Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 11. Mai 2012 - 9 Sa 676/11

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2012:0511.9SA676.11.0A
11.05.2012

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 16.11.2011, Az.: 12 Ca 2808/10 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die am … 1987 geborene und als alleinerziehende Mutter einem minderjährigen Kind zum Unterhalt verpflichtete Klägerin ist bei dem beklagten Land seit dem 01.04.1987 als Justizbeschäftigte angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Die Klägerin erzielte bei einer Arbeitszeit von 75 % der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit einer entsprechenden Vollzeitbeschäftigten ein durchschnittliches Bruttomonatseinkommen von 1.985,00 EUR. Die Klägerin ist beim Amtsgericht X eingesetzt. Für die Beschäftigten des Amtsgerichts gilt eine gleitende Arbeitszeit nach Maßgabe einer entsprechenden Dienstvereinbarung vom 04.07.2007 (Bl. 48 ff. d. A.). Diese Dienstvereinbarung sieht u. a. Folgendes vor:

2

„6. Anrechnung der Arbeitszeit

3

Eine Unterschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit ist für Vollzeitkräfte nur bis zu 12 Stunden für Beamtinnen und Beamte und 11 Stunden und 42 Minuten für Tarifbeschäftigte im Monat zulässig....

4

7. Zeiterfassung

5

Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mit Ausnahme der unter 2. genannten, sind verpflichtet, ihre Anwesenheitszeit zu erfassen, und zwar auch dann, wenn in der Mittagszeit die Justizkantine aufgesucht wird und das Justizgebäude während der Mittagspause nicht verlassen wird. Die Zeiterfassung kann entweder durch Betätigung der Zeiterfassungsgeräte im Eingangsbereich der Dienstgebäude mittels Magnetkarte oder mittels des AS-400-Anwenderprofils ZEAUSAG - erfolgen (vgl. hierzu gesonderte Bedienungsanleitung).

6

Jedes Verlassen des Dienstgebäudes aus nichtdienstlichen Gründen und die Rückkehr sind zu erfassen.

7

f) Jede Abweichung von den Zeiterfassungsnormen ist der Geschäftsleitung mittels Korrekturbeleg (Zeiterfassung) anzuzeigen. …

8

9. Die vorstehenden Regelungen gelten für Teilzeitkräfte - soweit keine anderen Regelungen getroffen wurden - entsprechend dem Umfang ihrer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit. …

9

14. Das Vortäuschen einer in Wirklichkeit nicht geleisteten Arbeitszeit sowie Manipulation (z.B. Bedienung der Zeiterfassungsuhr durch Dritte) können strafrechtliche oder dienstordnungsrechtliche Maßnahmen zur Folge haben. …“

10

Am 29.11.2010 nahm die Klägerin ausweislich der Zeiterfassung ihre Arbeit um 9.15 Uhr auf. Während der Mittagspause des Direktors des Amtsgerichts im Zeitraum 12.25 Uhr bis 12.55 Uhr legte die Klägerin entsprechend einer Anweisung des Direktors das von ihr an diesem Tag erledigte Schreibwerk auf dessen Schreibtisch. Um 12.36 Uhr wurde der Computer der Klägerin herunter gefahren. Zwischen 12.30 Uhr und 13.00 Uhr begab sich die Klägerin bekleidet mit einem Mantel oder einer Jacke zum nördlichen Treppenhaus des 2. Stockwerks und ging abwärts ins Erdgeschoss. Bis jedenfalls 13.50 Uhr kehrte die Klägerin nicht mehr in ihr Dienstzimmer zurück. Wann die Klägerin das Dienstgebäude verlassen hat, ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin bediente bei Verlassen des Gebäudes das Zeiterfassungsgerät nicht und reichte stattdessen am Folgetag einen unterschriebenen Korrekturbeleg ein, auf welchem sie handschriftlich eintrug:

11

"Geht 14:00."

12

Am 06. und 07.12.2010 wurde die Klägerin zu der geleisteten Arbeitszeit am 29.11.2010 angehört. Mit Schreiben vom 07.12.2010 (Bl. 75 ff. d. A.) hörte das beklagte Land den beim Amtsgericht bestehenden Personalrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Kündigung der Klägerin an. Mit Schreiben vom 07.12.2010 teilte der Personalrat mit, dass der beabsichtigten Maßnahme nichts entgegenstehe. Das beklagte Land kündigte daraufhin das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist wegen der nach Ansicht des beklagten Landes unrichtigen Angabe bezüglich der Beendigung der Arbeit am 29.11.2010. Hiergegen richtet sich die am 22.12.2010 beim Arbeitsgericht eingegangene Kündigungsschutzklage.

13

Vor den streitgegenständlichen Vorfällen am 29.11.2010 wurde der Klägerin mit Schreiben vom 06.05.2009 (Bl. 59 f. d. A.) eine Abmahnung erteilt, da die Klägerin innerhalb einer gesetzten Frist und entgegen einer entsprechenden Weisung ihr sich außerhalb der Grenzen der genannten Dienstvereinbarung im Minus befindliches Arbeitszeitkonto nicht auf maximal 9 Minusstunden zurückführte. Eine weitere Abmahnung erfolgte unter dem 22.10.2010 (Bl. 70 d. A.) wegen einer unzulässigen Nutzung des Internets zu privaten Zwecken.

14

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts wie des streitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 16.11.2011, Az: 12 Ca 2808/10 (Bl. 175 ff. d. A.).

15

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht nach Vernehmung der Zeuginnen M. und F. die Klage abgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt:

16

Unter dem Gesichtspunkt des Arbeitszeitbetruges liege ein zur außerordentlichen Kündigung berechtigender wichtiger Grund vor. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Klägerin am 29.11.2010 bereits vor 13.00 Uhr das Dienstgebäude verlassen habe. Zwar hätten die vernommenen Zeuginnen nicht gesehen, wie die Klägerin vor 13.00 Uhr das Dienstgebäude verlassen habe. Eine Vielzahl von Indizien im Zusammenwirken mit anderen im Rahmen der Beweisaufnahme als bewiesen geltenden Tatsachen begründeten aber den zwingenden Schluss auf das vorzeitige Verlassen des Dienstgebäudes. Die Klägerin habe diesen Arbeitszeitbetrug angesichts der erheblichen Abweichung zwischen dem angegebenen Arbeitszeitende und dem tatsächlichen Verlassen des Dienstgebäudes auch vorsätzlich begangen. Auch die Interessenabwägung falle zu Lasten der Klägerin aus. Die Kündigung sei nicht unverhältnismäßig. Eine Abmahnung als milderes Mittel scheide angesichts der Schwere der Pflichtwidrigkeit aus. Zugunsten der Klägerin sei zwar ihre lange Betriebszugehörigkeit und ihre Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind zu berücksichtigen. Allerdings sei das Arbeitsverhältnis gerade im Bereich der Arbeitszeit im weitesten Sinne bislang nicht ungestört verlaufen, was durch die Abmahnung vom 06.05.2009 und 22.10.2010 belegt werde. Für das Beendigungsinteresse des beklagten Landes spreche, dass ein erheblicher Vertrauensverstoß vorliege und das beklagte Land gerade im Bereich der Arbeitszeiterfassung auf die korrekten Angaben der Angestellten angewiesen sei.

17

Auch der Personalrat sei ordnungsgemäß angehört worden.

18

Das Urteil ist der Klägerin am 30.11.2011 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 06.12.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der mit Beschluss vom 24.01.2012 bis zum 29.02.2012 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 28.02.2012, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, begründet.

19

Nach Maßgabe des genanten Schriftsatzes, auf den wegen der Einzelheiten ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 229 ff. d. A.), macht die Klägerin zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend:

20

Es fehle bereits an einem wichtigen Grund für den Ausspruch der fristlosen Kündigung. Der Beklagten sei es erstinstanzlich nicht gelungen, den behaupteten Arbeitszeitbetrug nachzuweisen. Insbesondere sei der Nachweis nicht erbracht, dass die Klägerin das Dienstgebäude vor dem im Korrekturbeleg genannten Zeitpunkt verlassen habe. Hierfür reichten die von der Beklagten vorgetragenen Indizien nicht aus. Aus der Aussage der Zeugin M. ergebe sich lediglich, dass die Klägerin zum besagten Zeitpunkt das nördliche Treppenhaus benutzt habe und hierbei eine Jacke bzw. einen Mantel getragen habe. Dies sei aber nicht ungewöhnlich, um in den Innenhof zum Rauchen zu gehen. Die vernommenen Zeuginnen hätten auch ein Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens. Dieses ergebe sich daraus, dass sie weiterhin in direkter Nähe zum Direktor des Amtsgerichts arbeiten müssten. Die Zeuginnen hätten unter dem Druck gestanden, ihre ursprünglichen Aussagen so anzupassen, dass eine Kündigung möglich blieb und sie sich nicht in Widerspruch zu ihren ursprünglichen Aussagen gegenüber dem Direktor des Amtsgerichts setzen. Die Klägerin habe keine Tasche bei sich geführt, als sie das Treppenhaus benutzt habe. Auch sei das Arbeitsgericht unzutreffend von einer vorsätzlichen Tat ausgegangen.

21

Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung sei nicht sachgerecht. Das Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Direktor des Amtsgerichts sei problematisch. Die fristlose Kündigung sei nur deshalb ausgesprochen worden, weil die Klägerin ordentlich nicht kündbar sei. Wenn - wie die Beklagte behaupte - es nach der Kündigung in der Geschäftsstelle viel besser liefe und es nicht auffalle, dass die Klägerin nicht mehr da sei, spreche dies für eine betriebliche Fehlorganisation bzw. Überbesetzung der Stellen. Eine betriebsbedingte Kündigung habe die Beklagte nicht aussprechen können, weshalb hier die angebliche "Chance" genutzt worden sei, der Klägerin fristlos zu kündigen. Die Kündigung treffe die Klägerin als alleinerziehende Mutter äußerst hart. Das Arbeitsgericht hätte verstärkt berücksichtigen müssen, dass hinsichtlich der Gründe der fristlosen Kündigung nur Indizien vorlägen. Die Tatsche der Erkrankung der Klägerin hätte mehr berücksichtigt werden müssen. Ferner sei zu berücksichtigen gewesen, dass die im Rahmen der vorhandenen Minusstunden ausgesprochene Abmahnung vom 06.05.2009 Wirkung entfaltet habe. Deshalb wäre vorliegend wegen des angeblichen Arbeitszeitbetrugs eine Abmahnung als milderes Mittel geboten gewesen.

22

Auch die Anhörung des Personalrats sei nicht ordnungsgemäß. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass eine Anhörung nach der falschen Bezeichnung der entsprechenden Norm des Personalvertretungsgesetzes erfolgt sei. Soweit in der schriftlichen Personalratsanhörung ausgeführt werde, die Klägerin sei bereits mehrfach wegen arbeitszeitmäßiger Verstöße abgemahnt worden, sei die korrekte inhaltliche Wiedergabe der Abmahnungen nicht ersichtlich.

23

Die Klägerin beantragt,

24

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 16.11.2011, Az.: 12 Ca 2808/11, abzuändern und festzustellen, dass das seit dem 01.04.1987 bestehende Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung des beklagten Landes vom 09.12.2010 nicht aufgelöst worden ist.

25

Für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.

26

Das beklagte Land tritt der Berufung nach Maßgabe des Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 30.04.2012, auf den Bezug genommen wird (Bl. 257 ff. d. A.), entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil als rechtlich und in seinen tatsächlichen Feststellungen zutreffend.

Entscheidungsgründe

I.

27

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und - auch inhaltlich ausreichend - begründet.

II.

28

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Kündigungsschutzklage der Klägerin abgewiesen. Die Berufungskammer folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Urteils und stellt dies hiermit fest, § 69 Abs. 2 ArbGG. Das Vorbringen im Berufungsverfahren veranlasst folgende Ausführungen:

29

1. Die Kündigung ist nicht bereits nach § 83 Abs. 4, Abs. 3 LPersVG rechtsunwirksam.

30

a) Soweit die Klägerin beanstandet, dass in dem Anschreiben an den Personalrat vom 07.12.2010 ein Hinweis auf § 82 Abs. 3, statt auf § 83 Abs. 3 LPersVG enthalten ist, berührt dies die Ordnungsgemäßheit der Anhörung des Personalrats nicht. In diesem Anschreiben heißt es ausdrücklich, dass dem Personalrat Gelegenheit zur Äußerung gegeben und für die schriftliche Mitteilung von Bedenken auf eine Frist von 4 Werktagen verwiesen wird. Diese Hinweise sind inhaltlich ungeachtet der falschen Zitierung der einschlägigen Norm zutreffend und entsprechen der in § 83 Abs. 3 LPersVG enthaltenen Regelung. Es ist nicht ersichtlich, dass die Nennung des unzutreffenden Paragraphen des Landespersonalvertretungsgesetzes von irgendeinem Einfluss auf die inhaltliche Willensbildung des Personalrats gewesen sein könnte. Auch die genannte Frist ist inhaltlich zutreffend, so dass der Personalrat auch nicht in zeitlicher Hinsicht zu einer schnelleren als der gesetzlich vorgesehenen Stellungnahme veranlasst worden sein könnte.

