Amtsgericht München Endurteil, 21. März 2018 - 132 C 14338/17

bei uns veröffentlicht am21.03.2018
nachgehend
Amtsgericht München, 132 C 14338/17, 27.04.2018

Gericht

Amtsgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

4. Der Streitwert wird auf 250,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Katers, dem sie als „Freigänger“ ermöglicht, ihr Anwesen zu verlassen, den sie also nicht nur in ihrem Haus hält. Der Kater leide dabei schon seit Jahren an Epilepsie, wodurch er zweimal täglich Medikamente benötige. Ansonsten bestünde die Gefahr von lebensbedrohlichen epileptischen Anfällen.

Die Klägerin macht geltend, dass die in der Nachbarschaft wohnenden Beklagten seit Juli 2015 ihren Kater immer wieder bei sich aufnähmen, ihm Futter gäben und ihn teils auch nachts über Stunden bei sich behielten. Sie bewertet dies als ein Sich-als-Eigentümer-Gerieren seitens der Beklagten. Wegen diesen Verhaltens sei es mangels medizinischer Versorgung zu epileptischen Anfällen bei ihrem Haustier gekommen und drohe eine Verschlechterung des Gesundheitszustands des Katers. Es seien weitere Tierarztkosten zu besorgen. Ihr alleine stünde das Recht zu, den Kater zu füttern, zu beherbergen und Zeit mit ihm zu verbringen.

Insbesondere am 27.09.2017 sei die Beklagte zu 1. beobachtet worden, wie sie den Kater rief und über die Terrasse in die Wohnung lockte und dann die Terrassentür schloss. Als Zeuge wurde der Vater der Klägerin angeboten, zudem als Angebot zur Substaniierung die Vorlage von GPS-Tracking-Verläufen.

Bereits im Oktober 2015 hatte die Klägerin nach dem Scheitern persönlicher Gespräche einen Anwalt eingeschaltet, der sich an die Beklagten wandte, und hatte die Klägerin auch Strafanzeige gegen die Beklagten erstattet, die seitens der Staatsanwaltschaft im Dezember 2015 aber umgehend nach Erstattung nicht weiter verfolgt wurde. Darauf ließ die Klägerin ein Geltendmachen ihrer Forderungen für längere Zeit ruhen, obwohl sie davon ausging, dass die Beklagten ihr Verhalten weiter fortführten. Anfang 2017 schaltete sie dann erneut ihren Anwalt ein, der für sie dann von den Beklagten forderte, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Die Beklagten lehnten über ihren Anwalt im Februar 2017 die Abgabe einer Unterlassungserklärung ausdrücklich ab, mit der Bitte, die Beklagten nicht weiter mit „hanebüchenen Ansprüchen“ zu belästigen.

In der Folge erhob die Klägerin über ihren Anwalt mit Schriftsatz vom 17.07.2017 Klage gegen die Beklagten, mit dem Antrag, diese dazu zu verurteilen, es zu unterlassen, ihren Kater anzulocken, zu füttern, auch nur für Stunden im eigenen Haus aufzunehmen oder dort zu dulden.

Seitens des Gerichts wurde mit Verfügung vom 04.08.2017 terminiert, unter Hinweis auf Zweifel an der Schlüssigkeit der Klage.

Die Beklagten erklärten, sie hätten die Katze weder angelockt, noch gefüttert, noch gegen ihren Willen festgehalten. Dass sich der Kater gelegentlich in ihrer Wohnung aufhielt, erklärten sie damit, dass sie in wärmeren Monaten Türen und Fenster ihres Hauses zum Lüften geöffnet hatten, so dass der Kater das Haus auf diesen Wegen betreten konnte, zumal er in der Lage ist, angelehnte Türen aufzudrücken. Der Kater verhielte sich auch bei anderen Nachbarn ähnlich.

Im Vorfeld der mündlichen Verhandlung erfolgte am 22.01.2018 ausführlicher Hinweis des Gerichts auf die weiter fehlende Schlüssigkeit der Klage und rechtliche Beurteilung des Klägervorbringens seitens des Gerichts. Ein gerichtliches Vergleichsangebot wurde seitens der Klägerin nicht angenommen.

