Landgericht Hagen Urteil, 12. Sept. 2016 - 31 Ks 1/16

ECLI:ECLI:DE:LGHA:2016:0912.31KS1.16.00
bei uns veröffentlicht am12.09.2016

Tenor

Die Angeklagten sin der schweren Brandstiftung schuldig.

Sie werden wie folgt verurteilt: Der Angeklagte W zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren, der Angeklagte L zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren.

Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens und ihre eigenen notwendigen Auslagen sowie die den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen.

Angewandte Gesetzesbestimmungen:

§§ 306, 306 a Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafprozeßordnung - StPO | § 465 Kostentragungspflicht des Verurteilten


(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Strafgesetzbuch - StGB | § 23 Strafbarkeit des Versuchs


(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

Strafgesetzbuch - StGB | § 22 Begriffsbestimmung


Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

Strafgesetzbuch - StGB | § 306 Brandstiftung


(1) Wer fremde 1. Gebäude oder Hütten,2. Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen,3. Warenlager oder -vorräte,4. Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge,5. Wälder, Heiden oder Moore oder6. land-, ernährungs- o

Strafgesetzbuch - StGB | § 306a Schwere Brandstiftung


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,2. eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder3.

Strafprozeßordnung - StPO | § 472 Notwendige Auslagen des Nebenklägers


(1) Die dem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen sind dem Angeklagten aufzuerlegen, wenn er wegen einer Tat verurteilt wird, die den Nebenkläger betrifft. Die notwendigen Auslagen für einen psychosozialen Prozessbegleiter des Nebenklägers kön

Strafgesetzbuch - StGB | § 306e Tätige Reue


(1) Das Gericht kann in den Fällen der §§ 306, 306a und 306b die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter freiwillig den Brand löscht, bevor ein erheblicher Schaden entsteht.

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Bundesgerichtshof Urteil, 04. Feb. 2010 - 4 StR 394/09

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Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Dez. 2005 - 4 StR 347/05

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 369/01 vom 22. November 2001 in der Strafsache gegen wegen Brandstiftung mit Todesfolge u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 21. November 2001 in der Sit

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 394/09
vom
4. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Brandstiftung mit Todesfolge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Februar
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Dr. Franke
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 20. März 2009 werden verworfen. 2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten bleibt ebenso wie das mit der Sachrüge begründete - vom Generalbundesanwalt nicht vertretene - Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ohne Erfolg. I. Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
2
Am 13. September 2008 entschloss sich der Angeklagte, in der von ihm und seinem Sohn bewohnten Mietwohnung in G. einen Brand zu legen und diese dadurch zu zerstören. Die Wohnung befand sich in einem Reihenhaus mit 2 1/2 Etagen, in denen noch weitere vier Mietparteien wohnten. Zur Ausführung seines Vorhabens verteilte der Angeklagte in den späten Abend- stunden größere Mengen Benzin in drei verschiedenen Räumen seiner Wohnung. Als er gegen 22.45 Uhr das von ihm verteilte Benzin entzündete, kam es, für den Angeklagten überraschend, zu einer heftigen Verpuffung des mittlerweile entstandenen Benzin-Luft-Gemisches, die u. a. dazu führte, dass ein Teil der Hausfassade herausgesprengt wurde. Sodann entwickelte sich ein offener Wohnungsbrand, der von der Wohnung des Angeklagten in der 1. Etage auch auf die Dachgeschosswohnung der Eheleute T. übergriff. In dieser Wohnung hielt sich zur Tatzeit K. T. auf, die sich nicht mehr in Sicherheit bringen konnte und an den Folgen einer Brandgasvergiftung verstarb. Der Brand erfasste auch den Dachstuhl und weitere wesentliche Gebäudeteile. Die Mieter der beiden Erdgeschosswohnungen wurden rechtzeitig auf den Brand aufmerksam und konnten das Gebäude unverletzt verlassen.
3
Das Landgericht, das ein Motiv für die Tat letztlich nicht feststellen konnte , hat angenommen, dass der Angeklagte trotz der objektiven Gefährlichkeit seiner Tathandlung nicht mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, sondern den Tod von K. T. (lediglich) grob achtlos und unter Außerachtlassung der sich auch nach seinen individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen aufdrängenden tödlichen Folgen verursachte.
4
II. Die Revisionen decken weder zum Nachteil noch zum Vorteil des Angeklagten Rechtsfehler auf.
5
1. a) Die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge, das Landgericht habe die aus Kroatien stammenden Zeugen V. und D. nicht über das ihnen als katholische Geistliche zustehende Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 StPO belehrt, hat keinen Erfolg.
6
aa) Da sich ein mögliches Zeugnisverweigerungsrecht im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 1 StPO nur auf Tatsachen erstreckt, die dem betreffenden Geistlichen in seiner Eigenschaft als Seelsorger anvertraut oder bekannt geworden sind und nicht auf das, was er in ausschließlich karitativer oder fürsorgerischer Tätigkeit erfahren hat (BGHSt 51, 140, 141; vgl. auch BVerfG NJW 2007, 1865), kam jedenfalls dem Zeugen D. ein solches Zeugnisverweigerungsrecht nicht zu. Denn der Angeklagte bat den Zeugen zunächst lediglich darum, ihm für einige Tage Unterkunft zu gewähren, was dieser jedoch ablehnte. Weder bei diesem ersten noch bei dem zweiten Zusammentreffen mit dem Angeklagten erfuhr der Zeuge D. den Grund für dieses Hilfeersuchen.
7
bb) Im Hinblick auf das, was dem Zeugen V. anlässlich seines Zusammentreffens mit dem Angeklagten bekannt wurde, mag die Rechtslage anders zu beurteilen sein, denn der Angeklagte, der sich schon in der Vergangenheit an diesen Zeugen mit der Bitte um seelsorgerischen Beistand gewandt hatte , äußerte bei dieser Gelegenheit sinngemäß, eine schlimme Tat begangen zu haben. Gleichwohl kann die Rüge nicht durchgreifen. Eine Pflicht zur Belehrung in Fällen des § 53 StPO besteht nicht (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1991 - 5 StR 516/90, NJW 1991, 2844, 2846, in BGHSt 37, 340 insoweit nicht abgedruckt ; Senatsurteil vom 27. Mai 1971 - 4 StR 81/71, VRS 41 (1971), 93, 94); das Gericht darf regelmäßig davon ausgehen, dass der Zeuge sein Recht zur Zeugnisverweigerung kennt (Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 53 Rdn. 44). Dies gilt für den Geistlichen eines fremden Landes jedenfalls dann, wenn er sich - wie der Zeuge V. - in Deutschland dauerhaft aufhält und hier eine Gemeinde betreut. Im Übrigen wurde der Zeuge aus Anlass seiner polizeilichen Vernehmung am 2. Oktober 2008 über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt und äußerte daraufhin, in „Glaubens- und Gewissensdingen“ werde er keine Angaben machen. Seine Bekundungen zur Begegnung mit dem Angeklagten hat er demnach in Kenntnis seines Rechts zur Verweigerung des Zeugnisses gemacht; Anhaltspunkte für ein dahin gehendes Missverständnis sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
8
b) Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge weist keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe den Tod der K. T. jedenfalls leichtfertig verursacht und sei deshalb der Brandstiftung mit Todesfolge im Sinne des § 306 c i.V.m. § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
9
Soweit der Gesetzgeber die leichtfertige Todesverursachung unter Strafe gestellt hat, umschreibt das Gesetz nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit dem Begriff der Leichtfertigkeit ein Verhalten, das - bezogen auf den Todeseintritt - einen hohen Grad von Fahrlässigkeit aufweist. Leichtfertig handelt hiernach, wer die sich ihm aufdrängende Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs aus besonderem Leichtsinn oder aus besonderer Gleichgültigkeit außer Acht lässt (BGHSt 33, 66, 67). Gemessen daran war die Gefährdung von Leib und Leben anderer im Hause anwesender Mitbewohner angesichts der vom Landgericht zum konkreten Tathergang getroffenen Feststellungen auch für den Angeklagten in seiner konkreten, angespannten psychischen Verfassung zum Tatzeitpunkt hochgradig wahrscheinlich. Die dagegen gerichteten Einwände des Beschwerdeführers erschöpfen sich darin, die nachvollziehbare Beweiswürdigung der Strafkammer durch eine eigene zu ersetzen, ohne jedoch Rechtsfehler aufzuzeigen, die den Bestand des Urteils gefährden könnten.
10
2. Auch die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt erfolglos.
11
a) Die Staatsanwaltschaft beanstandet, dass das Landgericht an das Vorliegen der Voraussetzungen eines bedingten Tötungsvorsatzes zu hohe An- forderungen gestellt habe. Angesichts der vom Landgericht getroffenen Feststellungen , wonach der Angeklagte insgesamt 28 Liter Brandbeschleuniger in seiner im mittleren Stockwerk eines Mehrfamilienhauses gelegenen Wohnung ausgebracht habe, hätte bedingter Tötungsvorsatz allenfalls dann verneint werden können, wenn der Angeklagte aufgrund besonderer und außergewöhnlicher Umstände darauf hätte vertrauen dürfen, dass der Tod von weiteren Hausbewohnern nicht eintreten werde. Solche Umstände habe die Strafkammer indessen nicht festgestellt. Auch die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte habe gegenüber den anderen Hausbewohnern keine feindliche Gesinnung gehabt , stehe der Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht entgegen. Die den Angeklagten überraschende Verpuffung stelle in diesem Zusammenhang lediglich eine unerhebliche Abweichung vom Kausalverlauf dar.
12
b) Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz verneint hat, halten indessen revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
13
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt bedingt vorsätzliches Handeln voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt und dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 36, 1, 9; BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 53). In Abgrenzung zu der Schuldform der bewussten Fahrlässigkeit müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissenselement als auch das Willenselement in jedem Einzelfall besonders geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGHR aaO). Tritt die Lebensgefährlichkeit einer äußerst gefährlichen Gewalthandlung offen zu Tage, liegt es zwar nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs der von ihm in Gang gesetzten Handlungskette rechnet. Da es jedoch auch Fälle geben kann, in denen der Täter zwar alle Umstände kennt, die sein Tun zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, er sich aber gleichwohl nicht bewusst ist, dass der Tod des Opfers eintreten kann, bedarf es für den Schluss auf die Billigung eines Todeserfolges im Hinblick auf die insoweit bestehende hohe Hemmschwelle einer sorgfältigen Prüfung des Einzelfalles (BGH, Urteil vom 22. November 2001 - 1 StR 369/01, NStZ 2002, 314, 315). Bei Inbrandsetzung eines Gebäudes sind im Rahmen der Gesamtwürdigung insbesondere die Beschaffenheit des Gebäudes (im Hinblick auf Fluchtmöglichkeiten und Brennbarkeit der beim Bau verwendeten Materialien), die Angriffszeit (wegen der erhöhten Schutzlosigkeit der Bewohner zur Nachtzeit), die konkrete Angriffsweise sowie die psychische Verfassung des Täters und seine Motivation bei der Tatbegehung zu berücksichtigen (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 39).
14
bb) Nach diesem Maßstab hat die Strafkammer sehr wohl in den Blick genommen, dass neben der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung auch verschiedene weitere Umstände für das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes sprachen, so die (Nacht-)zeit der Tatbegehung, das - für den Angeklagten erkennbare - Vorhandensein einer leicht brennbaren Holzbohlendecke im Gebäude, das Ausbringen des Brandbeschleunigers an verschiedenen Stellen und die sorgfältige Planung der Tat. Das Landgericht hat jedoch auch - sachverständig beraten - die psychische Verfassung des Angeklagten mit der gedanklichen Einengung auf die Zerstörung des früheren mit seiner Frau gemeinsam bewohnten Lebensraumes sowie das fehlende Motiv des Angeklagten für die Tötung anderer Hausbewohner berücksichtigt und zusätzlich erwogen, dass der Brandbeschleuniger nicht in unmittelbarer Nähe des möglichen Fluchtwegs ausgebracht war. Dass es auf der Grundlage dieser umfassenden Würdigung letztlich zur Verneinung des (bedingten) Tötungsvorsatzes gekommen ist, lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Rechtsfehlerhaft überspannte Anforderun- gen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung (vgl. dazu BGH, Urteile vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NJW 2005, 1727 und vom 4. Dezember 2008 - 4 StR 371/08) lassen diese Erwägungen ebenfalls nicht erkennen. Die Strafkammer hat ihre Zweifel daran nicht überwinden können, dass der Angeklagte die erhebliche Ausweitung des Brandes mit den tödlichen Folgen für das Tatopfer in sein Wissen aufgenommen hatte. Diese Wertung des Tatrichters ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Tepperwien Athing Solin-Stojanović Ernemann Franke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 369/01
vom
22. November 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Brandstiftung mit Todesfolge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
21. November 2001 in der Sitzung am 22. November 2001, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger D. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin S. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 21. November 2000 werden verworfen. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels sowie die durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenkläger.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung mit Todesfolge in vier rechtlich zusammentreffenden Fällen, und dadurch zugleich wegen besonders schwerer Brandstiftung und schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünfzehn Jahren verurteilt. Mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision, die auf die Sachrüge gestützt ist, erstrebt die Staatsanwaltschaft die Verurteilung wegen Mordes. Der Angeklagte wendet sich mit seiner ebenfalls auf die Sachrüge gestützten Revision gegen seine Verurteilung wegen tateinheitlich begangener besonders schwerer Brandstif-
tung und wegen schwerer Körperverletzung; außerdem greift er die Strafzumessung an. Keines der Rechtsmittel hat Erfolg.

