Landgericht München I Endurteil, 19. Dez. 2014 - 23 O 22263/12

bei uns veröffentlicht am19.12.2014

Gericht

Landgericht München I

Gründe

Landgericht München I

Az.: 23 O 22263/12

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am 19.12.2014

In dem Rechtsstreit

...

- Kläger -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...

gegen

...

- Beklagte -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...

wegen Forderung

erlässt das Landgericht München I - 23. Zivilkammer - durch den Richter Dr. Apetz als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2014 folgendes

Endurteil

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 8.202,08 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Wohngebäudeversicherung aufgrund eines behaupteten Sturmschadens geltend.

Der Kläger unterhält für sein Wohnanwesen ... bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung. Der Versicherungsumfang der Wohngebäudeversicherung umfasst u. a. Versicherungsschutz gegen Schäden durch Sturm (Versicherungsschein, Anlage K1).

Dem Versicherungsvertrag liegen die Versicherungsbedingungen für verbundene Wohngebäudeversicherung VGB 62 zugrunde (Anlage B2). In den Allgemeinen Bedingungen für die Neuwertversicherung von Wohngebäuden gegen Feuer-, Leitungswasser- und Sturmschäden (VGB) ist Folgendes geregelt:

㤠1 Versicherte Gefahren

1. Der Versicherer leistet nach dem Eintritt des Versicherungsfalles Entschädigung für versicherte Sachen, die zerstört oder beschädigt werden durch ... c) Sturm (Sturmversicherung - § 5)

§ 2 Versicherte Sachen

Versichert sind, soweit nichts anderes vereinbart ist, die im Versicherungsschein aufgeführten Gebäude mit ihren Bestandteilen, aber ohne Zubehör.

§ 5 Umfang der Sturmversicherung

1. Als Sturm gilt eine atmosphärisch bedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8. Ist diese Windstärke für den Schadensort nicht feststellbar, so wird sie unterstellt, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, entweder dass die Luftbewegung in der Umgebung des Versicherungsgrundstückes Schäden an einwandfrei beschaffenen Gebäuden oder ebenso widerstandsfähigen anderen Sachen angerichtet hat oder dass der Schaden bei der einwandfreien Beschaffenheit des versicherten Gebäudes nur durch Sturm entstanden sein kann.

2. Die Zerstörung oder Beschädigung einer versicherten Sache fällt nur dann unter die Versicherung, wenn sie

a) auf der unmittelbaren Einwirkung des Sturmes beruht oder

b) dadurch hervorgerufen wird, dass der Sturm Gebäudeteile, Bäume oder andere Gegenstände auf die versicherte Sache wirft oder

c) die Folge eines Sturmschadens an versicherten Sachen ist. ...

5. Die Sturmversicherung erstreckt sich nicht auf ...

c) Schäden durch Eindringen von Regen, Hagel, Schnee oder Schmutz in nicht geschlossene Fenster oder andere vorhandene Öffnungen, es sei denn, dass diese Öffnungen durch den Sturm entstanden sind. ...“

Am 20.07.2011 meldete der Kläger einen Schaden bei der Beklagten als Elementarschaden (Anlage K3). Der Kläger forderte die Beklagte mehrfach zur Schadensbeseitigung auf. Mit Anwaltsschreiben vom 10.08.2012 wurde die Beklagte aufgefordert, den Schaden bis 24.08.2012 auszugleichen (Anlage K4). Die Beklagte wies mit Schreiben vom 28.08.2012 (Anlage K5) die beantragte Regulierung zurück, da kein Elementarschaden vorliege. Mit weiterem Anwaltsschreiben des Klägers an die Beklagte vom 2.10.2012 (Anlage K6) machte der Kläger nähere Angaben. Mit Schreiben vom 09.10.2012 wies die Beklagte die beantragte Regulierung erneut zurück, und wies darauf hin, dass keine Überschwemmung gegeben sei (Anlage K7). Mit Anwaltsschreiben vom 12.10.2012 forderte der Kläger die Beklagte auf, den Schaden als Sturmschaden zu ersetzen. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 16.10.2012 ab (Anlage K8).

Der Kläger behauptet, dass es am 31.05.2011 gegen 21.00 Uhr über seinem Anwesen B. 1, B1 zu einem Gewittersturm mit einer Mindestwindstärke von 8 Beaufort und Starkregen gekommen sei. Der Kläger trägt vor, dass aufgrund des Winddrucks das Regenwasser derart gegen die Fassade drückte, dass sich im ersten Stock des Gebäudes an zwei Fenstern zwischen Fensterblech und Putzanschluss ein Schlitz bildete, der dazu führte, dass Wasser eindrang. Der Kläger behauptet, dass der Schlitz wieder verschlossen werden musste, aber noch vorhanden sei. Der Kläger trägt vor, dass das Gebäude vor dem Gewittersturm vollkommen unversehrt war und es vorher nie zu einem Wassereintritt gekommen sei. Der Kläger ist der Auffassung, dass der Schaden nur durch eine massive Sturmeinwirkung entstanden sein könne. Der Kläger behauptet, der Winddruck habe das Regenwasser so stark gegen die Außenwand gepresst, dass sich ein Schlitz zwischen Fensterblech und Putzanschluss öffnete, der das Wasser hereinließ. Der Kläger trägt vor, dass es aufgrund des Wassereintritts zu einem Schaden am hinter dem Fenster liegenden Parkett gekommen sei. Der Kläger behauptet, dass für die Beseitigung des Schadens Kosten in Höhe von € 8.202,08 anfallen würden. Er legt hierzu ein Angebot der Firma Schreinerei GmbH H. S. vom 24.08.2011 als Anlage K2 vor.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 8.202,08 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten seit 09.10.2012 sowie nicht anrechenbare außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 718,40 € zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet, dass es am 31.05.2011 gegen 21:00 Uhr über dem Anwesen des Klägers zu einem Gewittersturm mit einer Mindestwindstärke von 8 Beaufort und Starkregen kam. Weiter bestreitet die Beklagte, dass selbst bei Annahme eines Sturms dieser „unmittelbar“ im Sinne der Versicherungsbedingungen den behaupteten Schaden verursacht habe. Die Beklagte ist der Auffassung, dass letzte Ursache für die Bildung der behaupteten Ritze zwischen Fensterblech und Putzanschluss nicht der behauptete Sturm, sondern wenn überhaupt dann Regen war, der durch den Wind gegen die Fassade gedrückt wurde. Weiter bestreitet die Beklagte, dass das Gebäude vor dem streitgegenständlichen Schadensereignis vollkommen unversehrt und es nie zuvor zu einem Wassereintritt gekommen war. Die Beklagte weist insoweit darauf hin, dass das Gebäude 1750 errichtet wurde. Schließlich behauptet die Beklagte, dass selbst wenn sich, wie vom Kläger behauptet, zwischen Putzanschluss und Fensterblech eine Ritze gebildet hätte, diese bereits bei Windstärke 7 oder weniger und damit nach Auffassung der Beklagten nicht durch einen Sturm im Sinne der Versicherungsbedingungen entstanden wäre. Die Beklagte ist daher der Auffassung, dass es sowohl an einem versicherten Schadensereignis als auch am Nachweis eines versicherten Schadens fehle.

Der Rechtsstreit wurde durch Beschluss des Landgerichts München I vom 09.07.2014 (Bl. 73 d. A.) auf den Einzelrichter übertragen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Deutschen Wetterdienstes (Bl. 37/49 d. A.) sowie einer ergänzenden Stellungnahme des Deutschen Wetterdienstes (Bl. 58/59 d. A.). Des Weiteren wurde Beweis erhoben durch die uneidliche Einvernahme der Zeugin I1 Sch. (Bl. 79/80 d. A.) und des Zeugen A. G. (Bl. 81/82 d. A.). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2014 Bezug genommen (Bl. 77/83 d. A.). Ergänzend wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze mitsamt Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 10.04.2013 (Bl. 21/24 d. A.) und 22.10.2014 (Bl. 77/83 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen.

I.

Die Klage ist zulässig. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I ergibt sich aus den §§ 12, 17 ZPO. Die sachliche Zuständigkeit folgt aus §§ 23, 71 GVG.

II.

