Bundesgerichtshof Urteil, 04. Feb. 2010 - 4 StR 394/09

bei uns veröffentlicht am04.02.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 394/09
vom
4. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Brandstiftung mit Todesfolge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Februar
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Dr. Franke
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 20. März 2009 werden verworfen. 2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten bleibt ebenso wie das mit der Sachrüge begründete - vom Generalbundesanwalt nicht vertretene - Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ohne Erfolg. I. Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
2
Am 13. September 2008 entschloss sich der Angeklagte, in der von ihm und seinem Sohn bewohnten Mietwohnung in G. einen Brand zu legen und diese dadurch zu zerstören. Die Wohnung befand sich in einem Reihenhaus mit 2 1/2 Etagen, in denen noch weitere vier Mietparteien wohnten. Zur Ausführung seines Vorhabens verteilte der Angeklagte in den späten Abend- stunden größere Mengen Benzin in drei verschiedenen Räumen seiner Wohnung. Als er gegen 22.45 Uhr das von ihm verteilte Benzin entzündete, kam es, für den Angeklagten überraschend, zu einer heftigen Verpuffung des mittlerweile entstandenen Benzin-Luft-Gemisches, die u. a. dazu führte, dass ein Teil der Hausfassade herausgesprengt wurde. Sodann entwickelte sich ein offener Wohnungsbrand, der von der Wohnung des Angeklagten in der 1. Etage auch auf die Dachgeschosswohnung der Eheleute T. übergriff. In dieser Wohnung hielt sich zur Tatzeit K. T. auf, die sich nicht mehr in Sicherheit bringen konnte und an den Folgen einer Brandgasvergiftung verstarb. Der Brand erfasste auch den Dachstuhl und weitere wesentliche Gebäudeteile. Die Mieter der beiden Erdgeschosswohnungen wurden rechtzeitig auf den Brand aufmerksam und konnten das Gebäude unverletzt verlassen.
3
Das Landgericht, das ein Motiv für die Tat letztlich nicht feststellen konnte , hat angenommen, dass der Angeklagte trotz der objektiven Gefährlichkeit seiner Tathandlung nicht mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, sondern den Tod von K. T. (lediglich) grob achtlos und unter Außerachtlassung der sich auch nach seinen individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen aufdrängenden tödlichen Folgen verursachte.
4
II. Die Revisionen decken weder zum Nachteil noch zum Vorteil des Angeklagten Rechtsfehler auf.
5
1. a) Die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge, das Landgericht habe die aus Kroatien stammenden Zeugen V. und D. nicht über das ihnen als katholische Geistliche zustehende Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 StPO belehrt, hat keinen Erfolg.
6
aa) Da sich ein mögliches Zeugnisverweigerungsrecht im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 1 StPO nur auf Tatsachen erstreckt, die dem betreffenden Geistlichen in seiner Eigenschaft als Seelsorger anvertraut oder bekannt geworden sind und nicht auf das, was er in ausschließlich karitativer oder fürsorgerischer Tätigkeit erfahren hat (BGHSt 51, 140, 141; vgl. auch BVerfG NJW 2007, 1865), kam jedenfalls dem Zeugen D. ein solches Zeugnisverweigerungsrecht nicht zu. Denn der Angeklagte bat den Zeugen zunächst lediglich darum, ihm für einige Tage Unterkunft zu gewähren, was dieser jedoch ablehnte. Weder bei diesem ersten noch bei dem zweiten Zusammentreffen mit dem Angeklagten erfuhr der Zeuge D. den Grund für dieses Hilfeersuchen.
7
bb) Im Hinblick auf das, was dem Zeugen V. anlässlich seines Zusammentreffens mit dem Angeklagten bekannt wurde, mag die Rechtslage anders zu beurteilen sein, denn der Angeklagte, der sich schon in der Vergangenheit an diesen Zeugen mit der Bitte um seelsorgerischen Beistand gewandt hatte , äußerte bei dieser Gelegenheit sinngemäß, eine schlimme Tat begangen zu haben. Gleichwohl kann die Rüge nicht durchgreifen. Eine Pflicht zur Belehrung in Fällen des § 53 StPO besteht nicht (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1991 - 5 StR 516/90, NJW 1991, 2844, 2846, in BGHSt 37, 340 insoweit nicht abgedruckt ; Senatsurteil vom 27. Mai 1971 - 4 StR 81/71, VRS 41 (1971), 93, 94); das Gericht darf regelmäßig davon ausgehen, dass der Zeuge sein Recht zur Zeugnisverweigerung kennt (Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 53 Rdn. 44). Dies gilt für den Geistlichen eines fremden Landes jedenfalls dann, wenn er sich - wie der Zeuge V. - in Deutschland dauerhaft aufhält und hier eine Gemeinde betreut. Im Übrigen wurde der Zeuge aus Anlass seiner polizeilichen Vernehmung am 2. Oktober 2008 über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt und äußerte daraufhin, in „Glaubens- und Gewissensdingen“ werde er keine Angaben machen. Seine Bekundungen zur Begegnung mit dem Angeklagten hat er demnach in Kenntnis seines Rechts zur Verweigerung des Zeugnisses gemacht; Anhaltspunkte für ein dahin gehendes Missverständnis sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
8
b) Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge weist keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe den Tod der K. T. jedenfalls leichtfertig verursacht und sei deshalb der Brandstiftung mit Todesfolge im Sinne des § 306 c i.V.m. § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
9
Soweit der Gesetzgeber die leichtfertige Todesverursachung unter Strafe gestellt hat, umschreibt das Gesetz nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit dem Begriff der Leichtfertigkeit ein Verhalten, das - bezogen auf den Todeseintritt - einen hohen Grad von Fahrlässigkeit aufweist. Leichtfertig handelt hiernach, wer die sich ihm aufdrängende Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs aus besonderem Leichtsinn oder aus besonderer Gleichgültigkeit außer Acht lässt (BGHSt 33, 66, 67). Gemessen daran war die Gefährdung von Leib und Leben anderer im Hause anwesender Mitbewohner angesichts der vom Landgericht zum konkreten Tathergang getroffenen Feststellungen auch für den Angeklagten in seiner konkreten, angespannten psychischen Verfassung zum Tatzeitpunkt hochgradig wahrscheinlich. Die dagegen gerichteten Einwände des Beschwerdeführers erschöpfen sich darin, die nachvollziehbare Beweiswürdigung der Strafkammer durch eine eigene zu ersetzen, ohne jedoch Rechtsfehler aufzuzeigen, die den Bestand des Urteils gefährden könnten.
10
2. Auch die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt erfolglos.
11
a) Die Staatsanwaltschaft beanstandet, dass das Landgericht an das Vorliegen der Voraussetzungen eines bedingten Tötungsvorsatzes zu hohe An- forderungen gestellt habe. Angesichts der vom Landgericht getroffenen Feststellungen , wonach der Angeklagte insgesamt 28 Liter Brandbeschleuniger in seiner im mittleren Stockwerk eines Mehrfamilienhauses gelegenen Wohnung ausgebracht habe, hätte bedingter Tötungsvorsatz allenfalls dann verneint werden können, wenn der Angeklagte aufgrund besonderer und außergewöhnlicher Umstände darauf hätte vertrauen dürfen, dass der Tod von weiteren Hausbewohnern nicht eintreten werde. Solche Umstände habe die Strafkammer indessen nicht festgestellt. Auch die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte habe gegenüber den anderen Hausbewohnern keine feindliche Gesinnung gehabt , stehe der Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht entgegen. Die den Angeklagten überraschende Verpuffung stelle in diesem Zusammenhang lediglich eine unerhebliche Abweichung vom Kausalverlauf dar.
12
b) Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz verneint hat, halten indessen revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
13
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt bedingt vorsätzliches Handeln voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt und dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 36, 1, 9; BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 53). In Abgrenzung zu der Schuldform der bewussten Fahrlässigkeit müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissenselement als auch das Willenselement in jedem Einzelfall besonders geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGHR aaO). Tritt die Lebensgefährlichkeit einer äußerst gefährlichen Gewalthandlung offen zu Tage, liegt es zwar nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs der von ihm in Gang gesetzten Handlungskette rechnet. Da es jedoch auch Fälle geben kann, in denen der Täter zwar alle Umstände kennt, die sein Tun zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, er sich aber gleichwohl nicht bewusst ist, dass der Tod des Opfers eintreten kann, bedarf es für den Schluss auf die Billigung eines Todeserfolges im Hinblick auf die insoweit bestehende hohe Hemmschwelle einer sorgfältigen Prüfung des Einzelfalles (BGH, Urteil vom 22. November 2001 - 1 StR 369/01, NStZ 2002, 314, 315). Bei Inbrandsetzung eines Gebäudes sind im Rahmen der Gesamtwürdigung insbesondere die Beschaffenheit des Gebäudes (im Hinblick auf Fluchtmöglichkeiten und Brennbarkeit der beim Bau verwendeten Materialien), die Angriffszeit (wegen der erhöhten Schutzlosigkeit der Bewohner zur Nachtzeit), die konkrete Angriffsweise sowie die psychische Verfassung des Täters und seine Motivation bei der Tatbegehung zu berücksichtigen (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 39).
14
bb) Nach diesem Maßstab hat die Strafkammer sehr wohl in den Blick genommen, dass neben der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung auch verschiedene weitere Umstände für das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes sprachen, so die (Nacht-)zeit der Tatbegehung, das - für den Angeklagten erkennbare - Vorhandensein einer leicht brennbaren Holzbohlendecke im Gebäude, das Ausbringen des Brandbeschleunigers an verschiedenen Stellen und die sorgfältige Planung der Tat. Das Landgericht hat jedoch auch - sachverständig beraten - die psychische Verfassung des Angeklagten mit der gedanklichen Einengung auf die Zerstörung des früheren mit seiner Frau gemeinsam bewohnten Lebensraumes sowie das fehlende Motiv des Angeklagten für die Tötung anderer Hausbewohner berücksichtigt und zusätzlich erwogen, dass der Brandbeschleuniger nicht in unmittelbarer Nähe des möglichen Fluchtwegs ausgebracht war. Dass es auf der Grundlage dieser umfassenden Würdigung letztlich zur Verneinung des (bedingten) Tötungsvorsatzes gekommen ist, lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Rechtsfehlerhaft überspannte Anforderun- gen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung (vgl. dazu BGH, Urteile vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NJW 2005, 1727 und vom 4. Dezember 2008 - 4 StR 371/08) lassen diese Erwägungen ebenfalls nicht erkennen. Die Strafkammer hat ihre Zweifel daran nicht überwinden können, dass der Angeklagte die erhebliche Ausweitung des Brandes mit den tödlichen Folgen für das Tatopfer in sein Wissen aufgenommen hatte. Diese Wertung des Tatrichters ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Tepperwien Athing Solin-Stojanović Ernemann Franke

