I.
Die Parteien streiten um Unterlassungsansprüche der Klägerin, welche den Beklagten vorwirft, den Kater der Klägerin, „B.“, entgegen dem Verbot der Klägerin immer wieder angelockt, bei sich aufgenommen, betreut und gefüttert zu haben.
Wegen der tatbestandlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Endurteil des Amtsgerichts München vom 27.04.2018 gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO nach Maßgabe folgender Ergänzungen Bezug genommen:
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-Dass der Kater „B.“ seit Jahren an Epilepsie leidet, täglich zweimal Medikamente benötigt und dass ihm bei Nichtverabreichung der Medikamente lebensbedrohende epileptische Anfälle drohen, ist nicht bestritten und demnach als unstreitiges Parteivorbringen einzustufen.
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-Die genaue Fassung des in erster Instanz von der Klägerin gestellten Antrags lautete darauf,
die Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, mindestens aber 500,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, zu verurteilen, es zu unterlassen, den Kater der Klägerin, „B.“, anzulocken, zu füttern, das Tier im eigenen Haus (auch nur stundenweise) aufzunehmen, oder seinen Aufenthalt im eigenen Haus zu dulden.
Mit Urteil vom 27.04.2018, der Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) zugestellt am 03.05.2018, hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt:
Das von der Klägerin vorgetragene Verhalten der Beklagten stelle keine Beeinträchtigung des Eigentumsrechts der Klägerin dar. Das Eigentumsrecht umfasse bei freilaufenden Katzen nicht das Recht, andere Menschen vom Umgang mit dem Tier auszuschließen, auch nicht, soweit das Tier gefüttert werde oder sich in einer fremden Unterkunft aufhalten dürfe. Maßgeblich zu beachten sei, dass Tiere keine Sachen seien, und dass die für Sachen geltenden Vorschriften nur entsprechend anwendbar seien (§ 90 a BGB). Die durch das Eigentum begründete Bestimmungsgewalt gelte für Tiere nur eingeschränkt; Menschen könnten über Tiere nur in dem Umfang bestimmen, in dem sich die Tiere durch Vorgaben bestimmen und so beherrschen ließen. Eine als Freigänger lebende Katze verfüge über eigene Freiheit, innerhalb derer keine Herrschaft erfolge und somit auch keine Herrschaft beeinträchtigt werden könne. Katzen, die jedenfalls ihrer Art nach in der Lage wären, längere Zeit ohne menschliche Versorgung zu überleben, zeichneten sich durch ein hohes Maß an Eigenwilligkeit aus und seien „insofern (...) sinnbildlich mit einer von vier Pfoten immer schon herrenlos“; in dem Umfang, in denen man sie sich selbst überließe, scheide Herrschaft und damit Beeinträchtigung eines Herrschaftsrechts aus. Eine Beeinträchtigung durch Dritte sei erst dann anzunehmen, wenn diese dem Tier die vom Eigentümer überlassene Freiheit nähmen. Allein dies sei dem Eigentümer vorbehalten; nicht hingegen das Recht, das Tier anzulocken, zu füttern, es im eigenen Haus zu dulden oder aufzunehmen. So erlaube „die Freundlichkeit im Kontakt“ es anderen als dem Eigentümer auch ohne weiteres, einer Katze Futter und Aufenthalt anzubieten. Wenn es dem Tier überlassen sei, sich sein Umfeld zu suchen, bestehe keine Beeinträchtigung darin, dass es sich einen Platz suche, an dem es ihm gefalle. Das gleiche Ergebnis ergebe sich aus einer „wertenden Zurechnung“; die Beeinträchtigung der „Herrschaftswünsche der Klägerin über das Tier“ liege an der Klägerin selbst. Wenn die Klägerin mehr für die drohende Beeinträchtigung könne als die Beklagten, scheide eine Bewertung des Verhaltens der Beklagten als Beeinträchtigung aus. Zentraler Aspekt von Zurechnung sei hier, ob fremdes menschliches Verhalten als situativ verständlich und als solches billigenswert anzunehmen sei; dies sei hier der Fall, zumal andere Menschen Tiere als Wesen mit einem Eigenwert und so „als Gäste im menschlichen Leben betrachten und auch willkommen heißen“ dürften. Dass andere zu ihrer Katze freundlich seien, sei der Klägerin selbst zuzurechnen, da es ihr unbenommen wäre, die Freiheit der Katze zu beschränken, „statt zu versuchen, andere Menschen durch Unterlassungsverpflichtung in deren Freiheit zu beschränken“. Dass für die Katze der Klägerin die Besonderheit einer gravierenden behandlungsbedürftigen Erkrankung bestehe, ändere an diesen Wertungen nichts, da auch insofern die Schutzobliegenheit alleine bei der Klägerin liege.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 03.05.2018 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 14.05.2018, eingegangen bei Gericht am 15.05.2018, Berufung eingelegt und die Berufungsgründe umrissen. Eine weitere Begründung erfolgte entgegen Ankündigung in der Berufungsschrift nicht mehr.