Die Klage ist unbegründet.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von 8.202,08 € aus der bei der Beklagten abgeschlossenen Wohngebäudeversicherung wegen Sturms zu, § 1 Abs. 1 lit. c), § 2, § 5 VGB (Anlage B2).

a) Der darlegungs- und beweispflichtigen Klagepartei ist bereits nicht der Nachweis gelungen, dass die Voraussetzungen eines Versicherungsfalls aufgrund eines Sturms gemäß § 1 Abs. 1 lit. c), § 5 Abs. 1 VGB erfüllt wären. Gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 VGB gilt als „Sturm“ eine atmosphärisch bedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8. Der Kläger hätte also beweisen müssen, dass ein Sturm von mindestens der Windstärke 8, am 31.05.2011 gegen 21.00 Uhr beim versicherten Wohnanwesen des Klägers in B. ..., B1 auftrat. Dieser Nachweis ist dem Kläger nicht gelungen.

b) Das Gericht hat zur Behauptung des Sturmereignisses Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Deutschen Wetterdienstes (Bl. 37/49 d. A.) sowie einer ergänzenden Stellungnahme des Deutschen Wetterdienstes (Bl. 58/59 d. A.). Das in sich schlüssige und überzeugende Gutachten des Deutschen Wetterdienstes, erstellt von Herrn K. I., Meteorologischer Sachverständiger beim DWD, kommt zu dem Ergebnis, dass am 31.05.2011 in B. 1, B1 es „sehr wahrscheinlich“ zwischen 20:00 und 21:00 Uhr zu einem Gewitter mit Starkregen und Sturmböen kam und die Windböen „sehr wahrscheinlich“ Windstärke 8 (17,2 bis 20,7 m/s) oder mehr erreichten. Böen bis in die Größenordnung von Windstärke 11 (28,5 bis 32,6 m/s) können nicht ausgeschlossen werden (Gutachten des Deutschen Wetterdienstes vom 17.09.2013, S. 13, Bl. 49 d. A.). In der angeforderten ergänzenden Stellungnahme vom 17.03.2014 hat Herr I. zunächst darauf hingewiesen, dass aufgrund der Tatsache, dass zum Schadenszeitpunkt keine Messungen unmittelbar vom Schadensort vorliegen, ein meteorologisches Sachverständigengutachten keine 100-prozentig konkreten bzw. definitiven Aussagen zu einzelnen oder mehreren Wetterelementen, sondern insoweit nur Wahrscheinlichkeitsaussagen treffen könne (ergänzende Stellungnahme, S. 1, Bl. 58 d. A.). Sodann konkretisierte Herr I., dass seine Einschätzung, es seien „sehr wahrscheinlich“ Böen der Windstärke 8 aufgetreten, bedeute, dass mit einer stark überwiegenden Wahrscheinlichkeit, die prozentual ausgedrückt bei ca. 75% bis 90% liege, Böen der Windstärke 8 aufgetreten seien (ergänzende Stellungnahme, S. 2, Bl. 59 d. A.). Weder die Klagepartei noch die Beklagtenpartei haben die überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen inhaltlich in Zweifel gezogen, Fehler sind auch keine für das Gericht ersichtlich.

c) Mit den vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen, die das Gericht übernimmt, ist jedoch nach Auffassung des Gerichts nicht der dem Kläger obliegende Vollbeweis erbracht, dass tatsächlich am 31.05.2011 gegen 21.00 Uhr beim versicherten Wohnanwesen des Klägers Böen der Windstärke 8 aufgetreten sind. Das Gericht kann auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens des Deutschen Wetterdienst nicht ausschließen, dass zur genannten Zeit am angegeben Ort keine Böen der Windstärke 8 oder höher aufgetreten sind. Vielmehr ist dies durchaus möglich, wenn auch unwahrscheinlich (ca. 10-25% Wahrscheinlichkeit). § 286 Abs. 1 ZPO verlangt vom Gericht jedoch die volle Überzeugung, dass es eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr oder für nicht wahr erachtet. Damit stellt das Gesetz unmissverständlich klar, dass für den Beweis grundsätzlich nicht schon ein bloßes mehr oder minder Für-Wahrscheinlich-Halten genügt, sondern die darüber hinaus gehende volle Gewissheit des Richters erforderlich ist (vgl. Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 286 Rdnr. 18; Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. 2013, § 286 Rdnr. 35 f.; Foerste, in: Musielak, ZPO, 11. Auflage 2014, § 286 Rdnr. 17 ff.). Zwar muss keine absolute Gewissheit im Sinne einer 100-prozentigen Sicherheit vorliegen, aber es dürfen auch aus objektiv nachvollziehbaren Gründen keine vernünftigen und ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der aufgestellten Behauptung möglich sein. Eine solche Überzeugung konnte das Gericht jedoch aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme nicht gewinnen. So hat das Gericht aus objektiv nachvollziehbaren Gründen vernünftige und ernsthafte Zweifel, ob am 31.05.2011 gegen 21.00 Uhr beim versicherten Wohnanwesen des Klägers Böen der Windstärke 8 aufgetreten sind. Dabei berücksichtigt das Gericht zunächst, dass die im Gutachten des Deutschen Wetterdienstes ausgewerteten Daten der nächstgelegenen Stationen mit Windmessung maximale Böen von 10,0 m/s und 10,2 m/s und damit von maximal Windstärke 5 (8,0 bis 10,7 m/s) ausweisen (vgl. näher Gutachten des Deutschen Wetterdienstes vom 17.09.2013, S. 11, Bl. 47 d. A.). Vor allen Dingen stellt das Gericht aber darauf ab, dass der Sachverständige „nur“ eine „stark überwiegende“ Wahrscheinlichkeit, die im Bereich von 75% - 90% liegt, für die streitgegenständliche Behauptung des Klägers feststellen konnte. Wie der ergänzenden Stellungnahme, S. 2, Bl. 59 d. A., des Sachverständigen zu entnehmen ist, existiert aber durchaus eine weitere höhere Stufe des Wahrscheinlichkeitsgrads in Form der „äußersten Wahrscheinlichkeit“, das heißt einer höchstgradigen, mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, die im Bereich von ca. 90 bis 100% liegt. Der Vollbeweis hätte nach Überzeugung des Gerichts vom Kläger allenfalls erbracht werden können, wenn der Sachverständige eine Feststellung zur Behauptung des Klägers im höchsten Wahrscheinlichkeitsgrad, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, getroffen hätte (vgl. auch Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25.07.2013, 4 U 79/12, Rdnr. 37 ff. - zitiert nach juris). Da dem nicht so war, ist nach freier Beweiswürdigung des Gerichts aufgrund begründeter Restzweifel der dem Kläger obliegende Vollbeweis nicht erbracht.

d) Das Gericht verkennt nicht, dass das damit zu § 5 Abs. 1 S. 1 VGB zugrunde gelegte Beweismaß hohe Anforderungen an den Nachweis des Sturm-Versicherungsfalls für den Versicherungsnehmer stellt. Die Annahme einer Beweiserleichterung aufgrund etwaiger struktureller Beweisnot beim Versicherungsnehmer sieht das Gericht im Rahmen des § 5 Abs. 1 S. 1 VGB gleichwohl nicht für geboten an, vielmehr bieten die Versicherungsbedingungen für den Versicherungsnehmer ausreichende Beweiserleichterungen (vgl. § 5 Abs. 1 S. 2 VGB: „Ist diese Windstärke für den Schadensort nicht feststellbar, so wird sie unterstellt, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, entweder dass die Luftbewegung in der Umgebung des Versicherungsgrundstückes Schäden an einwandfrei beschaffenen Gebäuden oder ebenso widerstandsfähigen anderen Sachen angerichtet hat oder dass der Schaden bei der einwandfreien Beschaffenheit des versicherten Gebäudes nur durch Sturm entstanden sein kann.“) Vorliegend hat sich der Kläger auf die Beweiserleichterung des § 5 Abs. 1 S. 2 VGB aber weder berufen, geschweige denn deren Voraussetzungen dargelegt und bewiesen. Es fehlt damit bereits an dem Nachweis des Eintritts eines Versicherungsfalls im Sinne von § 5 Abs. 1 VGB, mit der Folge, dass die Klage bereits aus diesem Grund abzuweisen war.