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Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafprozeßordnung - StPO | § 53 Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger


(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt 1. Geistliche über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;2. Verteidiger des Beschuldigten über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anv

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Referenzen

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt

1.
Geistliche über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
2.
Verteidiger des Beschuldigten über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3.
Rechtsanwälte und Kammerrechtsbeistände, Patentanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Apotheker und Hebammen über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist; für Syndikusrechtsanwälte (§ 46 Absatz 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung) und Syndikuspatentanwälte (§ 41a Absatz 2 der Patentanwaltsordnung) gilt dies vorbehaltlich des § 53a nicht hinsichtlich dessen, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3a.
Mitglieder oder Beauftragte einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3b.
Berater für Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit in einer Beratungsstelle, die eine Behörde oder eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt oder bei sich eingerichtet hat, über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
4.
Mitglieder des Deutschen Bundestages, der Bundesversammlung, des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland oder eines Landtages über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder dieser Organe oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst;
5.
Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben.
Die in Satz 1 Nr. 5 genannten Personen dürfen das Zeugnis verweigern über die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, über deren Inhalt sowie über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand berufsbezogener Wahrnehmungen. Dies gilt nur, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialien für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt.

(2) Die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 bis 3b Genannten dürfen das Zeugnis nicht verweigern, wenn sie von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden sind. Die Berechtigung zur Zeugnisverweigerung der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 Genannten über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand entsprechender Wahrnehmungen entfällt, wenn die Aussage zur Aufklärung eines Verbrechens beitragen soll oder wenn Gegenstand der Untersuchung

1.
eine Straftat des Friedensverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats oder des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 80a, 85, 87, 88, 95, auch in Verbindung mit § 97b, §§ 97a, 98 bis 100a des Strafgesetzbuches),
2.
eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1 des Strafgesetzbuches oder
3.
eine Geldwäsche nach § 261 des Strafgesetzbuches, deren Vortat mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist,
ist und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Der Zeuge kann jedoch auch in diesen Fällen die Aussage verweigern, soweit sie zur Offenbarung der Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten oder der ihm im Hinblick auf seine Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 gemachten Mitteilungen oder deren Inhalts führen würde.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 369/01
vom
22. November 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Brandstiftung mit Todesfolge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
21. November 2001 in der Sitzung am 22. November 2001, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger D. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin S. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 21. November 2000 werden verworfen. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels sowie die durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenkläger.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung mit Todesfolge in vier rechtlich zusammentreffenden Fällen, und dadurch zugleich wegen besonders schwerer Brandstiftung und schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünfzehn Jahren verurteilt. Mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision, die auf die Sachrüge gestützt ist, erstrebt die Staatsanwaltschaft die Verurteilung wegen Mordes. Der Angeklagte wendet sich mit seiner ebenfalls auf die Sachrüge gestützten Revision gegen seine Verurteilung wegen tateinheitlich begangener besonders schwerer Brandstif-
tung und wegen schwerer Körperverletzung; außerdem greift er die Strafzumessung an. Keines der Rechtsmittel hat Erfolg.

A.


Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
1. Anfang November 1999 traf der Angeklagte nach langer Zeit zufällig seine geschiedene Ehefrau und die beiden Kinder. Dabei bemerkte er insbesondere das ängstliche Zurückweichen seiner Kinder vor ihm. Diese Begegnung riß beim Angeklagten alte Wunden wieder auf und er begann erneut, mit seinem Schicksal zu hadern. In den Wochen danach trug er sich (wieder) verstärkt mit dem Gedanken an Selbstmord. Er überdachte verschiedene Möglichkeiten , etwa sich vor eine S-Bahn zu werfen oder aus dem Fenster eines Hochhauses zu springen. In seinen Überlegungen kam er aber immer wieder darauf zurück, sich mit einem Seil zu erhängen und zwar so, daß er hierbei nicht von anderen Personen bemerkt und gerettet werden könnte.
Der Angeklagte hatte die Überlegung, die “mutige Entschlossenheit und nötige Selbstüberwindung” für seinen Selbstmord dadurch aufzubringen, daß er sich durch die Zerstörung seiner Unterkunft und all seiner Habe “den Rückweg ins Leben” abschnitt. Er hatte in dieser Zeit bereits des öfteren nachts mit Selbstmordgedanken stundenlang auf “seinem Galgen” (einem Spielgerüst für Kinder) gehockt, um morgens doch immer wieder in seine “warme vertraute Wohnung” zurückzukehren. Diese Rückzugsmöglichkeit wollte er sich nunmehr durch Brandlegung zerstören.