A.


Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
1. Anfang November 1999 traf der Angeklagte nach langer Zeit zufällig seine geschiedene Ehefrau und die beiden Kinder. Dabei bemerkte er insbesondere das ängstliche Zurückweichen seiner Kinder vor ihm. Diese Begegnung riß beim Angeklagten alte Wunden wieder auf und er begann erneut, mit seinem Schicksal zu hadern. In den Wochen danach trug er sich (wieder) verstärkt mit dem Gedanken an Selbstmord. Er überdachte verschiedene Möglichkeiten , etwa sich vor eine S-Bahn zu werfen oder aus dem Fenster eines Hochhauses zu springen. In seinen Überlegungen kam er aber immer wieder darauf zurück, sich mit einem Seil zu erhängen und zwar so, daß er hierbei nicht von anderen Personen bemerkt und gerettet werden könnte.
Der Angeklagte hatte die Überlegung, die “mutige Entschlossenheit und nötige Selbstüberwindung” für seinen Selbstmord dadurch aufzubringen, daß er sich durch die Zerstörung seiner Unterkunft und all seiner Habe “den Rückweg ins Leben” abschnitt. Er hatte in dieser Zeit bereits des öfteren nachts mit Selbstmordgedanken stundenlang auf “seinem Galgen” (einem Spielgerüst für Kinder) gehockt, um morgens doch immer wieder in seine “warme vertraute Wohnung” zurückzukehren. Diese Rückzugsmöglichkeit wollte er sich nunmehr durch Brandlegung zerstören.

Etwa eine Woche vor der Monatsmitte kaufte sich der Angeklagte für diesen Zweck einen fünf Liter fassenden Plastikbenzinkanister an einer Tankstelle , füllte ihn mit Otto-Kraftstoff und verwahrte ihn während der folgenden Tage in seinem Ein-Zimmer-Apartment. Im Laufe der Nacht vom 14. auf den 15. November 1999 verdichtete sich beim Angeklagten der Entschluû, die nunmehr seit Tagen gehegten Vorstellungen in die Tat umzusetzen und hierdurch den geplanten Selbstmord vorzubereiten. Der Angeklagte wollte bei all seinen Überlegungen, daû er mit dem Inbrandsetzen seines Apartments unter Verwendung von fünf Litern Benzin ein Fanal setzen werde. Durch den Brand sollte seine gesamte Habe vernichtet werden, so daû auch seiner Frau nichts mehr davon bliebe. Im September des Jahres 1999 hatte der Angeklagte sein gesamtes Bankguthaben von etwa 14.000 DM abgehoben und in seinem Apartment aufbewahrt. Er wollte, daû auch dieser Geldbetrag zusammen mit seiner Wohnung den Flammen zum Opfer fiel und vernichtet werde.
Etwa um 3.40 Uhr öffnete der Angeklagte den Schraubverschluû des bereitgehaltenen Benzinkanisters und verteilte nahezu dessen gesamten Inhalt in dem knapp 22 qm groûen Wohnraum des Apartments. Mit dem Rest des Treibstoffs legte er eine "Tröpfchenspur" in Art einer Lunte über die Schwelle der geöffneten Wohnzimmertür quer durch den Vorraum bis zur Wohnungseingangstür. Der Versuch schlug fehl, da das Streichholz auf dem Boden verlosch. Der Angeklagte begab sich in den Wohnraum zurück, entzündete ein Streichholz und warf es auf mit Benzin getränkte Kleidungsstücke. Vom Hausflur aus versuchte der Angeklagte noch, die Eingangstüre zum Apartment ins Schloû zu ziehen, konnte jedoch die starke Sogwirkung des einsetzenden Brandwindes nicht mehr überwinden. Er lieû die Tür offen und flüchtete über das nur wenige
Schritte entfernt gegenüberliegende einzige Treppenhaus des Anwesens ins Erdgeschoû und von dort ins Freie. Unmittelbar nach Entzündung des BenzinLuft -Gemischs kam es in kürzeren Abständen zu mehreren lauten explosionsartigen Verpuffungen, die der Angeklagte wahrnahm. Als er das Anwesen über den unmittelbar unter seinem Apartment liegenden Eingang verlieû, bemerkte er, wie bereits meterlange Flammen aus der geborstenen Balkontüre ins Freie und in Richtung des darüberliegenden Stockwerks schlugen.
Durch das Verschütten der fünf Liter Otto-Kraftstoff entwickelte sich in kürzester Zeit ein zündfähiges Gas-Luft-Gemisch, das zu mehreren Verpuffungen führte. Es entstand ein starkes Feuer mit erheblicher Rauchentwicklung im Treppenhaus. Im dichten Rauch kamen vier Mitbewohner ums Leben und eine Hausbewohnerin erlitt dauerhafte schwerste Verbrennungen.
Der Angeklagte verbrachte den Rest der Nacht auf dem Spielplatz, wo er, mit dem als Schlinge um seinen Hals gelegten Abschleppseil auf dem Spielgerüst saû, um sich zu erhängen. Er konnte sich aber letztlich zu dem beabsichtigten Selbstmord nicht entschlieûen und wurde am nächsten Tag festgenommen.
2. Die Schwurgerichtskammer hat in Übereinstimmung mit drei von ihr angehörten psychiatrischen Sachverständigen angenommen, der Angeklagte habe sich in einer besonderen Lage und Befindlichkeit befunden, als er seinen Selbstmord vorbereitete. Trotz dieser ªpräsuizidalen Ambivalenzº habe er sich beim Legen des Wohnungsbrandes nicht in einem ªeingeengtenº Zustand im Sinne der §§ 20 und 21 StGB befunden.

