanspruch 2 hat das Berufungsgericht ausgeführt, bei dem vom Abnehmer der Beklagten mit dem Haubenstretchautomaten durchgeführten Verfahren sei auch ein Seitenfaltenschlauch verwendet worden, der einen um wenigstens 10 % geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut aufgewiesen habe. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass jedenfalls in der Variante a) ein Seitenfaltenschlauch mit 11,5 % geringerem Umfang als das zu umhüllende Gut verwendet worden sei. Die Revision greift dies nicht an.
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3. a) Zu Merkmal 7 des patentierten Verfahrens hat das Berufungsgericht ausgeführt, dieses enthalte keine konkrete Vorgabe, wie groß die Spannung in der oberen Folienlage sein müsse. Wichtig sei nur, dass die obere Folienlage nicht spannungslos oder schlaff werde. Die untere Folienlage müsse dagegen schlaff bleiben, so dass die obere, unter Spannung stehende Folienlage sie niederhalte, an den Gutstapel anlege und nach einem Hochziehen sie wieder in den anliegenden Zustand zurückkehren lasse. Es sei nicht erforderlich, dass die obere Folienlage einen so starken mechanischen Druck auf die untere Folienlage ausübe, dass seine Überwindung eine nicht unerhebliche manuelle Kraft erfordere. Solche Spannungsverhältnisse seien nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bei mit der angegriffenen Maschine verpackten Stapeln festzustellen (BU 29 f.).
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b) Diese Ausführungen greift die Revision ohne Erfolg an.
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Zwar hat der gerichtliche Sachverständige, wie die Revision der Beklagten insoweit zu Recht geltend macht, bestätigt, dass sich aus den Prospekten der Anlagen K 13 und K 14 nicht entnehmen lasse, ob die dort abgebildete Maschine geeignet sei, nach dem Überziehen des Stapels mit der Haubenfolie den oberen Folienabschnitt der Doppelungsbereiche unter Spannung auf die unteren Folienabschnitte zu legen. Das Berufungsgericht hat jedoch festgestellt, dass mit den Haubenstretchautomaten der angegriffenen Form Produkte erzeugt werden können, bei denen sich im Doppelungsbereich die oberen Folienabschnitte mit Spannung auf die unteren Folienabschnitte legen. Der Fachmann könne diese Apparate so steuern (betreiben), dass sie dieses Merkmal mehr oder weniger gut erfüllen.
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Das trägt die Feststellung des Berufungsgerichts, die angegriffenen Maschinen seien im Hinblick auf das Merkmal 7 objektiv geeignet, als Mittel zur Benutzung des patentierten Verfahrens verwendet zu werden (§ 10 Abs. 1 PatG). Ob die erforderliche Eignung des Mittels vorliegt, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden, beurteilt sich nach der objektiven Beschaffenheit des Gegenstandes, der angeboten oder geliefert wird (Sen. Urt. v. 7.6.2005 - X ZR 247/02, GRUR 2005, 848, 850 - Antriebsscheibenaufzug). Ob mit den angegriffenen Maschinen die patentgemäßen Wirkungen besonders oder weniger gut erreicht werden, ist unerheblich, solange sie sich tatsächlich einstellen. Das hat das Berufungsgericht festgestellt.
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4. Die Revision der Beklagten macht allerdings zu Recht geltend, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen zu den Merkmalen 4 und 5 des geschützten Verfahrens getroffen hat, wonach der Seitenfaltenschlauch zum Bilden der Haube mit Abstand zu seinem freien Ende (Merkmal 4 a) mit einer Quernahtabgeschweißt wird, deren Länge ("Ideallänge") im Wesentlichen gleich der zur Quernaht parallelen Breite des zu umhüllenden Stückguts/Stückgutstapels ist (Merkmal 4 b), und für den Fall, dass die Zuführbreite des Seitenfaltenschlauchs ungleich der Ideallänge der zu bildenden Quernaht ist, vor dem Legen der Quernaht wenigstens der obere Endabschnitt des (danach) die Haube bildenden Abschnitts des Seitenfaltenschlauchs auf eine der Ideallänge der Quernaht entsprechenden Breite gebracht (Merkmal 5) und danach die Haube vom Vorrat abgetrennt wird (Merkmal 4 c).