Etwa eine Woche vor der Monatsmitte kaufte sich der Angeklagte für diesen Zweck einen fünf Liter fassenden Plastikbenzinkanister an einer Tankstelle , füllte ihn mit Otto-Kraftstoff und verwahrte ihn während der folgenden Tage in seinem Ein-Zimmer-Apartment. Im Laufe der Nacht vom 14. auf den 15. November 1999 verdichtete sich beim Angeklagten der Entschluû, die nunmehr seit Tagen gehegten Vorstellungen in die Tat umzusetzen und hierdurch den geplanten Selbstmord vorzubereiten. Der Angeklagte wollte bei all seinen Überlegungen, daû er mit dem Inbrandsetzen seines Apartments unter Verwendung von fünf Litern Benzin ein Fanal setzen werde. Durch den Brand sollte seine gesamte Habe vernichtet werden, so daû auch seiner Frau nichts mehr davon bliebe. Im September des Jahres 1999 hatte der Angeklagte sein gesamtes Bankguthaben von etwa 14.000 DM abgehoben und in seinem Apartment aufbewahrt. Er wollte, daû auch dieser Geldbetrag zusammen mit seiner Wohnung den Flammen zum Opfer fiel und vernichtet werde.
Etwa um 3.40 Uhr öffnete der Angeklagte den Schraubverschluû des bereitgehaltenen Benzinkanisters und verteilte nahezu dessen gesamten Inhalt in dem knapp 22 qm groûen Wohnraum des Apartments. Mit dem Rest des Treibstoffs legte er eine "Tröpfchenspur" in Art einer Lunte über die Schwelle der geöffneten Wohnzimmertür quer durch den Vorraum bis zur Wohnungseingangstür. Der Versuch schlug fehl, da das Streichholz auf dem Boden verlosch. Der Angeklagte begab sich in den Wohnraum zurück, entzündete ein Streichholz und warf es auf mit Benzin getränkte Kleidungsstücke. Vom Hausflur aus versuchte der Angeklagte noch, die Eingangstüre zum Apartment ins Schloû zu ziehen, konnte jedoch die starke Sogwirkung des einsetzenden Brandwindes nicht mehr überwinden. Er lieû die Tür offen und flüchtete über das nur wenige
Schritte entfernt gegenüberliegende einzige Treppenhaus des Anwesens ins Erdgeschoû und von dort ins Freie. Unmittelbar nach Entzündung des BenzinLuft -Gemischs kam es in kürzeren Abständen zu mehreren lauten explosionsartigen Verpuffungen, die der Angeklagte wahrnahm. Als er das Anwesen über den unmittelbar unter seinem Apartment liegenden Eingang verlieû, bemerkte er, wie bereits meterlange Flammen aus der geborstenen Balkontüre ins Freie und in Richtung des darüberliegenden Stockwerks schlugen.
Durch das Verschütten der fünf Liter Otto-Kraftstoff entwickelte sich in kürzester Zeit ein zündfähiges Gas-Luft-Gemisch, das zu mehreren Verpuffungen führte. Es entstand ein starkes Feuer mit erheblicher Rauchentwicklung im Treppenhaus. Im dichten Rauch kamen vier Mitbewohner ums Leben und eine Hausbewohnerin erlitt dauerhafte schwerste Verbrennungen.
Der Angeklagte verbrachte den Rest der Nacht auf dem Spielplatz, wo er, mit dem als Schlinge um seinen Hals gelegten Abschleppseil auf dem Spielgerüst saû, um sich zu erhängen. Er konnte sich aber letztlich zu dem beabsichtigten Selbstmord nicht entschlieûen und wurde am nächsten Tag festgenommen.
2. Die Schwurgerichtskammer hat in Übereinstimmung mit drei von ihr angehörten psychiatrischen Sachverständigen angenommen, der Angeklagte habe sich in einer besonderen Lage und Befindlichkeit befunden, als er seinen Selbstmord vorbereitete. Trotz dieser ªpräsuizidalen Ambivalenzº habe er sich beim Legen des Wohnungsbrandes nicht in einem ªeingeengtenº Zustand im Sinne der §§ 20 und 21 StGB befunden.

B.