Die Klägerin verfolgt im Rahmen der Berufung ihren Sachantrag aus erster Instanz weiter.
Sie ist der Auffassung, das Ersturteil missachte die weitgehenden Eigentümerrechte der Klägerin, der als Eigentümerin das Recht zustehe, zu entscheiden, ob und von wem ihr Haustier gefüttert werde, wo es Zuflucht erhalte und wie und wann die Medikation zu geben sei. Im Übrigen hält die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen aufrecht.
Die Klägerin beantragt,
das Endurteil des Amtsgerichts München zum Aktenzeichen 132 C 14338/17, zugestellt am 03.05.2018, aufzuheben, und die Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, mindestens aber 500,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, zu verurteilen, es zu unterlassen, den Kater der Klägerin, „B.“, anzulocken, zu füttern, das Tier im eigenen Haus (auch nur stundenweise) aufzunehmen, oder seinen Aufenthalt im eigenen Haus zu dulden.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil als frei von Rechtsfehlern und bekräftigen daneben ihren erstinstanzlichen Vortrag, wonach sie zu keinem Zeitpunkt den streitgegenständlichen Kater angelockt, beherbergt, gefüttert oder gegen seinen Willen festgehalten hätten.
Das Berufungsgericht hat am 13.12.2018 mündlich verhandelt und die Parteien jeweils persönlich zu dem streitigen Sachverhalt angehört. Wegen der im Rahmen dieser Anhörung von den Parteien abgegebenen Erklärungen wird auf das Sitzungsprotokoll der Berufungsverhandlung vom 13.12.2018 Bezug genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 27.04.2018 ist unbegründet, weil sich das angegriffene Urteil zwar nicht im rechtlichen Ansatz, jedoch - aus tatsächlichen Gründen - im Ergebnis als zutreffend erweist.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB.
II.1
Zwar ist das Urteil des Amtsgerichts insofern rechtsfehlerhaft, als es ein negatives Bestimmungsrecht des Eigentümers einer als „Freigänger“ lebenden Katze auch insoweit negiert, als ein aktives Einwirken Dritter auf das Tier in Gestalt gezielten Anlockens und Fütterns trotz durch den Eigentümer bereits ausgesprochenen ausdrücklichen Verbots in Rede steht, und spiegelbildlich Dritten ein Recht auf jedwede im Rahmen eines „freundlichen Kontakts“ stattfindende Einwirkung auch gegen den ausdrücklich artikulierten Willen des Eigentümers zuspricht. Diese Sichtweise wird dem gesetzlich bestimmten Inhalt des Eigentums, auch unter Berücksichtigung von § 90 a BGB, nicht gerecht (i.F. II.1.a/b).
Richtigerweise ist vielmehr dahingehend zu differenzieren, dass eine dem Inhalt des Eigentums (§ 903 BGB) an einer Freigängerkatze widersprechende Beeinträchtigung i.S.d. § 1004 BGB dann vorliegt, wenn Dritte aktiv durch Locken und/oder Füttern auf die Katze einwirken (i.F. II.1.d), obwohl der Eigentümer dies zuvor untersagt hat (i.F. II.1.e), während das bloße passive Gewährenlassen der Katze in der Tat generell keine Eigentumsbeeinträchtigung darstellt (im Folgenden II.1.c).
II.1.a
Die Befugnisse des Eigentümers sind in § 903 BGB ausdrücklich normiert. Nach Satz 1 dieser Norm kann der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und insbesondere - was vorliegend maßgeblich ist - andere von jeder Einwirkung ausschließen (negative Eigentümerbefugnisse/Ausschließungsrecht). Satz 2 der Norm - welcher zeigt, dass der Gesetzgeber sich der Erstreckung der vorgenannten Befugnisse auf das Eigentum an Tieren bewusst war - bestimmt daneben, dass der Eigentümer eines Tieres bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten hat.
