Landgericht Deggendorf Beschluss, 22. Feb. 2019 - 13 T 38/18

bei uns veröffentlicht am22.02.2019

Tenor

1. Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Deggendorf vom 09.01.2018, Az. XVII 402/17, wird zurückgewiesen.

2. Von der Erhebung der Kosten hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens vor dem Landgericht Deggendorf (Az. 13 T 38/18) und des Rechtsbeschwerdeverfahrens vor dem Bundesgerichtshof (Az. XII ZB 188/18) wird abgesehen.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 22.09.2016 (Bl. 83/88 d.A.) hat das Amtsgericht Deggendorf eine umfassende Betreuung mit den dort genannten Aufgabenkreisen eingerichtet. Mit Schreiben vom 11.12.2017 hat die Betroffene die „Kündigung“ der Betreuung erklärt. Das Amtsgericht hat diese Erklärung als Antrag auf Aufhebung der Betreuung gewertet und ihn mit Beschluss vom 09.01.2018 (Bl. 147/148 d.A.) zurückgewiesen. Gegen diesen formlos bekannt gegebenen Beschluss hat die Betroffene selbst sowie durch die von ihr bevollmächtigten Eltern mit einem am 16.03.2018 bei dem Amtsgericht eingegangenen Schreiben vom 04.03.2018 Beschwerde eingelegt.

Nachdem das Landgericht Deggendorf die Beschwerde mit Beschluss vom 21.03.2018 (Bl. 156/162 d.A.) als unzulässig verworfen hatte, hat der BGH die vorgenannte Beschwerdeentscheidung mit Beschluss vom 24.10.2018 (Az. XII ZB 188/18) aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Daraufhin hat das Landgericht Deggendorf mit Beschluss vom 27.11.2018 (Bl. 165/168 d.A.) den Sachverständigen ... mit der Erstellung eines Gutachtens zur Frage des Fortbestands der medizinischen Voraussetzungen für die angeordnete Betreuung beauftragt und eine Stellungnahme des derzeitigen Berufsbetreuers erbeten.

Mit schriftlicher Stellungnahme vom 05.12.2018 (Bl. 172 d.A.) hat sich der Betreuer für den unveränderten Fortbestand der Betreuung ausgesprochen. Unter dem 10.01.2019 hat der Sachverständige ... ein nervenärztliches Gutachten erstattet (Bl. 179/192 d.A.). Die zuständige Betreuungsstelle des Landratsamtes ... erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme zum Sachverständigengutachten (Bl. 205 d.A.).

Im Anhörungstermin vom 22.02.2019 hat das Landgericht die Betroffene, den Betreuer, den Verfahrenspfleger und die Eltern der Betroffenen angehört; der Sachverständige hat sein Gutachten mündlich erläutert. Insoweit wird auf das entsprechende Anhörungsprotokoll (Bl. 206/210 d.A.) verwiesen.

Zur Vervollständigung wird im Übrigen auf den gesamten weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Das Rechtsmittel der Beschwerde ist zwar zulässig, in der Sache aber unbegründet.

1. Das Rechtsmittel der Beschwerde ist zulässig (§§ 58 ff. FamFG), insbesondere ist es fristgerecht eingelegt worden, weil die Beschwerdefrist nicht zu laufen begonnen hat. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den in dieser Sache ergangenen Beschluss des BGH vom 24.10.2018 (Az. XII ZB 188/18) Bezug genommen.

2. Das Rechtsmittel erweist sich als unbegründet. Denn die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts, den Antrag auf Aufhebung der Betreuung zurückzuweisen, begegnet keinen Bedenken.

a) Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Betreuungsgericht auf seinen eigenen Antrag hin oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer, § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB.

b) Unter Bezugnahme auf die schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Sachverständigen ... ist die Kammer davon überzeugt, dass diese Voraussetzungen weiterhin erfüllt sind. Im Anhörungstermin vom 22.02.2019 hat der Sachverständige auf Befragung durch die Beschwerdekammer hin ausgeführt, dass sich am Vorliegen der Voraussetzungen für die bestehende Betreuung auch zwischenzeitlich nichts geändert habe.

aa) ... ist der Kammer aus einer Vielzahl von Betreuungsverfahren als überaus kompetenter, erfahrener und zuverlässiger Sachverständiger bekannt. Die Ausführungen des Sachverständigen, welche auf einer umfassenden persönlichen Exploration und Untersuchung der Betroffenen am 21.12.2018 (S. 2 des Gutachtens, Bl. 180 d.A.) sowie den im Zuge zweier zurückliegender Begutachtungen in den Jahren 2012 und 2016 gewonnenen Erkenntnissen (S. 2 des Gutachtens, Bl. 180 d.A.) beruhen, halten einer kritischen Nachprüfung durch die Kammer stand, insbesondere vor dem Hintergrund des persönlichen Eindrucks, welchen sich die Kammer im Anhörungstermin vom 22.02.2019 von der Betroffenen und deren Eltern verschafft hat.