2. Zudem ist dem darlegungs- und beweisbelasteten Kläger nicht der Nachweis gelungen, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 VGB erfüllt wären.

a) Die klageweise geltend gemachten Feuchtigkeitsschäden am Parkett beruhen nicht auf der unmittelbaren Einwirkung eines Sturms im Sinne von § 5 Abs. 2 lit. a) VGB. Es fehlt bereits an der Unmittelbarkeit der Einwirkung. Unmittelbar wirkt ein Sturm nach ständiger Rechtsprechung ein, wenn er die zeitlich letzte Ursache des Sachschadens ist (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 15.5.2009, 10 U 1018/08, Rdnr. 22 - zitiert nach juris; Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 4 VGB 2008 Rn. 1 m. w. N.). Vorliegend war eindeutig das eindringende Regenwasser und nicht der starke Wind die zeitlich letzte Ursache der streitgegenständlichen Feuchtigkeitsschäden am Parkett (vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 20.11.2013, 20 U 26/13, Rdnr. 57 - zitiert nach juris). § 5 Abs. 2 lit. a) VGB ist damit bezüglich der klageweise geltend gemachten Feuchtigkeitsschäden am Parkett nicht erfüllt.

b) Auch § 5 Abs. 2 lit. b) VGB ist nach Überzeugung des Gerichts nicht gegeben. Allenfalls in Betracht käme insoweit die Alternative, dass die Beschädigung der versicherten Sache dadurch hervorgerufen wird, dass der Sturm an Stelle von Gebäudeteilen oder Bäumen „andere Gegenstände“ auf die versicherte Sache wirft. Insoweit wurde im Rechtsstreit diskutiert, ob Regentropfen, die vom Wind gegen das Gebäude geweht werden „andere Gegenstände“ im Sinne von § 5 Abs. 2 lit. b) VGB darstellen können. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs des täglichen Lebens auszulegen. Maßgebend ist, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei aufmerksamer Durchsicht und verständiger Würdigung das Regelungswerk verstehen muss. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird nach Überzeugung des Gerichts unter „andere Gegenstände“ im Sinne von § 5 Abs. 2 lit. b) VGB keine Regentropfen verstehen (tendenziell a. A. wohl OLG Oldenburg, Urteil vom 05.07.2000, 2 U 108/00, Rdnr. 15 - zitiert nach juris). Hierfür spricht insbesondere, dass die „anderen Gegenstände“ im unmittelbaren Zusammenhang mit Gebäudeteilen oder Bäumen genannt werden. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird daher davon ausgehen, dass „anderen Gegenstände“ nicht ein völlig anderes Gewicht, Substanz und Schadenspotential als Gebäudeteile oder Bäume, die vom Sturm geworfen werden, aufweisen dürfen. Regentropfen besitzen aber offensichtlich ein weitaus geringeres Gewicht, eine andere Substanz und ein deutlich geringeres Schadenspotential als vom Sturm geworfene Gebäudeteile oder Bäume. Regentropfen sind daher keine „anderen Gegenstände“ im Sinne von § 5 Abs. 2 lit. b) VGB.

c) Schließlich ist es dem Kläger auch nicht gelungen, den Nachweis zu erbringen, dass vorliegend die Alternative des § 5 Abs. 2 lit. c) VGB erfüllt wäre. Hierfür hätte der Kläger nachweisen müssen, dass gemäß § 5 Abs. 2 lit. c) VGB die Beschädigung der versicherten Sache, das heißt des Parketts, Folge eines Sturmschadens an versicherten Sachen, hier von Fensterblech und Putzanschluss, war. In diesem Zusammenhang zu berücksichtigen ist auch der in den Versicherungsbedingungen vorgesehene Ausschluss gemäß § 5 Abs. 5 lit. c) VGB, demzufolge nicht versichert sind Schäden durch Eindringen von Regen in nicht geschlossene Fenster oder andere vorhandene Öffnungen, es sei denn, dass diese Öffnungen durch den Sturm entstanden sind. Der darlegungs- und beweispflichtige Kläger hatte also den Beweis zu erbringen, dass durch den behaupteten Sturm Öffnungen erzeugt wurden, durch die der Regen sodann eingedrungen ist. Dieser Nachweis ist dem Kläger nicht gelungen.

d) Das Gericht hat zur Behauptung des Klägers, dass aufgrund des Winddrucks das Regenwasser derart gegen die Fassade des versicherten Objekts gedrückt wurde, dass sich im ersten Stock des Gebäudes an zwei Fenstern zwischen Fensterblech und Putzanschluss ein Schlitz bildete, der dazu führte, dass Wasser eindrang, Beweis erhoben durch uneidliche Einvernahme der Zeugin I1 Sch. (Bl. 79/80 d. A.) sowie des Zeugen A. G. (Bl. 81/82 d. A.).

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme konnte das Gericht jedoch nicht die Überzeugung gewinnen, dass die Behauptung des Klägers zutrifft.

Das Gericht stützt sich dabei insbesondere auf die Aussage des Zeugen A. G. Dessen Aussage erachtet das Gericht für in besonderem Maße glaubwürdig und glaubhaft, da der Zeuge G. kein für das Gericht ersichtliches, persönliches Interesse an dem Ausgang des Rechtsstreits hat und seine Aussage sich für das Gericht insgesamt als widerspruchsfrei und überzeugend darstellte. Der Zeuge G. hat nach eigenem Bekunden direkt am Tag nach dem Schadensereignis Fenster und Putzanschluss von der Außenseite aus genau untersucht und hat dabei nicht feststellen können, wo das Wasser genau eingetreten war. Daraufhin hat er die Fensteranschlüsse von außen neu über die alte Verfugung hinweg neu verfugt. Der Zeuge G. hat zudem zwar ausgesagt, dass er sich vorstellen könne, dass eine Verfugung durch Winddruck aufgedrückt wurde, hierbei handelte es sich aber um eine reine Vermutung.

Die Aussage der Zeugin I1 Sch. (Bl. 79/80 d. A.) ist hingegen schwerer zu würdigen. Das Gericht hatte den Eindruck, dass Teile der Aussage der Zeugin Sch. zuvor mit ihrem Arbeitgeber, dem Kläger, abgesprochen worden sind. Gleichwohl erachtet das Gericht auch die Aussage der Zeugin Sch. für in weiten Teilen glaubhaft und glaubwürdig. So hat auch die Zeugin Sch. bestätigt, dass sie am Fensteranschluss nach dem Schadensereignis zumindest von innen keine Ritzen, keinen Spalt oder ein Loch sehen konnte. Von außen hat sie die Fenster nicht in Augenschein genommen, da diese in mehreren Metern Höhe nur über ein Gerüst erreichbar waren.

Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dem Kläger der Nachweis, dass die Beschädigung der versicherten Sache, das heißt des Parketts, Folge eines Sturmschadens an versicherten Sachen wäre, nicht gelingen kann. Nach Überzeugung des Gerichts ist die Behauptung des Klägers, dass sich gerade in Folge des behaupteten Sturms zwischen Fensterblech und Putzanschluss ein Schlitz bildete, der dazu führte, dass Wasser eindrang, nicht nachweisbar. Der Kläger hat zwar noch Sachverständigengutachten in Bezug auf diese Behauptung angeboten. Das Gericht ist aber der festen Überzeugung, dass der Kläger auch mit einem Sachverständigengutachten den erforderlichen Nachweis nicht führen könnte. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Umstand, dass die Zeugen G. und Sch. am Tag nach dem Schadensereignis keinerlei Ritzen, Spalt oder Löcher identifizieren konnten. Wie soll dann ein Sachverständiger jetzt über dreieinhalb Jahre später und nachdem der Fensteranschluss zudem am Tag nach dem Schadensereignis neu verfugt wurde, feststellen können, ob sich gerade in Folge des behaupteten Sturms Öffnungen am Fensteranschluss bildeten, durch die Regenwasser eindringen konnte? Das Gericht hält es für ausgeschlossen, dass dieser Nachweis mittels Sachverständigengutachten zu führen ist, musste diese Frage aber nicht letztverbindlich klären, da - wie zuvor ausgeführt - der Kläger bereits in Bezug auf die Behauptung des Sturmereignisses an sich beweisfällig geblieben ist.

Schließlich musste das Gericht auch nicht dem Beweisangebot betreffend die angebotene Zeugin Frau Brigitte Rieger (Bl. 20 d. A.) nachgehen, da dieses Beweisangebot sich mit der nicht streiterheblichen Frage der Aufstellung des Gerüstes beschäftigte.

Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf die nach der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze war nicht veranlasst.

2. Mangels Hauptanspruch steht dem Kläger weder der klageweise geltend gemachte Zinsanspruch noch der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem Oberlandesgericht München, Prielmayerstr. 5, 80335 München, einzulegen.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.

Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.

Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem, Landgericht München I, Prielmayerstraße 7, 80335 München, einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

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(1) Der allgemeine Gerichtsstand der Gemeinden, der Korporationen sowie derjenigen Gesellschaften, Genossenschaften oder anderen Vereine und derjenigen Stiftungen, Anstalten und Vermögensmassen, die als solche verklagt werden können, wird durch ihren Sitz bestimmt. Als Sitz gilt, wenn sich nichts anderes ergibt, der Ort, wo die Verwaltung geführt wird.

(2) Gewerkschaften haben den allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Bergwerk liegt, Behörden, wenn sie als solche verklagt werden können, bei dem Gericht ihres Amtssitzes.

(3) Neben dem durch die Vorschriften dieses Paragraphen bestimmten Gerichtsstand ist ein durch Statut oder in anderer Weise besonders geregelter Gerichtsstand zulässig.

Die Zuständigkeit der Amtsgerichte umfaßt in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit sie nicht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes den Landgerichten zugewiesen sind:

1.
Streitigkeiten über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von fünftausend Euro nicht übersteigt;
2.
ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes:
a)
Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum oder über den Bestand eines solchen Mietverhältnisses; diese Zuständigkeit ist ausschließlich;
b)
Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirten, Fuhrleuten, Schiffern oder Auswanderungsexpedienten in den Einschiffungshäfen, die über Wirtszechen, Fuhrlohn, Überfahrtsgelder, Beförderung der Reisenden und ihrer Habe und über Verlust und Beschädigung der letzteren, sowie Streitigkeiten zwischen Reisenden und Handwerkern, die aus Anlaß der Reise entstanden sind;
c)
Streitigkeiten nach § 43 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes; diese Zuständigkeit ist ausschließlich;
d)
Streitigkeiten wegen Wildschadens;
e)
(weggefallen)
f)
(weggefallen)
g)
Ansprüche aus einem mit der Überlassung eines Grundstücks in Verbindung stehenden Leibgedings-, Leibzuchts-, Altenteils- oder Auszugsvertrag.

(1) Vor die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen, gehören alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die nicht den Amtsgerichten zugewiesen sind.

(2) Die Landgerichte sind ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig

1.
für die Ansprüche, die auf Grund der Beamtengesetze gegen den Fiskus erhoben werden;
2.
für die Ansprüche gegen Richter und Beamte wegen Überschreitung ihrer amtlichen Befugnisse oder wegen pflichtwidriger Unterlassung von Amtshandlungen;
3.
für Ansprüche, die auf eine falsche, irreführende oder unterlassene öffentliche Kapitalmarktinformation, auf die Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder auf die Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, gestützt werden;
4.
für Verfahren nach
a)
(weggefallen)
b)
den §§ 98, 99, 132, 142, 145, 258, 260, 293c und 315 des Aktiengesetzes,
c)
§ 26 des SE-Ausführungsgesetzes,
d)
§ 10 des Umwandlungsgesetzes,
e)
dem Spruchverfahrensgesetz,
f)
den §§ 39a und 39b des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes;
5.
in Streitigkeiten
a)
über das Anordnungsrecht des Bestellers gemäß § 650b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
b)
über die Höhe des Vergütungsanspruchs infolge einer Anordnung des Bestellers (§ 650c des Bürgerlichen Gesetzbuchs);
6.
für Ansprüche aus dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz.

(3) Der Landesgesetzgebung bleibt überlassen, Ansprüche gegen den Staat oder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts wegen Verfügungen der Verwaltungsbehörden sowie Ansprüche wegen öffentlicher Abgaben ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes den Landgerichten ausschließlich zuzuweisen.

(4) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Entscheidungen in Verfahren nach Absatz 2 Nummer 4 Buchstabe a bis e und Nummer 5 einem Landgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte zu übertragen. In Verfahren nach Absatz 2 Nummer 4 Buchstabe a bis e darf die Übertragung nur erfolgen, wenn dies der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 01. November 2012 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg, Az.: 11 O 2008/11, abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 46.431,27 € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 43 Abs. 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verb. mit den §§ 2, 6 Satz 1 ZPO).

Gründe

I.

1

Die Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen ihre Verurteilung zur Zahlung einer Versicherungsleistung in Höhe von 46.431,27 € wegen eines Sturmschadens, der an Scheune und Wohnhaus des Klägers am 01. Juli 2009 entstanden sein soll.

2

Der Kläger schloss bei der Beklagten eine im Versicherungsschein vom 12. November 2007 (Bl. 10 - 12 d. A.) dokumentierte Landwirtschaftliche Versicherung für den Versicherungsort F. Straße 14 in L. ab, die auch eine Sturm- und Hagelversicherung umfasst. Die zerstörte Scheune war zum gleitenden Neuwert auf der Basis einer Versicherungssumme von 9.000 Mark im Jahre 1914 und zum Zeitwert von 50.000 € versichert. Hinsichtlich des Wohnhauses betrugen die entsprechenden Werte 31.000 Mark 1914 als Basis für den gleitenden Neuwert bzw. 150.000 € für den Zeitwert. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung landwirtschaftlicher Betriebe - Wohngebäude, Wirtschaftsgebäude und Inventar - (ABL 2002 S. ) zugrunde (Bl. 13 - 22 d. A.). Der Versicherungsvertrag sieht für Sturm- und Hagelschäden einen Selbstbehalt in Höhe von 1.000 Euro vor.

3

Die für die Entschädigung eines Sturmschadens maßgebliche Regelung des § 3 in den ABL 2002 S. (im Folgenden nur noch abgekürzt:ABL) lautet wie folgt:

4

§ 3 Sturm- und Hagelversicherung

5

1. Der Versicherer leistet Entschädigung für versicherte Sachen, die durch Sturm oder Hagel zerstört oder beschädigt werden oder infolgedessen abhanden kommen.

6

2. Sturm ist eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 (Windgeschwindigkeit mindestens 62 km/h). Ist diese Windstärke für das im Versicherungsschein bezeichnete Grundstück nicht feststellbar, so wird ein versichertes Sturmereignis unterstellt, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass

7

a) die Luftbewegung in der Umgebung Schäden an anderen Gebäuden in einwandfreiem Zustand oder an ebenso widerstandsfähigen anderen Sachen angerichtet hat oder

8

b) der Schaden wegen des einwandfreien Zustandes des versicherten Gebäudes nur durch Sturm entstanden sein kann.

9

Der Kläger hat behauptet, am 01. Juli 2009 gegen 15.30 Uhr habe über seinem Grundstück in der Ortschaft L. ein Sturm mit Windspitzen von über 8 Beaufort geherrscht, der Sturm habe seine Scheune vollständig zerstört und das Dach des versicherten Wohngebäudes beschädigt. Im Umfeld des Versicherungsortes seien Schäden an Gebäuden in einwandfreiem Zustand der benachbarten Familien A., R., H. und Sch. eingetreten, die deren Gebäudeversicherer anstandslos reguliert hätten.

10

Der Kläger nimmt Bezug auf eine von ihm eingeholte Expertise Wind der M. GmbH vom 22. November 2011 (Bl. 27 - 30 d. A.), in der ausgeführt wird, dass in den Nachmittagsstunden des 01. Juli 2009 zwischen 14.30 und 17.00 Uhr, bezogen auf die Wetterstation T., bei dem Durchzug kräftiger Gewitterzellen mit extremem Niederschlag im Schadensbereich Windböen der Beaufort-Stärke 8 (stürmische Böen) wahrscheinlich seien, aber auch noch etwas stärkere Böen könnten nicht ausgeschlossen werden.

11

Er berechnet die verlangte Entschädigung einerseits auf der Basis des von der Beklagten in Auftrag gegebenen Schadengutachtens des Sachverständigen Dr. Ing. R. vom 12. August 2009 (Bl. 31 - 50 d. A.). Danach beträgt der Zeitwert der zerstörten Scheune 44.646,52 Euro einschließlich Mehrwertsteuer (Bl. 32 d. A.). Für das beschädigte Dach seines Wohnhauses begehrt der Kläger andererseits die Reparaturkosten in Höhe von 2.766,75 Euro gemäß der Rechnung der Z. GmbH vom 24. November 2009 (Bl. 51 - 52 d. A.). Von dem so berechneten Gesamtschaden hat er den vereinbarten Selbstbehalt von 1.000 Euro abgezogen.