In der mündlichen Verhandlung vom 21.03.2018 erfolgte dann auch kein Vergleichsangebot seitens der Klägerin, trotz entsprechender vorgerichtlicher Ankündigung. Die Klägerin beantragte Verurteilung entsprechend Klageschriftsatz, die Beklagten Klageabweisung.

Gründe

A. Eine Sachentscheidung ist zulässig.

Die Klage ist am Wohnsitz der Beklagtenpartei erhoben, die Klageforderung hält sich von ihrem Wert im Rahmen der Zuständigkeit des Amtsgerichts.

B. In der Sache ist die Klage unbegründet.

Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch zu, der sich auf ein Unterlassen wie klageweise gefordert richtet.

1. Nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB kann ein Eigentümer zwar auf Unterlassung klagen, wenn weitere Beeinträchtigungen in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes zu besorgen sind. Das von der Klägerin dargestellte Verhalten stellt aber keine Beeinträchtigung ihres Eigentumsrechts dar.

a. Das Eigentumsrecht umfasst bei freilaufenden Katzen nicht das Recht, andere Menschen vom Umgang mit dem Tier auszuschließen, auch nicht, soweit das Tier gefüttert wird oder sich in einer fremden Unterkunft aufhalten darf.

Maßgeblich zu beachten ist, dass Tiere keine Sachen sind, und die für Sachen geltenden Vorschriften nur entsprechend anzuwenden sind (§ 90 a BGB). Insofern sind für Sachen entwickelte Definitionen nicht unbesehen auf Tiere zu übertragen. Das Eigentum begründet zwar aufgrund eines Herrschaftsverhältnisses eine Bestimmungsgewalt über eine Sache. Dies gilt aber für Tiere nur eingeschränkt: Menschen können über Tiere nur in dem Umfang bestimmen, in dem sich die Tiere durch Vorgaben bestimmen und so beherrschen lassen. Insofern ist das Eigentum an einer Katze, die als Freigänger-Katze lebt, von anderen Herrschaftsmöglichkeiten geprägt als bei einem reinen Haustier. Das Tier verfügt dann über eigene Freiheit, innerhalb derer keine Herrschaft erfolgt und damit auch keine Herrschaft beeinträchtigt werden kann. Insbesondere Katzen sind letztlich domestizierte Raubtiere, die freilaufend nach wie vor auf die Jagd gehen und jedenfalls ihrer Art nach in der Lage wären, längere Zeit auch ohne menschliche Versorgung zu überleben. Sie zeichnen sich auch durch ein hohes Maß an Eigenwilligkeit aus. Insofern sind Katzen sinnbildlich mit einer von vier Pfoten immer schon herrenlos. In dem Umfang, in dem man sie sich selbst überlässt, scheidet Herrschaft und damit Beeinträchtigung eines Herrschaftsrechts aus.

Eine Beeinträchtigung ist entsprechend spiegelbildlich durch Dritte erst dann anzunehmen, wenn diese ihrerseits dem Tier die vom Eigentümer überlassene Freiheit nehmen. Nur dies, dem Tier seine Freiheit zu nehmen, ist dem Eigentümer einer freilaufenden Katze vorbehalten.

Anders als von der Klägerin gewünscht besteht aber nicht für sie alleine das Recht, das Tier anzulocken, es zu füttern, es im eigenen Haus zu dulden oder aufzunehmen. Ein freilaufendes Tier hat die Möglichkeit, sich Futter zu suchen, wo es möchte, und kann sich dorthin begeben, wo es möchte. Der Umstand, dass Menschen mit freilaufenden Tieren in Kontakt treten, insbesondere wenn diese als ungefährlich wahrgenommen werden, und sie im Rahmen dieses Kontaktes auch freundlich behandeln, stellt keine Einschränkung der Herrschaft eines Eigentümers über sein Tier dar, weil dem Tier in Freiheit begegnet wird. Die Freundlichkeit im Kontakt erlaubt es anderen als dem Eigentümer auch ohne weiteres, einer Katze Futter und Aufenthalt anzubieten. Wie bei anderen Tieren auch ist es anderen Menschen unbenommen, fremde Tiere an sich zu gewöhnen. Sämtliche daraus folgende Entwicklungen entspringen aus der dem Tier überlassenen Freiheit.