bb) Es ist deshalb davon auszugehen, dass bei der Betroffenen eine geistige Behinderung in Form einer leichten Intelligenzminderung bei einem IQ zwischen 50 und 69 gegeben ist (S. 10 und 13 des Gutachtens, Bl. 188 und 191 d.A.). Hinsichtlich des geistigen Entwicklungsstands der Betroffenen ist von einem Referenzalter im Bereich zwischen neun und 12 Jahren auszugehen (S. 3 des Anhörungsprotokolls, Bl. 208 d.A.).

cc) Der Sachverständige, welchem die Betroffene aufgrund zweier vorangegangener Begutachtungen in den Jahren 2012 und 2016 bereits gut bekannt ist, hat insoweit ausgeführt, dass die Betroffene zwar seit ihrem dauerhaften Aufenthalt im Wohnheim der Lebenshilfe eine gute Entwicklung durchgemacht habe, aber weiterhin nicht in der Lage sei, einzelne Aufgabenkreise selbst zu übernehmen; ohne das derzeit an ihre individuellen Bedürfnisse angepasste Lebensumfeld würden ein Rückfall in alte Verhaltensmuster und Verwahrlosung drohen (S. 12/13 des Gutachtens, Bl. 190/191 d.A.). Aus Sicht des Sachverständigen besteht deshalb die unveränderte Notwendigkeit einer Betreuung mit den derzeitigen Aufgabenkreisen (S. 12 des Gutachtens, Bl. 190 d.A.).

dd) Die Kammer verkennt nicht, dass die Betroffene durch die derzeitige adäquate Förderung im Rahmen ihres Aufenthalts im Wohnheim der Lebenshilfe eine positive Entwicklung genommen hat (S. 11 des Gutachtens, Bl. 189 d.A.). Dennoch ist der Sachverständige zu der Annahme gelangt, dass der derzeitige Zustand, welchen die Kammer ausdrücklich als wünschenswert und erhaltungswürdig erachtet, nicht geeignet ist, den objektiven Betreuungsbedarf in Wegfall geraten zu lassen. Dieser Annahme schließt sich die Beschwerdekammer uneingeschränkt an.

ee) Im Ergebnis besteht auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens kein Anlass, die medizinische Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen ... in Zweifel zu ziehen.

c) Die Erforderlichkeit der Bestellung - oder wie hier: der Beibehaltung - eines Betreuers ergibt sich nicht nur aus dem Unvermögen des Betroffenen, die eigenen Angelegenheiten selbst zu besorgen (subjektive Betreuungsbedürftigkeit), sondern auch aus dem konkreten Bedürfnis für die Tätigkeit eines Betreuers in einem bestimmten Aufgabenbereich. Das Erfordernis des objektiven Betreuungsbedarfs ist in § 1896 Abs. 2 S. 1 BGB niedergelegt. Demnach darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Dieser Grundsatz verlangt für die Bestellung eines Betreuers die konkrete tatrichterliche Feststellung, dass die Betreuung, auch unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, notwendig ist, weil der Betroffene auf entsprechende Hilfen angewiesen ist und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen. Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass zur subjektiven Betreuungsbedürftigkeit ein konkreter Bedarf für die Bestellung eines Betreuers hinzukommen muss. Ob und für welche Aufgabenkreise ein objektiver Betreuungsbedarf besteht, ist aufgrund der konkreten und gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 06.07.2011, Az. XVII ZB 80/11; BGH, Beschluss vom 21.01.2015, Az. XII ZB 324/14). Auch im Bereich der Vermögenssorge kann die Erforderlichkeit der Betreuung nicht allein mit der subjektiven Unfähigkeit des Betreuten begründet werden, seine diesbezüglichen Angelegenheiten selbst zu regeln. Auch hier muss aufgrund konkreter tatrichterlicher Feststellungen die gegenwärtige Gefahr begründet sein, dass der Betreute einen Schaden erleidet, wenn man ihm die Erledigung seiner vermögensrechtlichen Angelegenheiten eigenverantwortlich selbst überließe. Dabei ist das Vorliegen eines aktuellen Handlungsbedarfs zugunsten des Vermögens des Betreuten nicht zwingend erforderlich. Es genügt, dass der Bedarf jederzeit auftreten kann und für diesen Fall die begründete Besorgnis besteht, dass ohne die Einrichtung einer Betreuung nicht das Notwendige veranlasst wird. Aus bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen heraus lässt sich die Erforderlichkeit der Vermögensbetreuung nicht herleiten. Insoweit wird auf die beiden vorgenannten Entscheidungen des BGH Bezug genommen.