12

Der Kläger hat dementsprechend beantragt,

13
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 46.431,27 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. August 2009 zu zahlen,
14
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.641,96 Euro außergerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
15

Die Beklagte hat beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Sie hat bestritten, dass am 01. Juli 2009 in der vom Kläger angegebenen Zeit ein Sturm der Windstärke von mindestens 8 Beaufort in L. geherrscht habe oder wetterbedingte Luftbewegungen in der Umgebung wesentliche Schäden in größerer Zahl an anderen Gebäuden in einwandfreiem Bauzustand oder an ebenso widerstandsfähigen anderen Sachen angerichtet hätten. Die Betrachtung der umliegenden Gebäude durch den Sachverständigen R. habe gerade keine diesbezüglichen Hinweise ergeben. Dieser habe bei der Besichtigung der Gebäude vielmehr festgestellt, dass für den Totaleinsturz der Scheune eine Schwächung der Tragkraft der Dachsparren durch Schädlingsbefall, Nässebelastung und Ankohlung der Balken durch ein Brandereignis vorrangig auf der Nordwestseite ursächlich gewesen sei.

18

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes vom 01. Juni 2012 (Bl. 98 - 111 d. A.) und die Sachverständige L. in der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2012 ergänzend angehört (Bl. 136 - 138 d. A.).

19

Der Klage wurde sodann vollen Umfanges durch Urteil vom 01. November 2012 (Bl. 148 - 153 d. A.) stattgegeben, dessen wesentliche Begründung wie folgt lautet:

20

Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch in der geltend gemachten Höhe aus dem Versicherungsvertrag sowie auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Gemäß den §§ 3 Nr. 1, 6 Nr. 4.1 und 4.2 ABL sei die Beklagte ihm zur Zahlung des Zeitwertes der zerstörten bzw. beschädigten Gebäude verpflichtet.

21

Die Kammer sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass über dem Grundstück des Klägers ein Sturm mit der Windstärke 8 Beaufort geherrscht habe. Die Sachverständige habe bei ihrer Anhörung klargestellt, dass der Sturm nach der Wahrscheinlichkeitssystematik von Bayerlein auf der dritten Stufe von oben einer insgesamt zehnstufigen Skala einzuordnen sei und demnach eine Windstärke von 8 Beaufort mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorgelegen habe. Sie habe somit mit der dritthöchsten Wahrscheinlichkeitsstufe ein bedingungsgemäßes Sturmereignis festgestellt.

22

Der Höhe nach schulde die Beklagte die Zahlung des von ihrem Sachverständigen festgestellten Zeitwertes für die zerstörte Scheune. Diesen Schaden könne der Kläger einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer verlangen. Zu ersetzen habe die Beklagte zudem die Kosten der vom Kläger bereits vorgenommenen Dachreparatur seines Wohngebäudes in Höhe von weiteren 2.766,75 Euro brutto.

23

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

24

Sie rügt, das Landgericht habe sich bei der Beweiswürdigung nur auf die Äußerungen der Sachverständigen L. in der Sitzung vom 11. Oktober 2012 beschränkt, ohne sich mit deren schriftlichem Gutachten vom 01. Juni 2012 auseinanderzusetzen. Dieses stütze die angefochtene Entscheidung nämlich nicht. Die Sachverständige habe dort ausgeführt, dass am 01. Juli 2009 zwischen 14.40 und 15.30 Uhr starke Windböen aus nordöstlichen Richtungen mit maximalen Windspitzen der Stärke 6 - 7 Beaufort sehr wahrscheinlich seien und das Auftreten von Windgeschwindigkeiten mit mindestens der Windstärke 8 Beaufort gegen 15.30 Uhr wegen der Entfernung des Gewitterzentrums zu diesem Zeitpunkt jedoch kaum mehr anzunehmen sei.

25

Auch der Privatsachverständige Dr. Ing. R. sei in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass kein versichertes Sturmereignis zu dem Schaden geführt habe, sondern wegen des extrem schlechten Bauzustandes der Scheune bereits eine geringe Belastung durch Winddruck und/oder Windsog zu deren komplettem Einsturz geführt habe. Der Zusammenbruch der Scheune lasse nur den Schluss zu, dass die Tragwirkung der Holzverbindungen durch die festgestellten Holzschäden nicht mehr gewährleistet gewesen sei, sodass auch eine Windböe geringer Stärke ausgereicht habe, das Gebäude in sich zusammenstürzen zu lassen.

26

Die Beklagte beantragt,

27
1. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Magdeburg vom 01. November 2012, Az.: 11 O 2008/11, die Klage abzuweisen,
28
2. hilfsweise, die Sache unter Aufhebung des vorbezeichneten Urteils des Landgerichts Magdeburg nebst dem zugrunde liegenden Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Magdeburg zurückzuverweisen.
29

Der Kläger beantragt,

30

die Berufung als unzulässig zu verwerfen oder als unbegründet zurückzuweisen.

31

Er rügt eine nicht auf den Einzelfall zugeschnittene Berufungsbegründung, was die Unzulässigkeit des Rechtsmittels zur Folge habe. Unter Verteidigung der angefochtenen Entscheidung im Übrigen vertritt er die Auffassung, dass die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden sei. Das Landgericht habe eine ausführliche Würdigung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme vorgenommen und im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen es den Nachweis einer Windstärke von 8 Beaufort als geführt ansehe. Dabei habe es sich sowohl mit den schriftlichen als auch mit den mündlichen Äußerungen der Sachverständigen auseinandergesetzt. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe die Sachverständige nicht festgestellt, dass eine Windstärke 8 nicht möglich gewesen sei. Vielmehr habe sie von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit gesprochen.

II.

32

Die gemäß § 511 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ZPO statthafte und auch sonst formell zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517, 519, 520 ZPO eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

33

Dem Kläger steht aus der Sturmversicherung kein nach der Entschädigungsregelung des § 6 Nr. 4.1 lit. a und b ABL sich bemessender Entschädigungsanspruch nach § 3 Nr. 1 ABL wegen der behauptetermaßen am 01. Juli 2009 durch einen Sturm zerstörten Scheune und des angeblich gleichermaßen beschädigten Dachs am Wohngebäude gegen die Beklagte zu, weil er

34
 erstens die Voraussetzungen eines Versicherungsfalls nach § 3 Nr. 2 Satz 1 ABL, das heißt eines dafür nötigen Sturms von mindestens der Windstärke 8 (Windgeschwindigkeit mindestens 62 km/h), am 01. Juli 2009 gegen 15.30 Uhr nicht nachgewiesen hat (1),
35
 zweitens einen stattdessen in Betracht kommenden Versicherungsfall nach § 3 Nr. 2 Satz 2 Buchstabe a ABL, wonach ein versichertes Sturmereignis bei sturmbedingten Schäden in der Umgebung an anderen Gebäuden in einwandfreiem Zustand unterstellt wird, nicht substantiiert dargelegt noch unter Beweis gestellt hat (2) und schließlich
36
 drittens einen Versicherungsfall nach § 3 Nr. 2 Satz 2 Buchstabe b ABL, wonach ein durch Sturm entstandener Schaden wegen des zuvor einwandfreien Zustandes des versicherten Gebäudes unterstellt wird, weder vorgetragen hat noch dieser sonst irgendwie festgestellt werden kann (3).
37

1. Ein Anspruch des Klägers auf Entschädigung wegen eines durch Sturm an den versicherten Objekten entstandenen Schadens nach § 3 Nr. 1 ABL ist nicht gegeben, weil ein für einen derartigen Versicherungsfall notwendigerSturm, bestimmt in § 3 Nr. 2 Satz 1ABL als wetterbedingte Luftbewegung von mindestens der Windstärke 8, entgegen der Auffassung des Landgerichts nach der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme nicht festgestellt werden kann.

38

Soweit das Landgericht gleichwohl nach jener Vorschrift dem Kläger wegen des Sturmschadens einen vertraglichen Leistungsanspruch zuerkannt hat, leidet die angefochtene Entscheidung an einem erheblichen Verfahrensfehler in Form der Verkennung des im vorliegenden Fall anzuwendenden und berufungsrechtlich überprüfbaren Beweismaßes, was einen Verstoß gegen den Grundsatz der zwar freien, aber dennoch gesetzessystematisch gebundenen und inhaltlich vollauf überzeugend sein müssenden Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO darstellt. Diesen Verfahrensfehler kann der Senat ohne erneute Beweiserhebung korrigieren und hat deswegen gemäß § 538 Abs. 1 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden.