31

b) Soweit die Klägerin ferner rügt, in der schriftlichen Anhörung des Personalrats werde von mehrfachen Abmahnungen wegen arbeitszeitmäßiger Verstöße gesprochen, ohne die Abmahnungen inhaltlich wiederzugeben, ist darauf hinzuweisen, dass auf Seite 3 der schriftlichen Personalratsanhörung erläutert wird, weswegen und wann die Abmahnungen erfolgten. Wenn es in dem sodann unmittelbar folgenden letzten Absatz auf Seite 3 des genannten Anhörungsschreibens heißt, dass Abmahnungen wegen arbeitszeitmäßiger Verstöße mehrfach erfolgt seien, wird hiermit erkennbar auf die im vorigen Absatz genannten und inhaltlich näher ausgeführten Abmahnungen Bezug genommen. Durch diese Formulierung wird daher nicht der Eindruck erweckt, über die unmittelbar zuvor bereits genannten Abmahnungen hinaus lägen noch weitere Abmahnungen wegen arbeitszeitmäßiger Verstöße vor.

32

2. Zu Recht und mit zutreffender Begründung ist das Arbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass ein wichtiger Grund im Sinne des § 34 Abs. 2 TV-L, § 626 Abs. 1 BGB vorliegt, der das beklagte Land zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung berechtigte.

33

a) Vorsätzliche Manipulationen im Rahmen der Zeiterfassung sind an sich geeignet einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen (BAG 24.11.2005 - 2 AZR 39/05 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12; 21.04.2005 - 2 AZR 255/04 - EzA § 91 SGB IX Nr. 1; Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 20.10.2011 - 11 Sa 321/11 -, juris; 08.11.2007 - 4 Sa 996/06 -, juris), da hierdurch das Vertrauen des Arbeitgebers in die Integrität des Arbeitnehmers schwerwiegend erschüttert wird.

34

b) Das Arbeitsgericht ist auch in berufungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu der Feststellung gelangt, dass die Klägerin am 29.11.2010 entgegen ihrer Eintragung auf dem nachgereichten Korrekturbeleg das Dienstgebäude bereits gegen 13.00 Uhr verlassen hat.

35

Gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 529 Abs.1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellung begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebeten.

36

Aus dieser durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.07.2001 (BGBl. I S. 1887) eingeführten Bestimmung ist zwar nicht herzuleiten, dass die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts hinsichtlich der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung auf Verfahrensfehler und damit auf den Umfang beschränkt wäre, in dem eine zweitinstanzliche Tatsachenfeststellung der Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt. Dennoch kommt eine grundsätzliche Bindung des Berufungsgerichts an die erstinstanzliche Tatsachenfeststellung zum Ausdruck; eine erneute Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht ist nach der Formulierung der Bestimmung nur als Ausnahme ("soweit nicht …..") vorgesehen. Dies entspricht der Absicht des Gesetzgebers (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks, 14/4722, S. 100). Aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks, 14/4722, S. 61) ergibt sich, dass sich die zur Entlastung des Berufungsgerichts vorgesehene - grundsätzliche - Bindung an die erstinstanzliche Tatsachenfeststellung auf solche Tatsachen beziehen, aber auch beschränkt bleiben soll, welche die erste Instanz bereits "vollständig und überzeugend" getroffen hat.

37

Die Anforderungen an die Voraussetzungen einer erneuten Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht dürfen im Interesse einer zutreffenden Tatsachenfeststellung und einer materiell gerechten Entscheidung nicht überspannt werden (vgl. BT-Drucks. 14/6036, S. 118, 124); "vernünftige" Zweifel sollen genügen, um das Berufungsgericht zu neuen Tatsachenfeststellungen zu verpflichten (aaO S. 124). Für die Bindung des Berufungsgerichts an die Tatsachenfeststellung des erstinstanzlichen Gerichts genügt es - im Gegensatz zur revisionsrechtlichen Regelung - somit nicht, dass die erstinstanzliche Tatsachenfeststellung keine Verfahrensfehler aufweist; auch verfahrensfehlerfrei getroffene Tatsachenfeststellungen sind für das Berufungsgericht dann nicht bindend, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Feststellungen unvollständig oder unrichtig sind. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen können sich auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung ergeben, insbesondere daraus, dass das Berufungsgericht das Ergebnis einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders würdigt als das Gericht der Vorinstanz. Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichts an die erstinstanzlich getroffene Feststellungen entfallen lässt, können sich weiter aus Verfahrensfehlern ergeben, etwa wenn die Beweiswürdigung nicht den Anforderungen genügt, etwa weil sie unvollständig oder in sich widersprüchlich ist oder gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstößt (BGH 12.03.2004 - V ZR 257/03 -). Auch Verfahrensfehler dadurch, dass Tatsachenvortrag der Parteien übergangen wird oder nicht vorgetragene Tatsachen verwertet wurden, können Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.

38

In Anwendung dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellung begründet.

39

Soweit die Klägerin beanstandet, die vernommenen Zeuginnen könnten die zu beweisende Tatsache des vorzeitigen Verlassens des Dienstgebäudes nicht bekunden, ist dies zutreffend. Das Arbeitsgericht hat allerdings hierauf auch nicht abgestellt, sondern im Rahmen seiner Beweiswürdigung diese Zeugenaussagen neben einer Reihe weiterer Indizien gewürdigt. Entsprechend den allgemeinen Beweisregeln kann eine Tatsache auch im Wege des Indizienbeweises bewiesen werden, also eines Beweises über (Hilfs-)Tatsachen, aus denen auf das Vorliegen der zu beweisenden rechtserheblichen Tatsache zu schließen ist (vgl. BAG 19.02.1997, 5 AZR 747/93 - EzA § 5 EFZG Nr. 3). Ausgehend hiervon hat das Arbeitsgericht seine Tatsachenfeststellung vollständig und überzeugend getroffen. In der Tat liegt eine Vielzahl von Indiztatsachen vor. Die Klägerin hat unstreitig um 12.36 Uhr ihren PC herunter gefahren. Dieses Abschalten des zur Arbeitsausführung notwendigen Geräts deutet angesichts der bei einem erneuten Hochfahren erforderlichen Zeit darauf hin, dass die Klägerin nicht beabsichtigte, noch weitere Arbeiten durchzuführen. Ebenso spricht für die Tatsache, dass die Klägerin ihre Arbeit endgültig beenden wollte die Vorlage des Schreibwerks an den Direktor des Amtsgerichts durch Ablage derselben auf dessen Schreibtisch während dessen Mittagspause. Nach der diesbezüglichen schriftlichen Weisung des Direktors des Amtsgerichts vom 23.11.2010 (Bl. 73 d. A.) hatte die Vorlage des erledigten Schreibwerks vollständig und vor Verlassen des Arbeitsplatzes zu erfolgen. Auch die Aussage der Zeugin F., der zufolge die Klägerin bis zumindest ca. 13.50 Uhr nicht mehr im gemeinsamen Dienstzimmer war und sich die Tasche, die die Klägerin morgens noch bei sich hatte, nicht mehr im Bereich des Arbeitsplatzes der Klägerin war, spricht dafür, dass die Klägerin, nachdem sie unstreitig zumindest mit einem Mantel oder Jacke bekleidet im nördlichen Treppenhaus gesehen wurde, das Gerichtsgebäude verlassen hat. Jedenfalls im Hinblick auf die Zeugin F. ist im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin ein Eigeninteresse nicht erkennbar. Ausweislich des Vermerks des Direktors des Amtsgerichts vom 06.12.2010 hat die Zeugin F. nicht von sich aus das Gespräch mit dem Direktor des Amtsgerichts gesucht, sondern wurde erst befragt, nachdem die Zeugin M. den Direktor des Amtsgerichts über ihre Beobachtung im Treppenhaus unterrichtet hatte. Im Übrigen bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Zeuginnen im Falle einer zugunsten der Klägerin ausfallenden Aussage mit Nachteilen durch den Direktor des Amtsgerichts hätten rechnen müssen. Weiter indiziell spricht für die vom Arbeitsgericht festgestellte Tatsache, dass die Klägerin ihrerseits weder bei der Anhörung durch den Direktor des Amtsgerichts noch im vorliegenden Verfahren eine plausible und nachvollziehbare Erklärung dafür hat geben können, welchen Arbeiten sie zwischen 12.50 Uhr und 13.50 Uhr nachgegangen sein will.

40

Ebenso wenig zu beanstanden ist, dass das Arbeitsgericht davon ausgegangen ist, dass die Klägerin den am nachfolgenden Tag herein gereichten Korrekturbeleg nicht aus Nachlässigkeit, sondern vorsätzlich falsch ausgefüllt hat. Auch nach Auffassung der Berufungskammer ergibt sich die innere Tatsache des Vorsatzes aus der erheblichen Abweichung zwischen dem angegebenen Arbeitszeitende und dem tatsächlichen Verlassen des Dienstgebäudes.

41

3. Die im Rahmen der Prüfung des wichtigen Grundes vorzunehmende Interessenabwägung führt vorliegend zu einem Überwiegen des Interesses des beklagten Landes an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand unter Bewertung des Einzelfalles und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abzuwägen. Die hierbei zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragsverletzung, etwa im Hinblick auf das Maß durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (vgl. etwa BAG 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32).

42

Auf die Möglichkeit einer (weiteren) Abmahnung muss sich das beklagte Land im vorliegenden Fall nicht verweisen lassen. Die Klägerin wurde am 06.05.2009 und 22.10.2010 bereits jeweils berechtigt im arbeitsrechtlichen Sinne abgemahnt. Die Berechtigung der Abmahnungen hat die Klägerin nicht bestritten. Die Abmahnungen betreffen auch den gleichen Pflichtenkreis. Die Abmahnung vom 06.05.2009 beinhaltet den Vorwurf des Verstoßes gegen die Dienstvereinbarung zur gleitenden Arbeitszeit. Die Abmahnung vom 22.10.2010 hinsichtlich der nicht berechtigten Internetnutzung während der Arbeitszeit erfährt ihre sachliche Rechtfertigung dadurch, dass während einer solchen Internetnutzung der Arbeitnehmer die ihm obliegende Arbeit nicht erbringt. Zu berücksichtigen ist auch, dass bereits die genannte Dienstvereinbarung in Ziffer 14 ausdrücklich auf strafrechtliche oder dienstordnungsrechtliche Maßnahmen bei Vortäuschung einer in Wirklichkeit nicht geleisteten Arbeitszeit sowie Manipulationen hinweist. Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (BAG 13.12.2007- 2 AZR 818/06 - EzA § 4 nF KSchG Nr. 82). Hinzu kommt, dass es sich bei einer derartigen Arbeitszeitmanipulation um eine so schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist. Eine Abmahnung als milderes Mittel um Vertragsstörungen zukünftig zu beseitigen, scheidet damit vorliegend aus.