B.


Revision der Staatsanwaltschaft
1. Die Staatsanwaltschaft rügt, die Schwurgerichtskammer habe einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten deshalb für nicht gegeben erachtet , weil dieser nicht in feindseliger Einstellung gegenüber den Tatopfern gehandelt habe. Zwar stehe auûer Frage, daû es nicht Ziel des Angeklagten gewesen sei, fremde Menschenleben zu zerstören. Sein Ziel sei es jedoch nicht lediglich gewesen, sein Hab und Gut zu zerstören, er habe vielmehr ein Fanal setzen wollen. Habe er aber die besondere Gefährlichkeit seines Handelns erkannt, dann genüge allein die ªHoffnungº nicht, es werde zu keiner Explosion sowie einer Ausweitung der Flammen und des Rauches kommen, um eine Billigung des Erfolges durch den Angeklagten und damit den bedingten Tötungsvorsatz zu verneinen.
2. Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz verneint hat, halten revisionsrechtlicher Prüfung stand.
Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, daû der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner, daû er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGHSt 36, 1, 9; BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 1 bis 39 jeweils m.w.Nachw.; zuletzt Senat in NStZ 2001, 475 ). In Abgrenzung zu der Schuldform der bewuûten Fahrlässigkeit müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissenselement als auch das Willenselement in jedem Einzelfall besonders geprüft und durch tat-
sächliche Feststellungen belegt werden (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 27).
Der Bundesgerichtshof war in einer Reihe von Entscheidungen mit äuûerst gefährlichen Gewalthandlungen wie dem Werfen eines Molotowcocktails oder eines Brandanschlags auf ein Asylbewerberheim befaût, die in feindlicher Absicht begangen wurden (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 35, 38). Bei diesen Handlungen hat er ausgesprochen, es liege bei solchen Handlungen , bei denen die Lebensgefährlichkeit offen zutage trete, ausgesprochen nahe, daû der Täter mit der Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs der von ihm in Gang gesetzten Handlungskette rechnet. Er hat es aber auch für denkbar angesehen, daû es Fälle geben kann, in denen ein Täter alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, er sich aber gleichwohl nicht bewuût ist, daû sein Tun zum Tod des Opfers führen kann (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 6, 10, 15, 26). Deshalb bedürfe es für den Schluû der Billigung eines Todeserfolges selbst bei einer in feindlicher Absicht begangenen Tathandlung im Hinblick auf die gegenüber der Tötung eines anderen Menschen bestehenden hohen Hemmschwelle sorgfältiger Prüfung insbesondere des Willenselements.
Erst recht hat der Bundesgerichtshof in dem Fall einer in der Absicht der Selbsttötung bewirkten Gasexplosion den Schluû auf den bedingten Tötungsvorsatz als rechtsfehlerhaft angesehen, bei dem der Tatrichter unerörtert gelassen hat, daû der Angeklagte einer im Haus anwesenden Mitbewohnerin nicht feindselig gesonnen, sondern sogar freundschaftlich verbunden war (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 1).
2. Nach diesem Maûstab hat die Schwurgerichtskammer zum Wissenselement gewürdigt, daû der Angeklagte trotz seiner (prä-)suizidalen Situation die Übersicht im wesentlichen behalten hatte. Ihm war bewuût, daû er durch das Inbrandsetzen seines Apartments fremdes Eigentum schwer beschädigen würde. Es lag für ihn auch nicht fern, daû das von ihm gelegte Feuer nicht nur Einrichtungsgegenstände seines Apartments, sondern auch auf Gebäudeteile wie Türen, Fenster, Böden etc. übergreifen würde. Der Angeklagte wuûte um die Gefährlichkeit des von ihm gelegten Brandes in Bezug auf die Mitbewohner der sechsstöckigen Apartmentanlage. Er kannte die Beschaffenheit des aus einer Vielzahl von Wohneinheiten bestehenden Gebäudes, das lediglich über einen zentral gelegenen Zu- bzw. Ausgang verfügte. Er wuûte, daû sein Apartment auf der ersten Etage genau über dem Ausgang unmittelbar im Bereich des verhältnismäûig engen Treppenhauses lag. Er hatte auch bedacht, daû er den Brand und seinen Selbstmord in den Nachtstunden durchführen würde, in der die anderen Hausbewohner schliefen. Er war auch im Umgang mit Otto-Kraftstoff geschult und war sich deshalb bewuût, daû durch das Verteilen von mehreren Litern Benzin als Brandbeschleuniger ein stark brennbares und explosives Benzin-Luft-Gemisch entstehen würde, das er zur Zerstörung seiner Wohnung einsetzen wollte.
Das Schwurgericht kam deshalb zur Überzeugung, der Angeklagte habe beim Legen des Brandes körperliche Beeinträchtigungen von Mitbewohnern im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB zwar nicht angestrebt, aber doch billigend in Kauf genommen. Zwar sei er davon ausgegangen, Feuer und Rauch würden sich im wesentlichen auf seine eigene Wohnung beschränken. Er schloû jedoch nicht aus, daû Mitbewohner zu Schaden kommen könnten, denn er muûte damit rechnen, daû es aufgrund des Benzin-Luft-Gemisches zu einem Bersten der
Fensterscheiben kommen und Hausbewohner durch Glassplitter verletzt werden könnten und daû Feuer und Rauch über offengehaltene Fenster in Nachbarwohnungen eindringen und dadurch Menschen zu Schaden kommen könnten.
Dagegen hat die Schwurgerichtskammer als nicht vom Wissenselement umfaût angesehen, daû der Angeklagte mit der erheblichen Ausweitung des Brandes und insbesondere der Verbreitung konzentrierter Rauchgase im übrigen Gebäude gerechnet hatte. Sie hat dabei berücksichtigt, daû der Angeklagte seinen eigenen Tod vorbereitete und er damit und mit den auf seine geschiedene Frau gerichteten Gedanken und Gefühlen aufs Höchste in Anspruch genommen war. Nach seiner subjektiven Vorstellung richtete sich der Brandanschlag , der Vorbereitung seines Selbstmordes war, in erster Linie gegen sich selbst. In zweiter Linie wollte er mit dem Anzünden seines Apartments und der Vernichtung seiner persönlichen Habe ein Fanal setzen, mit dem er seine geschiedene Frau treffen und ªbestrafenº wollte. Auch habe der Angeklagte das Feuer nicht in feindlicher Absicht gegenüber seinen Mitbewohnern gelegt. Aufgrund all dieser Umstände sei ihm nicht zu widerlegen gewesen, daû er davon ausging, Feuer und Rauch würden im wesentlichen auf sein Apartment beschränkt bleiben, wofür auch spreche, daû er zunächst eine Lunte zur Wohnungstür legte, um nach dem Inbrandsetzen die Wohnung zu verlassen. Die Kammer hat dem Angeklagten schlieûlich nicht widerlegen können, daû er noch nach dem Brandlegen versucht hat, hinter sich die Wohnungstür zu schlieûen, was ihm infolge des Brandwindes nicht mehr gelungen sei. Daû aufgrund eines von ihm nicht mehr beherrschbaren Brandes konzentrierte Rauchgase insbesondere ins Treppenhaus gelangten und die vier tödlich verletzten Mitbewohner in ihrer Furcht vor dem Brand trotz der Rauchentwicklung
über das Treppenhaus ins Freie gelangen wollten und sie dabei den Erstikkungstod erleiden könnten, war nach Auffassung der Schwurgerichtskammer zwar keine fernliegende, aber auch keine zwingende Folge, mit der der Angeklagte von vornherein in seiner Planung rechnen muûte.
Diese Feststellungen zum Wissenselement sind rechtsfehlerfrei getroffen. Die Strafkammer hat ihre Zweifel nicht überwinden können, daû der Angeklagte die erhebliche Ausweitung des Brandes mit den tödlichen Folgen für die vier Mitbewohner nicht in sein Wissen aufgenommen hatte. Diese Wertung des Tatrichters ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Damit muûte die Kammer nicht zu dem Schluû kommen, der Angeklagte habe den Brand auch um den Preis legen wollen, daû dabei Mitbewohner zu Tode kommen könnten.
3. Auch die Strafzumessung weist keinen Rechtsfehler auf. Die Schwurgerichtskammer hat gesehen, daû die Tat des Angeklagten besonders schwer wiegt. Sie hat insbesondere berücksichtigt, daû durch die Tat vier junge Menschen ihr Leben verloren haben und bei einer Geschädigten die Gesundheit auf Dauer schwer beeinträchtigt ist. Daû die Strafkammer von der Verhängung einer hier möglichen lebenslangen Freiheitsstrafe abgesehen hat, beruht allein darauf, daû der Angeklagte die Tat in einer existentiellen Lebenskrise als Vorbereitung auf seinen Selbstmord begangen hat.

C.

