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| Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). |
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| Die Klägerin war - ursprünglich gemeinsam mit ihrem Ehemann - Mieterin einer Wohnung der Beklagten. Im Jahre 2009 geriet sie mit der Zahlung der seinerzeit vereinbarten Miete (Kaltmiete: 558,60 EUR; Warmmiete: 728,54 EUR) in Rückstand. Die Beklagte kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 03.04.2009 fristlos wegen Mietrückständen in Höhe von 1.414, 99 EUR. Sie erhob am 07.05.2009 Räumungsklage (2 C 1490/09 des Amtsgerichts Freiburg), wobei zu diesem Zeitpunkt noch ein Mietrückstand in Höhe von 553,53 EUR bestand, der während des Verfahrens ausgeglichen wurde. Die Klägerin bestritt die Wirksamkeit der Kündigung, da am 03.04.2009 lediglich ein Rückstand in Höhe von 686,45 EUR bestand. Erst bei Zugang der Kündigung sei auch die April-Miete fällig gewesen, weshalb auch erst zu diesem Zeitpunkt die Kündigungsvoraussetzungen möglicherweise vorgelegen hätten. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Landgerichts Duisburg (ZMR 2006, 532) und Kommentarliteratur, vertrat die Klägerin die Auffassung, es käme für die Frage der Wirksamkeit auf den Zeitpunkt der Abgabe der Kündigungserklärung an. Im Räumungsrechtsstreit schob die Beklagte eine erneute Kündigung wegen ständiger unpünktlicher Mietzahlungen nach. Zwischen den Parteien war umstritten, ob diese zur Beendigung des Mietverhältnisses führen konnte, nachdem die Klägerin neben mangelndem Verschulden auch eingewandt hatte, die Beklagte habe ihre Zahlungsweise über Jahre hinweg trotz Mahnungen akzeptiert. Der Klägerin und damaligen Beklagten wurde auf ihre Beschwerde hin Prozesskostenhilfe bewilligt (LG Freiburg -3 T 221/09-). Der Räumungsrechtsstreit endete sodann am 20.05.2010 mit folgendem Vergleich (§ 278 Abs. 6 ZPO): |
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| § 1 Die Beklagte Ziffer 1 räumt die im Hause xxxxx im Erdgeschoss links gelegene 3-Zimmer-Wohnung nebst Küche, Diele, Bad, WC; Kellerabteilung und Freisitzfläche und gibt sie mit den zugehörigen Schlüsseln an die Klägerin heraus. Die Beklagte Ziffer 1 verzichtet auf Räumungs- und Vollstreckungsschutz, soweit gesetzlich zulässig. |
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| § 2 1. Die Beklagte Ziffer 1 verpflichtet sich, eine ortsübliche Nutzungsentschädigung (derzeit in Höhe der vereinbarten Miete) spätestens zum jeweils 3. Werktag eines jeden Monats zu zahlen. 2. Die Klägerin verpflichtet sich, hinsichtlich der Räumung solange keine Vollstreckung einzuleiten, wie die Nutzungsentschädigung vollständig und pünktlich jeweils spätestens am 3. Werktag eines Monats bei ihr eingeht. Sofern die Beklagte Ziffer 1 verspätet (am 4. Werktag) leistet oder auch nur mit einem Teil einer Monatsnutzungsentschädigung in Rückstand gerät, kann die Klägerin die Vollstreckung einleiten. 3. Die vorgenannte Vereinbarung gilt für die Dauer von vier Jahren (bis 25.3.2014). Für die Dauer dieser vier Jahre besteht ein Nutzungsverhältnis, auf das die bisherigen mietvertraglichen Regelungen Anwendung finden. 4. Die Parteien vereinbaren, nach Ablauf der vierjährigen Vergleichsregelung einen neuen Mietvertrag abzuschließen (nur noch zwischen der Klägerin und der Bekl. Ziffer 1) mit dann noch zu verhandelnden Konditionen. Bei Uneinigkeiten wird die Miethöhe am Mietspiegel ausgerichtet werden; dabei darf die dann zu vereinbarende Miete die zuletzt gezahlt Nutzungsentschädigung nicht unterschreiten. Im Übrigen wird bei Uneinigkeiten der dann gültige Formularmietvertrag der Klägerin dem Mietverhältnis zugrunde gelegt werden, der nur Bestimmungen enthalten darf, die der dann aktuellen Rechtslage entsprechen. |
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| § 3 Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben, soweit die Kosten des Verfahrens nicht vom Beklagten Ziffer 2 aufgrund seiner Säumnis zu tragen sind. |
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| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten 2 C 1490/09 des Amtsgerichts Freiburg Bezug genommen. |
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| In der Folgezeit zahlte die Klägerin zunächst regelmäßig und rechtzeitig die nach dem Vergleich geschuldete Nutzungsentschädigung. Die Beklagte nahm im November 2010 eine „Mieterhöhung“ auf eine Warmmiete von 788,54 EUR (Kaltmiete: 618,60 EUR) vor. Die Erhöhung wurde von der Klägerin, die als alleinerziehende Mutter zweier minderjähriger Kinder auf Sozialleistungen angewiesen ist, akzeptiert. Im Juli und August 2012 wurden infolge eines Bankversehens statt jeweils 788,54 EUR lediglich jeweils 778,00 EUR an die Beklagte überwiesen. Mit Schreiben vom 29.08.2012 teilte diese der Klägerin mit, dass sie deswegen die Vollstreckung aus dem Vergleich eingeleitet habe. Den fehlenden Betrag (2 x 10,54 EUR) hat die Klägerin am 31.08.2012 überwiesen. |