43

Ebenfalls als milderes Mittel scheidet die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung aus. Diese ist im Falle der Klägerin nach § 34 Abs. 2 TV-L ausgeschlossen. Dieser tarifliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung wirkt sich im vorliegenden Fall jedenfalls nicht zugunsten der Klägerin aus. Hinsichtlich der Auswirkungen eines bestehenden tariflichen Schutzes gegen ordentliche Kündigungen ist bei verhaltensbedingten Gründen zu unterscheiden: Pflichtverletzungen können so gravierend sein, dass sie die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf Zeit schlechthin unzumutbar machen. In diesen Fällen kann auch ein tarifvertraglicher Ausschluss der ordentlichen Kündigung zu keiner anderen Interessenabwägung führen. Bei Pflichtverletzungen mit Wiederholungsgefahr, die im konkreten Fall bei ordentlicher Kündbarkeit nur eine fristgerechte Kündigung sozial rechtfertigen würden, kann bei Ausschluss dieser Kündigungsmöglichkeit gerade wegen der langen Vertragsbindung eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein (vgl. etwa KR-Kündigungsschutzgesetz/Fischermeier, 9. Auflage, § 626 BGB, Rz. 301 b, m. w. N.). Im vorliegenden Fall liegt eine Pflichtverletzung vor, die so gravierend ist, dass sie die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf Zeit schlechthin unzumutbar machen. Zugunsten der Klägerin sind im Rahmen dieser Abwägung zwar deren lange Betriebszugehörigkeit von mehr als 20 Jahren sowie die bestehende Unterhaltspflicht gegenüber ihrem Kind zu berücksichtigen. Andererseits ist das Arbeitsverhältnis aber nicht ungestört verlaufen. Neben den genannten Abmahnungen hat die Beklagte mit ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 05.04.2011 unter Vorlage entsprechender Akten- und Gesprächsvermerke dargelegt, dass mit der Klägerin bereits früher verschiedene Personalgespräche wegen Pflichtverletzungen geführt werden mussten. Die Klägerin ihrerseits ist dieser Sachdarstellung nicht entgegen getreten. Soweit die Klägerin mit ihrer Berufung rügt, das Arbeitsgericht habe eine bestehende Erkrankung nicht ausreichend berücksichtigt, lässt sich diesem Sachvortrag der Klägerin nicht entnehmen, um welche Art von Erkrankung mit welchen Folgen es sich handeln soll und inwieweit die behauptete Pflichtverletzung mit dieser Erkrankung in Zusammenhang stehen soll.

44

Auch unter Berücksichtigung der zugunsten der Klägerin sprechenden Gesichtspunkte überwiegt vorliegend das Interesse des beklagten Landes an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wie ausgeführt, ist davon auszugehen, dass die Klägerin den Korrekturbeleg vorsätzlich falsch ausgefüllt hat, so dass ihr ein erhebliches Verschulden zur Last zu legen ist. Ihr Verhalten stellt einen erheblichen Vertrauensverstoß dar. Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass gerade im Bereich der durch die Angestellten selbst zu betätigenden Zeiterfassung das beklagte Land auf die korrekten Angaben der Angestellten angewiesen ist. Eine ständige Kontrolle der Anwesenheitszeiten ist nicht möglich. Bei einer derartigen Arbeitszeitgestaltung ist der Arbeitgeber vielmehr auf die Redlichkeit der Arbeitnehmer angewiesen. Wird diese fehlende Kontrollmöglichkeit durch eine vorsätzliche Arbeitszeitmanipulation genutzt, ist das für eine weitere Zusammenarbeit notwendige Vertrauen unwiederbringlich zerstört.

45

4. Das beklagte Land hat schließlich auch die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat.

III.

46

Die Berufung der Klägerin war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Ein Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.

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Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2009 - 7 Sa 2017/08 - aufgehoben.

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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Eingliederungshilfe erhält, wer die erforderliche Leistung nicht von anderen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil dieser Teil entsprechende Leistungen vorsieht; dies gilt insbesondere bei einer gesetzlichen Verpflichtung der Träger anderer Sozialleistungen oder anderer Stellen, in ihrem Verantwortungsbereich die Verwirklichung der Rechte für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten oder zu fördern.

(3) Das Verhältnis der Leistungen der Pflegeversicherung und der Leistungen der Eingliederungshilfe bestimmt sich nach § 13 Absatz 3 des Elften Buches.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach, AZ: 5 Ca 1174/10 -, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit dreier fristloser, hilfsweise ordentlich ausgesprochener Kündigungen der Beklagten mit Daten 10.12.2010, 17.12.2010 und 18.02.2011.

2

Der am … 1978 geborene, verheiratete und nunmehr zwei Kindern unterhaltspflichtige Kläger ist seit dem 11.01.2001 auf Basis des Arbeitsvertrages vom 10.01.2001 (Bl. 4-8 d. A.) als Frachtagent, zuletzt mit einem Bruttomonatsentgelt von € 2.450, bei der Beklagten beschäftigt. Im Betrieb der Beklagten, die regelmäßig mehr als zehn Vollzeitarbeitnehmer ohne Hinzurechnung der Auszubildenden beschäftigt, ist ein Betriebsrat nicht installiert.

3

Das Kommen und Gehen der Mitarbeiter der Beklagten wird durch ein elektronisches Zeiterfassungsgerät erfasst, indem der Mitarbeiter einen in seinem Besitz befindlichen Magnetchip an diesem Gerät vorbeiführt. Das Zeiterfassungsgerät gibt akustisch und auch optisch in einem Display Auskunft über die ordnungsgemäße Erfassung beim einzelnen Vorgang.

4

Kommt eine Zeiterfassung, egal aus welchen Gründen, nicht elektronisch zustande, werden die Zeiten von der Personalsachbearbeiterin der Beklagten, W.-H.., auf Rückfrage manuell nachgetragen.

5

Der Ausdruck der Zeiterfassung des Klägers für den Zeitraum 04. bis 10.12.2010 (Bl. 30 d. A.), weist für den 05., 08., 09. und 10.12.2010 beim Verlassen der Arbeitsstätte keine Betätigung der Zeiterfassung aus. Die Arbeitsendzeiten des Klägers für die Tage 08., 09., 10.12.2010 wurden nach Auskunft der Kollegen des Klägers D., S. und B. nachgetragen. Für den 05.12.2010 gab der Kläger auf E-Mailnachfrage der Zeugin W.-H. vom 06.12.2010 am gleichen Tage per E-Mail (Bl. 31 d. A.) als Arbeitsende 21.15 Uhr an.

6

Mit Datum vom 10.12.2010, dem Kläger am 12.12.2010 zugegangen, kündigte die Beklagte erstmals das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich. Gegen diese Kündigung ist der Kläger mit Kündigungsschutzklage vom 21.12.2010, Gerichtseingang 22.12.2010, der Beklagten am 29.12.2010 zugestellt, vorgegangen.

7

Gegen die weiteren fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigungen der Beklagten mit Datum vom 17.12.2010 (Bl. 15 d. A.) und 18.02.2011 (Bl. 39 d. A.) richtete sich die Klageerweiterung des Klägers vom 25.02.2011 (Bl. 40/41 d.A), Gerichtseingang 28.02.2011, der Beklagten über ihren Prozessbevollmächtigten zugestellt am 03.03.2011.

8

Die Kündigung vom 10.12. und 17.12.2010 stützt die Beklagte auf vorsätzlichen Arbeitszeitbetrug am 05.12.2010. Die Kündigung vom 18.02.2011 sprach die Beklagte wegen vorsätzlich falschen Sachvortrags des Klägers im Schriftsatz vom 15.02.2011 aus.

9

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen,
zu keinem Zeitpunkt habe er wissentlich das Zeiterfassungsgerät nicht benutzt. Er sei jeweils beim Vorbeiführen des Magnetchips an der Zeiterfassung davon ausgegangen, diese funktioniere ordnungsgemäß. Hiervon überzeugt habe er sich, da es sich um einen Routinevorgang handele, nicht. In der Vergangenheit sei es auch nicht nur bei ihm, sondern auch bei Kollegen, öfter zur Fehlfunktion des Gerätes gekommen. Dass Zeiten nachträglich manuell nachzutragen seien, sei daher nicht ungewöhnlich. Auch an den Tagen 05., 08., 09. und 10.12.2010 habe er das Zeiterfassungsgerät betätigt. Es sei wohl zu keiner korrekten Erfassung gekommen. Die Angabe am 05.12.2010 erst um 21.15. Uhr seinen Arbeitsplatz verlassen habe, sei zutreffend. Die Behauptung der Beklagten, er habe um 20.00 Uhr die Arbeit verlassen, sei falsch. Der von der Beklagten benannte Arbeitskollege S. habe ihm gegenüber auf Nachfrage erklärt, er wisse nicht genau, wann er, der Kläger, die Arbeitsstelle verlassen habe; es könne 20.00 Uhr, aber auch 21.00 Uhr gewesen sein. Dem Zeugen S. sei von der Beklagten durch suggestive Fragestellung nahegelegt worden, zu behaupten, der Kläger habe um 20.00 Uhr bereits seinen Arbeitsplatz verlassen. Ein Arbeitszeitbetrug läge nicht vor.

10

Er sei bisher von der Beklagten auch nicht abgemahnt worden.

11

Der Kläger beantragte erstinstanzlich zuletzt,

12

a) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 10.12.2010, zugegangen am 12.12.2010, nicht aufgelöst worden ist;

13

b) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise aus-gesprochene ordentliche Kündigung vom 10.12.2010, zugegangen am 12.12.2010, nicht aufgelöst worden ist;

14

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sonder zu unveränderten Bedingungen über den 10.12.2010 hinaus fortbesteht;

15

a) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 17.12.2010 nicht aufgelöst worden ist;

16

b) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise aus-gesprochene ordentliche Kündigung vom 17.12.2010 nicht aufgelöst worden ist;

17

a) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 18.02.2011 nicht aufgelöst worden ist;

18

b) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise aus-gesprochene ordentliche Kündigung vom 18.02.2010 nicht aufgelöst worden ist.

19

Die Beklagten beantragte,

20

die Klage abzuweisen.

21

Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen,
der Kläger habe schon öfter beim Kommen und Gehen das Zeiterfassungsgerät nicht betätigt. Er sei diesbezüglich in der Vergangenheit mehrfach abgemahnt worden.

22

Am 05.12.2010 habe er auf Nachfrage schriftlich mitgeteilt, um 21.15 Uhr seinen Arbeitsplatz verlassen zu haben, während dies in Wirklichkeit bereits um 20.00 Uhr der Fall gewesen sei.

23

Die Behauptung des Klägers, bei seinem Weggang sei das Zeiterfassungsgerät defekt gewesen, träfe nicht zu. Sämtliche Mitarbeiter hätten sich an diesem Tag ordnungsgemäß am Zeiterfassungsgerät an- und abgemeldet. Auch am 08., 09. und 10.12.2010 habe das Zeiterfassungsgerät ordnungsgemäß funktioniert. Der Raum vor dem Zeiterfassungsgerät und der Ausgang würden von einer für die Beklagte tätigen Sicherheitsfirma mit einer Kamera überwacht. Auf der Aufnahme für den 05.12.2010 sei zu sehen, wie der Kläger aus der Tür der Dokumentation -seines Arbeitsplatzes- herauskomme und die Räume der Beklagten gegen 20.00 Uhr verlasse. Dabei habe er seinen blau-gelben Rucksack aufgehabt. Ein Versuch, das Zeiterfassungsgerät zu betätigen, sei nicht erfolgt.

24

Zur Darstellung des weitergehenden unstreitigen Tatbestands des Urteils des Arbeitsgerichtes Mainz - Auswärtige Kammer Bad Kreuznach, AZ: 5 Ca 1174/10 - vom 31.03.2011 sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichtes vom 31.05.2011 (Bl. 61 bis 67 d. A.) Bezug genommen.

25

Das Arbeitsgericht hat im Termin vom 31.03.2011 (Bl. 51-54 d. A.) Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen S.. Die weiteren vorsorglich geladenen Zeugen W.-H. und B. hat das Arbeitsgericht unvernommen entlassen. Hinsichtlich des Beweisthemas und -ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 31.03.2011 verwiesen.

26

Mit Urteil vom 31.03.2011 hat das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - die Klage abgewiesen, da die fristlose Kündigung der Beklagten mit Datum vom 10.12.2010 gemäß § 626 Abs. 1 BGB das Arbeitsverhältnis der Parteien wirksam beendet habe. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, nach der glaubwürdigen Aussage des Zeugen S., stehe fest, der Kläger habe gegen 20.00 Uhr seinen Arbeitsplatz endgültig verlassen. Er habe zu diesem Zweck sein Schreibzeug in den Rucksack gepackt und sei mit diesem aus dem Büro, welches er mit dem Zeugen S. teile, entschwunden. Der Zeuge S. habe auch glaubhaft versichert, bis zu seinem Arbeitsende um 22.15 Uhr, sei der Kläger nicht wieder erschienen. Der Zeuge habe angegeben, auch wenn er gelegentlich ins Lager gehe, um Ladelisten nachzuschauen, habe er den Kläger in dem gesamten Zeitraum nicht mehr gesehen. Außerdem, so der Zeuge, habe der Kläger schon zuvor bekundet, an diesem Arbeitstag um 20.00 Uhr nach Hause gehen zu wollen, ohne hierfür Gründe anzugeben.

