Landgericht Düsseldorf Urteil, 17. März 2015 - 10 O 131/14
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Darlehensvertrag vom 30.07.2007 über einen Nettokredit in Höhe von 100.000,00 € mit der Darlehens-Nr. 6 200 125 810 durch den Widerruf des Klägers vom 22.08.2013 beendet worden ist.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.358,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.05.2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagten zu 1/3.
Das Urteil ist für die Parteien in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d :
3Die Parteien schlossen am 30.07.2007 einen Darlehensvertrag (Nr. 6 200 125 810) über eine Gesamtsumme in Höhe von 100.000,00 €. Der Kläger verwendete das Geld zur Zahlung des Kaufpreises des von ihm bewohnten Grundbesitzes. Hierzu hatte er unter dem 19.07.2007 einen notariellen Kaufvertrag geschlossen (UR-Nr. 1586/2007S), der den Kaufpreis zum 31.07.2007 fällig stellte. Zur Sicherung des Darlehens wurde eine erstrangige Buchgrundschuld in Höhe von 100.000,00 € im Grundbuch von Ratingen, Blatt X, Flur X, Flurstück X bestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Darlehensvertrages wird auf Anlage K 5 verwiesen.
4Im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag unterzeichnete der Kläger eine ihm ebenfalls ausgehändigte Widerrufsbelehrung. In der verwendeten Widerrufsbelehrung heißt es:
5„Widerrufsbelehrung zu 1 Darlehen Nr. 6 200 125 810
6Widerrufsrecht
7Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen2
8ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an:
9(Name, Firma und ladungsfähige Anschrift des Kreditinstituts, ggf. Fax-Nr., E-Mail-Adresse und/oder, wenn der Verbraucher eine Bestätigung seiner Widerrufserklärung erhält, auch eine Internet –Adresse).
10X
11[…]
12Unterhalb der Unterschrift des Klägers befinden sich folgende Fußnotentexte:
13„ 1 Bezeichnung des konkret betroffenen Geschäfts, z.B. Darlehensvertrag vom ….
142 Bitte Frist im Einzelfall prüfen.“
15Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf Anlage K 5 Bezug genommen.
16In der Folgezeit zahlte der Kläger die vereinbarten monatlichen Zins- und Tilgungsraten in Höhe von jeweils 529,17 €. Im Januar 2009 stellte er seine diesbezügliche erteilte Einzugsermächtigung auf eine andere Kontoverbindung um.
17Mit Schreiben vom 22.08.2013 erklärte der Kläger den Widerruf des Darlehensvertrages (Anlage K4). Mit Schreiben vom 09.09.2013 teilte er der Beklagten mit, die weiteren Darlehensraten unter Vorbehalt zu zahlen und bot an, „den aktuellen Darlehenssaldo zu zahlen“, Anlage K5.
18Der Kläger ist der Auffassung, die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung verstoße durch die Verwendung des Begriffs „frühestens“ gegen das Deutlichkeitsgebot. Da die Belehrung nicht der Musterwiderrufsbelehrung der Anlage 2 des § 14 BGB-InfoV entspreche, könne sich die Beklagte auch nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen, weshalb eine inhaltliche Überprüfung der Belehrung vorzunehmen sei. Vorliegend verstoße die Belehrung - nicht nur marginal - gegen die Vorgaben der Musterbelehrung, und dies insbesondere im Hinblick auf die von der Beklagten abweichend eingefügten zwei Fußnoten. Die zweite Fußnote mit dem Inhalt „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“ führe zur Irritationen auf Seiten des Darlehensnehmers. Des Weiteren weise die Belehrung einen erheblichen Fehler im Bereich der Belehrung zu den „finanzierten Geschäften“ auf, weil vorliegend zum Einen kein finanziertes Geschäft gegeben sei, zum Anderen kumulative Belehrungen im zweiten Satz des ersten Absatzes verbundene Geschäfte beträfen und damit der Darlehensnehmer sich aussuchen könne, auf welche Vertragsart sich diese Belehrung beziehen solle.
19Der Kläger behauptet weiter, ausweislich der handschriftlichen Berechnungen seines Prozessvertreters (Anlage 1) belaufe sich der aktuelle Darlehenssaldo auf 87.460,06 € abzüglich seiner weiterhin gezahlten monatlichen Darlehensraten in Höhe von 529,17 €. Er müsse an die Beklagte jedenfalls keinen höheren Betrag als 86.822,19 € zahlen.
20Der Kläger hat ursprünglich angekündigt zu beantragen,
211.
22festzustellen, dass der Darlehensvertrag vom 30.07.2007 über einen Nettokredit in Höhe von 100.00,00 € mit der Darlehens-Nr. 6 200 125 810 durch seinen Widerruf vom 22.08.2013 zum 22.08.2013 beendet worden ist;
232.
24festzustellen, dass er der Beklagten aus dem Kreditvertrag Nr. 6 200 125 810 zum 30.03.2014 die fällige Restvaluta in Höhe von 87.460,06 € schuldet;
253.
26festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Annahme der Restvaluta gemäß Klageantrag zu Ziffer 2 im Annahmeverzug befindet;
274.
28die Beklagte zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch von Ratingen, Blatt 4276 Abt. 3 zu ihren Gunsten eingetragene Grundschuld im Nennwert von 100.000,00 € zu erteilen;
295.
30die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.348,94 € nebst gesetzlichem Verzugszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
31Mit Schriftsatz vom 25.09.2014 hat er seine Klage in Bezug auf den Klageantrag zu Ziffer 2 geändert und um den Hilfsantrag zu Ziffer 2b ergänzt. Mit Schriftsatz vom 15.01.2015 hat er den Klageantrag zu Ziffer 2 um einen weiteren Hilfsantrag (Ziffer 2a) ergänzt.
32Er beantragt daher nunmehr,
331.
34festzustellen, dass der Darlehensvertrag vom 30.07.2007 über einen Nettokredit in Höhe von 100.00,00 € mit der Darlehens-Nr. 6 200 125 810 durch seinen Widerruf vom 22.08.2013 zum 22.08.2013 beendet worden ist;
352.
36festzustellen, dass er der Beklagten aus dem Kreditvertrag Nr. 6 200 125 810 zum 30.03.2014 die fällige Restvaluta in Höhe von 87.460,06 € abzüglich ab dem 01.04.2014 monatlich gezahlter 529,17 € schuldet;
37hilfsweise,
38a)
39festzustellen, dass er der Beklagten aus dem Kreditvertrag Nr. 6 200 125 810 zum 30.03.2014 nicht mehr als 86.822,19 € abzüglich ab dem 01.04.2014 monatlich gezahlter 529,17 € schuldet;
40hilfsweise,
41b)
42festzustellen, dass er der Beklagten aus dem Darlehensvertrag Nummer 6 200 125 810 nur die nach Abzug sämtlicher Zahlungen des Klägers an die Beklagte zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Zahlung der einzelnen Raten, die verbleibende Nettodarlehenssumme nebst Wertersatz in Form banküblicher Verzinsung der Nettodarlehenssumme schulde;
433.
44festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Annahme der Restvaluta gemäß Klageantrag zu Ziffer 2 im Annahmeverzug befindet;
454.
46die Beklagte zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch von Ratingen, Blatt 4276 Abt. 3 zu ihren Gunsten eingetragene Grundschuld im Nennwert von 100.000,00 € zu erteilen;
475.
48die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.348,94 € nebst gesetzlichem Verzugszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
49Die Beklagte beantragt,
50die Klage abzuweisen.
51Sie ist der Auffassung, der Widerruf sei verfristet, jedenfalls aber rechtsmissbräuchlich erfolgt bzw. verwirkt. Die streitgegenständliche Belehrung entspreche der Musterbelehrung sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf ihre Form. Sie sei lediglich – und zwar allein, um die Verständlichkeit aus Sicht des maßgeblichen „Durchschnittskunden“ zu erhöhen – sprachlich geringfügig umformuliert worden. Diese Modifikationen würden sich aber allein auf den Zusatz für verbundene Geschäfte beziehen, dieser Zusatz sei vorliegend jedoch nicht einmal erforderlich, da es sich nicht um ein verbundenes Geschäft handele. Die verwendete Hochzahl sei lediglich ein Bearbeitungshinweis und habe keine Auswirkung auf den Inhalt oder die Form der Belehrung.
52Die Widerrufserklärung des Klägers sei zudem rechtsmissbräuchlich. Sie behauptet, da dieser bereits den notariellen Kaufvertrag unterzeichnet gehabt und sich gezwungen gesehen habe, bis zum 31.08.2007 eine Finanzierung des Kaufpreises zu erhalten, hätte er den Darlehensvertrag vom 30.08.2007 auch bei einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung nicht widerrufen. Der Kläger habe sich die Widerrufsbelehrung nicht einmal durchgelesen. Mangels Kenntnisnahme des Inhaltes, könnten Abweichungen von der Musterwiderrufsbelehrung ihn erst recht nicht verwirrt haben.
53Der Kläger habe kein schutzwürdiges Interesse geltend gemacht, das einen Widerruf rechtfertige. Ihm gehe es allein darum, von dem gesunkenen Zinsniveau zu profitieren. Zweck eines Widerrufs sei es jedoch, nach einer übereilten Entscheidung die Möglichkeit zu haben, diese zu überdenken und im Anschluss zu widerrufen. Der Kläger, der vorgetragen habe, verwirrt und abgelenkt gewesen zu sein, habe bereits in der Besprechung die Möglichkeit gehabt, Nachfragen zu stellen. Stattdessen habe er die nachfolgenden Raten gezahlte und selbst im Januar 2009 nach Umstellung der Einzugsermächtigung vorbehaltlos weitergezahlt, weshalb sie von einem Fortbestand des Vertrages habe ausgehen dürfen. Sie habe nach sechs Jahren seit Abschluss des Vertrages nicht mehr mit einem Widerruf rechnen müssen. Ein Widerrufsrecht sei daher, ihrer Auffassung nach, verwirkt gewesen. Wegen des weiteren diesbezüglichen Vorbringens der Beklagten wird auf die Klageerwiderung vom 19.08.2014, Bl. 18 ff. GA Bezug genommen.
54Sie behauptet weiter, die handschriftliche Berechnung der Restdarlehensvaluta sei nicht nachvollziehbar. Auch sei nach Auffassung der Beklagten bei der Berechnung der vertraglich vereinbarte Zinssatz zu berücksichtigen, da dieser als marktüblich gelte. Soweit der Kläger Nutzungsersatz geltend mache, betreffe dies allein den gezahlten Zinsanteil und nicht die Tilgungsraten. Auch sei bei einem Immobiliendarlehen lediglich ein Zinssatz von 2,5 Prozentpunkten anzusetzen.
55Ferner befinde sie sich nicht im Annahmeverzug, weil ihr die Restdarlehensvaluta einschließlich Zinsen bisher nicht angeboten worden sei.
56Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die im Folgenden getroffenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.
57E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
58Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
59I.
60Der Feststellungsantrag zu Ziffer 1 ist gemäß § 256 ZPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Widerrufserklärung des Klägers vom 22.08.2013 ist wirksam, da dem Kläger gemäß §§ 495, 355 Abs. 1 BGB in der Fassung vom 02.12.2004 ein Widerrufsrecht zustand, das zum Zeitpunkt der Erklärung noch nicht erloschen war.
61Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die zweiwöchige Widerrufsfrist des § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. mangels ordnungsgemäßer Belehrung gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. nicht zu laufen begonnen.
62Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist daher gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. auch über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren (vgl. Brandenburgisches OLG, Urteil v. 17.10.2012, Az. 4 U 194/11). An einer solchen hinreichenden Belehrung fehlt es im vorliegenden Fall, weshalb auch das Widerrufsrecht nicht gemäß § 355 Abs. 3 S. 1 BGB a.F. sechs Monate nach Vertragsschluss erloschen ist. Unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die in der vorliegenden Vertragsurkunde enthaltende Widerrufsbelehrung hinsichtlich des Beginns der Frist unzureichend (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2012, Az. III ZR 83/11 m.w.N.).
63Durch die Verwendung des Begriffs „frühestens“ wird der Verbraucher nach geltender Rechtsprechung (vgl. BGB a.a.O.) nicht eindeutig über den Beginn der Widerrufsfrist belehrt. Der Verbraucher kann der verwendeten Formulierung zwar entnehmen, dass der Beginn des Fristlaufs gegebenenfalls noch von weiteren Vor-aussetzungen abhängt, er wird jedoch darüber im Unklaren gelassen, um welche (etwaigen) Umstände es sich dabei handelt.
64Ohne Erfolg wendet die Beklagte ein, dass die Widerrufsfrist gleichwohl zu laufen begonnen habe, weil die Belehrung dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bis zum 31.03.2008 geltenden Fassung entsprochen habe, und sie sich daher auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen könne. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann sie sich nicht auf diese Gesetzesfiktion berufen, da sie gegenüber dem Kläger kein Formular für die Widerrufsbelehrung verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der damaligen Fassung in der jeder Hinsicht entspricht. Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass sich ein Unternehmer auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV von vornherein nur dann berufen kann, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (vgl. BGH, Urteil v. 01.12.2010, Az. VIII ZR 82/10; BGH, Urteil v. 01.03.2012, Az. III ZR 83/11; BGH, Urteil v. 18.03.2014, Az. II ZR 109/13). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
65Die verwendete Widerrufsbelehrung enthält zwei Fußnotenverweise ( „ zu 1 “ sowie „Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen 2 “ […]), die in dem Mustertext nicht enthalten sind und damit eine Abweichung hiervon darstellen.
66Bei den eingefügten Fußnoten handelt sich sowohl um eine formale Abweichung vom Mustertext als auch um eine inhaltliche, da insbesondere die Ausführung zur zweiten Fußnote („Bitte Frist im Einzelfall prüfen“) eine Aufforderung an den Kunden beinhaltet, die der Mustertext nicht vorsieht. Hierbei handelt es sich auch nicht um eine marginale Abweichung zum Mustertext, da der Kunde – insbesondere durch die Ausführungen zur zweiten Fußnote – den Eindruck gewinnen kann, er müsse den Fristbeginn selbständig prüfen. Dies führt ganz offensichtlich zu weiteren Unklarheiten des Verbrauchers hinsichtlich des Fristbeginns (so auch: OLG München, Urteil v. 21.10.2013, Az., 19 U 1208/13, Brandenburgisches OLG a.a.O). Die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung kann daher nicht an die Fiktionswirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV anknüpfen.
67Die Kammer folgt damit nicht der in der Rechtsprechung teilweise verfolgten Auffassung, wonach eine Abweichung vom Mustertext durch die eingefügten Fußnotenverweisungen nicht ersichtlich sei, da sich lediglich die Ziffern in dem Belehrungstext befänden, während der dazugehörige Text zum Einen unterhalb der Unterschrift des Darlehensnehmer stehe und diese sich zum Anderen erkennbar an den Sachbearbeiter der Bank wende (vgl. LG Berlin GWR 2013, S. 232; LG Hagen, Urteil v. 30.10.2014, Az. 9 O 73/14; LG Nürnberg-Fürth, Urteil v. 13.03.2014, Az. 10 O 7640/13).
68Fußnoten ist es immanent, dass sie als Ziffern im Text erkennbar sind und sich der dazugehörige Text am Ende der Seite befindet. Eine Fußnote ist eine Anmerkung, die im Druck-Layout aus dem Fließtext ausgelagert wird, um den Text flüssig lesbar zu gestalten. Angesichts dessen bezieht der Leser (automatisch) durch die Fußnotenverweise den Text der Fußnoten in den Belehrungstext mit ein. Die teilweise angenommene Trennung (vgl. LG Berlin a.a.O.) ist lebensfremd und widerspricht dem Sinn und Zweck der Verwendung einer Fußnote.
69Soweit die Beklagte die Auffassung, vertritt die Fußnote richte sich ganz offensichtlich an ihre Mitarbeiter (so auch: LG Berlin a.a.O, LG Hagen a.a.O, LG Nürnberg-Fürth a.a.O.), die nach Prüfung die jeweils einschlägige Frist einsetzen sollten, überzeugt dies nicht, denn wenn es sich um eine Art Arbeitsanweisung für Mitarbeiter handeln soll, erklärt das nicht, warum die Fußnote dann in der Ausfertigung für den Verbraucher verblieben ist.
70Auch ist dem Inhalt der Fußnote nicht zweifelsfrei zu entnehmen, dass es sich hierbei allein um eine Anweisung an den Sachbearbeiter handelt. Die Formulierung „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“ ist nicht ergänzt durch die Nennung eines potentiellen Adressaten wie etwa „Anweisung an Sparkassen-Mitarbeiter“ o.ä. und kann vom Kunden durchaus so verstanden werden, dass er die in Betracht kommende Frist zu ermitteln hat. Die durch diese missverständliche Formulierung entstehenden Unsicherheiten können nach Auffassung der Kammer nicht zu Lasten des Widerrufsberechtigten gehen.
71Ohne Erfolg wendet die Beklagte in diesem Zusammenhang ein, dass der Kläger die Widerrufsbelehrung nicht gelesen habe und damit auch keine (weitere) Unklarheit bei ihm entstehen konnte. Für die Frage der Abweichung von dem Muster in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV und der hieran anknüpfenden Fiktion kommt es nicht auf den Leser im Einzelfall an, vielmehr ist allein der objektive Empfängerhorizont maßgebend (vgl. hierzu BGH, Urteil v. 15.08.2012, Az. VIII ZR 378/11 m.w.N.; OLG Karlsruhe, Urteil v. 08.12.2011, Az. 9 U 52/11; Landgericht Dessau-Roßlau, Urteil v. 15.03.2013, Az. 1 T 338/12). Von daher war auch der als Beweismittel für die Behauptung der Beklagten angegebenen Parteivernehmung nicht nachzugehen.
72Angesichts der bereits festgestellten Abweichung von der Musterbelehrung kann dahingestellt bleiben, ob die Belehrung in Bezug auf den Zusatz zu finanzierten Geschäften ebenfalls fehlerhaft ist.
73Der am 22.08.2013 eingelegte Widerruf des Klägers war damit nicht verfristet.
74Auch eine Verwirkung des Widerrufsrechts i.S.d. § 242 BGB ist - entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht gegeben.
75Zwar hat das Oberlandesgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 09.01.2014 (Az. I-14 U 55/13) entschieden, dass das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment bereits nach fünf Jahren angenommen werden könne, was vorliegend erfüllt wäre. Eine Verwirkung scheitert vorliegend jedoch jedenfalls daran, dass das ebenfalls erforderliche sogenannte Umstandmoment nicht vorliegt (vgl. hierzu OLG Nürnberg WM 2014, S. 1953 m.w.N.). In dem vom 14. Senat des Oberlandesgerichts Düsseldorf zu entscheidenden Fall (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O) war der Widerruf des Vertrages erst fünf Jahre nach vollständiger beiderseitiger Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag erfolgt. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Unstreitig war der streitgegenständliche Darlehensvertrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht abgelöst worden, weshalb eine Verwirkung auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des 14. Senats des Oberlandesgerichts Düsseldorf nicht angenommen werden kann.
76Auch sonst sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die eine Verwirkung des Widrrufsrechts i.S.d. § 242 BGB stützen.
77Zwar ist zwischen den Parteinen unstreitig, dass der Kläger seinen Darlehensverpflichtungen uneingeschränkt Folge geleistet und darüber hinaus im Jahr 2009 seine diesbezügliche Einzugsermächtigung geändert hat.
78Allein die ordnungsgemäße, regelmäßige Tilgung eines Kreditvertrages reicht jedoch zur Begründung eines Vertrauensschutzes i.S.d. § 242 BGB nicht aus. Denn hierbei handelte es sich lediglich um die vertraglich geschuldete Verpflichtung des Darlehensnehmers. Der Darlehensnehmer konnte und musste mangels ordnungsgemäßer Belehrung über sein Widerrufsrecht davon ausgehen, dass er mangels Möglichkeit, vom Vertrag Abstand nehmen zu können, seiner vertraglich geschuldeten Verpflichtung nachkommen musste, um finanzielle Nachteile bei einer Nichtleistung zu vermeiden. Gleiches gilt, soweit der Kläger seine Einzugsermächtigung im Jahr 2009 geändert hat. Auch dies stellte lediglich seine vertragliche geschuldete Leistung sicher.
79Soweit die Beklagte zudem einwendet, der Widerruf sei rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 242 BGB erfolgt, vermag auch dieser Einwand nicht durchzugreifen.
80Ist eine Widerrufsbelehrung unwirksam, so weiß der Belehrte regelmäßig nicht, dass er den Vertrag gegebenenfalls noch widerrufen kann. Ein Vertrauenstatbestand zugunsten desjenigen, der die Belehrung nicht bzw. nicht richtig erteilt hat, kann daher regelmäßig nicht entstehen (BGH, Urteil v. 12.12.2005, Az. II ZR 327/04). So entschied der Bundesgerichtshof jüngst mit Urteil vom 05.05.2014 (IV ZR 76/11) im Hinblick auf § 5a VVG a.F., dass die dortige Beklagte schon deshalb kein schutzwürdiges Vertrauen in Anspruch nehmen könne, weil sie die Situation selbst herbeigeführt habe, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilt habe. Ist dem Belehrenden an Rechtssicherheit gelegen, so steht es ihm frei, durch die Nachholung der Widerrufsbelehrung die Widerrufsfrist in Gang zu setzen (Palandt-Grüneberg, BGB-Kommentar 73. Auflage 2014, § 242 Rdnr. 107). Dies ist vorliegend nicht erfolgt.
