Landgericht Düsseldorf Urteil, 15. Juli 2014 - 1 O 425/12
Gericht
Tenor
Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Dr. F mit der Nummer UR.Nr. XXXX für XXXX K vom 26. Juli 2012 wird für unzulässig erklärt.
Die Beklagten werden verurteilt, die vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Urkunde des Notars Dr. F mit der Nummer UR.Nr. XXXX für XXXX K vom 26. Juli 2012 herauszugeben.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 20.400.000,00 vorläufig vollstreckbar.
Die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Dr. F mit der Nummer UR.Nr. XXXX für XXXX K vom 26. Juli 2012 wird bis zur Rechtskraft des Urteils einstweilen ohne Sicherheitsleistung eingestellt.
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1 O 425/12 |
Verkündet am 15.07.2014E , Justizbeschäftigteals Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle |
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Landgericht Düsseldorf IM NAMEN DES VOLKES Urteil |
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In dem Rechtsstreit
3hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorfauf Grund der mündlichen Verhandlung vom 04.03.2014durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht H, die Richterin am Landgericht L und den Richter A
4für Recht erkannt:
5Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Dr. F mit der Nummer UR.Nr. XXXX für XXXX K vom 26. Juli 2012 wird für unzulässig erklärt.
6Die Beklagten werden verurteilt, die vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Urkunde des Notars Dr. F mit der Nummer UR.Nr. XXXX für XXXX K vom 26. Juli 2012 herauszugeben.
7Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
8Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 20.400.000,00 vorläufig vollstreckbar.
9Die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Dr. F mit der Nummer UR.Nr. XXXX für XXXX K vom 26. Juli 2012 wird bis zur Rechtskraft des Urteils einstweilen ohne Sicherheitsleistung eingestellt.
10Tatbestand
11Der Kläger war Geschäftsführer der F2 (im Folgenden Erwerberin) und Vorstandsvorsitzender der X, die Ende 2012 einen Antrag auf Eigenverwaltung gemäß §§ 270, 270a InsO stellte. Die Beklagten waren Gründer und die alleinigen Aktionäre der E2, wobei die Beklagte zu 1) alleinige Inhaberin von 120.000 und die Beklagte zu 2) alleinige Inhaberin von 9.880.000 Aktien der Gesellschaft war.
12Die E2 ist die Muttergesellschaft der E3, der zahlreiche Gesellschaften angehören. Wegen der Konzernstruktur wird auf das Organigramm in der Anlage K5 zur Klageschrift verwiesen.
13Das Geschäftsmodell der E3 war der Betrieb eines sogenannten „Gutschein-Portals“. Im Rahmen eines „Gutschein-Portals“ können Kunden dieses Portals im Internet Gutscheine erwerben, die es ihnen ermöglichen Endprodukte im Ladenlokal vor Ort im Ergebnis vergünstigt erwerben zu können.
14Im Herbst 2011 nahmen der Kläger als Geschäftsführer der Erwerberin und Herr T , der Geschäftsführer beider Beklagten, Gespräche über einen Erwerb der E2 durch die Erwerberin auf. Nachdem die Gespräche zwischenzeitlich unterbrochen oder jedenfalls nicht konkret weitergeführt worden waren, nahmen sie im Frühsommer 2012 erneut an Intensität zu und führten am 26. Juli 2012 zum Abschluss eines „Kauf- und Übertragungsvertrag über Inhaberaktien“. Der Vertrag wurde mit notarieller Urkunde des Notars Dr. U, UR.Nr. XXXX für XXXX T, geschlossen.
15In dem notariellen Kaufvertrag heißt es unter anderem unter anderem wie folgt:
16„§ 1 Verkauf der Aktien
17[…]
18(2) Der Kaufpreis für die Aktien beträgt EUR 100.000.000,- (in Worten: Euro hundert Millionen).
19[…]
20(3) Der Kaufpreis ist fällig und zahlbar bis zum 31. Oktober 2017 und bis dahin unverzinslich.
21[…]
22§ 2 Übereignung
23[…]
24(3) Der Käufer darf über die Aktien bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises ohne Zustimmung des Verkäufers nicht verfügen, insbesondere nicht veräußern. Der Verkäufer ist verpflichtet, seine Zustimmung zum (teilweisen) Weiterverkauf zu erteilen, wenn aus dem Veräußerungserlös ein Betrag von EUR 2,- pro Aktie an ihn gezahlt ist.
25§ 3 Verhaltenspflichten in der Übergangsphase
26(1) In dem Zeitraum zwischen der Unterzeichnung des Vertrages und dem 31. Oktober 2012 („Übergangsphase“) soll das Unternehmen bereits vom Käufer geführt werden, aber der Verkäufer kommt noch für etwaige Verluste auf und stellt entsprechende liquide Mittel zur Verfügung, um die Fortführung des Unternehmens im Sinne des nachstehenden Satzes zu gewährleisten. […]“
27Im Anschluss an die Beurkundung des Kaufvertrages erklärte der Kläger in einer weiteren notariellen Urkunde des Notars Dr. F, UR.Nr. XXXX für XXXX K, unter „II. Schuldanerkenntnis Herr T2“:
28„Hierdurch erkenne ich an den in Teil I. unter Ziffern 1. und 2 genannten Gesellschaften F3.
29als Gesamtgläubiger gemäß § 428 BGB
30einen Geldbetrag in Höhe von
31€ 20.000.000,00
32(in Worten: Euro Zwanzig Millionen)
33nebst 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.11.2017 in der Weise zu schulden, daß dieses Anerkenntnis die Verpflichtung zur Zahlung selbständig begründen soll.
34Wegen der vorstehenden Zahlungsverpflichtung unterwerfe ich mich hiermit der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in mein gesamtes Vermögen. Dem jeweiligen Berechtigten kann jederzeit eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde ohne Nachweis der die Fälligkeit begründenden Tatsachen erteilt werden.“
35Nach Abschluss des Kaufvertrages beauftragte der Kläger diverse Rechtsanwälte und Unternehmensberater mit umfangreichen Prüfungen hinsichtlich der E2 und mit der Erstellung eines „Innovationspapiers“.
36Der Kläger beauftragte unter anderem im September 2012 den Wirtschaftsprüfer K mit einer eingeschränkten Überprüfung der Finanzlage der E3. Hinsichtlich dieser eingeschränkten Überprüfung führte der Wirtschaftsprüfer K in einem an den Kläger adressierten Schreiben vom 21.09.2012 unter anderem auf Seite 17 wie folgt aus:
37„[…] Unter Berücksichtigung der vorstehenden Anmerkungen und des sich daraus ergebenden Gesamtbildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der E3 stellt sich für mich die Frage, inwieweit sich der laut Kaufvertrag vereinbarte Kaufpreis begründen lässt. Mit Blick auf das bisherige kaum vorhandene Geschäftsvolumen der E3 sind Zweifel angebracht bzw. stellt sich die Frage, inwieweit Ihre erwarteten erheblichen Umsatzsteigerungen und die deutlichen Ergebnisverbesserungen in den Folgeperioden erreicht werden können. […]“
38Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.11.2012 erklärte der Kläger die Anfechtung des Schuldanerkenntnisses.