27

Im Rahmen der Interessenabwägung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, da es sich um einen vorsätzlichen Arbeitszeitbetrug handele, läge eine schwere Pflichtverletzung vor. Dies sei für den Kläger auch ohne weiteres erkennbar gewesen. Eine Duldung seines Verhaltens durch den Arbeitgeber sei offensichtlich ausgeschlossen. Auch wenn man die Unterhaltspflichten des Klägers für seine Ehefrau und zwei Kinder sowie die zehnjährige Betriebszugehörigkeit berücksichtige, sei weder eine Abmahnung des Verhaltens des Klägers erforderlich, noch überwiege das Bestandsinteresse des Klägers.

28

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 23.05.2011 (Bl. 74 d. A.) zugestellt. Mit Schriftsatz vom 09.06.2011, Gerichtseingang 09.06.2011 (Bl. 90, 91 d. A.), hat der Kläger Berufung eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 18.08.2011 (Bl. 105 d. A.), diese mit bei Gericht am 18.08.2011 eingegangenem Schriftsatz (Bl. 108 ff. d. A.) begründet.

29

Der Kläger trägt vor:

30

Er bleibe dabei, er habe nicht um 20.00 Uhr das Büro verlassen und sei nach Hause gegangen, sondern erst um 21.15 Uhr. Soweit der Zeuge S. in der Verhandlung vom 31.03.2011 ausgesagt habe, er, der Kläger, habe gegen 20.00 Uhr das Büro verlassen, sage dies nichts darüber aus, wann er nach Hause gegangen sei.

31

Der Zeuge habe vielmehr auf Vorbehalt eingeräumt, nicht genau zu wissen, wann er, der Kläger, das Büro verlassen habe. Vielmehr habe der Zeuge geäußert, dies sei so um 20.00 Uhr gewesen. Hieraus habe der Zeuge den Schluss gezogen, der Kläger sei nach Hause gegangen. Darüber hinaus habe der Zeuge eingeräumt, zwischen 20.00 und 22.15 Uhr selbst auch mal das Büro verlassen zu haben, um ins Lager zu gehen. Möglich sei, dass der Zeuge S. ihn, den Kläger, in dieser Zeit daher nicht mehr gesehen habe.

32

Zu seinem Aufgabenbereich gehöre die Export-Abfertigung. Er übe seine Tätigkeit zu ca. 50 % im Büro und zu ca. 50 % außerhalb des Büros aus. Er müsse nicht nur ab und zu ins Lager gehen, um Lagerlisten abzugleichen. Am 05.12.2010 sei er - insoweit zutreffend - gegen 20.00 Uhr aus dem Büro gegangen und habe sich zu einem Flugzeug begeben, das zu beladen gewesen sei. Dies in Gesellschaft der Lademeister. Hierzu sei er durch TOR 15 gegangen und dann ca. 700-800 Meter bis zu der Stellposition des Flugszeuges gelaufen. Er habe sich so lange bei dem Flugzeug aufgehalten, bis dieses geladen gewesen sei. Nach seiner Erinnerung sei er nach Beladung des Flugzeuges noch mal ins Büro zurückgekommen, bevor er nach Hause gegangen sei. Den Zeugen S. habe er nicht mehr angetroffen.

33

Letztendlich sei auch für den Fall der Richtigkeit des Vortrages der Beklagten der Ausspruch der Kündigung unverhältnismäßig. Er sei in seiner fast zehnjährigen Betriebszugehörigkeit seinen Verpflichtungen stets zuverlässig nachgekommen. Einschlägige Abmahnungen lägen nicht vor.

34

Auch am 05.12.2010 habe er seinen Magnetchip benutzt und an der Zeiterfassung vorbeigeführt, wobei er von ordnungsgemäßer Erfassung ausgegangen sei. Es habe in der Vergangenheit vielfach Fehlfunktionen gegeben. Selbst wenn er sich hinsichtlich des Endzeitpunktes seiner Arbeit geirrt haben sollte, sei ihm dies jedenfalls nicht vorsätzlich anzulasten.

35

Der Kläger beantragt,

36

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz- Auswärtige Kammern Bad Kreuznach, vom 31.03.2011, AZ: 5 Ca 1174/10, abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentlichen Kündigungen vom 10.12.2010, 17.12.2010 und 18.02.2011 noch durch die hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen vom 10.12.2010, 17.12.2010 und 18.02.2011 beendet worden ist;

37

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 31.03.2011, AZ: 5 Ca 1174/10 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 10.12.2010 hinaus fortbesteht;

38

dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

39

Die Beklagte beantragt,

40

die Berufung zurückzuweisen.

41

Die Beklagte trägt vor:

42

Nach der Beweisaufnahme erster Instanz, die der Kläger nicht angreife, sei bewiesen, dass der Kläger um 20.00 Uhr seinen Rucksack zusammengepackt und seinen Arbeitsplatz verlassen habe.

43

Erstinstanzlich habe der Kläger behauptet, seinen Arbeitsplatz nicht um 20.00 Uhr verlassen zu haben. Nunmehr trage er vor, zwar um 20.00 Uhr seinen Büroarbeitsplatz verlassen, dann jedoch zur Abfertigung eines Flugzeuges auf das Vorfeld gegangen und letztendlich sogar noch einmal ins Büro zurückgekommen zu sein. Auch dieser Vortrag sei jedoch nachweislich falsch. Am 05.12.2010 habe die letzte Kundenmaschine der Beklagten den Flughafen um 19.33 Uhr verlassen. Etwa 30 Minuten zuvor habe das Flugzeug schon mit laufenden Triebwerken komplett verschlossen auf dem Vorfeld gestanden. Alle notwendigen Tätigkeiten durch die Beklagte seien daher spätestens um 19.00 Uhr erledigt gewesen. Darüber hinaus sei der Kläger auch nicht, wie von ihm behauptet, zwischen 20.00 Uhr und 21.15 Uhr an diesem Tage durch TOR 15 gegangen. Die Zutritte auf das Vorfeld würden durch die Firma F. GmbH, eine Tochtergesellschaft des Flughafens, die für dessen Sicherheit zuständig sei, dokumentiert.

44

Angesichts der schwerwiegenden Pflichtverletzung des vorsätzlichen Arbeitszeitbetruges komme es auf die Behauptung des Klägers seine arbeitsvertraglichen Pflichten stets zuverlässig erfüllt zu haben nicht an.

45

Für den weiteren Sachvortrag der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2011 verwiesen.

46

Die Kammer hat im Hinblick auf den neuen Sachvortrag des Klägers in der Berufungsinstanz Beweis erhoben im Termin vom 20.10.2011 (Bl. 140-147 d. A.) durch Vernehmung der Zeugen A. und B.. Hinsichtlich der Beweisthemen und des -ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20.10.2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe

47

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß § 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 513, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Berufung ist zulässig.

48

Der Kläger hat nach Zustellung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 31.03.2011, am 23.05.2011 innerhalb der Monatsfrist des § 64 Abs. 2 ArbGG mit am 09.06.2011 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 18.08.2011 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit bei Gericht am 18.08.2011 eingegangenem Schriftsatz begründet.

I.

49

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.

50

Das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - hat mit seinem Urteil vom 31.03.2011 die Klage des Klägers zu Recht abgewiesen.

51

Die Angriffe des Klägers gegen das arbeitsgerichtliche Urteil und auch der neue Sachvortrag des Klägers in der Berufungsinstanz sind nicht geeignet, eine Abänderung der Entscheidung zu bedingen. Schon die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.12.2011 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB wirksam außerordentlich, fristlos beendet. Auf die Wirksamkeit der Kündigung der Beklagten vom 17.12.2010 und 18.02.2011 kam es nicht an.

52

Im Einzelnen:

53

1. Die Klage des Klägers ist unzulässig, soweit der Kläger seinen allgemeinen Feststellungsantrag weiter verfolgt.

54

a) Die mit dem Berufungsantrag zu 1) in objektiver Klagehäufung, § 260 ZPO, weiter verfolgten besonderen Feststellungsklagen, die Kündigungen vom 10.12.2010, 17.12.2010 und 18.02.2011 betreffend, sind als Kündigungsschutzanträge gem. §§ 4,7,13 KSchG ohne weiteres Feststellungsinteresse zulässig.

55

b) Die im Berufungsantrag zu 2) weiter verfolgte allgemeine Feststellungsklage ist jedoch unzulässig, da ein besonderes Festsstellungsinteresse i.S.d. § 256 ZPO nicht vorliegt. Diese Voraussetzung der Zulässigkeit der Klage muß im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz erfüllt sein.

56

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - AP KSchG 1969 § 4 Nr.; 27. Januar 1994 - 2 AZR 484/93 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 28) ist neben der gegen eine bestimmte Kündigung gerichteten Kündigungsschutzklage die Erhebung einer allgemeine Feststellungsklage auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses möglich. Die Feststellungsklage nach § 256 ZPO setzt auch im Kündigungsschutzprozess ein besonderes Feststellungsinteresse voraus. Dieses besteht nicht schon deshalb, weil eine bestimmt bezeichnete Kündigung ausgesprochen worden und wegen dieser ein Kündigungsschutzprozess anhängig ist. Es ist vielmehr erforderlich, dass der klagende Arbeitnehmer durch Tatsachenvortrag weitere streitige Beendigungstatbestände in den Prozess einführt oder wenigstens deren Möglichkeit darstellt und damit belegt, warum dieser, die Klage nach § 4 KSchG erweiternde, Antrag zulässig sein, dh. warum an der - noch dazu alsbaldigen - Feststellung ein rechtliches Interesse bestehen soll (BAG 12.05.2005 - 2 AZR 426/04 - NZA 2005, 1259-1262). Hieran fehlt es im Streitfall. Der Kläger hat alle zwischen den Parteien streitigen Beendigungstatbestände mit konkret bezeichneter Kündigungsschutzklage angegriffen. Das weitere Beendigungstatbestände absehbar im Raume stehen und zu erwarten sind, hat er nicht behauptet. Der Kläger begründet den Klageantrag an keiner Stelle.

57

2. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.12.2010 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 626 BGB beendet.

58

a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, da der Kläger seit 2001, somit länger als sechs Monate i. S. v. § 1 Abs. 1 KSchG, bei der Beklagten tätig ist und die Beklagte unstreitig mehr als zehn Arbeitnehmer i. S. v. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt.

59

Der Kläger hat die Kündigung vom 10.12.2010 mit bei Gericht am 22.12.2010 eingegangener und der Beklagten am 29.12.2010 zugestellter Klage fristgerecht innerhalb der Drei-Wochen-Frist der §§ 4, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG angegriffen. Die Fiktion des § 7 KSchG ist nicht eingetreten. Die Kündigung der Beklagten vom 10.12.2010 war daher an den Voraussetzungen des § 626 BGB zu messen.

60

b) Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden, wenn dem Kündigungsberechtigten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist (vorliegend nach § 13 Abs. 2 des Arbeitsvertrages der Parteien i. V. m. § 622 BGB zum 31.03.2011) unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann. Darüber hinaus hat der in diesem Sinne Kündigungsberechtigte die Kündigungsausspruchsfrist des § 626 Abs. 2 BGB einzuhalten.

61

aa) Die Beklagte hat die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten. Anlass der Kündigung vom 10.12.2010 ist nach Behauptung der Beklagten vorzeitiges Verlassen der Arbeitsstelle am 05.12.2010 und Falschangabe des Ende der Arbeitszeit am 06.12.2010. Der Zugang der Kündigung am 12.12.2010 lag innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB.

62

bb) Die Prüfung, ob ein bestimmter Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB darstellt, erfolgt im Rahmen einer abgestuften Prüfung im Wege zweier systematisch selbständiger Abschnitte (BAG 26.03.2009 - 2 AZR 953/08 - AP BGB § 626 Nr. 220). Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob ein bestimmter Lebenssachverhalt unter Außerachtlassung der besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet sein kann, einen wichtigen Grund abzugeben. Dabei bedarf es dem Grunde nach zur Verwirklichung eines wichtigen Grundes keines schuldhaften Verhaltens. Im Rahmen der Prüfung verhaltensbedingter Gründe wird jedoch wegen der notwendigen Interessenabwägung in der Regel nur bei schuldhaft vorwerfbarem Verhalten ein wichtiger Grund anzunehmen sein (BAG 14.02.1996, 2 AZR 274/95, AP BGB § 626 Verdacht strafbare Handlung Nr. 26, 20.11.1997, 2 AZR 643/96, AP KSchG 1969, § 1 Nr. 43). Geht der Arbeitnehmer trotz eines objektiven Vertragsverstoßes von der Rechtsmäßigkeit seines Verhaltens aus, ist Verschulden ausschließlich zu verneinen, wenn ein unvermeidbarer Verbotsirrtum vorlag. Bei vermeidbarem Verbotsirrtum ist schuldhaftes Verhalten gegeben. Der Grad der Fahrlässigkeit wird dann im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt.