81Die Beklagte hat danach durch ihr eigenes Verhalten – der Verwendung einer unwirksamen Widerrufsbelehrung – dem Kläger ein unbefristet bestehendes Widerrufsrecht eingeräumt. Sie kann sich daher ihrerseits nicht darauf berufen, es sei treuwidrig, dass der Kläger dieses Recht, das sie ihm selbst eingeräumt hat, nunmehr in Anspruch nimmt und ausübt. Bei Ausübung seines Widerrufsrechts innerhalb der Widerrufsfrist hat der Darlehensnehmer weder ein schutzwürdiges Interesse nachzuweisen, noch darzulegen, aus welchen Gründen er sein Widerrufsrecht ausübt, § 355 Abs.1 S. 4 BGB. Dieses Recht muss ihm auch dann zustehen, wenn er sein Widerrufsrecht mangels eines Fristablaufs zu einem späteren Zeitpunkt ausübt. Würde sich die Beklagte auf eine Treuwidrigkeit der Ausübung des durch ihr Verhalten ausgelösten unbefristeten Widerrufsrechts berufen können, würde der Kläger im Ergebnis so gestellt werden, als sei die Widerrufsbelehrung wirksam gewesen und ein Widerrufsrecht nicht (mehr) gegeben. So würde die Belehrung gerade jene Wirkung ausüben, die ihr von Rechts wegen versagt ist und der bezweckte Verbraucherschutz hierdurch unterlaufen werden (vgl. hierzu: BGH Urteil v. 15.05.2014, Az. III ZR 368/13).
82Vor diesem Hintergrund hat der Kläger - entgegen der Auffassung der Beklagten - weder ein schutzwürdiges Interesse am Widerruf seines Darlehensvertrages darzulegen, noch ist ihm anzulasten, er habe die Widerrufsbelehrung nicht gelesen und hätte angesichts bestehender Zeitnot im Hinblick auf die fällige Kaufpreiszahlung ohnehin – auch bei ordnungsgemäßer Belehrung – den Darlehensvertrag nicht widerrufen. Diesen Einwänden der Beklagten war auch nicht im Rahmen einer Beweisaufnahme nachzugehen, da der Kläger nicht verpflichtet ist, diese Nachweise zu erbringen. Da ein Vertrauenstatbestand – wie bereits ausgeführt – für die Beklagte nicht bestand, konnte der Kläger gemäß den gesetzlichen Vorgaben sein Widerrufsrecht ausüben. Danach bedurfte es einer Widerrufserklärung, die den Anforderungen des § 355 Abs. 1 BGB genügt. Dies ist bei der Widerrufserklärung vom 22.08.2013 unstreitig der Fall.
83II.
84Der Klageantrag zu Ziffer 2 hat in der Sache indessen weder in Bezug auf den Hauptantrag noch hinsichtlich der gestellten Hilfsanträge Erfolg. Soweit der Hauptantrag sich auf ein Restvaluta in Höhe von 87.460,06 € bezieht, ist bereits nicht schlüssig dargelegt, wie der Kläger diese Summe im Einzelnen berechnet hat. Ohne Erfolg stützt der Kläger sein Vorbringen auf die als Anlage zur Gerichtsakte gereichte handschriftliche Berechnung, die – insbesondere auch mangels Lesbarkeit – für die Kammer in keiner Weise nachvollziehbar und damit überprüfbar ist.
85Gleiches gilt, soweit der Kläger im Hilfsantrag festgestellt haben will, dass er der Beklagten aus dem Kreditvertrag Nr. 6 200 125 810 zum 30.03.2014 nicht mehr als 86.822,19 € abzüglich ab dem 01.04.2014 monatlich gezahlter 529,17 € schuldet. Auch insoweit ist nicht nachvollziehbar, wie der Kläger diese Summe errechnet hat.
86Auch der weitere hilfsweise gestellt Antrag, festzustellen, dass der Kläger der Beklagten aus dem Darlehensvertrag Nummer 6 200 125 810 nur die nach Abzug sämtlicher Zahlungen an die Beklagte zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Zahlung der einzelnen Raten, die verbleibende Nettodarlehenssumme nebst Wertersatz in Form banküblicher Verzinsung der Nettodarlehenssumme schulde, hat in der Sache keinen Erfolg.
87Entgegen der Auffassung des Klägers schuldet er der Beklagten nicht zwangsläufig Wertersatz in Form banküblicher Verzinsung. Vielmehr muss er dafür darlegen, dass die bankübliche bzw. marktübliche Verzinsung unterhalb der vertraglich vereinbarten Verzinsung lag. Dies hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen.
88Bei einem erfolgreichen Widerruf wandelt sich das Schuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis um. Seit dem 13.6.2014 enthält zwar§ 357 a BGB abschließende Regelungen über die Rechtsfolgen des Widerrufs von Verträgen über Finanzdienstleistungen. Für Verbraucherverträge, die vor dem 13.6.2014 abgeschlossen wurden, gilt die Norm allerdings nicht, Artikel 229 § 32 Abs. 1 EGBGB. Vielmehr sind danach die Regelungen des BGB in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung anzuwenden, wodurch für die Altverträge auf Grund der Verweisung in§ 357 Abs. 1 BGB die Vorschriften über den Rücktritt (§§ 346 ff. BGB) einschlägig sind. Nach § 346 Abs. 1 BGB sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben bzw. es ist nach § 346 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. Danach ist dem Darlehensgeber die ausgezahlte Nettodarlehenssumme zurückzugewähren. Hinsichtlich des erhaltenen Darlehens schuldet der Darlehensnehmer ferner Wertersatz für die zeitlich begrenzte Möglichkeit der Kapitalnutzung (vgl. hierzu: OLG Düsseldorf, Urteil v. 17.01.2013, Az. I-6 U 64/12).
89Nach § 346 Abs. 2 Hs. 1 BGB ist der vertraglich vereinbarte Darlehenszins bei der Berechnung des Wertersatzes zu Grunde zu legen. Allerdings steht dem Darlehensnehmer nach § 346 Abs. 2, S. 2 Hs. 2 BGB der Nachweis offen, dass der Wert des Gebrauchsvorteils niedriger war. Dadurch kann statt des vertraglich vereinbarten Darlehenszinses der unter Umständen deutlich günstigere Marktzins, das heißt eine objektive Größe, maßgeblich sein (vgl. hierzu BGH, Urteil v. 12.11.2002, Az. XI ZR 47/01: KG Berlin, Urteil v. 22.12.2014, Az. 24 U 169/13; OLG Köln, Beschluss vom 19.06.2013, Az. 13 U 122/12; OLG Düsseldorf, Urteil v. 17.01.2013, Az. I-6 U 64/12)).
90Dass der marktübliche Zinssatz für ein vergleichbares Darlehen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geringer gewesen ist, hat der Kläger nicht vorgetragen. Damit kann jedoch nicht festgestellt werden, dass er – wie beantragt - bei der Wertersatzberechnung auf eine marktübliche/banküblich Verzinsung zurückgreifen kann.
91III.
92Auch der Feststellungsantrag, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Restvaluta aufgrund des Schreibens des Klägers vom 09.09.2013 im Annahmeverzug befindet, hat in der Sache keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für einen Annahmeverzug, § 293 BGB, liegen nicht vor. In dem Schreiben vom 09.03.2013 hat der Kläger lediglich „den aktuellen Darlehenssaldo“ angeboten, ohne einen konkreten Betrag zu beziffern und ohne den Anspruch der Beklagten auf Wertersatz zu berücksichtigen. Der Beklagten ist mangels dieser Angaben die Leistung nicht verzugsauslösend angeboten worden.
93IV.
94Entsprechend hat auch der Klageantrag zu Ziffer 4, die Zustimmung auf Löschung der eingetragenen Grundschuld im Grundbuch von Ratingen, Blatt 4276 Abt. 3 im Nennwert von 100.000,00 €, in der Sache keinen Erfolg. Ein Anspruch hierauf besteht mangels eines Annahmeverzuges seitens der Beklagten erst nach Rückzahlung der Restdarlehensvaluta zuzüglich Wertersatz. Dies ist bisher nicht erfolgt.
95V.
96Der zuerkannte Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 288, 291 BGB. Hierbei ist jedoch nur der Geschäftswert zugrundezulegen, der seiner Höhe nach dem Streitwert der berechtigten Forderung entspricht (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB-Kommentar 73. Auflage 2014, § 249 RdNr. 39). Im Übrigen ist die Klage daher abzuweisen.
97VI.
98Der Inhalt nachgelassenen Schriftsatzes der Beklagten vom 09.02.2015 gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung i.S.d des § 156 ZPO, da kein entscheidungserheblicher neuer Tatsachenvortrag erfolgt ist.
99VII.
100Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
101Streitwert: bis 90.000,00 €
102Klageantrag zu Ziffer 1: bis 30.000,00 €
103Klageantrag zu Ziffer 2: bis 30.000,00 €
104Klageantrag zu Ziffer 3,5: 0,00 €
105Klageantrag zu Ziffer 4: bis 30.000,00 €
106Wenzel |
Dr. Webler |
Richterin Dr. Schumacherist wegen der Abordnung an ein Amtsgericht an der Unterschrift gehindert. Wenzel |
Rechtsbehelfsbelehrung:
108Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
109a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
110b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
111Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
112Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Düsseldorf zu begründen.
113Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
114Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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Urteil einreichenLandgericht Düsseldorf Urteil, 17. März 2015 - 10 O 131/14 zitiert oder wird zitiert von 12 Urteil(en).
(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Dem Darlehensnehmer steht bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu.
(2) Ein Widerrufsrecht besteht nicht bei Darlehensverträgen,
- 1.
die einen Darlehensvertrag, zu dessen Kündigung der Darlehensgeber wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers berechtigt ist, durch Rückzahlungsvereinbarungen ergänzen oder ersetzen, wenn dadurch ein gerichtliches Verfahren vermieden wird und wenn der Gesamtbetrag (Artikel 247 § 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche) geringer ist als die Restschuld des ursprünglichen Vertrags, - 2.
die notariell zu beurkunden sind, wenn der Notar bestätigt, dass die Rechte des Darlehensnehmers aus den §§ 491a und 492 gewahrt sind, oder - 3.
die § 504 Abs. 2 oder § 505 entsprechen.
(3) Bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen ist dem Darlehensnehmer in den Fällen des Absatzes 2 vor Vertragsschluss eine Bedenkzeit von zumindest sieben Tagen einzuräumen. Während des Laufs der Frist ist der Darlehensgeber an sein Angebot gebunden. Die Bedenkzeit beginnt mit der Aushändigung des Vertragsangebots an den Darlehensnehmer.
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Landgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Die Klägerin schloss mit dem Beklagten am 3. Mai 2006 einen Vertrag über ein Entgelt für die Vermittlung einer fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherung. Darin vereinbarten die Parteien eine (Handelsmakler-)Vermittlungsgebühr , die in monatlichen Raten von 90,53 € über eine Laufzeit von 60 Monaten gezahlt werden sollte. Dem sich daraus ergebenden Teilzahlungspreis von 5.431,80 € wurde ein Barzahlungspreis von 5.014,64 € gegenübergestellt; der effektive Jahreszins wurde mit 3,35 % angegeben.
- 2
- Der Vertrag zwischen den Parteien enthielt unter Punkt 4 den Hinweis, dass der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Vermittlungsgebühr mit dem Zustandekommen des vom Kunden beantragten Versicherungsvertrags entstehe. Der Anspruch auf Zahlung der Vermittlungsgebühr bleibe von einer Änderung oder vorzeitigen Beendigung des Versicherungsvertrags aus anderen Gründen unberührt.
- 3
- Das Vertragsformular enthielt folgende Widerrufsbelehrung: "Widerrufsrecht Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Ab- sendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an … Widerrufsfolgen Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und gegebenenfalls gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben."
- 4
- Der Beklagte schloss durch Vermittlung der Klägerin eine fondsgebundene Rentenversicherung bei der A. Lebensversicherung S.A. ab. Im Versicherungsantrag ist eine Monatsrate ab Versicherungsbeginn in Höhe von 41,47 € und ab dem 61. Monat in Höhe von 132,50 € eingetragen. Versicherungsbeginn war der 1. Juli 2006. Der Beklagte zahlte auf die Vermittlungsgebühr sechs Raten zu je 90,53 € für die Monate Juli 2006 bis Dezember 2006. Danach erbrachte er keine Zahlung mehr an die Klägerin. Mit Schreiben vom 22. März 2007 kündigte er den Versicherungsvertrag gegenüber der Versicherungsgesellschaft , die die vorzeitige Vertragsbeendigung bestätigte.
- 5
- Nachdem die Klägerin den Beklagten vergeblich zur Zahlung der rückständigen Raten aus der Vermittlungsgebührenvereinbarung aufgefordert hatte, stellte sie mit Schreiben vom 21. März 2009 den noch offenen Betrag insgesamt fällig. Dieser erklärte mit Schriftsatz vom 21. Mai 2010 den Widerruf dieser Vereinbarung.
- 6
- Die Klage hat vor dem Amtsgericht keinen Erfolg gehabt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht den Beklagten verurteilt, 4.623,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2009 sowie 489,45 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Die weitergehende Klage und die weitergehende Berufung wurden zurückgewiesen.
- 7
- Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
- 8
- Die Revision hat Erfolg.
I.
- 9
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch in Höhe von 4.623,64 € aus der Vermittlungsgebührenvereinbarung zu. Diese sei nicht wirksam widerrufen worden. Das Vertragsformular enthalte eine den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F. genügende Widerrufsbelehrung. Die im Vertrag verwendete Widerrufsbelehrung habe wörtlich der Anlage 2 zur BGB-Informationspflichten-Verordnung in der bis zum 31. März 2008 gültigen Fassung entsprochen. Dass die in der Anlage 2 enthaltene Belehrung zum Wertersatz in der hier zu beurteilenden Widerrufsbelehrung gefehlt habe, sei unschädlich, da es sich hier nicht um ein Haustürgeschäft gehandelt habe und § 312 Abs. 2 BGB daher nicht anzuwenden sei. Wie sich aus dem Muster in Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV nebst den dazu gehörigen Gestaltungshinweisen ergebe, bestehe das Muster aus Textbausteinen, die je nach Vertragsart weggelassen oder hinzugefügt werden könnten. Den Text unter der Überschrift "Widerrufsrecht" habe die Klägerin wörtlich eingehalten. Bei dem Text unter "Widerrufsfolgen" habe die Klägerin nur den ersten Satz übernommen , diesen aber wortgetreu. Ab dem zweiten Satz werde der Wertersatz behandelt , auf den nur nach § 312 Abs. 2 BGB hinzuweisen sei, nicht aber nach § 355 Abs. 2 BGB a.F. Wenn aber der Wortlaut genau dem Muster entspreche und nur diejenigen Sätze weggelassen werden würden, die auf den jeweiligen Vertrag keine Anwendung fänden, sei das Muster eingehalten. Wenn der Unternehmer das Muster für eine Widerrufsbelehrung nach der BGB-Informationspflichten -Verordnung in der bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen Fassung verwende, genüge er seinen Belehrungspflichten.
- 10
- Der Forderung stehe auch kein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB gegen die Klägerin entgegen, da der Beklagte bereits eine Pflichtverletzung nicht hinreichend dargetan habe.
II.
- 11
- Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 12
- 1. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Vermittlungsprovision nach § 652 BGB i.V.m. § 93 HGB und der zwischen den Parteien geschlossenen Vermittlungsgebührenvereinbarung zu. Der Beklagte hat seine auf Abschluss dieser Vermittlungsgebührenvereinbarung gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen.
- 13
- a) Auf das Schuldverhältnis zwischen den Parteien sind gemäß Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch und die BGB-Informationspflichten -Verordnung in der bis zum 11. Juni 2010 geltenden Fassung anzuwenden , da der Vertrag zwischen den Parteien vor dem genannten Datum geschlossen ist und es sich nicht um ein unbefristetes Schuldverhältnis im Sinne des Art. 229 § 22 Abs. 3 EGBGB handelt.
- 14
- b) Dem Kläger stand das ausgeübte Widerrufsrecht gemäß § 355 Abs. 1 BGB a.F. zu. Da die Vermittlungsgebühr in Teilzahlungen zu erbringen war, handelt es sich um ein Teilzahlungsgeschäft im Sinne des § 499 Abs. 2 BGB a.F. Gemäß § 501 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 495 Abs. 1 und § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. konnte der Beklagte seine auf Abschluss der Vermittlungsgebührenvereinbarung gerichtete Willenserklärung innerhalb von zwei Wochen widerrufen. Diese Frist war zum Zeitpunkt seines Widerrufs nicht abgelaufen, da sie gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht erteilt wird und diese einen Hinweis auf den Fristbeginn enthält. An einer solchen hin- reichenden Belehrung des Beklagten als Verbraucher über sein Widerrufsrecht mangelt es im vorliegenden Fall im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts. Deshalb ist nach § 355 Abs. 3 Satz 1, Satz 3 BGB a.F. das Widerrufsrecht des Beklagten auch nicht sechs Monate nach Vertragsschluss erloschen.
- 15
- aa) Die in der Vertragsurkunde enthaltene Widerrufsbelehrung genügte nicht den Anforderungen nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. Sie enthielt den Hinweis, dass die Frist für den Widerruf "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" beginne. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine solche Belehrung unzureichend, da sie den Verbraucher nicht eindeutig über den Beginn der Widerrufsfrist belehrt. Sie ist nicht umfassend, sondern irreführend. Die Verwendung des Wortes "frühestens" ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne weiteres zu erkennen. Er vermag lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist "jetzt oder später" beginnen, der Beginn des Fristablaufs also gegebenenfalls noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird jedoch im Unklaren gelassen, welche - etwaigen - weiteren Umstände dies sind (vgl. Urteile vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 Rn. 13, 15; vom 29. April 2010 - I ZR 66/08, NJW 2010, 3566 Rn. 21; vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10, WM 2011, 86 Rn. 12; vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, NJW 2011, 1061 Rn. 14; vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10, WM 2011, 1799 Rn. 34).
- 16
- bb) Eine Berufung auf § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB-InfoV und das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Finanzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2. Dezember 2004 (BGBl. I S. 2302) ist der Klägerin verwehrt, weil sie - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - gegenüber dem Beklagten kein Formular verwendet hat, das diesem Muster der An- lage 2 zu § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB-InfoV in der damaligen Fassung in jeder Hinsicht vollständig entspricht.
- 17
- (1) Nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV (jetzt: § 360 Abs. 3 Satz 1 BGB i.V.m. dem Muster der Anlage 1 zum EGBGB) genügte eine Widerrufsbelehrung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB und den diesen ergänzenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. in Textform verwendet wurde. Wie der Bundesgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, kann ein Unternehmen sich auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV von vornherein nur dann berufen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (zuletzt BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10 aaO Rn. 37 mwN). Dabei kann auch hier dahingestellt bleiben, ob das in der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB-InfoV geregelte Muster für die Widerrufsbelehrung nichtig ist, weil die Musterbelehrung den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht in jeder Hinsicht entspricht. Diese Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung. Entscheidend ist vielmehr allein, ob der Unternehmer den vom Verordnungsgeber entworfenen Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Widerrufsbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat. Greift er aber in den ihm zur Verfügung gestellten Mustertext selbst sein, kann er sich schon deshalb auf eine etwa mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht berufen. Das gilt unabhängig vom konkreten Umfang der von ihm vorgenommenen Änderung, zumal sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10 aaO Rn. 39).
- 18
- (2) Im vorliegenden Fall hat die Klägerin bei der Belehrung über den Widerruf insbesondere die in der Musterbelehrung vorgesehene Belehrung über die Widerrufsfolgen nicht vollständig übernommen. So heißt es in Satz 2 des hier maßgeblichen Musters für die Widerrufsbelehrung der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV, dass im Falle des Widerrufs, sofern die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewährt werden kann, der Verbraucher insoweit gegebenenfalls Wertersatz zu leisten hat. Dass dieser Satz bei bestimmten Vertragsarten oder Vertragsgestaltungen entfallen könnte, sehen die Gestaltungshinweise zu diesem Muster - in dem durch Klammerzusätze und ergänzende Erläuterungen kenntlich gemacht wird, dass bestimmte Sätze bei bestimmten Fallkonstellationen entfallen können oder aber hinzuzufügen sind - nicht vor. Eine Streichung dieses Satzes wäre im vorliegenden Fall auch nicht geboten, da wegen der Unmöglichkeit der Herausgabe der erlangten Maklerleistung gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB ein Wertersatz in Betracht kommen kann. Auf diesen Wertersatzanspruch hat sich die Klägerin im Verfahren auch ausdrücklich berufen. Zwar mag nach § 355 Abs. 2 BGB a.F., worauf das Berufungsgericht abstellt, eine gesetzliche Verpflichtung zur Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs und einen möglichen Wertersatz bei Teilzahlungsverträgen der vorliegenden Art gesetzlich nicht vorgeschrieben sein. Der Gesetzgeber hat jedoch die Rechtsfolge, dass die Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F. entspricht (§ 14 Abs. 1 BGB-InfoV), daran geknüpft, dass das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wird. Wenn er dabei Belehrungen vorsieht, die über die nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorgesehene Belehrung hinausgehen, bleibt es dennoch dabei, dass nur bei Verwendung des vollständigen Musters der Unternehmer den Vertrauensschutz aus § 14 Abs. 1 BGB-InfoV genießt (vgl. Gessner, Widerrufsrecht und Widerrufsbelehrung im deutschen und europäischen Verbraucherrecht, 2009, S. 103 f; Masuch NJW 2002, 2931, 2932; Bodendiek MDR 2003, 1, 3). Der Gesetzgeber ging bei Abfassung des Art. 245 EGBGB als Ermächtigungsnorm für den Erlass der BGB-InformationspflichtenVerordnung davon aus, dass über die gesetzlich erforderlichen Inhalte der Widerrufsbelehrung auch zusätzliche Belehrungen in dieser Verordnung geregelt werden könnten (vgl. BT-Drucks. 14/7052 S. 208; Bodendiek aaO).