Hiervon ausgehend ist es unerlässlich, dass der Betroffenen Hilfe durch einen Betreuer zuteil wird, um ihre gesundheitliche und häusliche Versorgung zu gewährleisten. Das Innehaben einer Wohnung und die gesundheitliche Versorgung zählen zu den elementarsten Bedürfnissen eines jeden Menschen; dahingehende Angelegenheiten sind somit auch bei der 25 Jahre alten Betroffenen zu regeln. Die Betroffene weist aufgrund der festgestellten Intelligenzminderung ein Referenzalter im Bereich zwischen neun und 12 Jahren auf; es liegt auf der Hand, dass sie im Bereich der Gesundheitsfürsorge und der Wohnungsangelegenheiten externer Hilfe bedarf. Der Aufgabenkreis der Aufenthaltsbestimmung steht im untrennbaren Zusammenhang mit dem Aufgabenkreis der Wohnungsangelegenheiten. Der Sachverständige ... hat die Wichtigkeit einer geregelten Lebens- und Tagesstruktur hervorgehoben (zuletzt im Anhörungstermin, dort S. 3, Bl. 208 d.A. = „(...) für das weitere Gedeihen der Betroffenen eine feste Strukturierung des Tagesablaufs für ihre künftige Entwicklung nötig (...)“); die Gewährleistung dieser Struktur ist untrennbar mit der Wohnsituation verbunden, so dass insoweit ersichtlich ein Bedürfnis für ein konkretes Tätigwerden eines Betreuers besteht. Nichts anderes gilt für den weiteren Aufgabenkreis der Vermögenssorge. Die Betroffene geht derzeit einer Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte nach; das hierbei erzielte Einkommen bedarf der Verwaltung; zudem gilt es im Hinblick auf das noch junge Alter der Betroffenen, die Angelegenheiten im Hinblick auf die spätere Altersversorgung der Betroffenen zu regeln (zu diesem Aspekt hat sich auch der Sachverständige ..., geäußert = S. 3 des Sitzungsprotokolls, Bl. 208 d.A. = „(...) dass es für die spätere Zukunft erforderlich ist, der Betroffenen eine berufliche Laufbahn, zum Beispiel auch zum Erwerb einer Altersvorsorge, zu ermöglichen.“). Die weiteren Aufgabenkreise (Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise und Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern) begegnen als sog. Annex-Aufgabenkreise ebenso wenig Bedenken.

d) Die Beschwerde ist somit in Bezug auf die angeordnete Betreuung als solche und den Umfang der von der Betreuung erfassten Aufgabenkreise unbegründet.

3. Das Rechtsmittel der Beschwerde erweist sich auch insoweit als unbegründet, als der Antrag auf Aufhebung der Betreuung als Antrag auf Auswechslung der Person des Betreuers zu bewerten ist. Denn die Eltern der Betroffenen sind ersichtlich ungeeignet.

a) Auch insoweit stützt sich die Kammer auf die Ausführungen des Sachverständigen ... (hierzu insbesondere S. 12 des Gutachtens, Bl. 190 d.A.). Die Eltern haben den Wunsch, ihre Tochter „nach Hause holen zu wollen“, hinlänglich schriftlich und zuletzt im Anhörungstermin auch mündlich mit Vehemenz und Nachdruck zum Ausdruck gebracht; die Tätigkeit in der Behindertenwerkstätte bezeichnen sie als „Zwangsarbeit“, den Aufenhalt in dem Wohnheim der Lebenshilfe bewerten sie als „Zwangsunterbringung“. Es ist davon auszugehen, dass die Eltern - würden sie zu Betreuern ihrer Tochter bestellt werden - ihre Tochter tatsächlich sofort aus dem derzeitigen Lebensumfeld herausnehmen würden. Dies wäre mit dem Wohl der Betroffenen nicht zu vereinbaren. Der Sachverständige ... hat im Rahmen des Anhörungstermins die Notwendigkeit eines geregelten und strukturierten Umfelds betont; die Betroffene benötige eine angemessene Förderung unter Berücksichtigung ihres Referenzalters; es sei davon auszugehen, dass die Betroffene von ihren Eltern wie bereits in der Vergangenheit mit überzogenen und unrealistischen Erwartungen überzogen werden würde (S. 3 des Anhörungsprotokolls, Bl. 208 d.A.).

b) Eindrucksvoll hat der Sachverständige von dem Versuch der Eltern im Jahr 2012 berichtet, die Betroffene im Rahmen eines angemieteten Ladenlokals als „Geschäftsfrau“ agieren zu lassen. Der Vater der Betroffenen hat im Anhörungstermin ausgeführt, zum damaligen Zeitpunkt bereits eine Steuernummer für seine Tochter besorgt und ein Ladenlokal angemietet zu haben. Er hat eindeutig zum Ausdruck gebracht, weiterhin der Auffassung zu sein, dass seine Tochter selbstständig sein könne, schließlich „lerne sie stets dazu“ (S. 4/5 des Anhörungsprotokolls, Bl. 209/210 d.A.).