63

Spricht der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung aus, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast für die Kündigungsgründe (BAG 06.08.1987, 2 AZR 226/87, AP, BGB § 626 Nr. 97). Vom Kündigungsempfänger geltend gemachte Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe sind von dem Kündigenden zu widerlegen (BAG 17.06.2003 - 2 AZR 123/02 - AP ZPO 1977 § 543 Nr. 13; 06.09.2001 - 2 AZR 264/06 - NZA 1008, 636; 12.05.2010 - 2 AZR 587/08 - AP Nr. 67 zu § 15 KSchG 1969). In diesem Falle hat der Kündigungsempfänger im Rahmen abgestufter Darlegungslast die tatsächlichen Grundlagen zur Rechtfertigung oder Entschuldigung substantiiert konkret darzulegen, der Kündigende hierauf entsprechend zu erwidern und nötigenfalls Beweis anzubieten (BAG 06.08.1987 - 2 AZR 286/87 - AP BGB § 626 Nr. 97; LAG Rheinland-Pfalz 01.10.2008 - 7 Sa 263/08 - zitiert nach Juris). Ist auf dieser ersten Stufe festgestellt, ein an sich zur Kündigung geeigneter tatsächlicher Sachverhalt liegt vor, ist auf zweiter Stufe im Rahmen einer abschließenden Interessenabwägung unter Abwägung des Bestandsinteresses des Kündigungsempfängers und des Beendigungsinteresses des Kündigungserklärenden festzustellen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Kündigungserklärenden zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist, wobei die Umstände der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses der Kündigungserklärende ebenfalls zu beweisen hat (BAG 24.11.1983 - 2 AZR 327/82 - AP BGB § 626 Nr. 76; 26.03.2009 - 2 AZR 953/07 - AP Nr. 220 zu § 626 BGB jew. m. w. N.).

64

Das Gesetz kennt auch im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen des Arbeitnehmers keine absoluten Kündigungsgründe. Es bedarf daher stets einer umfassenden auf den Einzelfall bezogenen Prüfung und Interessenabwägung dahingehend, ob dem Kündigungsberechtigten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist (BAG 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 - NZA 2010, 1227). Dabei kommt es für die Kündigungserheblichkeit nicht entscheidend auf die strafrechtliche Bewertung an, sondern auf die Zerstörung des arbeitsvertraglichen Vertrauensverhältnis. Rechtswidrige und vorsätzliche Handlungen des Arbeitnehmers, die sich unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers richten, können jedoch auch dann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sein, wenn die Pflichtverletzung nur Sachen von geringem Wert betrifft oder nur zu einem geringfügigen möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat (BAG, 2. Senat, 10.06.2010 - a.a.O.).

65

cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen, die auch das Arbeitsgericht zugrunde gelegt hat, ist dieses zutreffend zu der Ansicht gelangt, die Kündigung der Beklagten vom 10.12.2010 habe das Arbeitsverhältnis der Parteien wirksam außerordentlich, fristlos beendet.

66

Der Kläger und Berufungskläger hat keine ausreichenden konkreten Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenerhebung und Feststellungen des Arbeitsgerichtes begründen könnten (§ 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO).

67

Der neue Tatsachenvortrag des Klägers in der Berufungsinstanz (§ 520 Abs. 3 Nr. 4 ZPO) ändert hieran nichts.

68

(1) Gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellung begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Diese mit der Zivilprozessreform im Jahre 2001 eingeführte Bestimmung bedeutet zwar nicht, dass die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichtes bezogen auf die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen nur auf Verfahrensfehler in Form einer Revisionskontrolle beschränkt wären. Es kommt jedoch in § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, das Berufungsgericht grundsätzlich an die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen zu binden. Eine erneute Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht ist nach der Gesetzesformulierung die Ausnahme ("soweit nicht …"). Dies war auch die Absicht des Gesetzgebers (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Bundesdrucksache 14/4722, S. 100). Aus den Gesetzesmaterialien folgt, dass die zwecks Entlastung der Berufungsgerichte vorgesehene grundsätzliche Bindung an die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen sich auf solche Tatsachenfeststellungen bezieht, welche die erste Instanz bereits vollständig und überzeugend getroffen hat.

69

Die Anforderungen an die Voraussetzung einer erneuten Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht dürfen jedoch im Hinblick auf den Grundgedanken der materiellen Kräftigkeit nicht überspannt werden. Vernünftige Zweifel liegen daher nicht nur dann vor, wenn die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen verfahrensfehlerhaft erhoben worden sind, sondern auch dann, wenn konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Feststellungen unvollständig und unrichtig getroffen sind (BGH 09.03.2005 - VII ZR 2 66/03 - NJW 2005, 972). Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen können sich aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung (Bundesverfassungsgericht 12.06.2003 - 1 BVR 2385/02 - NJW 2003, 2534) dann ergeben, wenn das Berufungsgericht das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders würdigt als das Gericht der Vorinstanz. Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichtes an die erstinstanzlich getroffenen Feststellung entfallen lässt, können sich auch ergeben, wenn die Beweiswürdigung nicht den Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO genügt, weil sie unvollständig oder in sich widersprüchlich ist oder gegen Denk- und Erfahrungsgesetze verstößt (BGH 12.03.2004 - V ZR 257/03 - NJW 2004, 845).

70

Diese Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers nicht. Er ist nicht geeignet Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen im Rahmen der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen S. zu wecken. Die Berufungskammer teilt vielmehr die vom Arbeitsgericht vorgenommene Bewertung der Glaubwürdigkeit und tatsächlichen Richtigkeit der Aussage des Zeugen S..

71

Das Arbeitsgericht hat angenommen, der Zeuge S. habe glaubhaft und ohne Widersprüche dargelegt, der Kläger sei gegen 20.00 Uhr gegangen, habe zuvor seinen Rucksack gepackt und diesen mitgenommen. Des Weiteren für glaubhaft hielt das Arbeitsgericht die Ausführung des Zeugen S, der Kläger habe schon zuvor ohne Angabe von Gründen angekündigt, an diesem Tag die Arbeit um 20.00 Uhr verlassen zu wollen.

72

Der Kläger, der erstinstanzlich noch vorgetragen hat, es sei davon auszugehen, die Beklagte habe den Zeugen S. durch suggestiv Fragestellung veranlasst auszusagen, der Kläger habe den Arbeitsplatz um 20.00 Uhr verlassen, hat diese Behauptung in der Berufungsinstanz nicht mehr aufrechterhalten. Vielmehr trägt der Kläger nunmehr selbst vor, es sei tatsächlich zutreffend, er habe seinen Büroarbeitsplatz um 20.00 Uhr verlassen. Auch, so nunmehr der Kläger, zutreffend sei, dass er nachfolgend den Zeugen S. nicht wieder angetroffen habe. Damit hat der Kläger jedoch die Aussage des Zeugen S., der Kläger habe um 20.00 Uhr das Büro verlassen und sei dem Zeugen nicht mehr wieder begegnet, unstreitig gestellt.

73

Nicht weiter bestritten hat der Kläger in der Berufungsinstanz, die Aussage des Zeugen S., der Kläger habe vor Verlassen seines Büros seinen Rucksack gepackt, nachdem er schon zuvor mitgeteilt habe, er werde gegen 20.00 Uhr nach Hause gehen.

74

Der Inhalt der Zeugenaussage des Zeugen S. ist daher vom Kläger in der Berufungsinstanz nicht mehr in Frage gestellt worden. Der Schluss des Arbeitsgerichtes, der Kläger habe nach der Ankündigung die Arbeit gegen 20.00 Uhr zu beenden, nach Packen seines Rucksackes und Verlassen des Arbeitsplatzes, die Arbeit auch um 20.00 Uhr beendet, ist stringent, logisch nachvollziehbar und verstößt nicht gegen Denkgesetze.

75

Die Würdigung der Aussage des Zeugen S. durch das Arbeitsgericht erfolgte auch unter Einbeziehung der Tatsache, dass der Zeuge gelegentlich zwischen 20.00 Uhr und 22.15 Uhr (Arbeitszeitende des Zeugen S. am 05.12.2010) das Büro Richtung Lager verlassen hat. Da der Zeuge jedoch ebenfalls berichtete, der Kläger habe zuvor angekündigt gegen 20.00 Uhr nach Hause zu gehen und der Kläger tatsächlich unter Mitnahme des zuvor gepackten Rucksackes dementsprechend handelte, ist die Würdigung des Arbeitsgerichtes überzeugend und zutreffend.

76

(2) Ausschließlich der Vortrag des Klägers, er habe am 05.12. noch nach 20.00 Uhr das Tor 15 durchschritten, um eine Frachtmaschine abzufertigen, hat die Kammer dazu veranlasst, weiteren Beweis durch Vernehmung der von der Beklagten aufgebotenen Zeugen A. und B. zu erheben (§§ 64 Abs.6, 67 ArbGG, 529 Abs.2 Nr.2, 520 Abs.3 Nr.4 ZPO).

77

Der Vortrag des Klägers in der Berufung er habe noch nach 20.00 Uhr die Beladung einer Frachtmaschine abgefertigt war nicht als verspätet zurück zu weisen. § 67 ArbGG, der § 531 ZPO als Spezialregelung vorgeht (vgl. BAG 15.02.2005 - 9 AZN 892/04 - NZA 2005, 484-486) lässt eine Zurückweisung nicht zu. Eine Zurückweisung des Vorbringens des Klägers gemäß § 67 Abs. 1 ArbGG ist offensichtlich nicht möglich, da ein wirksamer Ausschluss dieses Parteivorbringens durch das Arbeitsgericht in 1. Instanz nicht erfolgt ist.Auch eine Zurückweisung gemäß § 67 Abs. 2 ArbGG kommt vorliegend nicht in Betracht. Eine Auflage des Arbeitsgerichtes an den Kläger gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ArbGG Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe substantiiert darzulegen ist nicht erteilt worden. Eine derart konkrete Auflage mit ausreichender Belehrung wäre jedoch erforderlich gewesen, um die Rechtsfolge des § 67 Abs. 2 ArbGG auszulösen (vgl. Schwab/Weth, Kommentar zum Arbeitsgerichtsgesetz, 2. Aufl., § 67, Rn. 24 bis 26). Letztlich scheidet auch eine Zurückweisung gemäß § 67 Abs. 3 ArbGG in Verbindung mit § 282 Abs. 1 bis 3 ZPO (allgemeine Prozessförderungspflichten) aus. Denn unabhängig von der Frage etwaiger Verletzung von Prozessförderungspflichten ist eine Zurückweisung dann nicht möglich, wenn die Zulassung nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichtes die Erledigung des Rechtsstreites nicht verzögert oder wenn die Partei das Vorbringen in erster Instanz nicht aus grober Nachlässigkeit unterlassen hat. Der Kläger hat gem. § 67 Abs.4 ArbGG mit der Berufungsbegründung den neuen Tatsachenvortrag eingeführt. Die Zeugenladung zum ersten Kammertermin war, nachdem der Beklagten rechtliches Gehör gewährt wurde, möglich. Eine Verzögerung des Rechtstreites trat nicht ein. Daher scheidet Zurückweisung wegen Verspätung aus (BAG 23.11.1988 - 4 AZR 393/88 - NZA 1989, 436-438).

78

Die Vernehmung der weiteren Zeugen hat jedoch zu keiner anderen Bewertung des Sachverhaltes geführt.

79

Der Zeuge B. hat im Beweistermin vom 20.10.2011 (Bl. 144, 145 d. A.) geschildert, das TOR 15 liege im Hauptsicherheitsbereich. Der Zugang zum Rollfeld werde 24 Stunden täglich durch Wachpersonal überwacht. Zum Durchqueren sei immer eine Personenkontrolle sowohl als Sicht- als auch als elektronische Laserkontrolle des Ausweises erforderlich. Dabei werde einerseits die Übereinstimmung der Person mit dem Ausweis visuell und andererseits die Gültigkeit des Ausweises elektronisch geprüft. Danach werde das Tor geöffnet. Das Prozedere gelte für Fußgänger und für Autofahrer. Diesbezüglich bestünde eine Dienstanweisung, die das Verfahren in genau dieser Form regele. Die elektronischen Kontrolldaten des Systems wiesen für den Zeitraum 05.12.2010 zwischen 17.32 Uhr und 20.52 Uhr kein Durchschreiten des Tores seitens des Klägers aus. Er könne jedoch, so der Zeuge, nicht ausschließen, dass im Einzelfall von dem Prozedere abgewichen werde.

