Landgericht Duisburg Beschluss, 12. März 2014 - 34 Qs-146 Js 142/13-12/14
Tenor
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 27.01.2014 in der Fassung vom 10.02.2014 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.
1
Gründe
2Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 27.01.2014 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 23.01.2014, die gemäß Verfügung vom 10.02.2014 auf die Anfechtung der Verwerfung des Durchsuchungsantrags beschränkt worden ist, ist unbegründet. Denn das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss zu Recht den Antrag der Staatsanwaltschaft vom 14.01.2014, eine Durchsuchungsanordnung zu Wohnanschriften von 16 Beschuldigten und Geschäftsräumen von 28 Firmen zu treffen, verworfen.
3Die Kammer schließt sich auch in der Begründung den zutreffenden Erwägungen des mit der Beschwerde angegriffenen Beschlusses sowie des Nichtabhilfebeschlusses vom 03.02.2014 an. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.
4Die Voraussetzungen für den Erlass einer Durchsuchungsanordnung nach §§ 102, 103, 105 StPO liegen nicht vor.
5Der staatsanwaltliche Antrag auf eine Durchsuchungsanordnung hat den Begründungsanforderungen an eine entsprechende richterliche Anordnung im Wesentlichen zu genügen und dabei den Verfolgungswillen der Staatsanwaltschaft nach Beschuldigten, vorgeworfenen Taten, den ihnen zugrundezulegenden Beweismitteln und den zu suchenden Beweismitteln zu konkretisieren.
6Ein Durchsuchungsbeschluss muss insbesondere den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen festgelegt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Um die Durchsuchung rechtsstaatlich zu begrenzen, muss die aufzuklärende Straftat, wenn auch kurz, doch so genau umschrieben werden, wie es nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2005, 203). Es muss weiterhin auch die Art und der vorgestellte Inhalt derjenigen Beweismittel, nach denen gesucht werden soll, so genau bezeichnet werden, wie es nach Lage der Dinge geschehen kann, da nur dies zu einer angemessenen rechtsstaatlichen Begrenzung der Durchsuchung führt, weil oft eine fast unübersehbare Zahl von Gegenständen als - wenn auch noch so entfernte - Beweismittel für den aufzuklärenden Sachverhalt in Frage kommen können (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2005, 203; LG Berlin, wistra 2004, 319). Der Schutz der Privatsphäre, die auch von übermäßigen Maßnahmen im Rahmen einer an sich zulässigen Durchsuchung betroffen sein kann, darf nicht allein dem Ermessen der mit der Durchführung der Durchsuchung beauftragten Beamten überlassen bleiben (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2005, 203). Es darf nicht darauf vertraut werden, dass der Akteninhalt auch den mit der Durchsuchung befassten Beamten vertraut ist und sie die Zielrichtung der Maßnahme entsprechend begrenzen können (vgl. BVerfG, WM 2009, 914). Ein Durchsuchungsbefehl, der keinerlei tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs enthält und der zudem den Inhalt der konkret gesuchten Beweismittel nicht erkennen lässt, wird rechtsstaatlichen Anforderungen jedenfalls dann nicht gerecht, wenn solche Kennzeichnungen nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ohne weiteres möglich und den Zwecken der Strafverfolgung nicht abträglich sind (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2005, 203).
7Auch in einem Ermittlungsverfahren wie hier, in dem wegen eines Anfangsverdachts von Straftaten gegen viele Beschuldigten über einen großen Zeitraum und einer sehr großen Zahl von tatrelevanten Handlungen möglichst umfassende Durchsuchungen in vielen Privat- und Geschäftsräumen erfolgen sollen, hat der Antrag der Staatsanwaltschaft die Tatsachen und Beweismittel zusammenfassend darzustellen, die den Anfangsverdacht wegen bestimmter Straftaten gegen alle genannten Beschuldigten begründen sollen. Dabei sind die einzelnen aufgeführten Beschuldigten, die jeweiligen tatrelevanten Zeiträume, ihre jeweiligen tatrelevanten Geschäfte und die ihnen jeweils vorgeworfenen Handlungen zu bezeichnen. Auch die Beweismittel, die den Verdacht auf Straftaten begründen sollen, und die Beweismittel, nach denen gesucht werden soll, sind durch die Staatsanwaltschaft zu benennen. Denn die Staatsanwaltschaft macht aus dem umfangreichen Ermittlungsverfahren durch die bestimmte Bezeichnung der Beschuldigten und der ihnen jeweils vorgeworfenen Taten sowie der diesbezüglichen Beweismittel ihren jeweiligen Tatverdacht nachvollziehbar, bestimmt dabei auch unter ermittlungstaktischen Gesichtspunkten die Teile des umfangreichen bisher für Beschuldigte unbekannten Ermittlungsverfahrens, die den von den Durchsuchungen betroffenen Personen über den beantragten Durchsuchungsbeschluss jedenfalls bekannt werden dürfen. Die Staatsanwaltschaft konkretisiert damit und mit der Eingrenzung der zu suchenden Beweismittel ihrem gesetzlichen Auftrag gemäß äußerlich ausreichend erkennbar ihren Verfolgungswillen unter Beachtung des Rechtsstaatsprinzips der Verhältnismäßigkeit (Art. 20 Abs. 3 GG).