39In der Folgezeit wurden Insolvenzverfahren über mehrere Gesellschaften der E3 eröffnet. U.a. der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der E4 vom 16.11.2012 wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf, Az. 505 IN 248/12, vom 10.04.2013 mangels Masse abgewiesen. Das in diesem Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten ergab – bezogen auf diese Tochtergesellschaft – einen Überschuldungsbetrag in Höhe von EUR 13.661.030,17 per März 2013.
40Die Beklagten begannen Anfang des Jahres 2013 mit Vollstreckungsmaßnahmen aus der vollstreckbaren Ausfertigung der notariellen Urkunde, die das abstrakte Schuldanerkenntnis sowie die Unterwerfung in die Zwangsvollstreckung enthält.
41Im Laufe des Rechtsstreits haben die Beklagten mit Schreiben vom 02.01.2013 die Stundungsabrede widerrufen.
42Der Kläger trägt vor, dass im Ergebnis nahezu alle Angaben, die der Geschäftsführer der Beklagten über die E3 gemacht habe, unzutreffend gewesen sein. Er sei insoweit über die Finanz-, Vermögens- und Ertragslage der E3 sowie über die Legalität des betriebenen Geschäftsmodells arglistig getäuscht worden. Insbesondere über die insolvenzrechtliche Situation der E3 sei er getäuscht worden.
43Die vorgenannten falschen Angaben, denen er auf Grund der damaligen freundschaftlichen Beziehung besonderen Glauben geschenkt habe, seien für seine Entschlussfassung maßgeblich gewesen und würden sich wie folgt zusammenfassen lassen:
44- 45
Die Anzahl der Mehrfachkunden der E3 würde sich auf ca. 400.000 belaufen. Die Zahl der Kunden würde sich pro Woche jeweils um ca. 6 % steigern.
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In der E2 und auch in der E3 würde bereits zum Zeitpunkt der Vertragsgespräche Umsatz, wenn auch in geringem Umfang, generiert.
- 47
Der E3 würden mindestens 2,5 Mio. Kundendaten gehören. Diese Kundendaten würden sich zusammensetzen aus von einem Dritten gekauften sowie aus selbständig generierten Kundendaten. An diese Anzahl von Kunden würde regelmäßig ein elektronischer Newsletter verschickt. Diese Kundendaten würden dem Unternehmen gehören, könnten genutzt werden und würden bereits einen erheblichen Unternehmenswert bilden. Es würde sich insoweit um „nutzbare User“ handeln.
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Bei der E3 seien keine nennenswerten Rechtsstreitigkeiten anhängig. Allein im Nachgang zu einer Abmahnung der Fa. M sei eine Unterlassungserklärung abgegeben worden.
Schließlich hätten die Finanzdaten der von dem Geschäftsführer der Beklagten kurzfristig erstellten konsolidierten Bilanz sowie der entsprechenden konsolidierten Gewinn- und Verlustrechnung für den Zeitraum 1. Januar 2012 bis 30. Juni 2012 nicht der Wahrheit entsprochen. Tatsächlich habe die E2 – wie sich aus dem Gutachten des Wirtschaftsprüfers K ergebe – einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von EUR -17.331.835,70 aufgewiesen. Die E2 sei somit im Zeitpunkt des Kaufvertrages faktisch wertlos gewesen. Dies sei durch fehlerhafte Buchungen in der konsolidierten Bilanz nicht dargelegt worden.
50Der Geschäftsführer der Beklagten habe ihm gegenüber dennoch verdeutlicht, dass bei vergleichbaren Internetportalen ein Richtwert von EUR 100,00 für die Daten eines einzelnen Kunden angesetzt werden würde. Vor diesem Hintergrund solle die E3 bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses EUR 40 Mio. wert gewesen sein.
51Der Kläger beantragt,
521. die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Dr. F mit der Nummer UR.Nr. XXXX K für XXXX vom 26. Juli 2012 für unzulässig zu erklären;
53hilfsweise,
54die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Dr. F mit der Nummer UR.Nr. XXXX für XXXX K vom 26. Juli 2012 bis zum 1. November 2017 für unzulässig zu erklären;
552. die Beklagten zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Urkunde des Notars Dr. F mit der Nummer UR.Nr. XXXX für XXXX K vom 26. Juli 2012 herauszugeben;
56hilfsweise,
57die Beklagten zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Urkunde des Notars Dr. F mit der Nummer UR.Nr. XXXX für XXXX K vom 26. Juli 2012 bis zum 1. November 2017 bei einem vom Gericht zu bestimmenden Gerichtsvollzieher als Sequester zu hinterlegen;
583. gemäß den §§ 769, 770 ZPO anzuordnen, dass die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Dr. F mit der Nummer UR.Nr. XXXX für XXXX K vom 26. Juli 2012 bis zur Rechtskraft des Urteils einstweilen ohne – hilfsweise gegen – Sicherheitsleistung eingestellt wird.
59Die Beklagten beantragen,
60die Klage abzuweisen.
61Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass der streitgegenständliche Vertrag sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB sein könne.
62Die Beklagten tragen vor, der Kaufvertrag und das abstrakte Schuldanerkenntnis seien nicht im Sinne des § 138 BGB missbilligenswert.
63Der Kläger habe durch eine dem Kaufvertrag im gemeinsamen Einvernehmen nachgelagerte „Due-Diligence-Prüfung“ umfassende Kenntnisse über die E2 erhalten. Eine Täuschung scheide bereits vor diesem Hintergrund aus. Diese Prüfungen hätten, auf einen entsprechenden Wunsch des Klägers hin, auch bereits vor Vertragsabschluss durchgeführt werden können. Dieses sei jedoch auf Grund des durch den Kläger aufgebauten Zeitdrucks nicht geschehen. Das „Investment-Memorandum“, welches den Abschluss der Prüfungen darstelle, belege darüber hinaus, dass auch der Kläger in Kenntnis aller Umstände und Unterlagen von einer Werthaltigkeit des Unternehmens ausgegangen sei. Er habe auf diese Weise sämtliche Umstände, auf welche er seine Anfechtung stützt, nachträglich gebilligt.
64Der Geschäftsführer der Beklagten habe den Kläger bereits vor Abschluss des Kaufvertrages darauf hingewiesen, dass die E3 anfangs einen monatlichen Kapitalbedarf von EUR 1 Mio. habe. Dieser habe darüber hinaus weder rechtsverbindliche Aussagen im Hinblick auf die Erhebung der Kundendaten getätigt noch geäußert, dass diese Probleme durch Versendung von Emails durch eine niederländische Gesellschaft umgangen werden könnten.
