Landgericht Mainz Beschluss, 10. Mai 2016 - 8 T 43/16

ECLI: ECLI:DE:LGMAINZ:2016:0510.8T43.16.0A
published on 10/05/2016 00:00
Landgericht Mainz Beschluss, 10. Mai 2016 - 8 T 43/16
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Tenor

Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Worms vom 26. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Gründe

I.

1

Der am ... September 1962 geborene Betroffene lebte seit 2006 allein in einer in der H., M. gelegenen Wohnung. Nach Angaben der Betreuungsbehörde (vgl. Bl. 102 f. d.A.) war er schon zuvor - in den Jahren 2000 bis 2005 - immer wieder in der Rheinhessen-Fachklinik A. wegen einer paranoiden Schizophrenie behandelt worden. Ausweislich eines Schreibens der Verbandsgemeinde M. vom 19. Oktober 2015 (Bl. 4 ff d.A.), auf welches ergänzend Bezug genommen wird, zeigte er bereits seit längerer Zeit insbesondere seinen Nachbarn gegenüber ein auffälliges und beleidigendes Verhalten. Zudem war das die oben näher bezeichnete Wohnung betreffende Mietverhältnis bereits vor mehreren Jahren gekündigt worden; einem entsprechenden Räumungsverlangen kam der Betroffene indes nicht nach. Zur Vermeidung drohender Obdachlosigkeit wurde er deshalb ab dem 31. März 2014 mittels ordnungsbehördlicher Verfügungen (Bl. 61 ff. d.A.) wieder in die betreffende Wohnung eingewiesen. Am 13. November 2015 kam es dann zu einem Einsatz der Polizeiinspektion W. in dem eingangs genannten Anwesen. Anlass hierfür war der Umstand, dass sich der Betroffene eine offene Feuerstelle in seiner Wohnung eingerichtet und hierauf gekocht hatte. So waren zwischen zwei Büchern auf dem Fußboden mehrere brennende Kerzen aufgestellt worden. Auf den Büchern war eine Aluminiumplatte platziert worden, auf welcher Kochgeschirr erwärmt wurde. Um die Feuerstelle war ein zerschnittener Pappkarton als eine Art Windschutz aufgestellt worden. Ergänzend wird im Übrigen auf den Einsatzbericht der Polizeiinspektion W. vom 14. November 2015 (Bl. 105 bis 115 d. A.) Bezug genommen. Seit dem 7. Januar 2016 ist der Betroffene in einer Notunterkunft in der E., O. untergebracht.

2

Das Amtsgericht hat gemäß Beschluss vom 19. November 2015 Sachverständigenbeweis über die medizinischen Voraussetzungen der Anordnung einer gesetzlichen Betreuung erhoben. Wegen des Ergebnisses der insoweit durchgeführten Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen S.R., Facharzt für Psychiatrie und Oberarzt der Akutpsychiatrie der Rheinhessen-Fachklinik A., vom 22. Dezember 2012 (Bl. 126 ff . d.A.) verwiesen.

3

Mit Beschluss vom 26. Januar 2016 hat das Amtsgericht dann - nachdem der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung zum zuvor anberaumten Anhörungstermin nicht erschienen war - für den Betroffenen eine die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise sowie Vertretung gegenüber Behörden/Versicherungen/Renten- und Sozialleistungsträgern umfassende Betreuung angeordnet. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seinem am 1. Februar 2016 beim Amtsgericht eingegangenen „sofortigen Widerspruch“. Diesen hat das Amtsgericht als Beschwerde ausgelegt, welcher es mit Beschluss vom 18. Februar 2016 - nachdem der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung zu einem weiteren anberaumten Anhörungstermin nicht erschienen war - nicht abgeholfen hat.

4

Die Kammer hat Termine zur Anhörung des Betroffenen auf den 18. April 2016 - im Gerichtsgebäude - sowie auf den 4. Mai 2016 - in der Wohnung des Betroffenen - bestimmt. Zu beiden Terminen ist der Betroffene unter Hinweis darauf geladen worden, dass das Verfahren gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 FamFG ohne seine persönliche Anhörung beendet werden könne, wenn er im anberaumten Anhörungstermin unentschuldigt ausbleibe. Die Ladungen sind dem Betroffenen beide förmlich zugestellt worden. Dennoch ist der Betroffenen nicht erschienen; zur Begründung hatte er jeweils lediglich - sinngemäß - mitgeteilt, er willige in die Betreuung nicht ein und nehme deshalb den betreffenden Termin nicht wahr.