39

Das Landgericht hat seine Überzeugung, es habe am Schadentag zur angegebenen Tageszeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine wetterbedingte Luftbewegung (Sturm) von teilweise mindestens Windstärke 8 (62 - 74 km/h) geherrscht, auf die Ausführungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen L. in der mündlichen Anhörung vom 11. Oktober 2012 (Bl. 136/137 d. A.) gestützt, in der diese Folgendes bemerkt hat:

40

Wenn ich ausgeführt habe, dass Windspitzen über 7 Beaufort nicht völlig auszuschließen sind, so lässt sich dies schwierig in Prozentsätzen ausdrücken. Wenn ich aber hierzu befragt werde, ist aber eine Wahrscheinlichkeit von sicherlich über 50 % anzunehmen. Wenn ich von über 50 % gesprochen habe, dann meine ich etwas über 50 %. Die Wahrscheinlichkeiten werden nach dem System von Beierlein [recte: Bayerlein] berechnet. Diese Skala umfasst 10 Stufen von „äußerst unwahrscheinlich“ bis „äußerst wahrscheinlich“. Ich würde im vorliegenden Fall von der Stufe „wahrscheinlich“ ausgehen, bei der es sich um die 3. Stufe von oben und damit die dritthöchste Wahrscheinlichkeit handelt.

41

Nach der Systematik von Beierlein [recte: Bayerlein] heißt „wahrscheinlich“, dass dieses Ereignis mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit eingetreten ist.

42

In ihrem schriftlichen Gutachten vom 01. Juni 2012 (Bl. 106 d. A.) hatte die Sachverständige demgegenüber u. a. ausgeführt:

43

Aufgrund der unberechenbaren Böigkeit in Gewitternähe bis kurz nach 15:00 Uhr in L. ist auch das Auftreten von Windspitzen über 7 Beaufort nicht völlig auszuschließen.

44

Abgesehen davon, dass sich die Sachverständige bei der Beurteilung der wetterbedingten Luftbewegungen zur Schadenszeit selbst widerspricht, indem sie in ihrem schriftlichen Gutachten das Auftreten von Windspitzen von über 7 Beaufort mit einem geringeren Wahrscheinlichkeitsgrad belegt (… nicht völlig auszuschließen …) als in der mündlichen Verhandlung (… mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit eingetreten …), hat das Landgericht mit der Übernahme dieses Wahrscheinlichkeitsgrades für das sicher feststehen müssende Vorliegen eines Sturmereignisses an das Beweismaß als Grad der richterlichen Erkenntnis unter Verstoß gegen die Regelung des § 286 ZPO zu geringe Anforderungen gestellt und somit das Regelbeweismaß für den vom Kläger als Versicherungsnehmer zu erbringenden Vollbeweis eines Sturmereignisses (vgl. dazu Rüffer, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 2. Aufl. 2011, § 4 VGB 2008/2010 Rdnr. 8; Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 8 VHB 2000 Rdnr. 1 und 2) verkannt.

45

§ 286 Abs. 1 ZPO verlangt im Unterschied zu Verfahren, die, wie etwa das zum Arrest oder zum Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß den §§ 920 Abs. 2, 936 ZPO, eine bloße Glaubhaftmachung im Sinne von § 294 Abs. 1 ZPO – und das heißt eben anerkanntermaßen: eineüberwiegende Wahrscheinlichkeit (so statt aller, mit zahlreichen weiteren Nachweisen, beispielhaft: Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, Bd. 1, 4. Aufl., 2013, § 294 Rdnr. 24; BGH, NJW 2003, 3558) – zulassen und genügen lassen, von einem Richter gerade die volle Überzeugung, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr oder für nicht wahr erachtet. Damit stellt das Gesetz unmissverständlich klar, dass für den Beweis grundsätzlich nicht schon ein bloßes mehr oder minder Für-Wahrscheinlich-Halten genügt, sondern die eben darüber hinaus gehende volle Gewissheit des Richters erforderlich ist, die indes keine absolute Gewissheit im Sinne einer mathematischen Stringenz erreichen muss (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 286 Rdnr. 18; Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, a.a.O., § 286 Rdnr. 35 f.; Leipold, in: Stein/Jonas, Kommentar zur ZPO, 22. Aufl., § 286 Rdnr. 5; Foerste, in: Musielak, ZPO, 10. Auflage 2013, § 286 Rdnr. 17 ff.). Die volle Überzeugung, eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr oder unwahr zu erachten, kann der Richter allerdings nicht gewinnen, wenn für die streitige Behauptung nur eine – lediglich und gerade nur die Glaubhaftmachung gemäß § 294 ZPO rechtfertigende – überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht. Mit einem derartigen, nur in speziellen gesetzlichen Ausnahmefällen möglichen Beweismaß geringerer Qualität kann und darf sich der Richter im Rahmen eines gewöhnlichen Zivilverfahrens nicht bescheiden und zufrieden geben.

46

Das vom Kläger eingeholte Gutachten der M. GmbH vom 22. November 2011, das Windstärken von 8 Beaufort nur für wahrscheinlich hält und noch etwas stärkere Böen lediglich nicht ausschließt, erfüllt die Kriterien für das Bewiesensein eines bedingungsgemäßen Sturmereignisses wegen des darin festgestellten geringeren Wahrscheinlichkeitsgrades erst recht nicht.

47

2. Einen Entschädigungsanspruch kann der Kläger auch nicht mit Erfolg auf die Regelung des § 3 Nr. 2 Satz 2lit. a ABL stützen, wonach bei Nichtfeststellbarkeit einer Luftbewegung von mindestens der Windstärke 8 ein versichertes Sturmereignis unterstellt wird, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass die Luftbewegung in der Umgebung ebenfalls Schäden an Gebäuden in einwandfreiem Zustand oder an ebenso widerstandsfähigen Sachen angerichtet hat.

48

Der Kläger ist bereits der ihm als Gläubiger des Anspruchs obliegenden Pflicht, die Voraussetzungen eines solchen Versicherungsfalls im Einzelnen substantiiert darzulegen, trotz ausdrücklichen Hinweises vonseiten des Senats und Einräumung einer hierzu großzügig bemessenen Einlassungsfrist nicht nachgekommen.

49

Der Kläger hatte erstinstanzlich zunächst pauschal behauptet, dass im Umfeld des Versicherungsortes Schäden an Gebäuden in einwandfreiem Zustand der benachbarten Familien A., R., H. und Sch. zu verzeichnen gewesen seien, die von den jeweiligen Gebäudeversicherern anstandslos reguliert worden seien (Bl. 6 d. A.).

50

Diesem Vortrag stehen bereits die Feststellungen des von der Beklagten eingeschalteten Sachverständigen Dr. Ing. R. in seinem Schadengutachten vom 12. August 2009 entgegen, der den Schadensort am 02. Juli 2009, mithin einen Tag nach dem Schadenfall, besichtigt und ausgeführt hat (Bl. 35 d. A.):

51

An weiteren Gebäuden im Ort und in der Umgebung waren jedoch keine Schäden erkennbar, die auf Windeinwirkung oder Hagel hinweisen. In der unmittelbaren Umgebung befinden sich Gebäude, insbesondere Nebengebäude (…), die einen erheblichen Instandhaltungsrückstau aufweisen und trotzdem keine typischen Sturmschäden zeigen.

52

Da ein Versicherungsfall nach § 3 Nr. 2 Satz 2 lit. a ABL dennoch in Betracht gekommen wäre, ist der Kläger laut Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2013 (Bl. 199 d. A.) speziell auf seinen hierzu bislang nicht zureichend ausführlichen, vielmehr einer weiteren Substantiierung im Detail wie auch der Angabe zweckdienlicher Beweismittel bedürftigen Vortrag hingewiesen worden, und ihm ist – nach Anordnung des schriftlichen Verfahrens im beiderseits erklärten Einverständnis der Parteien mit einem Ende der Schriftsatzfrist gemäß § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO zum 04. Juli 2013 – eine Frist zur abschließenden Ergänzung namentlich seines diesbezüglichen Vorbringens bis zum 31. Mai 2013 eingeräumt worden (Bl. 200 d. A.).