Revision des Angeklagten
1.Die Revision rügt, das Schwurgericht habe keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, daû der Angeklagte nicht allein die Wohnungsein-
richtung des Apartments, sondern darüber hinaus mit dem Gebäude fest verbundene Teile in Brand setzen wollte und sich damit der schweren Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig gemacht habe. Den Urteilsgründen sei nur zu entnehmen, er habe dies nicht in ªAbrede gestelltº. Die Strafkammer habe damit unzulässig ein Teilschweigen verwertet.
Die Rüge hat keinen Erfolg. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausführt, ergibt sich aus der Gesamtheit der Urteilsgründe, daû sich der Angeklagte umfassend geständig zum Sachverhalt eingelassen hat. Ein Fall des Teilschweigens liegt somit nicht vor. Hinsichtlich des von der Schwurgerichtskammer angenommenen bedingten Vorsatzes bei der besonders schweren Brandstiftung (§§ 306a und b StGB) ergibt sich aus der von der Revision zitierten Passage des Urteils, daû er die maûgeblichen Umstände - offenbar auf Fragen des Gerichts - nicht in Abrede gestellt hat.
2. Auch eine Verletzung des § 226 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB liegt nicht vor. Die Begründung, mit der die Schwurgerichtskammer dargelegt hat, daû sie wegen der hohen Hemmschwelle zwar keinen Tötungsvorsatz angenommen hat, daû der Angeklagte aber hinsichtlich seiner Mitbewohner einen Körperverletzungsvorsatz billigend in Kauf genommen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
3. Soweit der Angeklagte rügt, die Schwurgerichtskammer habe wesentliche Strafzumessungsgesichtspunkte nicht berücksichtigt, bleibt auch diese Rüge erfolglos. Die Schwurgerichtskammer hat mit Recht ausgeführt, daû die Tat des Angeklagten besonders schwer wiegt. Selbst wenn die Strafkammer zu seinen Gunsten berücksichtigt hat, daû er sich in einer Lebenskrise befunden
hat und Selbstmord verüben wollte, wiegt demgegenüber, daû er mit kaum nachvollziehbarer Leichtfertigkeit gehandelt und dabei das Leben von vier Menschen zerstört und die Gesundheit einer Mitbewohnerin nachhaltig beeinträchtigt hat. Es ist nicht zu besorgen, daû die Schwurgerichtskammer weitere zu Gunsten des Angeklagten sprechende Gesichtspunkte, die, soweit sie von der Revision vorgetragen worden sind, angesichts der Folgen der Tat ohnehin kein Gewicht haben, aus dem Blick verloren hat. Die Urteilsgründe müssen nur die bestimmenden Strafzumessungsgründe enthalten. Schäfer Nack Wahl Boetticher Kolz

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 394/09
vom
4. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Brandstiftung mit Todesfolge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Februar
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Dr. Franke
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 20. März 2009 werden verworfen. 2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten bleibt ebenso wie das mit der Sachrüge begründete - vom Generalbundesanwalt nicht vertretene - Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ohne Erfolg. I. Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
2
Am 13. September 2008 entschloss sich der Angeklagte, in der von ihm und seinem Sohn bewohnten Mietwohnung in G. einen Brand zu legen und diese dadurch zu zerstören. Die Wohnung befand sich in einem Reihenhaus mit 2 1/2 Etagen, in denen noch weitere vier Mietparteien wohnten. Zur Ausführung seines Vorhabens verteilte der Angeklagte in den späten Abend- stunden größere Mengen Benzin in drei verschiedenen Räumen seiner Wohnung. Als er gegen 22.45 Uhr das von ihm verteilte Benzin entzündete, kam es, für den Angeklagten überraschend, zu einer heftigen Verpuffung des mittlerweile entstandenen Benzin-Luft-Gemisches, die u. a. dazu führte, dass ein Teil der Hausfassade herausgesprengt wurde. Sodann entwickelte sich ein offener Wohnungsbrand, der von der Wohnung des Angeklagten in der 1. Etage auch auf die Dachgeschosswohnung der Eheleute T. übergriff. In dieser Wohnung hielt sich zur Tatzeit K. T. auf, die sich nicht mehr in Sicherheit bringen konnte und an den Folgen einer Brandgasvergiftung verstarb. Der Brand erfasste auch den Dachstuhl und weitere wesentliche Gebäudeteile. Die Mieter der beiden Erdgeschosswohnungen wurden rechtzeitig auf den Brand aufmerksam und konnten das Gebäude unverletzt verlassen.
3
Das Landgericht, das ein Motiv für die Tat letztlich nicht feststellen konnte , hat angenommen, dass der Angeklagte trotz der objektiven Gefährlichkeit seiner Tathandlung nicht mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, sondern den Tod von K. T. (lediglich) grob achtlos und unter Außerachtlassung der sich auch nach seinen individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen aufdrängenden tödlichen Folgen verursachte.
4
II. Die Revisionen decken weder zum Nachteil noch zum Vorteil des Angeklagten Rechtsfehler auf.
5
1. a) Die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge, das Landgericht habe die aus Kroatien stammenden Zeugen V. und D. nicht über das ihnen als katholische Geistliche zustehende Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 StPO belehrt, hat keinen Erfolg.
6
aa) Da sich ein mögliches Zeugnisverweigerungsrecht im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 1 StPO nur auf Tatsachen erstreckt, die dem betreffenden Geistlichen in seiner Eigenschaft als Seelsorger anvertraut oder bekannt geworden sind und nicht auf das, was er in ausschließlich karitativer oder fürsorgerischer Tätigkeit erfahren hat (BGHSt 51, 140, 141; vgl. auch BVerfG NJW 2007, 1865), kam jedenfalls dem Zeugen D. ein solches Zeugnisverweigerungsrecht nicht zu. Denn der Angeklagte bat den Zeugen zunächst lediglich darum, ihm für einige Tage Unterkunft zu gewähren, was dieser jedoch ablehnte. Weder bei diesem ersten noch bei dem zweiten Zusammentreffen mit dem Angeklagten erfuhr der Zeuge D. den Grund für dieses Hilfeersuchen.
7
bb) Im Hinblick auf das, was dem Zeugen V. anlässlich seines Zusammentreffens mit dem Angeklagten bekannt wurde, mag die Rechtslage anders zu beurteilen sein, denn der Angeklagte, der sich schon in der Vergangenheit an diesen Zeugen mit der Bitte um seelsorgerischen Beistand gewandt hatte , äußerte bei dieser Gelegenheit sinngemäß, eine schlimme Tat begangen zu haben. Gleichwohl kann die Rüge nicht durchgreifen. Eine Pflicht zur Belehrung in Fällen des § 53 StPO besteht nicht (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1991 - 5 StR 516/90, NJW 1991, 2844, 2846, in BGHSt 37, 340 insoweit nicht abgedruckt ; Senatsurteil vom 27. Mai 1971 - 4 StR 81/71, VRS 41 (1971), 93, 94); das Gericht darf regelmäßig davon ausgehen, dass der Zeuge sein Recht zur Zeugnisverweigerung kennt (Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 53 Rdn. 44). Dies gilt für den Geistlichen eines fremden Landes jedenfalls dann, wenn er sich - wie der Zeuge V. - in Deutschland dauerhaft aufhält und hier eine Gemeinde betreut. Im Übrigen wurde der Zeuge aus Anlass seiner polizeilichen Vernehmung am 2. Oktober 2008 über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt und äußerte daraufhin, in „Glaubens- und Gewissensdingen“ werde er keine Angaben machen. Seine Bekundungen zur Begegnung mit dem Angeklagten hat er demnach in Kenntnis seines Rechts zur Verweigerung des Zeugnisses gemacht; Anhaltspunkte für ein dahin gehendes Missverständnis sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
8
b) Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge weist keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe den Tod der K. T. jedenfalls leichtfertig verursacht und sei deshalb der Brandstiftung mit Todesfolge im Sinne des § 306 c i.V.m. § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
9
Soweit der Gesetzgeber die leichtfertige Todesverursachung unter Strafe gestellt hat, umschreibt das Gesetz nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit dem Begriff der Leichtfertigkeit ein Verhalten, das - bezogen auf den Todeseintritt - einen hohen Grad von Fahrlässigkeit aufweist. Leichtfertig handelt hiernach, wer die sich ihm aufdrängende Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs aus besonderem Leichtsinn oder aus besonderer Gleichgültigkeit außer Acht lässt (BGHSt 33, 66, 67). Gemessen daran war die Gefährdung von Leib und Leben anderer im Hause anwesender Mitbewohner angesichts der vom Landgericht zum konkreten Tathergang getroffenen Feststellungen auch für den Angeklagten in seiner konkreten, angespannten psychischen Verfassung zum Tatzeitpunkt hochgradig wahrscheinlich. Die dagegen gerichteten Einwände des Beschwerdeführers erschöpfen sich darin, die nachvollziehbare Beweiswürdigung der Strafkammer durch eine eigene zu ersetzen, ohne jedoch Rechtsfehler aufzuzeigen, die den Bestand des Urteils gefährden könnten.
10
2. Auch die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt erfolglos.
11
a) Die Staatsanwaltschaft beanstandet, dass das Landgericht an das Vorliegen der Voraussetzungen eines bedingten Tötungsvorsatzes zu hohe An- forderungen gestellt habe. Angesichts der vom Landgericht getroffenen Feststellungen , wonach der Angeklagte insgesamt 28 Liter Brandbeschleuniger in seiner im mittleren Stockwerk eines Mehrfamilienhauses gelegenen Wohnung ausgebracht habe, hätte bedingter Tötungsvorsatz allenfalls dann verneint werden können, wenn der Angeklagte aufgrund besonderer und außergewöhnlicher Umstände darauf hätte vertrauen dürfen, dass der Tod von weiteren Hausbewohnern nicht eintreten werde. Solche Umstände habe die Strafkammer indessen nicht festgestellt. Auch die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte habe gegenüber den anderen Hausbewohnern keine feindliche Gesinnung gehabt , stehe der Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht entgegen. Die den Angeklagten überraschende Verpuffung stelle in diesem Zusammenhang lediglich eine unerhebliche Abweichung vom Kausalverlauf dar.
12
b) Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz verneint hat, halten indessen revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
13
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt bedingt vorsätzliches Handeln voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt und dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 36, 1, 9; BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 53). In Abgrenzung zu der Schuldform der bewussten Fahrlässigkeit müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissenselement als auch das Willenselement in jedem Einzelfall besonders geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGHR aaO). Tritt die Lebensgefährlichkeit einer äußerst gefährlichen Gewalthandlung offen zu Tage, liegt es zwar nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs der von ihm in Gang gesetzten Handlungskette rechnet. Da es jedoch auch Fälle geben kann, in denen der Täter zwar alle Umstände kennt, die sein Tun zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, er sich aber gleichwohl nicht bewusst ist, dass der Tod des Opfers eintreten kann, bedarf es für den Schluss auf die Billigung eines Todeserfolges im Hinblick auf die insoweit bestehende hohe Hemmschwelle einer sorgfältigen Prüfung des Einzelfalles (BGH, Urteil vom 22. November 2001 - 1 StR 369/01, NStZ 2002, 314, 315). Bei Inbrandsetzung eines Gebäudes sind im Rahmen der Gesamtwürdigung insbesondere die Beschaffenheit des Gebäudes (im Hinblick auf Fluchtmöglichkeiten und Brennbarkeit der beim Bau verwendeten Materialien), die Angriffszeit (wegen der erhöhten Schutzlosigkeit der Bewohner zur Nachtzeit), die konkrete Angriffsweise sowie die psychische Verfassung des Täters und seine Motivation bei der Tatbegehung zu berücksichtigen (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 39).
14
bb) Nach diesem Maßstab hat die Strafkammer sehr wohl in den Blick genommen, dass neben der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung auch verschiedene weitere Umstände für das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes sprachen, so die (Nacht-)zeit der Tatbegehung, das - für den Angeklagten erkennbare - Vorhandensein einer leicht brennbaren Holzbohlendecke im Gebäude, das Ausbringen des Brandbeschleunigers an verschiedenen Stellen und die sorgfältige Planung der Tat. Das Landgericht hat jedoch auch - sachverständig beraten - die psychische Verfassung des Angeklagten mit der gedanklichen Einengung auf die Zerstörung des früheren mit seiner Frau gemeinsam bewohnten Lebensraumes sowie das fehlende Motiv des Angeklagten für die Tötung anderer Hausbewohner berücksichtigt und zusätzlich erwogen, dass der Brandbeschleuniger nicht in unmittelbarer Nähe des möglichen Fluchtwegs ausgebracht war. Dass es auf der Grundlage dieser umfassenden Würdigung letztlich zur Verneinung des (bedingten) Tötungsvorsatzes gekommen ist, lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Rechtsfehlerhaft überspannte Anforderun- gen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung (vgl. dazu BGH, Urteile vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NJW 2005, 1727 und vom 4. Dezember 2008 - 4 StR 371/08) lassen diese Erwägungen ebenfalls nicht erkennen. Die Strafkammer hat ihre Zweifel daran nicht überwinden können, dass der Angeklagte die erhebliche Ausweitung des Brandes mit den tödlichen Folgen für das Tatopfer in sein Wissen aufgenommen hatte. Diese Wertung des Tatrichters ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Tepperwien Athing Solin-Stojanović Ernemann Franke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 369/01
vom
22. November 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Brandstiftung mit Todesfolge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
21. November 2001 in der Sitzung am 22. November 2001, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger D. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin S. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 21. November 2000 werden verworfen. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels sowie die durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenkläger.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung mit Todesfolge in vier rechtlich zusammentreffenden Fällen, und dadurch zugleich wegen besonders schwerer Brandstiftung und schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünfzehn Jahren verurteilt. Mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision, die auf die Sachrüge gestützt ist, erstrebt die Staatsanwaltschaft die Verurteilung wegen Mordes. Der Angeklagte wendet sich mit seiner ebenfalls auf die Sachrüge gestützten Revision gegen seine Verurteilung wegen tateinheitlich begangener besonders schwerer Brandstif-
tung und wegen schwerer Körperverletzung; außerdem greift er die Strafzumessung an. Keines der Rechtsmittel hat Erfolg.