5

Ergänzend wird insbesondere auf das seitens der Verbandsgemeinde M. mit Schreiben vom 19. November 2015 zur Gerichtsakte gereichte Anlagenkonvolut (Bl. 33 ff. d.A.), auf die angefochtene Entscheidung vom 26. Januar 2016 (Bl. 147 ff. d.A.), auf den Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts vom 18. Februar 2016 (Bl. 164 f. d.A.), auf die Anhörungsprotokolle vom 18. April 2016 (Bl. 177 ff. d.A.) und vom 4. Mai 2016 (Bl. 188 f. d.A.) sowie auf die gesamte Verfahrensakte im Übrigen Bezug genommen.

II.

6

Das Amtsgericht hat das Schreiben des Betroffenen vom 1. Februar 2016 (Bl. 157 d.A.) zu Recht als Beschwerde ausgelegt. Insoweit ist der Gebrauch des Wortes „Beschwerde“ nicht wesentlich. Entscheidend ist vielmehr, dass die Absicht, eine bestimmte Entscheidung der Nachprüfung durch die höhere Instanz zu unterstellen, der Erklärung deutlich zu entnehmen ist (vgl. Keidel-Sternal, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 64, Rdnr. 27, m.w.N.; Jürgens-Kretz, Betreuungsrecht, 5. Aufl. 2014, § 64 FamFG, Rdnr. 4; Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 11. Aufl. 2015, § 64, Rdnr. 7). Diesbezüglich ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (vgl. Jürgens-Kretz, a.a.O.). Im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, NJW-RR 2011, 148, 149, m.w.N.).

7

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das oben bezeichnete Schreiben als Beschwerde auszulegen. Denn der Betroffene hat in diesem hinreichend deutlich gemacht, die zwischenzeitlich erfolgte Anordnung der Betreuung nicht zu wünschen. Nicht anders kann es verstanden werden, wenn der Betroffene ausführt, er lege gegen den ihm am 29. Januar 2016 zugestellten Beschluss „sofortigen Widerspruch“ ein. Damit hat er hinreichend deutlich gemacht, eine rückwirkende Abänderung der Entscheidung erreichen zu wollen. Bei dieser Interessenlage ist ferner anzunehmen, dass der Betroffene eine derartige Abänderung notfalls durch ein höheres Gericht herbeiführen wollte und will.

8

Die Beschwerde ist zulässig aber unbegründet.

9

Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§ 58 ff. FamFG).

10

In der Sache selbst bleibt die Beschwerde indes vollständig ohne Erfolg.

11

Das Amtsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung für den Betroffenen eine Betreuung angeordnet sowie einen Berufsbetreuer bestellt.

12

Gemäß § 1896 Abs. 1 BGB bestellt das Betreuungsgericht für einen Volljährigen einen Betreuer, wenn dieser auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. So liegt der Fall hier; davon ist die Kammer aufgrund des gesamten Inhalts der Verfahrensakten überzeugt.

13

So leidet der Betroffene ausweislich der überzeugenden, auch für medizinische Laien nachvollziehbaren sowie verständlichen Ausführungen des Sachverständigen S.R. vom 22. Dezember 2015, welche sich die Kammer vollumfänglich zu eigen macht, unter einer chronisch paranoiden Schizophrenie mit Residuum (ICD-10: F20.0). Im Rahmen dieser Erkrankung - so der Sachverständige im Wesentlichen weiter - seien bei dem Betroffenen der Verlust von Urteilskraft und Realität, Störungen des Denkens und der Gefühle sowie eine Fehlwahrnehmung und - damit verbunden - Fehlinterpretation der Umwelt sowie ein bizarres Verhalten festzustellen. Weiterhin seien verbale Aggressivität und paranoide Denkinhalte zu erkennen. Konzentration, Merkfähigkeit und Aufmerksamkeit seien bei dem Betroffenen stark beeinträchtigt. Er antworte nicht adäquat und stelle Gegenfragen, er gestikuliere. Im Kontakt sei er distanzgemindert, im Gedankengang sprunghaft und beschleunigt. Die Worte brächen mitten im Satz ab, die Begriffe verlören ihre exakte Bedeutung. Der Betroffene verneine zudem, psychisch erkrankt zu sein und Medikamente zu benötigen. Aufgrund des fehlenden Krankheitsbewusstseins und der dadurch fehlenden Therapieadhärenz sei von einem länger anhaltenden Charakter der Erkrankung auszugehen. Insgesamt sei der Betroffene aufgrund der Krankheit in seinem Urteilsvermögen und in seiner Entscheidungsfähigkeit derart eingeschränkt, dass er im Bereich der Gesundheitsvorsorge, der Behördenangelegenheiten, der Aufenthaltsbestimmung sowie der Wohn- und Finanzangelegenheiten auf eine entsprechende Unterstützung angewiesen sei. Aus sachverständiger Sicht erschienen insoweit Lösungen unterhalb einer rechtlichen Betreuung nicht sinnvoll; der Betroffene sei auch nicht in der Lage, eine Person seines Vertrauens zu bevollmächtigen.