Revision der Staatsanwaltschaft
1. Die Staatsanwaltschaft rügt, die Schwurgerichtskammer habe einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten deshalb für nicht gegeben erachtet , weil dieser nicht in feindseliger Einstellung gegenüber den Tatopfern gehandelt habe. Zwar stehe auûer Frage, daû es nicht Ziel des Angeklagten gewesen sei, fremde Menschenleben zu zerstören. Sein Ziel sei es jedoch nicht lediglich gewesen, sein Hab und Gut zu zerstören, er habe vielmehr ein Fanal setzen wollen. Habe er aber die besondere Gefährlichkeit seines Handelns erkannt, dann genüge allein die ªHoffnungº nicht, es werde zu keiner Explosion sowie einer Ausweitung der Flammen und des Rauches kommen, um eine Billigung des Erfolges durch den Angeklagten und damit den bedingten Tötungsvorsatz zu verneinen.
2. Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz verneint hat, halten revisionsrechtlicher Prüfung stand.
Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, daû der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner, daû er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGHSt 36, 1, 9; BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 1 bis 39 jeweils m.w.Nachw.; zuletzt Senat in NStZ 2001, 475 ). In Abgrenzung zu der Schuldform der bewuûten Fahrlässigkeit müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissenselement als auch das Willenselement in jedem Einzelfall besonders geprüft und durch tat-
sächliche Feststellungen belegt werden (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 27).
Der Bundesgerichtshof war in einer Reihe von Entscheidungen mit äuûerst gefährlichen Gewalthandlungen wie dem Werfen eines Molotowcocktails oder eines Brandanschlags auf ein Asylbewerberheim befaût, die in feindlicher Absicht begangen wurden (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 35, 38). Bei diesen Handlungen hat er ausgesprochen, es liege bei solchen Handlungen , bei denen die Lebensgefährlichkeit offen zutage trete, ausgesprochen nahe, daû der Täter mit der Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs der von ihm in Gang gesetzten Handlungskette rechnet. Er hat es aber auch für denkbar angesehen, daû es Fälle geben kann, in denen ein Täter alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, er sich aber gleichwohl nicht bewuût ist, daû sein Tun zum Tod des Opfers führen kann (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 6, 10, 15, 26). Deshalb bedürfe es für den Schluû der Billigung eines Todeserfolges selbst bei einer in feindlicher Absicht begangenen Tathandlung im Hinblick auf die gegenüber der Tötung eines anderen Menschen bestehenden hohen Hemmschwelle sorgfältiger Prüfung insbesondere des Willenselements.
Erst recht hat der Bundesgerichtshof in dem Fall einer in der Absicht der Selbsttötung bewirkten Gasexplosion den Schluû auf den bedingten Tötungsvorsatz als rechtsfehlerhaft angesehen, bei dem der Tatrichter unerörtert gelassen hat, daû der Angeklagte einer im Haus anwesenden Mitbewohnerin nicht feindselig gesonnen, sondern sogar freundschaftlich verbunden war (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 1).
2. Nach diesem Maûstab hat die Schwurgerichtskammer zum Wissenselement gewürdigt, daû der Angeklagte trotz seiner (prä-)suizidalen Situation die Übersicht im wesentlichen behalten hatte. Ihm war bewuût, daû er durch das Inbrandsetzen seines Apartments fremdes Eigentum schwer beschädigen würde. Es lag für ihn auch nicht fern, daû das von ihm gelegte Feuer nicht nur Einrichtungsgegenstände seines Apartments, sondern auch auf Gebäudeteile wie Türen, Fenster, Böden etc. übergreifen würde. Der Angeklagte wuûte um die Gefährlichkeit des von ihm gelegten Brandes in Bezug auf die Mitbewohner der sechsstöckigen Apartmentanlage. Er kannte die Beschaffenheit des aus einer Vielzahl von Wohneinheiten bestehenden Gebäudes, das lediglich über einen zentral gelegenen Zu- bzw. Ausgang verfügte. Er wuûte, daû sein Apartment auf der ersten Etage genau über dem Ausgang unmittelbar im Bereich des verhältnismäûig engen Treppenhauses lag. Er hatte auch bedacht, daû er den Brand und seinen Selbstmord in den Nachtstunden durchführen würde, in der die anderen Hausbewohner schliefen. Er war auch im Umgang mit Otto-Kraftstoff geschult und war sich deshalb bewuût, daû durch das Verteilen von mehreren Litern Benzin als Brandbeschleuniger ein stark brennbares und explosives Benzin-Luft-Gemisch entstehen würde, das er zur Zerstörung seiner Wohnung einsetzen wollte.
Das Schwurgericht kam deshalb zur Überzeugung, der Angeklagte habe beim Legen des Brandes körperliche Beeinträchtigungen von Mitbewohnern im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB zwar nicht angestrebt, aber doch billigend in Kauf genommen. Zwar sei er davon ausgegangen, Feuer und Rauch würden sich im wesentlichen auf seine eigene Wohnung beschränken. Er schloû jedoch nicht aus, daû Mitbewohner zu Schaden kommen könnten, denn er muûte damit rechnen, daû es aufgrund des Benzin-Luft-Gemisches zu einem Bersten der
Fensterscheiben kommen und Hausbewohner durch Glassplitter verletzt werden könnten und daû Feuer und Rauch über offengehaltene Fenster in Nachbarwohnungen eindringen und dadurch Menschen zu Schaden kommen könnten.
Dagegen hat die Schwurgerichtskammer als nicht vom Wissenselement umfaût angesehen, daû der Angeklagte mit der erheblichen Ausweitung des Brandes und insbesondere der Verbreitung konzentrierter Rauchgase im übrigen Gebäude gerechnet hatte. Sie hat dabei berücksichtigt, daû der Angeklagte seinen eigenen Tod vorbereitete und er damit und mit den auf seine geschiedene Frau gerichteten Gedanken und Gefühlen aufs Höchste in Anspruch genommen war. Nach seiner subjektiven Vorstellung richtete sich der Brandanschlag , der Vorbereitung seines Selbstmordes war, in erster Linie gegen sich selbst. In zweiter Linie wollte er mit dem Anzünden seines Apartments und der Vernichtung seiner persönlichen Habe ein Fanal setzen, mit dem er seine geschiedene Frau treffen und ªbestrafenº wollte. Auch habe der Angeklagte das Feuer nicht in feindlicher Absicht gegenüber seinen Mitbewohnern gelegt. Aufgrund all dieser Umstände sei ihm nicht zu widerlegen gewesen, daû er davon ausging, Feuer und Rauch würden im wesentlichen auf sein Apartment beschränkt bleiben, wofür auch spreche, daû er zunächst eine Lunte zur Wohnungstür legte, um nach dem Inbrandsetzen die Wohnung zu verlassen. Die Kammer hat dem Angeklagten schlieûlich nicht widerlegen können, daû er noch nach dem Brandlegen versucht hat, hinter sich die Wohnungstür zu schlieûen, was ihm infolge des Brandwindes nicht mehr gelungen sei. Daû aufgrund eines von ihm nicht mehr beherrschbaren Brandes konzentrierte Rauchgase insbesondere ins Treppenhaus gelangten und die vier tödlich verletzten Mitbewohner in ihrer Furcht vor dem Brand trotz der Rauchentwicklung
über das Treppenhaus ins Freie gelangen wollten und sie dabei den Erstikkungstod erleiden könnten, war nach Auffassung der Schwurgerichtskammer zwar keine fernliegende, aber auch keine zwingende Folge, mit der der Angeklagte von vornherein in seiner Planung rechnen muûte.
Diese Feststellungen zum Wissenselement sind rechtsfehlerfrei getroffen. Die Strafkammer hat ihre Zweifel nicht überwinden können, daû der Angeklagte die erhebliche Ausweitung des Brandes mit den tödlichen Folgen für die vier Mitbewohner nicht in sein Wissen aufgenommen hatte. Diese Wertung des Tatrichters ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Damit muûte die Kammer nicht zu dem Schluû kommen, der Angeklagte habe den Brand auch um den Preis legen wollen, daû dabei Mitbewohner zu Tode kommen könnten.
3. Auch die Strafzumessung weist keinen Rechtsfehler auf. Die Schwurgerichtskammer hat gesehen, daû die Tat des Angeklagten besonders schwer wiegt. Sie hat insbesondere berücksichtigt, daû durch die Tat vier junge Menschen ihr Leben verloren haben und bei einer Geschädigten die Gesundheit auf Dauer schwer beeinträchtigt ist. Daû die Strafkammer von der Verhängung einer hier möglichen lebenslangen Freiheitsstrafe abgesehen hat, beruht allein darauf, daû der Angeklagte die Tat in einer existentiellen Lebenskrise als Vorbereitung auf seinen Selbstmord begangen hat.

C.

Revision des Angeklagten
1.Die Revision rügt, das Schwurgericht habe keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, daû der Angeklagte nicht allein die Wohnungsein-
richtung des Apartments, sondern darüber hinaus mit dem Gebäude fest verbundene Teile in Brand setzen wollte und sich damit der schweren Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig gemacht habe. Den Urteilsgründen sei nur zu entnehmen, er habe dies nicht in ªAbrede gestelltº. Die Strafkammer habe damit unzulässig ein Teilschweigen verwertet.
Die Rüge hat keinen Erfolg. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausführt, ergibt sich aus der Gesamtheit der Urteilsgründe, daû sich der Angeklagte umfassend geständig zum Sachverhalt eingelassen hat. Ein Fall des Teilschweigens liegt somit nicht vor. Hinsichtlich des von der Schwurgerichtskammer angenommenen bedingten Vorsatzes bei der besonders schweren Brandstiftung (§§ 306a und b StGB) ergibt sich aus der von der Revision zitierten Passage des Urteils, daû er die maûgeblichen Umstände - offenbar auf Fragen des Gerichts - nicht in Abrede gestellt hat.
2. Auch eine Verletzung des § 226 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB liegt nicht vor. Die Begründung, mit der die Schwurgerichtskammer dargelegt hat, daû sie wegen der hohen Hemmschwelle zwar keinen Tötungsvorsatz angenommen hat, daû der Angeklagte aber hinsichtlich seiner Mitbewohner einen Körperverletzungsvorsatz billigend in Kauf genommen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
3. Soweit der Angeklagte rügt, die Schwurgerichtskammer habe wesentliche Strafzumessungsgesichtspunkte nicht berücksichtigt, bleibt auch diese Rüge erfolglos. Die Schwurgerichtskammer hat mit Recht ausgeführt, daû die Tat des Angeklagten besonders schwer wiegt. Selbst wenn die Strafkammer zu seinen Gunsten berücksichtigt hat, daû er sich in einer Lebenskrise befunden
hat und Selbstmord verüben wollte, wiegt demgegenüber, daû er mit kaum nachvollziehbarer Leichtfertigkeit gehandelt und dabei das Leben von vier Menschen zerstört und die Gesundheit einer Mitbewohnerin nachhaltig beeinträchtigt hat. Es ist nicht zu besorgen, daû die Schwurgerichtskammer weitere zu Gunsten des Angeklagten sprechende Gesichtspunkte, die, soweit sie von der Revision vorgetragen worden sind, angesichts der Folgen der Tat ohnehin kein Gewicht haben, aus dem Blick verloren hat. Die Urteilsgründe müssen nur die bestimmenden Strafzumessungsgründe enthalten. Schäfer Nack Wahl Boetticher Kolz

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 478/04
vom
11. Januar 2005
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11. Januar 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 21. Juni 2004 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Würzburg zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


I.