Entsprechend geht auch jede Form der Umgangs- oder Aufenthaltsbestimmung ins Leere. Wenn dem Tier überlassen ist, sich sein Umfeld zu suchen, besteht keine Beeinträchtigung darin, dass es sich einen Platz sucht, an dem es ihm gefällt.

b. Das gleiche Ergebnis ergibt sich auch aus einer wertenden Zurechnung. Die Beeinträchtigung ihrer Herrschaftswünsche über das Tier liegt an der Kägerin selbst.

Insofern beinhaltet die Beurteilung, ob Verhalten anderer als Beeinträchtigung zu sehen ist, ein wertendes Element, wie bei jeder Frage einer Zurechnung von Folgen. Anders als bei einem Schadensersatzanspruch kann bei einem Unterlassen unter dem Gesichtspunkt einer Mitverursachung durch die Klägerin keine nur teilweise Befolgung zugesprochen werden. Insofern sind eigene Verursachungsbeiträge der Klägerin bereits im Vorfeld zu berücksichtigen, ob überhaupt eine den Beklagten zuzurechnende Beeinträchtigung vorliegt. Wenn die Klägerin mehr für die drohende Beeinträchtigung kann als die Beklagten, scheidet eine Bewertung des beklagten Verhaltens als Beeinträchtigung aus.

Dabei greifen dann entscheidend Aspekte der eigenen Verursachung fremden Verhaltens durch das Verhalten der Klägerin. Fremdes Verhalten ist dann wertungsgemäß als herausgefordert der Klägerin selbst zuzurechnen. Zentrale Aspekte von Zurechnung sind hier, ob fremdes menschliches Verhalten als situativ verständlich und als solches billigenswert anzunehmen ist. Beides ist hier der Fall, weil andere Menschen nicht verpflichtet sind, fremde Tiere zu verscheuchen oder zu ignorieren. Andere Menschen dürfen Tiere als Wesen mit einem Eigenwert und so als Gäste im menschlichen Leben betrachtet und auch willkommen heißen.

Insofern ist der Umstand, dass andere zu ihrer Katze freundlich sind, der Klägerin selbst zuzurechnen. Es wäre ihr unbenommen, die Freiheit der Katze zu beschränken, statt zu versuchen, andere Menschen durch Unterlassungsverpflichtung in deren Freiheit zu beschränken.

Dass für die Katze der Klägerin die Besonderheit besteht, dass diese an einer gravierenden und behandlungsbedürftigen Erkrankung leiden soll, ändern an diesen Wertungen nichts. Auch insofern liegt die Schutzobliegenheit alleine bei der Klägerin.

2. Für einen Anspruch aus § 862 Abs. 1 S. 2 BGB gilt nichts anderes. Das im Besitz zum Ausdruck kommende Herrschaftsverhältnis ist nicht weitergehend als das aus dem Eigentum fließende Herrschaftsrecht. Eine Beeinträchtigung ist der Klägerin selbst zuzurechnen.

D. Entscheidungsgründe zur Kostentragung:

Die Kostenfolge ergibt sich aus dem Unterliegen des Klagepartei, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

E. Entscheidungsgründe zur vorläufigen Vollstreckbarkeit:

Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich wegen der Höhe der vollstreckbaren Verfahrenskosten der Beklagten, die unter 1.500 Euro liegen, nach §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

F. Entscheidungsgründe zum Streitwert:

Der Wert des Streitgegenstands wird vom Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt (§ 3 ZPO).

Grundlegend zu beachten ist, dass die Klägerin mit ihrer Klage im Wesentlichen das Eintreten eines Risiko verhindern will, dass ihrem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen ist, nämlich ein Tier zu verlieren, dem sie mit Affektion verbunden ist. Das Erleben des Verlustes oder der Verletzung eines Tieres ist aber nicht schmerzensgeldfähig (BGH, Urteil vom 20.3.2012 - VI ZR 114/11). Affektionsinteressen bleiben bei der Beurteilung des Wertes der Streitsache außen vor. Ein Streit wird nicht mehr oder weniger teuer, weil jemand seinem Tier mehr oder weniger zugewandt ist.