Dass diese Vorstellung im unüberbrückbaren und offensichtlichen Widerspruch zum Referenzalter seiner biologisch 25 Jahre alten Tochter steht, liegt auf der Hand; diesen Widerspruch anzuerkennen, ist der Vater der Betroffenen ersichtlich nicht gewillt.

c) Nicht weniger eindrucksvoll hat der Sachverständige von der Entwicklung berichtet, welche die Betroffene zwischen 2012 und 2016 genommen hat: Zu dieser Zeit befand sich die Betroffene in der Obhut ihrer Eltern. Dies habe zu einer stetigen Verschlechterung des Zustands der Betroffenen geführt, ehe dies im Jahr 2016 in der Verwahrlosung der Betroffenen geendet habe; der Sachverständige hat insoweit von der Eskalation und mehreren polizeilichen Meldungen gesprochen (S. 3 des Anhörungsprotokolls, Bl. 208 d.A.). Erst im Zuge dieser Eskalation sei es zur Errichtung der Betreuung gekommen. Nach neuerlicher Exploration und Untersuchung der Betroffenen ist der Sachverständige zu der Feststellung gelangt, dass erst jetzt wieder ein Zustand erreicht sei, welcher demjenigen aus dem Jahr 2012 entspricht.

d) Hieraus schließt die Kammer auf die Ungeeignetheit der Eltern der Betroffenen, soweit es um die Erfüllung der einem Betreuer mit den gegenständlichen Aufgabenkreisen zuteil werdenden Aufgaben geht. Die Betroffene benötigt ein strukturiertes und ihrem Referenzalter angepasstes Lebensumfeld; dies ist derzeit nur im Rahmen der Lebenshilfe gewährleistet. Die Feststellungen des Sachverständigen ... stimmen insoweit mit den Ausführungen des derzeitigen Betreuers und der im Rahmen des Anhörungstermins anwesenden Betreuungskraft der Lebenshilfe ... überein. Der Betreuer ... hat ausgeführt, dass die aktuelle Wohnform angebracht sei; aus seiner Sicht seien die Eltern nicht in der Lage, gleichermaßen für die geordnete und adäquate Tages- und Lebensstruktur zu sorgen; es sei eine Diskrepanz vorhanden zwischen dem was die Eltern für ihre Tochter gewährleisten wollen, und was sie tatsächlich für ihre Tochter gewährleisten können (S. 2 des Anhörungsprotokolls, Bl. 207 d.A.). Vor dem Hintergrund dessen, dass die Tätigkeit in der Behindertenwerkstätte als „Zwangsarbeit“ bezeichnet wird, und dass dem Vater der Betroffenen weiterhin eine selbstständige Tätigkeit vorschwebt, geht die Kammer aber bereits davon aus, dass die Eltern das, was ihre Tochter tatsächlich braucht, gar nicht wollen. Auf die Frage, ob sie zur Gewährleistung desjenigen, was ihre Tochter braucht, überhaupt in der Lage wären, kommt es deshalb gar nicht an. Die Betreuungskraft ... hat im Rahmen des Anhörungstermins ebenfalls die Notwendigkeit eines strukturierten Lebensumfelds betont; ihren Ausführungen war weiter zu entnehmen, dass die Eltern der Betroffenen schon nicht in der Lage sind, für die Wahrung der Struktur zu sorgen, soweit diese hierauf derzeit Einfluss haben. So seien mit den Eltern Vereinbarungen dahingehend getroffen worden, dass die Betroffene im Abstand von zwei Wochen das Wochenende bei den Eltern verbringt und im Übrigen jeweils einen Nachmittag des Wochenendes bei den Eltern bleibt. Bei der Umsetzung dieser Vereinbarung komme es immer wieder zu Problemen, insbesondere würden die Eltern die vereinbarten Abholzeiten nicht einhalten (S. 3/4 des Anhörungsprotokolls, Bl. 208/209 d.A.). Die Annahme, dass die Eltern der Betroffenen die benötigte Struktur gewährleisten würden bzw. könnten, wenn die Betroffene dauerhaft bei diesen leben würde, ist deshalb fernliegend.

e) Schließlich verkennt die Kammer nicht, dass den Wünschen des Betroffenen bei der Auswahl eines Betreuers nach Möglichkeit Rechnung zu tragen ist. Die Betroffene selbst hat auf Befragung des Gerichts geäußert, „schon nach Hause zu wollen“ (S. 2 des Anhörungsprotokolls, Bl. 207 d.A.). Auf entsprechende Frage der Kammer hin hat die Betreuungskraft ... in diesem Zusammenhang aber ausgeführt, dass dieser Wunsch im Alltag von der Betroffenen nicht kommuniziert werde; vielmehr sei diese sowohl im Wohnheim als auch in der Behindertenwerkstätte gut integriert (S. 3/4 des Anhörungsprotokolls, Bl. 208/209 d.A.). Dies deckt sich mit dem Eindruck, welchen die Kammer im Rahmen des Anhörungstermins gewonnen hat, wonach das gegenständliche Beschwerdeverfahren primär von den Eltern der Betroffenen forciert wird.