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Wie sich aus dem Tenor des landgerichtlichen Urteils ergibt, bezieht sich die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung auf ein Verfahren, bei dem vor dem Stretchen eine Haube gebildet, der Seitenfaltenschlauch mit Abstand zu seinem freien Ende mit einer Quernaht abgeschweißt und hinter dem die Haube bildenden Abschnitt von dem Vorrat abgeschweißt wird, sofern der Seitenfaltenschlauch mit einer Quernaht versehen wird, deren Länge im wesentlichen gleich der zur Quernaht parallelen Breite des zu umhüllenden Stückgutstapels ist, nämlich wenigstens 95 % der zu ihr parallelen Breite des Stückguts beträgt, und die Folienhaube so gedehnt wird, dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen. Das umfasst die Verwendung der angegriffenen Maschinen ohne Rücksicht darauf, ob mit ihnen ein Verfahren ausgeführt werden kann, bei dem der in beliebiger Breite zugeführte Seitenfolienschlauch nach dem Abziehen vom Vorrat Verfahrensschritten unterworfen wird, mit denen die Breite des Folienschlauchs im Zuführzustand und des Stapels ermittelt und durch Anpassung der Breite des Schlauchs an die Breite des Stapels der Schlauch auf die zum Abschweißen der Quernaht in Ideallänge erforderliche Maß gebracht wird.
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Die Verurteilung der Beklagten umfasst danach Ausführungsformen der angegriffenen Haubenstretchautomaten, bei denen keine Mittel vorhanden sind, um die Länge der der Quernaht parallelen Seite des Gutstapels festzustellen und den Seitenfaltenschlauch aus seiner Zuführbreite so umzufalten, dass eine Quernaht in Ideallänge abgeschweißt werden kann. Wie die Revision zu Recht geltend macht, lassen sich nach den Behauptungen der Beklagten, von denen mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts für das Revisionsverfahren auszugehen ist, bei den mit den angegriffenen Haubenstretchautomaten deren Spreiz- bzw. Refffinger nur diagonal verfahren und können daher in Quer- bzw. Längsrichtung eine Umfaltung des Seitenfaltenschlauchs vor der Bildung der Quernaht nicht bewirken. Danach sind die angegriffenen Haubenstretchautomaten zwar in der Lage, Hauben mit einer der Ideallänge der Quernaht entsprechenden Quernaht vom Folienvorrat abzuschweißen , wenn die den Haubenstretchautomaten zugeführte Folie im Zuführzustand bereits eine der Ideallänge der Quernaht entsprechende Breite aufweist. Sie weisen aber nicht die darüber hinausgehende objektive Eignung auf, die Länge der Quernaht im Verlauf des Verfahrens auf die Breite der parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Gutes einzustellen, wie dies für das patentierte Verfahren wesentlich ist.
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Das angefochtene Urteil kann daher im Unterlassungsausspruch wie in der darauf rückbezogenen Verurteilung auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit in einem erneuten Berufungsverfahren die erforderlichen Feststellungen nachgeholt werden können.
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V. Für den Fall, dass im weiteren Verfahren eine erneute Prüfung des subjektiven Tatbestands der mittelbaren Patentverletzung erforderlich wird, weist der Senat auf Folgendes hin:
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1. a) Der Tatbestand des § 10 Abs. 1 PatG setzt in subjektiver Hinsicht voraus , dass der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, dass die angebotenen oder gelieferten Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der geschützten Erfindung verwendet zu werden. Damit sind zwei Alternativen eröffnet, das nach dem gesetzlichen Tatbestand erforderliche subjektive Moment festzustellen. Entweder ist dem Dritten bekannt, dass der Abnehmer die Mittel zur patentgemäßen Benutzung bestimmt hat, oder aus der Sicht des Dritten ist bei objektiver Betrachtung nach den Umständen mit hinreichender Sicherheit zu erwarten (ist "offensichtlich"), dass der Abnehmer die angebotenen oder gelieferten Mittel zur patentverletzenden Verwendung bestimmen wird (Sen.Urt. v. 13.6.2006 - X ZR 153/03, GRUR 2006, 839 - Deckenheizung, zur Veröffentlichung in BGHZ 168, 124 vorgesehen ). Kenntnis und Offensichtlichkeit sind damit zwei Wege, einen Tatbestand festzustellen , der es - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung - rechtfertigt, dem Dritten die in dem Angebot oder der Lieferung liegende objektive Gefährdung des Ausschließlichkeitsrechts des Patentinhabers auch subjektiv als Verletzungshandlung zuzurechnen.