8Soweit die Durchsuchung einer Wohnung beantragt wird, bedarf der Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) auch des Verdachts einer Straftat, der über vage Anhaltspunkte und Vermutungen hinausreicht; die Durchsuchung darf nicht erst der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind, sondern setzt den Verdacht einer konkreten Straftat bereits voraus (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2010 – 2 BvR 2561/08).
9Den genannten Anforderungen genügt der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung vom 14.01.2014 nicht.
10Es ist unklar, welche einzelnen Taten welchen Beschuldigten und aufgrund welcher Beweismittel zur Last gelegt werden sollen und inwieweit der Kreis der zu suchenden Beweismittel eingegrenzt werden kann.
11Die abstrakten Tatvorwürfe eingangs des als Begründung dem Durchsuchungsantrag beigefügten Beschlussentwurfs nennen die amtlichen Überschriften und die Paragraphen der Straftatbestände, die den Beschuldigten zur Last gelegt werden sollen. Die gesetzlichen Merkmale aller genannten Straftatbestände werden auch im Übrigen mit Ausnahme der Gewerbsmäßigkeit nicht erwähnt.
12Die konkreten Tatvorwürfe bleiben für alle Beschuldigten ebenfalls nicht ausreichend bestimmt. Der Antrag auf Erlass des Durchsuchungsbeschlusses zeigt nicht auf, welche konkreten Tathandlungen der Beschuldigte S vollzogen haben soll und welche konkreten Tatbeiträge die weiteren 15 Beschuldigten geleistet haben sollen. Die weiteren 15 Beschuldigten werden außer im Rubrum des dem Durchsuchungsantrag beigefügten Beschlussentwurfs namentlich nicht mehr erwähnt.
13Die Schilderung der aufzuklärenden Straftaten beschränkt sich auf eine knappe und lediglich abstrakte Beschreibung des angenommenen Modells des von dem Beschuldigten S aufgebauten Korruptionsnetzwerks. Es bleibt offen, auf welchem konkreten Lebenssachverhalt und welchen konkreten Handlungen der Tatverdacht beruht. Es fehlt eine Zuordnung der einzelnen im Zwischenbericht des Landeskriminalamts NRW vom 16.12.2013 genannten Komplexdarstellungen zu Straftatbeständen.
14Die zur Last gelegten Taten müssen so verständlich beschrieben werden, dass jeweils ein bestimmter Lebensvorgang erkennbar ist, dem der jeweils erhobene Tatvorwurf entnommen werden kann. Dazu gehört insbesondere, für jeden der Beschuldigten den objektiven Tatbeitrag mitzuteilen und Angaben zu den subjektiven Voraussetzungen zu machen. Es ist hier bereits nicht erkennbar, welchem Beschuldigten welche konkreten Taten in wie vielen Fällen vorgeworfen werden.
15Auch die Beweismittel, auf denen der Verdacht von Straftaten der 16 Beschuldigten beruhen soll, werden im Durchsuchungsantrag einschließlich des in Bezug genommenen Beschlussentwurfs nur sehr unvollständig bezeichnet.
16Soweit dem Beschuldigten S ab dem 01.05.2010 Taten der Vorteilsannahme und der Bestechlichkeit vorgeworfen werden sollen, werden insbesondere Tatsachen und Beweismittel nicht dargelegt, die einzelne Unrechtsvereinbarungen, rechtswidrige Diensthandlungen und Geldflüsse hinsichtlich äußerer und innerer Tatseite belegen sollen. Die „Nehmer-Geberverhältnisse“ sind nur mit seinem Namen und dem Namen eines anderen Unternehmens bezeichnet.
17Soweit dem Beschuldigten S ab dem 01.05.2010 Taten der Untreue vorgeworfen werden sollen, werden insbesondere Tatsachen und Beweismittel nicht dargelegt, die die einzelnen treuwidrigen Vermögensverfügungen und die dadurch entstandenen Vermögensnachteile hinsichtlich äußerer und innerer Tatseite belegen sollen.
18Soweit dem Beschuldigten S für die Steuerjahre 2010 und 2011 Taten der Steuerhinterziehung vorgeworfen werden sollen, werden insbesondere Tatsachen und Beweismittel nicht dargelegt, die die Falschangabe oder Nichtangabe von steuerlich erheblichen Umständen und die Art und den Umfang einer dadurch entstandenen Verkürzung einer Steuer für die Jahre 2010 und 2011 hinsichtlich äußerer und innerer Tatseite belegen sollen. Die angeblich verkürzte Steuer ist auch ihrer Art nach nicht bezeichnet.