53

Im folgenden Schriftsatz vom 30. Mai 2013 (Bl. 206 - 208 d. A.) hat der Kläger indes wiederum nur auf seinen bisherigen, bereits als unzulänglich monierten Vortrag in der Klageschrift (Bl. 6 d. A.) pauschal Bezug genommen und lediglich ergänzend – zudem ohne ordnungsgemäßen Beweisantritt durch Individualisierung der Zeugen und Angabe ihrer ladungsfähigen Anschriften – in aller Kürze vortragen lassen, dass an dem in einwandfreiem Zustand befindlichen Gebäude der benachbarten Familie P. sturmbedingte Schäden zu verzeichnen gewesen seien. Allein mit diesem jeglichen notwendigen Vortrag im Detail zu den rechtsbegründenden Voraussetzungen eines Versicherungsfalls nach § 3 Nr. 2 Satz 2 lit. a ABL vermissen lassenden Vorbringen hat der Kläger nach wie vor einen schlüssigen Anspruch nicht darzulegen vermocht.

54

Sein Antrag laut Schriftsatz vom 04. Juli 2013 (Bl. 212 d. A.), die ihm gesetzte und seit Langem abgelaufene Erklärungsfrist nochmals zu verlängern, ist durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 08. Juli 2013, auf die zwecks Meidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen sei (Bl. 213 d. A.), als unbegründet zurückgewiesen worden.

55

3. Einen Versicherungsfall gemäß § 3 Nr. 2 Satz 2lit. b ABL, wonach ein versichertes Sturmereignis abweichend von Satz 1 der Vorschrift auch dann noch unterstellt wird, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass der Schaden wegen des einwandfreien Zustandes des versicherten Gebäudes nur durch Sturm entstanden sein kann, hat der Kläger bereits selbst nicht vorgetragen, noch ist ein derartiger Fall sonst wo anhand der Akte feststellbar.

56

Vielmehr hat diese Alternative gerade der von der Beklagten beauftragte Sachverständige Dr. Ing. R. ausgeschlossen, der nämlich den stark sanierungsbedürftigen Zustand der Scheune und deren Vorschäden in seinem Schadengutachten vom 12. August 2009 im Einzelnen beschrieben hat (Bl. 31 - 38 d. A., insbesondere Bl. 33 u. 35 d. A.).

III.

57

Die Kostenentscheidung zulasten des vollen Umfanges mit seiner Klage unterliegenden Klägers folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

58

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils entspricht den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 Satz 1 und 2 ZPO.

IV.

59

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nicht ersichtlich. Weder hat die maßgeblich von den Besonderheiten des Einzelfalles geprägte Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.



Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 2. Juli 2008 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.318,50 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 22. Januar 2007 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 59 % und die Beklagte 41 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Einfamilienwohnhauses in N.. Für dieses Gebäude unterhält sie bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung (Versicherungsschein Nr. 7../…/K63) nach den allgemeinen Bedingungen für die Wohngebäudeversicherung in der Version VGB 2000/E. Als Versicherungsart ist die gleitende Neuwertversicherung vereinbart. Versicherte Gefahren sind unter anderem Sturm und Hagel. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin zur Zahlung einer Entschädigung wegen eines Sturmschadens, der am 18. Januar 2007 am Dach des versicherten Wohngebäudes eintrat, verpflichtet ist.

2

Die Klägerin hat geltend gemacht, an diesem Tage seien infolge eines Sturms mit der Windstärke 8 die vorderen Dachschindeln des Hauses abgerissen worden und bis zu 50 m weit weggetragen worden. Mit der Beseitigung der durch den Sturm angerichteten Schäden habe sie die Firma B.-E. W. beauftragt, die die Bitumenschindeln erneuert und das Dach wieder instand gesetzt habe. Am 1. April 2007 habe diese eine Schlussrechnung in Höhe von insgesamt 17.652,22 € gestellt. Dieser Betrag stelle die zur Beseitigung der Schäden erforderlichen Kosten dar.

3

Vor dem Sturm seien an dem Dach keinerlei Schäden vorhanden gewesen und auch eine Verformung der Schindeln sei nicht gegeben gewesen, so dass eine Sanierungsbedürftigkeit des Daches vor der Einwirkung durch den Sturm nicht bestanden habe. Im Übrigen habe sich der Ehemann der Klägerin regelmäßig vom Zustand des Daches überzeugt und dabei keinerlei Schäden am Dach bzw. keine alterungsbedingten Einschränkungen der Bitumenschindeln feststellen können. Es habe für die Klägerin deshalb auch kein Anlass bestanden, an der ordnungsgemäßen Beschaffenheit des Daches zu zweifeln.

4

Die Klägerin hat beantragt,

5

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 17.652,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Januar 2007 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt,

7

die Klage abzuweisen.

8

Sie hat ihre Leistungspflicht bestritten, da ursächlich für den hier geltend gemachten Schaden allein die Sanierungsbedürftigkeit des versicherten Objekts gewesen sei. Das Herabfallen der Bitumendachschindeln sei nach den Feststellungen des von ihr beauftragten Sachverständigen, Dipl.-Ing. A. B., darauf zurückzuführen, dass insbesondere zur Wetterseite hin die Bitumenschindeln alterungsbedingt ausgehärtet und verformt gewesen seien. Da die Festigkeit des Materials stark herabgesetzt gewesen sei, hätten die Schindeln bereits ohne Kraftaufwendung zerbrechen können. Das Dach habe sich deshalb bereits vor dem Sturm in einem sanierungs- und erneuerungsbedürftigen Zustand befunden. Der ihr nach den vorgelegten Versicherungsbedingungen nach Ziff. 19.1c VGB obliegenden Sanierungsverpflichtung sei die Klägerin nicht nachgekommen, so dass Leistungsfreiheit eingetreten sei.

9

Das Landgericht hat die Klage nach Anhörung des Sachverständigen B. sowie nach Vernehmung des Zeugen M. abgewiesen.

10

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Schaden an den Dachschindeln nicht durch das Sturmereignis vom 18. Januar 2007 bedingt gewesen sei, sondern dadurch, dass die Bitumendachschindeln alterungsbedingt erneuerungsbedürftig gewesen seien und auch ohne das Sturmereignis hätten erneuert werden müssen.

11

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

12

Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe in seiner Urteilsbegründung zu Unrecht auf allgemeine zivilrechtliche Grundsätze abgestellt, ohne die Besonderheiten des zugrunde liegenden Versicherungsvertrags und des Versicherungsvertragsrechts zu berücksichtigen. Darüber hinaus habe es verkannt, dass im vorliegenden Vertragsverhältnis der Versicherungswert des beschädigten Daches nicht durch dessen Zeitwert, sondern durch dessen Neuwert bestimmt werde. Bestehende Vorschäden seien dabei ebenso wenig zu berücksichtigen wie altersbedingte Abnutzungen. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Versicherer für die Beseitigung von Folgeschäden des Sturms gemäß Nr. 4.1.a VGB 2000/E einzutreten habe. Dies seien die Kosten, die eine unvermeidliche Folge des versicherten Ereignisses, nämlich des Sturms, darstellten. Hierzu zählten insbesondere die Aufräumungs-, Abbruch- und Entsorgungskosten. Diese wären auch bei einem neuen Dach in der geltend gemachten Größenordnung entstanden. Darüber hinaus habe das Landgericht übersehen, dass die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Beschädigungen am Dach auf eine unmittelbare Einwirkung des Sturms im Sinne von Nr. 3.4.2 a VGB 2000 zurückzuführen seien. Eine solche unmittelbare Einwirkung sei dann gegeben, wenn der Sturm die zeitlich letzte Ursache des Sachschadens sei. Davon müsse vorliegend ausgegangen werden, da letztlich der Sturm zur Ablösung von Teilen der wenn auch möglicherweise teilweise maroden Bitumenschindeln geführt habe. Eine Kausalität sei deshalb zu bejahen. Das Vorliegen von für den Sturmschaden mitursächlichen Substanzschäden an dem Dach stehe einer Entschädigungspflicht der Beklagten dem Grunde nach auch unter sonst keinem Gesichtspunkt entgegen. Mangels Kenntnis solcher Schäden habe die Klägerin weder vorsätzlich noch grob fahrlässig ihre Instandsetzungspflicht verletzt.

13

Die Klägerin beantragt,

14

die Beklagte unter Abänderung des am 2. Juli 2008 verkündeten Urteils des Landgerichts Koblenz 16 O 486/07 zu verurteilen, an die Klägerin 17.652,22 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22. Januar 2007 zu zahlen.

15

Die Beklagte beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung im Ergebnis und weist im Übrigen darauf hin, dass die Klägerin ihren Instandhaltungspflichten aus dem Versicherungsvertrag nicht nachgekommen sei und dies nicht nur eine Obliegenheits-verletzung gem. Ziffer 19.1, 19.2 VGB 2000/E darstelle, sondern auch eine Gefahrerhöhung nach Ziff. 19.1, 19.2, 18.1, 18.3 VGB 2000/E in Verbindung mit § 23 ff VVG.