Tatsächlich handelt es sich deswegen nur um eine vermögensrechtliche Streitigkeit, mit der Zielrichtung, dass die Klägerin in der Lage bleibt, ihre Katze selber zu „nutzen“, also den Genuss des Umgangs mit ihr zu haben. Darin gleicht der Fall den Fällen, in denen es darum geht, in einer Mietwohnung ein Haustier halten zu dürfen und so täglich den Genuss des Umgangs mit einem Haustier zu haben. Dort wird der Wert regelmäßig auf 400 Euro angesetzt (vgl. etwa LG Berlin Beschl. v. 16.8.2016, 63 S 120/16). Da ein Affektionsinteresse nicht zu berücksichtigen ist und keine komplette Umgangsentziehung, sondern nur eine Beeinträchtigung geltend gemacht wurde, ist dieses Interesse zu reduzieren und nur auf 250 Euro festzusetzen. Dabei wird die uneingeschränkte Katzen-„Nutzung“ auch nicht mehr oder weniger wert, weil eine Katze gesund oder krank ist.

Eine Werterhöhung dafür, dass die Unterlassungsforderung auch der Befürchtung begegnen soll, ohne Unterlassungsverpflichtung vermehrt Tierarztleistungen in Anspruch nehmen zu müssen, ist nicht geboten. Ziel ist damit nur die Verhinderung eines bloßen Risikos, sicher absehbar ist der Eintritt solcher Folgen nicht, geschweige denn, dass eine befürchtete gesundheitliche Verschlechterung bei Unterlassen des beklagten Verhaltens sicher ausbleiben würde. Preislich wäre ein Krankheitsrisiko bei voller Risikoübernahme als Beiträge zu einer Tierkrankenversicherung darstellbar. Ob die Katze für Krankheit nicht ohnehin schon versichert ist, ist nicht vorgetragen, mangels Maßgeblichkeit aber als Vortrag vom Gericht auch nicht gefordert worden: Weder wäre den Beklagten bei einem zusprechenden Urteil das volle Krankheitsrisiko überbürdet, so dass nur ein Bruchteil einer jährlichen Versicherung anzusetzen wäre. Zudem ist der Eintritt solcher Folgen als Risiko nur der Klägerin zuzurechnen: Es ist „alleine“ die Entscheidung der Klägerin, ihre behandlungbedürftige Katze frei laufen zu lassen und damit eine laufend nötige Behandlung zu gefährden. Der Wert des Streites wird nicht dadurch erhöht, dass die Klägerin sich eine andere Risikozuschreibung wünscht, sondern richtet sich auch insofern nur nach „objektiver“ rechtlicher Bewertung alleine des klägerischen Vortrags mit darauf gestützem Begehren. Wenn schon nach eigenem Vortrag ein Risiko alleine ihres ist, erhöht dieses Risiko nicht den Streitwert.

Insofern ist nach den Umständen des Falles nach Ermessen des Gerichts der Streitwert auf 250 Euro begrenzt.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch


(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 862 Anspruch wegen Besitzstörung


(1) Wird der Besitzer durch verbotene Eigenmacht im Besitz gestört, so kann er von dem Störer die Beseitigung der Störung verlangen. Sind weitere Störungen zu besorgen, so kann der Besitzer auf Unterlassung klagen. (2) Der Anspruch ist ausgeschlo

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Bundesgerichtshof Urteil, 20. März 2012 - VI ZR 114/11

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 114/11 Verkündet am: 20. März 2012 Böhringer-Mangold Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:
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bei uns veröffentlicht am 25.01.2019

Tenor 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 27.04.2018, Az. 132 C 14338/17, wird zurückgewiesen. 2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. 3. Das Urteil ist vorläu