- 19
- 2. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 543 Abs. 1, Abs. 3 ZPO). In Betracht zu ziehen ist ein Wertersatzanspruch der Klägerin gemäß § 357 Abs. 1 BGB a.F. i.V.m. § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB. Hierzu hat das Berufungsgericht noch keine Feststellung getroffen, was es nachzuholen haben wird. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang auch Gelegenheit , sich mit den weiteren Rügen der Revision zu den geltend gemachten Verletzungen der Beratungspflichten der Klägerin auseinanderzusetzen, wozu der Senat Stellung zu nehmen im derzeitigen Verfahrensstadium keine Veranlassung hat. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Kündigung des Versicherungsvertrags durch den Beklagten keine Auswirkungen auf die Höhe des Wertersatzanspruchs hat. Zwar entfaltet die Maklerleistung erst und nur im Erfolgsfalle ihren vollen Wert (vgl. Senatsurteil vom 15. April2010 - III ZR 218/09, BGHZ 185, 192 Rn. 30). Kommt es aber zum Abschluss des Hauptvertrags, wird also dieser Wert realisiert, so wird allein durch die nachfolgende Kündigung der vermittelten Lebensversicherung weder (bei Wirksamkeit des Maklervertrags) die verdiente Provision in Frage gestellt (vgl. Senatsurteile vom 20. Januar 2005 - III ZR 251/04, BGHZ 162, 67, 72 ff; zuletzt Urteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 269/06, NJW-RR 2007, 1503 Rn. 12) noch (im Falle eines Widerrufs) die Höhe des Wertersatzanspruchs beeinflusst. Die nachfolgende Kündigung könnte allenfalls als nachträglicher Wegfall des erlangten Vorteils gewertet werden. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass sich der Rückgewährschuldner , anders als der Bereicherungsschuldner (vgl. § 818 Abs. 3 BGB), gegenüber Wertersatzansprüchen nicht auf eine Entreicherung berufen kann (BT-Drucks. 14/6040 S. 195).
Hucke Seiters
Vorinstanzen:
AG Oberhausen, Entscheidung vom 09.07.2010 - 36 C 1204/10 -
LG Duisburg, Entscheidung vom 11.03.2011 - 7 S 162/10 -
(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger bestellte am 26. Januar 2007 bei der Beklagten über deren Website einen Computer zum Gesamtpreis von 1.866,45 €. Nachdem der Kläger Vorkasse geleistet hatte, lieferte die Beklagte den Computer am 14. Februar 2007 an den Kläger aus. Die der Warensendung beigefügte Rechnung enthält unter der Überschrift "Widerrufsrecht" eine Widerrufsbelehrung, in der es unter anderem heißt: "Verbraucher können ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung."
- 2
- Nachdem der Kläger Mängelrügen erhoben und den Computer mehrmals an die Beklagte zurückgesandt hatte, trat er am 18. Juli 2007 per E-Mail vom Vertrag zurück. Mit Anwaltsschreiben vom 30. Juli 2007 erklärte er hilfsweise den Widerruf des Vertrages.
- 3
- Mit seiner Klage begehrt der Kläger Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 1.866,45 € nebst Zinsen sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 229,55 €. Das Amtsgericht hat der Klage zunächst durch Versäumnisurteil stattgegeben. Auf den Einspruch der Beklagten hat das Amtsgericht das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und das Versäumnisurteil des Amtsgerichts in Höhe von 1.866,45 € nebst Zinsen aufrechterhalten. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des die Klage vollständig abweisenden erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 6
- Der Kläger habe Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 1.866,45 €, da er seine auf Abschluss des Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen habe. Ihm stehe diesbezüglich ein Widerrufsrecht gemäß § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB zu, weil es sich um einen Fernabsatzvertrag im Sinne dieser Vorschrift handele.
- 7
- Der Widerruf sei nicht gemäß § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB verfristet. Zwar habe der Kläger den Vertrag nicht innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt der Ware widerrufen. Dies sei jedoch unerheblich, da die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Belehrung der Beklagten nicht zu laufen begonnen habe. Die von der Beklagten verwendete Klausel enthalte keinen ausreichenden Hinweis auf den nach § 355 Abs. 2 BGB maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist und trage damit nicht den gesetzlichen Anforderungen Rechnung, die an eine Belehrung gestellt würden. Die Belehrung sei nicht unmissverständlich und auch nicht umfassend. Der Verbraucher könne der Klausel wegen des verwendeten Worts "frühestens" zwar entnehmen, dass der Beginn des Fristlaufs noch von weiteren Voraussetzungen abhänge, werde jedoch darüber im Unklaren gelassen, um welche Voraussetzungen es sich dabei handele.
- 8
- Dass die Widerrufsbelehrung der Beklagten inhaltlich der damals geltenden , inzwischen mit Wirkung vom 1. April 2008 hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist geänderten Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV entspreche , führe zu keiner anderen Beurteilung. Denn die auf der Ermächtigung in Art. 245 EGBGB beruhende Verordnung alter Fassung halte sich nicht in den Grenzen der Verordnungsermächtigung und sei daher nichtig. Art. 245 EGBGB gestatte keine den Verbraucher benachteiligenden Abweichungen von den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Die Verordnung müsse daher den Grundanforderungen des § 355 Abs. 2 BGB genügen. Sie entspreche aber nicht diesen gesetzlichen Anforderungen.
II.
- 9
- Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Die Beklagte ist gemäß § 312d Abs. 1 Satz 1, § 355 Abs. 1 Satz 1, § 357 Abs. 1 Satz 1, § 346 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Kläger den gezahlten Kaufpreis für den Computer zurückzuzahlen, weil der Kläger seine auf Abschluss des Fernabsatzvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen hat. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen , dass der Kläger den Widerruf rechtzeitig erklärt hat, weil die Widerrufsfrist von zwei Wochen mangels ordnungsgemäßer Belehrung des Klägers über deren Beginn noch nicht zu laufen begonnen hatte.
- 10
- Im Revisionsverfahren ist nur noch im Streit, ob die dem Kläger mit der Rechnung erteilte Belehrung über das Widerrufsrecht den Lauf der Frist in Gang gesetzt hat. Das ist nicht der Fall.
- 11
- 1. Durch Art. 1 Nr. 7 - 13 des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie , des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2355; im Folgenden: VerbrKrRL-UG) sind die Bestimmungen der §§ 355 ff. BGB über das Widerrufs- und Rückgaberecht bei Verbraucherverträgen geändert worden. Diese Änderungen sind am 11. Juni 2010 - nach Erlass des Berufungsurteils - in Kraft getreten (Art. 11 Abs. 1 VerbrKrRL-UG). Darüber hinaus sind zu diesem Zeitpunkt § 14 BGB-InfoV und die in den Anlagen 2 und 3 zu § 14 BGB-InfoV geregelten Muster für die Belehrungen über das Widerrufs- und das Rückgaberecht aufgehoben worden (Art. 9 Nr. 4 VerbrKrRL-UG). Auf das vorliegende Vertragsverhältnis finden das Bürgerliche Gesetzbuch und die BGB-Informationspflichten-Verordnung jedoch noch in der bis zum 11. Juni 2010 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB). Gemäß § 16 BGB-InfoV ist für die Beurteilung der von der Beklagten am 14. Februar 2007 erteilten Widerrufsbelehrung das bis zum 31. März 2008 geltende Muster für die Belehrung über das Widerrufsrecht maßgebend.
- 12
- 2. Die Revision stellt nicht in Frage, dass diese Belehrung hinsichtlich des Beginns der Frist nach der Rechtsprechung des Senats unzureichend ist und deshalb den Lauf der Frist nicht gemäß § 355 Abs. 2 BGB in Gang setzen konnte. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Formulierung "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" den Verbraucher über den nach § 355 Abs. 2 BGB maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist nicht richtig belehrt, weil sie nicht umfassend ist. Der Verbraucher kann der Verwendung des Wortes "frühestens" zwar entnehmen, dass der Beginn des Fristlaufs noch von weiteren Voraussetzungen abhängt, wird jedoch darüber im Unklaren gelassen, um welche Voraussetzungen es sich dabei handelt (Senatsurteil vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 Rn. 13, 15). Das gilt auch im vorliegenden Fall.
- 13
- 3. Die Revision meint aber, dass die Widerrufsfrist gleichwohl zu laufen begonnen habe, weil die Belehrung dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung entsprochen habe und sich die Beklagte deshalb auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen könne. Das trifft nicht zu.
- 14
- Es kann dahingestellt bleiben, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, dass das in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV geregelte Muster für die Widerrufsbelehrung in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung vom 2. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3102) nichtig sei, weil die damalige Fassung der Musterbelehrung den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht entsprochen habe. Eine Berufung auf § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV und das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung (BGBl I 2004 S. 3102) ist der Beklagten schon deshalb verwehrt, weil die Beklagte gegenüber dem Kläger für die Widerrufsbelehrung kein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der damaligen Fassung vollständig entspricht (vgl. Senatsurteil vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, aaO Rn. 20, zur Belehrung über das Rückgaberecht; BGH, Urteil vom 12. April 2007 - VII ZR 122/06, BGHZ 172, 58 Rn. 12).
- 15
- a) Nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV genügt die Belehrung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB, wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGBInfoV in Textform verwandt wird. Dafür reicht es nicht aus, dass die von der Beklagten verwendete Belehrung, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist mit der entsprechenden Formulierung in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung des Musters für die Widerrufsbelehrung in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV wörtlich übereinstimmt. Auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV könnte sich die Beklagte nur berufen, wenn sie ein Formular verwendet hätte, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung vollständig entsprochen hätte (vgl. Senatsurteil vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, aaO; BGH, Urteil vom 12. April 2007 - VII ZR 122/06, aaO). Das hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und ist auch nicht der Fall. Auch die Revision macht dies nicht geltend. Sie meint nur, dass die Widerrufsbelehrung der Beklagten inhaltlich dem Muster in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblichen Fassung entsprochen habe und die Abweichungen in der äußeren Gestaltung der Widerrufsbelehrung vom Muster unerheblich seien. Das trifft nicht zu. Die Widerrufsbelehrung der Beklagten entspricht, wie der Senat durch einen Vergleich selbst feststellen kann, weder inhaltlich noch insbesondere in ihrer äußeren Gestaltung dem Muster in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung.
- 16
- b) Die Widerrufsbelehrung der Beklagten stimmt schon inhaltlich nicht vollständig mit dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV überein. Es fehlen die im Muster vorgeschriebene Überschrift "Widerrufsbelehrung" und die die Belehrung gliedernden Zwischenüberschriften "Widerrufsrecht", "Widerrufsfolgen" und "finanzierte Geschäfte". Stattdessen enthält die Widerrufsbelehrung der Beklagten nur die einzige Überschrift "Widerrufsrecht". Durch diese Überschrift wird verschleiert, dass der Verbraucher nicht nur ein Widerrufsrecht hat, sondern auch erhebliche Pflichten im Falle der Ausübung dieses Rechts. Die Belehrung wendet sich auch nicht, wie es das Muster vorsieht, konkret an den Adressaten der Belehrung ("Sie"), sondern ist abstrakt formuliert ("Verbraucher" ), ohne den Rechtsbegriff "Verbraucher" zu erläutern. Schließlich fehlt in der Belehrung über das Widerrufsrecht für finanzierte Geschäfte der zweite Satz des Gestaltungshinweises 9 der Musterbelehrung.
- 17
- Vor allem aber genügt die Widerrufsbelehrung der Beklagten in ihrer äußeren Gestaltung weder den gesetzlichen Anforderungen noch der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der für den Vertragsschluss maßgeblichen Fassung. Zwar darf die vom Unternehmer verwendete Widerrufsbelehrung in Format und Schriftgröße von dem Muster abweichen (§ 14 Abs. 3 BGB-InfoV). Dies ändert aber nichts daran, dass die Widerrufsbelehrung - auch bei Verwendung des Textes der Musterbelehrung - "deutlich gestaltet" sein muss (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB). Diesem Deutlichkeitsgebot genügt die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung - anders als die Musterbelehrung - nicht annähernd.
- 18
- Durch das Fehlen der in der Musterbelehrung vorgeschriebenen Überschrift "Widerrufsbelehrung" wird für den Verbraucher schon nicht hinreichend deutlich, dass die kleingedruckten Ausführungen unter der Überschrift "Widerrufsrecht" eine für den Verbraucher wichtige Belehrung enthalten, und zwar nicht nur über sein Widerrufsrecht, sondern auch über die mit der Ausübung des Rechts verbundenen Pflichten.
- 19
- Darüber hinaus ist die Widerrufsbelehrung der Beklagten für einen durchschnittlichen Verbraucher nur mit großer Mühe lesbar, weil die Schrift extrem klein ist und jegliche Untergliederung des Textes fehlt. Es fehlen nicht nur die in der Musterbelehrung vorgeschriebenen Zwischenüberschriften, sondern auch jegliche Absätze. So wird insbesondere nicht deutlich, dass sich unter der Überschrift "Widerrufsrecht" auch Ausführungen zu den Widerrufsfolgen und zu finanzierten Geschäften verbergen und an welcher Textstelle die betreffenden Ausführungen beginnen und enden. Es kann deshalb keine Rede davon sein, dass die Widerrufsbelehrung insgesamt in einer der Musterbelehrung entsprechenden Weise deutlich gestaltet wäre; diese gilt insbesondere im Hinblick auf die Informationen über die für den Verbraucher nachteiligen Widerrufsfolgen.
- 20
- Damit weicht die Widerrufsbelehrung der Beklagten insbesondere in ihrer äußeren Gestaltung so erheblich von den gesetzlichen Anforderungen und dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung ab, dass nicht festgestellt werden kann, die Beklagte hätte ein Formular verwendet, das diesem Muster vollständig entspricht. Ball Dr. Frellesen Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Bünger
AG Gießen, Entscheidung vom 28.04.2009 - 43 C 1798/07 -
LG Gießen, Entscheidung vom 24.02.2010 - 1 S 202/09 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Landgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Die Klägerin schloss mit dem Beklagten am 3. Mai 2006 einen Vertrag über ein Entgelt für die Vermittlung einer fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherung. Darin vereinbarten die Parteien eine (Handelsmakler-)Vermittlungsgebühr , die in monatlichen Raten von 90,53 € über eine Laufzeit von 60 Monaten gezahlt werden sollte. Dem sich daraus ergebenden Teilzahlungspreis von 5.431,80 € wurde ein Barzahlungspreis von 5.014,64 € gegenübergestellt; der effektive Jahreszins wurde mit 3,35 % angegeben.
- 2
- Der Vertrag zwischen den Parteien enthielt unter Punkt 4 den Hinweis, dass der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Vermittlungsgebühr mit dem Zustandekommen des vom Kunden beantragten Versicherungsvertrags entstehe. Der Anspruch auf Zahlung der Vermittlungsgebühr bleibe von einer Änderung oder vorzeitigen Beendigung des Versicherungsvertrags aus anderen Gründen unberührt.
- 3
- Das Vertragsformular enthielt folgende Widerrufsbelehrung: "Widerrufsrecht Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Ab- sendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an … Widerrufsfolgen Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und gegebenenfalls gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben."
- 4
- Der Beklagte schloss durch Vermittlung der Klägerin eine fondsgebundene Rentenversicherung bei der A. Lebensversicherung S.A. ab. Im Versicherungsantrag ist eine Monatsrate ab Versicherungsbeginn in Höhe von 41,47 € und ab dem 61. Monat in Höhe von 132,50 € eingetragen. Versicherungsbeginn war der 1. Juli 2006. Der Beklagte zahlte auf die Vermittlungsgebühr sechs Raten zu je 90,53 € für die Monate Juli 2006 bis Dezember 2006. Danach erbrachte er keine Zahlung mehr an die Klägerin. Mit Schreiben vom 22. März 2007 kündigte er den Versicherungsvertrag gegenüber der Versicherungsgesellschaft , die die vorzeitige Vertragsbeendigung bestätigte.
- 5
- Nachdem die Klägerin den Beklagten vergeblich zur Zahlung der rückständigen Raten aus der Vermittlungsgebührenvereinbarung aufgefordert hatte, stellte sie mit Schreiben vom 21. März 2009 den noch offenen Betrag insgesamt fällig. Dieser erklärte mit Schriftsatz vom 21. Mai 2010 den Widerruf dieser Vereinbarung.
- 6
- Die Klage hat vor dem Amtsgericht keinen Erfolg gehabt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht den Beklagten verurteilt, 4.623,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2009 sowie 489,45 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Die weitergehende Klage und die weitergehende Berufung wurden zurückgewiesen.
- 7
- Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
- 8
- Die Revision hat Erfolg.
I.
- 9
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch in Höhe von 4.623,64 € aus der Vermittlungsgebührenvereinbarung zu. Diese sei nicht wirksam widerrufen worden. Das Vertragsformular enthalte eine den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F. genügende Widerrufsbelehrung. Die im Vertrag verwendete Widerrufsbelehrung habe wörtlich der Anlage 2 zur BGB-Informationspflichten-Verordnung in der bis zum 31. März 2008 gültigen Fassung entsprochen. Dass die in der Anlage 2 enthaltene Belehrung zum Wertersatz in der hier zu beurteilenden Widerrufsbelehrung gefehlt habe, sei unschädlich, da es sich hier nicht um ein Haustürgeschäft gehandelt habe und § 312 Abs. 2 BGB daher nicht anzuwenden sei. Wie sich aus dem Muster in Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV nebst den dazu gehörigen Gestaltungshinweisen ergebe, bestehe das Muster aus Textbausteinen, die je nach Vertragsart weggelassen oder hinzugefügt werden könnten. Den Text unter der Überschrift "Widerrufsrecht" habe die Klägerin wörtlich eingehalten. Bei dem Text unter "Widerrufsfolgen" habe die Klägerin nur den ersten Satz übernommen , diesen aber wortgetreu. Ab dem zweiten Satz werde der Wertersatz behandelt , auf den nur nach § 312 Abs. 2 BGB hinzuweisen sei, nicht aber nach § 355 Abs. 2 BGB a.F. Wenn aber der Wortlaut genau dem Muster entspreche und nur diejenigen Sätze weggelassen werden würden, die auf den jeweiligen Vertrag keine Anwendung fänden, sei das Muster eingehalten. Wenn der Unternehmer das Muster für eine Widerrufsbelehrung nach der BGB-Informationspflichten -Verordnung in der bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen Fassung verwende, genüge er seinen Belehrungspflichten.
- 10
- Der Forderung stehe auch kein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB gegen die Klägerin entgegen, da der Beklagte bereits eine Pflichtverletzung nicht hinreichend dargetan habe.
II.
- 11
- Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 12
- 1. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Vermittlungsprovision nach § 652 BGB i.V.m. § 93 HGB und der zwischen den Parteien geschlossenen Vermittlungsgebührenvereinbarung zu. Der Beklagte hat seine auf Abschluss dieser Vermittlungsgebührenvereinbarung gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen.
- 13
- a) Auf das Schuldverhältnis zwischen den Parteien sind gemäß Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch und die BGB-Informationspflichten -Verordnung in der bis zum 11. Juni 2010 geltenden Fassung anzuwenden , da der Vertrag zwischen den Parteien vor dem genannten Datum geschlossen ist und es sich nicht um ein unbefristetes Schuldverhältnis im Sinne des Art. 229 § 22 Abs. 3 EGBGB handelt.
- 14
- b) Dem Kläger stand das ausgeübte Widerrufsrecht gemäß § 355 Abs. 1 BGB a.F. zu. Da die Vermittlungsgebühr in Teilzahlungen zu erbringen war, handelt es sich um ein Teilzahlungsgeschäft im Sinne des § 499 Abs. 2 BGB a.F. Gemäß § 501 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 495 Abs. 1 und § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. konnte der Beklagte seine auf Abschluss der Vermittlungsgebührenvereinbarung gerichtete Willenserklärung innerhalb von zwei Wochen widerrufen. Diese Frist war zum Zeitpunkt seines Widerrufs nicht abgelaufen, da sie gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht erteilt wird und diese einen Hinweis auf den Fristbeginn enthält. An einer solchen hin- reichenden Belehrung des Beklagten als Verbraucher über sein Widerrufsrecht mangelt es im vorliegenden Fall im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts. Deshalb ist nach § 355 Abs. 3 Satz 1, Satz 3 BGB a.F. das Widerrufsrecht des Beklagten auch nicht sechs Monate nach Vertragsschluss erloschen.
- 15
- aa) Die in der Vertragsurkunde enthaltene Widerrufsbelehrung genügte nicht den Anforderungen nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. Sie enthielt den Hinweis, dass die Frist für den Widerruf "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" beginne. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine solche Belehrung unzureichend, da sie den Verbraucher nicht eindeutig über den Beginn der Widerrufsfrist belehrt. Sie ist nicht umfassend, sondern irreführend. Die Verwendung des Wortes "frühestens" ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne weiteres zu erkennen. Er vermag lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist "jetzt oder später" beginnen, der Beginn des Fristablaufs also gegebenenfalls noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird jedoch im Unklaren gelassen, welche - etwaigen - weiteren Umstände dies sind (vgl. Urteile vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 Rn. 13, 15; vom 29. April 2010 - I ZR 66/08, NJW 2010, 3566 Rn. 21; vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10, WM 2011, 86 Rn. 12; vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, NJW 2011, 1061 Rn. 14; vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10, WM 2011, 1799 Rn. 34).
- 16
- bb) Eine Berufung auf § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB-InfoV und das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Finanzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2. Dezember 2004 (BGBl. I S. 2302) ist der Klägerin verwehrt, weil sie - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - gegenüber dem Beklagten kein Formular verwendet hat, das diesem Muster der An- lage 2 zu § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB-InfoV in der damaligen Fassung in jeder Hinsicht vollständig entspricht.