14

Gestützt werden diese Ausführungen des Sachverständigen noch durch die Berichte des in einem vorangegangenen Unterbringungsverfahren bestellten Verfahrenspflegers vom 13. November 2015 (Bl. 22 f. ff. d.A.) sowie der Betreuungsbehörde vom 25. November 2015 (Bl. 116 d.A.). In diesen ist durchweg der Eindruck beschrieben, dass der Betroffene unter einer psychischen Erkrankung leide und infolge dieser in seiner Lebensführung eingeschränkt sei. Auch der Umstand, dass der Betroffene nach vermieterseitiger Kündigung seines Mietverhältnisses bezüglich der Wohnung in M. zunächst in diese eingewiesen und nunmehr in einer Notunterkunft in O. untergebracht werden musste, stellt ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass der Betroffene krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten adäquat zu besorgen.

15

Im Übrigen verkennt die Kammer nicht, dass nach § 1896 Abs. 1a BGB gegen den freien Willen eines Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden darf. Die Anordnung oder Verlängerung einer Betreuung - wie hier - gegen den Willen des Betroffenen ist daher nur dann möglich, wenn der Betroffene nicht in der Lage ist, seinen Willen frei zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2015 - XII ZB 381/15 -).

16

Dabei ist der Begriff der freien Willensbestimmung im Sinne des § 1896 Abs. 1a BGB mit dem des § 104 Nr. 2 BGB im Kern deckungsgleich (vgl. BGH, a.a.O.). Die beiden entscheidenden Kriterien sind die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln. Fehlt es an einem dieser beiden Elemente, liegt kein freier, sondern nur ein natürlicher Wille vor (vgl. BGH, a.a.O.). Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grundsatz die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen (vgl. BGH, a.a.O.). Ist der Betroffene zur Bildung eines klaren Urteils zur Problematik der Betreuerbestellung in der Lage, muss ihm weiter möglich sein, nach diesem Urteil zu handeln und sich dabei von den Einflüssen interessierter Dritter abzugrenzen (vg. BGH, a.a.O.). Die Feststellungen zum krankheitsbedingten Ausschluss der freien Willensbestimmung müssen zudem durch ein Sachverständigengutachten belegt sein (vgl. BGH, a.a.O., m.w.N.).

17

So liegt der Fall hier. Ist der Betroffene doch ausweislich des überzeugenden Gutachtens des Sachverständigen R. vom 22. Dezember 2015 gerade nicht in der Lage, Vor- und Nachteile einer rechtlichen Betreuung eigenverantwortlich abzuwägen.

18

Auch die Auswahl des Betreuers ist nicht zu beanstanden. Zwar sind gemäß § 1897 Abs. 5, Abs. 6 Satz 1 BGB in erster Linie Angehörige und im Übrigen vorrangig ehrenamtliche Betreuer zu bestellen. Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht jedoch zu Recht die Bestellung eines Berufsbetreuers zum Wohle des Betroffenen für erforderlich gehalten. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass nach dem Verhalten des Betroffenen im vorliegenden Verfahren - jedenfalls zunächst - von einem Fehlen jeglicher Kooperationsbereitschaft des Betroffenen auszugehen ist. Aufgrund dessen war bei der Betreuerauswahl in besonderer Weise Bedacht darauf nehmen, dass für den Betroffenen ein Betreuer bestellt wurde, der dieser Herausforderung mit Sachkunde und Erfahrung begegnen kann (vgl. insoweit auch BGH, NZFam 2015, 363, 364).