80

Nach der Aussage des Zeugen M. hätte das Durchschreiten des Tores durch den Klägers aufgrund elektronischer Erfassung des Ausweises protokolliert werden müssen, was gegen ein Durchschreiten des Tores 15 in dem vom Kläger behaupteten Zeitraum spricht. Der Zeuge konnte jedoch Abweichungen von der Dienstanweisung im Einzelfall nicht ausschließen. Da der Kläger dem Wachpersonal aufgrund seiner nahezu zehnjährigen Tätigkeit bekannt sein dürfte, kann es zu Unterlassungen im Kontrollbereich gekommen sein. Die Aussage des Zeugen B. war daher nicht geeignet, ausreichend sichere Überzeugung des Gerichtes zu erbringen, der Kläger habe das TOR 15 nicht wie behauptet durchschritten.

81

Die Aussage des Zeugen A. ist nach Ansicht der Kammer jedoch geeignet, auszuschließen, der Kläger habe an diesem 05.12.2010 noch nach 20.00 Uhr eine Frachtmaschine abgefertigt.

82

Der Zeuge A. hat, unter Vorlage des Ausdruckes der Gesamtabfertigungsliste des Flughafen (Bl.152 d.A.) für den 05.12.2010, ausgesagt, für diesen Tag seien nur drei Kundenflugzeuge auf dieser Liste aufgeführt. Eines dieser Flugzeuge, so hat der Zeuge unter Vorlage des Ladungsnachweises dargelegt (Bl.153 d.A.), sei nicht am 05.12.2010, sondern am 06.12.2010 beladen worden und sei erst am 07.12.2010 abgeflogen. Für dieses Flugzeug habe für den Kläger am 05.12.2010 kein Anlass bestanden, das Rollfeld zu betreten. Die weiteren Flüge, die Kunden der Beklagten betrafen, hätten, nach Aussage des Zeugen und des vorgelegten Ausdrucks, den Flughafen schon um 19.17 Uhr und 19.33 Uhr verlassen. Der Abflug sei schon vor der behaupteten Durchschreitung des Tores durch den Kläger erfolgt. Darüber hinaus, so der Zeuge A., sei die Abfertigung durch die Beklagte schon mindestens dreißig Minuten vor Abflug vollzogen gewesen.

83

Der Zeuge hat (Bl. 143, 144 und 146, 147 d. A.) deutlich zum Ausdruck gebracht, Aufgabe des Klägers sei weder das Laden noch das Entladen, sondern nur das Verbringen der Ladepapiere zum Flugzeug gewesen. Deswegen, so der Zeuge, komme es auf die Frage, wann das Flugzeug ankomme, nicht an. Entscheidend sei ausschließlich, ob am 05.12.2010 geladen worden sei und somit vor dem Abflug Papiere zu übergeben gewesen seien. Dies sei, bis auf die von dem Zeugen vorgetragenen zwei Flüge, am 05.12.2010 nicht der Fall gewesen. Arbeitnehmer der Beklagten hätten nach Abflug des letzten Flugzeuges, so auch zu der Zeit, als der Kläger behaupte, auf dem Rollfeld Tätigkeiten verrichtet zu haben, keinen Anlass gehabt, sich auf dem Rollfeld zu befinden.

84

Der Zeuge A. hat nach Ansicht der Kammer stringent und ohne innere Widersprüche seine Aussage gemacht. Er hat seine Aussagen jeweils mit Ausdrucken der Computerstatistik belegt. Die Schilderung des Zeugen hinsichtlich des Ablaufes der notwendigen Tätigkeiten und hinsichtlich der Zeiten, zu denen Mitarbeiter sich auf das Rollfeld zu begeben haben, ist widerspruchsfrei. Der Zeuge hat darüber hinaus darauf hingewiesen, es komme zeitweise durchaus vor, dass andere Mitarbeiter, als solche der Dokumentation, die Papiere zu den abzufertigenden Maschinen verbringen. Auch unter Berücksichtigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses des Zeugen zur Beklagten ist keine unsachliche Belastungstendenz zu erkennen. Die Aussage ist überzeugend und glaubwürdig.

85

(3) Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO ist bei umfassender Würdigung der erhobenen Beweise Ziel der Beweiswürdigung die Beantwortung der Frage, ob eine streitige Behauptung als erwiesen angesehen werden kann, d. h. das Gericht von der Wahrheit der behaupteten Tatsache überzeugt ist. Dies ist dann der Fall, wenn eine Gewissheit besteht, die Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie letztendlich vollständig ausschließen zu können. Weniger als Überzeugung von der Wahrheit reicht für das Bewiesensein dabei nicht aus. Ein bloßes Glauben, Wähnen, für wahrscheinlich halten, berechtigt den Richter nicht zur Bejahung des streitigen Tatbestandsmerkmales. Mehr als subjektive Überzeugung ist jedoch letztendlich nicht gefordert. Absolute Gewissheit ist nicht zu verlangen (vgl. Zöller, Kommentar zur ZPO, 27. Auflage, § 286 Rn 18, 19). Gemessen an diesen Anforderungen ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger am 05.12.2010 tatsächlich, wie von der Beklagten behauptet, die Arbeitsleistung um 20.00 Uhr beendet und nachfolgend am 06.12. vorsätzlich 21.15 Uhr als Arbeitsende angegeben hat.

86

Schon die Aussage des Zeugen S. belegt dies. Der Kläger hat im Gegensatz zum erstinstanzlichen Vortrag nunmehr unstreitig gestellt, dass er gegen 20.00 Uhr seinen Büroarbeitsplatz verlassen hat, ohne nachfolgend dem Zeugen noch einmal begegnet zu sein. Die Aussage des Zeugen S., der Kläger habe schon zuvor angekündigt, am 05.12.2010 gegen 20.00 Uhr die Arbeit zu beenden, hat der Kläger in der Berufung nicht in Abrede gestellt. Nach der glaubwürdigen und vom Kläger auch nicht substantiiert angegriffenen Aussage des Zeugen S. hat der Kläger um 20.00 Uhr mit gepacktem Rucksack seinen Büroarbeitsplatz verlassen, nachdem er zuvor schon Arbeitsende für 20.00 Uhr angekündigt hatte und ist nicht mehr zurückgekommen.

87

Der in der Berufung nachgeschobene Sachvortrag steht teilweise im Widerspruch zum erstinstanzlichen Vortrag des Klägers, was im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen ist. Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, die Beklagte habe den Zeugen S. beeinflusst auszusagen, der Kläger habe seinen Arbeitsplatz um 20.00 Uhr verlassen. Zweitinstanzlich hat er nunmehr zugestanden um 20.00 Uhr seinen Büroarbeitsplatz verlassen zu haben. Nunmehr trägt er vor, um 20.00 Uhr das Rollfeld aufgesucht zu haben.

88

Auch der in der Berufung nachgeschobene, teilweise im Widerspruch zum erstinstanzlichen Vortrag des Klägers stehende Sachvortrag ist als widerlegt anzusehen. Zwar hat nach Ansicht der Kammer die Aussage des Zeugen B. insoweit keine ausreichende Überzeugung von der Wahrheitswidrigkeit dieser Behauptung ergeben, jedoch die Aussage des Zeugen A.. Dieser hat glaubhaft versichert, nach Abfertigung des Fluges, der 19.33 Uhr den Flughafen verlassen habe, habe keiner der Mitarbeiter Anlass gehabt, das Rollfeld zu betreten.

89

Der Kläger hat daher am 06.12.2010 sein Arbeitszeitende um 1 ¼ Stunden nach hinten verlegt ohne in dieser Zeit Arbeitsleistung erbracht zu haben.

90

dd) Die Pflichtverletzung des Klägers geschah auch vorsätzlich. Soweit der Kläger in der Berufung in einem Halbsatz darauf hinweist, im Falle der Fehlfunktion des Zeitaufzeichnungsgerätes läge möglicherweise hinsichtlich des Arbeitsendes Fahrlässigkeit vor, ist dies mit seinem Vortrag nicht vereinbar. Der Kläger hat erstinstanzlich, wie zweitinstanzlich behauptet, bis um 21.15 Uhr Tätigkeiten für die Beklagte verrichtet zu haben. Erstinstanzlich hat er diese nicht weiter substantiiert, sondern ausschließlich seinem Bürokollegen S. fehlerhafte Erinnerung bzw. der Beklagten suggestive Beeinflussung des Zeugen vorgeworfen, was er zweitinstanzlich nicht mehr aufrechterhalten hat. Vielmehr hat er einen im wesentlichen anderen Sachverhalt, nämlich Tätigkeiten auf dem Rollfeld nach 20.00 Uhr und mögliche Rückkehr zum Büro behauptet. Die Annahme, die Arbeitszeitangabe 21.15 Uhr für den 05.12.2010 sei wegen Fehlfunktion des Zeitaufzeichnungsgerätes versehentlich erfolgt, ist nach dem Vortrag des Klägers ausgeschlossen. Der Kläger hat daher zu Lasten der Beklagten einen vorsätzlichen Zeitbetrug verwirklicht.

91

ee) Einer Beweisaufnahme durch Inaugenscheinnahme der Videoaufnahmen der Beklagten (§ 371 ZPO) bedurfte es daher nicht. Es kann auch offen bleiben, ob diese prozessual verwertbar sind. Auch wenn dies nicht der Fall wäre, stehen sie jedenfalls der Verwertung der erhobenen Beweismittel nicht entgegen. Im Streitfall geht es nicht um Erkenntnisse, die die Beklagte tatsächlich nur durch die möglicherweise rechtswidrige Videoüberwachung hat gewinnen können. Sie waren ihr unabhängig davon zugänglich. Die Benennung und die Befragung der Kollegen des Klägers und der Mitarbeiter von Drittfirmen waren auch ohne technische Überwachung möglich. Damit kommt einer möglichen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers kein solches Gewicht zu, dass unter Berücksichtigung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs ein Außerachtlassen der sonstigen Erkenntnisse gerechtfertigt wäre. Vielmehr kann einer Prozesspartei die Möglichkeit, für sie günstige Tatsachen mit rechtlich unbedenklichen Mitteln nachzuweisen, nicht deshalb versagt werden, weil sie das Wissen von der Geeignetheit eines solchen Mittels auf rechtswidrige Weise erlangt haben könnte (zur Begrenzung der Fernwirkung von Verwertungsverboten vgl. auch BVerfG 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1686/04 - zu 2 b der Gründe, BVerfGK 7, 61). Das gilt im Streitfall umso mehr, als es um den Nachweis eines schwerwiegenden Vertrauensbruchs geht (BAG 16.12.2010 - 2 AZR 485/08 - NZA 2011, 571-575)

92

ff) Das Fehlverhalten des Klägers bedurfte auch keiner Abmahnung. Nach der Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichtes (10.06.2010, 2 AZR 541/09 a. a. O.) war eine Abmahnung im vorliegenden Falle deshalb entbehrlich, weil keinerlei objektive Anhaltspunkte ersichtlich sind, die annehmen lassen könnten, der Kläger habe davon ausgehen dürfen, die Vortäuschung falscher Arbeitszeiten werde im Zweifel von der Beklagten toleriert.Offensichtlich wird schon weil in der Vergangenheit, soweit keine ordnungsgemäße Aufzeichnung der Arbeitszeit durch die elektronische Zeiterfassung erfolgte, die Beklagte durch Nachfragen bei Kollegen die Arbeitszeit voll umfänglich eruiert hat. Die Beklagte hat, auch für den Kläger erkennbar, Wert auf die ordnungsgemäße Führung der Arbeitszeiten durch Zeiterfassung gelegt.

93

Die irgendwie geartete Annahme des Klägers, es sei auch nur ausnahmsweise für die Beklagte tolerabel, die Arbeitszeiten falsch zu deren Lasten anzugeben, ist daher von vornherein unbegründet.

94

Allein der Umstand einer relativ geringfügigen Schädigung des Arbeitgebers führt nicht zum Abmahnerfordernis. Ein Arbeitnehmer, der die Integrität von Eigentum und Vermögen seines Arbeitgebers vorsätzlich und rechtswidrig verletzt, zeigt ein Verhalten, das geeignet ist, die Zumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung in Frage zu stellen. Die durch ein solches Verhalten ausgelöste „Erschütterung“ der für die Vertragsbeziehung notwendigen Vertrauensgrundlage tritt unabhängig davon ein, welche konkreten wirtschaftlichen Schäden mit ihm verbunden sind. Aus diesem Grund ist die Festlegung einer nach dem Wert bestimmten Relevanzschwelle mit dem offen gestalteten Tatbestand des § 626 Abs. 1 BGB nicht zu vereinbaren (BAG 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 - a. a. O.).