Die negativen Befugnisse des Eigentümers, d.h. sein Recht, fremde Einwirkungen auf seine Sache grundsätzlich auszuschließen, begründet den wesentlichen Inhalt der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie (Ring/Grziwotz/Keukenschrijver, BGB, Sachenrecht, 4. Auflage 2016, BGB § 903 Rn. 31, beck-online; Jauernig/Berger, BGB, 17. Aufl. 2018, BGB § 903 Rn. 3). Dementsprechend stand für den Gesetzgeber des BGB bei der Bestimmung der Eigentümerrechte in § 903 BGB die Ausschließungsbefugnis im Vordergrund; wesentlicher Inhalt des Eigentums ist somit ein exklusives, alle Personen ausschließendes Verfügungs- und Nutzungsrecht (MüKoBGB/Brückner, 7. Aufl. 2017, BGB § 903 Rn. 12).
II.1.b
Das Amtsgericht hat angenommen, dass Menschen über Tiere „nur in dem Umfang bestimmen“ könnten, „in dem die Tiere sich durch Vorgaben bestimmen und sich so beherrschen“ ließen. Im konkreten Fall hat das Amtsgericht hieraus abgeleitet, die eigene Freiheit, über welche als Freigänger lebende Katzen verfügen, schlösse Herrschaft und somit Beeinträchtigung eines Herrschaftsrechts aus. Dem kann nicht beigetreten werden. Dass die freilaufende Katze sich - was zweifellos zutrifft - „nichts sagen lässt“, ihren „eigenen Kopf“ hat, und sich mithin keiner „Macht“ und keiner „Herrschaft“ unterwirft, korrespondiert nicht etwa im Ergebnis damit, dass die - Dritten, also anderen Menschen gegenüber bestehenden - negativen Eigentümerbefugnisse aufgehoben wären, sondern macht vielmehr exemplarisch deutlich, dass es gerade die Ausschließungsrechte sind, die dem Eigentumsrecht überhaupt erst Kontur und Geltung verschaffen. Es geht nämlich nicht darum, inwieweit das Tier (ebensowenig wie eine unbelebte Sache) einer „Herrschaft“ unterworfen ist, sondern darum, welches Verhalten der Eigentümer hinsichtlich des Tieres von Dritten verlangen kann. Denn schon generell - nicht allein in der hier in Rede stehenden, allerdings das Problem besonders anschaulich illustrierenden Konstellation - ist die Vorstellung einer rechtlichen Macht über eine Sache als solche (hier: über das Tier als solches) bereits deshalb unmöglich, weil Rechtsnormen das Verhalten von Menschen gegenüber anderen Menschen regeln und (rechtliche) Verhaltensanordnungen des Menschen gegenüber Sachen (Tieren) nicht denkbar sind.
So formulierte Oertmann (der spätere Schöpfer des Rechtsinstituts der Geschäftsgrundlage) instruktiv bereits in den Jahrbüchern für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, Bd. 31 = N.F Bd. 19, 1892, S. 415-467 (420):
„Bestünde nämlich das Eigenthum an meinem Hunde in der unmittelbaren rechtlichen Macht über ihn, so müßte sich auch gegen das Thier die Norm richten, dieses mein Recht nicht zu verletzen; gegen den entlaufenen müßte ich klagen und ihm etwa, der bekannten Bestimmung des preußischen Eherechts analog, einen Rückkehrbefehl öffentlich zustellen lassen können!“
Wenngleich das in der obigen Passage zur Illustration erwähnte familienrechtliche Rechtsinstrument zurecht Geschichte ist, ist ihrer Kernaussage auch aus heutiger Sicht wenig hinzuzufügen - die eigentliche Herrschaftsbeziehung spielt sich nicht im Verhältnis zu einer „beherrschten“ Sache oder zu einem „beherrschten“ Tier ab; das Eigentum ist vielmehr durch die Verpflichtung aller übrigen Rechtsgenossen charakterisiert, den Eigentümer in seinem durch das Recht geschützten sachlichen Bereich nicht zu beeinträchtigen (MüKoBGB/Brückner, 7. Aufl. 2017, BGB § 903 Rn. 13). Die „Herrschaftsfeindlichkeit“ der freilaufenden Katze beseitigt daher nicht etwa generell das gegen Einwirkungen (menschlicher) Dritter gerichtete Ausschließungsrecht, sondern sie macht vielmehr exemplarisch deutlich, dass diese negative Eigentümerbefugnis gerade dasjenige Mittel ist, über welches das Eigentum sich allein bewähren kann.