Der Angeklagte wurde vom Vorwurf freigesprochen, am 28./29. September 2001 die 51 Jahrealte H. Habgier aus ermordet zu haben. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger haben mit der Sachrüge Erfolg; die Beweiswürdigung ist nicht rechtsfehlerfrei. 1. Am frühen Abend des 28. September 2001 suchte Frau H. am Grenzübergang Hegyeshalom - Nickelsdorf eine Mitfahrgelegenheit; sie hatte
ihre Reisegruppe verlassen, da sie wegen ihres abgelaufenen Passes nicht von Österreich nach Ungarn einreisen durfte. Sie konnte im Pkw des Angeklagten mitfahren, der auf dem Weg in seinen Wohnort Sch. (Kreis Hof) war. Unterwegs tankte er an der Tankstelle Suben (Österreich) und kaufte dort auch Coca-Cola und drei Isolierbänder der (verbreiteten) Marke "Coroplast" : er bezahlte mit Karte. 2. Am 6. Oktober 2001 wurde die Leiche von Frau H. mit durchschnittener Kehle und anderen massiven Schnittverletzungen etwa 40 Kilometer von Sch. entfernt bei T. (Kreis Kulmbach) im Gebüsch gefunden. Sie war vollständig bekleidet, Spermaspuren gab es nicht. Es fehlten 300 bis 400 DM Bargeld, ein Koffer und einige andere Gegenstände. Im weiteren Verlauf ergab sich anhand des Madenbefalls der Leiche, daß sie spätestens seit dem Nachmittag des 29. Septembers 2001 (Tag nach ihrer Fahrt mit dem Angeklagten) am Fundort gelegen hatte. Wesentlich genauer ließ sich auch der Todeszeitpunkt nicht bestimmen. Im weiteren Verlauf wurde an der Leiche eine kleine Schnittwunde "an der Kleinfingerseite des rechten Unterarms in Höhe des Handgelenks" festgestellt, in der Partikel von "Coroplast"Isolierband waren. 3. Der Angeklagte wurde am 23. November 2001 durch Videoaufnahmen von der Grenze ermittelt und machte am 23. und 30. November 2001 nähere Angaben zur Sache. Er legte auch Unterlagen vor (z. B. sein Notizbuch, Kontounterlagen und Nachweise über Telefongespräche), gab einen Hinweis zu einem Ermittlungsansatz und schickte der Polizei bis zum 1. Dezember 2001 insgesamt dreimal ein Fax mit ergänzenden Ausführungen. Danach machte er keine Angaben mehr. Bereits am 23. November 2001 berichtete er von sich aus
- der Polizei konnte dies noch nicht bekannt sein - er habe in Suben getankt, dort auch Getränke gekauft und möglicherweise mit Karte bezahlt. Vom Kauf von Isolierbändern sagte er dabei nichts. Solange er Angaben machte, wurde er zu dem erst später in den Blickpunkt der Ermittlungen geratenen Thema Isolierbänder auch nicht befragt.
4. Die Strafkammer hält die "Isolierband-Erkenntnisse" zwar für gewichtig , gleichwohl könnten diese letztlich weder für sich noch in einer Gesamtschau mit allen sonstigen Erkenntnissen einen Zusammenhang des Angeklagten mit der Tat hinreichend belegen. Sie hat dazu unter anderem erwogen: Das Verschweigen des Kaufs sei bedeutungslos, weil es "möglich (sei), daß sich der Angeklagte am 23. November 2001 nicht ... erinnerte, diese Bänder gekauft zu haben, gegebenenfalls weil dies für ihn ein alltäglicher ... Vorgang war. Immerhin hat der Angeklagte durch seine Aussage die Beamten erst darauf gebracht ... nachzuprüfen ... (und) ... zu entdecken, daß ... Isolierband gekauft wurde". Es sei auch "nicht ausgeschlossen, daß Frau H. von dem Angeklagten eines oder mehrere der in Suben erworbenen Bänder überlassen erhielt , eventuell um etwas zu reparieren". Es fiele zwar auf, daß er bei der Polizei davon nichts gesagt habe; Isolierband habe bei seinen Vernehmungen aber noch keine Rolle gespielt.

II.

Kann der Tatrichter nicht die erforderliche Gewißheit gewinnen und spricht den Angeklagten daher frei, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt
nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd erscheinen" mag. Es gibt im Strafprozeß keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewißheit des Richters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht. Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, z. B. hinsichtlich der generellen Bewertung von Aussageverhalten oder hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert oder nur eine von mehreren gleich nahe liegenden Möglichkeiten erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewißheit überspannte Anforderungen gestellt sind. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine nach den Feststellungen naheliegende Schlußfolgerung nicht gezogen ist, ohne daß konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. August 2003 - 1 StR 111/03 = NStZ-RR 2003, 371 ; BGH NStZ 2004, 35, 36 m. w. N.)

III.

An alledem gemessen, sind die genannten Erwägungen der Strafkammer insgesamt nicht rechtsfehlerfrei.
1. Zu Recht ist sie davon ausgegangen, daß das Aussageverhalten des Angeklagten hinsichtlich der Isolierbänder einer Beweiswürdigung zugänglich ist. Zwar dürfen aus unterschiedlichem Einlassungsverhalten bei mehreren Vernehmungen oder in verschiedenen Verfahrensabschnitten als solchem keine Schlüsse zum Nachteil des Angeklagten gezogen werden (st. Rspr. vgl. BGH NStZ 1999, 47 m. w. N.). Soweit sich der Angeklagte aber grundsätzlich zur Sache geäußert hat und nur zu bestimmten Punkten eines einheitlichen Geschehens keine Angaben gemacht hat, kann dies zu seinem Nachteil berücksichtigt werden (BGH aaO; Schoreit in KK 5. Aufl. § 261 Rdn. 41 jew. m. w. N.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob Fragen nicht beantwortet wurden oder ob der Vernommene, wie hier, von sich aus einen Vorgang schildert und dabei einen wesentlichen Punkt eines einheitlichen Geschehens nicht nennt (Schoreit aaO m. w. N.; vgl. auch BVerfG - Beschluß vom 29. November 2004 - 2 BvR 1034/02). 2. Die Frage, ob der Angeklagte den Kauf der Isolierbänder vergessen oder bewußt verschwiegen hat, betrifft eine "innere Tatsache", so daß im wesentlichen nur Rückschlüsse möglich sind (vgl. BGH NStZ 2003, 596 f. m. w. N.). Hiervon geht auch die Strafkammer aus, ihre Erwägungen sind aber unvollständig , weil sie möglicherweise bedeutsame Gesichtspunkte nicht erkennbar einbezieht:
a) Die Strafkammer stellt auf die Alltäglichkeit des Einkaufs von Isolierband in Verbindung mit dem Zeitablauf ab. Wenn ein Autofahrer auf einer längeren Fahrt beim Tanken auch Getränke kauft, ist dies aber nicht weniger alltäglich , als wenn er bei dieser Gelegenheit drei Rollen Isolierband kauft. Hinzu kommt, daß auch die übrigen Aussagen des Angeklagten sehr präzise und detailreich sind. So hat er etwa genau geschildert, wie ihm Frau H. berichtet
habe, daß sie sich an ihrem Koffer leicht verletzt ("geratscht") habe. Allerdings habe er selbst nicht bemerkt, daß sie geblutet habe, auch nicht als sie "Brot oder Brötchen" und "ein Stück Obst" aß und den Abfall in Papiertaschentücher wickelte. Ähnlich genau hat er am 23. November 2001 die Frage nach Körperkontakten mit FrauH. beantwortet. Sie habe ihm beim Aussteigen Geld für die Fahrt hingehalten, er habe dies aber abgelehnt und ihren Arm zurückgeschoben. In einem Fax an die Polizei vom 25. November 2001 hat er einen weiteren Körperkontakt - nicht ganz leicht verständlich - so geschildert: Er habe beim Aussteigen die Reisetasche von FrauH. mit aus dem Auto herausgereicht. Da die Tasche "verklemmt" gewesen sei, sei seine Hand abgerutscht und er habe sich deshalb an der Hand von Frau H. gekratzt. Die Strafkammer hätte daher das Schweigen hinsichtlich des Kaufs der Isolierbänder nicht mit Vergessen eines alltäglichen Vorgangs erklären dürfen, ohne sich damit auseinander zu setzen, daß der Angeklagte sowohl speziell zum Einkauf an der Tankstelle als auch sonst zur Fahrt eine Reihe - teilweise sehr alltäglicher - Details genau geschildert hat.
b) Unabhängig vom Aussageverhalten ist objektivierbar, ob für jemanden der Einkauf mehrerer Isolierbänder auf der Heimreise alltäglich ist. Die Urteilsgründe ergeben nicht, daß der Angeklagte häufig Isolierbänder brauchen oder kaufen würde. Der Hinweis, "gegebenenfalls" sei dies für ihn alltäglich, spricht vielmehr dagegen, daß sich diese Bewertung auf konkrete Anhaltspunkte stützt. Im übrigen bedeutet Schweigen des Angeklagten - unabhängig davon, ob daraus ansonsten Schlüsse gezogen werden dürfen (III 1) - nicht, daß zu seinen Gunsten von Annahmen auszugehen ist, für die es keine konkreten Anhaltspunkte gibt (vgl. Schoreit aaO Rdn. 40 m. w. N.).