95

gg) Die Kündigung ist auch vorliegend als außerordentliche Kündigung nicht allein deswegen ausnahmsweise unbegründet, weil sie im Einzelfalle unverhältnismäßig wäre. Im Rahmen der abschließenden Interessenabwägung obsiegt das Beendigungsinteresse der Beklagten. Es ist dieser nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.3.2011, ausgehend vom Zugang der Kündigung vom 10.12. am 12.12.2010, fortzusetzen. Die Kammer macht sich insoweit die zutreffend begründeten Ausführungen des Arbeitsgerichts im Urteil vom 31.03.2010 (Bl.71 d.A.) zu eigen und verweist auf diese, § 69 Abs.2 ArbGG.

96

Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung (10.06.2010 - 2 AZR 541/09 - a. a. O. -) postuliert, auch für strafbare Handlungen stünden keine absoluten Kündigungsgründe fest, vielmehr sei immer eine einzelfallbezogene Interessenabwägung notwendig, ob nicht trotz eingetretenem Vertrauensverlust das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers ausnahmsweise überwiege und der Vertragsverstoß ausnahmsweise mit Abmahnung oder ordentlichen Kündigung ausreichend sanktioniert wäre. Ein derartiger Fall liegt jedoch nicht vor. Wie zuvor dargestellt, war von vornherein ausgeschlossen, die Beklagte werde eine vorsätzliche Falschangabe hinsichtlich der Arbeitszeiten zu ihren Lasten dulden. Ein vollständiger Vertrauensverlust ist nach Ansicht der Kammer daher durch das Verhalten des Klägers eingetreten. Der Kläger war auch nicht so lange in einem zur Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnis (bisher noch nicht ganz zehn Jahre), dass trotz bestehenden absoluten Vertrauensverlustes nur aufgrund der Unterhaltspflichten des Klägers, der im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung erst 33 Jahre alt war, eine Überwiegen des Bestandsinteresses des Klägers anzunehmen wäre.

97

Im Ergebnis lässt sich daher feststellen, dass die Kündigung der Beklagten das Arbeitsverhältnis der Parteien wirksam mit Zugang am 12.12.2010 beendet hat.

98

3. Auf die Wirksamkeit der nachfolgenden Kündigungen vom 17.12.2010 und 18.02.2011 kam es daher rechtserheblich nicht an, da schon vor deren Zugang kein Arbeitsverhältnis mehr zwischen Parteien bestand. Der Erfolg einer Kündigungsschutzklage setzt jedoch den Bestand eines Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung voraus.

99

Die Berufung des Klägers war daher insgesamt zurückzuweisen.

III.

100

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

101

Gründe, gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG die Revision zuzulassen, lagen nicht vor.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 257/03 Verkündet am:
12. März 2004
W i l m s,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) § 529 Abs. 1 Nr. 1
Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen
des erstinstanzlichen Gerichts begründen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern
ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen
sind.
ZPO (2002) § 529 Abs. 1
Ist eine Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht geboten, so beurteilt sich die
Frage, ob und inwieweit das Berufungsgericht zu einer Wiederholung der erstinstanzlichen
Beweisaufnahme verpflichtet ist, nach denselben Grundsätzen wie aus der Zeit vor Geltung
des Zivilprozeßreformgesetzes.
ZPO (2002) § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3
Wird in der Berufungsbegründung gerügt, das erstinstanzliche Gericht habe Parteivorbringen
übergangen, so ist eine genaue Bezeichnung unter Angabe der Fundstelle in den
Schriftsätzen der Vorinstanz nicht erforderlich.
ZPO (2002) § 529 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1
Auch bei einem Verfahrensfehler des erstinstanzlichen Gerichts obliegt dem Berufungsgericht
nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO die tatsächliche Inhaltskontrolle
des erstinstanzlichen Urteils ungeachtet einer entsprechenden Berufungsrüge.
Für schriftsätzlich angekündigtes Vorbringen kommt dem Urteilstatbestand keine negative
Beweiskraft zu.
BGH, Urt. v. 12. März 2004 - V ZR 257/03 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. März 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. August 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte war von der Stadt O. beauftragt, auf einem ehemaligen Kasernengelände gelegene Grundstücke und Wohnungen zu vermarkten. Mit notariellem Vertrag vom 8. Juli 1999 verkaufte sie eine durch Ausbau des Dachgeschosses eines Hauses noch zu errichtende Wohnung zum Preis von 444.000 DM an die Klägerin.
Dem Vertragsschluß vorausgegangen waren Verhandlungen zwischen einer Mitarbeiterin der Beklagten, der Zeugin Dr. L. , und der Klägerin, die von ihrem Bekannten, dem Zeugen Rechtsanwalt W. , begleitet wur-
de. Nach den Behauptungen der Klägerin erklärte Dr. L. während der Verhandlungen, auf dem der künftigen Dachgeschoßwohnung gegenüber liegenden Grundstück der Beklagten solle ein lediglich zweigeschossiges Gebäude errichtet werden, so daß die Sicht aus der Wohnung auf den Taunus uneingeschränkt erhalten bleibe. Tatsächlich war bereits zu diesem Zeitpunkt der - zwischenzeitlich begonnene - Bau eines viergeschossigen Wohn- und Geschäftshauses durch einen Investor geplant, wovon die Klägerin erst nach Bezug der Wohnung Kenntnis erhielt. Die mehr als zweigeschossige Nachbarbebauung , so hat die Klägerin behauptet, habe zu einem um 20 % geminderten Wert der Wohnung geführt.
Sie verlangt daher Schadensersatz in Höhe von 20 % des Kaufpreises sowie entsprechend geminderter Erwerbskosten und nimmt die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit auf Zahlung von 47.613,80 Landgericht hat die Klage nach Vernehmung des Zeugen W. und der Zeugin Dr. L. über den Inhalt der Vertragsverhandlungen abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat sich die Klägerin gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts gewandt und insbesondere gerügt, daß das Landgericht die Zeugen nicht gehört habe, die sie zur Erschütterung der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin Dr. L. benannt habe. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht hält die Klage auf der Grundlage der in erster Instanz getroffenen Feststellungen für unbegründet. Die von der Klägerin behaupteten Falschangaben der Zeugin Dr. L. zur zweigeschossigen Bebauung des gegenüberliegenden Grundstücks seien nicht bewiesen. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen, die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erneute Feststellungen in der Berufungsinstanz gebieten könnten, habe die Klägerin nicht aufgezeigt. Die von dem Eingangsgericht vorgenommene Beweiswürdigung unterliege zwar gewissen Zweifeln, sei im Ergebnis jedoch zutreffend. Soweit die Klägerin das Übergehen erstinstanzlicher Beweisanträge gerügt habe, betreffe dies einen nicht von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel , der gemäß § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur dann Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründen könne, wenn er nach Maßgabe des § 520 Abs. 3 ZPO in der Berufungsbegründung ordnungsgemäß geltend gemacht worden sei. Diesen Anforderungen entspreche die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge nicht, weil es an einer konkreten Bezeichnung der angebotenen Zeugen und der Angabe des genauen Aktenfundorts der jeweiligen Beweisangebote fehle.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

II.


1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts. Für den Fall, daß - wie die Klägerin behauptet - die für die Beklagte handelnde Zeugin Dr. L. im Rahmen der Vertragsverhandlungen unzutreffende Angaben zu der geplanten Bebauung des gegenüberliegenden Grundstücks gemacht haben sollte, wären die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen Verschuldens bei Vertragsschluß erfüllt (vgl. Senat, Urt. v. 20. September 1996, V ZR 173/95, NJW-RR 1997, 144, 145; Urt. v. 26. September 1997, V ZR 29/96, NJW 1998, 302). Die Gewährleistungsvorschriften des hier weiterhin anwendbaren früheren Rechts (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) sind nicht einschlägig und stehen mithin einer Haftung der Beklagten wegen Verschuldens bei Vertragsschluß nicht entgegen. Der Umstand, daß der gegenwärtige oder zukünftige Eigentümer eines benachbarten Grundstücks zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht den Willen hat, dieses entsprechend den baurechtlichen Möglichkeiten zu bebauen, stellt keine Eigenschaft des veräußerten Objekts, deren Fehlen als Sachmangel qualifiziert werden könnte (BGH, Urt. v. 14. Januar 1993, IX ZR 206/91, NJW 1993, 1323, 1324).
2. Hingegen rügt die Revision mit Erfolg, daß das Berufungsgericht erneute Feststellungen zu dem zwischen den Parteien streitigen Inhalt der Vertragsverhandlungen unter Verletzung des Verfahrensrechts abgelehnt hat. Auch nach neuem Recht unterliegen Berufungsurteile auf entsprechende Verfahrensrüge hinsichtlich der vollständigen Berücksichtigung des Streitstoffs und der Beweisangebote der Überprüfung durch das Revisionsgericht (MünchKomm -ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 546 Rdn. 15). Dies führt vorliegend zu dem Ergebnis, daß sich konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an
der Vollständigkeit des von dem Eingangsgericht zugrunde gelegten Sachverhalts , die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO erneute Feststellungen des Berufungsgerichts gebieten, sowohl aus Fehlern der Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Urteil (a), als auch aus dem Übergehen erstinstanzlichen Vorbringens der Klägerin (b) ergeben.