65Letztlich habe der Kläger sich während der gesamten Vertragsverhandlungen und auch nach diesen durch versierte und erfahrene anwaltliche Berater vertreten und beraten lassen. Der Vertrag sei daher auf Augenhöhe verhandelt worden.
66Weiterhin sei der Anspruch aus dem abstrakten Schuldanerkenntnis fällig, da dieser das persönliche Engagement des Klägers habe sichern sollen. Dieses habe der Kläger durch die erklärte Anfechtung im November 2012 und die – unstreitige – Niederlegung der Geschäftsführertätigkeit bei der Erwerberin vermissen lassen, sodass der Sicherungsfall eingetreten sei. Darüber hinaus stehe der Fälligkeit auch nicht die Formulierung aus § 1 Abs. 3 des Kaufvertrages entgegen, da insoweit kein „fixer“ sondern ein „flexibler“ Zahlungstermin durch die Parteien beabsichtigt gewesen sei. Dies ergebe sich bereits daraus, dass entgegen den sonst üblichen Gepflogenheiten die vollstreckbare Urkunde sofort übergeben worden sei und nicht erst zu einem späteren, vermeintlichen Fälligkeitszeitpunkt.
67Insoweit stelle sich die durch das abstrakte Schuldanerkenntnis eingeforderte Sicherheit als eine Art „Faustpfand“ dar, die der Gewährung der Vertragstreue des Klägers habe dienen sollen. Das berechtigte Sicherungsinteresse habe darin bestanden, dass die Erwerberin der E3 – insoweit unstreitig – mit einem Kapital von EUR 25.000,00 ausgestattet gewesen sei.
68Im Übrigen sei der Wert des Unternehmens nicht allein an der Anzahl der Kundendaten zu messen. Dieser würde lediglich als ein wertbildender Faktor den Unternehmenswert beeinflussen. Hinzukommen würden die Faktoren „good will“ und „know how“. Die Kundendaten seien nicht „einziges asset“ der E3 gewesen. Dem Kläger seien keine Daten, sondern eine Unternehmensgruppe verkauft worden.
69Weiterhin könnten im Rahmen von Unternehmensbewertungen im Internetbereich traditionelle Maßstäbe keine Anwendung finden. Kriterien wie „Unternehmenssubstanz“ oder auch „erzielte Gewinne“ müssten deutlich hinter erwarteten oder erhofften Zukunftsaussichten in den Hintergrund treten. Zahlreiche medienwirksame Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit wie beispielsweise bei den Unternehmen „A2“, „F4“, „U2, „X2“, „P“ und „C“ würden auf diese Unwägbarkeiten und die Notwendigkeit anderer Bewertungsmaßstäbe hinweisen. Auch diese Unternehmen seien trotz teilweise defizitärer Geschäfte für viel Geld veräußert oder übernommen worden. Eine Gleichsetzung internetbasierter Unternehmen mit warenproduzierenden Unternehmen sei nicht möglich. Es sei vielmehr zu berücksichtigen, dass bei diesen Unternehmen Erwartungen an künftige Entwicklungsmöglichkeiten geknüpft würden, für die Erwerber bereit seien hohe Investitionen zu tätigen. Es handele sich zum Teil um nicht mehr oder weniger als eine auf die Zukunft abgeschlossene „Wette“.
70Weder der objektive noch der subjektive Tatbestand aus § 138 BGB seien erfüllt. Es habe sich insoweit weder um ein aufgedrängtes Geschäft gehandelt noch habe es eine Drucksituation, eine mangelnde Leistungsfähigkeit und/oder persönliche Unbedarftheit des Klägers bzw. eine Kenntnis davon gegeben. Es sei insbesondere nicht bekannt gewesen, dass der Kläger aufgrund bestehender Probleme hinsichtlich seiner bisherigen Unternehmen mit dem Rücken an der Wand gestanden, ein neues Betätigungsfeld gesucht oder gar Zahlungsschwierigkeiten gehabt habe. Die zahlreichen internationalen Verflechtungen seiner Unternehmen hätten vielmehr den gegenteiligen Eindruck erweckt. Letztlich habe der Kläger weder wie ein „sich in der Not befindlicher Bittsteller“ gewirkt noch sei er ein geschäftsunerfahrener, blauäugiger Novize gewesen. Der Kläger habe im Übrigen über ein erfahrenes Beraterteam verfügt.
71Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
72Die Akte des Amtsgerichts Düsseldorf, Az.: 505 IN 248/12, war dem Verfahren zu Informationszwecken ebenso beigezogen wie die Handelsregisterauszüge der folgenden Unternehmen: E4, E5 und E4.
73Entscheidungsgründe
74Die Klage ist begründet.
I. Vollstreckungsgegenklage
75Es liegt eine den Anspruch selbst betreffende Einwendung – Nichtigkeit des abstrakten Schuldanerkenntnises gemäß § 138 BGB – vor, §§ 795, 797 Abs.4, 767 Abs.1 ZPO.
76Das abstrakte Schuldanerkenntnis, welches der Kläger in der notariellen Urkunde des Notars Dr. F, UR.Nr. XXXX für XXXX K vom 26. Juli 2012, abgegeben hat, ist nach § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Insoweit liegt eine Knebelung des Klägers vor, da dieser in seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit so erheblich eingeschränkt ist, dass dieses gegen die guten Sitten verstößt. Im Einzelnen:
1. rechtlicher Ausgangspunkt
77Die Privatautonomie, nämlich die dem Einzelnen von der Rechtsordnung gewährte Befugnis, seine Lebensverhältnisse durch Rechtsgeschäfte eigenverantwortlich zu gestalten, beinhaltet stets die Gefahr des Missbrauchs in sich und bedarf vor diesem Hintergrund eines Korrektivs. Dieses wird in der Generalklausel des § 138 BGB gewährt, welche der autonomen Rechtsgestaltung dort eine Grenze setzt, wo sie in Widerspruch zu den Grundprinzipien unserer Rechts- und Sittenordnung tritt. Diese Sittenwidrigkeit kann durch den Inhalt eines Rechtsgeschäfts oder durch dessen Gesamtcharakter begründet werden (vgl. zu dem Vorstehenden insgesamt Palandt-Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 138 Rn. 1, 7).