- 17
- (1) Nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV (jetzt: § 360 Abs. 3 Satz 1 BGB i.V.m. dem Muster der Anlage 1 zum EGBGB) genügte eine Widerrufsbelehrung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB und den diesen ergänzenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. in Textform verwendet wurde. Wie der Bundesgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, kann ein Unternehmen sich auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV von vornherein nur dann berufen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (zuletzt BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10 aaO Rn. 37 mwN). Dabei kann auch hier dahingestellt bleiben, ob das in der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB-InfoV geregelte Muster für die Widerrufsbelehrung nichtig ist, weil die Musterbelehrung den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht in jeder Hinsicht entspricht. Diese Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung. Entscheidend ist vielmehr allein, ob der Unternehmer den vom Verordnungsgeber entworfenen Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Widerrufsbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat. Greift er aber in den ihm zur Verfügung gestellten Mustertext selbst sein, kann er sich schon deshalb auf eine etwa mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht berufen. Das gilt unabhängig vom konkreten Umfang der von ihm vorgenommenen Änderung, zumal sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10 aaO Rn. 39).
- 18
- (2) Im vorliegenden Fall hat die Klägerin bei der Belehrung über den Widerruf insbesondere die in der Musterbelehrung vorgesehene Belehrung über die Widerrufsfolgen nicht vollständig übernommen. So heißt es in Satz 2 des hier maßgeblichen Musters für die Widerrufsbelehrung der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV, dass im Falle des Widerrufs, sofern die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewährt werden kann, der Verbraucher insoweit gegebenenfalls Wertersatz zu leisten hat. Dass dieser Satz bei bestimmten Vertragsarten oder Vertragsgestaltungen entfallen könnte, sehen die Gestaltungshinweise zu diesem Muster - in dem durch Klammerzusätze und ergänzende Erläuterungen kenntlich gemacht wird, dass bestimmte Sätze bei bestimmten Fallkonstellationen entfallen können oder aber hinzuzufügen sind - nicht vor. Eine Streichung dieses Satzes wäre im vorliegenden Fall auch nicht geboten, da wegen der Unmöglichkeit der Herausgabe der erlangten Maklerleistung gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB ein Wertersatz in Betracht kommen kann. Auf diesen Wertersatzanspruch hat sich die Klägerin im Verfahren auch ausdrücklich berufen. Zwar mag nach § 355 Abs. 2 BGB a.F., worauf das Berufungsgericht abstellt, eine gesetzliche Verpflichtung zur Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs und einen möglichen Wertersatz bei Teilzahlungsverträgen der vorliegenden Art gesetzlich nicht vorgeschrieben sein. Der Gesetzgeber hat jedoch die Rechtsfolge, dass die Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F. entspricht (§ 14 Abs. 1 BGB-InfoV), daran geknüpft, dass das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wird. Wenn er dabei Belehrungen vorsieht, die über die nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorgesehene Belehrung hinausgehen, bleibt es dennoch dabei, dass nur bei Verwendung des vollständigen Musters der Unternehmer den Vertrauensschutz aus § 14 Abs. 1 BGB-InfoV genießt (vgl. Gessner, Widerrufsrecht und Widerrufsbelehrung im deutschen und europäischen Verbraucherrecht, 2009, S. 103 f; Masuch NJW 2002, 2931, 2932; Bodendiek MDR 2003, 1, 3). Der Gesetzgeber ging bei Abfassung des Art. 245 EGBGB als Ermächtigungsnorm für den Erlass der BGB-InformationspflichtenVerordnung davon aus, dass über die gesetzlich erforderlichen Inhalte der Widerrufsbelehrung auch zusätzliche Belehrungen in dieser Verordnung geregelt werden könnten (vgl. BT-Drucks. 14/7052 S. 208; Bodendiek aaO).
- 19
- 2. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 543 Abs. 1, Abs. 3 ZPO). In Betracht zu ziehen ist ein Wertersatzanspruch der Klägerin gemäß § 357 Abs. 1 BGB a.F. i.V.m. § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB. Hierzu hat das Berufungsgericht noch keine Feststellung getroffen, was es nachzuholen haben wird. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang auch Gelegenheit , sich mit den weiteren Rügen der Revision zu den geltend gemachten Verletzungen der Beratungspflichten der Klägerin auseinanderzusetzen, wozu der Senat Stellung zu nehmen im derzeitigen Verfahrensstadium keine Veranlassung hat. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Kündigung des Versicherungsvertrags durch den Beklagten keine Auswirkungen auf die Höhe des Wertersatzanspruchs hat. Zwar entfaltet die Maklerleistung erst und nur im Erfolgsfalle ihren vollen Wert (vgl. Senatsurteil vom 15. April2010 - III ZR 218/09, BGHZ 185, 192 Rn. 30). Kommt es aber zum Abschluss des Hauptvertrags, wird also dieser Wert realisiert, so wird allein durch die nachfolgende Kündigung der vermittelten Lebensversicherung weder (bei Wirksamkeit des Maklervertrags) die verdiente Provision in Frage gestellt (vgl. Senatsurteile vom 20. Januar 2005 - III ZR 251/04, BGHZ 162, 67, 72 ff; zuletzt Urteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 269/06, NJW-RR 2007, 1503 Rn. 12) noch (im Falle eines Widerrufs) die Höhe des Wertersatzanspruchs beeinflusst. Die nachfolgende Kündigung könnte allenfalls als nachträglicher Wegfall des erlangten Vorteils gewertet werden. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass sich der Rückgewährschuldner , anders als der Bereicherungsschuldner (vgl. § 818 Abs. 3 BGB), gegenüber Wertersatzansprüchen nicht auf eine Entreicherung berufen kann (BT-Drucks. 14/6040 S. 195).
Hucke Seiters
Vorinstanzen:
AG Oberhausen, Entscheidung vom 09.07.2010 - 36 C 1204/10 -
LG Duisburg, Entscheidung vom 11.03.2011 - 7 S 162/10 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Kläger beteiligten sich mit Beitrittserklärung (Zeichnungsschein) vom 20. März 2004 in Höhe von 18.000 € als atypische stille Gesellschafter an der A. AG & Co. KG, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, und zwar im Rahmen des Beteiligungsprogramms „Sprint“, bei dem die Einlage durch eine Anzahlung von 3.000 € und monatliche Raten von 100 € bezahlt werden sollte. Die Kläger leisteten auf ihre Beteiligung insgesamt 7.820 € zuzüglich eines Agios in Höhe von 1.080 €.
- 2
- In dem Zeichnungsschein der Beklagten sind die Kläger unter der Über- schrift „Widerrufsbelehrung“ wie folgt auf ihr Widerrufsrecht hingewiesen wor- den: „Widerrufsrecht. Sie können Ihre Beitrittserklärung inner- halb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, Email) widerrufen. Die Frist beginnt einen Tag, nachdem Sie diese Belehrung, eine Abschrift Ihrer Beitrittserklärung sowie den atypisch stillen Gesellschaftsvertrag (im Emissionsprospekt enthalten) erhalten haben. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu rich- ten an: … [Beklagte]. Widerrufsfolgen: Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten.“
- 3
- Nachdem die Beklagte die Kläger mit Schreiben vom 7. Juli 2009 über eine Schieflage der Gesellschaft informiert und unter Hinweis auf die Verpflichtung zur Weiterzahlung der Raten um die Zustimmung zu einer beabsichtigten Liquidation gebeten hatte, erklärten die Kläger durch Anwaltsschreiben vom 11. September 2009 die außerordentliche Kündigung sowie die Anfechtung ihrer Beteiligungen und die Geltendmachung von Schadensersatz.
- 4
- Die Kläger haben von der Beklagten in erster Linie Rückzahlung ihrer ge- leisteten Einlage in Höhe von 7.820 € Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte aus der stillen Beteiligung sowie die Feststellung begehrt, dass der Beklagten keine weiteren Rechte aus der Beteiligung zustehen. Hilfsweise haben sie die Feststellung beantragt, dass sie ihre Beteiligung wirksam zum 11. September 2009 außerordentlich gekündigt haben, und die Berechnung und Auszahlung ihres Auseinandersetzungsguthabens begehrt. Zur Begründung haben sie die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten geltend gemacht. Ferner haben sie die Widerrufsbelehrung in der Beitrittserklärung als fehlerhaft beanstandet und sich auf einen Widerruf ihrer in einer Haustürsituation abgeschlossenen Beteiligung berufen, der mangels ordnungsgemäßer Belehrung über ihr Widerrufsrecht auch noch im Jahr 2009 habe erfolgen können.
- 5
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen und die Revision im Hinblick darauf zugelassen , dass es die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV (in der hier maßgeblichen Fassung vom 5. August 2002, BGBl. I 2002, 3009; im Folgenden : aF) auf den Fall erstreckt hat, dass die verwendete Belehrung von dem maßgeblichen Muster - wenn auch nur hinsichtlich weiter erteilter zutreffender Informationen - abweicht. Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr auf Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung ihrer Beteiligung sowie der Auszahlung des von der Beklagten zu berechnenden Auseinandersetzungsguthabens gerichtetes Hilfsbegehren mit der Begründung weiter, sie hätten ihr Widerrufsrecht wirksam ausgeübt.
Entscheidungsgründe:
- 6
- Die Revision der Kläger hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache, soweit das Berufungsgericht die Abweisung der Klage mit den auf die Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung und Auszahlung eines von der Beklagten zu berechnenden Auseinandersetzungsguthabens gerichteten Hilfsanträgen bestätigt hat.
- 7
- I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung insoweit im Wesentlichen ausgeführt:
- 8
- Die Kläger hätten ihre Beteiligung nicht wirksam widerrufen. Nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag hätten sie ihre Beitrittserklärung zwar in einer sogenannten Haustürsituation abgegeben. Das Widerrufsrecht habe im Jahr 2009 aber nicht mehr ausgeübt werden können, weil die zweiwöchige Widerrufsfrist nach § 355 BGB (in der hier maßgeblichen Fassung vom 23. Juli 2002; im Folgenden: aF) lange verstrichen gewesen sei. Die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung folge im Wesentlichen dem Muster in der Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV aF. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne sich der Verwender der Widerrufsbelehrung auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF allerdings nur berufen, wenn er ein Formular verwendet habe, das dem in der Anlage 2 geregelten Muster vollständig entspreche. Dem sei für Fälle zu folgen, in denen die verwendete Widerrufsbelehrung zuungunsten des Vertragspartners des Verwenders von dem Muster abweiche. Im vorliegenden Fall sei es jedoch anders. Die einzige Abweichung liege darin, dass es in der Musterbelehrung in der Fassung von 2002 heiße: „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, während es in der hier verwendeten Belehrung heiße: „Die Frist beginnt einen Tag, nachdem Sie diese Belehrung, eine Abschrift Ihrer Beitrittserklärung sowie den atypisch stillen Gesellschaftsvertrag erhalten haben“. Damit behebe sie Mängel, die dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF angehaftet hätten, weil die Musterbelehrung den zu Belehrenden nicht ausreichend über den Fristbeginn informiert habe. Es erscheine deshalb nicht angemessen, dass derjenige, der zugunsten des Belehrungsempfängers von dem Muster abweiche, indem er ihm weite-re - zutreffende - Informationen erteile, sich wegen dieser Zusatzinformationen nicht auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF solle berufen können.
- 9
- II. Die Revision der Kläger ist begründet. Die Frist für die Ausübung des Widerrufsrechts der Kläger gem. § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung, im Folgenden: aF), § 355 BGB aF war im Jahr 2009 nicht abgelaufen, weil die Widerrufsbelehrung der Beklagten entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts weder den Anforderungen der §§ 312 Abs.1 Satz 1 und Abs. 2, § 355 Abs. 2 BGB aF noch den Voraussetzungen genügt, unter denen sich der Verwender einer Widerrufsbelehrung auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF berufen kann.
- 10
- 1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Vorschrift des § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB aF auf Verträge über den Beitritt zu einer Gesellschaft, die wie die Beklagte der Kapitalanlage dienen soll, nach der vom Gerichtshof der Europäischen Union bestätigten (Urteil vom 15. April 2010 - C 215/08, ZIP 2010, 772) ständigen Rechtsprechung des Senats Anwendung findet (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2010 - II ZR 292/06, BGHZ 186, 167 Rn.12 - FRIZ II; Urteil vom 2. Mai 2012 - II ZR 14/10, ZIP 2012, 1504 Rn. 18). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben bei dem Beitritt der Kläger die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts gem. § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB aF vorgelegen.
- 11
- 2. Das Berufungsgericht hat es dahinstehen lassen, ob die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung - unabhängig von der Anwendbarkeit des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF - grundsätzlich ordnungsgemäß war. Die Belehrung genügte, wie der Senat selbst feststellen kann, schon deshalb nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil ein wirksamer Widerruf nach dem Vollzug des Beitritts gemäß der ständigen Rechtsprechung des Senats zur Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft und damit allenfalls zu einem etwaigen Abfindungsanspruch des fehlerhaft beigetretenen Gesellschafters entsprechend dem Wert seines Gesellschaftsanteils im Zeitpunkt seines Ausscheidens führt (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 2012 - II ZR 14/10, ZIP 2012, 1504 Rn. 46 mwN), die Widerrufsbelehrung aber keinen Hinweis auf diese rechtlichen Folgen des Widerrufs enthält (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21. Januar 2013 - 8 U 281/11, juris Rn. 53). Ein solcher Hinweis war nicht deshalb entbehrlich , weil die Kläger nach der konkreten Vertragsgestaltung Zahlungen erst nach Ablauf der Widerrufsfrist leisten mussten. Es kommt nicht darauf an, ob vertragliche Leistungen nach der von der Beklagten beabsichtigten Vertragsgestaltung ausgeschlossen sein sollten, sondern ob sie nach der tatsächlichen Vertragsgestaltung auch ausgeschlossen waren. Das war vorliegend nicht der Fall, weil die Kläger berechtigt waren, Zahlungen bereits vor dem festgelegten Fälligkeitstermin und damit auch vor Ablauf der Widerrufsfrist zu entrichten (§ 271 Abs. 2 BGB) und damit ihren Beitritt zu vollziehen. Ob ein solches Verhalten der Kläger nahelag, ist unerheblich (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, ZIP 2011, 572 Rn. 18). Im Übrigen geht die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung selbst davon aus, dass Leistungen vor Ablauf der Widerrufsfrist in Betracht kamen; andernfalls hätte es nicht des in der Belehrung enthaltenen Hinweises bedurft, dass im Falle eines wirksamen Widerrufs bereits empfangene Leistungen zurückzugewähren seien. Wegen Fehlens einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung ist die Widerrufsfrist von zwei Wochen (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB aF) nicht nach § 355 Abs. 2 BGB aF in Gang gesetzt worden.
- 12
- 3. Die Belehrung genügt auch nicht gem. § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF den gesetzlichen Anforderungen.
- 13
- a) Nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF genügte eine Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB aF und den diesen ergänzenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wurde; dabei durfte der Unternehmer in Format und Schriftgröße von dem Muster abweichen und Zusätze wie die Firma oder ein Kennzeichen des Unternehmers anbringen, § 14 Abs. 3 BGB-InfoV aF.
- 14
- b) Das als Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV aF im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Muster wies zum Widerrufsrecht und zu den Widerrufsfolgen folgenden Text auf: Widerrufsrecht Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von [zwei Wochen] ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) [oder durch Rücksendung der Sache] widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs [oder der Sache]. Der Widerruf ist zu richten an: Widerrufsfolgen Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren [und ggf. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben]. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren , müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. [Bei der Überlassung von Sachen gilt dies nicht, wenn die Ver- schlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung - wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre - zurückzuführen ist. Im Übrigen können Sie die Wertersatzpflicht vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie ein Eigentümer in Gebrauch nehmen und alles unterlassen , was deren Wert beeinträchtigt. Paketversandfähige Sachen sind [auf unsere Kosten und Gefahr] zurückzusenden. Nicht paketversandfähige Sachen werden bei Ihnen abgeholt.]
- 15
- c) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF grundsätzlich nur ein, wenn der Verwender ein Formular verwendet, das dem Muster sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 - XI ZR 156/08, ZIP 2009, 1512 Rn. 15; Urteil vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, ZIP 2010, 734 Rn. 20; Urteil vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10, ZIP 2011, 178 Rn. 15 f.; Urteil vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, ZIP 2011, 572 Rn. 21; Urteil vom 1. März 2012 - III ZR 83/11, NZG 2012, 427 Rn. 17). Bei vollständiger Verwendung kann sich der Verwender auf die in § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF geregelte Gesetzlichkeitsfiktion auch dann berufen, wenn das Muster fehlerhaft ist und den gesetzlichen Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB aF an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht genügt (BGH, Urteil vom 15. August 2012 - VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238 Rn. 14; Beschluss vom 20. November 2012 - II ZR 264/10, juris Rn.
6).
- 16
- d) Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung entspricht dem Muster nicht vollständig. Zwar ist es entgegen der Ansicht der Revision unschädlich , dass in der Widerrufsbelehrung der Hinweis auf die Widerrufsfolgen bei der Überlassung von Sachen fehlt, weil dieser Zusatz nach den mit dem Muster veröffentlichten Gestaltungshinweisen bei Leistungen, die wie hier nicht in der Überlassung von Sachen bestehen, entfallen kann. Die Widerrufsbelehrung weicht jedoch in dem über den Fristbeginn belehrenden Teil von dem Muster ab, indem anstelle des Fristbeginns nach dem Muster („frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“) über einen Fristbeginn „einen Tag, nachdem Sie diese Be- lehrung, eine Abschrift Ihrer Beitrittserklärung sowie den atypisch stillen Gesell- schaftsvertrag (im Emissionsprospekt enthalten) erhalten haben“ belehrt wird.
- 17
- e) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht diese Abweichung einer Anwendung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF entgegen. Sie ist nicht deshalb unerheblich, weil die Beklagte damit nur weitere zutreffende Zusatzinformationen aufgenommen habe und daher, wie das Berufungsgericht meint, nur zugunsten des Belehrungsempfängers vom Muster abgewichen sei.
- 18
- Der Senat hat es zwar als unschädlich angesehen, wenn der Verwender den in dem Muster fehlerhaft wiedergegebenen Fristbeginn (BGH, Urteil vom 15. August 2012 - VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238 Rn. 9 mwN) dem Gesetz (§ 187 BGB) angepasst hat (BGH, Beschluss vom 20. November 2012 - II ZR 264/10, juris Rn. 6). Die von der Beklagten vorgenommenen Änderungen erschöpfen sich jedoch nicht in der Anpassung der Belehrung über den Fristbeginn an die gesetzliche Regelung des § 187 BGB. Die Widerrufsbelehrung der Beklagten enthält darüber hinausgehend inhaltliche Änderungen der Belehrung nach dem Muster, indem der Fristbeginn nicht nur mit dem Tag nach Zugang der Belehrung angegeben, sondern zusätzlich von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht wird, nämlich von dem Zugang einer Abschrift der Beitrittserklärung und des Gesellschaftsvertrags. Unterzieht der Verwender, wie hier die Beklagte, den Text der Musterbelehrung aber einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung , so kann er sich schon deshalb nicht auf eine mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung berufen (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10, ZIP 2011, 1858 Rn. 39; Urteil vom 1.
- 19
- Eine der Anwendung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF entgegenstehende inhaltliche Bearbeitung der Musterbelehrung ist daher im vorliegenden Fall unabhängig davon gegeben, ob mit dem zusätzlich in die Belehrung aufgenommenen Hinweis, dass die Widerrufsfrist erst mit Zugang einer Abschrift der Vertragsurkunde und des Antrags beginnt, möglicherweise der Regelung des § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB aF (= § 355 Abs. 3 Satz 2 BGB nF) Rechnung getragen werden sollte, nach der die Widerrufsfrist bei schriftlich abzuschließenden Verträgen nicht beginnt, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, sein schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt wird. Der Abschluss eines stillen Gesellschaftsvertrags bedarf ebenso wie der Beitritt zu einer schon bestehenden stillen Gesellschaft nicht von Gesetzes wegen der Schriftform, sondern kann formfrei und sogar stillschweigend vereinbart werden (vgl. Gehrlein in Ebenroth/ Boujong/Joost/ Strohn, HGB, 2. Aufl., § 230 Rn. 20, 22; Roth in Baumbach/ Hopt, HGB, 36. Aufl., § 230 Rn. 10 und § 105 Rn. 68 zur OHG). Den Fragen, ob die Regelung des § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB aF nur die gesetzliche Schriftform betrifft (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 355 Rn. 15; Masuch in Münch/ KommBGB, 6. Aufl., § 355 Rn. 60) oder ob sie auch bei vereinbarter Schriftform eingreift (Erman/Saenger, BGB, 13. Aufl., § 355 Rn. 13) und ob der Beitrittsvertrag im vorliegenden Fall aufgrund vertraglicher Vereinbarung der Schriftform bedurfte, braucht nicht nachgegangen zu werden. Denn mangels eines gesetzlichen Schriftformerfordernisses beschränkte sich die Ergänzung der Musterbelehrung insoweit jedenfalls nicht auf die Vornahme einer bloßen Korrektur durch Übernahme einer für alle Fallgestaltungen gesetzlich vorgegebenen Fristberechnung , sondern es handelte sich allenfalls um eine aufgrund der konkreten Fallgestaltung (vertraglich vereinbarte Schriftform) für erforderlich erachtete individuelle Anpassung der Widerrufsbelehrung. Ein Verwender, der die Musterbelehrung in dieser Weise abändert und dessen Widerrufsbelehrung in der abgeänderten Form den gesetzlichen Anforderungen - hier: weil sie nicht darauf hinweist, dass sich die rechtlichen Folgen des Widerrufs nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft richten können - nicht genügt, ist nicht nach § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF schutzwürdig.