19Soweit den 15 anderen Beschuldigten Taten der Vorteilsgewährung und der Bestechung sowie der Beihilfe zur Untreue vorgeworfen werden sollen, werden insbesondere Tatsachen und Beweismittel nicht dargelegt, die die einzelnen Unrechtsvereinbarungen, rechtswidrigen Diensthandlungen und sie betreffenden Geldfüsse sowie die eigenen Beiträge zu einzelnen treuwidrigen Vermögensverfügungen und die durch die Verfügungen entstandenen Vermögensnachteile hinsichtlich äußerer und innerer Tatseite belegen sollen.
20Zudem bezieht sich der Antrag der Staatsanwaltschaft ausweislich des Rubrums des zur Begründung beigefügten Beschlussentwurfs auf Geschäftsräume von 28 namentlich bezeichneten Unternehmen. Es ist nicht erkennbar, ob die Beschuldigten (Mit-)Besitzer sämtlicher Räumlichkeiten sind oder ob bei „anderen Personen“ im Sinne des § 103 StPO die dort genannten Voraussetzungen vorliegen.
21Der Antrag auf Erlass der Durchsuchungsanordnung weist auch keine angesichts der komplexen und gewichtigen Vorwürfe hinreichend konkreten Bezeichnungen derjenigen Beweismittel auf, nach denen gesucht werden soll. Es ist nicht ersichtlich, dass deren Bezeichnung nach Lage der Dinge – jedenfalls in grob umreißender Form – nicht genauer als geschehen möglich oder den Zwecken der Strafverfolgung abträglich gewesen wäre. So ist dem Nachtrag vom 17.12.2013 zum Zwischenbericht des Landeskriminalamts NRW eine konkrete Aufzählung der zu suchenden Beweismittel zu entnehmen. Auch auf diese Aufzählung hätte die Staatsanwaltschaft zurückgreifen können, soweit sie insoweit einen Ermittlungswillen haben sollte, ohne dass deren Wiedergabe den Zwecken der Strafverfolgung abträglich gewesen wäre, was im Falle des „Weglassens aus ermittlungstechnischen Gründen“ aktenkundig zu dokumentieren gewesen wäre (vgl. LG Berlin, wistra 2004, 319).
22Der Stand der Ermittlungen zum Zeitpunkt des Antrags auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung erlaubt eine eingehende rechtliche Prüfung des Tatverdachts. Der Zwischenbericht des Landeskriminalamts NRW vom 16.12.2013 schildert eine ganze Reihe von verdächtigen Vorgängen und Geschäftsbeziehungen des Beschuldigten S zu anderen Unternehmen. Eine genaue Bezeichnung und eine – zumindest ansatzweise – rechtliche Bewertung und Zuordnung der Sachverhalte wäre danach möglich gewesen. Gerade mit Blick auf den weitgefassten Tatzeitraum über mehrere Jahre (seit dem 01.05.2010), der im Übrigen auch nicht näher erläutert wird, hätte zu einer genaueren, die verdachtsbegründenden Einzeltaten benennenden Prüfung Anlass bestanden.
23Soweit die Staatsanwaltschaft in der Beschwerdebegründung darauf hingewiesen hat, dem Ermittlungsrichter wäre eine Ergänzung des Beschlussentwurfs auf der Grundlage der übersandten Akten möglich gewesen, führt dies nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung.
24Dass für einen anderen Beurteiler ein konkretisierbarer und dem Beschlussentwurf gegebenenfalls zu Grunde liegender Verdacht aus den Akten entnehmbar sein mag, enthebt die Staatsanwaltschaft nicht der Mitteilung und Bewertung des aus ihrer Sicht maßgeblichen Verdachts und der dadurch vorgenommenen Konkretisierung ihres Verfolgungswillens auf einzelne Beschuldigte, ihre Taten und zugrundeliegende und zu suchende Beweismittel.
25Die Staatsanwaltschaft ist als Folge des in § 152 Abs. 2 StPO enthaltenen Legalitätsprinzip berechtigt und verpflichtet, mangels gegenteiliger gesetzlicher Bestimmungen wegen verfolgbarer Straftaten bei zureichenden Anhaltspunkten einzuschreiten. Soweit die Staatsanwaltschaft danach verpflichtet ist, von ihren Zwangsbefugnissen Gebrauch zu machen, ist § 152 Abs. 2 StPO auch Kompetenznorm (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage, § 152, Rn. 3). Im Ermittlungsverfahren liegt die Verfahrensherrschaft bei der Staatsanwaltschaft. Sie bestimmt hier, wann wegen welcher Tatvorwürfe welche Ermittlungen auf welche Weise vorzunehmen sind.