36
Da sich die Verbotsnorm des § 10 PatG nicht an den Angebots- oder Lieferungsempfänger , sondern an den Dritten richtet, müssen die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Norm im Zeitpunkt des Angebots oder der Lieferung vorliegen. Für die Offensichtlichkeit ist daher maßgeblich, ob zu diesem Zeitpunkt nach den gesamten Umständen des Falles die drohende Verletzung des Ausschließlichkeitsrechts aus der objektivierten Sicht des Dritten so deutlich erkennbar ist, dass ein Angebot oder eine Lieferung unter diesen objektiven Umständen der wissentlichen Patentgefährdung gleichzustellen ist.
37
Abgesehen von den Fällen ausschließlich patentgemäß verwendbarer Mittel ist dies regelmäßig insbesondere dann der Fall, wenn der Lieferant in einer Gebrauchsanweisung, Bedienungsanleitung oder dergleichen auf die Möglichkeit patentgemäßer Verwendung hinweist oder diese gar empfiehlt (Sen.Urt. "Deckenheizung" aaO.; Sen.Urt. "Antriebsscheibenaufzug" aaO.). Ist die Gebrauchsanweisung oder Bedienungsanleitung des Dritten hingegen auf einen nicht patentgemäßen Einsatz der Mittel ausgerichtet, kann Offensichtlichkeit im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG nur angenommen werden, wenn sich aufgrund konkreter Umstände die Gefahr aufdrängt , dass der Abnehmer nicht nach der Anweisung verfahren wird.
38
2. Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts wurde mit den angegriffenen Haubenstretchautomaten eine Quernahtlänge von ca. 95 % der parallelen Gutstapelbreite erreicht, indem der Abnehmer R. die umstrittenen Maschinen in einer von der Bedienungsanleitung der Beklagten abweichenden Weise eingestellt hat (BU 31).
39
Auf der Grundlage dieser Feststellung kann weder davon ausgegangen werden , dass die Beklagten im maßgeblichen Zeitpunkt ihres Angebots oder der Lieferung der Maschinen wussten, der Abnehmer habe die Mittel zur Benutzung der Erfindung bestimmt, noch kann davon ausgegangen werden, dass bei der Lieferung der Mittel an diesen Abnehmer oder andere Abnehmer Umstände vorlagen, aus denen mit dem gebotenen Maß an Sicherheit auf eine Bestimmung der Mittel zur Benutzung der Erfindung zu schließen und die Bestimmung der Mittel zur Benutzung der Erfindung daher offensichtlich war.
40
Weicht die Länge der Quernaht bei dem der Bedienungsanleitung entsprechenden Gebrauch von der "Ideallänge" ab und hat der Abnehmer erst durch einen der Bedienungsanleitung abweichenden Gebrauch die ihm gelieferten Haubenstretchautomaten zur Benutzung der Erfindung geeignet gemacht, hätte es über die getroffene Feststellung hinaus weiterer Feststellungen bedurft, aus denen sich ergibt, dass die Bestimmung zur Benutzung der Erfindung durch den Abnehmer bereits bei der Lieferung der Automaten vorlag und die Beklagten dies wussten. Aufgrund der bisherigen Feststellungen könnte daher eine mittelbare Patentverletzung nach der dargelegten ersten Variante des subjektiven Tatbestands des § 10 Abs. 1 PatG frühestens und nur bei weiteren Angeboten oder Lieferungen von dem Zeitpunkt an in Betracht kommen, in dem die Beklagten davon Kenntnis erhielten, dass das Mittel von ihren Abnehmern durch Veränderungen der Betriebsweise nach der Bedienungsanleitung zur Benutzung in patentgemäßer Weise bestimmt wurde, und sie diese gleichwohl weiter mit Haubebstretchautomaten beliefert hätten, ohne die zur Abwendung einer unmittelbaren Patenverletzung gebotenen Maßnahmen ergriffen zu haben. Derartige Feststellungen sind nicht getroffen.