19

Dieses jedenfalls für die Anfangszeit der Tätigkeit des Betreuers zu erwartende Fehlen einer jeglichen Kooperationsbereitschaft steht im Übrigen der Anordnung einer Betreuung nicht entgegen.

20

Zwar muss eine Betreuung für den angeordneten Aufgabenkreis gemäß § 1896 Abs. 2 BGB erforderlich sein, woran es unter anderem dann fehlt, wenn die Betreuung - aus welchem Grund auch immer - keinerlei Änderung der Situation des Betroffenen herbeizuführen geeignet ist (vgl. BGH, a.a.O., 363). Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn sich herausstellt, dass der mit der Bestellung des Betreuers erstrebte Erfolg nicht zu erreichen ist, weil der Betreuer seine Aufgaben nicht wirksam wahrnehmen und zum Wohl des Betroffenen nichts bewirken kann (vgl. BGH, a.a.O.). Davon kann im Einzelfall ausgegangen werden, wenn der Betroffene jeden Kontakt mit seinem Betreuer verweigert und der Betreuer dadurch handlungsunfähig ist, also eine „Unbetreubarkeit“ vorliegt (vgl. BGH, a.a.O., m.w.N.).

21

Bei der Annahme einer solchen „Unbetreubarkeit“ des Betroffenen ist allerdings Zurückhaltung geboten (vgl. BGH, a.a.O.). Dies folgt schon daraus, dass es sich beim Betreuungsrecht um ein Institut des Erwachsenenschutzes als Ausdruck der staatlichen Wohlfahrtspflege handelt, deren Anlass und Grundlage das öffentliche Interesse an der Fürsorge für den schutzbedürftigen Einzelnen ist (vgl. BGH, a.a.O., m.w.N.). Zudem wird das Fehlen der Kooperationsbereitschaft des Betroffenen - wie auch gerade im vorliegenden Fall - nicht selten ein Symptom seiner psychischen Krankheit i.S.d. § 1896 Abs. 1 BGB sein (vgl. BGH, a.a.O., 364). Bei Betroffenen wie dem hier in Rede stehenden, die krankheitsbedingt keine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Betreuer aufbringen, würde die ausschließlich darauf gründende Annahme einer „Unbetreubarkeit“ indes dazu führen, ihnen die gesetzlich vorgesehene Hilfe gerade unter Verweis auf ein aus der Krankheit folgendes Defizit zu versagen (vgl. BGH, a.a.O.). Dieser Schluss ist rechtlich nur in solchen Fällen haltbar, in denen es gegenüber den sich für den Betroffenen aus der Krankheit oder Behinderung ergebenden Nachteilen unverhältnismäßig erscheint, die Betreuung gegen den Willen des Betroffenen durchzuführen (vgl. BGH, a.a.O.).

22

So liegt der Fall hier aber gerade nicht. Denn der Betroffene ist durch seine Krankheit offenbar massiv beeinträchtigt. Er hat über Jahre hinweg keine adäquate ärztliche Behandlung erhalten. Zudem kann seine Wohnsituation in der zunächst von ihm gemieteten Wohnung in M. - jedenfalls zuletzt - nur als verwahrlost, unhygienisch und insgesamt völlig unzureichend bezeichnet werden. Des weiteren hat er sich durch seinen krankheitsbedingt sorglosen Umgang mit offenem Feuer bereits - jedenfalls abstrakt - einer nicht unerheblichen Gesundheitsgefahr ausgesetzt. Zwischenzeitlich musste der Betroffene sogar in einer Notunterkunft untergebracht werden, wo er nun bereits seit über vier Monaten - und damit keinesfalls mehr nur vorübergehend - lebt.

23

Im Übrigen hat der Betreuer im Zuge des Anhörungstermins vom 4. Mai 2016 mitgeteilt, dass er bislang gar nicht über die aktuelle Anschrift des Betroffenen verfügt habe. In Anbetracht dessen kann aber jedenfalls aus dem Umstand, dass bislang kein Kontakt zwischen Betreuer und Betroffenem zustande gekommen ist, nicht auf eine „Unbetreubarkeit“ des Betroffenen geschlossen werden.