c) Wieso Hypothesen zu Gang und Ergebnissen der Ermittlungen für den Fall, daß der Angeklagte seinen Aufenthalt in Suben nicht erwähnt hätte, den Schluß ermöglichen sollen, er hätte sich an den Kauf von Isolierband nicht erinnert, ist weder ausdrücklich dargelegt noch sonst klar erkennbar. Der Senat geht dem aber deshalb nicht näher nach, weil schon die Annahme, ohne den Angeklagten wäre der Kauf von Isolierband unbekannt geblieben, nicht rechtsfehlerfrei begründet ist. Der Angeklagte hatte als letzter das Opfer eines Kapitalverbrechens lebend gesehen und war mit ihm über Stunden Auto gefahren. Ermittlungen bei den Tankstellen an der Strecke liegen daher nicht fern. Sind bereits mehrere Wochen vergangen, ist die Überprüfung von Kartenzahlungen eine der wenigen Möglichkeiten, Hinweise dafür zu gewinnen, wer an der Tankstelle war. Es versteht sich nicht von selbst, daß die Polizei diese Ermittlungsansätze nicht ohnehin erkannt hätte. Daher hätte sich die Strafkammer mit beiden Möglichkeiten auseinandersetzen müssen, ehe sie von der ihrer Beweiswürdigung zugrundegelegten Auffassung ausgeht.
d) Auch für die Annahme, der Angeklagte, habe Frau H. möglicherweise Isolierband geschenkt, sind keine konkreten Anhaltspunkte erkennbar. Dies zeigt schon die Annahme, der Angeklagte habe ihr "eventuell" deshalb Isolierband geschenkt, damit sie "etwas" reparieren kann. Die Überlegungen der Strafkammer zu dem Grund, warum der Angeklagte davon nichts erzählt haben könnte, sind unvollständig. Ausführungen zu einer etwaigen Übergabe von Isolierband wären zwar nicht im Zusammenhang mit dem bis dahin nicht angesprochenen Thema "Isolierband" zu erwarten gewesen, wohl aber im Zusammenhang mit der Frage nach "Körperkontakten". Der Angeklagte hat sehr genaue Angaben zu - flüchtigen - Körperkontakten mit Frau H. gemacht , die er sogar noch mit einem Fax ergänzt hat (vgl. oben III 2 a). Einen
entsprechenden Körperkontakt bei der Übergabe von Isolierband hat er dagegen nicht erwähnt.
3. Im Kern sieht die Strafkammer nach alledem unter zum Teil auch lükkenhafter Würdigung des Aussageverhaltens des Angeklagten nicht unerhebliche konkrete Verdachtsmomente wegen nur denktheoretischer Möglichkeiten als entkräftet an. Dies führt zur Aufhebung des Urteils, ohne daß es auf weiteres noch ankäme.

IV.