41
Führt die Befolgung der Bedienungsanleitung nicht zur Ausbildung der Quernähte mit einer Länge von wenigstens ca. 95 % der parallelen Breite der Stückgutstapel , fehlt es an Anhaltspunkten für die Annahme, aufgrund der gegebenen Umstände könne mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass sonstige Abnehmer der Haubenstretchautomaten der Beklagten diese zur Benutzung jedenfalls des Verfahrens nach Patentanspruch 2 bestimmen, so dass auch die Beklagten eine solche Bestimmung der Mittel seitens ihrer Abnehmer bei ihren Lieferungen hätten zugrunde legen müssen. Aufgrund der gegebenen Umstände war die Bestimmung der Haubenstrechautomaten zur Benutzung der Erfindung nach den bisherigen Feststellung daher nicht offensichtlich. Feststellungen, aus denen sich ergeben könnte, dass gleichwohl die Bestimmung der Mittel zur Benutzung der Erfindung offensichtlich gewesen sein könnte, sind nicht getroffen. Die Frage, ob bei einer Ausbildung der Quernaht mit einer Länge von 91,7 % das Verfahren nach Patentanspruch 1 ausgeführt wird, hat das Berufungsgericht nicht entschieden; insoweit ist der Rechtsstreit ausgesetzt.
42
Soweit es im neuen Berufungsverfahren auf das Vorliegen der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 2 PatG ankommen sollte, werden die erforderlichen Feststellungen, gegebenenfalls auf der Grundlage ergänzenden Sachvortrags der Parteien, nachzuholen sein.
43
2. Soweit die Parteien über Schadensersatzansprüche und den Umfang des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs streiten, weist der Senat auf folgendes hin.
44
a) Das Berufungsgericht wird in dem neuen Berufungsverfahren zu klären haben , ob die Verwendung der an den Abnehmer R. gelieferten Maschinen einen Schadensersatzanspruch auslösen konnte und ob gegebenenfalls im Übrigen Verletzungshandlungen vorgetragen sind. Derzeit kommt ein Schaden der Klägerin nur insoweit in Betracht, als Abnehmer der Beklagten eine solche Bestimmung im maßgeblichen Zeitpunkt getroffen hatten. Soweit die Abnehmer eine solche Bestimmung nicht getroffen haben, weil sie die Haubenstretchautomaten der Beklagten der Bedienungsanleitung entsprechend patentfrei verwendet haben, scheiden ein Schaden der Klägerin sowie Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen aus, denn durch § 10 Abs. 1 PatG wird dem Patentinhaber kein ausschließliches Recht dahin eingeräumt, dass nur er Mittel anbieten und liefern darf, die geeignet sind, bei der Benutzung der Erfindung verwendet zu werden, wenn sie auch patentfrei benutzt werden können.