A.


Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
1. Anfang November 1999 traf der Angeklagte nach langer Zeit zufällig seine geschiedene Ehefrau und die beiden Kinder. Dabei bemerkte er insbesondere das ängstliche Zurückweichen seiner Kinder vor ihm. Diese Begegnung riß beim Angeklagten alte Wunden wieder auf und er begann erneut, mit seinem Schicksal zu hadern. In den Wochen danach trug er sich (wieder) verstärkt mit dem Gedanken an Selbstmord. Er überdachte verschiedene Möglichkeiten , etwa sich vor eine S-Bahn zu werfen oder aus dem Fenster eines Hochhauses zu springen. In seinen Überlegungen kam er aber immer wieder darauf zurück, sich mit einem Seil zu erhängen und zwar so, daß er hierbei nicht von anderen Personen bemerkt und gerettet werden könnte.
Der Angeklagte hatte die Überlegung, die “mutige Entschlossenheit und nötige Selbstüberwindung” für seinen Selbstmord dadurch aufzubringen, daß er sich durch die Zerstörung seiner Unterkunft und all seiner Habe “den Rückweg ins Leben” abschnitt. Er hatte in dieser Zeit bereits des öfteren nachts mit Selbstmordgedanken stundenlang auf “seinem Galgen” (einem Spielgerüst für Kinder) gehockt, um morgens doch immer wieder in seine “warme vertraute Wohnung” zurückzukehren. Diese Rückzugsmöglichkeit wollte er sich nunmehr durch Brandlegung zerstören.

Etwa eine Woche vor der Monatsmitte kaufte sich der Angeklagte für diesen Zweck einen fünf Liter fassenden Plastikbenzinkanister an einer Tankstelle , füllte ihn mit Otto-Kraftstoff und verwahrte ihn während der folgenden Tage in seinem Ein-Zimmer-Apartment. Im Laufe der Nacht vom 14. auf den 15. November 1999 verdichtete sich beim Angeklagten der Entschluû, die nunmehr seit Tagen gehegten Vorstellungen in die Tat umzusetzen und hierdurch den geplanten Selbstmord vorzubereiten. Der Angeklagte wollte bei all seinen Überlegungen, daû er mit dem Inbrandsetzen seines Apartments unter Verwendung von fünf Litern Benzin ein Fanal setzen werde. Durch den Brand sollte seine gesamte Habe vernichtet werden, so daû auch seiner Frau nichts mehr davon bliebe. Im September des Jahres 1999 hatte der Angeklagte sein gesamtes Bankguthaben von etwa 14.000 DM abgehoben und in seinem Apartment aufbewahrt. Er wollte, daû auch dieser Geldbetrag zusammen mit seiner Wohnung den Flammen zum Opfer fiel und vernichtet werde.
Etwa um 3.40 Uhr öffnete der Angeklagte den Schraubverschluû des bereitgehaltenen Benzinkanisters und verteilte nahezu dessen gesamten Inhalt in dem knapp 22 qm groûen Wohnraum des Apartments. Mit dem Rest des Treibstoffs legte er eine "Tröpfchenspur" in Art einer Lunte über die Schwelle der geöffneten Wohnzimmertür quer durch den Vorraum bis zur Wohnungseingangstür. Der Versuch schlug fehl, da das Streichholz auf dem Boden verlosch. Der Angeklagte begab sich in den Wohnraum zurück, entzündete ein Streichholz und warf es auf mit Benzin getränkte Kleidungsstücke. Vom Hausflur aus versuchte der Angeklagte noch, die Eingangstüre zum Apartment ins Schloû zu ziehen, konnte jedoch die starke Sogwirkung des einsetzenden Brandwindes nicht mehr überwinden. Er lieû die Tür offen und flüchtete über das nur wenige
Schritte entfernt gegenüberliegende einzige Treppenhaus des Anwesens ins Erdgeschoû und von dort ins Freie. Unmittelbar nach Entzündung des BenzinLuft -Gemischs kam es in kürzeren Abständen zu mehreren lauten explosionsartigen Verpuffungen, die der Angeklagte wahrnahm. Als er das Anwesen über den unmittelbar unter seinem Apartment liegenden Eingang verlieû, bemerkte er, wie bereits meterlange Flammen aus der geborstenen Balkontüre ins Freie und in Richtung des darüberliegenden Stockwerks schlugen.
Durch das Verschütten der fünf Liter Otto-Kraftstoff entwickelte sich in kürzester Zeit ein zündfähiges Gas-Luft-Gemisch, das zu mehreren Verpuffungen führte. Es entstand ein starkes Feuer mit erheblicher Rauchentwicklung im Treppenhaus. Im dichten Rauch kamen vier Mitbewohner ums Leben und eine Hausbewohnerin erlitt dauerhafte schwerste Verbrennungen.
Der Angeklagte verbrachte den Rest der Nacht auf dem Spielplatz, wo er, mit dem als Schlinge um seinen Hals gelegten Abschleppseil auf dem Spielgerüst saû, um sich zu erhängen. Er konnte sich aber letztlich zu dem beabsichtigten Selbstmord nicht entschlieûen und wurde am nächsten Tag festgenommen.
2. Die Schwurgerichtskammer hat in Übereinstimmung mit drei von ihr angehörten psychiatrischen Sachverständigen angenommen, der Angeklagte habe sich in einer besonderen Lage und Befindlichkeit befunden, als er seinen Selbstmord vorbereitete. Trotz dieser ªpräsuizidalen Ambivalenzº habe er sich beim Legen des Wohnungsbrandes nicht in einem ªeingeengtenº Zustand im Sinne der §§ 20 und 21 StGB befunden.