Der Senat sieht jedoch Anlaß zu folgenden Hinweisen: 1. Die Strafkammer hat geprüft, ob der Angeklagte gegen Mitternacht zu Hause war, weil er vorher kaum Zeit gehabt hätte, Frau H. zu töten und nach T. zu bringen. Die Möglichkeit, daß er gegen Mitternacht zu Hause war, und dies erst anschließend getan hätte, sei praktisch ausgeschlossen. Es fehlten konkrete Anhaltspunkte dafür, daß er sie "über ... Regensburg hinaus transportierte". Es gibt jedoch außer den Angaben des Angeklagten auch keine Anhaltspunkte für ein Ende der Fahrt am Autohof Regensburg. Angaben des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, können den Feststellungen nicht ohne weiteres als unwiderlegt zu Grunde gelegt werden, sondern ihre Richtigkeit muß erst anhand des übrigen Beweisergebnisses überprüft werden (vgl. Schoreit aaO Rdn. 28 m. w. N.).
2. Die danach bisher nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossene Möglichkeit, daß der Angeklagte der Täter war, obwohl er um gegen Mitternacht in Sch. wirkt war, sich auf die mögliche Bedeutung weiter Teile des Beweisergebnisses aus: Die Familie des Angeklagten - Frau und Kinder - war in dieser Nacht bei seiner Schwiegermutter in München. Hätte er dies zuvor gewußt, käme es weder darauf an, ob er um Mitternacht in Sch. war, noch darauf, ob die Ehefrau gegen Mitternacht in Sch. angerufen und mit ihm gesprochen hat (a). Hätte er vom Aufenthalt in München nichts gewußt, könnte es etwas bedeutsamer sein, ob er in der fraglichen Zeit zu Hause war. Hätte er nämlich erwartet, daß seine Frau zu Hause wäre, wäre es aus seiner Sicht möglicherweise schwieriger gewesen, sich wieder zu entfernen. Daher könnte es ihn mittelbar entlasten, wenn er gegen Mitternacht zu Hause gewesen wäre. Nur dann könnte das genannte Telefongespräch als Beleg für seine Anwesenheit in Sch. überhaupt Bedeutung gewinnen (b).
a) Die Strafkammer folgt ohne weiteres den Angaben der Schwiegermutter , der Angeklagte hätte nicht gewußt, daß seine Familie in München war. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil die Strafkammer andere Angaben der Schwiegermutter für unstimmig und daher unglaubhaft hält. Wird einem Zeugen nur teilweise geglaubt, bedarf dies einer eingehenden Begründung (BGH NStZ-RR 2003, 332 f. m. w. N.), die bisher fehlt. Sonstige Erkenntnisse, die ohne nähere Begründung klar belegten, daß der Angeklagte von der Abwesenheit seiner Familie überrascht wurde, liegen ebenfalls nicht vor:
Bei seiner ersten Vernehmung hat er angegeben, er wisse nicht, ob seine Frau da war, als er nach Hause kam. Das spricht nicht dafür, daß ihre Abwesenheit für ihn überraschend (und daher einprägsam) war. Der Angeklagte hat in diesem Zusammenhang seinen Notizkalender vorgelegt, in dem unter dem 28. September 2001 "Ki-Mün" steht, ist, was "Kinder" oder "Kirsten" - Vorname der Ehefrau - "in München" heißen soll. Wäre der Eintrag vor dem 28. September 2001 erfolgt, belegte er, daß der Angeklagte an diesem Tag wußte, daß sie nicht zu Hause war. Ein nachträglicher Eintrag belegte zwar nicht, daß der Angeklagte am 28. September 2001 nicht Bescheid wußte, der Eintrag wäre mit dieser Annahme aber immerhin vereinbar. Ein Anruf der Ehefrau - über dessen Inhalt außer den Aussagen der Schwiegermutter nichts bekannt ist - würde über Kenntnis oder Unkenntnis des Angeklagten nichts aussagen. So überrascht von der Abwesenheit seiner Familie , daß er selbst auf dem Handy der Ehefrau angerufen hätte, war der Angeklagte jedenfalls nicht.
b) Es gibt nur folgende, vom Angeklagten am 1. Dezember 2001 vorgelegte objektive Belege für möglicherweise relevante Anrufe aus München: vom Festnetzanschluß der Schwiegermutter bestand zunächst um 23.24 Uhr für 28 Sekunden eine Verbindung mit dem Festnetzanschluß in Sch. , die zweite Verbindung bestand von dort 2 Minuten später für 8 Sekunden mit dem Handy des Angeklagten. Die Behauptung der Schwiegermutter, die Tochter habe vom Festnetz ein kurzes und kurz darauf von ihrem Handy aus ein langes Gespräch mit dem in Sch. aufenthältlichen Angeklagten geführt , ist damit unvereinbar. Die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte hätte zwar keine zwei Gespräche geführt, von einem Gespräch sei zu seinen
Gunsten aber auszugehen, hat jedenfalls in der Aussage der Schwiegermutter keine tragfähige Grundlage. Möglicherweise hängt diese Annahme auch mit einem polizeilichen Versäumnis zusammen, das die Strafkammer bei ohnehin schwieriger Beweislage noch in ihre Überlegungen einzubeziehen hatte: Der Angeklagte hatte in einem Fax vom 23. November 2001 eine Telefonnummer der Telefongesellschaft mitgeteilt, unter der das Telefongespräch vom Handy seiner Frau mit Sch. bestätigt werden könnte. Eine Bestätigung war jedoch nicht möglich. Unter der Nummer erhielt die Polizei die Auskunft, eine solche Verbindung könne weder bestätigt noch verneint werden; da die Ehefrau ein Handy mit einer prepaid Karte hätte, gäbe es keine Unterlagen. Damit hat sich die Polizei begnügt. Damals hätte aber vielleicht noch die - inzwischen wegen Zeitablaufs ausgeschlossene - Möglichkeit bestanden, die Behauptung über dieses Gespräch zu überprüfen, z. B. durch die "Beschlagnahme von elektronisch gespeicherten Aufzeichnungen". Dieses polizeiliche Versäumnis ändert jedoch nichts daran, daß der Zweifelssatz nicht isoliert auf ein einzelnes Indiz angewendet werden kann (vgl. BGHSt 35, 308, 316; Schoreit aaO Rdn. 65 jew. m. w. N.). Sollte es auf dieses Telefongespräch ankommen, wird jedoch zu erwägen sein, daß sich der Angeklagte mit dieser Angabe der Gefahr ausgesetzt haben kann, einer falschen Aussage überführt zu werden. Dies setzte aber voraus, daß er der Polizei eine Nummer gefaxt hätte, ohne zuvor zu überprüfen, was man dort für Auskünfte bekommt (die dort erteilte Auskunft hat seine Behauptung nicht widerlegt) und er außerdem die Möglichkeiten sonstiger polizeilicher Ermittlungen klarer als die Polizei selbst beurteilt hätte. Es kann auch eine Rolle spielen, daß der Angeklagte zwar zunächst am 23. November 2001 sich auf ein Gespräch vom Handy seiner Frau aus berufen hat, er am 1. Dezember 2001 dann aber ohne erkennbare Erläuterung und daher
zember 2001 dann aber ohne erkennbare Erläuterung und daher eher verwirrend Belege für Anrufe vom Festnetz aus vorgelegt hat. 3. Im Pkw des Angeklagten wurden eine Reihe von DNA-Spuren sichergestellt , mehrere stammen von Frau H. . So war etwa eine Spur, von der anzunehmen sei, daß es sich um ihr Blut handele, an der Innenseite der Fahrertür. Die Strafkammer erwägt, daß Frau H. , vom Angeklagten unbemerkt , (vgl. oben III 2 a), aus der Nase geblutet haben könnte, und dieses Blut dann mit einem feuchten Tuch an die Fahrertür gewischt worden sein kann. Es ist (auch hier) zumindest nicht klar erkennbar, warum es sich dabei um mehr als eine nur theoretische Erwägung handeln könnte. Im übrigen gehen zwar die jeweils sehr geringen Mengen von Blut von Frau H. die , dieser und den übrigen im Innenraum und an der Beifahrertür gesicherten Spuren zugrunde liegen und die darüber hinaus in Papiertaschentüchern in der Handtasche von Frau H. festgestellt worden sind, nicht auf die Tötung von Frau H. zurück, weil dabei sehr viel mehr Blut geflossen sein muß. Sie könnten aber immerhin darauf hinweisen, daß es in dem Pkw zu Geschehen gekommen ist, das mit der Schilderung des Angeklagten von einem insgesamt völlig harmlosen Vorgang - FrauH. ist eingestiegen, mitgefahren und wieder ausgestiegen - schwerlich vereinbar erscheint. 4. Weil Bargeld und einige sonstige Gegenstände von Frau H. - fehlten, geht die Strafkammer, ersichtlich am Anklagevorwurf orientiert, von Raubmord aus. Auch dies spräche angesichts der deutlich überdurchschnittlichen Vermögensverhältnisse des Angeklagten (er hatte zeitweise ein Jahreseinkommen von über 500.000 DM und betrieb zuletzt ein Call-Center in Ungarn ) gegen seine Täterschaft. Es sei angesichts der Gesamtumstände ohne weiteres erkennbar gewesen, daß sie nicht sehr viel Geld oder besondere
Wertgegenstände bei sich gehabt hätte. Auch gegen diese Erwägung bestehen Bedenken. Unabhängig davon, ob die kleine Schnittwunde im Bereich des Handgelenks, in der sich Isolierbandpartikel befanden, Rückschlüsse auf die Person des Täters zuläßt, spricht sie jedenfalls dagegen, daß es dem Täter allein um materielle Bereicherung ging. Es wäre daher die Möglichkeit zu erörtern gewesen, ob durch die Wegnahme des Geldes und der übrigen Gegenstände eine falsche Spur gelegt werden sollte.

V.