78In diese Gesamtwürdigung eines Rechtsgeschäfts ist dessen Inhalt, die Beweggründe sowie der Zweck des Geschäfts einzubeziehen (vgl. BGH, Urteil v. 08.12.1982, IVb ZR 333/81, zitiert nach juris, Rn. 22; BGH, Urteil v. 28.02.1989, IX ZR 130/88, zitiert nach juris, Rn. 21). Zu berücksichtigen ist hierbei nicht nur der objektive Gehalt des Geschäfts, sondern auch die Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, sowie die Absichten und Motive der Parteien (vgl. BGH, Urteil v. 10.10.1997, V ZR 74/96, zitiert nach juris, Rn. 19). Das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit sowie eine Schädigungsabsicht sind nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil v. 07.01.1993, IX ZR 199/91, zitiert nach juris, Rn. 21). Es ist vielmehr ausreichend, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt. Dem steht es gleich, wenn sich jemand bewusst oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher Tatsachen verschließt (vgl. BGH, Urteil v. 29.06.2005, VIII ZR 299/04, zitiert nach juris, Rn. 19)
79Zum objektiven Sittenverstoß muss ein persönliches Verhalten hinzukommen, welches dem Beteiligten zum Vorwurf gemacht werden kann.
80Bei Knebelungsverträgen ist eine Schädigungsabsicht nicht erforderlich, maßgeblich ist das Ausmaß der auferlegten Beschränkungen (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 138 Rn. 39). Knebelungsverträge sind dadurch begründet, dass die wirtschaftliche Freiheit des anderen Teils so sehr beschränkt wird, dass dieser seine freie Selbstbestimmung ganz oder im Wesentlichen einbüßt.
81Die Auferlegung einer erheblichen Verpflichtung ohne den Erhalt einer dieser Verpflichtung entsprechenden Gegenleistung ist als Einschränkung der wirtschaftlichen Freiheit anzusehen (vgl. BGH, Urteil v. 14.12.1956, I ZR 105/55, NJW 1957, 711 zur Verpflichtung eines Autors alle künftigen Werke ausschließlich einem Verlag anzubieten, ohne eine entsprechende Gegenleistung erhalten zu haben).
2. Tatsachengrundlage
82Die Kammer legt den Tatsachenvortrag der Beklagten mit folgenden Einschränkungen als richtig zugrunde:
a. Insolvenzreife der E3
83Davon ausgenommen ist ihr Vortrag zur Werthaltigkeit der E2 bzw. der E3. Die Kammer geht insoweit davon aus, dass das Unternehmen insgesamt wertlos (insolvenzreif) war.
84Die Wertlosigkeit der E3 ergibt sich aus der unmittelbar nach Übernahme der Geschäftsführung eingetreten Insolvenz der E3. Das Insolvenzverfahren über die E5 sowie über die E4 wurde jeweils im April 2013 mangels Maße abgelehnt. Diesem vorausgegangen waren die entsprechenden Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 16.11.2012. Diese Anträge wurden somit 16 Tage nach der endgültigen Übernahme der Geschäftsführung durch die Erwerberin – entsprechend den vertraglichen Regelungen – gestellt. Das insolvenzrechtliche Gutachten im Hinblick auf das Vermögen der E4 weist einen Überschuldungsbetrag in Höhe von EUR 13.661.030,17 auf.
85Soweit die Beklagten ausführen, dass nicht bei allen Unternehmen, die ab November 2012 in Insolvenz gegangen sind, eine Abweisung des Insolvenzverfahrens mangels Masse erfolgt, bestätigen diese, dass alle Unternehmen der E3 in die Insolvenz gegangen sind und nicht werthaltig gewesen sind. Insbesondere konnte schwerpunktmäßig auf die E4 abgestellt werden, da diese dem Namen nach bereits ein wesentliches Unternehmen der E3 war. Außerdem war diese ausweislich des Organigramms der persönlich haftende Gesellschafter der E6, in welcher nach dem Organigramm alle Beteiligungen an den übrigen Unternehmen gehalten worden sind. Folglich war dieser persönlich haftende Gesellschafter mit ca. EUR 13 Millionen überschuldet.
86Dass die bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses begründete Insolvenz nicht maßgeblich auf der Tätigkeit des Klägers beruht, wird zunächst darin erkennbar, dass die Erwerberin die Geschäftsführung erst eine äußert kurze Zeit inne hatte. Die Insolvenzanträge wurden dreieinhalb Monate nach Abschluss des Vertrages und 16 Tage nach der endgültigen Übernahme der Geschäftsführertätigkeit durch die Erwerberin gestellt und somit unmittelbar nach deren Eintritt in die E3. Weiterhin war der Kläger zunächst ersichtlich bemüht Investoren zu gewinnen und hat auf diese Weise eine zukünftige Gewinnsteigerung ernsthaft fokussiert.
87Letztlich wird die schlechte finanzielle Lage der E3 auch durch das Gutachten des Wirtschaftsprüfers K, welches der Kläger wenige Wochen nach Vertragsschluss erstellen ließ, deutlich. Dieser hat in seinem Schreiben an den Kläger deutlich gemacht, dass er nicht nur die Höhe des Kaufpreises nicht nachvollziehen kann, sondern auch erhebliche Zweifel daran hat, dass eine Umsatzsteigerung wie geplant möglich sei.
88Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagten ausgeführt haben, der Kläger habe durch die Abschaltung der Internetpräsenz dem Unternehmen die Grundlage entzogen und auf diese Weise die Insolvenz begründet. Diese Abschaltung erfolgte nach dem Vortrag der Beklagten Mitte November 2012 und somit einhergehend mit der Stellung des Insolvenzantrages und kann dementsprechend denklogisch bereits nicht die Ursache der Insolvenz sein.
89Auf die Relevanz dieser Indizien hat die Kammer ausdrücklich hingewiesen, insbesondere wurden die beigezogenen Akten erörtert. Mit den beigezogenen Insolvenzakten haben sich die Beklagten nicht auseinandergesetzt. Sie vertreten die Auffassung, dass diese Akte für die Beurteilung der Insolvenz der E3 „letztlich nichts her“ gebe. Insoweit wurde lediglich auf allgemeine Ausführungen zur Bewertung internetbasierter Unternehmen verwiesen (hierzu später ausführlich). Soweit die Unergiebigkeit der Insolvenzakte auf die genannte Abschaltung der Internetpräsenz sowie den Umstand, dass nicht hinsichtlich aller Unternehmen das Insolvenzverfahren mangels Masse abgewiesen worden ist, führt dies wie dargelegt keinesfalls zur Annahme der Werthaltigkeit der E3. Letztlich haben die Beklagten selbst den Kapitalbedarf auf EUR 1 Millionen (monatlich!) beziffert und durch die Verwendung des Begriffs „Wette“ eine Parallele zum Glücksspiel gezogen.
b. Kenntnis der Beklagten
90Den Beklagten war die Insolvenzreife als Gründern/Aktionären/Verkäufern der E7 SE auch bekannt. Die Annahme, die Insolvenzreife sei ihnen verborgen geblieben, erscheint derart abseits jeder Lebenserfahrung, dass dies keiner vertieften Begründung bedarf.