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| Die Klägerin erhob Vollstreckungsgegenklage, wobei sie sich zu deren Begründung u.a. darauf berufen hat, sie träfe kein Verschulden an den verspäteten Zahlungen. Das Amtsgericht folgte dieser Argumentation und gab der Vollstreckungsgegenklage mit folgender Tenorierung statt: |
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| Die Vollstreckung aus dem Vergleich des AG Freiburg vom 20.5.10 - 2 C 1490/09 - wird mit der Maßgabe für unzulässig erklärt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist wegen der umgehend ausgeglichenen Wenigerzahlung von 2 x 10,54 EUR auf die Mieten in den Monaten Juli und August 2012 die Vollstreckung einzuleiten. |
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| Mit ihrer gegen das Urteil eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, das Verschulden der Bank sei der Klägerin zuzurechnen. Auch hätte die Klägerin die Gefahr einer Fehlüberweisung bei einer sogenannten „Blitz- bzw. Eilüberweisung“, wie sie für die Monate Juli und August 2012 erfolgte, voraussehen können. |
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| Unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Freiburg vom 11.12.2012, Az. 11 C 3032/12 wird die Klage kostenpflichtig abgewiesen. |
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| Die Berufung wird zurückgewiesen. |
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| Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil mit der Erwägung, sie sei nur wegen verspäteter Zahlungen durch die Sozialbehörde (Jobcenter) unter Zeitdruck geraten und habe alles für eine rechtzeitige Zahlung getan. |
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| Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die erstinstanzliche Akte und den vorgetragenen Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. |
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| Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Eine Vollstreckung aus dem Vergleich wegen der aus dem Tenor des amtsgerichtlichen Urteils ersichtlichen zweimaligen Minderzahlungen verstößt jedenfalls gegen § 242 BGB. |
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| Die Vollstreckungsgegenklage ist zulässig. |
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| Erstinstanzlich hatte sich die Klägerin allerdings u.a. auch auf eine Unwirksamkeit des Vergleichs wegen Sittenwidrigkeit der in § 2 Ziffer 3 vereinbarten Bindungsdauer berufen. Der Streit über die Wirksamkeit des Vergleichs wäre jedoch nicht im Wege der Vollstreckungsgegenklage, sondern durch Fortsetzung des alten Verfahrens auszutragen. Das Schwergewicht der Argumentation der Klägerin lag hierauf jedoch nicht, weshalb die Vollstreckungsgegenklage der richtige Rechtsbehelf ist, wovon auch der Bundesgerichtshof in einem insoweit vergleichbaren Sachverhalt ausgegangen ist (BGH, Urteil vom 14.10.2009 - VIII ZR 272/08 -). |
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| 2. Nicht entschieden werden muss auch, ob die Vollstreckungsgegenklage bereits deshalb Erfolg hat, weil die Bestimmungen in § 2 Ziffer 2 und Ziffer 3 des Vergleichs nach § 555 BGB oder § 572 Abs. 2 BGB unwirksam wären. |
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| Soweit der Bundesgerichtshof (aaO) im dortigen Fall eine Anwendung des § 555 BGB verneint hat, lag dem eine nicht ohne Weiteres vergleichbare Konstellation zu Grunde. Im Fall des Bundesgerichtshofs bestand unstreitig ein zur Kündigung berechtigender Mietrückstand, der im Vergleich auch festgeschrieben worden war. Vorliegend war der Ausgang des Vorprozesses jedoch durchaus offen (vgl. auch die Begründung des Beschlusses des Landgerichts Freiburg vom 10.11.2009 -3 T 221/09-). Es lag daher die Situation eines - vergleichstypischen - gegenseitigen Nachgebens vor. Ob in einem solchen Fall die Bestimmung des § 555 BGB eingreift, ist in der Rechtsprechung ebenso wenig geklärt wie die Frage, ob durch den Räumungsvergleich ein neues Mietverhältnis begründet wurde, dessen auflösende Bedingung (§ 2 Nr. 2 des Vergleichs) nach § 572 Abs. 2 BGB unwirksam ist (vgl. zur Problematik: Flatow JurisPR - MietR 26/2009 Anmerkung 5; Blank, NZM 2010, 31 f). Da eine Vollstreckung aus dem Vergleich, dessen Wirksamkeit unterstellt, jedenfalls an § 242 BGB scheitert, kommt es auf die Entscheidung der genannten Rechtsfragen im vorliegenden Fall jedoch nicht an. |