26Neben rein rechtlichen Gesichtspunkten wie etwa der Tatbestandsmäßigkeit vorgeworfener Handlungen und der Verhältnismäßigkeit von Ermittlungsmaßnahmen spielen auch ermittlungstaktische Gesichtspunkte und Gesichtspunkte der Opportunität bei der Entscheidung über die Ausweitung und die Beschränkung eines Ermittlungsverfahrens eine entscheidende Rolle. Diese freie Gestaltung der Ermittlungen durch die Ermittlungsbehörden im Rahmen des Legalitätsprinzips und pflichtgemäßen Ermessens liefe leer, wenn es ausreichend wäre, dass ein Antrag auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung im Wege einer Nachbesserung durch das Gericht derart fortentwickelt werden könnte, dass das Gericht mit seinem Durchsuchungsbeschluss die verfassungsrechtlichen Anforderungen für die verfolgbaren Taten der Beschuldigten sowie der dazu heranzuziehenden Beweismittel erstmals selbst konkretisieren würde. Denn dann würde das Gericht in den Kernbereich der Ermittlungshoheit der Staatsanwaltschaft eingreifen, seinerseits die Strafverfolgung im Ermittlungsverfahren bestimmen und damit die gesetzliche Aufgabenteilung zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht verletzen.
27Bei der Entscheidung, ob nach dem Opportunitätsprinzip Ausnahmen vom Verfolgungszwang trotz an sich bestehender Verfolgungsvoraussetzungen gemacht werden, besteht abhängig von konkreten Wertungs- und Beurteilungskriterien ein weiter Beurteilungsspielraum (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage, § 152, Rn. 7), der von der Staatsanwaltschaft auszufüllen ist. Ohne Konkretisierung, welche Taten von der Staatsanwaltschaft überhaupt zur Last gelegt und verfolgt werden sollen, kann eine Nachbesserung durch das Gericht, das - abgesehen von dem Ausnahmefall des § 165 StPO, der die Unerreichbarkeit der Staatsanwaltschaft voraussetzt - nur auf einen (ausreichenden) Antrag der Ermittlungsbehörden tätig wird, nicht erfolgen.
28Der Ermittlungsrichter darf Ermittlungshandlungen, welche die Staatsanwaltschaft nicht beantragt hat, nicht vornehmen. Fehlt es an den tatsächlichen Grundlagen für eine von der Staatsanwaltschaft beantragte Zwangsmaßnahme, ist es dem Richter verwehrt, selbstständig zu ermitteln; er hat den Antrag abzulehnen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage, § 162, Rn. 5). Die Planung, Strukturierung, Konkretisierung und Durchführung des Ermittlungsverfahrens sind Aufgaben der Staatsanwaltschaft.
29Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO analog.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Duisburg Beschluss, 12. März 2014 - 34 Qs-146 Js 142/13-12/14
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Landgericht Duisburg Beschluss, 12. März 2014 - 34 Qs-146 Js 142/13-12/14
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenLandgericht Duisburg Beschluss, 12. März 2014 - 34 Qs-146 Js 142/13-12/14 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist, kann eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen sowohl zum Zweck seiner Ergreifung als auch dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, daß die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde.
(1) Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände und nur dann zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Zum Zwecke der Ergreifung eines Beschuldigten, der dringend verdächtig ist, eine Straftat nach § 89a oder § 89c Absatz 1 bis 4 des Strafgesetzbuchs oder nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches oder eine der in dieser Vorschrift bezeichneten Straftaten begangen zu haben, ist eine Durchsuchung von Wohnungen und anderen Räumen auch zulässig, wenn diese sich in einem Gebäude befinden, von dem auf Grund von Tatsachen anzunehmen ist, daß sich der Beschuldigte in ihm aufhält.
(2) Die Beschränkungen des Absatzes 1 Satz 1 gelten nicht für Räume, in denen der Beschuldigte ergriffen worden ist oder die er während der Verfolgung betreten hat.
(1) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 ordnet der Richter an; die Staatsanwaltschaft ist hierzu befugt, wenn Gefahr im Verzug ist.
(2) Wenn eine Durchsuchung der Wohnung, der Geschäftsräume oder des befriedeten Besitztums ohne Beisein des Richters oder des Staatsanwalts stattfindet, so sind, wenn möglich, ein Gemeindebeamter oder zwei Mitglieder der Gemeinde, in deren Bezirk die Durchsuchung erfolgt, zuzuziehen. Die als Gemeindemitglieder zugezogenen Personen dürfen nicht Polizeibeamte oder Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sein.
(3) Wird eine Durchsuchung in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Durchsuchung von Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Die Wohnung ist unverletzlich.
(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.
(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.
(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.
(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.
(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.
(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.
Tenor
-
Die Beschlüsse des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11. November 2008 und 19. Dezember 2008 - 13 Qs 66/2008 - und des Amtsgerichts Nürnberg - Ermittlungsrichter - vom 24. September 2008 - 57 Gs 14807/08 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Sache wird an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.
-
...
Gründe
-
A.
- 1
-
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine strafprozessuale Durchsuchungsanordnung.
-
I.