- 20
- 4. War die Widerrufsfrist somit noch nicht abgelaufen, konnten die Kläger im Jahr 2009 ihre Beitrittserklärung noch widerrufen. Für den Widerruf genügt es, wenn der Erklärende deutlich zum Ausdruck bringt, dass er den Vertragsschluss nicht mehr gegen sich gelten lassen will (BGH, Urteil vom 24. April 1996 - X ZR 139/94, ZIP 1996, 1138; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 355 Rn. 6 mwN).
- 21
- III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit das Berufungsgericht die Berufung der Kläger mit den Hilfsanträgen (Berufungsanträge zu 3 und
4) zurückgewiesen hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 07.02.2012 - 304 O 499/09 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 19.02.2013 - 9 U 35/12 -
(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
1
Tatbestand
2Am 07.08.2007 schlossen die Parteien einen Darlehensvertrag (Konto-Nummer 66714452) über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 250.000,- EUR und einem anfänglichen effektiven Zinssatz von 5,12 % p.a.. Der Nettodarlehensbetrag diente dem Erwerb einer gebrauchten Immobilie.
3Der Darlehensvertrag enthält eine Widerrufsbelehrung. Die Überschrift „Widerrufsbelehrung zu¹ […]“ beinhaltet eine Fußnote, deren Text lautet: „Bezeichnung des konkret betroffenen Geschäfts, z. B. Darlehensvertrag vom […]“. Des Weiteren beinhaltet die Widerrufsbelehrung eine Fußnote im Zusammenhang mit dem Passus „Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen² ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, E-Mail, Fax) widerrufen“. Der diesbezügliche Fußnotentext lautet: „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“. X des Inhalts und der Gestaltung der Belehrung wird im Übrigen auf Blatt 6 und Blatt 31 der Akte Bezug genommen.
4Die Beklagte zahlte den Nettodarlehensbetrag an den Kläger aus.
5Für den Zeitraum ab Oktober 2012 vereinbarten die Parteien einvernehmlich eine Erhöhung der Tilgung für das Darlehen auf den maximal möglichen Tilgungssatz von 10 %. X einer weiteren Anpassung beläuft sich die Höhe der Tilgung für den Zeitraum ab August 2013 auf 2,2 % p.a..
6Unter dem 04.12.2013 erklärte der anwaltlich vertretene Kläger den Widerruf seiner Vertragserklärung im Zusammenhang mit dem Abschluss des Darlehensvertrages und forderte die Beklagte zur Mitteilung von Rückabwicklungsansprüchen auf. Mit Schreiben unter dem 16.12.2013 wies die Beklagte etwaige Forderungen des Klägers zurück.
7Bis zum 31.12.2013 zahlte der Kläger – im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung – an die Beklagte einen Betrag in Höhe von insgesamt 150.321,88 EUR. Davon entfällt auf die Tilgung ein Betrag in Höhe von insgesamt 78.508,87 EUR. Folglich valutierte das Darlehen zum 31.12.2013 noch mit einer Restschuld in Höhe von 171.491,13 EUR. Die von dem Kläger geleisteten Zinsraten addieren sich auf eine Summe in Höhe von insgesamt 71.813,01 EUR. In dem Zeitraum von Januar 2014 bis September 2014 zahlte der Kläger noch einmal weitere 13.500,- EUR an die Beklagte.
8Der Kläger beauftragte seine Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen. Er leistete an seine Prozessbevollmächtigten eine Zahlung in Höhe von 2.348,94 EUR.
9Der Kläger will mit seiner der Beklagten am 27.02.2014 zugestellten Klage festgestellt wissen, dass die Beklagte, über die verbleibende Restschuld hinaus, die nach seiner Auffassung mit 99.678,12 EUR zu beziffern ist, keine Zahlungen mehr verlangen kann. Darüber hinaus begehrt er die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.348,94 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen.
10Der Kläger ist der Ansicht, die von der Beklagten verwandte Widerrufsbelehrung entspreche nicht dem seinerzeit gültigen Muster der Widerrufsbelehrung, sodass sich die Beklagte nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-Informationspflichtenverordnung (im Folgenden „BGB-InfoV“) berufen könne. Er meint, die Widerrufsbelehrung entspreche auch nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB, sodass die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen habe und sein Widerruf deshalb nicht verfristet sei.
11Die verbleibende Restschuld in Höhe von 171.491,13 EUR sei um die von Klägerseite geleisteten Zinszahlungen in Höhe von 71.813,01 EUR zu bereinigen, da der Beklagten Zinsgewinne nicht zustünden; mithin verbleibe noch ein von dem Kläger an die Beklagte zu zahlender (Rest-)Betrag in Höhe von insgesamt 99.678,12 EUR.
12Der Kläger beantragt,
131. festzustellen, dass die Beklagte auf den Darlehensvertrag zum Konto Nr. 66714452 vom 07.08.2007 keine über einen Betrag von 99.678,12 EUR hinausgehenden Zahlungen mehr verlangen kann;
142. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.348,94 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen,
17hilfswiderklagend den Kläger zu verurteilen,
18an sie 250.000,- EUR sowie Vertragszinsen in Höhe von 5,12 % seit dem 10.10.2007 aus dem Betrag von 250.000,- EUR zu zahlen.
19Die Beklagte ist der Ansicht, der Feststellungsantrag sei bereits unzulässig, da eine Leistungsklage ohne Weiteres möglich sei; es fehle an einem Feststellungsinteresse des Klägers.
20Ferner meint die Beklagte, die Widerrufsfrist sei seit langem abgelaufen, sodass der Widerruf mit anwaltlichem Schreiben unter dem 04.12.2013 nicht geeignet gewesen sei, den mit der Beklagten abgeschlossenen Darlehensvertrag für die Zukunft in ein Rückgewährschuldverhältnis umzuwandeln. Somit seien auch die primären wechselseitigen Leistungspflichten nicht entfallen.
21Sie meint, eine – wie vorliegend – marginale Abweichung vom Mustertext der BGB-InfoV, die insbesondere nicht inhaltlicher Natur sei, sei unerheblich. Die Beklagte könne sich auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen.
22In der öffentlichen Sitzung vom 18.09.2014 erhob die Beklagte die Einrede des nicht erfüllten Vertrages.
23X des weiteren Parteivortrages wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.09.2014, Blatt 89 f. der Akte, Bezug genommen.
24Entscheidungsgründe
25Die Klage ist zulässig, allerdings insgesamt unbegründet.
26I.
27Die Klage ist – auch hinsichtlich des insofern allein fraglichen Feststellungsantrags – zulässig.
281.
29Das Nichtbestehen eines über einen Betrag in Höhe von 99.678,12 EUR hinausgehenden Zahlungsanspruchs der Beklagten gegenüber dem Kläger ist ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis.
302.
31Auf der Grundlage des insofern allein maßgebenden Klägervorbringens steht dem Kläger auch kein einfacherer M-Weg zur Verfügung, um sein Ziel zu erreichen.
32Zwar sind im Falle eines wirksamen Widerrufs gemäß § 348 Satz 1 BGB die beiderseitigen Verpflichtungen Zug um Zug (§ 274 Abs. 1 BGB) zu erfüllen. Aber es ist gleichwohl – etwa nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm, der die Kammer folgt – die zu § 325 BGB a. F. für den Schadenersatzanspruch entwickelte Differenzmethode, nach der beiderseitig bestehende Forderungen ohne Weiteres saldiert werden (können), anwendbar (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 14.09.1981 - 2 U 43/81, in: MDR 1982, 141; wohl auch BGH, Urteil vom 20.02.2008 - VIII ZR 334/06, in: NJW 2008, 2028; a. A. Gaier in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 348 Rn. 12; Schmidt in: Bamberger/Roth, Beck‘scher Online-Kommentar BGB, Stand: 01.08.2014, § 348 Rn. 3). Von einer Saldierung dürfte vorliegend auch der Kläger ausgegangen sein. Ob allerdings der Differenzbetrag von dem Kläger zutreffend ermittelt worden ist, was die Beklagte in Abrede stellt, ist nach Ansicht des Gerichts keine Frage der Zulässigkeit, sondern vielmehr eine Frage der Begründetheit des geltend gemachten Anspruchs.
33Mithin bedurfte es keiner weiteren Beurteilung der Kammer darüber, ob der Klageantrag unter Ziffer 1 – in Anbetracht der Tatsache, dass sich vorliegend im Falle eines wirksamen Widerrufs Geldleistungen gegenüberstehen und der Feststellungsantrag des Klägers den nach seiner Auffassung zutreffenden Differenzbetrag zum Gegenstand hat – gegebenenfalls als konkludente Aufrechnungserklärung des Klägers zu werten ist.
343.
35Nach Auffassung der Kammer hat der Kläger auch ein schutzwürdiges Interesse an der in Rede stehenden Feststellung, weil die Beklagte die Wirksamkeit des erklärten Widerrufs bestreitet. Einmal unterstellt, der Betrag in Höhe von 99.678,12 EUR ist von dem Kläger zutreffend ermittelt, berühmt sich die Beklagte einer darüber hinausgehenden Forderung. Dies ist geeignet, ein Feststellungsinteresse des Klägers zu begründen (vgl. Foerste in: Musielak, ZPO, 11. Aufl. 2014, § 256 Rn. 9).
36II.
37Die Klage ist indes unbegründet.
381.
39Dem Kläger steht kein Anspruch auf Feststellung zu, dass die Beklagte auf den Darlehensvertrag zum Konto Nr. 66714452 vom 07.08.2007 keine über einen Betrag von 99.678,12 EUR hinausgehenden Zahlungen mehr verlangen kann.
40a)
41Ein solcher Anspruch käme überhaupt nur dann in Frage, wenn ein Rückgewährschuldverhältnis vorliegen würde. Denn unstreitig bestand zum 31.12.2013 noch eine Restschuld des Klägers gegenüber der Beklagten in Höhe von 171.491,13 EUR, die – abzüglich zwischenzeitlich gezahlter weiterer Tilgungsbeträge – „fortbesteht“, sollte der Darlehensvertrag nicht infolge eines wirksamen Widerrufs in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden sein.
42b)
43Bei Erklärung des Widerrufs war dieser verfristet, denn der Kläger war nach Auffassung der Kammer wirksam über sein Widerrufsrecht belehrt worden.
44c)
45Auf das vorliegende Vertragsverhältnis finden das BGB, das Einführungsgesetz zum BGB (im Folgenden „EGBGB“) und die BGB-lnfoV in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB).
46d)
47Das Vorliegen eines Rückgewährschuldverhältnisses setzt voraus, dass der Kläger seine auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen hat.
48Dem Kläger stand nach § 495 BGB a. F. ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB a. F. zu. Zwischen den Parteien besteht ein Verbraucherdarlehensvertrag im Sinne der §§ 488, 491 BGB a. F.; die Beklagte ist Unternehmerin und der Kläger Verbraucher.
49Im Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufsrechts mit anwaltlichem Schriftsatz unter dem 04.12.2013 und damit mehr als sechs Jahre nach dem Zustandekommen des Darlehensvertrages war das Widerrufsrecht des Klägers aber jedenfalls nach § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB a. F. erloschen.
50Dem steht zunächst nicht entgegen, dass nach § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB a. F. das Widerrufsrecht nicht erlischt, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über dieses Recht belehrt worden ist. Insofern dürfte zwar die hier erteilte Widerrufsbelehrung tatsächlich nicht den Anforderungen des Deutlichkeitsgebots entsprochen haben, weil sie den Beginn der Widerrufsfrist frühestens mit Erhalt der Belehrung angibt, insofern missverständlich ist und diese Formulierung es dem Verbraucher nicht ermöglicht, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen (vgl. BGH, Urteil vom 09.12.2009 - VIII ZR 219/08, in: NJW 2010, 989; BGH, Urteil vom 01.12.2010 - VIII ZR 82/10, in: NJW 2011, 1061; BGH, Urteil vom 02.02.2011 - VIII ZR 103/10, in: NJW-RR 2011, 785; BGH, Urteil vom 28.06.2011 - XI ZR 349/10, in: NJW-RR 2012, 183; BGH, Urteil vom 01.03.2012 - III ZR 83/11, in: NZG 2012, 427; BGH, Urteil vom 15.08.2012 - VIII ZR 378/11, in: NJW 2012, 3298).
51Gleichwohl hat dieser Mangel nicht zur Folge gehabt, dass die Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB a. F. X einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung nicht erloschen wäre. Vielmehr gilt die erteilte Widerrufsbelehrung gemäß § 14 Abs. 1 BGB-lnfoV a. F. als ordnungsgemäß. Nach dieser Bestimmung genügt die Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a. F. und den diesen ergänzenden Vorschriften des BGB, wenn – wie vorliegend – das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in Textform verwandt wird.
52Für das Eingreifen der Fiktionswirkung des § 14 Abs. 1 BGB-lnfoV a. F. bedarf es der vollständigen inhaltlichen und im Wesentlichen auch der gestalterischen Übernahme des Musters nach Anlage 2 BGB-lnfoV. So liegen die Dinge - nach Auffassung des Gerichts - hier.
53Die Beklagte hat das Muster des Verordnungsgebers in der zutreffenden Fassung vom 08.12.2004 bis zum 31.03.2008 ohne inhaltliche Abweichung übernommen. Maßgebend ist nach Ansicht der Kammer, dass die Beklagte keine sachlichen Änderungen vornahm (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2011 - XI ZR 349/10, in: NJW-RR 2012, 183; BGH, Urteil vom 01.12.2010 - VIII ZR 82/10, in: NJW 2011, 1061). Zwar verwendet die Beklagte zwei Fußnoten, eine in der Überschrift und eine bei der Angabe der Widerrufsfrist. Die fraglichen Fußnoten enthalten aber keinen Text, der an den Verbraucher (hier: den Kläger) adressiert ist, sein Widerrufsrecht tangiert oder ihn in sonst irgendeiner Weise betrifft. Derartige Abweichungen von dem Mustertext, die für die Ausübung des Widerrufsrechts ohne Bedeutung sind, schieben den Fristbeginn nicht hinaus. Insbesondere handelt es sich nicht um eine inhaltliche Abweichung vom Muster des Verordnungsgebers. Vielmehr richtet sich der Text in den – unterhalb der Unterschriftszeile und außerhalb des Rahmens, der den Text der Widerrufsbelehrung umschließt – abgedruckten Fußnoten erkennbar an Mitarbeiter / Sachbearbeiter der Beklagten. Dies wird auch dadurch deutlich, dass sich im Zusammenhang mit dem Text der Fußnoten der Hinweis findet „Jeder Verbraucher erhält ein Exemplar der Widerrufsbelehrung“. Diese Angabe kann in Anbetracht ihres Sinngehalts nicht an den Verbraucher gerichtet sein. Eine derart marginale Abweichung vom Mustertext, die insbesondere nicht inhaltlicher Natur ist, ist nach Auffassung der Kammer unerheblich. Unschädlich ist auch der verwendete Klammerzusatz vor der Angabe zur konkreten Adressierung eines Widerrufsschreibens. Dieser Klammerzusatz zählt abstrakt die erforderlichen Angaben auf, deren konkrete Benennung bei der Belehrung erforderlich ist. Die Beklagte hat diese Anforderungen eingehalten, indem sie die konkreten Daten abgedruckt hat. Der kursiv gehaltene Klammerzusatz mit der allgemeinen Aufzählung tritt dahinter zurück und kann eben X der Abstraktheit beim Verbraucher auch nicht zur Verwirrung oder zu Missverständnissen führen. Es handelt sich auch insoweit nicht um eine inhaltliche Abweichung vom Muster (vgl. LG Berlin, Urteil vom 04.02.2013 - 38 O 317/12, in: BeckRS 2013, 07289).
54Die Festlegung des Musterbelehrungstextes in der BGB-lnfoV ist auch wirksam. Zwar wird mitunter vertreten, die Musterbelehrung aus der Anlage 2 der Verordnung in der hier maßgeblichen Fassung sei nicht von der Ermächtigungsgrundlage des Art. 245 EGBGB a. F. gedeckt, insbesondere weil auch der Verordnungsgeber an das Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 BGB a. F. gebunden sei (OLG Jena, Urteil vom 28.09.2010 - 5 U 57/10, in: VuR 2011, 425; OLG Schleswig, Urteil vom 25.10.2007 - 16 U 70/07, in: NJOZ 2008, 1477; LG Kassel, Urteil vom 22.04.2009 - 4 O #####/####; LG Halle, Urteil vom 13.05.2005 - 1 S 28/05, in: VuR 2006, 411). Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 15.08.2012 - VIII ZR 378/11, in: NJW 2012, 3298) hat indes entschieden, dass der Verordnungsgeber seine diesbezüglichen Befugnisse nicht überschritten habe. Das erkennende Gericht schließt sich dieser Auffassung an, weil aus seiner Sicht der Zweck der Ermächtigung darin liegt, die Geschäftspraxis zu vereinfachen sowie Rechtssicherheit zu schaffen und in der Folge die Rechtspflege zu entlasten. Dieser Zweck würde jedoch verfehlt, wenn sich der Unternehmer als Verwender auf die Gesetzlichkeitsfiktion der von ihm verwendeten Musterbelehrung nicht berufen könnte (so zu Recht BGH, Urteil vom 15.08.2012 - VIII ZR 378/11, in: NJW 2012, 3298).
55Mangels eines rechtzeitigen Widerrufs der auf den Abschluss des Kreditvertrags gerichteten Willenserklärung erweist sich das Feststellungsbegehren des Klägers als unbegründet.
562.
57Ein Anspruch auf Zahlung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten steht dem Kläger gleichermaßen nicht zu.
583.
59Über die Hilfswiderklage war nicht zu entscheiden.
60III.
61Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
62Die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Das Urteil ermöglicht der Beklagten eine Vollstreckung von Kosten im Wert von mehr als 1.500,- EUR, so dass § 708 Nr. 11 ZPO (i. V. m. § 711 Satz 1 und 2 ZPO) nicht zur Anwendung gelangt.
63C |
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als Einzelrichter |
(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin, eine Leasinggesellschaft, nimmt die Beklagte nach fristloser Kündigung eines Kraftfahrzeugleasingvertrages auf Zahlung restlicher Leasingraten und Schadensersatz in Anspruch.
- 2
- Die Parteien schlossen am 2./10. November 2006 für die Dauer von 54 Monaten einen anschließend in Vollzug gesetzten Leasingvertrag über einen PKW A. . Der Leasingantrag enthält auf einer gesonderten Seite eine von der Beklagten unterzeichnete Widerrufsbelehrung, die mit dem Muster gemäß Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung inhaltlich übereinstimmt. Nachdem ab Juni 2009 die mit 640 € monatlich vereinbarten Leasingraten ausgeblieben waren, kündigte die Klägerin den Leasingvertrag mit Schreiben vom 3. September 2009 fristlos und verwertete das Fahrzeug in der Folgezeit für 10.555 €. DieBeklagte widerrief am 22. Februar 2010 ihre Vertragserklärung.
- 3
- Die Klägerin beansprucht für rückständige Leasingraten, einen Restwertausgleich sowie Sicherstellungskosten die Zahlung von insgesamt 19.341,37 € nebst Zinsen. Ihre Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht beschränkt auf den Grund des Anspruchs zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
- 5
- Das Berufungsgericht (OLG Karlsruhe, Urteil vom 8. Dezember 2011 - 9 U 52/11, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
- 6
- Der Klägerin, die den Leasingvertrag auf Grund des Verzugs der Beklagten mit der Zahlung der Leasingraten wirksam gekündigt habe, stünden sowohl die beanspruchten Leasingraten als auch der nach Maßgabe der Leasingbedingungen zutreffend ermittelte Restwertausgleich und der Ersatz der angefallenen Sicherstellungskosten zu. An dem Bestand des Vertrages habe der von der Beklagten erklärte Widerruf nichts geändert, weil die Widerrufsfrist am 22. Februar 2010 abgelaufen gewesen und der Widerruf deshalb nicht wirksam sei. Denn ein Widerrufsrecht, das sich zumindest aus §§ 500, 495, 355 BGB aF ergeben habe, habe die Beklagte am 22. Februar 2010 nicht mehr wirksam ausüben können, weil die ihr erteilte Widerrufsbelehrung, auch wenn sie den Anforderungen des § 355 BGB aF nicht voll gerecht geworden sei, die Widerrufsfrist spätestens mit dem Vollzug des Leasingvertrages im Jahre 2006 in Lauf gesetzt habe. Zwar sehe die Widerrufsbelehrung, bei der die Klägerin exakt den damaligen Text der Musterbelehrung nach Anlage 2 zu § 14 BGBInfoV in der bei Vertragsschluss gültigen Fassung verwandt habe, zum Lauf der Widerrufsfrist lediglich vor, dass die Frist "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" beginne, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzureichend sei und die Widerrufsfrist nicht in Gang setze. Dies könne jedoch nicht gelten, wenn sich der Unternehmer der Musterbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV bediene und sie wörtlich und vollständig übernehme. Art. 245 EGBGB habe als Ermächtigungsgrundlage zum Erlass dieser Rechtsverordnung auch eine nicht perfekte und deswegen fehlerhafte Musterbelehrung gedeckt , bei der der Fehler - wie hier - nur geringfügig sei und den Rahmen der durch die Musterbelehrung erstrebten Typisierung nicht überschritten habe. Zumindest könne sich die Klägerin auf den durch die BGB-Informationspflichten -Verordnung und deren § 14 begründeten Vertrauenstatbestand berufen , wenn und soweit sich die falsche Belehrung - wie vorliegend - tatsächlich nicht ausgewirkt habe. Denn die Beklagte, die allenfalls von einem Beginn der Widerrufsfrist mit der noch im Jahre 2006 erfolgten Übergabe oder Zulassung des Fahrzeugs habe ausgehen können, habe zu keinem Zeitpunkt vor der Kündigung des Vertrages im Jahre 2009 Anstalten gemacht, den Vertrag zu widerrufen ; ebenso wenig habe sie behauptet, im Laufe des Jahres 2006 oder sonst zu einem Zeitpunkt vor der Kündigung des Vertrages durch die Klägerin einen Widerruf beabsichtigt zu haben.