c. Kenntnis des Klägers
91Zugunsten der Beklagten wird allerdings als wahr unterstellt, dass auch der Kläger vor dem Erwerb Kenntnis von der Wertlosigkeit (Insolvenzreife) der Unternehmensgruppe hatte.
d. wirtschaftliche Situation des Klägers /Kenntnis der Beklagten
92Der Kläger hat sich hinsichtlich eines Betrages von EUR 20 Mio der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterworfen. Es ist nicht erkennbar, wie dieser Betrag durch den Kläger aufgebracht werden soll. Aus dem Umstand, dass der Kläger nunmehr Vorsitzender des Aufsichtsrates der X ist und von dieser in 2014 ein jährliches Fix-Gehalt in Höhe von EUR 60.000,00 bezieht, lässt sich das nicht herleiten. Insbesondere nicht in Bezug auf das Jahr 2012. Es muss nicht vertieft werden, dass bereits 2011 in öffentlich zugänglichen Quellen (Internet, vgl. z.B. folgende URL:
93http://www.wallstreet-online.de/...,
94http://www.finanzen.net/...) zu erfahren war, dass dieses Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckte. Allein der Umstand, dass die Beklagten nach ihrem eigenen Vortrag erwarteten, dass der Kläger seine ganze Energie in die E3 stecken und sich langfristig persönlich in diese einbringen sollte, zeigt, dass es um ein neues Betätigungsfeld des Klägers ging, dass nicht neben seine Aktivitäten bei der X oder anderen Unternehmen, sondern an deren Stelle treten sollte. Gerade der Umstand, dass der Kläger (wohl unstreitig) ein erfahrener und bis dahin erfolgreicher Geschäftsmann ist bzw. war und sich als solcher auf die in Rede stehende abenteuerliche Vertragskonstruktion eingelassen hat und dabei (nach Vortrag der Beklagten) auch noch auf Eile gedrängt hat, lässt nach allgemeiner Lebenserfahrung vermuten, dass ihm damals „das Wasser am Hals“ gestanden hat, was auch durch die weitere Entwicklung (Antrag auf Eigenverwaltung der X) anschaulich belegt wird. Wäre er in einer Weise solvent gewesen, die es ihm ermöglicht hätte, mühelos EUR 20 Millionen aufzubringen, hätte er nach allgemeiner Lebenserfahrung keinen Grund gehabt, sich persönlich auf ein Geschäft einzulassen, das nach Vortrag der Beklagten wettähnliche Züge hatte: Eine Wette, bei dem es nahezu sicher ist, EUR 20 Millionen zu verlieren, gehen (geistige Gesundheit vorausgesetzt) Personen ein, die „nichts mehr zu verlieren“ haben.
95Es unterliegt keinem Zweifel, dass insbesondere dem Geschäftsführer der Beklagten, der selbst im Wirtschaftsleben steht, diese Zusammenhänge nicht nur erkennbar, sondern bekannt waren. Er hat sie zu seinem Vorteil ausgenutzt, indem er die Unterwerfungserklärung nach eigenem Vortrag als „Faustpfand“ gegen den Kläger eingesetzt hat. Der Kläger sollte seine wirtschaftliche Existenz verpfänden um ihn anzuhalten, seine ganze Arbeitskraft in das Unternehmen zu stecken. Wäre die Solvenz des Klägers über jeden Zweifel erhaben gewesen, hätte kaum Veranlassung bestanden, den Kläger zur Abgabe einer Unterwerfungserklärung anzuhalten.
96Die Kammer hat diese Sicht der Dinge in der Sitzung unmissverständlich kommuniziert. Soweit die Beklagten nach der Sitzung in den nicht mehr nachgelassenen Schriftsätzen umfangreich zur Solvenz der X und insbesondere zu der Nichtkenntnis ihres Geschäftsführers im Sommer 2012 hinsichtlich der Zahlungsschwierigkeiten der X vorgetragen haben, sind diese auf die von ihnen selbst vorgelegten Zeitungsberichte aus dem Jahr 2011 und dem Jahr 2012 (Anlage B 2c zum Schriftsatz vom 25. Februar 2013) zu verweisen, die ein gänzlich anderes Bild – die Kenntnis der Probleme der X im Jahr 2011 und spätestens in der zweiten Jahreshälfte 2012 – belegen. Darüber hinaus werden die Beklagten auf die Anlage B57 verwiesen, aus der hervorgeht, dass der Geschäftsführer der Beklagten zumindest im September 2012 und somit kurze Zeit nach Abschluss des Vertrages von einer Insolvenz der X ausgegangen ist.
3. rechtliche Bewertung der Tatschen
97Die rechtliche Bewertung dieses Sachverhalts unter Zugrundelegung des Eingangs ausgeführten rechtlichen Ausgangspunktes ergibt, dass der „Kauf- und Übertragungsvertrag“ vom 26. Juli 2012 in Verbindung mit dem am selben Tag abgegebenen Schuldanerkenntnis eine Knebelung im vorstehenden Sinne darstellt.
98Auf den Punkt gebracht ist das sittlich Anstöße daran festzumachen, dass die beklagte Partei ein insolvenzreifes Unternehmen für EUR 100 Millionen veräußert hat und sich der Kläger im Gegenzug in Höhe von EUR 20 Millionen in einem abstraktem Schuldanerkenntnis der Zwangsvollstreckung unterworfen hat; da weder nach dem Parteivortrag noch nach der allgemeinen Lebenserfahrung ernsthaft damit zu rechnen war, dass es dem Kläger bis zur Fälligkeit gelingt, nicht nur die E3 aus der Insolvenz herauszuführen, sondern deren Wert derart ins Astronomische zu treiben, dass er nicht mehr aus dem Anerkenntnis in Anspruch genommen werden konnte, stand seine persönliche Inanspruchnahme in mehrstelliger Millionenhöhe von Anfang an fest. Im Einzelnen:
a. objektiver Gehalt des Geschäfts
99Der Kläger ist durch die Abgabe des abstrakten Schuldanerkenntnisses mit der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in seiner wirtschaftlichen Freiheit so stark eingeschränkt worden, dass er ob dieser Verpflichtung seine freie Selbstbestimmung gänzlich hat einbüßen müssen.
100Diese erhebliche Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des Klägers hin zum gänzlichen Ausschluss dieser Freiheit ist vorliegend auch nicht durch den Erhalt eines entsprechenden Gegenwertes gerechtfertigt. Insoweit ist die gesamte vertragliche Gestaltung in der Gesamtschau mit Blick auf den Inhalt und die Motivationslage der Parteien zu betrachten.
101In diesem Zusammenhang ist zunächst festzustellen, dass der Kläger als Geschäftsführer der Erwerberin durch die Verknüpfung des „Kauf- und Übertragungsvertrages“ mit dem abstrakten Schuldanerkenntnis aus einem wertlosen und sich unmittelbar vor der Insolvenz befindlichen Unternehmen binnen fünf Jahren deutlich über EUR 100 Millionen Wertschöpfung hätte betreiben müssen, um überhaupt erst die Schwelle hin zum eigenen Gewinn zu erreichen.