- 2
-
1. Bei einer polizeilichen Routine-Kontrolle der Internet-Plattform ebay nach Hinweisen auf Straftaten wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer in dem Zeitraum vom 12. Juni 2008 bis 25. Juli 2008 insgesamt 182 Mobiltelefone, davon 46 Stück Neuware in Originalverpackung, veräußert hatte. Im Zeitraum vom 8. März 2008 bis zum 1. Juli 2008 hatte der Beschwerdeführer seinerseits 22 Mobiltelefone im Internet angekauft; über die Herkunft der anderen 160 Mobiltelefone bestanden keine Erkenntnisse. Preisvergleiche mit anderen Internet-Versandhäusern hatten ergeben, dass die Mobiltelefone in der Regel unter dem Preis der billigsten Anbieter abgegeben wurden. Insbesondere die als neu und originalverpackt angebotenen Mobiltelefone waren teilweise unter dem Preis der Groß-Discounter veräußert worden. Eine Nachfrage beim Gewerbeaufsichtsamt ergab außerdem, dass der Beschwerdeführer kein Gewerbe angemeldet hatte.
- 3
-
2. Die Polizei beantragte daraufhin den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses nach Art. 23, 24 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz - PAG), weil sie noch keinen konkreten Hinweis auf eine Straftat sah. Wegen des Verdachts der widerrechtlichen Erlangung sollte zunächst auf eine unterbindende Sicherstellung nach Art. 25 Nr. 1 und 2 PAG hingewirkt werden. Hingegen erachtete das Amtsgericht Nürnberg einen hinreichenden Tatverdacht für eine Durchsuchung nach § 102 StPO gegeben und übersandte die Akte der Staatsanwaltschaft, die einen entsprechenden Durchsuchungsbeschluss beantragte.
- 4
-
3. Das Amtsgericht Nürnberg erließ daraufhin am 24. September 2008 einen Durchsuchungsbeschluss. Es bestehe der Tatverdacht der Hehlerei, weil zu vermuten sei, dass die von dem Beschwerdeführer verkauften Mobiltelefone aus vorangegangenen Diebstählen oder Betrugsstraftaten stammten und nun vom Beschwerdeführer in Gewinnerzielungsabsicht weiterverkauft würden. Die Durchsuchung diene der Auffindung von Mobiltelefonen, Rechnungen, Computern und sonstigen Schriftstücken oder Datenträgern, die Aufschluss über Herkunft und Verbleib der verkauften Mobiltelefone geben.
- 5
-
4. Bei der Durchsuchung am 16. Oktober 2008 wurden diverse Gegenstände sichergestellt, von denen ein Teil dem Beschwerdeführer zeitnah zurückgegeben wurde. Die Beschlagnahmeanordnung ist nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde.
- 6
-
5. Die gegen den Durchsuchungsbeschluss eingelegte Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer das Fehlen eines Tatverdachts und die fehlende Bestimmtheit des Durchsuchungsbeschlusses sowie die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme rügte, verwarf das Landgericht mit Beschluss vom 11. November 2008 als unbegründet. Der Tatverdacht ergebe sich hier daraus, dass der Beschwerdeführer ausweislich der Auskunft der Firma ebay kein Gewerbe angemeldet habe, als Privatverkäufer innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums von sechs Wochen eine große Anzahl von teils hochwertigen, teils auch originalverpackten Handys versteigert habe und die Versteigerungserlöse im Regelfall unter dem Preis der billigsten Anbieter gelegen hätten. Angesichts der hohen Anzahl der versteigerten Geräte insgesamt und des hohen Anteils von neuwertigen, originalverpackten Geräten bestehe durchaus der Verdacht, dass die Geräte nicht auf legalem Weg in den Besitz des Beschwerdeführers gelangt seien. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig, weil mit der Auffindung von Beweismitteln zu rechnen gewesen sei. Es erscheine zudem von vornherein aussichtslos, die Ersteher der Geräte, die zu dem Beschwerdeführer aufgrund der Anonymität der Plattform regelmäßig keinen weiteren Kontakt hätten und sich allein auf dessen Angaben zu der Ware verlassen müssen, zu deren Herkunft zu befragen.
- 7
-
6. Der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers, der bereits zuvor wiederholt Akteneinsicht beantragt hatte, konnte erst am 13. November 2008 auf der Geschäftsstelle Akteneinsicht nehmen. Aus diesem Grund erhob er am 1. Dezember 2008 Anhörungsrüge nach § 33a StPO. Die Beschwerdeentscheidung sei bereits deshalb rechtswidrig, weil zuvor keine Akteneinsicht gewährt worden sei. Das Landgericht hätte die Entscheidung nicht auf die ebay-Auskunft und die fehlende Gewerbeanmeldung stützen dürfen, weil es sich dabei um nachgeschobene Argumente handele.
- 8
-
7. Das Landgericht verwarf die Gegenvorstellung mit Beschluss vom 19. Dezember 2008 als unbegründet. Der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers habe zwei Tage nach der Beschwerdeentscheidung Akteneinsicht erhalten; Einwendungen, die ihm aufgrund der Akteneinsicht nunmehr erstmals möglich geworden wären und die das Landgericht bei seiner Entscheidung fehlerhaft nicht berücksichtigt hätte, teile er jedoch nicht mit. Ein Nachschieben von Gründen liege nicht vor. Bereits der polizeiliche Ermittlungsbericht stelle maßgeblich auf die ebay-Auskunft ab und damit auch der Beschluss des Amtsgerichts.