Es bleibt daher zu prüfen, ob überhaupt und inwieweit das grundsätzlich unbeschränkte Ausschließungsrecht des Eigentümers durch die Besonderheiten der Konstellation bestimmte Einschränkungen erfährt, beispielsweise weil die gesetzliche Regelung der (negativen) Eigentümerbefugnisse infolge fehlender Berücksichtigung der Besonderheiten des Eigentums an Tieren lückenhaft wäre und die Lücke im Rahmen der durch § 90 a BGB angeordneten entsprechenden Anwendung der für Sachen geltenden Vorschriften (mithin auch des § 903 BGB) geschlossen werden müsste. Nun hat der Gesetzgeber die Problematik der Anwendung der Eigentümerbefugnisse auf Tiere ausweislich § 903 Satz 2 BGB aber gerade gesehen und mit dieser Norm einer besonderen Regelung unterworfen. Demnach hat der Eigentümer eines Tieres bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten. Während indes anerkannt ist, dass diese Norm die positiven Eigentümerbefugnisse einschränkt - insbesondere die Normen des Tierschutzgesetzes gestatten dem Eigentümer gerade nicht, mit dem Tier „nach Belieben“ zu verfahren - ist ebenso unbestritten, dass die negativen (Ausschließungs-)Befugnisse des Eigentümers eines Tieres dagegen nicht angetastet, sondern eher ausgeweitet werden (vgl. BeckOGK/Lakkis, Stand 01.12.2018, BGB § 903 Rn. 240; sh. allerdings im Folgenden II.1.e, Abs. 3). Es bleibt daher bei der grundsätzlichen Befugnis des Eigentümers, Dritte von Einwirkungen auf das Tier auszuschließen.
II.1.c
Richtig ist unbeschadet dessen, dass es nicht zu den Eigentümerbefugnissen gehört, Dritte aufgrund deren lediglich passiver Duldung eines freilaufenden Tieres zum Vertreiben, Vergrämen oder zu sonstigen aktiven Vorkehrungen „anzuweisen“, die einen Aufenthalt des Tieres beim Dritten verhindern oder beenden sollen. Denn die aus § 903 BGB resultierende negative Eigentümerbefugnis ist auf den Ausschluss Dritter von „Einwirkungen“ auf die Sache beschränkt; dem Begriff der „Einwirkung“ (von außen auf die Sache) ist indes ein positives, aktives Element inhärent, das sich in einer bloßen Duldung des Aufenthalts, einem passiven Gewährenlassen, gerade nicht niederschlägt. Hier gewinnt also bei Freigängerkatzen deren „eigener Kopf“ durchaus insoweit Bedeutung, als die auf eigener „Initiative“ der Katze beruhende „Wahl“ des Aufenthaltes im Machtbereich eines Dritten zu einem mit § 903 BGB nicht in Widerspruch stehenden und somit auch nicht potentiell i.S.d. § 1004 BGB anspruchsbegründenden Zustand führt: Es widerspricht mangels „Einwirkung“ nämlich nicht dem Inhalt des Eigentums, wenn Dritte einen Aufenthalt der Katze, den diese ohne oder unabhängig von einem gezielt lockenden Verhalten des Dritten „gewählt“ hat, dulden und der Katze den Verbleib gestatten - selbst dann, wenn der Wille des Eigentümers darauf gerichtet ist, der Dritte möge die Katze vertreiben, und selbst dann, wenn der Eigentümer diesen Willen - wie vorliegend die Klägerin - gegenüber dem Dritten artikuliert hat.