45
b) Soweit nicht sonstige Schadenspositionen wie etwa Kosten der Rechtsverfolgung und dergleichen im Streit stehen, ist der im Falle der mittelbaren Patentverletzung nach § 139 PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ zu ersetzende Schaden derjenige, der durch die unmittelbare Patentverletzung des Abnehmers des Mittels entsteht (Sen.Urt. v. 7.6.2005 - X ZR 247/02, GRUR 2005, 848, 854 - Antriebsscheibenaufzug m.w.N.; Scharen in Benkard, PatG u. GebrMG 10. Aufl., § 10 PatG Rdn. 25; Rogge/Grabinski in Benkard, aaO, § 139 PatG Rdn. 40 a, jew. m.w.N.). Der Schadensersatzanspruch kann in diesem Rahmen gegebenenfalls auch auf Abschöpfung des Gewinns des mittelbaren Patentverletzers gerichtet werden (Scharen in Benkard, aaO., § 10 PatG, Rdn. 25; Meier-Beck, GRUR 1993, 1, 4). § 10 PatG schützt den Patentinhaber nur im Vorfeld einer unmittelbaren Patentverletzung durch die Angebotsempfänger und Belieferten. Indem der Schadensersatzanspruch aber auf den durch die unmittelbar patentverletzenden Handlungen der Angebotsempfänger und Belieferten verursachten Schaden abstellt, stehen dem Patentinhaber zur Ausfüllung dieses Schadensersatzanspruchs die für die unmittelbare Patentverletzung entwickelten Grundsätze zur Verfügung. Nur zur Durchsetzung dieser Schadensersatzansprüche besteht der Anspruch auf Rechnungslegung (Scharen in Benkard , aaO., § 10 PatG Rdn. 25).
46
Das bedeutet allerdings nicht, dass ein Auskunftsanspruch nur in Betracht kommt, soweit die Abnehmer der Beklagten mit der gelieferten Vorrichtung tatsächlich das erfindungsgemäße Verfahren angewendet haben. Für den Auskunftsanspruch genügt es vielmehr, wenn der mittelbare Verletzer Mittel im Sinne des § 10 PatG - hier eine zur Ausübung des erfindungsgemäßen Verfahrens geeignete Vorrichtung - geliefert hat, obwohl nach den gegebenen Umständen auch deren Bestimmung zur Benutzung der Erfindung zu erwarten war. Dies ermöglicht es dem Berechtigten , sich darüber Gewissheit zu verschaffen, ob die einzelnen Abnehmer tatsächlich die Erfindung benutzt haben und demgemäß die mittelbare Verletzung zu einem ersatzpflichtigen Schaden geführt hat.
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B) Zur Revision der Klägerin
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I. Die Klägerin nimmt die Abweisung der Klage wegen unmittelbarer Verletzung des Klagepatents hin. Sie greift mit ihrer zulässigen Revision das Berufungsurteil nur insoweit an, als das Berufungsgericht die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung für den Fall ausgesprochen hat, dass die Beklagten die umstrittenen Haubenstretchautomaten nicht mit einem auf das Klagepatent bezogenen Warnhinweis in der Betriebsanleitung anbieten, und das weitergehende Begehren der Klägerin abgewiesen hat, den Beklagten den Vertrieb der Vorrichtungen zu untersagen, sofern sie den Abnehmern ihrer Haubenstretchautomaten eine auf das Klagepatent bezogene Unterlassungserklärung abverlangen, die mit einem zugunsten der Klägerin abzugebenden Vertragsstrafeversprechen bewehrt ist.
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II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Nach dem für die Prüfung der Revision der Klägerin zugrunde zu legenden Sachverhalt kann nicht ausgeschlossen werden, dass der vom Berufungsgericht ausgeurteilte Hinweis in der Betriebsanleitung nicht ausreicht, einer zu erwartenden Bestimmung der Vorrichtung zur Benutzung der Erfindung wirksam entgegenzuwirken.