- 9
-
8. Das Ermittlungsverfahren ist mit Verfügung vom 5. August 2009 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
-
II.
- 10
-
Der Beschwerdeführer sieht sich in seinen Rechten aus Art. 13 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
- 11
-
1. Art. 13 Abs. 1 GG sei verletzt, weil kein hinreichender Tatverdacht bestanden habe. Auf der Internet-Plattform ebay würden auch von Privatpersonen täglich tausende Artikel umgesetzt. Auch die Behauptung in dem Durchsuchungsbeschluss, die Mobiltelefone seien in der Regel unter dem Preis der billigsten Anbieter abgegeben worden, sei unzutreffend und an keiner Stelle belegt. Tatsächlich habe es sich bei einem Großteil der Geräte um defekte Ware gehandelt, die im Handel aussortiert und von dem Beschwerdeführer repariert worden sei und keinen handelsüblichen Marktpreis habe. Einen handelsüblichen Marktpreis hätten allein die originalverpackten, neuen Geräte. Allerdings habe der Beschwerdeführer bei der Auktion keinen Einfluss auf den tatsächlich erzielten Endpreis gehabt.
- 12
-
2. Der Ermittlungsrichter sei seiner Verpflichtung zur eigenständigen Überprüfung des Tatverdachts nicht nachgekommen. Vielmehr habe die Polizei in ihrem Antrag ausgeführt, dass ein konkreter Hinweis auf eine Straftat bisher noch nicht vorliege. Weitere Ermittlungsmaßnahmen seien von dem Ermittlungsrichter aber nicht vorgenommen worden.
- 13
-
3. Die Durchsuchung sei unverhältnismäßig gewesen, weil die Herkunft der Mobiltelefone durch weniger einschneidende Maßnahmen hätte aufgeklärt werden können. So hätten Testkäufe durchgeführt oder die ermittelten Käufer der Mobiltelefone befragt werden können. Die Vorlage einer Rechnung sei nicht nachgefragt worden und es sei nicht ermittelt worden, ob der Beschwerdeführer die Mobiltelefone möglicherweise auf legale Weise erworben hat.
- 14
-
4. Art. 103 Abs. 1 GG sei verletzt, weil das Landgericht in seiner Beschwerdeentscheidung in unzulässiger Weise auf Inhalte der Ermittlungsakte (Bericht von ebay; Ermittlungen der Polizei) Bezug nehme, die in dem angegriffenen Durchsuchungsbeschluss selbst keinen Niederschlag gefunden hätten. Die Bezugnahme auf die "bisherigen polizeilichen Ermittlungen" sei nicht ausreichend, weil andernfalls faktisch keinerlei formale Anforderungen an einen Durchsuchungsbeschluss zu stellen wären. Außerdem habe sich das Landgericht nicht mit der Möglichkeit eines Testkaufs auseinandergesetzt.
-
III.
- 15
-
1. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hält in seiner Stellungnahme vom 27. April 2009 die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, soweit sie sich gegen den Beschluss des Landgerichts vom 19. Dezember 2008 richtet, und im Übrigen für unbegründet.
- 16
-
a) Soweit der Beschwerdeführer meine, mit der Entscheidung vom 19. Dezember 2008 über die Anhörungsrüge habe das Landgericht wiederum sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt, habe er den Rechtsweg nicht erschöpft, weil er insoweit eine neuerliche Anhörungsrüge habe erheben können.
- 17
-
b) Art. 13 GG sei durch den angegriffenen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts und die angegriffene Beschwerdeentscheidung des Landgerichts nicht verletzt. Es habe ein die Durchsuchung rechtfertigender Tatverdacht vorgelegen, der sich hier aus den polizeilichen Ermittlungen zu den festgestellten Verkaufsvorgängen und -umständen in Zusammenschau mit der fehlenden Gewerbeanmeldung des Beschwerdeführers ergebe. Die hohe Anzahl der Verkäufe von teilweise originalverpackter Neuware innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums auf einer Internetauktionsplattform, die weitgehende Anonymität gewährleiste, sowie die Verkaufspreise, welche die billigsten am Markt gewesen seien, und der Umstand, dass der Beschwerdeführer kein gewerblicher Händler gewesen sei, hätten nahegelegt, dass der Beschwerdeführer Waren aus illegaler Herkunft veräußert habe.
- 18
-
Der Tatvorwurf und die Verdachtsgrundlagen seien in dem Durchsuchungsbeschluss hinreichend konkret bezeichnet und auch die aufzufindenden Beweismittel seien ausreichend umschrieben. Die Bezugnahme in dem Durchsuchungsbeschluss auf die polizeilichen Ermittlungsergebnisse sei unschädlich, weil hiermit ersichtlich die von der Polizei im Vorfeld gewonnenen Erkenntnisse gemeint gewesen seien.