f) Das Rechtsmittel der Beschwerde erweist sich somit auch unter dem Gesichtspunkt der Auswahl der Person des Betreuers als unbegründet. Die Beschwerde ist deshalb zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84, 81 Abs. 1 S. 2 FamFG. Die Kostenentscheidung bezieht sich dabei nicht nur auf das Beschwerdeverfahren, sondern auch auf das Verfahren der Rechtsbeschwerde vor dem BGH (MüKo FamFG, 3. Auflage 2018, § 84 Rn. 9). Das Beschwerdeverfahren vor Einlegung der Rechtsbeschwerde und das Beschwerdeverfahren nach Zurückverweisung gilt als ein Rechtszug. Erweist sich im Verfahren nach Zurückverweisung die Beschwerde als erfolglos, so hat der Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach Maßgabe des § 84 FamFG zu tragen. In Verbindung mit § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG führt dies dazu, dass von der Erhebung der Kosten für das Beschwerdeverfahren abgesehen wird. Über die Kosten der Rechtsbeschwerde ist in einem solchen Fall nach § 81 Abs. 1 FamFG zu entscheiden (MüKo FamFG, a.a.O.). Von der Erhebung der Kosten wird auch insoweit gemäß § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG abgesehen. Die der Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen sind nicht der Staatskasse aufzuerlegen, weil ein Fall des § 307 FamFG nicht vorliegt.

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 81 Grundsatz der Kostenpflicht


(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 84 Rechtsmittelkosten


Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 307 Kosten in Betreuungssachen


In Betreuungssachen kann das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegen, wenn eine Betreuungsmaßnahme nach den §§ 1814 bis 1881 des Bürgerl

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Tenor

Der Antrag der Betroffenen auf Aufhebung der Betreuung vom 11.12.2017 wird zurückgewiesen.

Gründe

Mit von der Betreuten unterzeichneten Schreiben vom 11.12.2017 wurde das Betreuungsverhältnis zum jetzigen Betreuer gekündigt und gebeten, durch richterlichen Beschluss die (durch Beschluss des Amtsgerichts Viechtach vom 22.9.2016 angeordnete) Betreuung aufzuheben.

Gemäß § 1908 d Abs. 1 BGB ist eine Betreuung aufzuheben, wenn deren Voraussetzungen weggefallen sind. Dies ist nicht der Fall.

Nach Einschätzung des Betreuers ist/war die Betreute nicht in der Lage, das Schreiben vom 11.12.2017 eigenständig zu verfassen. Hiervon geht auch das Gericht aus.

Nach den in der Vergangenheit erholten Gutachten des Sachverständigen ... vom 11.8.2012, 6.5.2016 und 5.8.2016 leidet die Betreute an einer geistigen Behinderung in Form einer leichten Intelligenzminderung mit deutlicher Verhaltensstörung im Rahmen dieser Intelligenzminderung. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen ist die Betreute nicht geschäftsfähig und aufgrund ihrer massiven Verhaltensstörungen nicht einwilligungsfähig bezüglich der Notwendigkeit einer rechtlichen Betreuung. In den Stellungnahmen vom 6.5.2016 und 5.8.2016 hat der Sachverständige weiter festgestellt, dass die Eltern der Betreuten aufgrund unrealistischer, unkritischer Erwartungen als Betreuer ungeeignet sind und eine sinnvolle Betreuung nicht durchgeführt werden kann, solange die Betreute in der Umgebung der Eltern lebt. Dies deckt sich mit den Mitteilungen des Betreuers.

Das Gericht geht in Übereinstimmung mit den Einschätzungen des Betreuers vom 10.4.2017 und 8.12.2017 davon aus, dass das Schreiben vom 11.12.2017 nicht von ihr verfasst, sondern lediglich fremdbeeinflusst unterzeichnet wurde und aufgrund des unverändert fortbestehenden Krankheitsbildes eine Betreuung im bisherigen Umfang weiterhin erforderlich ist.

Aufgrund des gesamten Verhaltens der Eltern im bisherigen Betreuungsverfahren steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Eltern der Betreuten nach wie vor nicht kooperationsbereit und -fähig zum Wohle der Betreuten sind und Urheber des Antrags auf Aufhebung der Betreuung sind.

Die Voraussetzungen für eine Betreuung sind jedoch nicht weggefallen.

Nach Mitteilung des Betreuers hat sich die Betreute seit der Aufnahme im Wohnheim der Lebenshilfe ... positiv entwickelt und konnte sie durch die Förderung in die Lage versetzt werden, eine Arbeitstätigkeit in den Werkstätten der Lebenshilfe aufzunehmen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 188/18
vom
24. Oktober 2018
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
In einer Betreuungssache wird die Beschwerdefrist für einen Betroffenen, der
die Aufhebung einer bestehenden Betreuung begehrt, nur dann in Lauf gesetzt,
wenn der Beschluss, mit dem die Aufhebung der Betreuung abgelehnt wird,
wirksam an den Betroffenen selbst förmlich zugestellt wurde (im Anschluss an
Senatsbeschluss vom 10. Juli 2013 - XII ZB 411/12 - FamRZ 2013, 1566).
BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2018 - XII ZB 188/18 - LG Deggendorf
AG Deggendorf
ECLI:DE:BGH:2018:241018BXIIZB188.18.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Oktober 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Deggendorf vom 21. März 2018 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 5.000 €

Gründe:

I.

1
Für die Betroffene wurde mit Beschluss vom 22. September 2016 eine umfassende Betreuung eingerichtet. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2017 hat die Betroffene die "Kündigung" der Betreuung erklärt.
2
Das Amtsgericht hat dieses Schreiben als Antrag auf Aufhebung der Betreuung gewertet und ihn mit Beschluss vom 9. Januar 2018 zurückgewiesen, der der Betroffenen noch am selben Tag formlos bekanntgegeben worden ist.
3
Mit einem am 16. März 2018 beim Amtsgericht eingegangenen Schreiben vom 4. März 2018 hat die Betroffene selbst und durch die von ihr bevollmächtigten Eltern Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss eingelegt.
4
Das Landgericht hat die Beschwerde der Betroffenen verworfen. Hiergegen richtet sich ihre Rechtsbeschwerde.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. Das Landgericht hat die Beschwerde der Betroffenen zu Unrecht wegen Nichteinhaltung der Beschwerdeeinlegungsfrist (§ 63 Abs. 1 FamFG) verworfen.
6
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
7
Die Beschwerde sei zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt worden sei. Der amtsgerichtliche Beschluss gelte gegenüber der Betroffenen gemäß § 15 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 FamFG drei Tage nach der am 9. Januar 2018 erfolgten Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Deshalb sei die am 16. März 2018 eingegangene Beschwerde verfristet. Ob die gesonderte Bekanntgabe der Entscheidung an die Eltern für diese eine eigenständige Beschwerdefrist in Gang gesetzt habe, könne dahinstehen. Die Eltern seien selbst nicht nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG beschwerdebefugt, weil sie im ersten Rechtszug nicht beteiligt worden seien.
8
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
9
a) Nach § 63 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde innerhalb einer Frist von einem Monat einzulegen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten (§ 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Die Bekanntgabe kann durch Zustellung nach den §§ 166 bis 195 ZPO oder dadurch bewirkt werden , dass das Schriftstück unter der Anschrift des Adressaten zur Post gegeben wird (§ 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Welche der beiden Möglichkeiten der Bekanntgabe das Gericht wählt, liegt grundsätzlich in dessen pflichtgemäßem Ermessen.
10
Eine Wahlmöglichkeit besteht allerdings nicht, wenn spezielle gesetzliche Regelungen eine bestimmte Form vorschreiben. So ist nach § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG ein anfechtbarer Beschluss demjenigen zuzustellen, dessen erklärtem Willen er nicht entspricht. Deshalb wird in einer Betreuungssache die Beschwerdefrist für einen Betroffenen, der mit der Einrichtung der Betreuung nicht einverstanden ist, nur dann in Lauf gesetzt, wenn der Beschluss über die Betreuerbestellung wirksam an ihn selbst zugestellt wurde (Senatsbeschluss vom 10. Juli 2013 - XII ZB 411/12 - FamRZ 2013, 1566 Rn. 8 mwN).
11
b) Danach hätte im vorliegenden Fall der amtsgerichtliche Beschluss der Betroffenen förmlich zugestellt werden müssen, weil er mit der Beschwerde nach § 58 FamFG anfechtbar war und dem erklärten Willen der Betroffenen, die die Aufhebung der Betreuung erreichen wollte, widersprach. Das Unterbleiben einer gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG erforderlichen Zustellung führt zur Unwirksamkeit der Bekanntgabe, weshalb die Beschwerdefrist im vorliegenden Fall nicht nach § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG zu laufen begonnen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Mai 2015 - XII ZB 491/14 - FamRZ 2015, 1374 Rn. 7 mwN).
12
3. Gemäß § 74 Abs. 5 und 6 Satz 2 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Dose Schilling Günter Botur Krüger
Vorinstanzen:
AG Deggendorf, Entscheidung vom 09.01.2018 - XVII 402/17 -
LG Deggendorf, Entscheidung vom 21.03.2018 - 13 T 38/18 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 324/14
vom
21. Januar 2015
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Auch im Bereich der Vermögenssorge kann die Erforderlichkeit der Betreuung
nicht allein mit der subjektiven Unfähigkeit des Betreuten begründet
werden, seine diesbezüglichen Angelegenheiten selbst zu regeln; vielmehr
muss aufgrund konkreter tatrichterlicher Feststellungen die gegenwärtige Gefahr
begründet sein, dass der Betreute einen Schaden erleidet, wenn man
ihm die Erledigung seiner vermögensrechtlichen Angelegenheiten eigenverantwortlich
selbst überließe (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 6. Juli
2011 - XII ZB 80/11 - FamRZ 2011, 1391).

b) Das Vorliegen eines aktuellen Handlungsbedarfs zugunsten des Vermögens
des Betreuten ist nicht zwingend erforderlich; es genügt, dass dieser Bedarf
jederzeit auftreten kann und für diesen Fall die begründete Besorgnis besteht
, dass ohne die Einrichtung einer Betreuung nicht das Notwendige veranlasst
wird.

c) Zur Einrichtung einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Vertretung in
behördlichen und gerichtlichen Verfahren.
BGH, Beschluss vom 21. Januar 2015 - XII ZB 324/14 - LG Regensburg
AG Straubing
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Januar 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter,
Dr. Botur und Guhling

beschlossen:
Dem Betroffenen wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg vom 3. Juni 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

1
Der 67-jährige Betroffene wendet sich gegen die Verlängerung seiner Betreuung.
2
Für den Betroffenen wurde im Jahre 2007 eine rechtliche Betreuung eingerichtet und der weitere Beteiligte zum Berufsbetreuer mit den Aufgabenkreisen Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung , "Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Rentenund Sozialleistungsträgern" sowie "Vertretung in gerichtlichen Verfahren" be- stellt. Für die beiden letztgenannten Aufgabenkreise wurde zudem ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet.
3
Das Amtsgericht hat die Betreuung nach Einholung eines nervenärztlichen Sachverständigengutachtens und nach Anhörung des Betroffenen durch Beschluss vom 2. April 2014 dahingehend eingeschränkt, dass die Aufgabenkreise Wohnungsangelegenheiten und Aufenthaltsbestimmung entfallen; im Übrigen hat es die Betreuung - bei Aufrechterhaltung des bestehenden Einwilligungsvorbehalts - verlängert. Auf die gegen die Verlängerung der Betreuung gerichtete Beschwerde des Betroffenen hat das Amtsgericht die Betreuung weiter eingeschränkt und durch Beschluss vom 25. April 2014 den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge entfallen lassen. Die weitergehende Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
5
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass bei dem Betroffenen nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. S. eine affektive Psychose in Form einer Manie bestehe. Für diese Störung seien insbesondere die bei dem Betroffenen vorliegenden Größenideen mit Realitätsverlust typisch. Aufgrund der teilweisen Realitätsverkennung sei der Betroffene wohl nicht in der Lage, seine finanziellen und schriftlichen Angelegenheiten selbst zu besorgen, woraus zweifelsfrei eine Be- treuungsbedürftigkeit für die Aufgabenbereiche Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialversicherungsträgern sowie "Erledigung des Postverkehrs" erwachse. Es lägen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die geeignet seien, die gutachterliche Diagnose und Einschätzung in Frage zu stellen, zumal das aktuelle Gutachten durchaus mit dem Ergebnis der Vorgutachten des Landgerichtsarztes R. aus den Jahren 2006 und 2007 in Einklang zu bringen sei. Dem Anliegen des Betroffenen, den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge entfallen zu lassen, habe bereits das Amtsgericht entsprochen. Letztlich widerspreche der Betroffene der angenommenen Betreuungsbedürftigkeit auch gar nicht, denn er selbst führe an, dass er einen Rechtsbeistand bis zur Erledigung der eingebrachten "Probleme" benötige.
6
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
7
a) Nach § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Dieser Grundsatz verlangt für die Bestellung eines Betreuers die konkrete tatrichterliche Feststellung, dass sie - auch unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit - notwendig ist, weil der Betroffene auf entsprechende Hilfen angewiesen ist und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen. Die Erforderlichkeit einer Betreuung darf sich dabei nicht allein aus der subjektiven Unfähigkeit des Betroffenen ergeben, seine Angelegenheiten selbst regeln zu können (Betreuungsbedürftigkeit). Hinzutreten muss ein konkreter Bedarf für die Bestellung eines Betreuers. Ob und für welche Aufgabenbereiche ein objektiver Betreuungsbedarf besteht, ist aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Juli 2011 - XII ZB 80/11 - FamRZ 2011, 1391 Rn. 9 mwN).
8
Gemessen daran kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Das Beschwerdegericht hat die fortbestehende Erforderlichkeit der Be- treuung nur aus seinen Erwägungen zur Betreuungsbedürftigkeit hergeleitet. Dagegen hat es keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, dass in der gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen ein objektiver Bedarf für die Aufrechterhaltung einer Betreuung mit den Aufgabenkreisen der Vermögenssorge und der Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie der Vertretung in gerichtlichen Verfahren besteht.
9
aa) Auch im Bereich der Vermögenssorge kann die Erforderlichkeit der Betreuung nicht allein mit der subjektiven Unfähigkeit des Betreuten begründet werden, seine diesbezüglichen Angelegenheiten selbst zu regeln (Senatsbeschluss vom 6. Juli 2011 - XII ZB 80/11 - FamRZ 2011, 1391 Rn. 9). Vielmehr muss aufgrund konkreter tatrichterlicher Feststellungen die gegenwärtige Gefahr begründet sein, dass der Betreute einen Schaden erleidet, wenn man ihm die Erledigung seiner vermögensrechtlichen Angelegenheiten eigenverantwortlich selbst überließe. Dabei ist das Vorliegen eines aktuellen Handlungsbedarfs zugunsten des Vermögens des Betreuten nicht zwingend erforderlich; es genügt , dass dieser Bedarf jederzeit auftreten kann und für diesen Fall die begründete Besorgnis besteht, dass ohne die Einrichtung einer Betreuung nicht das Notwendige veranlasst wird (BayObLG FamRZ 1995, 117; BayObLG FamRZ 1997, 902, 903; MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1896 Rn. 112; Jürgens Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1896 Rn. 22). Demgegenüber lässt sich die Erforderlichkeit der Vermögensbetreuung nicht aus bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen herleiten (Senatsbeschluss vom 30. Mai 2012 - XII ZB 59/12 - FamRZ 2012, 1365 Rn. 10).
10
Der Betroffene ist nach Aktenlage vermögenslos und verfügt aus einer Altersrente und Wohngeld über laufende Einkünfte in monatlicher Höhe von rund 750 €; er hat alte Darlehens- und Mietschulden, auf die angesichts der geringen Höhe seines Einkommens keine Tilgungsleistungen erbracht werden können. Das Beschwerdegericht hat bislang keine konkreten Tatsachen festgestellt , die beispielsweise die Schlussfolgerung rechtfertigen könnten, dass dem Betroffenen ohne die Unterstützung des Betreuers eine weitere Verschuldung oder infolge krankheitsbedingt unangepasster wirtschaftlicher Dispositionen eine Gefährdung seines elementaren Lebensbedarfs droht.
11
bb) Auch die Einrichtung einer Betreuung mit den Aufgabenkreisen der "Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern" sowie der "Vertretung in gerichtlichen Verfahren" kann für sich genommen keinen Bestand haben. Soweit mit der Bestimmung einessolchen Aufgabenkreises nicht lediglich eine an sich entbehrliche, aber nicht schädliche Klarstellung der sich aus § 1902 Abs. 1 BGB ergebenden Vertretungsberechtigung des Betreuers im Rahmen eines weiteren ihm übertragenen Aufgabenkreises - hier der Vermögenssorge - beabsichtigt ist, muss regelmäßig ein konkreter Bezug zu einer bestimmten Angelegenheit oder einem bestimmten behördlichen oder gerichtlichen Verfahren hergestellt werden, für den die Notwendigkeit der Bestellung eines Betreuers besteht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Betreute krankheitsbedingt dazu neigt, sich durch das Betreiben einer Vielzahl von sinnlosen Verfahren zu schädigen (KG FamRZ 2008, 919, 920; OLG Brandenburg FamRZ 2012, 1166, 1167; MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1896 Rn. 116; Jürgens Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1896 Rn. 26). Das Beschwerdegericht hat nicht festgestellt, dass diese Besorgnis derzeit begründet wäre.
12
b) Hat das Beschwerdegericht hiernach die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge oder dem (isolierten) Aufgabenkreis der "Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen , Renten- und Sozialleistungsträgern" bzw. der "Vertretung in gerichtlichen Verfahren" nicht ausreichend festgestellt, kann die Anordnung des Einwilli- gungsvorbehalts nach § 1903 Abs. 1 BGB schon deshalb nicht bestehen bleiben , weil dieser die wirksame Einrichtung einer Betreuung im betreffenden Aufgabenkreis voraussetzt (Senatsbeschluss vom 6. Juli 2011 - XII ZB 80/11 - FamRZ 2011, 1391 Rn. 15).
13
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
Dose Klinkhammer Günter Botur Guhling
Vorinstanzen:
AG Straubing, Entscheidung vom 02.04.2014 - XVII 206/09 -
LG Regensburg, Entscheidung vom 03.06.2014 - 5 T 182/14 -

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

In Betreuungssachen kann das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegen, wenn eine Betreuungsmaßnahme nach den §§ 1814 bis 1881 des Bürgerlichen Gesetzbuchs abgelehnt, als ungerechtfertigt aufgehoben, eingeschränkt oder das Verfahren ohne Entscheidung über eine solche Maßnahme beendet wird.