50
Welche Vorsorgemaßnahmen der Anbieter oder Lieferant eines Mittels, das sowohl patentverletzend als auch patentfrei verwendet werden kann, zu treffen hat, bestimmt sich nach Abwägung aller Umstände im Einzelfall. Dabei ist zu berücksichtigen , dass die Maßnahmen einerseits geeignet und ausreichend sein müssen, um Patentverletzungen mit hinreichender Sicherheit zu verhindern, andererseits den Vertrieb des Mittels zum patentfreien Gebrauch nicht in unzumutbarer Weise behindern dürfen (Sen. Urt. v. 13.6.2006 Deckenheizung aaO.). Die vom Berufungsgericht für ausreichend erachtete Maßnahme, in der Betriebsanleitung einen Hinweis auf das Klagepatent aufzunehmen, stellt nicht sicher, dass der Warnhinweis überhaupt vom dem- oder denjenigen wahrgenommen wird, die bei dem jeweiligen Abnehmer dafür Sorge zu tragen haben, dass in dem Betrieb technische Schutzrechte beachtet werden. Eine Warnung in der Betriebsanleitung kann daher einen Hinweis, der bei der Lieferung an den Abnehmer in seiner Eigenschaft als Käufer und Erwerber der Vorrichtung gegeben wird, gegebenenfalls ergänzen, aber nicht ersetzen.
51
III. Sollte das Berufungsgericht wiederum zu dem Ergebnis gelangen, dass die Beklagten das Klagepatent mittelbar verletzt haben, wird erneut darüber zu entschei- den sein, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um einer Benutzung des patentierten Verfahrens durch die Abnehmer der Beklagten entgegenzuwirken. Dies wird gegebenenfalls auch davon abhängen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, mit der eine erfindungsgemäße Benutzung der Vorrichtung zu erwarten ist. Der Klägerin wird Gelegenheit zu geben sein, entsprechende Anträge zu stellen, wobei im Hinblick auf den ausgeurteilten, auf das Klagepatent bezogenen Warnhinweis zu berücksichtigen sein wird, dass das Unterlassungsgebot einschränkende Zusätze wie die Forderung nach "ausdrücklichen und unübersehbaren" Hinweisen dem Bestimmtheitsgebot nicht genügen (vgl. nur Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdn. 340 a.E. m.w.N.).
52
Ferner wird zu berücksichtigen sein, dass die Forderung der Klägerin, den Abnehmern der fraglichen Mittel generell eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzuverlangen, wegen der absehbaren Reaktionen der potentiellen Abnehmer wirtschaftlich einem uneingeschränkten Verbot des Vertriebs der umstrittenen Haubenstretchautomaten gleichkommen kann. Deshalb kann die Abgabe solcher Unterlassungserklärungen seitens der Abnehmer mittelbar patentverletzender Mittel im Rahmen des § 10 PatG nur verlangt werden, wenn ein Warnhinweis nach den konkreten Umständen des Einzelfalls unzureichend ist (vgl. BGH, Urt. v. 30.4.1964 - Ia ZR 224/63, GRUR 1964, 496, 498 - Formsand II; Urt. v. 8.11.1960 - I ZR 67/59, GRUR 1961, 627, 628 - Metallspritzverfahren; Scharen, GRUR 2001, 995, 998; Scharen in Benkard, aaO., § 10 PatG Rdn. 24 m.w.N. auch zum Meinungsstand). Da die Schutzrechtslage im Kreis gewerblicher Abnehmer bekannt ist, ist davon auszugehen , dass diese schon im eigenen Interesse regelmäßig bemüht sein werden, Patentverletzungen zu vermeiden (BGH, Urt. v. 30.4.1964 - Ia ZR 224/63, aaO.). Der Anspruch auf Unterlassung des Vertriebs von Mitteln, die von den Abnehmern oder Belieferten patentverletzend benutzt werden können, solange sich die Abnehmer nicht auf das Klagepatent bezogen strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet haben, setzt deshalb die Feststellung besonderer Umstände voraus. Die für das Begehren der Klägerin erforderliche Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unterliegt der tatrichterlichen Würdigung, die im Revisionsverfahren nicht erfolgen kann (BGH, Urt. v. 13.6.2006 "Deckenheizung", aaO. zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Gröning
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 18.09.1997 - 4 O 30/94 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 20.06.2002 - 2 U 136/97 -

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Das Gericht bestimmt nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind.

(2) Die einstweilige Verfügung kann auch in einer Sequestration sowie darin bestehen, dass dem Gegner eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Veräußerung, Belastung oder Verpfändung eines Grundstücks oder eines eingetragenen Schiffes oder Schiffsbauwerks untersagt wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.