102Als Geschäftsführer der Erwerberin, die selbst lediglich über ein geringes Vermögen verfügte, hätte der Kläger den Kaufpreis in Höhe von EUR 100 Millionen erwirtschaften müssen, um überhaupt erst in den Bereich des eigenen Gewinns gelangen zu können. Hierin noch nicht einberechnet sind die aufzubringende Arbeitskraft des Klägers sowie die mehreren Millionen Euro, die in den ersten Monaten in Höhe von ca. EUR 1 Millionen pro Monat aufzubringen waren.
103Unter der Berücksichtigung des abstrakten Schuldanerkenntnisses hätte der Kläger überdies selbst für den Fall, dass er mit dem Unternehmen, welches unmittelbar vor der Insolvenz stand, binnen fünf Jahren EUR 80 Millionen zuzüglich der aufzubringenden Zuschüsse erwirtschaftet hätte, in voller Höhe des Schuldanerkenntnisses – mithin EUR 20 Millionen – persönlich einstehen und die Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen dulden müssen. Diese Haftung würde somit selbst dann in voller Höhe greifen, wenn die Erwerberin mit dem Kläger als Geschäftsführer innerhalb von fünf Jahren eine Überschuldung in Höhe von ca. EUR 13 Millionen in eine Werthaltigkeit von EUR 80 Millionen umgewandelt hätte, welches bereits für sich betrachtet ein Beleg für größten Erfolg wäre.
104Der Kläger war somit gezwungen, binnen fünf Jahren mit einem unmittelbar vor der Insolvenz stehenden Unternehmen eine Wertschöpfung von deutlich über EUR 100 Millionen zu betreiben, um keinen finanziellen Verlust in dieser Angelegenheit zu erleiden. Insoweit wäre ein eigener Gewinn noch nicht einmal erzielt worden.
b. subjektiver Tatbestand
105Die Beklagten wollten durch das abstrakte Schuldanerkenntnis ihre bisherigen Investitionen geschützt wissen und das weitere wirtschaftliche Risiko den Kläger tragen lassen. Der zusätzliche Finanzbedarf der E3 belief sich auf monatlich ca. EUR 1 Millionen. Dieses Risiko wollten die Beklagten augenscheinlich nicht mehr tragen, da sie sich nach eigenen Angaben bewusst waren, dass der Kläger eine Wertsteigerung bei der E3 erst herbeiführen sollte.
106Die Vereinbarung des späten letztmöglichen Zahlungstermins fünf Jahre nach Abschluss des Kaufvertrages macht deutlich, dass es faktisch nicht um einen Kaufvertrag gehen sollte, bei dem der Kaufpreis dem Wert der Sache entspricht und sofort fällig ist, sondern um eine Art „Gewinnbeteiligungsvertrag“. Sofern der Kläger als Geschäftsführer der Erwerberin erfolgreich wäre und die E3 gewinnbringend veräußern könnte, so wollten die Beklagten an diesem Gewinn partizipieren. Sollte das Geschäftsmodell jedoch scheitern, so wollten sie nicht nur keine weiteren Investitionen mehr tätigen, sondern auch ihre bisher getätigten Investitionen durch das Schuldanerkenntnis geschützt wissen.
107Auf diese Weise hätten die Beklagten ohne jeglichen Verlust das Projekt „E7“ abschließen können. Letztlich wurde durch diese Verbindung der Verträge das Risiko in voller Höhe auf den Kläger als Privatperson abgewälzt, wohingegen die Gewinnmöglichkeit in beträchtlicher Höhe – EUR 100 Millionen bei Investitionen von EUR 0 Millionen – bestehen geblieben ist.
108Weiterhin zeigen die Beklagten bereits durch die Verwendung des Wortes „Faustpfand“, welche Intention sie mit dem abstrakten Schuldanerkenntnis verfolgten.
109Ein Pfandrecht wird grundsätzlich an Sachen bestellt und dient der Absicherung einer Forderung. Ein Faustpfand beinhaltet sogar die körperliche Verfügungsmöglichkeit über den konkreten Gegenstand, an welchem ein Pfandrecht bestellt worden ist.
110Vorliegend handelt es sich jedoch nicht um einen Gegenstand, an dem ein Pfandrecht bestellt worden ist, sondern um einen Menschen, der sich in Höhe von EUR 20 Millionen der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterworfen hat.
111Mit der Wahl des Wortes „Faustpfand“ in diesem Zusammenhang geben die Beklagten zu erkennen, dass sie die Absicherung durch das abstrakte Schuldanerkenntnis so verstanden wissen wollten, dass sie zur Absicherung der von ihr so bezeichneten Kaufpreisforderung über das gesamte Vermögen des Klägers und dessen Existenzgrundlage wie über einen Gegenstand frei verfügen und als Druckmittel einsetzen wollten. Die Wahl des Wortes „Faustpfand“ führt in gewisser Weise zu einer „Verdinglichung“ des Klägers und seiner Existenzgrundlage.
112Bezeichnend ist auch, dass die Beklagten die Wertbildung bei internetbasierten, neuen Geschäftsideen als „Wette“ bezeichnen. Wenn man diesen Begriff der „Wette“ zugrunde legen möchte, so würde der Kläger als Privatperson seine Existenzgrundlage zum Wetteinsatz darbieten bei einer „Gewinnchance“, die angesichts der unmittelbar drohenden Zahlungsunfähigkeit mit „Null“ zu beziffern ist. Die Beklagten ihrerseits würden als Wetteinsatz eine Geschäftsidee einbringen, die zu diesem Zeitpunkt faktisch bereits gescheitert ist und die bisher getätigten Investitionen bereits verbraucht hat. Der Einsatz der Beklagten würde sich somit faktisch auf „Null“ belaufen bei Aufrechterhaltung der Gewinnmöglichkeit.
113In dieser Vorgehensweise liegt die Vorwerfbarkeit des Verhaltens der Beklagten, und somit das subjektive Element der Sittenwidrigkeit, wie oben festgestellt begründet. Die Beklagten kannten als bisherige Geschäftsführer der E3 die insolvenzrechtliche Situation dieser. In Kenntnis dieser Situation haben sie, wie dargelegt, das Insolvenzrisiko vollständig auf den Kläger als Privatperson abgewälzt, da ihnen bewusst war, dass die Erwerberin im Falle der Insolvenz nicht liquide sein würde, und sich dabei die eigenen Gewinnmöglichkeiten aufrecht erhalten.
c. Ausführungen der Beklagten
114Die Ausführungen der Beklagten hinsichtlich der Besonderheiten bei der Bewertung internetbasierter Unternehmen führen zu keinem anderen Ergebnis.