- 19
-
Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liege nicht vor, weil die Durchsuchung ein taugliches Mittel zur Erforschung des Sachverhalts gewesen sei. Ein milderes, aber ebenso effektives Mittel sei nicht ersichtlich gewesen; insbesondere hätte ein Testkauf bei dem Beschwerdeführer oder die Befragung sämtlicher bisheriger Käufer des Beschwerdeführers aller Voraussicht nach keine zuverlässigen Erkenntnisse über die Herkunft der Mobiltelefone erbracht. Bei einem Testkauf hätte zwar nach der Bezugsquelle eines angebotenen Mobiltelefons gefragt und eventuell hierauf irgendeine Antwort erlangt werden können, jedoch sei nicht zu erwarten gewesen, dass hierdurch Auskünfte über die Herkunft aller anderen bereits verkauften Mobiltelefone erlangt werden können. Auch die bisherigen Käufer hätten nur Angaben zu dem Ablauf ihres eigenen Kaufes machen können, wobei nicht anzunehmen sei, dass sie sich jeweils zuvor über die Herkunft des Mobiltelefons bei dem Beschwerdeführer informiert hätten.
- 20
-
Etwaige Defizite in der Begründung der Durchsuchungsanordnung seien zudem durch die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts geheilt worden, das Darlegungen zu den Verdachtsgrundlagen in zulässiger Weise nachgeschoben hätte. Es seien nicht etwa neue Verdachtsgrundlagen hinzugefügt worden, sondern nur die bei Erlass des angegriffenen Beschlusses bereits vorliegenden Erkenntnisse dargelegt worden.
- 21
-
Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei nicht ersichtlich. Auf die Anhörung des Beschwerdeführers vor Erlass und Vollzug der Durchsuchungsanordnung habe nach § 33 Abs. 4 StPO verzichtet werden dürfen, weil die Gefahr der Vereitelung des Durchsuchungserfolgs bestanden habe. Auch durch die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts vom 11. November 2008 sei der Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör letztlich nicht verletzt worden, obwohl seinem Verteidiger vor Erlass des Beschlusses zunächst keine Akteneinsicht gewährt worden sei. Der Verteidiger des Beschwerdeführers habe nämlich am 13. November 2008 umfassend Akteneinsicht nehmen und sich hierzu umfassend äußern können, so dass eine etwaige Gehörsverletzung geheilt worden sei. Dass der Verteidiger des Beschwerdeführers am 13. November 2008 aus allein in seinem Verantwortungsbereich liegenden, zeitlichen Gründen die Akte nicht habe vollständig ablichten können, führe zu keinem anderen Ergebnis.
- 22
-
2. Der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers hat hierauf mit Schriftsatz vom 11. Mai 2009 erwidert. Die Darlegungen des Ministeriums zur Anonymität der Internetplattform ebay seien falsch. Die Behauptung, die erzielten Verkaufspreise seien die "billigsten am Markt" gewesen, sei nicht etwa durch die Einholung von Vergleichsangeboten überprüft worden. Außerdem habe der Verkäufer bei echten so genannten Chinese Auctions nicht die Möglichkeit, auf den Kaufpreis Einfluss zu nehmen. Zudem habe der Beschwerdeführer, soweit er Neuware angeboten habe, teilweise Festpreise bestimmt, die durchaus dem Marktpreis entsprochen hätten. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer nicht als gewerblicher Händler gemeldet gewesen sei, könne lediglich einen Verdacht einer Ordnungswidrigkeit nach § 146 Abs. 2 Nr. 1 GewO begründen.
- 23
-
3. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth - 416 Js 49156/08 - vorgelegen.
-
B.
- 24
-
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 13 Abs. 1 GG durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde insoweit offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG). Der Beschluss des Amtsgerichts und die diesen bestätigenden Beschlüsse des Landgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG.
-
I.
- 25
-
1. Art. 13 Abs. 1 GG gewährt einen räumlich geschützten Bereich der Privatsphäre, in dem jedermann das Recht hat, in Ruhe gelassen zu werden (vgl. BVerfGE 51, 97 <107>; 103, 142 <150 f.>). Erforderlich zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung ist jedenfalls der Verdacht, dass eine Straftat begangen worden sei. Das Gewicht des Eingriffs verlangt Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen (vgl. BVerfGE 59, 95 <97>; 115, 166 <197 f.>; 117, 244 <262 f.>). Eine Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind; denn sie setzt einen Verdacht bereits voraus (vgl. BVerfGK 8, 332 <336>; 11, 88 <92>).
- 26
-
2. Diesen Anforderungen werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht.
- 27
-
a) Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung ist der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts in der Gestalt der Beschwerde- und Gegenvorstellungsentscheidungen des Landgerichts.