II.1.d
Hingegen bleibt es grundsätzlich dabei, dass es der Rechtsmacht des Eigentümers i.S.d. § 903 BGB unterfällt, aktive Einwirkungen Dritter auf das Tier, auch auf die freilaufende Katze, zu unterbinden. Dazu gehört das gezielte Anlocken ebenso wie das Füttern gegen den Willen des Eigentümers (ebenso zu Letzterem insb. BeckOK BGB/Fritsche, 48. Edition, Stand: 01.11.2018, § 903 Rn. 73; Ring/Grziwotz/Keukenschrijver, BGB, Sachenrecht, 4. Auflage 2016, BGB § 903, Fußnote 2763; LG Meiningen, NJW-RR 2014, 94; auch LG München I i.R.d. Streitwertbeschwerde im vorliegenden Verfahren - insoweit Az. 13 T 7015/18 - Beschluss vom 07.06.2018 = Bl. 59/62 d.A.). Entgegenzutreten ist insoweit den Ausführungen des Amtsgerichts zur so bezeichneten „wertenden Zurechnung“, wonach maßgeblich sei, ob fremdes Verhalten als situativ verständlich und als solches billigenswert anzunehmen sei. Eine Einschränkung der negativen Eigentümerbefugnisse dahingehend, dass Dritten derjenige Umgang mit der Sache oder dem Tier gestattet wäre, den der Rechtsverkehr oder ein Gericht als verständlich oder billigenswert ansehen, ist der Rechtsordnung - namentlich mit Blick auf die verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentumsgarantie - auch in Bezug auf Tiere fremd; Inhalt und Schranken des Eigentums werden durch die Gesetze bestimmt (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) und eine gesetzliche Grundlage für die vorgenannte Wertung ist nicht ersichtlich.
II.1.e
Daraus folgt indes keineswegs, dass jedes Füttern oder Anlocken einer im Eigentum eines anderen stehenden Katze eine unzulässige Einwirkung darstellt. Denn regelmäßig wird, solange sich der Eigentümer nicht anderweitig geäußert hat, von dessen grundsätzlicher stillschweigender bzw. mutmaßlicher Gestattung sozialadäquaten Umgangs mit dem freilaufenden Tier auszugehen sein: Ein freundliches Locken, Streicheln etc. wird dabei praktisch stets, auch das gelegentliche Füttern einer „besuchsweise“ vorbeischauenden Freigängerkatze (zumindest im Normalfall, d.h. insbesondere wenn die Katze „normalgewichtig“ und augenscheinlich gesund - mithin nicht auf Spezialnahrung o.ä. angewiesen - ist) abhängig von Häufigkeit und Menge weithin als sozialadäquat anzusehen sein, so dass grundsätzlich nicht von einem entgegenstehenden Willen des Eigentümers ausgegangen werden muss. Hier hat der Aspekt der Üblichkeit und Sozialadäquanz seinen Platz, und insoweit geht das Amtsgericht auch nicht fehl, wenn es von der erlaubten, „freundlichen Begegnung“ mit dem Tier spricht, welche auch das Anbieten von Futter einschließen könne.
Allerdings ist ab dem Moment kein Raum mehr für diesen Gesichtspunkt, in dem der Eigentümer dem Dritten - wie vorliegend die Klägerin - die Fütterung oder das aktive Anlocken ausdrücklich untersagt und somit von seiner negativen Eigentümerbefugnis Gebrauch gemacht hat. Denn in diesem Fall kommt eine stillschweigende bzw. zu vermutende Einwilligung nicht mehr in Betracht, und Dritte haben die Entscheidung des Eigentümers grundsätzlich zu akzeptieren.
Dieser Grundsatz könnte zwar - im Licht von Art. 20 a GG, § 90 a BGB, § 903 Satz 2 BGB i.V.m. der Wertung aus §§ 1, 2 Nr. 1 TierschG, ggf. § 904 BGB - ausnahmsweise dann wiederum eine Durchbrechung erfahren, wenn die Untersagung durch den Eigentümer sich als tierschutzwidrig darstellen würde (etwa: der selbst nicht für eine bedürfnisgerechte Verpflegung i.S.d. § 2 Nr. 1 TierschG sorgende Eigentümer einer unter Nahrungs- oder Flüssigkeitsentzug leidenden Katze verbietet dem mitfühlenden Nachbarn das Füttern/Tränken des Tieres). Dies steht aber vorliegend nicht inmitten.