II.
- 7
- Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
- 8
- Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Klägerin den Leasingvertrag aufgrund des Zahlungsverzugs der Beklagten wirksam gemäß Abschnitt XIV Nr. 2 der Leasingbedingungen gekündigt hat und dass sie das Leasingfahrzeug anschließend im Einklang mit Abschnitt XV der Leasingbedingungen verwertet und abgerechnet hat. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Sie macht lediglich geltend, dass das Berufungsgericht die Widerrufserklärung der Beklagten zu Unrecht als verspätet angesehen habe. Die von der Klägerin verwendete Widerrufsbelehrung nach dem Muster der Anlage 2 zu § 14 der BGB-Informationspflichten-Verordnung (idF von Art. 3 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2. Dezember 2004 [BGBl. I S. 3102; im Folgenden: BGBInfoV
]) genüge nicht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF. Zu einer solchen Abweichung sei der Verordnungsgeber nicht ermächtigt gewesen. Die Klägerin könne sich auch nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen in die Wirksamkeit der Musterbelehrung berufen. Hiermit kann die Revision indessen nicht durchdringen. Die Klägerin kann sich für die Wirksamkeit der von ihr erteilten Widerrufsbelehrung vielmehr auf die in § 14 Abs. 1 BGB-InfoV geregelte Gesetzlichkeitsfiktion stützen, so dass ihre Belehrung danach als ordnungsgemäß gilt und die Widerrufsfrist bei Absendung der Widerrufserklärung am 22. Februar 2010 abgelaufen war.
- 9
- 1. Auf das vorliegende Vertragsverhältnis finden das Bürgerliche Gesetzbuch , das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch und die BGBInformationspflichten -Verordnung in der bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB). Die hier jedenfalls nach §§ 500, 495 Abs. 1, § 355 Abs. 2 BGB aF zu erteilende Widerrufsbelehrung hat zwar den Anforderungen des in § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF geregelten Deutlichkeitsgebots nicht genügt. Denn eine Belehrung, die sich - wie hier - hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist auf die Aussage beschränkt, dass die Frist frühestens mit Erhalt dieser Belehrung beginnt, ist - wie durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs inzwischen geklärt ist - nicht in der erforderlichen Weise eindeutig und umfassend, weil die Verwendung des Wortes "frühestens" es dem Verbraucher nicht ermöglicht, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen (BGH, Urteile vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, WM 2010, 721 Rn. 13, 15; vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10, WM 2011, 86 Rn. 12; vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 14; vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10, WM 2011, 1799 Rn. 34; vom 1. März 2012 - III ZR 83/11, juris, Rn. 15).
- 10
- Gleichwohl hat dieser Mangel nicht zur Folge gehabt, dass die Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB aF wegen einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung der Beklagten über ihr Widerrufsrecht nicht erloschen wäre. Die erteilte Belehrung gilt vielmehr gemäß § 14 Abs. 1 BGB-InfoV (aufgehoben mit Wirkung ab 11. Juni 2010 durch Art. 9 Nr. 4 des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29. Juli 2009 [BGBl. I S. 2355]) als ordnungsgemäß. Nach dieser Bestimmung genügt die Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB aF und den diesen ergänzenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn - wie hier - das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in Textform verwandt wird.
- 11
- 2. Allerdings ist in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum umstritten , ob die in § 14 Abs. 1 BGB-InfoV für die in Bezug genommene Musterbelehrung angeordnete Gesetzlichkeitsfiktion noch von der dafür in Art. 245 Nr. 1 EGBGB aF geschaffenen Ermächtigungsgrundlage gedeckt wird, ob § 14 Abs. 1 BGB-InfoV und die Musterbelehrung mangels hinreichender Ermächtigungsgrundlage und eines dann zugleich gegebenen Verstoßes gegen die ge- setzlichen Belehrungsanforderungen des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF nichtig sind und ob sich dies auf ein Vertrauen des Verwenders in die Ordnungsmäßigkeit der Musterbelehrung auswirken kann.
- 12
- a) Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass Art. 245 Nr. 1EGBGB aF, der die Ermächtigung enthält, Inhalt und Gestaltung der dem Verbraucher unter anderem gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF mitzuteilenden Belehrung über das Widerrufsrecht festzulegen, bereits nach seinem Wortlaut nichts dafür hergebe, dass die Exekutive die gesetzlichen Anforderungen an den Umfang der Belehrung nach Zweckmäßigkeitserwägungen sollte herabsetzen dürfen. Er habe vielmehr den Verordnungsgeber an die Voraussetzungen gebunden, die das Bürgerliche Gesetzbuch für den Inhalt der Widerrufsbelehrung zwingend vorgegeben habe. Zudem verdiene ein mit der Musterbelehrung bezweckter Vertrauensschutz des Verwenders keinen Vorrang vor den gleichermaßen schutzwürdigen Belangen des Verbrauchers an der Erteilung einer dem Gesetz entsprechenden Belehrung (OLG Schleswig, OLGR 2007, 929, 931; OLG Jena, Urteil vom 28. September 2010 - 5 U 57/10, juris Rn. 69 f.; vgl. auch MünchKommBGB /Masuch, 5. Aufl., § 355 Rdnr. 57; jeweils mwN; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2003, Art. 245 EGBGB Rn. 13; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearb. 2004, § 495 Rn. 35).
- 13
- Die gegenteilige Auffassung versteht die Verordnungsermächtigung dahin , dass dem Verordnungsgeber das Recht eingeräumt worden sei, den Umfang der Belehrung im Interesse des Verbrauchers zu ergänzen, bei bestimmten Informationen aber auch im Interesse einer Typisierung einschränkend zu konkretisieren (Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 14 BGB-InfoV Rn. 6; Bodendiek, MDR 2003, 1, 3; ähnlich OLG Koblenz, NJW 2006, 919, 921 [zu § 14 Abs. 4 BGB-InfoV]). Sie will im Übrigen die von § 14 Abs. 1 BGB-InfoV ausgehenden Schutzwirkungen lediglich dann versagen, wenn sich ein Mangel der Belehrung im Einzelfall konkret zu Lasten des Verbrauchers ausgewirkt hat (OLG Frankfurt am Main, OLGR 2009, 849; Palandt/Grüneberg, aaO; AnwKBGB /Ring, 2005, § 14 BGB-InfoV Rn. 12).
- 14
- b) In den bisher entschiedenen Fällen konnte der Senat die Frage offen lassen (vgl. Senatsurteil vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, aaO Rn. 21 mwN). Er entscheidet sie nunmehr dahin, dass der Verwender einer Widerrufsbelehrung sich auf die Schutzwirkungen des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen kann, wenn er das in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV geregelte Muster für die Widerrufsbelehrung in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung verwendet hat. Die Gesetzlichkeitsfiktion, die der Verordnungsgeber der Musterbelehrung durch § 14 Abs. 1 BGB-InfoV beigelegt hat, wird trotz der hier in Rede stehenden Abweichung vom Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF (dazu vorstehend unter II 1) von der Ermächtigungsgrundlage des Art. 245 Nr. 1 EGBGB aF gedeckt.
- 15
- aa) Die Verordnungsermächtigung ist im Zuge der Beratungen des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz geschaffen worden. In den Materialien findet sich folgende Begründung (BT-Drucks. 14/7052, S. 208): "Der Ausschuss ist sich bewusst, dass es Unternehmern angesichts der zunehmenden Informationspflichten zunehmend schwerer fällt, dieser "Informationslast", die freilich zum Schutz des Verbrauchers unabdingbar ist, fehlerfrei nachzukommen. Die korrekte Abfassung der Widerrufsbelehrung und ihre korrekte Verbindung mit den Verbraucherinformationen ist indessen für den Unternehmer wie auch für den Verbraucher von entscheidender Bedeutung. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass immer wieder Rechtsstreitigkeiten darüber entstehen, ob ein Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß über das Widerrufsoder Rückgaberecht belehrt hat. Dem Ausschuss erscheint es daher aus Gründen der Vereinfachung für die Geschäftspraxis der Unternehmer, aber auch der Rechtssicherheit und Entlastung der Rechtspflege zweckmäßig, im Verordnungswege den gesetzlich erforderlichen Inhalt und die Gestaltung der Belehrung einheitlich festzulegen. Dem dient die hier neu einzustellende Verordnungsermächtigung…"
- 16
- bb) Der Gesetzgeber hat hiernach dem Verordnungsgeber zwar den Auftrag erteilt, bei einem Gebrauchmachen von der Ermächtigung den gesetzlich erforderlichen Inhalt einer Widerrufsbelehrung in korrekter Weise in die von ihm zu gestaltende Belehrung einfließen zu lassen und darüber eine ordnungsgemäße Information des Verbrauchers über dessen Widerrufsrecht zu gewährleisten. Der vorrangig mit der Ermächtigung und dem darin enthaltenen Gestaltungsauftrag verfolgte Zweck, die Geschäftspraxis der Unternehmer zu vereinfachen sowie Rechtssicherheit herzustellen und in der Folge die Rechtspflege zu entlasten, würde jedoch verfehlt, wenn sich der Unternehmer auf die Gesetzlichkeitsfiktion der von ihm verwendeten Musterbelehrung nicht berufen könnte. Das gilt umso mehr, als dem Verordnungsgeber aufgetragen war, neben dem Interesse des Verbrauchers an einer korrekten Belehrung auch das Interesse an einer Vereinfachung und Vereinheitlichung der Belehrungsgestaltung und ihrer Handhabung zu berücksichtigen, was zugleich gewissen Standardisierungen zu Zwecken der Handhabbarkeit und Verständlichkeit Raum gibt. Dass der Verordnungsgeber, der davon ausgegangen ist, die Musterwiderrufsbelehrung brauche nicht umfassend über jedes Detail bei jeder denkbaren Fallgestaltung zu belehren, sondern müsse dem Verbraucher nur grundsätzlich seine Rechte verdeutlichen (vgl. BT-Drucks. 16/3595, S. 2), den ihm eröffneten Gestaltungsspielraum bei Abfassung der Musterbelehrung überschritten hätte, ist deshalb nicht ersichtlich. Zudem sollte er, um das vom Gesetzgeber mit der Verordnungsermächtigung verfolgte Programm effektiv verwirklichen zu können, nämlich den Gebrauch von Widerrufsbelehrungen zu vereinfachen und rechtssicher zu machen, auch berechtigt sein, die von ihm einheitlich festzulegende Widerrufsbelehrung einem Streit über ihre Ordnungsmäßigkeit zu entziehen und ihr dazu etwa die gewählte Gesetzlichkeitsfiktion beizulegen. Dem ist er mit § 14 Abs. 1 BGB-InfoV und dem darin in Bezug genommenen Belehrungsmuster in rechtlich zulässiger Weise nachgekommen. Ball Dr. Frellesen Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Bünger
LG Konstanz, Entscheidung vom 22.02.2011 - 4 O 248/10 D -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 08.12.2011 - 9 U 52/11 -
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Kosten des Revisionsrechtszugs hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Die Klägerin veranstaltet Lehrgänge für Naturheilverfahren. Sie verlangt von der Beklagten die Zahlung einer restlichen Kursgebühr in Höhe von 1.782 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten.
- 2
- Die Beklagte meldete sich am 9. August 2010 über die Internetseite (Homepage, Webseite) der Klägerin zu dem Seminar "Gestalttherapie" an, das in der Zeit vom 9. April 2011 bis zum 20. Mai 2012 stattfand. Die Kursgebühr betrug 1.980 €. Die Beklagte erhielt hierüber mit Datum vom 9. August 2010 eine Anmeldebestätigung der Klägerin. Eine Widerrufsbelehrung war dieser Bestätigung nicht beigefügt. Mit E-Mail vom 19. Dezember 2010 sagte die Beklagte ihre Teilnahme an dem Seminar ab und nahm ihre Anmeldung mit der Bitte um Stornierung der ausgestellten Rechnung zurück. In Erwartung einer gütlichen Einigung zahlte die Beklagte an die Klägerin 198 € (= 10 % der Kurs- gebühr). Die Differenz zur vollen Kursgebühr (1.980 €) ist Gegenstand der Kla- ge.
- 3
- Die Klägerin hat behauptet, die Anmeldung der Beklagten sei über eine Eingabemaske erfolgt, die abschließend mit folgendem Ankreuzkästchen (Kontrollkasten ; sogenannte Checkbox) versehen gewesen sei: "Widerrufserklärung □ Widerrufsbelehrung zur Kenntnis genommen und ausgedruckt oder abgespeichert?"
- 4
- Die Beklagte habe den Kontrollkasten anklicken und damit zugleich dort auch ein Häkchen setzen müssen, um den Anmeldevorgang abschließen und ihre Daten an die Klägerin übersenden zu können.
- 5
- Die Klägerin hat geltend gemacht, die Möglichkeit, die Widerrufsbelehrung auf ihrer Internetseite einzusehen und sodann abzuspeichern oder auszudrucken , genüge den gesetzlichen Anforderungen, so dass die Beklagte die Widerrufsfrist versäumt habe. Jedenfalls sei es der Beklagten nach Treu und Glauben versagt, sich auf einen etwaigen Mangel der Widerrufsbelehrung zu berufen, weil sie mit dem Anklicken des Kontrollkastens und dem Setzen des Häkchens eindeutig zum Ausdruck gebracht habe, die Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß erhalten zu haben.
- 6
- Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 7
- Die Revision ist unbegründet.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht hat einen (restlichen) Vergütungsanspruch der Klägerin verneint, weil die Beklagte ihre auf den Abschluss des Vertrags über die Teilnahme an dem Seminar gerichtete Willenserklärung fristgerecht widerrufen habe.
- 9
- Die von der Klägerin vorgetragene Widerrufsbelehrung habe den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt, so dass die zweiwöchige Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen habe. Für die Mitteilung der Widerrufsbelehrung in Textform gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB reiche die bloße Möglichkeit des Abspeicherns oder Ausdruckens einer auf der Internetseite des Unternehmers abrufbaren Widerrufsbelehrung durch den Verbraucher nicht aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Gerichtshofs der Europäischen Union sei im Hinblick auf den gemeinschaftsrechtlichen Hintergrund der Regelungen zu dem Widerrufsrecht der Verbraucher bei Abschluss eines Fernabsatzvertrags der Zugang der Widerrufsbelehrung beim Verbraucher in einer zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise erforderlich. Daher müsse der Verbraucher die elektronische Widerrufsbelehrung - wenn er sie nicht per Post oder E-Mail übersandt erhalte - auf seinem eigenen Computer abspeichern oder ausdrucken. Dafür, dass dies hier geschehen sei, habe die Klägerin indes keinen Beweis angeboten.
- 10
- Ob die Beklagte bei ihrer Anmeldung tatsächlich, wie von der Klägerin behauptet, den Kontrollkasten angeklickt und dort ein Häkchen gesetzt habe und es ihr deshalb nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt sei, sich auf den Formverstoß zu berufen, könne offen bleiben. Denn die betreffende Passage innerhalb der behaupteten Eingabemaske der Klägerin sei als Allgemeine Geschäftsbedingung einzuordnen, welche die Beweislast zum Nachteil des Verbrauchers verschiebe und somit gemäß § 309 Nr. 12 Buchst. b BGB unwirksam sei. Die vom Verbraucher im Anmeldevorgang abzugebende Bestätigung, die Widerrufsbelehrung ausgedruckt oder gespeichert zu haben, bringe ihn in die - ihm von Gesetzes wegen nicht zugedachte - Position, darlegen und gegebenenfalls beweisen zu müssen, dass dem gerade nicht so gewesen sei.
II.
- 11
- Auf die Revision der Klägerin ist das angefochtene Urteil einer uneingeschränkten Prüfung zu unterziehen. Entgegen der Meinung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Revision unbeschränkt zugelassen. Es hat im Tenor des Urteils die Revisionszulassung ohne Einschränkungen ausgesprochen. Zwar kann sich eine Beschränkung der Rechtsmittelzulassung auch aus den Entscheidungsgründen ergeben (vgl. etwa BGH, Urteile vom 13. November 2012 - XI ZR 334/11, NJW 2013, 450 Rn. 7 mwN und vom 11. Mai 2012 - V ZR 193/11, NJW 2012, 2648, 2649 Rn. 5). Dies muss sich allerdings klar und eindeutig aus den Gründen des Urteils ableiten lassen. Unzureichend ist es, wenn das Berufungsgericht lediglich eine Begründung für die Zulassung der Revision nennt, ohne weiter erkennbar zu machen, dass es die Zulassung auf den durch die Rechtsfrage betroffenen Teil des Streitgegenstands hat beschränken wollen (s. etwa Senatsurteile vom 8. März 2012 - III ZR 191/11, NZS 2012, 546 Rn. 6 und vom 15. April 2010 - III ZR 196/09, BGHZ 185, 185, 187 Rn. 7; BGH, Urteile vom 11. Mai 2012 aaO; vom 18. März 2010 - I ZR 158/07, BGHZ 185, 11, 16 Rn. 17 und vom 18. Dezember 2008 - I ZR 63/06, GRUR 2009, 515, 516 Rn. 17). Mit seiner Ausführung, es stelle eine klärungsbedürftige grundsätzliche Rechtsfrage dar, ob eine vorformulierte Erklärung des Verbrauchers, er habe eine Widerrufsbelehrung zur Kenntnis genommen und ausgedruckt oder abgespeichert , gemäß § 309 Nr. 12 Buchst. b BGB unwirksam sei, hat das Berufungsgericht seine Zulassungsentscheidung nur erläutert, ohne die Zulassung der Revision erkennbar auf die erwähnte Frage einschränken zu wollen.
- 12
- Abgesehen davon wäre eine Beschränkung der Revisionszulassung auf die Frage der Wirksamkeit dieser Erklärung nicht zulässig, da sich die Beantwortung dieser Rechtsfrage nicht auf einen rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Streitgegenstands beziehen würde (vgl. nur Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5 mwN).
III.
- 13
- Das angefochtene Urteil hält der rechtlichen Überprüfung stand. Der Klägerin steht der von ihr geltend gemachte Vergütungsanspruch (§ 611 Abs. 1 BGB) nicht zu, weil die Beklagte ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung nach Maßgabe von § 312d Abs. 1 Satz 1, § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB fristgerecht widerrufen hat; maßgeblich ist insoweit, ebenso wie bei allen anderen einschlägigen, Fernabsatzverträge und die damit verbundenen Widerrufs - und Rückgaberechte betreffenden Vorschriften, die bis zum 12. Juni 2014, also bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermitt- lung vom 20. September 2013 (BGBl. I S. 3642), geltende Fassung. Der Beklagten ist es auch nicht - nach Treu und Glauben oder unter Schadensersatzgesichtspunkten - verwehrt, sich auf die mit dem Widerruf verbundenen Rechtsfolgen zu berufen.
- 14
- 1. Bei dem hier im Streit stehenden Vertrag über die Teilnahme an einem Seminar handelt es sich um einen Fernabsatzvertrag im Sinne von § 312b BGB, den die Beklagte als Verbraucher (§ 13 BGB) mit der Klägerin als Unternehmer (§ 14 BGB) abgeschlossen hat. Gemäß § 312d Abs. 1 Satz 1, § 355 BGB steht der Beklagten ein Widerrufsrecht zu.
- 15
- 2. Das Berufungsgericht hat die E-Mail der Beklagten vom 19. Dezember 2010 als Widerrufserklärung ausgelegt. Dies begegnet in rechtlicher Hinsicht keinen Bedenken und wird auch von der Revision nicht beanstandet. Mit ihrer E-Mail vom 19. Dezember 2010 hat die Beklagte gegenüber der Klägerin hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie den Vertrag nicht mehr gegen sich gelten lassen wolle.
- 16
- 3. Der Widerruf der Beklagten ist auch fristgemäß erfolgt.
- 17
- a) Die in § 355 Abs. 2 BGB bestimmte Widerrufsfrist beginnt gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB erst dann, wenn dem Verbraucher eine den Anforderungen des § 360 Abs. 1 BGB entsprechende Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform mitgeteilt wird.
- 18
- b) Nach dem im Revisionsrechtszug zugrunde zu legenden Vorbringen der Klägerin fehlte es an einer formgerechten Mitteilung der Widerrufsbelehrung an die Beklagte, so dass die Widerrufsfrist bis zur Erklärung des Widerrufs der Beklagten nicht zu laufen begonnen hatte.