- 28
-
aa) Um der Funktion einer vorbeugenden Kontrolle der Durchsuchung durch eine unabhängige und neutrale Instanz (vgl. BVerfGE 57, 346 <355 f.>; 76, 83 <91>; 103, 142 <155>) gerecht zu werden, darf das Beschwerdegericht seine Entscheidung nicht auf Gründe stützen, die dem Ermittlungsrichter nicht bekannt waren. Prüfungsmaßstab bleibt im Beschwerdeverfahren die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses. Das Beschwerdegericht darf zur Begründung seiner Entscheidung daher keine Erkenntnisse heranziehen, die erst durch die Durchsuchung gewonnen wurden. Die Kontrollfunktion des Richtervorbehalts verbietet es, mangelhafte Umschreibungen des Tatvorwurfs oder der zu suchenden Beweismittel nachträglich zu heilen, denn beide Angaben dienen den durchsuchenden Beamten zur Begrenzung des Eingriffs auf das zur Zweckerreichung erforderliche Maß (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. April 2004 - 2 BvR 2043/03, 2 BvR 2104/03 -, NJW 2004, S. 3171). Die Umgrenzung des Tatvorwurfs versetzt zugleich den Betroffenen in den Stand, die Durchsuchung zu kontrollieren und Rechtsschutz zu suchen (vgl. BVerfGE 42, 212 <220 f.>; 103, 142 <151 f.>). Das schließt es nicht aus, die Begründung des Beschlusses des Amtsgerichts in den Grenzen zu ergänzen, die die Funktion der präventiven Kontrolle wahren, oder eine andere rechtliche Beurteilung an die damals vorliegenden tatsächlichen Erkenntnisse zu knüpfen.
- 29
-
bb) Die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts hält sich innerhalb dieser Grenzen. Das Landgericht hat sich zur Begründung des Tatverdachts gegen den Beschwerdeführer zusätzlich auf die Auskunft des Unternehmens ebay vom 26. August 2008 und den Umstand gestützt, dass der Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitraum kein Gewerbe angemeldet hatte. Diese Erkenntnisse waren bereits Gegenstand des Antrags nach Art. 23, 24 PAG und dem Ermittlungsrichter mithin bekannt. Ein unzulässiges Nachschieben von Gründen, wie vom Beschwerdeführer behauptet, ist daher nicht erkennbar; die Verfahrensweise des Landgerichts unterliegt insoweit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
- 30
-
b) Jedoch ist die Annahme eines ausreichenden Tatverdachts von Verfassungs wegen nicht haltbar. Der Verdacht der Hehlerei (§ 259 StGB) setzt unter anderem den Verdacht voraus, dass die Sache durch einen Diebstahl oder ein anderes Vermögensdelikt erlangt worden ist. Im vorliegenden Fall wird der Tatverdacht allein darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer in kurzer Zeit eine große Anzahl von Mobiltelefonen, von denen einige originalverpackt gewesen sind, über die Internetplattform ebay versteigert und dabei Verkaufserlöse erzielt hat, die in der Regel unter dem Preis der billigsten Anbieter gelegen haben. Hierbei handelt es sich indes noch nicht um zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Mobiltelefone aus einer gegen fremdes Vermögen gerichtete Tat stammten. Allein aus der Anzahl der verkauften Mobiltelefone kann ohne weitere Anhaltspunkte nicht auf eine Straftat geschlossen werden. Solche weiteren tatsächlichen Anhaltspunkte werden in den angegriffenen Beschlüssen indes nicht aufgezeigt. Der Hinweis auf die Verkaufserlöse ist eine bloße Behauptung; es hätte zumindest der beispielhaften Gegenüberstellung von erzielten und handelsüblichen Preisen bedurft. Auch aus dem Auftreten des Beschwerdeführers als Privatperson kann nicht ohne weiteres auf die Verwirklichung des Straftatbestandes der Hehlerei geschlossen werden. Die Annahme des Verdachts der Hehlerei beruhte daher auf bloßen Vermutungen, die den schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte persönliche Lebenssphäre nicht zu rechtfertigen vermögen.
- 31
-
3. Da es schon an dem für die Durchsuchung erforderlichen Tatverdacht fehlt, kommt es auf die übrigen, gegen die Durchsuchungsanordnung geltend gemachten Beanstandungen nicht mehr an. Gleiches gilt für die erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG.
-
II.
- 32
-
Die Entscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung beruht auf § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG.
-
III.
(1) Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände und nur dann zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Zum Zwecke der Ergreifung eines Beschuldigten, der dringend verdächtig ist, eine Straftat nach § 89a oder § 89c Absatz 1 bis 4 des Strafgesetzbuchs oder nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches oder eine der in dieser Vorschrift bezeichneten Straftaten begangen zu haben, ist eine Durchsuchung von Wohnungen und anderen Räumen auch zulässig, wenn diese sich in einem Gebäude befinden, von dem auf Grund von Tatsachen anzunehmen ist, daß sich der Beschuldigte in ihm aufhält.
(2) Die Beschränkungen des Absatzes 1 Satz 1 gelten nicht für Räume, in denen der Beschuldigte ergriffen worden ist oder die er während der Verfolgung betreten hat.
Bei Gefahr im Verzug kann der Richter die erforderlichen Untersuchungshandlungen auch ohne Antrag vornehmen, wenn ein Staatsanwalt nicht erreichbar ist.
(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.
(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.
(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er
- 1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder - 2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.
(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.
(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.