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(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Wird der Besitzer durch verbotene Eigenmacht im Besitz gestört, so kann er von dem Störer die Beseitigung der Störung verlangen. Sind weitere Störungen zu besorgen, so kann der Besitzer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Störer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft besitzt und der Besitz in dem letzten Jahre vor der Störung erlangt worden ist.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 114/11 Verkündet am:
20. März 2012
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Die Rechtsprechung zu Schmerzensgeldansprüchen in Fällen psychisch vermittelter
Gesundheitsbeeinträchtigungen mit Krankheitswert bei der Verletzung
oder Tötung von Angehörigen oder sonst nahestehenden Personen (sog.
Schockschäden) ist nicht auf Fälle psychischer Gesundheitsbeeinträchtigungen
im Zusammenhang mit der Verletzung oder Tötung von Tieren zu erstrecken.
BGH, Urteil vom 20. März 2012 - VI ZR 114/11 - OLG Köln
LG Aachen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. März 2012 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll und
Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 16. März 2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin verlangt materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld im Zusammenhang mit der tödlichen Verletzung eines Hundes bei einem Verkehrsunfall.
2
Am 24. Oktober 2008 spazierte die Klägerin mit einer 14 Monate alten Labradorhündin auf einem Feldweg. Die Hündin war nicht angeleint. Der Beklagte , der mit einem Traktor von einer angrenzenden Straße in den Feldweg einfuhr, überrollte die Hündin, die dadurch so schwere Verletzungen erlitt, dass sie von einem Tierarzt eingeschläfert werden musste.
3
Die Klägerin macht materiellen Schadensersatz wegen entstandener Tierarztkosten, Kosten für die Anschaffung eines Labrador-Welpens und außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie einen Schmerzensgeldanspruch geltend mit der Begründung, sie habe durch das Erlebnis einen Schockschaden mit schweren Anpassungsstörungen und einer schweren depressiven Episode erlitten. Es sei zu einer pathologischen Dauerreaktion gekommen, welche medikamentös habe behandelt werden müssen und die Durchführung einer Langzeitbehandlung erfordert habe. Der Zustand habe über einen Zeitraum von mindestens vier Monaten angedauert und sei bis heute nicht ausgestanden.
4
Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der materiellen Schäden stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht der Klage hinsichtlich der materiellen Schäden nur in Höhe von 50 % stattgegeben und den Beklagten in entsprechender Abänderung des erstinstanzlichen Urteils verurteilt, an die Klägerin 388 € nebst Zinsen zu zahlen sowie sie von außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,54 € freizustellen. Die Berufung der Klägerin und die weitergehende Berufung des Beklagten hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, soweit das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil erkannt hat.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht ist mit dem Landgericht der Auffassung, dass ein Schmerzensgeld wegen eines Schockschadens nicht in Betracht kommt. Für die ersatzfähigen materiellen Schäden hafte der Beklagte als Fahrer des unfallbeteiligten Traktors nach § 18 StVG für den Unfall, bei dem der Hund der Klägerin so schwer verletzt worden sei, dass er anschließend habe eingeschläfert werden müssen. Der Beklagte habe weder nachgewiesen, dass der Unfall für ihn unabwendbar gewesen sei, noch dass ihn an dem Unfall kein Verschulden getroffen habe. Auf der anderen Seite müsse sich die Klägerin nach § 17 Abs. 1 und 4 StVG die Tiergefahr ihres frei laufenden Hundes im Sinne des § 833 BGB anrechnen lassen. Die Abwägung zwischen der Betriebsgefahr des Traktors mit Anhänger und der Tiergefahr des auf einem Feldweg frei laufenden Hundes rechtfertige unter den besonderen Umständen des Falles eine hälftige Schadensteilung.

II.