- 19
- aa) Aus dem Erfordernis der "Mitteilung" der Widerrufsbelehrung an den Verbraucher "in Textform" (§ 355 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 sowie § 126b BGB, ebenfalls in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung) und der Betrachtung der mit den bis zum 12. Juni 2014 gültigen einschlägigen Normen des Bürgerlichen Gesetzbuchs korrespondierenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts (s. insb. Art. 4 Abs. 1 Buchst. f und Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. EG 1997 Nr. L 144 S. 19; Erwägungsgrund Nummer 20 der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. EG 2002 Nr. L 271 S. 16) ergibt sich, dass die für die Widerrufsbelehrung erforderlichen Informationen in einer zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise sowohl vom Unternehmer abgegeben werden als auch dem Verbraucher zugehen müssen. Die bloße Abrufbarkeit der Widerrufsbelehrung auf einer gewöhnlichen Webseite ("ordinary website") des Unternehmers reicht hiernach nicht aus, weil die Belehrung auf diese Weise nicht in einer unveränderlichen textlich verkörperten Gestalt in den Machtbereich des Verbrauchers gelangt. Erforderlich ist in diesem Falle vielmehr, dass der Verbraucher die Belehrung per Briefpost oder E-Mail erhält oder auf seinem Computer abspeichert oder selbst ausdruckt. Dies entspricht der nahezu einhelligen Ansicht in der Rechtsprechung und im Schrifttum (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 66/08, NJW 2010, 3566, 3567 f Rn. 17 ff; OLG Stuttgart, MMR 2008, 616, 617; KG, MMR 2007, 185, 186 und NJW 2006, 3215, 3216; OLG Hamburg, MMR 2008, 44 und GRUR-RR 2007, 174 f; OLG Naumburg, NJW-RR 2008, 776, 777 f; OLG Köln, GRUR-RR 2008, 88, 89 f; MüKoBGB/Wendehorst, 6. Aufl., § 312c Rn. 112 f; Bamberger/Roth/Grothe, BGB, 3. Aufl., § 355 Rn. 9; Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 126b Rn. 3; Bonke/Gellmann, NJW 2006, 3169 ff; Ludwig, ZGS 2011, 58, 60; Schmidt-Räntsch, WuB IV D. § 312c BGB 1.11; Woitkewitsch/Pfitzer, MDR 2007, 61 ff; s. auch Entwurf der Bundesregierung für das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr, BT-Drucks. 14/4987, S. 20; insoweit - für gewöhnliche Webseiten - zustimmend wohl auch Reiff, ZJS 2012, 432, 440 ff; ders. in Festschrift für Bernd von Hoffmann, 2011, S. 823, 834 f; ders., VersR 2011, 540, 541 f; krit. hingegen Härting, Internetrecht , 4. Aufl., Rn. 715). Diese Auffassung wird auch vom Gerichtshof der Europäischen Union geteilt (Urteil vom 5. Juli 2012 - C-49/11 Content Services, NJW 2012, 2637, 2638 f Rn. 32 ff). Es ist Aufgabe des Unternehmers, dem Verbraucher die Belehrung in Textform zu übermitteln, und nicht Aufgabe des Verbrauchers, sich diese Belehrung selbst zu verschaffen (vgl. hierzu EuGH aaO S. 2638 Rn. 32 bis 37; Schlussantrag des Generalanwalts Paolo Mengozzi vom 6. März 2012 in der Rechtssache C-49/11 Nr. 24 f).
- 20
- bb) Dass die Beklagte die Widerrufsbelehrung auf der Webseite der Klägerin aufgerufen und bei sich abgespeichert oder ausgedruckt hätte, haben die Vorinstanzen nicht festzustellen vermocht. Hierfür hat die insoweit beweisbelastete Klägerin (s. § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB) keinen Beweis angeboten. Die Revision erhebt hierzu auch keine Einwände.
- 21
- cc) Unter Zugrundelegung des revisionsrechtlich maßgeblichen Vortrags der Klägerin haben sich ihr Online-Anmeldeformular und die damit verlinkte Widerrufsbelehrung auf einer gewöhnlichen Webseite ("ordinary website") und nicht auf einer sogenannten fortgeschrittenen Webseite ("sophisticated website" ) befunden. Es bedarf hier deshalb keiner Entscheidung, ob es für die Mitteilung der Widerrufsbelehrung in Textform im Sinne von § 355 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1, § 126b BGB genügen kann, wenn der Unternehmer die Widerrufsbelehrung für den Verbraucher auf einer fortgeschrittenen Internetseite ("sophisticated website") zur Verfügung stellt.
- 22
- (1) Der Gerichtshof der Europäischen Union (aaO S. 2638 f Rn. 42 ff) hat im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA-Gerichtshof) vom 27. Januar 2010 (E-4/09, VersR 2010, 793, 797 Rn. 61 ff) erwogen, ob eine fortgeschrittene Webseite den Anforderungen an einen für den Verbraucher verfügbaren dauerhaften Datenträger im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 97/7/EG gerecht wird. Nach Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist es entscheidend, ob der Datenträger dem Verbraucher die Speicherung der an ihn persönlich gerichteten Informationen erlaubt sowie die Gewähr dafür bietet, dass ihr Inhalt und ihre Zugänglichkeit während einer angemessenen Dauer nicht verändert werden, und dass dem Verbraucher die Möglichkeit ihrer originalgetreuen Wiedergabe eröffnet wird (aaO S. 2638 Rn. 43 f unter Hinweis auf Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2002/65/EG). Dementsprechend gehören zu den dauerhaften Datenträgern insbesondere Disketten, CD-Roms, DVDs und die Festplatte des Computers des Verbrauchers, auf der die elektronische Post gespeichert wird, InternetWebseiten dagegen nur dann, wenn sie die in der Definition des Begriffs "dau- erhaftes Medium” enthaltenen Voraussetzungen erfüllen (vgl. Erwägungsgrund 20 der Richtlinie 2002/65/EG).
- 23
- (2) Eine fortgeschrittene Webseite kann als den Anforderungen an einen für den Verbraucher verfügbaren dauerhaften Datenträger im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 97/7/EG genügend in Betracht gezogen werden, wenn sie Elemente enthält, die den Verbraucher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dazu anhalten, die Informationen in Papierform zu sichern oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger zu speichern (EFTA-Gerichtshof aaO Rn. 65) oder wenn sie einen sicheren Speicherbereich für den einzelnen Verbraucher vorsieht, auf welchen nur dieser mittels Eingabe von Benutzernamen und Passwort zugreifen kann, so dass der Unternehmer keine Möglichkeit hat, die dort einmal eingestellten Informationen zu ändern (EFTA-Gerichtshof aaO Rn. 66).
- 24
- (3) Ob eine solchermaßen gestaltete fortgeschrittene Webseite für die Mitteilung der Widerrufsbelehrung in Textform im Sinne von § 355 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1, § 126b BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung ausreicht (so Reiff, ZJS 2012, 432, 434 ff, 442 f; ders. in Festschrift für Bernd von Hoffmann, 2011, S. 823 ff, 834 f; ders., VersR 2011, 540, 542; wohl auch Ludwig, ZGS 2011, 58, 61, 62), braucht hier indessen nicht entschieden zu werden, weil das Online-Anmeldeformular der Klägerin keine fortgeschrittene Webseite im vorerwähnten Sinne darstellt.
- 25
- (a) Dass die Webseite der Klägerin einen sicheren Speicherbereich für den einzelnen Verbraucher enthält, auf welchen allein dieser mittels Eingabe des Benutzernamens und seines persönlichen Passworts zugreifen kann, so dass die Klägerin keine Möglichkeit hat, die dort einmal eingestellten Informationen zu ändern, hat die Klägerin nicht vorgetragen und ist auch ansonsten nicht ersichtlich.
- 26
- (b) Entgegen der Meinung der Klägerin hält der vorgegebene Kontrollkasten den Verbraucher auch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dazu an, die Widerrufsbelehrung durch Ausdrucken in Papierform zu sichern oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger abzuspeichern. Der Anmeldevorgang kann nach dem Ankreuzen des Kontrollkastens nämlich auch dann ungehindert fortgesetzt werden, wenn die Widerrufsbelehrung weder aufgerufen noch ausgedruckt oder abgespeichert worden ist. Ein "Zwangsdownload" (zu diesem Begriff s. Reiff, ZJS 2012, 432, 435, 436; ders. in Festschrift für Bernd von Hoffmann, 2011, S. 823, 831, 832 f) ist nicht vorgesehen. Die bloße Möglichkeit des Ausdruckens oder Speicherns reicht nicht, um den erforderlichen Zugang der Informationen beim Verbraucher ohne dessen weiteres Zutun sicherzustellen. Die Widerrufsbelehrung war zudem auf der Webseite der Klägerin nicht abgebildet, sondern lediglich über einen Hyperlink aufrufbar. Dies genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht (vgl. EuGH aaO S. 2638 f Rn. 32 ff).
- 27
- 4. Der Beklagten ist es entgegen der Ansicht der Revision auch nicht gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf den Mangel der (formgerechten) Mitteilung der Widerrufsbelehrung zu berufen, weil die Beklagte - wie von der Klägerin behauptet - durch Setzen eines Häkchens im betreffenden Kontrollkasten bestätigt habe, die Widerrufsbelehrung ausgedruckt oder abgespeichert zu haben. Eine derartige von der Beklagten abgegebene "Bestätigung" hätte keine Wirkungen entfaltet. Denn die von der Klägerin vorformulierte Bestätigung hält einer Inhaltskontrolle gemäß § 309 Nr. 12 Buchst. b BGB nicht stand und weicht von den verbraucherschützenden Regelungen in § 355 Abs. 2 und 3, § 360 Abs. 1 BGB zum Nachteil des Verbrauchers ab.
- 28
- a) Die von der Klägerin vorformulierte Empfangsbestätigung der Beklagten stellt eine der Inhaltskontrolle unterliegende Allgemeine Geschäftsbedingung dar, die mit § 309 Nr. 12 Buchst. b BGB nicht zu vereinbaren ist.
- 29
- aa) Bei der von der Klägerin vorformulierten Bestätigung handelt es sich um eine gemäß §§ 305 ff BGB kontrollfähige Allgemeine Geschäftsbedingung.
- 30
- (1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrags stellt. Dem Schutzzweck der Regelungen zur Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen entspricht es, auch die vom Verwender vorformulierten einseitigen rechtsgeschäftlichen Erklärungen der anderen Vertragspartei einer AGB-rechtlichen Kontrolle zu unterwerfen (s. BGH, Urteile vom 16. März 1999 - XI ZR 76/98, BGHZ 141, 124, 126 und vom 5. Mai 1986 - II ZR 150/85, BGHZ 98, 24, 28; vgl. auch Senatsurteile vom 9. April 1987 - III ZR 84/86, NJW 1987, 2011 und vom 19. September 1985 - III ZR 213/83, BGHZ 95, 362, 363 ff; MüKoBGB/Basedow aaO § 305 Rn. 9; Staudinger/Schlosser, BGB [2013], § 305 Rn. 8; Ulmer/ Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., § 305 Rn. 16 f; Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Aufl., § 305 Rn. 11). Es reicht aus, wenn die vorformulierte Erklärung nach ihrem objektiven Wortlaut bei dem Empfänger den Eindruck hervorruft, es solle damit der Inhalt eines vertraglichen oder vorvertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt werden (s. BGH, Urteile vom 4. Februar 2009 - VIII ZR 32/08, BGHZ 179, 319, 323 Rn. 11 und vom 8. März 2005 - XI ZR 154/04, BGHZ 162, 294, 297; OLG München, MMR 2007, 47, 49). Auch sonstige im Zusammenhang mit einer vertraglichen Beziehung stehende rechtserhebliche Erklärungen des Kunden sind der Überprüfung nach den §§ 305 ff BGB zugänglich (vgl. MüKoBGB/Basedow aaO).
- 31
- (2) Die hier im Streit stehende Bestätigung ist im Hinblick auf die mit ihr verbundene Beweiswirkung als Allgemeine Geschäftsbedingung zu qualifizieren. Die Rechtsprechung unterwirft vergleichbare (Empfangs-)Bestätigungen der AGB-rechtlichen Klauselkontrolle (s. zu §§ 9, 11 Nr. 15 Buchst. b AGBG: BGH, Urteil vom 29. April 1987 - VIII ZR 251/86, BGHZ 100, 373, 381; OLG Koblenz, NJW-RR 1994, 58, 59; OLG Hamburg, NJW-RR 1987, 47, 48; OLG München, ZIP 1982, 1455 und AGBE II, § 9 AGBG Nummer 33; OLG Schleswig , AGBE I, § 11 Nr. 15 AGBG Nummer 129). Die Regelungen in § 308 Nr. 5 und § 309 Nr. 12 Buchst. b BGB beziehen sich dementsprechend gerade auf vom Verwender vorformulierte einseitige Erklärungen des Kunden (s.Palandt/ Grüneberg aaO § 305 Rn. 5; vgl dazu auch Entwurf der Bundesregierung zum Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, BTDrucks. 7/3919 S. 39). Mit dem von der Klägerin vorgegebenen Setzen eines Häkchens durch Anklicken des Kontrollkastens wird seitens des Kunden (hier: der Beklagten) eine rechtserhebliche Erklärung abgegeben. Die Bedeutung dieser Erklärung für den Vertrag wird zusätzlich dadurch hervorgehoben, dass der Vertrag - nach dem Vortrag der Klägerin - ohne diese Bestätigung nicht hätte abgeschlossen werden können. Mit dem Abhaken durch Anklicken des Kontrollkastens wird die Bestätigung nicht zu einer individuellen Erklärung des Kunden. Eine Individualabrede (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB) wäre nur gegeben, wenn für den Kunden die Möglichkeit einer inhaltlichen Einflussnahme bestanden hätte. Hierzu muss der Verwender die Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellen und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumen; der Kunde muss die reale Möglichkeit erhalten, den Inhalt der Vertragsbedingungen zu beeinflussen (st. Rspr.; s. nur Senatsurteil vom 19. Mai 2005 - III ZR 437/04, NJW 2005, 2543, 2544 mwN; s. auch Ulmer/ Habersack aaO § 305 Rn. 53 f). Die Klägerin hat ihren Kunden eine solche Gestaltungsmöglichkeit indes nicht eingeräumt. Wollen die Kunden sich zu einem Seminar über die Webseite der Klägerin anmelden, so muss das Häkchen durch Anklicken des Kontrollkastens gesetzt werden, ohne dass hierzu eine Alternative eröffnet ist.
- 32
- bb) Die von der Klägerin vorformulierte "Bestätigung" hat die Wirkung einer Beweislastumkehr und ist deshalb gemäß § 309 Nr. 12 Buchst. b BGB unwirksam.
- 33
- (1) Gemäß § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB trägt der Unternehmer die Beweislast für alle Tatsachen, aus denen er die Nichteinhaltung der Widerrufsfrist herleiten will, insbesondere für die formgerechte Mitteilung der Widerrufsbelehrung (Palandt/Grüneberg aaO § 355 Rn. 23). Mit der von ihm vorformulierten Bestätigung würde sich der Unternehmer im Falle ihrer Wirksamkeit ein gegen den Kunden gerichtetes Beweismittel verschaffen, mit dem er seiner Beweislast genügen könnte, bis der Kunde die Unrichtigkeit der Empfangsbestätigung bewiesen hätte; damit verkörpert die Bestätigung den typischen Fall einer Beweislaständerung (vgl. BGH, Urteile vom 29. April 1987 aaO und vom 26. Mai 1986 - VIII ZR 229/85, MDR 1987, 51, 52).
- 34
- (2) Der Anwendung von § 309 Nr. 12 Buchst. b BGB steht nicht entgegen , dass die Klägerin die Bestätigung durch das Setzen des Häkchens mittels Anklicken des Kontrollkastens erklärt hat. Zwar gilt die Unwirksamkeit nach § 309 Nr. 12 Buchst b BGB nach Halbsatz 2 dieser Regelung nicht, wenn die Bestätigung gesondert unterschrieben oder mit einer gesonderten qualifizierten Signatur versehen ist. Das Setzen eines Häkchens durch Anklicken des Kon- trollkastens im Rahmen eines Online-Anmeldevorgangs ist mit der Unterzeichnung oder Anbringung einer qualifizierten Signatur jedoch nicht vergleichbar. Mit der gesonderten Unterzeichnung einer Bestätigung oder dem Anbringen einer gesonderten qualifizierten elektronischen Signatur ist eine Warnfunktion verknüpft, die dem - oftmals unbedachten - Anklicken eines Kontrollkastens in einer Online-Anmeldemaske nicht zugemessen werden kann.
- 35
- b) Die von der Klägerin vorformulierte Bestätigungserklärung ist weiter deswegen unwirksam, weil hierdurch und durch die mit ihr verbundene Ausgestaltung des Online-Anmeldevorgangs von der gesetzlichen Regelung zur Belehrung der Verbraucher über das Widerrufsrecht zu deren Nachteil abgewichen wird.
- 36
- aa) Gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB ist eine den Anforderungen des § 360 Abs. 1 BGB entsprechende Widerrufsbelehrung dem Verbraucher bei Vertragsschluss in Textform mitzuteilen. Gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB beginnt die Widerrufsfrist erst mit der Mitteilung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung. Die Regelung des § 355 BGB ist halbzwingendes Recht. Lediglich zugunsten des Verbrauchers darf von dieser Vorschrift abgewichen werden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2009 - XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709, 710 Rn. 17; OLG Düsseldorf, Urteil vom 7. April 2011 - I-6 U 134/10, juris Rn. 41; Bamberger/Roth/Grothe aaO § 355 Rn. 2; Erman/Saenger, BGB, 13. Aufl., § 355 Rn. 1; MüKoBGB/Masuch aaO § 355 Rn. 4; Palandt/Grüneberg aaO § 355 Rn. 2; Staudinger/Kaiser, BGB [2012], § 355 Rn. 94). Mit dem am 13. Juni 2014 in Kraft tretenden § 361 Abs. 2 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20. September 2013 (BGBl. I S. 3642) hat der Gesetzgeber diese halbzwingende Wirkung - deklaratorisch - festgestellt.
- 37
- bb) Durch die von der Klägerin gewählte Gestaltung des Online-Anmeldevorgangs und die dem Kunden abverlangte Bestätigungserklärung verlagert die Klägerin die Aufgaben, die ihr als Unternehmer im Zusammenhang mit der Pflicht obliegen, den Zugang der Widerrufsbelehrung beim Verbraucher sicherzustellen, auf den Verbraucher. Zwar ist die Widerrufsbelehrung zugegangen , wenn der Verbraucher die Belehrung ausdruckt oder abspeichert (s.o., unter 3 b, aa). Dies ändert aber nichts daran, dass der Unternehmer verpflichtet ist, die Widerrufsbelehrung so zu erteilen, dass die hierzu nötigen Informationen dem Verbraucher ohne dessen Zutun zugehen. Mit der Ausgestaltung des Online -Anmeldevorgangs und der Formulierung der Bestätigung versucht die Klägerin zu erreichen, dass der Verbraucher selbst aktiv den (formgerechten) Zugang der Widerrufsbelehrung herbeiführt, wenn er die abgeforderte Bestätigung wahrheitsgemäß abgeben will. Gibt der Verbraucher die Bestätigung wahrheitswidrig ab, so soll er sich nach der Vorstellung der Klägerin letztlich so behandeln lassen müssen, als habe er die Widerrufsbelehrung gespeichert oder ausgedruckt, also den Zugang bewirkt. Damit wird zu Lasten des Verbrauchers von § 355 BGB abgewichen. Die von der Klägerin vorgegebene Ausgestaltung des Online-Anmeldeformulars lässt es zu, dass dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung tatsächlich nicht zugeht, gleichwohl soll er so behandelt werden, als sei sie ihm (formgerecht) mitgeteilt worden. Gerade dies wollte der Gesetzgeber im Interesse des Verbraucherschutzes verhindern, indem er dem Unternehmer die Pflicht zu einer aktiven Belehrung des Verbrauchers auferlegt hat. Nur hierdurch wird der erforderliche Schutz des Verbrauchers vor übereilten Entscheidungen in hinreichendem Maße gewährleistet.
- 38
- c) Ist die von der Klägerin vorformulierte Bestätigung demnach unwirksam , so kann die Klägerin hieraus nicht den Einwand herleiten, die Beklagte übe ihr Widerrufsrecht treuwidrig aus.
- 39
- Die Unwirksamkeitsfolge beschränkt sich nicht lediglich darauf, dass es nun bei der gesetzlichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zwischen den Parteien (s. § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB) verbleibt. Vielmehr vermag die von ihr erfasste Klausel überhaupt keine Wirkungen zu Lasten des Vertragsgegners zu entfalten.
- 40
- Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. EG 1993 Nr. L 95 S. 29) sind missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich. § 309 Nr. 12 Buchst. b BGB sieht die Unwirksamkeit einer die Beweislast ändernden Bestätigung des Kunden vor. Modifiziert eine Klausel das dispositive Recht und räumt sie dem Verwender unangemessene Vorteile ein, führt regelmäßig nur die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel zur Wiederherstellung der Vertragsgerechtigkeit (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 12. Oktober 1995 - I ZR 172/93, NJW 1996, 1407, 1408 und vom 11. Oktober 1984 - VII ZR 248/83, NJW 1985, 852 f; Erman/Roloff aaO § 306 Rn. 7; s. auch § 306 Abs. 1 und 2 BGB). Dem liefe es zuwider, wenn diese Klausel noch irgendeine Wirkung zu Gunsten des Verwenders oder gar die gleiche Wirkung wie im Falle ihrer Geltung hätte. Würde die von der Klägerin gestellte Klausel ungeachtet ihrer Unwirksamkeit dazu führen, dass sich der Verbraucher (hier: die Beklagte) nicht mit Erfolg auf die unterbliebene (formgerechte) Mitteilung der Widerrufsbe- lehrung berufen könnte, so würde die Klausel gerade jene Wirkung ausüben, die ihr von Rechts wegen versagt worden und die zugleich der innere Grund der Anordnung ihrer Unwirksamkeit ist. Der durch die formgerechte Mitteilung der Widerrufsbelehrung bezweckte Verbraucherschutz würde hierdurch unterlaufen.
- 41
- 5. Soweit die Klägerin die Klageforderung mit ihrer Revision auf einen Schadensersatzanspruch nach § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB stützen will und hierfür geltend macht, die Beklagte habe sie durch die wahrheitswidrige Bestätigung des Ausdruckens oder Abspeicherns der Widerrufsbelehrung arglistig getäuscht, dringt sie damit nicht durch. Zwar haftet derjenige, der eine Wissenserklärung abgibt, für deren Richtigkeit (BGH, Urteil vom 12. März 2008 - VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517, 1518 Rn. 16). Jedoch entfaltet die von der Beklagten abgegebene und von der Klägerin vorformulierte "Bestätigung" , wie bereits ausgeführt, keinerlei Wirkung. Infolgedessen kann die Klägerin auf deren Unrichtigkeit auch keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte gründen.