B.


Revision der Staatsanwaltschaft
1. Die Staatsanwaltschaft rügt, die Schwurgerichtskammer habe einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten deshalb für nicht gegeben erachtet , weil dieser nicht in feindseliger Einstellung gegenüber den Tatopfern gehandelt habe. Zwar stehe auûer Frage, daû es nicht Ziel des Angeklagten gewesen sei, fremde Menschenleben zu zerstören. Sein Ziel sei es jedoch nicht lediglich gewesen, sein Hab und Gut zu zerstören, er habe vielmehr ein Fanal setzen wollen. Habe er aber die besondere Gefährlichkeit seines Handelns erkannt, dann genüge allein die ªHoffnungº nicht, es werde zu keiner Explosion sowie einer Ausweitung der Flammen und des Rauches kommen, um eine Billigung des Erfolges durch den Angeklagten und damit den bedingten Tötungsvorsatz zu verneinen.
2. Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz verneint hat, halten revisionsrechtlicher Prüfung stand.
Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, daû der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner, daû er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGHSt 36, 1, 9; BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 1 bis 39 jeweils m.w.Nachw.; zuletzt Senat in NStZ 2001, 475 ). In Abgrenzung zu der Schuldform der bewuûten Fahrlässigkeit müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissenselement als auch das Willenselement in jedem Einzelfall besonders geprüft und durch tat-
sächliche Feststellungen belegt werden (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 27).
Der Bundesgerichtshof war in einer Reihe von Entscheidungen mit äuûerst gefährlichen Gewalthandlungen wie dem Werfen eines Molotowcocktails oder eines Brandanschlags auf ein Asylbewerberheim befaût, die in feindlicher Absicht begangen wurden (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 35, 38). Bei diesen Handlungen hat er ausgesprochen, es liege bei solchen Handlungen , bei denen die Lebensgefährlichkeit offen zutage trete, ausgesprochen nahe, daû der Täter mit der Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs der von ihm in Gang gesetzten Handlungskette rechnet. Er hat es aber auch für denkbar angesehen, daû es Fälle geben kann, in denen ein Täter alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, er sich aber gleichwohl nicht bewuût ist, daû sein Tun zum Tod des Opfers führen kann (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 6, 10, 15, 26). Deshalb bedürfe es für den Schluû der Billigung eines Todeserfolges selbst bei einer in feindlicher Absicht begangenen Tathandlung im Hinblick auf die gegenüber der Tötung eines anderen Menschen bestehenden hohen Hemmschwelle sorgfältiger Prüfung insbesondere des Willenselements.
Erst recht hat der Bundesgerichtshof in dem Fall einer in der Absicht der Selbsttötung bewirkten Gasexplosion den Schluû auf den bedingten Tötungsvorsatz als rechtsfehlerhaft angesehen, bei dem der Tatrichter unerörtert gelassen hat, daû der Angeklagte einer im Haus anwesenden Mitbewohnerin nicht feindselig gesonnen, sondern sogar freundschaftlich verbunden war (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 1).
2. Nach diesem Maûstab hat die Schwurgerichtskammer zum Wissenselement gewürdigt, daû der Angeklagte trotz seiner (prä-)suizidalen Situation die Übersicht im wesentlichen behalten hatte. Ihm war bewuût, daû er durch das Inbrandsetzen seines Apartments fremdes Eigentum schwer beschädigen würde. Es lag für ihn auch nicht fern, daû das von ihm gelegte Feuer nicht nur Einrichtungsgegenstände seines Apartments, sondern auch auf Gebäudeteile wie Türen, Fenster, Böden etc. übergreifen würde. Der Angeklagte wuûte um die Gefährlichkeit des von ihm gelegten Brandes in Bezug auf die Mitbewohner der sechsstöckigen Apartmentanlage. Er kannte die Beschaffenheit des aus einer Vielzahl von Wohneinheiten bestehenden Gebäudes, das lediglich über einen zentral gelegenen Zu- bzw. Ausgang verfügte. Er wuûte, daû sein Apartment auf der ersten Etage genau über dem Ausgang unmittelbar im Bereich des verhältnismäûig engen Treppenhauses lag. Er hatte auch bedacht, daû er den Brand und seinen Selbstmord in den Nachtstunden durchführen würde, in der die anderen Hausbewohner schliefen. Er war auch im Umgang mit Otto-Kraftstoff geschult und war sich deshalb bewuût, daû durch das Verteilen von mehreren Litern Benzin als Brandbeschleuniger ein stark brennbares und explosives Benzin-Luft-Gemisch entstehen würde, das er zur Zerstörung seiner Wohnung einsetzen wollte.
Das Schwurgericht kam deshalb zur Überzeugung, der Angeklagte habe beim Legen des Brandes körperliche Beeinträchtigungen von Mitbewohnern im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB zwar nicht angestrebt, aber doch billigend in Kauf genommen. Zwar sei er davon ausgegangen, Feuer und Rauch würden sich im wesentlichen auf seine eigene Wohnung beschränken. Er schloû jedoch nicht aus, daû Mitbewohner zu Schaden kommen könnten, denn er muûte damit rechnen, daû es aufgrund des Benzin-Luft-Gemisches zu einem Bersten der
Fensterscheiben kommen und Hausbewohner durch Glassplitter verletzt werden könnten und daû Feuer und Rauch über offengehaltene Fenster in Nachbarwohnungen eindringen und dadurch Menschen zu Schaden kommen könnten.
Dagegen hat die Schwurgerichtskammer als nicht vom Wissenselement umfaût angesehen, daû der Angeklagte mit der erheblichen Ausweitung des Brandes und insbesondere der Verbreitung konzentrierter Rauchgase im übrigen Gebäude gerechnet hatte. Sie hat dabei berücksichtigt, daû der Angeklagte seinen eigenen Tod vorbereitete und er damit und mit den auf seine geschiedene Frau gerichteten Gedanken und Gefühlen aufs Höchste in Anspruch genommen war. Nach seiner subjektiven Vorstellung richtete sich der Brandanschlag , der Vorbereitung seines Selbstmordes war, in erster Linie gegen sich selbst. In zweiter Linie wollte er mit dem Anzünden seines Apartments und der Vernichtung seiner persönlichen Habe ein Fanal setzen, mit dem er seine geschiedene Frau treffen und ªbestrafenº wollte. Auch habe der Angeklagte das Feuer nicht in feindlicher Absicht gegenüber seinen Mitbewohnern gelegt. Aufgrund all dieser Umstände sei ihm nicht zu widerlegen gewesen, daû er davon ausging, Feuer und Rauch würden im wesentlichen auf sein Apartment beschränkt bleiben, wofür auch spreche, daû er zunächst eine Lunte zur Wohnungstür legte, um nach dem Inbrandsetzen die Wohnung zu verlassen. Die Kammer hat dem Angeklagten schlieûlich nicht widerlegen können, daû er noch nach dem Brandlegen versucht hat, hinter sich die Wohnungstür zu schlieûen, was ihm infolge des Brandwindes nicht mehr gelungen sei. Daû aufgrund eines von ihm nicht mehr beherrschbaren Brandes konzentrierte Rauchgase insbesondere ins Treppenhaus gelangten und die vier tödlich verletzten Mitbewohner in ihrer Furcht vor dem Brand trotz der Rauchentwicklung
über das Treppenhaus ins Freie gelangen wollten und sie dabei den Erstikkungstod erleiden könnten, war nach Auffassung der Schwurgerichtskammer zwar keine fernliegende, aber auch keine zwingende Folge, mit der der Angeklagte von vornherein in seiner Planung rechnen muûte.
Diese Feststellungen zum Wissenselement sind rechtsfehlerfrei getroffen. Die Strafkammer hat ihre Zweifel nicht überwinden können, daû der Angeklagte die erhebliche Ausweitung des Brandes mit den tödlichen Folgen für die vier Mitbewohner nicht in sein Wissen aufgenommen hatte. Diese Wertung des Tatrichters ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Damit muûte die Kammer nicht zu dem Schluû kommen, der Angeklagte habe den Brand auch um den Preis legen wollen, daû dabei Mitbewohner zu Tode kommen könnten.
3. Auch die Strafzumessung weist keinen Rechtsfehler auf. Die Schwurgerichtskammer hat gesehen, daû die Tat des Angeklagten besonders schwer wiegt. Sie hat insbesondere berücksichtigt, daû durch die Tat vier junge Menschen ihr Leben verloren haben und bei einer Geschädigten die Gesundheit auf Dauer schwer beeinträchtigt ist. Daû die Strafkammer von der Verhängung einer hier möglichen lebenslangen Freiheitsstrafe abgesehen hat, beruht allein darauf, daû der Angeklagte die Tat in einer existentiellen Lebenskrise als Vorbereitung auf seinen Selbstmord begangen hat.