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| 3. Die Klägerin hat die unvollständige Zahlung der Mieten Juli und August 2012 entgegen der Ansicht des Amtsgerichts allerdings durchaus zu vertreten, weshalb es nicht weiter darauf ankommt, ob sie für eine verspätete Zahlung nach dem Vergleichstext auch ohne Verschulden einzustehen hätte. Für Zahlungsverzögerungen oder Falschüberweisungen, die durch Erfüllungsgehilfen verursacht werden, muss der Mieter nämlich eintreten. Zu den Erfüllungsgehilfen gehört vorliegend auch die durch die Klägerin beauftragte Sparkasse (Schmidt-Futterer/Blank § 543 Rn. 97 m.w.N.), die hier mit vorgelegtem Schreiben vom 03.09.2012 dann auch bestätigt hat, dass ihr in der Eile ein Flüchtigkeitsfehler unterlaufen ist, der sich unbemerkt in den Folgemonat geschlichen hat. |
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| Ein darüber hinausgehendes Verschulden der Klägerin liegt auf der Grundlage der fehlerfrei getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts jedoch nicht vor. Es ist gerichtsbekannt und von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt, dass Zahlungen der Sozialbehörde nach SGB II zum Stichtag des jeweils Monatsersten erfolgen, auch wenn die Zahlungen im Einzelfall auch schon einmal am Monatsletzten des Vormonats auf dem Konto gut geschrieben sein können. Die Sozialbehörde (Jobcenter) hat hier ausdrücklich bescheinigt, dass die verspäteten Zahlungen der Leistungen für Juli, August und September 2012 in dessen Verantwortungsbereich fielen (vgl. insoweit auch BGH NJW 2009, 3782 f). Wie hoch die Leistungen der Sozialbehörde tatsächlich waren und ob diese die Miete ganz oder nur zum Teil an die Klägerin überwiesen hat, ist unerheblich. Zum Zeitpunkt der Eilüberweisung wies das Konto der Klägerin nämlich unstreitig die nötige Deckung auf, weshalb sie sich darauf verlassen konnte, dass die Sparkasse den Auftrag korrekt ausführt. Zu besonderen Überwachungsmaßnahmen war sie nicht verpflichtet. |
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| Unbestritten hat die Klägerin seit Abschluss des Vergleichs die monatliche Nutzungsentschädigung über zwei Jahre hinweg regelmäßig und fristgerecht geleistet und auch eine „Mieterhöhung“ akzeptiert. Sie hat alles getan, um den rechtzeitigen Eingang der Mietzahlungen bei der Beklagten sicherzustellen, was sich schon in der Tatsache zeigt, dass sie die Zahlungen teilweise per „Blitzüberweisung“ leistete (für die nach den Bedingungen der Sparkasse eine Gebühr von 15,00 EUR anfällt). Zu berücksichtigen ist auch, dass die Klägerin das Versehen ihrer Bank sofort korrigierte, als die Beklagte sie hierauf mit Schreiben vom 29.08.2012 aufmerksam machte. Bereits am 31.08.2012 wurde der fehlende, geringfügige, Differenzbetrag an die Beklagte überwiesen. |
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| Aufgrund dieser Besonderheiten lagen hier, anders als im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (Urteil vom 14.10.2009 - VIII ZR 272/08 - ), die Voraussetzungen des § 242 BGB vor, wonach die Vollstreckung aus dem Vergleich treuwidrig ist, zumal, ebenfalls anders wie im Fall des Bundesgerichtshofs, vorliegend der Ausgang des ursprünglichen Räumungsrechtsstreits zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses durchaus offen war (vgl. zur Anwendung des § 242 BGB in der vergleichbaren Konstellation einer rechtsmissbräuchlichen Kündigung, wenn eine Zahlungsverzögerung ausschließlich auf dem Verschulden eines Dritten beruht: Schmidt-Futterer/Blank § 543 Rn. 132). |
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| Soweit die Klägerin im November 2012 einen Betrag iHv 0,54 EUR zu wenig überwiesen hat, ist hierdurch zum einen nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin infolge vorangegangener, geringfügiger, Zuvielüberweisungen schon kein Mietrückstand entstanden. Zudem ist die Frage, ob die Beklagte auf Grund dieser Minderzahlung zur Vollstreckung aus dem Vergleich berechtigt ist, nicht Gegenstand der Entscheidung des Amtsgerichts. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit erging gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Die Kammer weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und erfordert auch keine Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 ZPO, da für die Entscheidung, ob die Voraussetzungen des § 242 BGB vorliegen, die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgebend sind. |
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