- 42
- 6. Nach alldem ist die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV, wie von der Revision (vorsorglich) angeregt, bedarf es nicht. Soweit es darum geht, dass die (bloße) Abrufbarkeit einer Widerrufsbelehrung auf einer gewöhnlichen Webseite den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts und des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht genügt, befindet sich die Senatsentscheidung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs. Auf die - vom Gerichtshof bislang wohl nicht abschließend entschiedene - Frage, ob und unter welchen Umständen die Bereitstellung einer Widerrufsbelehrung auf einer fortgeschrittenen Webseite ausreichen kann, kommt es hier nicht an, weil die Klä- gerin unter Zugrundelegung ihres Vorbringens eine solche Webseite nicht verwendet hat.
Tombrink Remmert
Vorinstanzen:
AG Ettlingen, Entscheidung vom 11.10.2012 - 1 C 98/12 -
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 26.07.2013 - 1 S 146/12 -
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
(1) Die empfangenen Leistungen sind spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren.
(2) Der Unternehmer muss auch etwaige Zahlungen des Verbrauchers für die Lieferung zurückgewähren. Dies gilt nicht, soweit dem Verbraucher zusätzliche Kosten entstanden sind, weil er sich für eine andere Art der Lieferung als die vom Unternehmer angebotene günstigste Standardlieferung entschieden hat.
(3) Für die Rückzahlung muss der Unternehmer dasselbe Zahlungsmittel verwenden, das der Verbraucher bei der Zahlung verwendet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist und dem Verbraucher dadurch keine Kosten entstehen.
(4) Bei einem Verbrauchsgüterkauf kann der Unternehmer die Rückzahlung verweigern, bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat. Dies gilt nicht, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.
(5) Der Verbraucher trägt die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren, wenn der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche von dieser Pflicht unterrichtet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn der Unternehmer sich bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen.
(6) Der Verbraucher ist nicht verpflichtet, die Waren zurückzusenden, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.
(7) Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers gebracht worden sind, ist der Unternehmer verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können.
(8) Für die Rechtsfolgen des Widerrufs von Verträgen über die Bereitstellung digitaler Produkte gilt ferner § 327p entsprechend.
(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit
- 1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, - 2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat, - 3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,
- 1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat, - 2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, - 3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz vom 23. Juni 1999, soweit über die Widerklage entschieden worden ist, abgeändert. Die Widerklage wird abgewiesen.
Im übrigen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger verlangen von der beklagten Bank Rückabwicklung eines Realkreditvertrages. Sie beanspruchen die Erstattung erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von insgesamt 16.007,88 DM nebst Zinsen. Widerklagend begehrt die Beklagte die Feststellung, daß der Kreditvertrag wirksam sei und die Kläger daraus verpflichtet seien.
Im Herbst 1993 bot der Vermittler S. den Klägern die Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds in Form eines Anteils an einer BGB-Gesellschaft an. Zu einem Hausbesuch erschien S. in Begleitung des Bankkaufmanns und Finanzierungsberaters K., der sich mit einer Visitenkarte der Beklagten auswies. Bei diesem Besuch unterzeichneten die Kläger den Beteiligungsvertrag und, zur Finanzierung der Beteiligung , einen Vertrag mit der Beklagten über ein Darlehen von 59.000 DM, das durch eine Grundschuld in derselben Höhe gesichert wurde. Ferner unterzeichneten sie eine Zusatzerklärung zum Darlehensvertrag, in der darauf hingewiesen wurde, daß der Anleger sämtliche wirtschaftlichen und unternehmerischen Risiken aus der Beteiligung an der Immobilienanlage trage und die Beklagte Prospekte und Verkaufsunterlagen nicht geprüft habe, keinerlei Beratungs-, Betreuungs- und Überwachungsfunktion für den Darlehensnehmer wahrnehme, sich ausschließlich auf ihre Rolle als Kreditgeberin beschränke und am Projekt nicht beteiligt sei. Eine Widerrufsbelehrung erteilte die Beklagte nicht.
Die Darlehensvaluta wurde weisungsgemäß von der Beklagten auf ein Anderkonto des Treuhänders ausgezahlt, der von den Klägern mit
der vertragsgemäßen Verwendung des Betrages zur Finanzierung der Beteiligung beauftragt war.
Die Kläger haben mit Schreiben vom 21. April 1997 den Darlehensvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten und außerdem gemäß § 1 HWiG in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung (im folgenden: a.F.) widerrufen. Sie machen geltend, sie seien durch den Emissionsprospekt und den Vermittler S. über den tatsächlichen Wert des Objekts, die gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen der Grundstücksverkäuferin mit dem Initiator und die Handelbarkeit der Anlage getäuscht worden. K., der für die Beklagte aufgetreten sei, habe den Vermittler S. unterstützt, die Anlage angepriesen und ausdrücklich empfohlen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
Der erkennende Senat hat das Revisionsverfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften über ein Vorabentscheidungsersuchen in dem Verfahren XI ZR 91/99 (Senatsbeschluß vom 29. November 1999, WM 2000, 26) ausgesetzt. Das mittlerweile ergangene Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Dezember 2001 ist abgedruckt in WM 2001, 2434.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Abweisung der Widerklage und im übrigen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - im wesentlichen ausgeführt:
Das Haustürwiderrufsgesetz sei in den Fällen des § 3 Abs. 2 VerbrKrG und damit auf den unstreitig vorliegenden Fall der Gewährung eines Realkredits zu üblichen Bedingungen nicht anwendbar. Die Beklagte hafte nicht aus Verschulden bei Vertragsschluß wegen angeblicher Anpreisung und ausdrücklicher Empfehlung der Anlage durch den Finanzierungsberater K., weil die Beklagte sich derartige Äußerungen nicht gemäß § 278 BGB zurechnen lassen müsse. K. sei zwar als Vertreter und Verhandlungsgehilfe der Beklagten aufgetreten. Für die Kläger sei aber aufgrund des ihnen bekannten Inhalts der Zusatzerklärung zum Darlehensvertrag ohne weiteres erkennbar gewesen, daß sich K. mit dem behaupteten Verhalten außerhalb des Pflichtenkreises der Beklagten begeben habe.
II.
Diese Beurteilung hält in einem entscheidenden Punkt der rechtli- chen Überprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat allerdings rechtsfehlerfrei einen Anspruch der Kläger aus Verschulden bei Vertragsschluß verneint. Entgegen der Ansicht der Revision muß sich die Beklagte nicht die von den Klägern behauptete Anpreisung und Empfehlung der Anlage durch den Finanzierungsberater K. zurechnen lassen.
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der im Rahmen von Bauherren-, Bauträger- oder Erwerbermodellen auftretende Vermittler als Erfüllungsgehilfe im Pflichtenkreis der in den Vertrieb nicht eingeschalteten Bank nur insoweit tätig, als sein Verhalten den Bereich der Anbahnung des Kreditvertrages betrifft (zuletzt Senatsurteil vom 27. Juni 2000 - XI ZR 174/99, WM 2000, 1685, 1686 m.w. Nachw.). Die behaupteten Erklärungen des Finanzierungsberaters über das Anlageobjekt betreffen nicht das Kreditgeschäft, sondern das zu finanzierende Geschäft und liegen damit außerhalb des Pflichtenkreises der Bank.
Überdies hat die Beklagte durch die Zusatzerklärung, die den Klägern nicht nur ausgehändigt, sondern unstreitig vor Unterzeichnung des Darlehensvertrages von K. vorgelesen worden ist, den Klägern verdeutlicht , daß K. nur mit der Finanzierungsvermittlung betraut war und daß die Beklagte für etwaige Erklärungen und Auskünfte über das zu finanzierende Objekt nicht einstehen wollte. Der Hinweis der Revision, die
Zusatzerklärung verstoße gegen §§ 3 und 9 AGBG, geht schon deshalb fehl, weil die Erklärung nur auf die bestehende Rechtslage hinweist.
2. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Überprüfung aber nicht stand, soweit das Berufungsgericht ein Widerrufsrecht gemäß § 1 Abs. 1 HWiG a.F. verneint.
a) Dem Berufungsgericht kann nicht darin gefolgt werden, daß ein Widerrufsrecht gemäß § 1 Abs. 1 HWiG a.F. wegen der Subsidiaritätsklausel in § 5 Abs. 2 HWiG ausscheidet. Diese Beurteilung entspricht zwar der Auslegung der § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG, § 5 Abs. 2 HWiG, wie sie der Senat in seinem Vorlagebeschluß vom 29. November 1999 (aaO) an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bei ausschließlich nationaler Betrachtung befürwortet hat. Sie berücksichtigt aber nicht, daß mit dem Haustürwiderrufsgesetz die Richtlinie 85/577/EWG des Rates betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen vom 20. Dezember 1985 (im folgenden: Haustürgeschäfterichtlinie) in nationales Recht umgesetzt worden ist und die Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes daher richtlinienkonform auszulegen sind.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat mit Urteil vom 13. Dezember 2001 (aaO) entschieden, daß die Haustürgeschäfterichtlinie dahin auszulegen ist, daß sie auf Realkreditverträge Anwendung findet, so daß dem Verbraucher bei solchen Verträgen das Widerrufsrecht nach Art. 5 der Richtlinie eingeräumt werden muß und dieses für den Fall, daß der Verbraucher über das Widerrufsrecht nicht gemäß
Art. 4 der Richtlinie belehrt wurde, nicht auf ein Jahr nach Vertrags- schluß befristet werden darf.
Die vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorgenommene Auslegung der Haustürgeschäfterichtlinie ist für die nationalen Gerichte bindend. Sie gebietet es, wie der Senat in seinem Urteil vom 9. April 2002 in der Sache XI ZR 91/99 (WM 2002, 1181, 1183 ff.; zum Abdruck in BGHZ vorgesehen) entschieden und im einzelnen begründet hat, § 5 Abs. 2 HWiG richtlinienkonform einschränkend auszulegen. Dies hat in der Weise zu geschehen, daß Kreditverträge insoweit nicht als Geschäfte im Sinne des § 5 Abs. 2 HWiG anzusehen sind, die "die Voraussetzungen eines Geschäfts nach dem Verbraucherkreditgesetz" erfüllen , als das Verbraucherkreditgesetz kein gleich weit reichendes Widerrufsrecht wie das Haustürwiderrufsgesetz einräumt. Durch die Subsidiaritätsklausel des § 5 Abs. 2 HWiG werden die Widerrufsvorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes daher nur dann verdrängt, wenn auch das Verbraucherkreditgesetz dem Verbraucher ein Widerrufsrecht gewährt. Das ist hinsichtlich des zu beurteilenden Realkreditvertrages gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG nicht der Fall.
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Voraussetzungen eines wirksamen Widerrufs nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG a.F. gegeben. Die Kläger sind von einem Verhandlungsgehilfen der Beklagten zum Abschluß des Darlehensvertrages durch Verhandlungen im Bereich ihrer Privatwohnung bestimmt worden. Eine Widerrufsbelehrung ist unterblieben; die beiderseitigen Leistungen aus dem Vertrag sind noch nicht vollständig erbracht.
III.
Das Urteil des Berufungsgerichts war daher hinsichtlich Klage und Widerklage aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.).
1. Über den geltend gemachten Anspruch der Kläger aus § 3 HWiG a.F. kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Das Berufungsgericht hat - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - keine Feststellungen zur Höhe der streitigen Klageforderung und den Gegenforderungen der Beklagten getroffen. Die Parteien werden insoweit auch Gelegenheit haben, ihren Vortrag noch zu ergänzen. Dabei ist von folgender Rechtslage auszugehen:
Im Falle des wirksamen Widerrufs des Darlehensvertrages sind die Parteien gemäß § 3 Abs. 1 HWiG a.F. jeweils verpflichtet, dem anderen Teil die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Für die Überlassung des Gebrauchs oder die Benutzung einer Sache sowie für sonstige Leistungen bis zu dem Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufs ist gemäß § 3 Abs. 3 HWiG a.F. deren Wert zu vergüten. Gemäß § 4 HWiG sind die Verpflichtungen Zug um Zug zu erfüllen.
a) Die Beklagte hat mithin den Klägern die auf das Darlehen erbrachten - der Höhe nach vom Berufungsgericht noch festzustellenden - Zins- und Tilgungsleistungen zu erstatten. Daneben haben diese Anspruch auf eine marktübliche Verzinsung der von ihnen auf das Darlehen gezahlten, der Beklagten zur Nutzung zur Verfügung stehenden Raten (§ 3 Abs. 3 HWiG a.F.; vgl. MünchKomm/Ulmer, BGB 3. Aufl. § 7
VerbrKrG Rdn. 70; Erman/Saenger, BGB 10. Aufl. § 3 HWiG Rdn. 32; Bülow, VerbrKrG 5. Aufl. § 495 BGB Rdn. 24; Graf von Westphalen, in: Westphalen/Emmerich/von Rottenburg, VerbrKrG 2. Aufl. § 7 Rdn. 115; Koch WM 2002, 1593, 1595; a.A. Bruchner, in: Bruchner/Ott/WagnerWieduwitt , VerbrKrG 2. Aufl. § 7 Rdn. 72).
b) Die Beklagte hat ihrerseits gegen die Kläger einen fälligen Anspruch auf Erstattung des ausgezahlten Nettokreditbetrages sowie auf dessen Verzinsung.
aa) Diesen Betrag haben die Kläger zweckbestimmt zum Erwerb der Fondsanteile als Leistung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 HWiG a.F. empfangen, auch wenn er ihnen nicht unmittelbar zugeflossen, sondern von der Beklagten weisungsgemäß auf ein Anderkonto ihres Treuhänders überwiesen worden ist.
Die Frage, wann ein Darlehen im Sinne des § 3 Abs. 1 HWiG "empfangen" ist, ist zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen in gleicher Weise zu beantworten wie der Empfang im Sinne des § 607 Abs. 1 BGB a.F. und des § 7 Abs. 3 VerbrKrG. Soweit die Überweisung der Darlehensvaluta an einen Dritten einen Darlehensrückzahlungsanspruch begründet, muß dies auch für die Begründung einer Rückzahlungspflicht nach Widerruf ausreichen.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 607 BGB a.F. setzt der Empfang des Darlehens voraus, daß der Darlehensgegenstand aus dem Vermögen des Darlehensgebers ausgeschieden und dem Vermögen des Darlehensnehmers in der vereinbarten Form endgültig zuge-
führt wird (BGH, Urteil vom 7. März 1985 - III ZR 211/83, WM 1985, 653). Wird die Darlehensvaluta auf Weisung des Darlehensnehmers an einen Dritten ausgezahlt, so hat der Darlehensnehmer regelmäßig den Darlehensbetrag im Sinne des § 607 BGB empfangen, wenn der von ihm als Empfänger namhaft gemachte Dritte das Geld vom Darlehensgeber erhalten hat, es sei denn, der Dritte ist nicht überwiegend im Interesse des Darlehensnehmers, sondern sozusagen als "verlängerter Arm" des Darlehensgebers tätig geworden (BGH, Urteil vom 17. Januar 1985 - III ZR 135/83, WM 1985, 221, 223, insoweit in BGHZ 93, 264 nicht abgedruckt; Urteil vom 7. März 1985 - III ZR 211/83, WM 1985, 653; Urteil vom 25. April 1985 - III ZR 27/84, WM 1985, 993, 994; Beschluß vom 21. September 1989 - III ZR 241/88, WM 1989, 1718; Urteil vom 12. Juni 1997 - IX ZR 110/96, WM 1997, 1658, 1659). Dem entsprechend gilt ein Darlehen auch dann als empfangen im Sinne des § 7 VerbrKrG, wenn der Kreditgeber es vereinbarungsgemäß an einen Dritten ausgezahlt hat (§ 362 Abs. 2, § 185 BGB; Amtl. Begründung zum VerbrKrG, BT-Drucks. 11/5462 S. 22).
bb) Eine andere Beurteilung wäre nur dann geboten, wenn es sich bei dem von den Parteien geschlossenen Darlehensvertrag und der finanzierten Beteiligung an einem Immobilienfonds um ein verbundenes Geschäft handeln würde mit der Folge, daß der Widerruf des Darlehensvertrages zugleich auch der Wirksamkeit des finanzierten Geschäfts entgegenstünde (Senat, BGHZ 133, 254, 259). Ein solches verbundenes Geschäft liegt aber nicht vor. Auf einen Realkreditvertrag - wie hier - ist § 9 VerbrKrG nach dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG nicht anzuwenden (Senatsurteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, WM 2002, 1181, 1186; vgl. auch Edelmann BKR 2002, 80, 83;
Felke MDR 2002, 226, 227; Koch WM 2002, 1593, 1597; Schleicher BKR 2002, 609, 612). Die Kritik, die in diesem Punkt von einigen Autoren (Derleder ZBB 202, 208 f.; Hoffmann ZIP 2002, 1066 ff.; Fischer DB 2002, 1266, 1267; Fritz ZflR 2002, 529 ff.; Rörig MDR 2002, 894, 895; Tonner BKR 2002, 856, 859 f.; grundsätzlich zustimmend dagegen Ulmer ZIP 2002, 1080, 1083; Lange EWiR 2002, 523, 524; Rohe BKR 2002, 575, 577) an dem Senatsurteil vom 9. April 2002 (aaO) geübt worden ist, gibt dem Senat, wie er bereits in seinem Urteil vom 10. September 2002 (XI ZR 151/99, Umdruck S. 7 f.) zum Ausdruck gebracht hat, keinen Grund, von der genannten Rechtsprechung abzuweichen. Dazu besteht umso weniger Veranlassung, als der Gesetzgeber mit dem durch Art. 25 Abs. 1 Nr. 7 des Gesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2850) eingefügten § 358 Abs. 3 Satz 3 BGB auch für die Zukunft klargestellt hat, daß Darlehensverträge und die durch sie finanzierten Grundstückserwerbsgeschäfte nur ausnahmsweise unter ganz bestimmten engen Voraussetzungen als verbundene Verträge anzusehen sind. Unabhängig davon ist den Klägern durch die ihnen vor Abschluß des Kreditvertrages vorgelesene Zusatzvereinbarung besonders verdeutlicht worden, daß es sich bei dem Kreditvertrag und dem Beteiligungsvertrag nicht um ein einheitliches Geschäft handelt.
Der Widerruf des Realkreditvertrages berührt die Wirksamkeit des Beteiligungsvertrages deshalb grundsätzlich nicht. Die gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG ändert daran nichts. Sie hat nicht zur Folge, daß das Verbraucherkreditgesetz für Geschäfte der vorliegenden Art generell nicht zu beachten wäre. Haustürwiderrufs- und Verbraucherkreditgesetz stehen insoweit vielmehr ebenso nebeneinander wie Haustürgeschäfte- und Verbraucherkreditrichtlinie (Senatsurteil
vom 9. April 2002 aaO S. 1186 m.w.Nachw.). Die Haustürgeschäftericht- linie steht dem nicht entgegen (a.M. Fritz aaO S. 530; Rörig aaO; Strube BKR 2002, 938, 942 ff.), weil ihr Artikel 7 die Regelung der Rechtsfolgen des Widerrufs von Haustürgeschäften ausdrücklich dem einzelstaatlichen Recht überläßt.
cc) Die Beklagte hat gegen die Kläger gemäß § 3 HWiG a.F. auch Anspruch auf eine marktübliche Verzinsung des ausgezahlten Nettokreditbetrages (vgl. MünchKomm/Ulmer, BGB 3. Aufl. § 7 VerbrKrG Rdn. 67 ff.; Koch WM 2002, 1593, 1595). Ein Anspruch auf Bearbeitungskosten und/oder ein Disagio steht der Beklagten nicht zu (Martis MDR 1998, 1260, 1265).
c) Der Senat verkennt nicht, daß mit der Pflicht zur sofortigen Rückzahlung und marktüblichen Verzinsung der Darlehensvaluta ein Widerruf der Darlehensvertragserklärung für viele Darlehensnehmer wirtschaftlich wenig oder nicht interessant ist. Daß der in einer Haustürsituation überrumpelte Darlehensnehmer damit erheblich schlechter gestellt ist, als er vor In-Kraft-Treten des Haustürwiderrufsgesetzes gestanden hätte (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 1989 - III ZR 9/88, WM 1989, 1083, 1085), beruht auf einer bewußten Entscheidung des Gesetzgebers, für die sich anführen läßt, daß kein vernünftiger Grund ersichtlich ist, den Darlehensnehmer, der in einer Haustürsituation zur Abgabe seiner Vertragserklärung veranlaßt worden ist, bei einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung besser zu stellen als denjenigen, der dazu durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist.
d) Da die Sache hinsichtlich der Klage nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie insoweit zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 ZPO a.F.).
2. Über die Widerklage konnte der Senat dagegen selbst entscheiden. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht der Widerklage stattgegeben. Der Darlehensvertrag ist - wie ausgeführt - von den Klägern wirksam widerrufen worden und damit als nicht zustande gekommen anzusehen. Aus ihm stehen der Beklagten gegen die Kläger keine Ansprüche zu. Die Beklagte hat zwar einen Anspruch aus § 3 HWiG a.F.. Dabei handelt es sich aber nach der Konzeption des Gesetzes, die das widerrufene Geschäft als nicht zustande gekommen betrachtet, nicht um einen Anspruch , der - wie etwa das vertragliche Rücktrittsrecht gemäß § 346 BGB - seine Grundlage noch im Vertrag findet. Es handelt sich vielmehr um einen davon zu unterscheidenden besonders ausgestalteten Bereicherungsanspruch (BGHZ 131, 82, 87 f.).
Nobbe Siol Bungeroth
Müller Joeres
Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.
(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn
- 1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt, - 2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder - 3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.