C.

Revision des Angeklagten
1.Die Revision rügt, das Schwurgericht habe keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, daû der Angeklagte nicht allein die Wohnungsein-
richtung des Apartments, sondern darüber hinaus mit dem Gebäude fest verbundene Teile in Brand setzen wollte und sich damit der schweren Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig gemacht habe. Den Urteilsgründen sei nur zu entnehmen, er habe dies nicht in ªAbrede gestelltº. Die Strafkammer habe damit unzulässig ein Teilschweigen verwertet.
Die Rüge hat keinen Erfolg. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausführt, ergibt sich aus der Gesamtheit der Urteilsgründe, daû sich der Angeklagte umfassend geständig zum Sachverhalt eingelassen hat. Ein Fall des Teilschweigens liegt somit nicht vor. Hinsichtlich des von der Schwurgerichtskammer angenommenen bedingten Vorsatzes bei der besonders schweren Brandstiftung (§§ 306a und b StGB) ergibt sich aus der von der Revision zitierten Passage des Urteils, daû er die maûgeblichen Umstände - offenbar auf Fragen des Gerichts - nicht in Abrede gestellt hat.
2. Auch eine Verletzung des § 226 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB liegt nicht vor. Die Begründung, mit der die Schwurgerichtskammer dargelegt hat, daû sie wegen der hohen Hemmschwelle zwar keinen Tötungsvorsatz angenommen hat, daû der Angeklagte aber hinsichtlich seiner Mitbewohner einen Körperverletzungsvorsatz billigend in Kauf genommen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
3. Soweit der Angeklagte rügt, die Schwurgerichtskammer habe wesentliche Strafzumessungsgesichtspunkte nicht berücksichtigt, bleibt auch diese Rüge erfolglos. Die Schwurgerichtskammer hat mit Recht ausgeführt, daû die Tat des Angeklagten besonders schwer wiegt. Selbst wenn die Strafkammer zu seinen Gunsten berücksichtigt hat, daû er sich in einer Lebenskrise befunden
hat und Selbstmord verüben wollte, wiegt demgegenüber, daû er mit kaum nachvollziehbarer Leichtfertigkeit gehandelt und dabei das Leben von vier Menschen zerstört und die Gesundheit einer Mitbewohnerin nachhaltig beeinträchtigt hat. Es ist nicht zu besorgen, daû die Schwurgerichtskammer weitere zu Gunsten des Angeklagten sprechende Gesichtspunkte, die, soweit sie von der Revision vorgetragen worden sind, angesichts der Folgen der Tat ohnehin kein Gewicht haben, aus dem Blick verloren hat. Die Urteilsgründe müssen nur die bestimmenden Strafzumessungsgründe enthalten. Schäfer Nack Wahl Boetticher Kolz

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 394/09
vom
4. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Brandstiftung mit Todesfolge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Februar
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Dr. Franke
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 20. März 2009 werden verworfen. 2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten bleibt ebenso wie das mit der Sachrüge begründete - vom Generalbundesanwalt nicht vertretene - Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ohne Erfolg. I. Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
2
Am 13. September 2008 entschloss sich der Angeklagte, in der von ihm und seinem Sohn bewohnten Mietwohnung in G. einen Brand zu legen und diese dadurch zu zerstören. Die Wohnung befand sich in einem Reihenhaus mit 2 1/2 Etagen, in denen noch weitere vier Mietparteien wohnten. Zur Ausführung seines Vorhabens verteilte der Angeklagte in den späten Abend- stunden größere Mengen Benzin in drei verschiedenen Räumen seiner Wohnung. Als er gegen 22.45 Uhr das von ihm verteilte Benzin entzündete, kam es, für den Angeklagten überraschend, zu einer heftigen Verpuffung des mittlerweile entstandenen Benzin-Luft-Gemisches, die u. a. dazu führte, dass ein Teil der Hausfassade herausgesprengt wurde. Sodann entwickelte sich ein offener Wohnungsbrand, der von der Wohnung des Angeklagten in der 1. Etage auch auf die Dachgeschosswohnung der Eheleute T. übergriff. In dieser Wohnung hielt sich zur Tatzeit K. T. auf, die sich nicht mehr in Sicherheit bringen konnte und an den Folgen einer Brandgasvergiftung verstarb. Der Brand erfasste auch den Dachstuhl und weitere wesentliche Gebäudeteile. Die Mieter der beiden Erdgeschosswohnungen wurden rechtzeitig auf den Brand aufmerksam und konnten das Gebäude unverletzt verlassen.
3
Das Landgericht, das ein Motiv für die Tat letztlich nicht feststellen konnte , hat angenommen, dass der Angeklagte trotz der objektiven Gefährlichkeit seiner Tathandlung nicht mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, sondern den Tod von K. T. (lediglich) grob achtlos und unter Außerachtlassung der sich auch nach seinen individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen aufdrängenden tödlichen Folgen verursachte.
4
II. Die Revisionen decken weder zum Nachteil noch zum Vorteil des Angeklagten Rechtsfehler auf.
5
1. a) Die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge, das Landgericht habe die aus Kroatien stammenden Zeugen V. und D. nicht über das ihnen als katholische Geistliche zustehende Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 StPO belehrt, hat keinen Erfolg.
6
aa) Da sich ein mögliches Zeugnisverweigerungsrecht im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 1 StPO nur auf Tatsachen erstreckt, die dem betreffenden Geistlichen in seiner Eigenschaft als Seelsorger anvertraut oder bekannt geworden sind und nicht auf das, was er in ausschließlich karitativer oder fürsorgerischer Tätigkeit erfahren hat (BGHSt 51, 140, 141; vgl. auch BVerfG NJW 2007, 1865), kam jedenfalls dem Zeugen D. ein solches Zeugnisverweigerungsrecht nicht zu. Denn der Angeklagte bat den Zeugen zunächst lediglich darum, ihm für einige Tage Unterkunft zu gewähren, was dieser jedoch ablehnte. Weder bei diesem ersten noch bei dem zweiten Zusammentreffen mit dem Angeklagten erfuhr der Zeuge D. den Grund für dieses Hilfeersuchen.
7
bb) Im Hinblick auf das, was dem Zeugen V. anlässlich seines Zusammentreffens mit dem Angeklagten bekannt wurde, mag die Rechtslage anders zu beurteilen sein, denn der Angeklagte, der sich schon in der Vergangenheit an diesen Zeugen mit der Bitte um seelsorgerischen Beistand gewandt hatte , äußerte bei dieser Gelegenheit sinngemäß, eine schlimme Tat begangen zu haben. Gleichwohl kann die Rüge nicht durchgreifen. Eine Pflicht zur Belehrung in Fällen des § 53 StPO besteht nicht (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1991 - 5 StR 516/90, NJW 1991, 2844, 2846, in BGHSt 37, 340 insoweit nicht abgedruckt ; Senatsurteil vom 27. Mai 1971 - 4 StR 81/71, VRS 41 (1971), 93, 94); das Gericht darf regelmäßig davon ausgehen, dass der Zeuge sein Recht zur Zeugnisverweigerung kennt (Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 53 Rdn. 44). Dies gilt für den Geistlichen eines fremden Landes jedenfalls dann, wenn er sich - wie der Zeuge V. - in Deutschland dauerhaft aufhält und hier eine Gemeinde betreut. Im Übrigen wurde der Zeuge aus Anlass seiner polizeilichen Vernehmung am 2. Oktober 2008 über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt und äußerte daraufhin, in „Glaubens- und Gewissensdingen“ werde er keine Angaben machen. Seine Bekundungen zur Begegnung mit dem Angeklagten hat er demnach in Kenntnis seines Rechts zur Verweigerung des Zeugnisses gemacht; Anhaltspunkte für ein dahin gehendes Missverständnis sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
8
b) Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge weist keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe den Tod der K. T. jedenfalls leichtfertig verursacht und sei deshalb der Brandstiftung mit Todesfolge im Sinne des § 306 c i.V.m. § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
9
Soweit der Gesetzgeber die leichtfertige Todesverursachung unter Strafe gestellt hat, umschreibt das Gesetz nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit dem Begriff der Leichtfertigkeit ein Verhalten, das - bezogen auf den Todeseintritt - einen hohen Grad von Fahrlässigkeit aufweist. Leichtfertig handelt hiernach, wer die sich ihm aufdrängende Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs aus besonderem Leichtsinn oder aus besonderer Gleichgültigkeit außer Acht lässt (BGHSt 33, 66, 67). Gemessen daran war die Gefährdung von Leib und Leben anderer im Hause anwesender Mitbewohner angesichts der vom Landgericht zum konkreten Tathergang getroffenen Feststellungen auch für den Angeklagten in seiner konkreten, angespannten psychischen Verfassung zum Tatzeitpunkt hochgradig wahrscheinlich. Die dagegen gerichteten Einwände des Beschwerdeführers erschöpfen sich darin, die nachvollziehbare Beweiswürdigung der Strafkammer durch eine eigene zu ersetzen, ohne jedoch Rechtsfehler aufzuzeigen, die den Bestand des Urteils gefährden könnten.
10
2. Auch die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt erfolglos.
11
a) Die Staatsanwaltschaft beanstandet, dass das Landgericht an das Vorliegen der Voraussetzungen eines bedingten Tötungsvorsatzes zu hohe An- forderungen gestellt habe. Angesichts der vom Landgericht getroffenen Feststellungen , wonach der Angeklagte insgesamt 28 Liter Brandbeschleuniger in seiner im mittleren Stockwerk eines Mehrfamilienhauses gelegenen Wohnung ausgebracht habe, hätte bedingter Tötungsvorsatz allenfalls dann verneint werden können, wenn der Angeklagte aufgrund besonderer und außergewöhnlicher Umstände darauf hätte vertrauen dürfen, dass der Tod von weiteren Hausbewohnern nicht eintreten werde. Solche Umstände habe die Strafkammer indessen nicht festgestellt. Auch die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte habe gegenüber den anderen Hausbewohnern keine feindliche Gesinnung gehabt , stehe der Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht entgegen. Die den Angeklagten überraschende Verpuffung stelle in diesem Zusammenhang lediglich eine unerhebliche Abweichung vom Kausalverlauf dar.
12
b) Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz verneint hat, halten indessen revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
13
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt bedingt vorsätzliches Handeln voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt und dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 36, 1, 9; BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 53). In Abgrenzung zu der Schuldform der bewussten Fahrlässigkeit müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissenselement als auch das Willenselement in jedem Einzelfall besonders geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGHR aaO). Tritt die Lebensgefährlichkeit einer äußerst gefährlichen Gewalthandlung offen zu Tage, liegt es zwar nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs der von ihm in Gang gesetzten Handlungskette rechnet. Da es jedoch auch Fälle geben kann, in denen der Täter zwar alle Umstände kennt, die sein Tun zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, er sich aber gleichwohl nicht bewusst ist, dass der Tod des Opfers eintreten kann, bedarf es für den Schluss auf die Billigung eines Todeserfolges im Hinblick auf die insoweit bestehende hohe Hemmschwelle einer sorgfältigen Prüfung des Einzelfalles (BGH, Urteil vom 22. November 2001 - 1 StR 369/01, NStZ 2002, 314, 315). Bei Inbrandsetzung eines Gebäudes sind im Rahmen der Gesamtwürdigung insbesondere die Beschaffenheit des Gebäudes (im Hinblick auf Fluchtmöglichkeiten und Brennbarkeit der beim Bau verwendeten Materialien), die Angriffszeit (wegen der erhöhten Schutzlosigkeit der Bewohner zur Nachtzeit), die konkrete Angriffsweise sowie die psychische Verfassung des Täters und seine Motivation bei der Tatbegehung zu berücksichtigen (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 39).
14
bb) Nach diesem Maßstab hat die Strafkammer sehr wohl in den Blick genommen, dass neben der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung auch verschiedene weitere Umstände für das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes sprachen, so die (Nacht-)zeit der Tatbegehung, das - für den Angeklagten erkennbare - Vorhandensein einer leicht brennbaren Holzbohlendecke im Gebäude, das Ausbringen des Brandbeschleunigers an verschiedenen Stellen und die sorgfältige Planung der Tat. Das Landgericht hat jedoch auch - sachverständig beraten - die psychische Verfassung des Angeklagten mit der gedanklichen Einengung auf die Zerstörung des früheren mit seiner Frau gemeinsam bewohnten Lebensraumes sowie das fehlende Motiv des Angeklagten für die Tötung anderer Hausbewohner berücksichtigt und zusätzlich erwogen, dass der Brandbeschleuniger nicht in unmittelbarer Nähe des möglichen Fluchtwegs ausgebracht war. Dass es auf der Grundlage dieser umfassenden Würdigung letztlich zur Verneinung des (bedingten) Tötungsvorsatzes gekommen ist, lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Rechtsfehlerhaft überspannte Anforderun- gen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung (vgl. dazu BGH, Urteile vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NJW 2005, 1727 und vom 4. Dezember 2008 - 4 StR 371/08) lassen diese Erwägungen ebenfalls nicht erkennen. Die Strafkammer hat ihre Zweifel daran nicht überwinden können, dass der Angeklagte die erhebliche Ausweitung des Brandes mit den tödlichen Folgen für das Tatopfer in sein Wissen aufgenommen hatte. Diese Wertung des Tatrichters ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Tepperwien Athing Solin-Stojanović Ernemann Franke