II.2
Den obigen rechtlichen Ansatz zugrunde gelegt, hat die Klägerin gleichwohl keinen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten aus § 1004 BGB, weil es teils aus rechtlichen (i.F. II.2.a), teils aus tatsächlichen Gründen (i.F. II.2.b) bereits an einer Eigentumsbeeinträchtigung i.S.d. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB fehlt, beziehungsweise weil, soweit angesichts eines einzelnen streitigen Sachverhaltsaspekts nicht ausschließbar eine (einmalige) Eigentumsbeeinträchtigung in Betracht kommt, hieraus jedenfalls nicht die gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr abgeleitet werden könnte (i.F. II.2.c), so dass insoweit der angebotene Beweis nicht zu erheben war.
II.2.a
Ein Anspruch der Klägerin aus § 1004 BGB kommt insoweit, als ein bloß passiv duldendes Verhalten der Beklagten, mithin das - von den Beklagten in der Berufungsverhandlung auch eingeräumte - entgegen dem Wunsch der Klägerin erfolgende Unterlassen einer Vertreibung oder Vergrämung als potentiell anspruchsbegründendes Verhalten im Raum steht, bereits aus Rechtsgründen nicht in Betracht, weil es bereits an einer Eigentumsbeeinträchtigung i.S.d. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB fehlt. Hierunter ist jeder dem Inhalt des Eigentums (§ 903 BGB) widersprechende Zustand zu verstehen (vgl. z.B. BGH NJW-RR 2003, 953 [954] m.w.N.). Nach dem oben Dargestellten (II.1.c) stellt das bloße Dulden der Anwesenheit bzw. des Aufenthalts keine Einwirkung auf das Tier dar, von dem die Klägerin als Eigentümerin Dritte ausschließen könnte, und steht somit nicht mit dem Inhalt des Eigentums der Klägerin in Widerspruch.
II.2.b
Soweit die Klägerin vorgebracht hat, die Beklagten hätten - und zwar auch nach der Aufforderung zur Unterlassung im Oktober 2015 - Kater B. immer wieder gefüttert, angelockt und „betreut“, würde das Klagevorbringen bei Wahrunterstellung zwar eine wiederholte und nachhaltige Eigentumsbeeinträchtigung i.S.d. § 1004 Abs. 1 Satz 1 schlüssig begründen (sh. oben II.1.d und II.1.e). Der Klägerin ist der ihr diesbezüglich obliegende Beweis aber nicht gelungen, so dass ein Anspruch auch insoweit ausscheidet, weil die anspruchsbegründenden Umstände nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden können (§ 286 ZPO).
Für das behauptete Füttern, wiederholte Locken (zu einem singulären Ereignis i.F. II.2.c) und Betreuen des Katers wurde kein tauglicher Beweis angeboten. Auch die Anhörung der Parteien in der Berufungsverhandlung vom 13.12.2018 hat nicht zur Überzeugung des Gerichts geführt, dass den Beklagten ein solches Verhalten zur Last zu legen wäre. Dass die Klägerin bei der Rückkehr des Katers von seinen Streifzügen, wie von ihr angegeben, feststellen muss, dass das Tier gesättigt nach Hause kommt, bezweifelt das Gericht nicht. Allerdings haben die Beklagten mit ihren Ausführungen dahingehend, dass bei Nachbarn - nicht bei ihnen selbst - regelmäßig Futter in den Gärten für die zum jeweiligen Haushalt gehörenden freilaufenden Katzen bereitstehe, eine plausible und nicht von der Hand zu weisende Erklärung dafür aufgezeigt, dass der „Sättigungseffekt“ auch ohne Zutun der Beklagten eintreten könnte. Die infolgedessen jedenfalls verbleibenden Zweifel gehen zu Lasten der beweisbelasteten Klägerin. Da insoweit - auch unter Berücksichtigung der Lebenserfahrung - auch kein „Anfangsbeweis“ im Sinne des klägerischen Behauptung erbracht war, so dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisenden Tatsachen gesprochen hätte, sondern da sich die wechselseitigen Parteibehauptungen insoweit gänzlich beweislos gegenüberstanden, lagen auch die Voraussetzungen einer Parteivernehmung gemäß § 448 ZPO nicht vor, zumal diese auch keinen Erkenntniswert, der über denjenigen der informatorischen Anhörung hinausgegangen wäre, versprochen hätte.