115Den Beklagten ist zwar dahingehend zuzustimmen, dass klassische Kriterien, wie diese in einem Unternehmen des „produzierenden Gewerbes“ angewandt werden, in diesen Fällen nicht herangezogen werden können. Insoweit wollte sich die Kammer auf Grund ihrer Hinweise auch nicht verstanden wissen, da die durch die Beklagten genannte „Bäckerstube“ auch durch das Gericht als Gegenpol aufgezeigt worden ist. Auch ist den Beklagten dahingehend Recht zu geben, dass bei den veranschlagten Werten der Unternehmen häufig Hoffnungen auf zukünftige Entwicklungen enthalten sind, die derzeit nicht realisierbar sind.
116Vor diesem Hintergrund mag ein Wert in Höhe von EUR 100 Mio. auch für ein internetbasiertes Gutschein-Unternehmen, welches auf soliden und gesunden Beinen steht, grundsätzlich angemessen sein. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen, da den Beklagten als Inhaber der Geschäftsführung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die insolvenzrechtliche Situation der E3 in diesem Zeitpunkt bekannt gewesen war. Insoweit war – auch unter Zugrundelegung anderer Bewertungsmaßstäbe – in Kenntnis der drohenden Insolvenz eine Hoffnung in zukünftige Gewinne jedenfalls nicht in der dargelegten Größenordnung berechtigt gewesen.
117Auch die genannten Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit mögen angesichts ihrer Bekanntheit und ihres Nutzerkreises bereits vor dem Verkauf nicht mit der E3 vergleichbar sein. Hinzu kommt aber, dass bei den genannten bekannten Unternehmen auch keine Privatperson faktisch auf Erwerberseite steht, die sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in das gesamte Vermögen unterworfen hat.
118Auch die Ausführungen der Beklagten zur „Augenhöhe“, auf welcher nach ihren Angaben verhandelt worden ist, und zu dem großen Beraterstab des Klägers führen zu keinem anderen Ergebnis.
119Selbst für den Fall der Kenntnis des Klägers von der insolvenzrechtlichen Situation der E3 und einer hieraus resultierenden „Augenhöhe“, auf welcher die Erwerberin und die Beklagten verhandelt haben, räumt diese die Kenntnis der Beklagten von der unmittelbar drohenden Zahlungsunfähigkeit nicht aus. Es ist in der Bewertung der Sittenwidrigkeit insoweit nicht auf einen Wissensvorsprung der Beklagten oder einer von diesen vorgenommen Täuschung abzustellen, sondern auf die Kenntnis der insolvenzrechtlichen Umstände kombiniert mit der knebelnden Einbindung des Klägers persönlich in diese vertragliche Konstruktion.
120Aus dem gleichen Grund führen auch der Beraterstab des Klägers und dessen wirtschaftliche Erfahrenheit zu keiner anderen Würdigung, da es auf den Kenntnisstand des Klägers gerade nicht ankommt.
121Auch die von den Beklagten nach den richterlichen Hinweisen aufgeworfenen Kontrollfragen, ob bei einem entsprechenden Weiterverkauf der E3 an mögliche Investoren wie der B AG oder einem arabischen Scheich ein hoher Kaufpreis als „Verstoß gegen die grundlegenden Prinzipien der Rechtsordnung“ zu qualifizieren sei, führen zu keinem anderen Ergebnis. Diesbezüglich ist der Unterschied darin zu sehen, dass nicht allein der hohe Kaufpreis den Tatbestand des § 138 BGB ausfüllt, sondern dieser in der Gesamtbetrachtung mit dem abstrakten Schuldanerkenntnis und der persönlichen Einbeziehung des Klägers zur Absicherung des wirtschaftlichen Risikos der Beklagten bei gleichzeitiger Kenntnis der unmittelbar bevorstehenden Zahlungsunfähigkeit begründet liegt.
122Letztlich ist den Beklagten dahin zuzustimmen, dass die Sittenwidrigkeit nicht alleine auf einem Missverhältnis zwischen Wert und Kaufpreis, einer Leistungsunfähigkeit der Erwerberin oder einer persönlichen Unbedarftheit des Klägers beruht. Vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung in dem vorgenannten Sinne vorzunehmen, die vorliegend den Tatbestand der Sittenwidrigkeit in objektiver sowie in subjektiver Hinsicht begründet.
II. Herausgabeverpflichtung
123Die Herausgabeverpflichtung der Beklagten hinsichtlich der vollstreckbaren Ausfertigung der notariellen Urkunde des Notars Dr. F mit der Nummer UR.Nr. XXXX für XXXX K vom 26. Juli 2012 beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 371 BGB.
III. einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung
124Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung beruht auf §§ 769, 770 ZPO.
IV. Wiedereröffnung
125Die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung zu den Akten gereichten Schriftsätze der beklagten Seite vom 01. Juni 2014, 11. Juni 2014, 20. Juni 2014 sowie vom 30. Juni 2014 gaben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO. Es wurden insbesondere keine Tatsachen vorgetragen, die einen Wiederaufnahmegrund bilden.
V. Nebenentscheidungen
126Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen gemäß §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
127Der Streitwert wird auf 20.000.000,00 EUR festgesetzt.
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(1) Der Schuldner ist berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet. Für das Verfahren gelten die allgemeinen Vorschriften, soweit in diesem Teil nichts anderes bestimmt ist.
(2) Die Vorschriften dieses Teils sind auf Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 nicht anzuwenden.
(1) Der Schuldner fügt dem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung eine Eigenverwaltungsplanung bei, welche umfasst:
- 1.
einen Finanzplan, der den Zeitraum von sechs Monaten abdeckt und eine fundierte Darstellung der Finanzierungsquellen enthält, durch welche die Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes und die Deckung der Kosten des Verfahrens in diesem Zeitraum sichergestellt werden soll, - 2.
ein Konzept für die Durchführung des Insolvenzverfahrens, welches auf Grundlage einer Darstellung von Art, Ausmaß und Ursachen der Krise das Ziel der Eigenverwaltung und die Maßnahmen beschreibt, welche zur Erreichung des Ziels in Aussicht genommen werden, - 3.
eine Darstellung des Stands von Verhandlungen mit Gläubigern, den am Schuldner beteiligten Personen und Dritten zu den in Aussicht genommenen Maßnahmen, - 4.
eine Darstellung der Vorkehrungen, die der Schuldner getroffen hat, um seine Fähigkeit sicherzustellen, insolvenzrechtliche Pflichten zu erfüllen, und - 5.
eine begründete Darstellung etwaiger Mehr- oder Minderkosten, die im Rahmen der Eigenverwaltung im Vergleich zu einem Regelverfahren und im Verhältnis zur Insolvenzmasse voraussichtlich anfallen werden.