24

Gemäß § 34 Abs. 3 FamFG konnte über die Beschwerde des Betroffenen ohne dessen persönliche Anhörung entschieden werden. Der Betroffene war zu den Terminen vom 18. April 2016 und vom 4. Mai 2016 ordnungsgemäß sowie unter Hinweis darauf, dass das Verfahren gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 FamFG ohne seine persönliche Anhörung beendet werden könne, wenn er im anberaumten Anhörungstermin unentschuldigt ausbleibe, geladen worden. Dennoch war er unentschuldigt ausgeblieben. Zudem hatte der beauftragte Richter am 4. Mai 2016 gerade - vergeblich - den Versuch unternommen, den Betroffenen ohne Zwang in seiner persönlichen Umgebung anzuhören. Schlussendlich ist eine Vorführung des Betroffenen nach § 278 Abs. 5 FamFG unverhältnismäßig. Der Betroffene hat bereits schriftlich deutlich gemacht, dass er eine Betreuung nur deshalb nicht wünscht, weil er aus seiner Sicht nicht unter einer psychischen Krankheit leidet. Zu einer Änderung dieser Einschätzung ist er - insoweit kann auf die entsprechenden obigen Ausführungen verwiesen werden - krankheitsbedingt gar nicht in der Lage. In Anbetracht dessen ist der von einer Anhörung des Betroffenen zu erwartende Erkenntnisgewinn derart gering, dass eine Vorführung des Betroffenen und der damit verbundene Eingriff in seine Freiheitsrechte hierzu in keinem angemessenen Verhältnis stünde.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 81 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 84 FamFG. Danach soll das Gericht die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat. Die Fassung als Sollvorschrift ermöglicht es jedoch, bei Vorliegen besonderer Umstände ausnahmsweise ganz oder teilweise von der Kostenbelastung des Rechtsmittelführers abzuweichen. Ein besonderer Umstand ist - wie vorliegend - dadurch gegeben, dass das Rechtsmittel eine Angelegenheit der staatlichen Fürsorge (Betreuung) betrifft und das Rechtsmittel vom Fürsorgebedürftigen selbst eingelegt wurde (vgl. LG Meiningen, Beschluss vom 17. Januar 2014 - 4 T 2/14 -, BeckRS 2014, 02882, m.w.N.).

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(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

Geschäftsunfähig ist:1.wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat,2.wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorüberge

(1) Das Gericht hat den Betroffenen vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts persönlich anzuhören und dessen Wünsche zu erfragen. Es hat sich einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen zu verschaffen. D
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published on 16/12/2015 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 381/15 vom 16. Dezember 2015 in der Betreuungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 1896 Abs. 1a, Abs. 3; FamFG §§ 68 Abs. 3 Satz 2, 280 Abs. 1 Satz 2, 281 Abs. 1 Zu den Voraussetz
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Annotations

(1) Das Gericht hat einen Beteiligten persönlich anzuhören,

1.
wenn dies zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Beteiligten erforderlich ist oder
2.
wenn dies in diesem oder in einem anderen Gesetz vorgeschrieben ist.

(2) Die persönliche Anhörung eines Beteiligten kann unterbleiben, wenn hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder der Beteiligte offensichtlich nicht in der Lage ist, seinen Willen kundzutun.

(3) Bleibt der Beteiligte im anberaumten Anhörungstermin unentschuldigt aus, kann das Verfahren ohne seine persönliche Anhörung beendet werden. Der Beteiligte ist auf die Folgen seines Ausbleibens hinzuweisen.

Geschäftsunfähig ist:

1.
wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat,
2.
wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.

(1) Das Gericht hat einen Beteiligten persönlich anzuhören,

1.
wenn dies zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Beteiligten erforderlich ist oder
2.
wenn dies in diesem oder in einem anderen Gesetz vorgeschrieben ist.

(2) Die persönliche Anhörung eines Beteiligten kann unterbleiben, wenn hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder der Beteiligte offensichtlich nicht in der Lage ist, seinen Willen kundzutun.

(3) Bleibt der Beteiligte im anberaumten Anhörungstermin unentschuldigt aus, kann das Verfahren ohne seine persönliche Anhörung beendet werden. Der Beteiligte ist auf die Folgen seines Ausbleibens hinzuweisen.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.