Der Senat hat entsprechend dem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag des Generalbundesanwalts die Sache an ein anderes Landgericht zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO, 2. Alternative). Nack Wahl Hebenstreit Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 371/08
vom
4. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Überlassung von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren
Verbrauch an eine Minderjährige u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Dezember
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 1. April 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer als Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Überlassung von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an eine Minderjährige zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Wegen des weiteren Anklagevorwurfs, die nach der Einnahme der Betäubungsmittel Widerstandsunfähige sexuell missbraucht und misshandelt zu haben, hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Die Nebenklägerin greift den (Teil-)Freispruch an und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel der Nebenklägerin hat mit der Sachrüge Erfolg; die Revision des Angeklagten ist dagegen unbegründet.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts begaben sich der zur Tatzeit 26 Jahre alte Angeklagte und die damals 15jährige Nebenklägerin nach einer Feier auf einen Spielplatz. Die Nebenklägerin stand merklich unter Alkoholeinfluss. Sie hatte außerdem ein Viertel einer "XTC-Tablette" (ein Amphetaminderivat ) konsumiert, was der Angeklagte wusste. Sie bewegte sich in Schlangenlinien und musste dabei vom Angeklagten gestützt werden. Auf dem Spielplatz überließ der Angeklagte der Nebenklägerin, deren Alter ihm bekannt war, eine "Portion" eines Kokain-Amphetamin-Gemischs zum sofortigen Konsum. Danach kam es - zwischen 0.30 und etwa 2.00 bis 3.00 Uhr - auf einer nahe gelegenen Wiese zu sexuellen Kontakten zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin, die die Strafkammer nicht näher aufklären konnte.
3
Die Anklage geht davon aus, dass die Nebenklägerin zu diesem Zeitpunkt so deutlich unter der Wirkung des Alkohols, des Kokains und der Tablette stand, dass sie nur noch mitbekam, dass der Angeklagte ihr mit seiner Zunge durch das Gesicht leckte. Dann habe sie einen "Blackout" gehabt. Als sie nicht mehr in der Lage gewesen sei, sich zu wehren, habe der Angeklagte mit ihr den vaginalen Geschlechtsverkehr durchgeführt, wobei er auch entweder mit der Faust oder einem stumpfen Gegenstand größeren Durchmessers in ihre Scheide eingedrungen sei.
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Festgestellt hat das Landgericht, dass die Nebenklägerin "am Ende des sexuellen Kontakts" bis auf die Socken entkleidet war, sie einen Dammriss ersten Grades von fünf Zentimetern Länge erlitten hatte und im Scheidenbereich sehr stark blutete. Sie konnte die Blutung nicht stoppen, geriet in Panik, lief nach Hause, wo sie zwischen drei und vier Uhr morgens eintraf, und musste zur Versorgung der Verletzung in ein Krankenhaus gebracht werden.
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2. Der Angeklagte hat das Überlassen des Betäubungsmittels an die Nebenklägerin eingeräumt. Das ihm vorgeworfene weitere Geschehen hat er bestritten. Die Nebenklägerin habe ihn vielmehr auf der Wiese gestreichelt, ihm ein Kondom gegeben, sich ausgezogen, ihn zunächst oral befriedigt und, als er am Boden gelegen habe, sich auf ihn gesetzt und dann den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihm durchgeführt. Das Ganze habe etwa zehn Minuten gedauert. Möglicherweise sei er mit seinem Glied abgerutscht. Die Nebenklägerin habe dann geäußert, dass sie Schmerzen verspüre. Er habe sofort aufgehört. Die Nebenklägerin habe stark geblutet. Man habe anschließend noch geraucht und sich dann getrennt.
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3. Das Landgericht hat der Nebenklägerin nicht geglaubt, dass sie das Bewusstsein verloren und keine Erinnerung mehr an das sexuelle Geschehen habe. Nach den sachverständigen Ausführungen des Toxikologen sei auszuschließen , dass sich die Nebenklägerin auf Grund des Einflusses von Alkohol, Arzneistoffen und Betäubungsmitteln in einem Zustand befunden habe, der zu einer Bewusstseinseintrübung oder gar zu einer Widerstandsunfähigkeit im Sinne des § 179 StGB bei ihr geführt habe. Die objektiv festgestellten Verletzungen der Nebenklägerin ließen "nicht zwingend" den Schluss zu, dass es nicht zu einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gekommen sei. Der rechtsmedizinische Sachverständige Dr. Sch. habe zwar berichtet, dass bislang weder er noch seine Kollegen das Auftreten einer derartigen Verletzung nach einvernehmlichem Geschlechtsverkehr hätten feststellen können; der Rechtsmediziner habe gleichwohl nicht "mit absoluter Sicherheit" ausschließen können, dass dies nicht doch möglich sei. Da bei der Nebenklägerin keine Abwehrverletzungen hätten festgestellt werden können, sei auch eine Vergewaltigung nicht nachzuweisen. Die Verurteilung wegen eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Körperverletzungsdelikts komme nicht in Betracht, weil nicht habe festgestellt werden können, welche Praktiken der Angeklagte und die Nebenklägerin ausgeübt hätten.

II.


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Revision der Nebenklägerin
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1. Die Revision der Nebenklägerin hat Erfolg. Zwar muss es das Revisionsgericht regelmäßig hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht , weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag; denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt jedoch, ob das Landgericht überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ-RR 2005, 147; BGH NStZ 2004, 35, 36). Das ist hier der Fall.
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Das Landgericht stützt seine Auffassung, es sei möglicherweise zu einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin gekommen, darauf, dass der rechtsmedizinische Sachverständige nicht "mit absoluter Sicherheit" habe ausschließen können, dass der von der Nebenklägerin erlittene Dammriss ersten Grades von fünf Zentimetern Länge auch bei einem einverständlichen Geschlechtsverkehr entstehen könne. Diese Möglichkeit ist jedoch - wie sich aus dem Urteil selbst ergibt - rein denktheoretischer Art; denn der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass bisher weder er noch seine Kollegen das Auftreten einer solchen Verletzung nach einvernehmlichem Geschlechtsverkehr hätten feststellen können. Auf rein denktheoretische Möglichkeiten kann aber ein Freispruch nicht gestützt werden; denn eine absolute, das Gegenteil denknotwendig - “zwingend“ - ausschließende und von niemanden anzweifelbare Gewissheit ist für eine Verurteilung nicht erforderlich. Es genügt vielmehr ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige und nicht bloß denktheoretisch mögliche Zweifel nicht zulässt. Das hat die Strafkammer nicht bedacht, jedenfalls ist dies aus den Urteilsgründen nicht erkennbar. Hinzu kommt, dass sich nicht erschließt, warum die zur Tatzeit erst 15 Jahre alte Nebenklägerin bewusstseinsklar und freiwillig mit dem Angeklagten eine Sexualpraktik ausgeübt haben sollte, die bei ihr zu einer solch schwerwiegenden Verletzung führte. Obwohl sich dies aufdrängte, hat sich das Landgericht auch damit nicht auseinandergesetzt. Zu dieser Auseinandersetzung drängte insbesondere die auch aufgrund der Angaben des Angeklagten getroffene Feststellung (UA 11, 12, 14), dass die Nebenklägerin bereits vor dem Konsum des Kokain-Amphetamin-Gemischs deutliche Ausfallerscheinungen zeigte, sie merklich unter Alkoholeinfluss stand, sich in Schlangenlinien bewegte und vom Angeklagten gestützt werden musste.
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2. Die Sache muss daher auf die Revision der Nebenklägerin neu verhandelt und entschieden werden. Der Senat hebt das Urteil insgesamt auf, um dem neuen Tatrichter Feststellungen dazu zu ermöglichen, ob der Angeklagte der Nebenklägerin möglicherweise gezielt Substanzen (Betäubungsmittel) überlassen oder verabreicht hat, um gegen ihren Willen sexuelle Handlungen an ihr vornehmen zu können, das Betäubungsmittel-Delikt also gegebenenfalls in Tat- einheit mit dem Folgedelikt steht (vgl. hierzu BGHR StGB § 177 Abs. 1 Gewalt 9, 14; Fischer, StGB 55. Aufl. § 177 Rdn. 7 sowie BGH NStZ-RR 2006, 10, 11; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 353 Rdn. 6 a).
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In der neuen Verhandlung wird es sich empfehlen, unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (vgl. BGH NStZ 2002, 490), nähere Feststellungen zur Persönlichkeit und zur Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin zu treffen. Deren Aussagen sollten im Wesentlichen insgesamt mitgeteilt werden. In rechtlicher Hinsicht wird im Hinblick auf das mögliche strafrechtlich relevante Folgegeschehen neben den Tatbeständen der §§ 177, 179 StGB und Körperverletzungsdelikten gegebenenfalls auch § 182 StGB zu prüfen sein.

III.


12
Revision des Angeklagten
13
Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der erhobenen Sachrüge hat keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler aufgezeigt. Die im Urteil getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch; auch die Strafzumessung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
14
Da das Rechtsmittel der Nebenklägerin zur Urteilsaufhebung und zur Zurückverweisung der Sache führt, ist die Kostenbeschwerde des Angeklagten, mit der er sich gegen die Auferlegung der notwendigen Auslagen der Nebenklägerin wendet, gegenstandslos (vgl. Meyer-Goßner aaO § 464 Rdn. 20). Die durch das (erfolglose) Rechtsmittel des Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin hat der Angeklagte nach § 473 Abs. 1 Satz 2 StPO zu tragen.
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann