Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 05. Juni 2014 - 3 Sa 353/12

ECLI:ECLI:DE:LAGST:2014:0605.3SA353.12.0A
bei uns veröffentlicht am05.06.2014

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 28. Juni 2012 – 1 Ca 3579/09 - wird

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Vergütung von im Rahmen des ärztlichen Bereitschaftsdienstes geleisteter Arbeitsstunden.

2

Bei dem Beklagten handelt es sich um eine Einrichtung der Evangelischen Kirche in    Mitteldeutschland, der in ……. u. a. ein Krankenhaus, zwei Altenheime, ein Ausbildungszentrum und eine Kindertagesstätte betreibt.

3

Die am 20. Juli 1960 geborene Klägerin war vom 1. Juli 1995 bis zum 31. Dezember 2007 in dem von dem Beklagten in ………. betriebenen Krankenhaus als Oberärztin in der Abteilung Interdisziplinäre Intensivmedizin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch die Parteien einvernehmlich aufgehoben (Aufhebungsvertrag vom 26.09.2007).  Die monatliche Vergütung der Klägerin belief sich zuletzt auf 4.967,78 € brutto zuzüglich einer Zulage in Höhe von 1.000,00 € ab  1. September 2007.

4

Die rechtliche Grundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien bildete der Dienstvertrag vom 20. April 1995. Dieser Vertrag lautet auszugsweise:

5

㤠1

6

Frau Dipl.-Med.  wird ab 01.07.1995 auf unbestimmte Zeit als Oberärztin Abt. Interdisziplinäre Intensivmedizin angestellt. ........

§ 2

7

Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich Pausen durchschnittlich 40 Stunden = 100%.

8

Angeordnete Überstunden werden möglichst durch Freizeit abgegolten. Der Mitarbeiter verpflichtet sich, im Falle betrieblicher Notwendigkeiten auch andere Tätigkeiten im Evang. Diakoniewerk als die vertraglich vereinbarten ohne Gehaltsänderung zu übernehmen.

§ 3

9

Frau Dipl.-Med…… erhält eine Vergütung nach Vergütungsgruppe AVR Gruppe I a.

10

Für das Dienstverhältnis gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen des Diakonischen Werkes der Evang. Kirche in Deutschland – Fassung Ost –einschließlich der jeweils in Kraft gesetzten Nachträge.

11

Die Einordnung der finanziellen Vergütung erfolgt in Anlehnung an die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages einschließlich der zusätzlichen Tarifverträge, soweit dort nicht Leistungen enthalten sind, die über diesen Dienstvertrag hinausgehen.

12

Für Mitarbeiter im kirchlichen Dienst gilt die Kirchliche Vergütungsordnung mit ihren Anlagen in der jeweils gültigen Fassung.“

13

Die Klägerin leistete auf Anordnung des Beklagten regelmäßig Bereitschaftsdienste. Der Beklagte berücksichtigte die Zeit des Bereitschaftsdienstes gemäß der Anlage 8 A. Abs. 3 zu den AVR DW EKD im Umfang von 80% als Arbeitszeit und verwendete einen Teil davon zum Ausgleich von Arbeitsstunden, die im laufenden Monat zur Erreichung der Soll-Arbeitszeit fehlten. Die vom Beklagten im jeweiligen Monat für die Klägerin angeordneten planmäßigen Dienste füllten die vertragliche Soll-Arbeitszeit in der Regel nicht aus. Die vom Beklagten für die Klägerin in den Monaten Juli bis Oktober 2007 und im Dezember 2007 angeordneten Dienste teilten sich wie folgt auf:

14

Soll-Arbeitszeit

tatsächliche Soll-Arbeitszeit

Bereitschaftsdienststunden

Juli 2007                 176 Stunden

107,5 Stunden

108,0 Stunden

August 2007           184 Stunden

119,0 Stunden

107,0 Stunden

September 2007     160 Stunden

119,5 Stunden

54,0 Stunden

Oktober 2007          168 Stunden

124,5 Stunden

68,0 Stunden

Dezember 2007      136 Stunden

75,0 Stunden

113,5 Stunden

15

Für die zur „Auffüllung“ der Soll-Arbeitszeit erforderlichen Bereitschaftsdienststunden zahlte der Beklagte der Klägerin 28,09 €  brutto pro Stunde. Für die darüber hinaus geleisteten Bereitschaftsdienste zahlte er 34,87 € brutto pro Stunde.

16

Mit Schreiben vom 06.03.2007 forderte die Klägerin den Beklagten – erstmals - auf, sämtliche im Monat Januar 2007 geleistete Bereitschaftsdienststunden als solche zu vergüten. Der Beklagte lehnte dies mit der Begründung ab, „die Klägerin habe im Zusammenhang mit den geleisteten Bereitschaftsdiensten in erheblichem Umfang Freizeitausgleich in Anspruch genommen, wodurch die tariflich vorgegebene Soll-Arbeitszeit im Januar 2007 erheblich unterschritten worden sei“ (Schreiben vom 22.03.2007, Bl. 342, 343 d. A.). Mit Schreiben vom 08.12.2007 wies die Klägerin den Beklagten darauf hin, dass ihr entgegen den Regelungen in der Anlage 8 zu den AVR DW EKD von den in den Monaten Juli bis Oktober 2007 geleisteten Bereitschaftsdienststunden 261,25 Stunden fälschlicherweise als „Auffüllstunden“ vergütet worden seien, und forderte ihn auf, ihr weitere 1.779,11 € brutto zu zahlen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.05.2009 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten die Zahlung die 2. Hälfte der Jahressonderzahlung für das Jahr 2007 geltend und verlangte, die in den Gehaltsabrechnungen für die Monate Juli bis Dezember 2007 im Hinblick auf die Vergütung der  Bereitschaftsdienste enthaltenen Diskrepanzen nachvollziehbar zu erklären. Der Beklagte kam der Aufforderung der Klägerin nicht nach.

17

Die Klägerin hat am 28. Oktober 2009 beim Arbeitsgericht Halle Klage mit dem Antrag erhoben,

18

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.623,29 € brutto nebst Zinsen in

19

Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 3.075,20 € seit dem

20

15.05.2009 und auf die verbleibende Restforderung seit Rechtshängigkeit zu

21

zahlen.

22

Die mit der Klage geltend gemachte Forderung setzte sich aus 3.075,20 € brutto als          2. Hälfte der Jahressonderzahlung für 2007 und 2.548,09 € brutto als weitere Vergütung für die in den Monaten Juli bis Dezember 2007 im Rahmen des Bereitschaftsdienstes geleisteten Arbeitsstunden zusammen.

23

Durch Beschluss vom 28. Juni 2012 ordnete das Arbeitsgericht Halle gemäß § 145 Abs. 1 ZPO an, dass der Anspruch auf Zahlung der 2. Hälfte der Jahressonderzahlung in einem getrennten Prozess verhandelt wird.

24

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Darstellung des Tatbestandes im Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 28. Juni 2012 – 1 Ca 3579/09 - (S. 3 bis 5 des Urteils = Bl. 422 bis 424 d. A.) verwiesen.

25

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die in dieser Instanz zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

26

Das Arbeitsgericht Halle hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 2.253,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. November 2009 zu zahlen.

27

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Klägerin habe Anspruch auf Zahlung weiterer Vergütung in Höhe von 2.164,52 € brutto für im Zeitraum Juli bis Oktober 2007 und Dezember 2007 319,25 verrechnete Bereitschaftsdienststunden. Für diese Stunden seien anstelle von 28,09 € brutto 34,87 € brutto zu zahlen. Der Anspruch folge aus § 9 Abs. 4 der Anlage 8 A. zu den AVR DW EKD – Fassung Ost - i. V. m. § 3 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 20. April 1995 und § 611 BGB. Der Beklagte habe die von der Klägerin in den Monaten von Juli bis Oktober 2007 geleisteten Bereitschaftsdienststunden nach den Vorgaben in Abs. 3 der Anlage 8 A. zu den AVR mit Stufe 3 und damit mit 55% als Arbeitszeit und weitere 25% für den 1. bis 8. Bereitschaftsdienst im Kalendermonat mit 25% als Arbeitszeit gewertet und 319,25 Arbeitsstunden davon zum Ausgleich für die im jeweiligen Kalendermonat fehlenden Sollarbeitsstunden in Ansatz gebracht. Damit habe der Beklagte diese Stunden in die Vergütungszahlung einbezogen und sei verpflichtet, die hierfür vorgesehene Vergütungshöhe zu entrichten, die dem Überstundenentgelt im Sinne der Anlage 9 zu den AVR entspreche und die die Parteien unstreitig mit 34,87 € angegeben hätten. Für den Dezember 2007 habe die Klägerin Anspruch auf Vergütung von weiteren 2,55 Bereitschaftsdienststunden, da der Beklagte von den geleisteten 28,8 Stunden Bereitschaftsdienste nur 27,25 Stunden bezahlt habe. Die Ausschlussfristen des § 45 der AVR DW EKD ständen den Ansprüchen der Klägerin nicht entgegen, da die Klägerin diese, die Ansprüche aus den Monaten Juli bis Oktober 2007 betreffend, mit ihrem Schreiben vom 08.12.2007 gewahrt und der Beklagte den Anspruch aus Dezember 2007 im Laufe des Prozesses unstreitig gestellt habe.

28

Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 bis 9 des vorbezeichneten Urteils (Bl. 425 bis 428 d. A.) verwiesen.

29

Der Beklagte hat gegen das ihm am 25. Juli 2012 zugestellte Urteil am 24. August 2012 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt. Er hat die Berufung innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 25. Oktober 2012 begründet.

30

Der Beklagte nimmt auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug. Er meint, das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung zum einen die Vorschrift des Absatzes 5 der Anlage 8 A. zu den AVR DW EKD unberücksichtigt gelassen, gemäß der Bereitschaftsdienste bis zum Ende des dritten Kalendermonats auch durch entsprechenden Freizeitausgleich abgegolten werden könnten, und zum anderen verkannt, dass Vergütungsansprüche für weitere 2,55 Bereitschaftsstunden für den Monat Dezember 2007 aufgrund der Ausschlussfrist des § 45 AVR DW EKD verfallen seien. Für die Klägerin sei wie für jeden Mitarbeiter ein Arbeitszeitkonto geführt worden. Im Falle der Ärzte habe es davon Abweichungen gegeben, weil es deren pauschaler Wunsch gewesen sei, Plusstunden monatlich vergütet zu erhalten. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin habe 40 Stunden betragen. Diese 40 Stunden habe die Klägerin durch normale (Tag-)Dienste sowie durch Bereitschaftsdienste geleistet. Die von der Klägerin geleisteten Bereitschaftsdienste seien aufgrund der regelmäßig anfallenden Arbeitsleistungen gemäß Anlage 8 A. Abs. 3 a) zu den AVR DW EKD mit der Stufe D bewertet worden, wonach sie zu 55% als Arbeitszeit zählten. Da die Klägerin in den Monaten Juli bis Oktober 2007 bis zu acht Bereitschaftsdienste im Monat geleistet habe, seien die Bereitschaftsdienste gemäß Anlage 8 A. Abs. 3 b) zu den AVR DW EKD mit weiteren 25%, insgesamt also zu 80% als Arbeitszeit zu werten gewesen. Da die Klägerin in keinem der Monate Juli bis Oktober 2007 und Dezember 2007 die Soll-Arbeitszeit  aufgrund der geleisteten (Tag-)Dienste erreicht habe, sei von den in diesen Monaten geleisteten Bereitschaftsdienststunden die notwendige Anzahl zur Ausgleichung der Differenz zwischen den im Rahmen der (Tag-)Dienste geleisteten Arbeitsstunden und der jeweiligen zu erbringenden monatlichen Soll-Arbeitszeit herangezogen worden. Die über die Soll-Arbeitszeit hinausgegangenen Bereitschaftsdienststunden seien dann mit dem Faktor 0,8 gemäß Anlage 8 A. Abs. 3 zu den AVR DW EKD berechnet und mit dem erhöhten Stundenlohn von 34,87 € brutto vergütet worden. Gemäß der Anlage 8 zu den AVR DW EKD stehe dem Arbeitgeber ein Wahlrecht dahingehend zu, ob er geleistete Bereitschaftsdienstzeiten entsprechend ihrer prozentualen Wertigkeit als Arbeitszeit mit Überstundenvergütung entlohne oder ob er sie auf die Soll-Arbeitszeit anrechne. Von dieser Möglichkeit mache er Gebrauch. Damit habe sich das Arbeitsgericht nicht auseinandergesetzt. Es habe wie die Klägerin nicht erkannt, dass die AVR DW EKD die Erbringung der Bereitschaftsdienststunden auch im Rahmen der Sollarbeitszeit bzw. die Anrechnung solcher Bereitschaftsdienstzeiten auf die Soll-Arbeitszeit gestatteten. Wenn aber gemäß Anlage 8 A. Abs. 5 zu den AVR DW EKD eine Anrechnung von Bereitschaftsdienstzeiten auf die geschuldete Soll-Arbeitszeit zulässig sei, könne der Arbeitnehmer für diese angerechneten Zeiten keine Überstundenvergütung beanspruchen. Bei der Regelung in Abs. 5 der Anlage 8 A. handele es sich um eine dem Dienstgeber eingeräumte Ersetzungsbefugnis. Dem Dienstgeber sei die Befugnis eingeräumt, die Leistung des Bereitschaftsdienstes an die Stelle der Leistung der an sich geschuldeten regelmäßigen Arbeitszeit treten zu lassen Der von der Klägerin für den Monat Dezember 2007 geltend gemachte Anspruch sei gemäß § 45 AVR DW verfallen. Dass er für Dezember 2007 die korrigierte Stundenaufstellung am 8. Juni 2012 vorgelegt habe, ändere daran nichts. Die Frage, ob er die Forderung damit ausdrücklich anerkenne, habe er vor dem Arbeitsgericht verneint.

31

Der Beklagte beantragt,

32

das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 28. Juni 2012, AZ: 1 Ca 3579/09, abzuändern und die Klage abzuweisen.

33

Die Klägerin beantragt,

34

die Berufung zurückzuweisen.

35

Die Klägerin nimmt ebenfalls auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug und verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Sie führt aus, dass sie die ihr vom Beklagten zugewiesenen Tätigkeiten verrichtet habe. Soweit sich hieraus nach Auffassung des Beklagten Minusstunden ergeben hätten, habe dies an der Arbeitszeitzuweisung gelegen. Ein Arbeitszeitkonto sei nicht geführt worden. Sie und ihres Wissens auch die anderen Ärzte seien nicht gefragt worden, ob die aus den Bereitschaftsdiensten entstandenen Plusstunden hätten vergütet werden sollen.  Die Verrechnung der Bereitschaftsdienststunden mit den noch verbleibenden Stunden zur Erreichung der Soll-Arbeitszeitgrenze könne daher nicht als „Freizeitausgleich“ betrachtet werden. Sie verlange keinesfalls eine „systemwidrige“ doppelte Berücksichtigung geleisteter Bereitschaftsdienststunden. Es könne nicht rechtens sein, dass nach dem Faktor 0,8 umgerechnete Bereitschaftsdienststunden auf die Soll-Arbeitszeit Anrechnung fänden, ohne dass der Arbeitgeber Freizeitausgleich  angeordnet habe. Die Ausschlussfristen ständen den geltend gemachten Ansprüchen nicht entgegen, weil sie ihre Ansprüche erstmals mit Schreiben vom 06.03.2007 geltend gemacht habe. Bei ihren Ansprüchen handele es sich um solche mit dem gleichen Tatbestand im Sinne des § 45 Abs. 3 AVR DW EKD.

36

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 25.10.2012 und den Schriftsatz des Beklagten vom 28.05. 2014, auf die Berufungsbeantwortung vom 05.12.2012  und auf das Protokoll vom 05.06. 2014 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

37

I. Die nach dem Wert ihres Beschwerdegegenstandes statthafte Berufung des Beklagten ist frist- und formgerecht beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und begründet worden (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 lit. b, Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. den §§ 519, 520 ZPO).  Die Berufung ist zulässig.

38

II. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Beklagten zu Recht zur Zahlung weiterer 2.253,44 € brutto an die Klägerin für im Rahmen des Bereitschaftsdienstes geleistete Arbeit verurteilt.

39

Auch die erkennende Kammer des Berufungsgerichts ist zu diesem Ergebnis gelangt, wenn auch aus zum Teil anderen Erwägungen als das Arbeitsgericht.

40

1. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist und war der Bereitschaftsdienst außerhalb  der Soll-Arbeitszeit anzuordnen.

41

Gemäß der Vereinbarung der Parteien in § 3 ihres Dienstvertrages vom 20. April 1995 galten für ihr Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis die Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland – Fassung Ost – (AVR DW EKD) einschließlich der jeweils in Kraft gesetzten Nachträge. Hierzu gehört die Anlage 8 mit der Bezeichnung „Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft“, die zu lit. A. die entsprechende „Regelung für Ärztinnen, Ärzte, Zahnärztinnen, Zahnärzte, Hebammen, Entbindungspfleger, medizinisch-technische Assistentinnen und Gehilfinnen und medizinisch-technische Assistenten und Gehilfen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pflegedienst beinhaltet.

42

Die Anlage 8 A. zu den AVR.DW.EKD enthält in Absatz 1 für den Begriff „Bereitschaftsdienst“ folgende Legaldefinition:

43

„Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind verpflichtet, sich auf Anordnung der Dienstgeberin bzw. des Dienstgebers außerhalb der vertraglichen Soll-Arbeitszeit an einer von der Dienstgeberin bzw. vom Dienstgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen.“

44

Weiter bestimmt Abs. 1 der Anlage 8 A. zu den AVR DW EKD, dass die Dienstgeberin bzw. der Dienstgeber Bereitschaftsdienst nur anordnen darf, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt.

45

Aus der zitierten Legaldefinition sowie aus Abs. 1 Satz 2 der Anlage 8 A. zu den AVR DW EKD ergibt sich zweifelsfrei, unter welchen Voraussetzungen die Dienstgeberin bzw. der Dienstgeber Bereitschaftsdienst anordnen darf und dass der Bereitschaftsdienst außerhalb der vertraglichen Soll-Arbeitszeit von den Ärztinnen und Ärzten zu leisten ist. Demzufolge darf die Dienstgeberin bzw. der Dienstgeber Bereitschaftsdienst auch nur  außerhalb der vertraglichen Soll-Arbeitszeit anordnen. Gegen diese Pflicht hat der Beklagte regelmäßig verstoßen.

46

2. Der Beklagte ist regelmäßig mit der Annahme der Dienste der Klägerin im Sinne des    § 615 BGB in Verzug geraten.

47

a) Die Voraussetzungen des Annahmeverzuges richten sich für das Arbeitsverhältnis nach den §§ 293 ff. BGB. Danach muss der Schuldner (Arbeitnehmer) in der Regel die geschuldete Leistung tatsächlich anbieten. Nach § 295 BGB genügt jedoch ein wörtliches Angebot, wenn der Gläubiger (Arbeitgeber) erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist. Ist für die vom Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, bedarf es ausnahmsweise nach § 296 BGB keines Angebots, wenn der Gläubiger die Handlung nicht rechtzeitig vornimmt. Nach der Rechtsprechung des  Bundesarbeitsgerichts obliegt es dem Arbeitgeber als Gläubiger der geschuldeten Arbeitsleistung, dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen. Die nach dem Kalender bestimmbare Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers besteht darin, dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und ihm die Arbeit zuzuweisen. Kommt der Arbeitgeber dieser Obliegenheit nicht nach, gerät er in Annahmeverzug, ohne dass es eines Angebots der Arbeitsleitung durch den Arbeitnehmer bedarf, und der Arbeitgeber hat nach § 615 Satz 1 BGB die vereinbarte Vergütung fortzuzahlen (u. a. BAG vom 19.08.1984 – 2 AZR 374/83 – und 24.11.1994 – 2 AZR 179/94 - , AP Nr. 34 und 60 zu § 615 BGB).

48

b) Als Dienst- bzw. Arbeitgeber war der Beklagte demzufolge verpflichtet, der Klägerin zunächst so viel Arbeit bzw., wie er sich ausdrückt, „reguläre Dienste“ zuzuweisen, dass ihre vertragliche wöchentliche Soll-Arbeitszeit von durchschnittlich 40 Stunden bzw. ihre monatliche Soll-Arbeitszeit ausschließlich der Pausen ausgefüllt war. Dieser ihm als Dienstgeber obliegenden Pflicht kam der Beklagte nicht nach.  Denn er wies der Klägerin im Juli 2007 für 68,5 Arbeitsstunden, im August 2007 für 65 Stunden, im September 2007 für 40,5 Stunden, im Oktober 2007 für 43,5 Stunden und im Dezember 2007 für 61 Stunden zu wenig Arbeit zu. Jedenfalls ergeben sich diese Minusstunden aus den zur Akte gereichten und bei dem Beklagten für die Klägerin geführten Excel-Tabellen (Bl. 374 bis 377, 379 d. A.). Die Pflichtverletzung des Beklagten führte dazu, dass die Klägerin in den Monaten von Juli bis Oktober 2007 und im Dezember 2007 ihre vertragliche Soll-Arbeitszeit objektiv nicht erbringen konnte und der Beklagte im zeitlichen Umfang der von ihm zu vertretenden Minusstunden mit der Annahme der Dienste der Klägerin in Verzug geriet.

49

3. Die regelmäßige Anrechnung von Bereitschaftsdienststunden zur „Ausgleichung“ der zur Erreichung der vertraglichen Soll-Arbeitszeit fehlenden Arbeitsstunden stellt einen Verstoß des Beklagten gegen die Regelungen der Anlage 8 A. Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 zu den AVR DW EKD dar und führte für die Klägerin zum Einkommensverlust.

50

a) Der Beklagte wertete die Zeit des von der Klägerin geleisteten Bereitschaftsdienstes zutreffend nach der Anlage  8 A. Abs. 3 lit. a (D) u. b zu den AVR DW EKD zu (insgesamt) 80% als Arbeitszeit. Die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit ist allerdings gemäß Abs. 3 Satz 1 der Anlage 8 A. zu den AVR DW EKD zum Zwecke der Entgeltabrechnung als Arbeitszeit zu werten und nicht, wie es der Beklagte getan hat, zur Auffüllung der vertraglichen Soll-Arbeitszeit. Denn obwohl es der Beklagte durch die unzureichende Zuweisung von Arbeit zu vertreten hatte, dass die Klägerin ihre vertragliche Soll-Arbeitszeit nicht erbringen konnte, rechnete er für den Monat Juli 2007 von den von der Klägerin 108 geleisteten Stunden Bereitschaftsdienst 85,63 Stunden, für August 2007 von den 107 geleisteten Stunden Bereitschaftsdienst 81,85 Stunden, für September 2007 von den 54 geleisteten Stunden Bereitschaftsdienst 50,63 Stunden, für Oktober 2007 von den 68 geleisteten Stunden Bereitschaftsdienst 54,38 Stunden und für Dezember 2007 von den 113,5 geleisteten Stunden Bereitschaftsdienst 58 Stunden zur Ausgleichung der vertraglichen Soll-Arbeitszeit der Klägerin an. Auch diese Angaben ergeben sich aus den zur Akte gereichten Excel-Tabellen. Die „zum Ausgleich der Soll-Arbeitszeit“ verwendeten Stunden vergütete der Beklagter mit 28,09 € brutto pro Arbeitsstunde. Für die Klägerin führte das zu einem Einkommensverlust in Höhe von 6,78 € brutto pro Stunde. Denn nach der Anlage 8 A. Abs. 4 zu den AVR DW EKD ist für die nach Abs. 3 dieser Anlage errechnete Arbeitszeit Überstundenentgelt nach dem Anhang 2 zur Anlage 8a zu den AVR DW EKD zu zahlen, d. h. für jede als Arbeitszeit gewertete Bereitschaftsdienststunde hat die Klägerin Anspruch auf Vergütung in Höhe von 34,87 € brutto.

51

b) Soweit der Beklagte sein Handeln damit erklärt, dass ihm als Dienstgeber Abs. 5 der Anlage 8 A. zu den AVR DW EKD die Möglichkeit einräumt, die nach Abs. 3 der Anlage   8 A. errechnete Arbeitszeit bis zum Ende des dritten Kalendermonats durch entsprechende Arbeitsbefreiung abzugelten (Freizeitausgleich) und er von dieser Möglichkeit Ge-brauch gemacht hat, verkennt er Folgendes: Auch die Abgeltung der nach Abs. 3 der Anlage 8 A. errechneten Arbeitszeit durch Freizeitausgleich verlangt zunächst die Anordnung des Bereitschaftsdienstes außerhalb der vertraglichen Soll-Arbeitszeit der Mitarbeiter und die Zuweisung von genügend Arbeit bzw. nach den Worten des Beklagten von „regulären Diensten“, deren Ableistung die vertragliche Soll-Arbeitszeit ausfüllt. Außerdem ist der Freizeitausgleich gegenüber der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter konkret anzuordnen, also genau anzuweisen, an welchen Tagen wie viel Stunden Arbeitszeit durch Arbeitsbefreiung (Freizeit) ausgeglichen werden. Der Beklagte hat nicht dargelegt, ob und wann er gegenüber der Klägerin Freizeitausgleich angeordnet hat.

52

Die betriebliche Praxis des Beklagten stellt sich als Missbrauch der nach Abs. 5 der Anlage 8 A. zu den AVR DW EKD bestehenden Möglichkeit dar. Denn zunächst wies der Beklagte bewusst und unter Verletzung seiner Pflichten als Dienstgeber der Klägerin zu wenig Arbeit („reguläre Dienste“) zu, so dass die Klägerin ihre vertragliche Soll-Arbeitszeit objektiv nicht leisten konnte und er selbst regelmäßig mit der Annahme der Dienste der Klägerin in Verzug geriet. Dann glich er die von ihm zu vertretenden fehlenden Arbeitsstunden an der vertraglichen Arbeitszeit der Klägerin durch von der Klägerin geleistete Bereitschaftsdienststunden aus, was für ihn möglicherweise finanziell vorteilhaft, aber für die Klägerin finanziell nachteilig war.

53

c) Auch der von der Klägerin bestrittene Einwand des Beklagten, er habe für sie gemäß   § 9 b der AVR DW EKD ein Jahresarbeitszeitkonto eingerichtet und geführt, führt nicht dazu, dass der von der Klägerin gerichtlich geltend gemachten Vergütungsanspruch als erfüllt gilt. Denn es ist fraglich, ob die zur Akte gereichten Excel-Tabellen die an die Einrichtung und Führung eines Jahresarbeitszeitkontos gestellten Anforderungen erfüllen. Denn der Beklagte rechnete die von der Klägerin geleisteten Arbeitszeiten monatlich so ab, dass die Soll-Arbeitszeit stets ausgeglichen war, teilte der Klägerin entgegen der Regelung in § 9 b Abs. 5 AVR DW EKD den aktuellen Kontostand des Jahresarbeitszeitkontos zu Beginn des jeweiligen Kalendermonats nicht mit und hatte nicht, wie § 9 b Abs. 5 Unterabs. 2 AVR DW EKD es verlangt, mit der Klägerin eine Vereinbarung abgeschlossen, obwohl die Soll-Arbeitszeit regelmäßig um mehr als 30 Minusstunden unterschritten wurde.

54

4. Zutreffend hat das Arbeitsgericht angenommen, dass die von der Klägerin gerichtlich geltend gemachten Vergütungsansprüche nicht gemäß § 45 Abs. 2 AVR DW EKD verfallen sind.

55

Gemäß § 45 Abs. 1 AVR DW EKD verfallen all monatlich entstehende Ansprüche auf Entgelt (§§ 14 bis 19a), wenn sie nicht innerhalb von zwölf Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Zu den Ansprüchen nach den §§ 14 bis 19a der AVR DW EKD gehören die Ansprüche auf Überstundenvergütung nicht, damit auch nicht die Ansprüche auf Vergütung von Bereitschaftsdiensten. Hierbei handelt es sich um andere Ansprüche aus dem Dienstverhältnis im Sinne von § 45 Abs. 2 der AVR DW EKD, die innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen sind. Diese Ausschlussfrist hat die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 08.12.2007 gewahrt, auch im Hinblick auf die für den Monat Dezember 2007 fällig gewordenen Ansprüche auf Vergütung der geleisteten Bereitschaftsdienststunden, da gemäß § 45 Abs. 3 der AVR DW EKD für den gleichen Tatbestand die einmalige Geltendmachung der Ansprüche ausreicht.

56

Nach alldem war die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

57

III. Die getroffene Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.


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Arbeitsgericht Halle Urteil, 28. Juni 2012 - 1 Ca 3579/09

bei uns veröffentlicht am 28.06.2012

Tenor 1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.253,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.11.2009 zu zahlen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. 3. Der Streitwert w

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Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.253,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.11.2009 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf 2.253,44 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Vergütung von Arbeitszeit in den Monaten Juli bis September 2007 und Oktober bis Dezember 2007 mit demjenigen Stundensatz, der für Bereitschaftsstunden gezahlt wird. Des Weiteren verlangt sie die Bezahlung für weitere Bereitschaftsstunden im Monat Dezember 2007.

2

Die Klägerin (*20.07.1960) war in der Zeit vom 01.07.1995 – 31.12.2007 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 20.04.1995 als Oberärztin Abt. Interdisziplinäre Intensivmedizin für die Beklagte tätig. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug 40 Stunden. Nach § 3 des Arbeitsvertrages galten für das Dienstverhältnis die Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland – Fassung Ost – einschließlich der jeweils in kraft gesetzten Nachträge.

3

Die Klägerin leistete auch in den streitbefangenen Monaten bis zu 8 Bereitschaftsdienste im Kalendermonat (= 25 % Arbeitszeit gemäß Anlage 8 A. Abs. 3 b) der AVR). Nach dem Maß der während der Bereitschaftsdienste erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistung wertete die Beklagte die Zeit des Bereitschaftsdienstes mit weiteren 55 % als Arbeitszeit (Stufe D der Anlage 8 A. Abs. 3 a) der AVR).

4

Normalstunden vergütete die Beklagte der Klägerin zuletzt mit 28,09 € brutto, Bereitschaftsdienststunden mit 34,87 € brutto.

5

In den streitbefangenen Monaten leistete die Klägerin Dienste im Umfang nachfolgend dargestellter Stunden:

6
        

Sollarbeitszeit

regulärer Dienst

Bereitschaftsdienst

Juli 2007

176     

107,5 

108     

August 2007

184     

119     

107     

September 2007

160     

119,5 

54    

Oktober 2007

168     

124,5 

68    

Dezember 2007

136     

75    

113,5 

7

Um die monatlichen Sollarbeitszeit zu erreichen, brachte die Beklagte Bereit-
schaftsdienst entsprechend ihrer 80 %igen Wertigkeit als Arbeitszeit in Ansatz

(Beispiel: Juli 2007

Soll: 

176   Std.

        

geleistete reguläre Arbeitszeit:

107,5 Std.

                 

 68,5 Std.

Differenz

68,5 Std. entsprechen 85,63 Bereitschaftsdienststunden (68,5 : 0,8)).

8

Diese zur Auffüllung benötigten Bereitschaftsdienste vergütete die Beklagte mit einem Stundensatz für Normalstunden, 28,09 € brutto. Die danach verbleibenden Bereitschaftsdienststunden vergütete die Beklagte nach der festgelegten Berechnung mit 80 % als Arbeitszeit und einem Stundensatz von 34,87 € brutto.

9

Im Dezember 2007 vergütete die Beklagte so lediglich weitere 27,25 Stunden obwohl 29,8 umgerechnete Bereitschaftsstunden als Arbeitszeit zu vergüten waren.

10

Für diesen Monat erstellte die Beklagte während des Prozesses eine korrigierte Stundenaufstellung und führte darin aus:

11

„Da in der Originalabrechnung der Krankheitstag 04.12.2007 nicht erfasst war, wurden bei ausgeglichenem Arbeitszeitkonto fälschlicherweise nur 27,25 Stunden anstelle von 37,25 Stunden Bereitschaftsdienst bezahlt.

(Anmerkung des Gerichts: 37,25 Stunden x 80 % = 29,8 Stunden Arbeitszeit)“

12

Erstmals mit Schreiben vom 06.03.2007 wandte sich die Klägerin vergeblich gegen den Ansatz von Normalstundenvergütung für Bereitschaftsdienststunden, die zum Auffüllen der Sollarbeitszeit im Januar 2007 eingestellt worden waren. Unter dem 08.12.2007 wiederholte sie ihre Einwände abermals schriftlich für die Monate Juli bis Oktober 2007 und forderte für 261,25 Stunden den Differenzbetrag in Höhe von 6,81 € brutto.

13

Am 28.10.2009 ist die der Beklagten am 05.11.2009 zugestellte Klage beim Arbeitsgericht eingegangen.

14

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die zum Erreichen der Sollarbeitszeit errechneten Bereitschaftsdienststunden seien mit dem für das Überstundenentgelt maßgeblichen Satz von 34,87 € brutto zu vergüten.

15

Da die Beklagte hierfür lediglich 28,09 € brutto in Ansatz gebracht habe, seien die in den Monaten Juli bis Oktober 2007 verrechneten 261,25 Stunden mit fehlenden 6,78 € brutto = 1.771,28 € brutto, die im Monat Dezember 2007 58 verrechneten Stunden mit 6,78 € brutto = 393,24 € brutto und (unstreitig) nicht abgerechnete 2,55 Bereitschaftsdienststunden mit 34,87 € brutto = 88,92 € brutto zu vergüten.

16

Die Klägerin hat zunächst für den Monat Dezember 2007 die Bezahlung von 13,75 fehlenden Bereitschaftsdienststunden in Höhe von insgesamt 383,57 € brutto begehrt und deshalb beantragt,

17

die Beklagte zur Zahlung von 2.548,09 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

18

Nunmehr beantragt sie,

19

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.253,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (05.11.2009) zu zahlen.

20

Die Beklagte beantragt,

21

die Klage abzuweisen.

22

Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe ordnungsgemäß abgerechnet und die Plusstunden zur Auszahlung gebracht.

23

In der letzten mündlichen Verhandlung hat sie außerdem eine Erklärungsfrist zu der Klageänderung beantragt.

Entscheidungsgründe

A.

24

Die Klägerin hat mit ihrer Klage Erfolg.

B.

25

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

26

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer weiteren Vergütung in Höhe von 2.164,52 € brutto für 319,25 verrechnete Bereitschaftsdienststunden im Zeitraum Juli bis Oktober und Dezember 2007. Diese Stunden sind anstelle von 28,09 € brutto mit 34,87 € brutto zu zahlen. Den Differenzbetrag von 6,78 € brutto/Std. schuldet die Beklagte der Klägerin.

27

1. Der Anspruch folgt aus § 9 Abs. 3 Unterabs. 3 S. 3, Anlage 8 A. Abs. 4 der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland – Fassung Ost – (nachfolgend: AVR) in Verbindung mit § 3 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 20.04.1995 und § 611 BGB.

28

Die AVR finden durch die in § 3 des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien vom 20.04.1995 getroffene Vereinbarung Anwendung.

29

Abs. 4 der Anlage 8 A. zu den AVR bestimmt, dass für die nach Abs. 3 errechnete Arbeitszeit des Bereitschaftsdienstes das Überstundenentgelt gezahlt werde.

30

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

31

Die Beklagte hat die von der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum geleisteten Bereitschaftsdienststunden nach den Vorgaben in Abs. 3 der Anlage 8 A. der AVR mit Stufe 3 und damit mit 55 % als Arbeitszeit und weiteren 25 % für den 1. – 8. Bereitschaftsdienst im Kalendermonat mit 319,25 Arbeitsstunden bewertet und zum Ausgleich für die im jeweiligen Kalendermonat fehlenden Sollarbeitsstunden in Ansatz gebracht. Damit hat sie diese Stunden in die Vergütungszahlung einbezogen. Entsprechend den vorgenannten Bestimmungen ist sie somit verpflichtet, die hierfür vorgesehene Vergütungshöhe zu entrichten, die nicht dem Normalstundensatz – wie von der Beklagten angenommen – entspricht, sondern dem Überstundenentgelt im Sinne der Anlage 9 der AVR und den die Parteien unstreitig mit 34,87 € angeben, Anlage 8 A. Abs. 4 S. 1 der AVR.

32

Rechtlichen Bedenken begegnet diese Bestimmung nicht.

33

Die Tarifvertragsparteien und auch die Arbeitsvertragsparteien dürfen Bereitschaftsdienst und Vollarbeit unterschiedlichen Vergütungsordnungen unterwerfen (BAG, Urteil vom 28.01.2004 – 5 AZR 530/02 – Rdnr. 40/41 m. w. N.; in: www.juris-web.de).

34

Der Bereitschaftsdienst unterscheidet sich seinem Wesen nach von der vollen Arbeitstätigkeit, die vom Arbeitnehmer eine ständige Aufmerksamkeit und Arbeitsleistung verlangt, während der Bereitschaftsdienst keine volle Arbeitsleistung, sondern eine Aufenthaltsbeschränkung ist, verbunden mit der Verpflichtung, bei Bedarf unverzüglich tätig zu werden (BAG, a. a. O., Rdnr. 40 m. w. N.). Dieser qualitative Unterschied, der insbesondere zu einer beachtlichen Ausdehnung der wöchentlichen Anwesenheits- und Arbeitspflicht führen kann, rechtfertigt es, für den Bereitschaftsdienst eine andere Vergütung vorzusehen als für die Vollarbeit (BAG, a. a. O., Rdnr. 40 m. w. N.; BAG, Urteil vom 26.03.1998 – 6 AZR 537/96 – in: www.juris-web.de, Rdnr. 30).

35

2. Die Ausschlussfristen in § 45 der AVR hat die Klägerin jedenfalls mit ihrem Schreiben vom 08.12.2007 gewahrt. Zwar hat sie hiermit nur die fehlende Vergütung für die Monate 07 – 10/2007 rechtzeitig eingefordert. Einer erneuten Geltendmachung für den Monat 12/2007 bedurfte es im Hinblick auf § 45 Abs. 3 AVR nicht.

36

Danach reicht für den gleichen Tatbestand die einmalige Geltendmachung der Ansprüche aus, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Ansprüche unwirksam zu machen.

37

So verhält es sich bei den streitbefangenen Ansprüchen aus dem Monat Dezember 2007.

38

Hierbei handelt es sich auch um Differenzvergütungsansprüche für angerechnete Bereitschaftsstunden, die mit der Normalvergütung von der Beklagten in Ansatz gebracht worden sind.

II.

39

1. Die Klägerin hat zudem einen weiteren Anspruch gegen die Beklagte auf Vergütung von weiteren 2,55 Bereitschaftsstunden für den Monat Dezember 2007 aus § 9 Abs. 3 Unterabs. 3 S. 3, Anlage 8 A. Abs. 4 der AVR in Verbindung mit § 3 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 20.04.1995, § 611 BGB.

40

Unstreitig hat die Klägerin einen Anspruch auf Vergütung weiterer Bereitschaftsdienststunden für den Monat Dezember 2007 in Höhe von 37,25 Bereitschaftsstunden (x 80 % = 29,8 Arbeitsstunden). Hierauf hat die Beklagte jedoch - unstreitig – nur die Vergütung für 27,25 Stunden gezahlt. Die fehlenden 2,55 Stunden sind deshalb mit dem maßgeblichen Überstundenentgelt von 34,87 € brutto, mithin insgesamt 88,92 € brutto zu vergüten.

41

2. Auch diesem Anspruch stehen die Ausschlussfristen, § 45 AVR, nicht entgegen.

42

Zwar übersieht die Kammer hierbei nicht, dass eine rechtzeitige schriftliche Geltendmachung für diesen Anspruch unterblieben ist.

43

Die Beklagte hat jedoch im Laufe des Prozesses den Anspruch unstreitig gestellt und sogar erklärt, sie habe „fälschlicherweise nur 27,25 Stunden anstelle von 37,25 Stunden Bereitschaftsdienste bezahlt“. Damit hat sie dem klägerischen Anspruch den Streit entzogen, ohne sich ausdrücklich auf den Verfall des Klagebegehrens zu berufen.

C.

44

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

D.

45

Der beantragten Erklärungsfrist bedurfte es nicht.

46

Nach § 283 S. 1 ZPO kann auf Antrag der Partei, die sich in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären kann, weil es ihr nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist, das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

47

So verhält es sich aber gerade nicht.

48

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der teilweisen Rücknahme der Klageforderung nicht um eine Klageänderung, § 264 Nr. 2 ZPO.

49

Danach ist es als eine Änderung der Klage nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache beschränkt wird.

50

Das ist hier der Fall.

51

Anstelle einer Vergütung für 13,75 Bereitschaftsdienststunden aus dem Monat Dezember 2007 hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2012 ihren Klageanspruch auf die Vergütungszahlung für 2,55 Arbeitsstunden beschränkt. Der Klagegrund – Vergütungszahlung für Bereitschaftsstunden - ist jedoch unverändert geblieben.

52

2. Die Klägerin hat zudem ihren Klageanspruch für die begehrte Differenzvergütung in Höhe von 2.164,52 € brutto rechtzeitig vor dem Termin, nämlich in der Klageschrift vom 26.10.2009, Eingang bei Gericht am 28.10.2009, der Beklagten zugestellt am 05.11.2009, mit dem Inhalt begründet, den sie in der letzten mündlichen Verhandlung vom 28.06.2012 lediglich wiederholt hat:

53

„Da sich indes pro Bereitschaftsdienststunde ein Vergütungsanspruch in Höhe von 34,87 € zu Gunsten der Klägerin ergibt, die monatlich bestehenden Minusstunden, die ohnehin nur mit dem Produkt des Faktors 0,8 multipliziert mit den geleisteten Bereitschaftsdienststunden aufgefüllt wurden, zu 28,09 € je Stunde zu vergüten sind, ergibt sich eine Differenz hinsichtlich der Stundenvergütung in Höhe von 6,78 €.“

54

Die im Laufe der Verhandlungen aufgetretenen Verständnisschwierigkeiten sind damit nicht der Klägerin zuzuschreiben, wenngleich der Beklagten zuzugeben ist, dass erst ihre Berechnungsdarstellung und Erläuterung hierzu, den streitbefangenen Tatbestand – jedenfalls für das Gericht – aufhellen konnte.

E.

55

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. in Verbindung mit § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

F.

56

Der Streitwert ist gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen.

57

Er beruht auf § 3 ZPO und entspricht der Klageforderung.


(1) Das Gericht kann anordnen, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist zu begründen.

(2) Das Gleiche gilt, wenn der Beklagte eine Widerklage erhoben hat und der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch nicht in rechtlichem Zusammenhang steht.

(3) Macht der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend, die mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Zusammenhang steht, so kann das Gericht anordnen, dass über die Klage und über die Aufrechnung getrennt verhandelt werde; die Vorschriften des § 302 sind anzuwenden.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.253,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.11.2009 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf 2.253,44 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Vergütung von Arbeitszeit in den Monaten Juli bis September 2007 und Oktober bis Dezember 2007 mit demjenigen Stundensatz, der für Bereitschaftsstunden gezahlt wird. Des Weiteren verlangt sie die Bezahlung für weitere Bereitschaftsstunden im Monat Dezember 2007.

2

Die Klägerin (*20.07.1960) war in der Zeit vom 01.07.1995 – 31.12.2007 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 20.04.1995 als Oberärztin Abt. Interdisziplinäre Intensivmedizin für die Beklagte tätig. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug 40 Stunden. Nach § 3 des Arbeitsvertrages galten für das Dienstverhältnis die Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland – Fassung Ost – einschließlich der jeweils in kraft gesetzten Nachträge.

3

Die Klägerin leistete auch in den streitbefangenen Monaten bis zu 8 Bereitschaftsdienste im Kalendermonat (= 25 % Arbeitszeit gemäß Anlage 8 A. Abs. 3 b) der AVR). Nach dem Maß der während der Bereitschaftsdienste erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistung wertete die Beklagte die Zeit des Bereitschaftsdienstes mit weiteren 55 % als Arbeitszeit (Stufe D der Anlage 8 A. Abs. 3 a) der AVR).

4

Normalstunden vergütete die Beklagte der Klägerin zuletzt mit 28,09 € brutto, Bereitschaftsdienststunden mit 34,87 € brutto.

5

In den streitbefangenen Monaten leistete die Klägerin Dienste im Umfang nachfolgend dargestellter Stunden:

6
        

Sollarbeitszeit

regulärer Dienst

Bereitschaftsdienst

Juli 2007

176     

107,5 

108     

August 2007

184     

119     

107     

September 2007

160     

119,5 

54    

Oktober 2007

168     

124,5 

68    

Dezember 2007

136     

75    

113,5 

7

Um die monatlichen Sollarbeitszeit zu erreichen, brachte die Beklagte Bereit-
schaftsdienst entsprechend ihrer 80 %igen Wertigkeit als Arbeitszeit in Ansatz

(Beispiel: Juli 2007

Soll: 

176   Std.

        

geleistete reguläre Arbeitszeit:

107,5 Std.

                 

 68,5 Std.

Differenz

68,5 Std. entsprechen 85,63 Bereitschaftsdienststunden (68,5 : 0,8)).

8

Diese zur Auffüllung benötigten Bereitschaftsdienste vergütete die Beklagte mit einem Stundensatz für Normalstunden, 28,09 € brutto. Die danach verbleibenden Bereitschaftsdienststunden vergütete die Beklagte nach der festgelegten Berechnung mit 80 % als Arbeitszeit und einem Stundensatz von 34,87 € brutto.

9

Im Dezember 2007 vergütete die Beklagte so lediglich weitere 27,25 Stunden obwohl 29,8 umgerechnete Bereitschaftsstunden als Arbeitszeit zu vergüten waren.

10

Für diesen Monat erstellte die Beklagte während des Prozesses eine korrigierte Stundenaufstellung und führte darin aus:

11

„Da in der Originalabrechnung der Krankheitstag 04.12.2007 nicht erfasst war, wurden bei ausgeglichenem Arbeitszeitkonto fälschlicherweise nur 27,25 Stunden anstelle von 37,25 Stunden Bereitschaftsdienst bezahlt.

(Anmerkung des Gerichts: 37,25 Stunden x 80 % = 29,8 Stunden Arbeitszeit)“

12

Erstmals mit Schreiben vom 06.03.2007 wandte sich die Klägerin vergeblich gegen den Ansatz von Normalstundenvergütung für Bereitschaftsdienststunden, die zum Auffüllen der Sollarbeitszeit im Januar 2007 eingestellt worden waren. Unter dem 08.12.2007 wiederholte sie ihre Einwände abermals schriftlich für die Monate Juli bis Oktober 2007 und forderte für 261,25 Stunden den Differenzbetrag in Höhe von 6,81 € brutto.

13

Am 28.10.2009 ist die der Beklagten am 05.11.2009 zugestellte Klage beim Arbeitsgericht eingegangen.

14

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die zum Erreichen der Sollarbeitszeit errechneten Bereitschaftsdienststunden seien mit dem für das Überstundenentgelt maßgeblichen Satz von 34,87 € brutto zu vergüten.

15

Da die Beklagte hierfür lediglich 28,09 € brutto in Ansatz gebracht habe, seien die in den Monaten Juli bis Oktober 2007 verrechneten 261,25 Stunden mit fehlenden 6,78 € brutto = 1.771,28 € brutto, die im Monat Dezember 2007 58 verrechneten Stunden mit 6,78 € brutto = 393,24 € brutto und (unstreitig) nicht abgerechnete 2,55 Bereitschaftsdienststunden mit 34,87 € brutto = 88,92 € brutto zu vergüten.

16

Die Klägerin hat zunächst für den Monat Dezember 2007 die Bezahlung von 13,75 fehlenden Bereitschaftsdienststunden in Höhe von insgesamt 383,57 € brutto begehrt und deshalb beantragt,

17

die Beklagte zur Zahlung von 2.548,09 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

18

Nunmehr beantragt sie,

19

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.253,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (05.11.2009) zu zahlen.

20

Die Beklagte beantragt,

21

die Klage abzuweisen.

22

Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe ordnungsgemäß abgerechnet und die Plusstunden zur Auszahlung gebracht.

23

In der letzten mündlichen Verhandlung hat sie außerdem eine Erklärungsfrist zu der Klageänderung beantragt.

Entscheidungsgründe

A.

24

Die Klägerin hat mit ihrer Klage Erfolg.

B.

25

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

26

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer weiteren Vergütung in Höhe von 2.164,52 € brutto für 319,25 verrechnete Bereitschaftsdienststunden im Zeitraum Juli bis Oktober und Dezember 2007. Diese Stunden sind anstelle von 28,09 € brutto mit 34,87 € brutto zu zahlen. Den Differenzbetrag von 6,78 € brutto/Std. schuldet die Beklagte der Klägerin.

27

1. Der Anspruch folgt aus § 9 Abs. 3 Unterabs. 3 S. 3, Anlage 8 A. Abs. 4 der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland – Fassung Ost – (nachfolgend: AVR) in Verbindung mit § 3 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 20.04.1995 und § 611 BGB.

28

Die AVR finden durch die in § 3 des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien vom 20.04.1995 getroffene Vereinbarung Anwendung.

29

Abs. 4 der Anlage 8 A. zu den AVR bestimmt, dass für die nach Abs. 3 errechnete Arbeitszeit des Bereitschaftsdienstes das Überstundenentgelt gezahlt werde.

30

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

31

Die Beklagte hat die von der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum geleisteten Bereitschaftsdienststunden nach den Vorgaben in Abs. 3 der Anlage 8 A. der AVR mit Stufe 3 und damit mit 55 % als Arbeitszeit und weiteren 25 % für den 1. – 8. Bereitschaftsdienst im Kalendermonat mit 319,25 Arbeitsstunden bewertet und zum Ausgleich für die im jeweiligen Kalendermonat fehlenden Sollarbeitsstunden in Ansatz gebracht. Damit hat sie diese Stunden in die Vergütungszahlung einbezogen. Entsprechend den vorgenannten Bestimmungen ist sie somit verpflichtet, die hierfür vorgesehene Vergütungshöhe zu entrichten, die nicht dem Normalstundensatz – wie von der Beklagten angenommen – entspricht, sondern dem Überstundenentgelt im Sinne der Anlage 9 der AVR und den die Parteien unstreitig mit 34,87 € angeben, Anlage 8 A. Abs. 4 S. 1 der AVR.

32

Rechtlichen Bedenken begegnet diese Bestimmung nicht.

33

Die Tarifvertragsparteien und auch die Arbeitsvertragsparteien dürfen Bereitschaftsdienst und Vollarbeit unterschiedlichen Vergütungsordnungen unterwerfen (BAG, Urteil vom 28.01.2004 – 5 AZR 530/02 – Rdnr. 40/41 m. w. N.; in: www.juris-web.de).

34

Der Bereitschaftsdienst unterscheidet sich seinem Wesen nach von der vollen Arbeitstätigkeit, die vom Arbeitnehmer eine ständige Aufmerksamkeit und Arbeitsleistung verlangt, während der Bereitschaftsdienst keine volle Arbeitsleistung, sondern eine Aufenthaltsbeschränkung ist, verbunden mit der Verpflichtung, bei Bedarf unverzüglich tätig zu werden (BAG, a. a. O., Rdnr. 40 m. w. N.). Dieser qualitative Unterschied, der insbesondere zu einer beachtlichen Ausdehnung der wöchentlichen Anwesenheits- und Arbeitspflicht führen kann, rechtfertigt es, für den Bereitschaftsdienst eine andere Vergütung vorzusehen als für die Vollarbeit (BAG, a. a. O., Rdnr. 40 m. w. N.; BAG, Urteil vom 26.03.1998 – 6 AZR 537/96 – in: www.juris-web.de, Rdnr. 30).

35

2. Die Ausschlussfristen in § 45 der AVR hat die Klägerin jedenfalls mit ihrem Schreiben vom 08.12.2007 gewahrt. Zwar hat sie hiermit nur die fehlende Vergütung für die Monate 07 – 10/2007 rechtzeitig eingefordert. Einer erneuten Geltendmachung für den Monat 12/2007 bedurfte es im Hinblick auf § 45 Abs. 3 AVR nicht.

36

Danach reicht für den gleichen Tatbestand die einmalige Geltendmachung der Ansprüche aus, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Ansprüche unwirksam zu machen.

37

So verhält es sich bei den streitbefangenen Ansprüchen aus dem Monat Dezember 2007.

38

Hierbei handelt es sich auch um Differenzvergütungsansprüche für angerechnete Bereitschaftsstunden, die mit der Normalvergütung von der Beklagten in Ansatz gebracht worden sind.

II.

39

1. Die Klägerin hat zudem einen weiteren Anspruch gegen die Beklagte auf Vergütung von weiteren 2,55 Bereitschaftsstunden für den Monat Dezember 2007 aus § 9 Abs. 3 Unterabs. 3 S. 3, Anlage 8 A. Abs. 4 der AVR in Verbindung mit § 3 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 20.04.1995, § 611 BGB.

40

Unstreitig hat die Klägerin einen Anspruch auf Vergütung weiterer Bereitschaftsdienststunden für den Monat Dezember 2007 in Höhe von 37,25 Bereitschaftsstunden (x 80 % = 29,8 Arbeitsstunden). Hierauf hat die Beklagte jedoch - unstreitig – nur die Vergütung für 27,25 Stunden gezahlt. Die fehlenden 2,55 Stunden sind deshalb mit dem maßgeblichen Überstundenentgelt von 34,87 € brutto, mithin insgesamt 88,92 € brutto zu vergüten.

41

2. Auch diesem Anspruch stehen die Ausschlussfristen, § 45 AVR, nicht entgegen.

42

Zwar übersieht die Kammer hierbei nicht, dass eine rechtzeitige schriftliche Geltendmachung für diesen Anspruch unterblieben ist.

43

Die Beklagte hat jedoch im Laufe des Prozesses den Anspruch unstreitig gestellt und sogar erklärt, sie habe „fälschlicherweise nur 27,25 Stunden anstelle von 37,25 Stunden Bereitschaftsdienste bezahlt“. Damit hat sie dem klägerischen Anspruch den Streit entzogen, ohne sich ausdrücklich auf den Verfall des Klagebegehrens zu berufen.

C.

44

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

D.

45

Der beantragten Erklärungsfrist bedurfte es nicht.

46

Nach § 283 S. 1 ZPO kann auf Antrag der Partei, die sich in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären kann, weil es ihr nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist, das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

47

So verhält es sich aber gerade nicht.

48

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der teilweisen Rücknahme der Klageforderung nicht um eine Klageänderung, § 264 Nr. 2 ZPO.

49

Danach ist es als eine Änderung der Klage nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache beschränkt wird.

50

Das ist hier der Fall.

51

Anstelle einer Vergütung für 13,75 Bereitschaftsdienststunden aus dem Monat Dezember 2007 hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2012 ihren Klageanspruch auf die Vergütungszahlung für 2,55 Arbeitsstunden beschränkt. Der Klagegrund – Vergütungszahlung für Bereitschaftsstunden - ist jedoch unverändert geblieben.

52

2. Die Klägerin hat zudem ihren Klageanspruch für die begehrte Differenzvergütung in Höhe von 2.164,52 € brutto rechtzeitig vor dem Termin, nämlich in der Klageschrift vom 26.10.2009, Eingang bei Gericht am 28.10.2009, der Beklagten zugestellt am 05.11.2009, mit dem Inhalt begründet, den sie in der letzten mündlichen Verhandlung vom 28.06.2012 lediglich wiederholt hat:

53

„Da sich indes pro Bereitschaftsdienststunde ein Vergütungsanspruch in Höhe von 34,87 € zu Gunsten der Klägerin ergibt, die monatlich bestehenden Minusstunden, die ohnehin nur mit dem Produkt des Faktors 0,8 multipliziert mit den geleisteten Bereitschaftsdienststunden aufgefüllt wurden, zu 28,09 € je Stunde zu vergüten sind, ergibt sich eine Differenz hinsichtlich der Stundenvergütung in Höhe von 6,78 €.“

54

Die im Laufe der Verhandlungen aufgetretenen Verständnisschwierigkeiten sind damit nicht der Klägerin zuzuschreiben, wenngleich der Beklagten zuzugeben ist, dass erst ihre Berechnungsdarstellung und Erläuterung hierzu, den streitbefangenen Tatbestand – jedenfalls für das Gericht – aufhellen konnte.

E.

55

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. in Verbindung mit § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

F.

56

Der Streitwert ist gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen.

57

Er beruht auf § 3 ZPO und entspricht der Klageforderung.


(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.253,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.11.2009 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf 2.253,44 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Vergütung von Arbeitszeit in den Monaten Juli bis September 2007 und Oktober bis Dezember 2007 mit demjenigen Stundensatz, der für Bereitschaftsstunden gezahlt wird. Des Weiteren verlangt sie die Bezahlung für weitere Bereitschaftsstunden im Monat Dezember 2007.

2

Die Klägerin (*20.07.1960) war in der Zeit vom 01.07.1995 – 31.12.2007 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 20.04.1995 als Oberärztin Abt. Interdisziplinäre Intensivmedizin für die Beklagte tätig. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug 40 Stunden. Nach § 3 des Arbeitsvertrages galten für das Dienstverhältnis die Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland – Fassung Ost – einschließlich der jeweils in kraft gesetzten Nachträge.

3

Die Klägerin leistete auch in den streitbefangenen Monaten bis zu 8 Bereitschaftsdienste im Kalendermonat (= 25 % Arbeitszeit gemäß Anlage 8 A. Abs. 3 b) der AVR). Nach dem Maß der während der Bereitschaftsdienste erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistung wertete die Beklagte die Zeit des Bereitschaftsdienstes mit weiteren 55 % als Arbeitszeit (Stufe D der Anlage 8 A. Abs. 3 a) der AVR).

4

Normalstunden vergütete die Beklagte der Klägerin zuletzt mit 28,09 € brutto, Bereitschaftsdienststunden mit 34,87 € brutto.

5

In den streitbefangenen Monaten leistete die Klägerin Dienste im Umfang nachfolgend dargestellter Stunden:

6
        

Sollarbeitszeit

regulärer Dienst

Bereitschaftsdienst

Juli 2007

176     

107,5 

108     

August 2007

184     

119     

107     

September 2007

160     

119,5 

54    

Oktober 2007

168     

124,5 

68    

Dezember 2007

136     

75    

113,5 

7

Um die monatlichen Sollarbeitszeit zu erreichen, brachte die Beklagte Bereit-
schaftsdienst entsprechend ihrer 80 %igen Wertigkeit als Arbeitszeit in Ansatz

(Beispiel: Juli 2007

Soll: 

176   Std.

        

geleistete reguläre Arbeitszeit:

107,5 Std.

                 

 68,5 Std.

Differenz

68,5 Std. entsprechen 85,63 Bereitschaftsdienststunden (68,5 : 0,8)).

8

Diese zur Auffüllung benötigten Bereitschaftsdienste vergütete die Beklagte mit einem Stundensatz für Normalstunden, 28,09 € brutto. Die danach verbleibenden Bereitschaftsdienststunden vergütete die Beklagte nach der festgelegten Berechnung mit 80 % als Arbeitszeit und einem Stundensatz von 34,87 € brutto.

9

Im Dezember 2007 vergütete die Beklagte so lediglich weitere 27,25 Stunden obwohl 29,8 umgerechnete Bereitschaftsstunden als Arbeitszeit zu vergüten waren.

10

Für diesen Monat erstellte die Beklagte während des Prozesses eine korrigierte Stundenaufstellung und führte darin aus:

11

„Da in der Originalabrechnung der Krankheitstag 04.12.2007 nicht erfasst war, wurden bei ausgeglichenem Arbeitszeitkonto fälschlicherweise nur 27,25 Stunden anstelle von 37,25 Stunden Bereitschaftsdienst bezahlt.

(Anmerkung des Gerichts: 37,25 Stunden x 80 % = 29,8 Stunden Arbeitszeit)“

12

Erstmals mit Schreiben vom 06.03.2007 wandte sich die Klägerin vergeblich gegen den Ansatz von Normalstundenvergütung für Bereitschaftsdienststunden, die zum Auffüllen der Sollarbeitszeit im Januar 2007 eingestellt worden waren. Unter dem 08.12.2007 wiederholte sie ihre Einwände abermals schriftlich für die Monate Juli bis Oktober 2007 und forderte für 261,25 Stunden den Differenzbetrag in Höhe von 6,81 € brutto.

13

Am 28.10.2009 ist die der Beklagten am 05.11.2009 zugestellte Klage beim Arbeitsgericht eingegangen.

14

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die zum Erreichen der Sollarbeitszeit errechneten Bereitschaftsdienststunden seien mit dem für das Überstundenentgelt maßgeblichen Satz von 34,87 € brutto zu vergüten.

15

Da die Beklagte hierfür lediglich 28,09 € brutto in Ansatz gebracht habe, seien die in den Monaten Juli bis Oktober 2007 verrechneten 261,25 Stunden mit fehlenden 6,78 € brutto = 1.771,28 € brutto, die im Monat Dezember 2007 58 verrechneten Stunden mit 6,78 € brutto = 393,24 € brutto und (unstreitig) nicht abgerechnete 2,55 Bereitschaftsdienststunden mit 34,87 € brutto = 88,92 € brutto zu vergüten.

16

Die Klägerin hat zunächst für den Monat Dezember 2007 die Bezahlung von 13,75 fehlenden Bereitschaftsdienststunden in Höhe von insgesamt 383,57 € brutto begehrt und deshalb beantragt,

17

die Beklagte zur Zahlung von 2.548,09 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

18

Nunmehr beantragt sie,

19

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.253,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (05.11.2009) zu zahlen.

20

Die Beklagte beantragt,

21

die Klage abzuweisen.

22

Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe ordnungsgemäß abgerechnet und die Plusstunden zur Auszahlung gebracht.

23

In der letzten mündlichen Verhandlung hat sie außerdem eine Erklärungsfrist zu der Klageänderung beantragt.

Entscheidungsgründe

A.

24

Die Klägerin hat mit ihrer Klage Erfolg.

B.

25

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

26

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer weiteren Vergütung in Höhe von 2.164,52 € brutto für 319,25 verrechnete Bereitschaftsdienststunden im Zeitraum Juli bis Oktober und Dezember 2007. Diese Stunden sind anstelle von 28,09 € brutto mit 34,87 € brutto zu zahlen. Den Differenzbetrag von 6,78 € brutto/Std. schuldet die Beklagte der Klägerin.

27

1. Der Anspruch folgt aus § 9 Abs. 3 Unterabs. 3 S. 3, Anlage 8 A. Abs. 4 der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland – Fassung Ost – (nachfolgend: AVR) in Verbindung mit § 3 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 20.04.1995 und § 611 BGB.

28

Die AVR finden durch die in § 3 des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien vom 20.04.1995 getroffene Vereinbarung Anwendung.

29

Abs. 4 der Anlage 8 A. zu den AVR bestimmt, dass für die nach Abs. 3 errechnete Arbeitszeit des Bereitschaftsdienstes das Überstundenentgelt gezahlt werde.

30

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

31

Die Beklagte hat die von der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum geleisteten Bereitschaftsdienststunden nach den Vorgaben in Abs. 3 der Anlage 8 A. der AVR mit Stufe 3 und damit mit 55 % als Arbeitszeit und weiteren 25 % für den 1. – 8. Bereitschaftsdienst im Kalendermonat mit 319,25 Arbeitsstunden bewertet und zum Ausgleich für die im jeweiligen Kalendermonat fehlenden Sollarbeitsstunden in Ansatz gebracht. Damit hat sie diese Stunden in die Vergütungszahlung einbezogen. Entsprechend den vorgenannten Bestimmungen ist sie somit verpflichtet, die hierfür vorgesehene Vergütungshöhe zu entrichten, die nicht dem Normalstundensatz – wie von der Beklagten angenommen – entspricht, sondern dem Überstundenentgelt im Sinne der Anlage 9 der AVR und den die Parteien unstreitig mit 34,87 € angeben, Anlage 8 A. Abs. 4 S. 1 der AVR.

32

Rechtlichen Bedenken begegnet diese Bestimmung nicht.

33

Die Tarifvertragsparteien und auch die Arbeitsvertragsparteien dürfen Bereitschaftsdienst und Vollarbeit unterschiedlichen Vergütungsordnungen unterwerfen (BAG, Urteil vom 28.01.2004 – 5 AZR 530/02 – Rdnr. 40/41 m. w. N.; in: www.juris-web.de).

34

Der Bereitschaftsdienst unterscheidet sich seinem Wesen nach von der vollen Arbeitstätigkeit, die vom Arbeitnehmer eine ständige Aufmerksamkeit und Arbeitsleistung verlangt, während der Bereitschaftsdienst keine volle Arbeitsleistung, sondern eine Aufenthaltsbeschränkung ist, verbunden mit der Verpflichtung, bei Bedarf unverzüglich tätig zu werden (BAG, a. a. O., Rdnr. 40 m. w. N.). Dieser qualitative Unterschied, der insbesondere zu einer beachtlichen Ausdehnung der wöchentlichen Anwesenheits- und Arbeitspflicht führen kann, rechtfertigt es, für den Bereitschaftsdienst eine andere Vergütung vorzusehen als für die Vollarbeit (BAG, a. a. O., Rdnr. 40 m. w. N.; BAG, Urteil vom 26.03.1998 – 6 AZR 537/96 – in: www.juris-web.de, Rdnr. 30).

35

2. Die Ausschlussfristen in § 45 der AVR hat die Klägerin jedenfalls mit ihrem Schreiben vom 08.12.2007 gewahrt. Zwar hat sie hiermit nur die fehlende Vergütung für die Monate 07 – 10/2007 rechtzeitig eingefordert. Einer erneuten Geltendmachung für den Monat 12/2007 bedurfte es im Hinblick auf § 45 Abs. 3 AVR nicht.

36

Danach reicht für den gleichen Tatbestand die einmalige Geltendmachung der Ansprüche aus, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Ansprüche unwirksam zu machen.

37

So verhält es sich bei den streitbefangenen Ansprüchen aus dem Monat Dezember 2007.

38

Hierbei handelt es sich auch um Differenzvergütungsansprüche für angerechnete Bereitschaftsstunden, die mit der Normalvergütung von der Beklagten in Ansatz gebracht worden sind.

II.

39

1. Die Klägerin hat zudem einen weiteren Anspruch gegen die Beklagte auf Vergütung von weiteren 2,55 Bereitschaftsstunden für den Monat Dezember 2007 aus § 9 Abs. 3 Unterabs. 3 S. 3, Anlage 8 A. Abs. 4 der AVR in Verbindung mit § 3 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 20.04.1995, § 611 BGB.

40

Unstreitig hat die Klägerin einen Anspruch auf Vergütung weiterer Bereitschaftsdienststunden für den Monat Dezember 2007 in Höhe von 37,25 Bereitschaftsstunden (x 80 % = 29,8 Arbeitsstunden). Hierauf hat die Beklagte jedoch - unstreitig – nur die Vergütung für 27,25 Stunden gezahlt. Die fehlenden 2,55 Stunden sind deshalb mit dem maßgeblichen Überstundenentgelt von 34,87 € brutto, mithin insgesamt 88,92 € brutto zu vergüten.

41

2. Auch diesem Anspruch stehen die Ausschlussfristen, § 45 AVR, nicht entgegen.

42

Zwar übersieht die Kammer hierbei nicht, dass eine rechtzeitige schriftliche Geltendmachung für diesen Anspruch unterblieben ist.

43

Die Beklagte hat jedoch im Laufe des Prozesses den Anspruch unstreitig gestellt und sogar erklärt, sie habe „fälschlicherweise nur 27,25 Stunden anstelle von 37,25 Stunden Bereitschaftsdienste bezahlt“. Damit hat sie dem klägerischen Anspruch den Streit entzogen, ohne sich ausdrücklich auf den Verfall des Klagebegehrens zu berufen.

C.

44

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

D.

45

Der beantragten Erklärungsfrist bedurfte es nicht.

46

Nach § 283 S. 1 ZPO kann auf Antrag der Partei, die sich in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären kann, weil es ihr nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist, das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

47

So verhält es sich aber gerade nicht.

48

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der teilweisen Rücknahme der Klageforderung nicht um eine Klageänderung, § 264 Nr. 2 ZPO.

49

Danach ist es als eine Änderung der Klage nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache beschränkt wird.

50

Das ist hier der Fall.

51

Anstelle einer Vergütung für 13,75 Bereitschaftsdienststunden aus dem Monat Dezember 2007 hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2012 ihren Klageanspruch auf die Vergütungszahlung für 2,55 Arbeitsstunden beschränkt. Der Klagegrund – Vergütungszahlung für Bereitschaftsstunden - ist jedoch unverändert geblieben.

52

2. Die Klägerin hat zudem ihren Klageanspruch für die begehrte Differenzvergütung in Höhe von 2.164,52 € brutto rechtzeitig vor dem Termin, nämlich in der Klageschrift vom 26.10.2009, Eingang bei Gericht am 28.10.2009, der Beklagten zugestellt am 05.11.2009, mit dem Inhalt begründet, den sie in der letzten mündlichen Verhandlung vom 28.06.2012 lediglich wiederholt hat:

53

„Da sich indes pro Bereitschaftsdienststunde ein Vergütungsanspruch in Höhe von 34,87 € zu Gunsten der Klägerin ergibt, die monatlich bestehenden Minusstunden, die ohnehin nur mit dem Produkt des Faktors 0,8 multipliziert mit den geleisteten Bereitschaftsdienststunden aufgefüllt wurden, zu 28,09 € je Stunde zu vergüten sind, ergibt sich eine Differenz hinsichtlich der Stundenvergütung in Höhe von 6,78 €.“

54

Die im Laufe der Verhandlungen aufgetretenen Verständnisschwierigkeiten sind damit nicht der Klägerin zuzuschreiben, wenngleich der Beklagten zuzugeben ist, dass erst ihre Berechnungsdarstellung und Erläuterung hierzu, den streitbefangenen Tatbestand – jedenfalls für das Gericht – aufhellen konnte.

E.

55

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. in Verbindung mit § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

F.

56

Der Streitwert ist gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen.

57

Er beruht auf § 3 ZPO und entspricht der Klageforderung.


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, insbesondere wenn der Gläubiger die geschuldete Sache abzuholen hat. Dem Angebot der Leistung steht die Aufforderung an den Gläubiger gleich, die erforderliche Handlung vorzunehmen.

Ist für die von dem Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es des Angebots nur, wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt. Das Gleiche gilt, wenn der Handlung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Handlung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.