18

Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.

19

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Versicherungsleistungen aus dem Versicherungsvertrag wegen des Sturmschadens vom 18. Januar 2007 in Höhe von 7.318,50 € zu.

20

Der Versicherungsfall ist eingetreten.

21

Nach § 2 der Allgemeinen Bedingungen für die Neuwertversicherung von Wohngebäuden gegen Feuer-, Leitungs-, Wasser- und Sturmschäden hat die Beklagte für einen Sturmschaden einzutreten, wenn versicherte Sachen durch Sturm zerstört oder beschädigt werden. Als Sturm gilt nach Ziff. 3.4.1. eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8. Die Zerstörung oder Beschädigung einer versicherten Sache fällt nach Ziff. 3.4.2 allerdings nur dann unter die Versicherung, wenn sie auf der unmittelbaren Einwirkung des Sturms beruht oder die Folge eines Sturmschadens an versicherten Sachen ist.

22

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass am 18. Januar 2007 ein Sturm mit der Windstärke 8 (Orkan „Kyrill“) geherrscht hat. Ebenfalls unstreitig ist, dass aufgrund des Sturms die vorderen Dachschindeln des Hauses abgerissen worden sind und somit die in Rede stehenden Beschädigungen am Dach auf eine unmittelbare Einwirkung des Sturms zurückzuführen sind. Eine solche unmittelbare Einwirkung ist immer dann gegeben, wenn der Sturm die zeitlich letzte Ursache des Sachschadens ist (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1984, 1035). Davon ist vorliegend auszugehen, denn letztlich hat der Sturm zur Ablösung der - wenn auch bereits vorgeschädigten - Bitumenschindeln geführt.

23

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Sturm die alleinige oder jedenfalls die wesentliche Ursache des Schadens gewesen ist. Insofern braucht der Frage, ob der vorliegend eingetretene Schaden am Dach des klägerischen Anwesens durch das Alter der Bitumenschindeln begünstigt worden ist - so die Feststellungen des Sachverständigen, Dipl.-Ing. A. B., - nicht nachgegangen zu werden.

24

Für die Annahme des erforderlichen Ursachenzusammenhangs zwischen dem Sturm als versicherter Gefahr und dem Schadenseintritt genügt schon eine Mitursächlichkeit (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O. ).

25

Die von dem Sachverständigen festgestellten alterungsbedingten Schäden an den Bitumenschindeln, die mitursächlich für den Sturmschaden gewesen sein können, stehen der Entschädigungspflicht der Beklagten dem Grunde nach auch unter keinem anderen rechtlichen Gesichtspunkt entgegen. Eine Leistungsfreiheit der Beklagten nach Ziff. 19.2 VGB ist insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Instandhaltungsobliegenheiten gemäß Ziff. 19.1 c der Vertragsbedingungen eingetreten.

26

Gemäß Ziff. 19.1 c VGB hat der Versicherungsnehmer die versicherten Sachen stets in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten und Mängel oder Schäden unverzüglich beseitigen zu lassen. Durch diese Instandhaltungs-obliegenheit sollen alters- und abnutzungsbedingte Verschleißschäden, die in aller Regel nicht plötzlich und unvorhersehbar, sondern allmählich und vorhersehbar, eintreten, vom Versicherungsschutz ausgenommen werden. Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit, so kommt nach Ziff. 19.2 VGB eine Kündigung des Versicherers in Betracht, die zu einer Leistungsfreiheit des Versicherers führt, dies allerdings nur dann, wenn die Verletzung entweder auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruht . Da die Beklagte den Versicherungsvertrag jedoch nicht gekündigt hat, kann sie sich auch nicht auf eine von ihr behauptete und möglicherweise auch gegebene Verletzung der Instandsetzungspflicht gemäß Ziff. 19.1 c VGB berufen.

27

Eine Leistungsfreiheit der Beklagten ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Vornahme einer Gefahrerhöhung gemäß Art. 1 Abs. 2 EGVVG i. V. m. §§ 23 ff VVG (hier und im folgenden a. F. VVG) gegeben. Unabhängig von der rechtlich zu beurteilenden Frage, ob das Unterbleiben von Instandhaltungsmaßnahmen als Vornahme einer Gefahrerhöhung im Sinne des § 23 VVG durch Unterlassen anzuerkennen ist (streitig, vgl. zum Meinungsstand Prölls/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl., § 23 VVG Rdnr. 38), gilt auch im Rahmen dieser Vorschrift der für die Klägerin günstige Verschuldensmaßstab gem. Ziff. 19.2 Satz 3 VGB/2000.

28

Auch wenn sich die Bitumenschindeln auf dem Dach des klägerischen Anwesens nach den Feststellungen des Sachverständigen alterungsbedingt nicht mehr in einem ordnungsgemäßen Zustand befanden, ist zugunsten der Klägerin davon auszugehen, dass diese mangels Kenntnis der alterungsbedingten Schäden weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat.

29

Die „ Vornahme“ einer Gefahrerhöhung ist das willentliche Herbeiführen einer Gefahrerhöhung durch den Versicherungsnehmer. Daher ist Kenntnis von die Gefahrerhöhung begründenden Umständen zwingend erforderlich, wobei es der Kenntnis gleichsteht, dass der Versicherungsnehmer sich ihr arglistig entzieht. Hierfür ist es erforderlich, dass er positiv mit der Möglichkeit eines gefahrerhöhenden Zustandes rechnet (vgl. Prölls/ Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl., § 23 VVG Rdnr.35).

30

Gemessen an diesen Grundsätzen ist ein Verschulden der Klägerin weder bewiesen noch sonst feststellbar.

31

Entgegen der Ansicht der Beklagten traf die Klägerin nämlich keine Pflicht dahingehend, den Zustand ihres Daches regelmäßig durch einen Fachmann auf seinen ordnungsgemäßen Zustand prüfen zu lassen. Auch besteht keine allgemein verbindliche Pflicht des Versicherungsnehmers, die Dachschindeln in einem festen Turnus vorsorglich austauschen zu lassen. Wenn der Versicherungsnehmer - wie hier - keine konkreten und damit seine Kenntnis begründenden Anhaltspunkte dafür hat, dass sich das Dach seines Anwesens nicht in einem ordnungsgemäßen Zustand befinden könnte, trifft ihn auch keine Pflicht, regelmäßige Kontrollen dieses Daches durchzuführen.

32

Da ein grob fahrlässiges Verhalten der Klägerin nicht festgestellt werden kann, kommt auch § 61 VVG nicht zur Anwendung, so dass dem Grunde nach von einer Leistungspflicht der Beklagten auszugehen ist.

33

Die Klägerin kann jedoch nicht - wie der Schlussrechnung der Firma W. zu entnehmen ist - die Kosten für die Sanierung des gesamten Daches, einschließlich der Dachfenster, verlangen. Sie hat – ausgehend vom Vorliegen eines Teilschadens - lediglich einen Anspruch auf Erstattung der notwendigen Reparaturkosten zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls und des dabei eingetretenen Schadens. Auf der Grundlage des von der Beklagten eingereichten Sachverständigengutachtens des Dipl.-Ing. A. B., das dem Senat als geeignete und ausreichende Schätzungsgrundlage im Sinne von § 287 ZPO dient, errechnet sich nach Auffassung des Senats ein Reparaturaufwand in Höhe von 7.318,50 €. In diesen berechneten Kosten sind neben den Kosten zur Schadensbehebung in Form der Erneuerung der Bitumenschindeleindeckung der straßenseitigen Dachfläche auch die Kosten für Abbruch, Entsorgung und Erneuerung der Bitumenschindeln sowie die Kosten für das Aufstellen eines Gerüstes enthalten und damit alle Kosten, die zur Wiederherstellung des früheren Zustandes, erforderlich waren. Ein Abzug „neu für alt“ kommt in diesem Zusammenhang entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht in Betracht.

34

Der zuerkannte Anspruch auf Zahlung von Zinsen ist ab dem 22. Januar 2007 gem. Ziff. 12.2 VGB in Höhe von 4 % begründet und mit endgültiger Ablehnung der Einstandspflicht im Schreiben vom 30. Mai 2007 gem. §§ 286, 288 Abs.1 BGB begründet.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

36

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

37

Die Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 17.652,22 € festgesetzt.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.