6
Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
7
1. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis mit Recht einen auf Schmerzensgeld gerichteten Schadensersatzanspruch der Klägerin aus dem Gesichtspunkt eines - durch den Tod des Tieres psychisch vermittelten - sogenannten Schockschadens verneint.
8
a) Ein solcher Schadensersatzanspruch aus § 7 Abs. 1, § 11 Satz 2, § 18 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1, § 253 BGB wäre zwar, obwohl die Klägerin einen Gesundheitsschaden nur mittelbar als (psychische) Folge des tödlichen (Verkehrs -)Unfalls ihrer Hündin erlitten haben will, ein eigener Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung eines eigenen Rechtsguts (vgl. Senatsurteile vom 11. Mai 1971 - VI ZR 78/70, BGHZ 56, 163, 168; vom 13. Januar 1976 - VI ZR 58/74, VersR 1976, 539, 540 und vom 6. Februar 2007 - VI ZR 55/06, VersR 2007, 803 Rn. 10). Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats genügt jedoch nicht jede psychisch vermittelte Beeinträchtigung der körperlichen Befindlichkeit, um einen Schadensersatzanspruch eines dadurch nur "mittelbar" Geschädigten im Falle der Tötung oder schweren Verletzung eines Dritten auszulösen. Dies widerspräche der Intention des Gesetzgebers, die De- liktshaftung gerade in § 823 Abs. 1 BGB sowohl nach den Schutzgütern als auch den durch sie gesetzten Verhaltenspflichten auf klar umrissene Tatbestände zu beschränken (vgl. Senatsurteile vom 11. Mai 1971 - VI ZR 78/70, aaO S. 168 f. und vom 4. April 1989 - VI ZR 97/88, VersR 1989, 853, 854). Deshalb setzt die Zurechnung psychischer Beeinträchtigungen wie Trauer und Schmerz nicht nur eine - hier zugunsten der Klägerin revisionsrechtlich zu unterstellende pathologisch fassbare - Gesundheitsbeschädigung voraus, sondern auch eine besondere personale Beziehung des solcherart "mittelbar" Geschädigten zu einem schwer verletzten oder getöteten Menschen (vgl. Senatsurteile vom 11. Mai 1971 - VI ZR 78/70, aaO S. 170; vom 31. Januar 1984 - VI ZR 56/82, VersR 1984, 439; vom 12. November 1985 - VI ZR 103/84, VersR 1986, 240, 241; vom 4. April 1989 - VI ZR 97/88, aaO; vom 13. Januar 1976 - VI ZR 58/74, aaO und vom 6. Februar 2007 - VI ZR 5VI ZR 55/06, Rn. 8, 10). Bei derartigen Schadensfällen dient die enge personale Verbundenheit dazu, den Kreis derer zu beschreiben, die den Integritätsverlust des Opfers als Beeinträchtigung der eigenen Integrität und nicht als "normales" Lebensrisiko der Teilnahme an den Ereignissen der Umwelt empfinden (vgl. Senatsurteil vom 14. Juni 2005 - VI ZR 179/04, BGHZ 163, 209, 220 f.).
9
b) Aus den vorgenannten, die Schadensersatzpflicht bei Schockschäden eng umgrenzenden Grundsätzen ergibt sich bereits, dass eine von der Revision geforderte Ausdehnung dieser Rechtsprechung auf psychisch vermittelte Gesundheitsbeeinträchtigungen bei der Verletzung oder Tötung von Tieren nicht in Betracht kommt (so auch zutreffend LG Bad Kreuznach, Jagdrechtliche Entscheidungen Bd. XIV, XI Nr. 128; KreisG Cottbus, NJW-RR 1994, 804, 805; AG Recklinghausen, ZfS 1989, 191 und AG Essen-Borbeck, JurBüro 1986, 1494; MünchKommBGB/Oetker, 5. Aufl., § 251 Rn. 55). Dem entspricht es, dass der Gesetzgeber keinen Anlass für einen besonderen Schmerzensgeldanspruch des Tierhalters gesehen hat; die Verletzung oder Tötung von Tieren sollte den von der Rechtsprechung anerkannten Fällen von Schockschäden mit Krankheitswert bei der Verletzung oder Tötung von Angehörigen oder sonst dem Betroffenen nahestehenden Menschen nicht gleichgestellt werden (vgl. BT-Drs. 11/7369, S. 7).
10
Derartige Beeinträchtigungen bei der Verletzung oder Tötung von Tieren, mögen sie auch als schwerwiegend empfunden werden und menschlich noch so verständlich erscheinen, gehören zum allgemeinen Lebensrisiko und vermögen damit Schmerzensgeldansprüche nicht zu begründen.
11
2. Die Revision beanstandet schließlich ohne Erfolg die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verantwortungsbeiträge im Zusammenhang mit den geltend gemachten materiellen Schadensersatzansprüchen der Klägerin. Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB oder des § 17 StVG ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen , ob der Tatrichter alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt hat. Die Abwägung ist aufgrund aller festgestellten, d.h. unstreitigen , zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben; in erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben (vgl. etwa Senatsurteil vom 7. Februar 2012 - VI ZR 133/11, juris Rn. 5 mwN).
12
Einer Überprüfung nach diesen Grundsätzen hält das Berufungsurteil stand. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts sind gefahrerhöhende Umstände von beiden Seiten nicht bewiesen worden. Auf dieser Grundlage ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Beru- fungsgericht in tatrichterlicher Würdigung unter den besonderen Umständen des Streitfalles unter Berücksichtigung der Tiergefahr des freilaufenden Hundes einerseits und der Betriebsgefahr des Traktors andererseits zu einer hälftigen Schadensteilung gelangt ist. Galke Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 19.08.2010 - 8 O 483/09 -
OLG Köln, Entscheidung vom 16.03.2011 - 16 U 93/10 -