Soweit in den Schriftsätzen der Klägerin mehrfach auf GPS-Protokolle rekurriert wurde, hätte es der Klägerin oblegen, diese - wenn sie als Beweismittel hätten dienen sollen - in einer nachvollziehbar aufbereiteten und einer ggf. sachverständigen Nachprüfung zugänglichen Form vorzulegen. Von einer Vorlage hat die Klägerin indes - was ihrer Disposition unterliegt - abgesehen, auch weil die Klägervertreterin ausweislich der Angaben der Klägerin in der Berufungsverhandlung von der fehlenden Eignung als Beweismittel ausging. Ohnehin hätte der bloße Nachweis eines Aufenthalts des Katers in dem den Beklagten zuzuordnenden räumlichen Bereich aufgrund der obigen Erwägungen unter II.1.c/II.2.a nicht den Nachweis einer Eigentumsbeeinträchtigung erbracht.
II.2.c
Insoweit, als zu einem einzigen konkreten Ereignis - einem Anlocken des Katers durch Rufen seitens der Beklagten zu 1) am 27.09.2017 - tauglicher Beweis durch Zeugnis des Vaters der Klägerin angeboten war, war dieser nicht zu erheben, da auch bei diesbezüglichem Zutreffen des Klagevorbringens hieraus kein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB resultieren würde.
Denn zwar stünde dieses Verhalten nach Maßgabe der obigen Ausführungen (II.1.d. und II.1.e) im Widerspruch zum Eigentumsrecht der Klägerin und würde somit eine Beeinträchtigung i.S.d. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellen. Für sich allein genommen könnte das punktuelle Ereignis (und nur dieses wäre im Fall des erfolgreichen Beweises zu berücksichtigen) indes vorliegend nicht die für einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr begründen, jedenfalls nicht im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.
Zwar ist im Grundsatz anerkannt, dass der Umstand, dass eine Beeinträchtigung bereits stattgefunden hat, ein Indiz für das Drohen weiterer Beeinträchtigungen im Sinne eines Anscheinsbeweises begründet. Jedoch lag der behauptete „Zwischenfall“ vom 27.09.2017 zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung bereits über ein Jahr zurück, was in dem vorliegenden Kontext einen langen Zeitraum darstellt. Ist seit der letzten Störung ein längerer Zeitraum verstrichen, kann dies wiederum ein Indiz sein, das gegen eine fortbestehende Wiederholungsgefahr streitet (BeckOGK/Spohnheimer, Stand 01.11.2018, BGB § 1004 Rn. 268.9; OLG Schleswig, Urteil vom 28.02.2012 - 11 U 64/10). So liegt der Fall hier, denn setzt man das einmalige lockende Rufen einer Katze in Beziehung mit einem darauffolgenden Zeitraum von über einem Jahr, in dem kein weiterer „Vorfall“ bewiesen ist (und nur bewiesene konkrete Vorgänge darf das Gericht den Beklagten zur Last legen), so schwächt dies die Indizwirkung der einmaligen Beeinträchtigung für zu besorgende Wiederholungen erheblich ab.
Hinzu kommt, dass die folgenden Aspekte vorliegen, die auch das LG Meiningen in einem die verbotswidrige Fütterung eines fremden Haustiers betreffenden Fall - aus Sicht der Kammer zurecht - als gegen die Wiederholungsgefahr sprechend eingestuft hat: Die (im Rahmen dieser Überlegung als wahr unterstellte) Handlung der Beklagten zu 1) vom 27.09.2017 läge an der unteren Grenze möglicher Beeinträchtigungen; die Beklagten verfolgen jedenfalls keine wirtschaftlichen Eigeninteressen; sie haben auch im vorliegenden Verfahren nicht geltend gemacht, zum Anlocken des Katers B. berechtigt zu sein, und haben vielmehr (vehement und aus Sicht der Kammer in der Berufungsverhandlung auch persönlich glaubhaft) vorgebracht, keinerlei Interesse an einem Anlocken des Katers zu haben.
Angesichts der vorgenannten Umstände in Zusammenschau mit dem oben dargestellten zeitlichen Aspekt ergäbe sich selbst aus dem Nachweis des einmaligen Anlockens durch Rufen am 27.09.2017 vorliegend keine Wiederholungsgefahr.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
IV.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
V.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3 ZPO, 47 GKG.