(2) Des Weiteren hat der Schuldner zu erklären,
- 1.
ob, in welchem Umfang und gegenüber welchen Gläubigern er sich mit der Erfüllung von Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen, Pensionszusagen oder dem Steuerschuldverhältnis, gegenüber Sozialversicherungsträgern oder Lieferanten in Verzug befindet, - 2.
ob und in welchen Verfahren zu seinen Gunsten innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Antrag Vollstreckungs- oder Verwertungssperren nach diesem Gesetz oder nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz angeordnet wurden und - 3.
ob er für die letzten drei Geschäftsjahre seinen Offenlegungspflichten, insbesondere nach den §§ 325 bis 328 oder 339 des Handelsgesetzbuchs nachgekommen ist.
Sind mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist (Gesamtgläubiger), so kann der Schuldner nach seinem Belieben an jeden der Gläubiger leisten. Dies gilt auch dann, wenn einer der Gläubiger bereits Klage auf die Leistung erhoben hat.
(1) Das Prozessgericht kann auf Antrag anordnen, dass bis zum Erlass des Urteils über die in den §§ 767, 768 bezeichneten Einwendungen die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung eingestellt oder nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werde und dass Vollstreckungsmaßregeln gegen Sicherheitsleistung aufzuheben seien. Es setzt eine Sicherheitsleistung für die Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht fest, wenn der Schuldner zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist und die Rechtsverfolgung durch ihn hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die tatsächlichen Behauptungen, die den Antrag begründen, sind glaubhaft zu machen.
(2) In dringenden Fällen kann das Vollstreckungsgericht eine solche Anordnung erlassen, unter Bestimmung einer Frist, innerhalb der die Entscheidung des Prozessgerichts beizubringen sei. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist wird die Zwangsvollstreckung fortgesetzt.
(3) Die Entscheidung über diese Anträge ergeht durch Beschluss.
(4) Im Fall der Anhängigkeit einer auf Herabsetzung gerichteten Abänderungsklage gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend.
Das Prozessgericht kann in dem Urteil, durch das über die Einwendungen entschieden wird, die in dem vorstehenden Paragraphen bezeichneten Anordnungen erlassen oder die bereits erlassenen Anordnungen aufheben, abändern oder bestätigen. Für die Anfechtung einer solchen Entscheidung gelten die Vorschriften des § 718 entsprechend.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
Auf die Zwangsvollstreckung aus den in § 794 erwähnten Schuldtiteln sind die Vorschriften der §§ 724 bis 793 entsprechend anzuwenden, soweit nicht in den §§ 795a bis 800, 1079 bis 1086, 1093 bis 1096 und 1107 bis 1117 abweichende Vorschriften enthalten sind. Auf die Zwangsvollstreckung aus den in § 794 Abs. 1 Nr. 2 erwähnten Schuldtiteln ist § 720a entsprechend anzuwenden, wenn die Schuldtitel auf Urteilen beruhen, die nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar sind. Die Vorschriften der in § 794 Absatz 1 Nummer 6 bis 9 genannten Verordnungen bleiben unberührt.
(1) Die vollstreckbare Ausfertigung wird erteilt bei
- 1.
gerichtlichen Urkunden von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des die Urkunde verwahrenden Gerichts, - 2.
notariellen Urkunden von - a)
dem die Urkunde verwahrenden Notar, - b)
der die Urkunde verwahrenden Notarkammer oder - c)
dem die Urkunde verwahrenden Amtsgericht.
(2) Die Entscheidung über die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung wird getroffen bei
- 1.
gerichtlichen Urkunden von dem die Urkunde verwahrenden Gericht, - 2.
notariellen Urkunden von - a)
dem die Urkunde verwahrenden Notar, - b)
der die Urkunde verwahrenden Notarkammer oder - c)
dem die Urkunde verwahrenden Amtsgericht.
(3) Die Entscheidung über Einwendungen, welche die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel und die Zulässigkeit der Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung betreffen, wird getroffen bei
- 1.
gerichtlichen Urkunden von dem die Urkunde verwahrenden Gericht, - 2.
notariellen Urkunden von dem Amtsgericht, - a)
in dessen Bezirk der die Urkunde verwahrende Notar seinen Amtssitz hat, - b)
in dessen Bezirk die die Urkunde verwahrende Notarkammer ihren Sitz hat oder - c)
das die Urkunde verwahrt.
(4) Auf die Geltendmachung von Einwendungen, die den Anspruch selbst betreffen, ist § 767 Absatz 2 nicht anzuwenden.
(5) Das Gericht, bei dem der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, ist zuständig für
- 1.
Klagen auf Erteilung der Vollstreckungsklausel, - 2.
Klagen, durch welche die den Anspruch selbst betreffenden Einwendungen geltend gemacht werden, und - 3.
Klagen, durch welche der bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel als bewiesen angenommene Eintritt der Voraussetzung für die Erteilung der Vollstreckungsklausel bestritten wird.
(6) Auf Beschlüsse nach § 796c sind die Absätze 1 bis 5 entsprechend anzuwenden.
(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.
(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.
(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
Ist über die Forderung ein Schuldschein ausgestellt worden, so kann der Schuldner neben der Quittung Rückgabe des Schuldscheins verlangen. Behauptet der Gläubiger, zur Rückgabe außerstande zu sein, so kann der Schuldner das öffentlich beglaubigte Anerkenntnis verlangen, dass die Schuld erloschen sei.
(1) Das Prozessgericht kann auf Antrag anordnen, dass bis zum Erlass des Urteils über die in den §§ 767, 768 bezeichneten Einwendungen die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung eingestellt oder nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werde und dass Vollstreckungsmaßregeln gegen Sicherheitsleistung aufzuheben seien. Es setzt eine Sicherheitsleistung für die Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht fest, wenn der Schuldner zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist und die Rechtsverfolgung durch ihn hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die tatsächlichen Behauptungen, die den Antrag begründen, sind glaubhaft zu machen.
(2) In dringenden Fällen kann das Vollstreckungsgericht eine solche Anordnung erlassen, unter Bestimmung einer Frist, innerhalb der die Entscheidung des Prozessgerichts beizubringen sei. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist wird die Zwangsvollstreckung fortgesetzt.
(3) Die Entscheidung über diese Anträge ergeht durch Beschluss.
(4) Im Fall der Anhängigkeit einer auf Herabsetzung gerichteten Abänderungsklage gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend.
Das Prozessgericht kann in dem Urteil, durch das über die Einwendungen entschieden wird, die in dem vorstehenden Paragraphen bezeichneten Anordnungen erlassen oder die bereits erlassenen Anordnungen aufheben, abändern oder bestätigen. Für die Anfechtung einer solchen Entscheidung gelten die Vorschriften des § 718 entsprechend.
(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.
(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn
- 1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt, - 2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder - 3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.