(1) Wer fremde

1.
Gebäude oder Hütten,
2.
Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen,
3.
Warenlager oder -vorräte,
4.
Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge,
5.
Wälder, Heiden oder Moore oder
6.
land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,
2.
eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder
3.
eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen,
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,
2.
eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder
3.
eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen,
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Das Gericht kann in den Fällen der §§ 306, 306a und 306b die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter freiwillig den Brand löscht, bevor ein erheblicher Schaden entsteht.

(2) Nach § 306d wird nicht bestraft, wer freiwillig den Brand löscht, bevor ein erheblicher Schaden entsteht.

(3) Wird der Brand ohne Zutun des Täters gelöscht, bevor ein erheblicher Schaden entstanden ist, so genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, dieses Ziel zu erreichen.

(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.

(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.

(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.

(1) Die dem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen sind dem Angeklagten aufzuerlegen, wenn er wegen einer Tat verurteilt wird, die den Nebenkläger betrifft. Die notwendigen Auslagen für einen psychosozialen Prozessbegleiter des Nebenklägers können dem Angeklagten nur bis zu der Höhe auferlegt werden, in der sich im Falle der Beiordnung des psychosozialen Prozessbegleiters die Gerichtsgebühren erhöhen würden. Von der Auferlegung der notwendigen Auslagen kann ganz oder teilweise abgesehen werden, soweit es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.

(2) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, ein, so kann es die in Absatz 1 genannten notwendigen Auslagen ganz oder teilweise dem Angeschuldigten auferlegen, soweit dies aus besonderen Gründen der Billigkeit entspricht. Stellt das Gericht das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig ein, gilt Absatz 1 entsprechend.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen, die einem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsen sind. Gleiches gilt für die notwendigen Auslagen eines Privatklägers, wenn die Staatsanwaltschaft nach § 377 Abs. 2 die Verfolgung übernommen hat.

(4) § 471 Abs. 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 347/05
vom
22. Dezember 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
zu 1. und 2. wegen unerlaubten Führens einer halbautomatischen
Selbstladekurzwaffe u.a.
zu 3. wegen Anstiftung zum unerlaubten Führen einer halbautomatischen
Selbstladekurzwaffe u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 22. Dezember 2005 beschlossen:
Auf die sofortigen Beschwerden der Nebenkläger Cemal Ak. und Ziver Ak. wird die Kostenentscheidung in dem Urteil des Landgerichts Göttingen vom 28. Februar 2005 dahin abgeändert, dass die Angeklagten die notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu tragen haben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die hierdurch den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen fallen den Angeklagten zur Last.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten P. und Ö. des unerlaubten Führens einer halbautomatischen kurzläufigen Selbstladewaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und den Angeklagten A. der Anstiftung hierzu für schuldig befunden und deshalb die Angeklagten jeweils zu Freiheitsstrafen verurteilt. In seiner Kostenentscheidung hat es ausgesprochen, dass die Nebenkläger ihre notwendigen Auslagen selbst zu tragen haben. Dagegen wenden sich die Nebenkläger mit der Kostenbeschwerde.
2
Die gemäß § 464 Abs. 3 StPO zulässigen sofortigen Beschwerden haben in der Sache Erfolg.
3
Nach § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO sind die dem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen dem Angeklagten aufzuerlegen, wenn er wegen einer Tat verurteilt wird, die den Nebenkläger betrifft. Dies erfordert nicht, dass es zur Verurteilung wegen des Nebenklagedelikts kommt. Vielmehr liegt eine den Nebenkläger betreffende Tat stets dann vor, wenn sie denselben geschichtlichen Vorgang im Sinne des § 264 StPO betrifft, der der Nebenklage zugrunde liegt, und wenn sie sich gegen den Nebenkläger als Träger eines strafrechtlich geschützten Rechtsguts richtet (BGHSt 38, 93; BGHR StPO § 472 Nebenkläger 3). So verhält es sich hier. Der Nebenklage liegt ein Vorfall zugrunde, bei welchem das Fahrzeug, in dem sich die Nebenkläger befanden, mit einer Schusswaffe beschossen wurde und der zur Verurteilung der Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB) geführt hat. Geschützte Rechtsgüter des § 315 b StGB sind neben der Sicherheit des Straßenverkehrs jedenfalls auch Leib und Leben der durch den Eingriff betroffenen Verkehrsteilnehmer (vgl. Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 315 b Rdn. 2). Ungeachtet dessen hat der Senat mit Urteil vom heutigen Tage auf die Revision des Nebenklägers Cemal Ak. die Schuldsprüche dahin ergänzt, dass die Angeklagten auch der versuchten gefährlichen Körperverletzung bzw. der Anstiftung hierzu schuldig sind (vgl. § 395 Abs. 1 Nr. 1 c StPO).
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,
2.
eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder
3.
eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen,
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.