a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 100; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann , NJW 2003, 169, 171).
aa) Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind (Hannich /Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 529 Rdn. 21; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 529 Rdn. 8). Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urt. v. 11. Februar 1987, IVb ZR 23/86, NJW 1987, 1557, 1558; Senat, Urt. v. 9. Juli 1999, V ZR 12/98, NJW 1999, 3481, 3482). Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt unter anderem dann vor,
wenn Umständen Indizwirkungen zuerkannt werden, die sie nicht haben können , oder wenn die Ambivalenz von Indiztatsachen nicht erkannt wird (BGH, Urt. v. 22. Januar 1991, VI ZR 97/90, NJW 1991, 1894, 1895; Urt. v. 23. Januar 1997, I ZR 29/94, NJW 1997, 2757, 2759).
(1) Hieran gemessen ist die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil zumindest insoweit fehlerhaft, als es um die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen W. geht. Dessen Bekundungen hat das Gericht erster Instanz vor allem deshalb für unglaubhaft gehalten, weil der Zeuge die angebliche Zusicherung der Zeugin Dr. L. , das gegenüberliegende Grundstück werde nur zweigeschossig bebaut, nicht überprüft und sich insbesondere bei der Stadt O. nicht nach dem Bestand und dem Inhalt eines etwaigen Bebauungsplans erkundigt habe. Diesem Umstand kommt indes die ihm vom Gericht zuerkannte Indizwirkung nicht zu. Es ist nicht ersichtlich , aus welchem Grund für den Zeugen W. , der an den Vertragsverhandlungen nicht als beauftragter Rechtsanwalt, sondern allein wegen seiner Bekanntschaft mit der Klägerin teilgenommen hatte, Anlaß bestehen konnte, Erkundigungen zu den Äußerungen der Zeugin Dr. L. einzuholen. Zudem ist das herangezogene Indiz auch auf Grund seiner Ambivalenz nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen W. in Frage zu stellen. Selbst für die Klägerin gab es nämlich keine Veranlassung, die von der Zeugin Dr. L. erteilten Auskünfte zu überprüfen, wenn sie auf deren Richtigkeit vertraute. Daß die Angaben der Zeugin einen für den Vertragswillen der Klägerin bedeutsamen Punkt betrafen, steht dieser Möglichkeit nicht entgegen. Das Unterbleiben von Nachforschungen läßt deshalb nicht ohne weiteres darauf schließen, daß die Zeugin Dr. L. eine zweigeschossige Nachbarbebauung nicht zugesagt hat. Vielmehr läßt dieser Umstand auch den
Schluß zu, die Klägerin habe sich ebenso wie der Zeuge W. auf eine derartige Zusage verlassen. (2) Geht das Eingangsgericht - wie hier - auf Grund einer fehlerhaften Beweiswürdigung von der Nichterweislichkeit einer entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung aus, so bestehen konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 13, § 529 Rdn. 35). Hierbei genügt es, wenn nur ein tragendes Element der erstinstanzlichen Beweiswürdigung in seiner Aussagekraft geschmälert wird (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 32), weil bereits dann die Unrichtigkeit oder Lückenhaftigkeit der getroffenen Feststellungen als Folge der konkreten Anhaltspunkte nicht ausgeschlossen werden kann (Rimmelspacher , NJW 2002, 1897, 1902). So liegt der Fall auch hier. Ausweislich seiner Ausführungen zur Beweiswürdigung ist das erstinstanzliche Gericht nur deshalb zu dem Ergebnis der Nichterweislichkeit unzutreffender Angaben der Zeugin Dr. L. gelangt, weil es Anlaß gesehen hat, an der Glaubhaftigkeit der Bekundungen des Zeugen W. zumindest zu zweifeln. Können diese Bedenken ausgeräumt werden, so ist es möglich, daß der Tatrichter die Aussage des Zeugen W. als glaubhaft ansieht. Da die Beweiswürdigung dann auch zu einem anderen Ergebnis führen kann, besteht die nicht nur theoretische Möglichkeit eines anderen Beweisergebnisses. In solcher Situation sind erneute oder auch erstmalige (Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 12) neue Tatsachenfeststellungen durch das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO geboten (vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 14/6036, S. 123; Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 36; MünchKomm -ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 529 Rdn. 24; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 11).
bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts läßt sich weder das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte noch die Erforderlichkeit erneuter Feststellungen mit der Erwägung verneinen, das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweiswürdigung unterliege zwar "gewissen Zweifeln", sei aber aus anderen Gründen richtig. Zu dieser Schlußfolgerung konnte das Berufungsgericht nur auf Grund einer eigenständigen Würdigung der in erster Instanz erhobenen Beweise gelangen. Dies stellt jedoch, worauf die Revision zutreffend hinweist, der Sache nach eine erneute Tatsachenfeststellung dar, die aber nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte und das Gebotensein nochmaliger Feststellungen gerade voraussetzt.
cc) Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht deshalb als richtig dar (§ 561 ZPO), weil das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO gebotenen erneuten Tatsachenfeststellung zwar - fehlerhaft - verneint, eine solche aber doch vorgenommen hat. Die Tatsachenfeststellung in dem Berufungsurteil leidet nämlich ebenfalls an einem Verfahrensmangel und kann deshalb keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht stützt seine Auffassung, die von der Klägerin behauptete Zusicherung einer zweigeschossigen Bebauung des Nachbargrundstücks sei nicht erwiesen , darauf, daß beide Zeugen ein persönliches Interesse am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits hätten. Damit stellt das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit der Zeugen in Frage, was - wie die Revision zu Recht rügt - nur auf Grund deren nochmaliger Vernehmung zulässig gewesen wäre, nachdem das erstinstanzliche Gericht beide Zeugen als glaubwürdig angesehen hat. Es hat sich mit der fehlenden Glaubwürdigkeit der Zeugen W. und Dr. L. nur insoweit befaßt, als es angesichts der sich widersprechenden Aussagen erwogen hat, einer von beiden Zeugen müsse gelogen haben. Zu
einer Aufklärung hat sich das erstinstanzliche Gericht jedoch außer Stande gesehen, seine Bedenken hinsichtlich der Glaubwürdigkeit daher nicht weiterverfolgt und seine weiteren Ausführungen auf die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen beschränkt. Die Frage, ob und inwieweit das Berufungsgericht zu einer Wiederholung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme verpflichtet ist, wenn die Voraussetzungen für eine erneute Tatsachenfeststellung vorliegen, beantwortet sich nach den von der Rechtsprechung zum bisherigen Recht entwickelten Grundsätzen (Musielak/Huber, aaO, § 398 Rdn. 5; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 13). Es verbleibt mithin dabei, daß das Berufungsgericht bei pflichtgemäßer Ausübung des ihm durch §§ 525 Satz 1, 398 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessens einen bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen nochmals vernehmen muß, wenn es dessen Glaubwürdigkeit abweichend vom Erstrichter beurteilen will (vgl. BGH, Urt. v. 29. Oktober 1996, VI ZR 262/95, NJW 1997, 466; Urt. v. 10. März 1998, VI ZR 30/97, NJW 1998, 2222, 2223 m.w.N.).

b) Zweifel an der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ergeben sich zudem daraus, daß das Eingangsgericht die unter Beweis gestellte Behauptung der Klägerin nicht berücksichtigt hat, die Zeugin Dr. L. habe auch anderen Interessenten eine lediglich zweigeschossige Bebauung des Nachbargrundstücks zugesagt. Träfe diese Behauptung zu, so wäre sie geeignet, die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin Dr. L. , sie habe die Klägerin ebenso wie alle übrigen Interessenten auf die geplante viergeschossige Bebauung hingewiesen, in Frage zu stellen. Besteht mithin unter Zugrundelegung der von der Klägerin behaupteten Tatsache zumindest die Möglichkeit eines anderen Beweisergebnisses, so ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO eine erneute Tatsachenfeststellung geboten. Entgegen der Auf-
fassung des Berufungsgerichts ist hierfür eine den formalen Anforderungen des Revisionsrechts genügende Berufungsrüge selbst dann nicht Voraussetzung , wenn - wie hier - zugleich auch ein Verfahrensfehler des Erstrichters vorliegt. Insoweit stellt das Berufungsgericht, was die Revision mit Erfolg geltend macht, zum einen zu hohe Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit einer Verfahrensrüge gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO (aa) und verkennt zum anderen auch die Bedeutung des § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO (bb).
aa) Das Berufungsgericht überspannt die inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsbegründung, soweit es die Ordnungsmäßigkeit der von der Klägerin gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO erhobenen Berufungsrüge mit der Begründung verneint, es fehle an der erforderlichen namentlichen Benennung der in erster Instanz angebotenen Zeugen und an der Angabe des Aktenfundorts der jeweiligen Beweisangebote.
(1) Wendet sich der Berufungskläger - wie hier - gegen die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil, so greift er, gestützt auf den Berufungsgrund des § 513 Abs. 1 Alt. 2 ZPO, die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen mit dem Ziel einer erneuten Feststellung durch das Berufungsgericht an. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Berufung muß er deshalb gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO die Voraussetzungen darlegen, unter denen nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO die Bindung des Berufungsgerichts an die vom Eingangsgericht getroffenen Feststellungen entfällt (BGH, Beschl. v. 28. Mai 2003, XII ZB 165/02, NJW 2003, 2531, 2532). Dies hat die Klägerin bereits dadurch getan, daß sie die Feststellungen des Erstrichters unter Hinweis auf ein bereits in erster Instanz vorgelegtes Beschwerdeschreiben mehrerer Wohnungseigentümer angegriffen und ihre Behauptung wiederholt hat, die Zeugin Dr.
L. habe auch anderen Interessenten eine lediglich zweigeschossige Be- bauung des Nachbargrundstücks zugesagt. Da dieses Vorbringen die Glaubhaftigkeit der inhaltlich widersprechenden Aussage der Zeugin in Frage stellen kann und in dem mit der Berufung angefochtenen Urteil nicht berücksichtigt worden ist, sind nach der Berufungsbegründung konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an den erstinstanzlich getroffenen Feststellungen mit der Folge gegeben , daß das Berufungsgericht insoweit nicht mehr gebunden ist. Auf die von der Klägerin angebotenen Zeugen wäre es erst angekommen, wenn die vom Berufungsgericht vorzunehmende Prüfung ergeben hätte, daß die Behauptung der Klägerin von der Beklagten wirksam bestritten worden war.
(2) Nichts anderes folgt aus § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, falls diese Regelung für Angriffe gegen Tatsachenfeststellungen auf Grund von Verfahrensfehlern - zusätzlich - anwendbar sein sollte (befürwortend Fellner, MDR 2003, 721, 722; ablehnend MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 520 Rdn. 40). Hieraus ergeben sich im Ergebnis keine weitergehenden Anforderungen an den notwendigen Inhalt der Berufungsbegründung. Die ohnehin erforderliche Darlegung der in § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO bestimmten Voraussetzungen reicht nämlich im Falle eines Verfahrensmangels auch für die nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO gebotene Darlegung einer entscheidungskausalen Rechtsverletzung aus. Insbesondere muß der Berufungskläger zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des geltend gemachten Verfahrensfehlers lediglich aufzeigen, daß das Eingangsgericht ohne den Verfahrensverstoß möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre (Musielak /Ball, aaO, § 520 Rdn. 33).
(3) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lassen sich strengere formale Anforderungen an die Berufungsbegründung nicht daraus herleiten, daß ein Revisionskläger, der gemäß § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. b ZPO ein verfahrensfehlerhaftes Übergehen von Tatsachenbehauptungen oder Beweisangeboten rügen will, diese unter Angabe der Fundstelle in den Schriftsätzen der Vorinstanzen genau bezeichnen muß (vgl. dazu BGHZ 14, 205, 209 f; BAG, ZIP 1983, 605, 606; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 554 Rdn. 13; MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 551 Rdn. 21; Musielak/Ball, aaO, § 551 Rdn. 11). Dieses revisionsrechtliche Erfordernis ist auf das Berufungsverfahren nicht übertragbar (a.A. Musielak/Ball, aaO, § 520 Rdn. 32; Ball, WuM 2002, 296, 299; wohl auch Stackmann, NJW 2003, 169, 171 f). Es findet seine Rechtfertigung in der durch § 559 Abs. 1 ZPO allein für das Revisionsverfahren angeordneten Beschränkung des Prozeßstoffs. Danach kann aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll nicht ersichtliches Parteivorbringen nur über eine Nichtberücksichtigungsrüge zur Beurteilungsgrundlage des Revisionsgerichts werden (vgl. MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 559 Rdn. 3, 7). Diese Rüge muß so konkret sein, daß keine Zweifel an dem vom Revisionsgericht zugrunde zu legenden Tatsachenstoff verbleiben. Das Berufungsverfahren kennt hingegen keine § 559 Abs. 1 ZPO vergleichbare Bestimmung. Eine entsprechende Anwendung der revisionsrechtlichen Regelung scheitert an den unterschiedlichen Funktionen der Rechtsmittel (Gaier, NJW 2004, 110, 111; a.A. Grunsky, NJW 2002, 800, 801; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901). Anders als im Revisionsverfahren ist das angefochtene Urteil nicht nur auf Rechtsfehler hin zu überprüfen, vielmehr gehört es gemäß § 513 Abs. 1 ZPO zu den Aufgaben der Berufung, das Urteil der Vorinstanz auch auf konkrete Anhaltspunkte für Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Tatsachenfeststellungen zu prüfen und etwaige Fehler zu beseiti-
gen (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 64; Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 1, 7, 12 f). Fehlt es mithin an einer begrenzenden Regelung, so gelangt mit einem zulässigen Rechtsmittel grundsätzlich der gesamte - wie noch auszuführen sein wird, aus den Akten ersichtliche - Prozeßstoff der ersten Instanz ohne weiteres in die Berufungsinstanz (Barth, NJW 2002, 1702, 1703; Gaier, NJW 2004, 110, 112). Damit steht auch der von dem Berufungsgericht zu berücksichtigende Tatsachenstoff fest, weshalb es einer Nichtberücksichtigungsrüge und der für sie geltenden formalen Anforderungen nicht bedarf. bb) Zudem hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, daß die ihm nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO obliegende Kontrolle der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage des erstinstanzlichen Urteils im Fall eines - wie hier - zulässigen Rechtsmittels ungeachtet einer entsprechenden Berufungsrüge besteht.
(1) Eine Bindung des Berufungsgerichts an solche Zweifel begründende Umstände, die in der Berufungsbegründung dargelegt sind, folgt insbesondere nicht aus § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO. Danach müssen zwar konkrete Anhaltspunkte im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO in der Berufungsbegründung bezeichnet werden. Auf solche Umstände wird die Überprüfung durch das Berufungsgericht allerdings nicht beschränkt, sondern lediglich eine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels geregelt (§ 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Notwendigkeit einer Rüge läßt sich dem Wortlaut anderer Gesetzesvorschriften ebensowenig entnehmen. Sie entspricht auch nicht dem Willen des Gesetzgebers. Nach den Gesetzesmaterialien hat das Berufungsgericht Zweifeln an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen selbst dann nachzugehen, wenn es sie unabhängig vom Partei-
vortrag auf Grund lediglich bei ihm gerichtskundiger Tatsachen gewonnen hat (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses , BT-Drucks. 14/4722, S. 100). Damit kann und muß das Berufungsgericht erst recht konkrete Anhaltspunkte berücksichtigen, die ihre Grundlage im erstinstanzlichen Vorbringen der Parteien haben, auch wenn das Übergehen dieses Vortrags von dem Berufungskläger nicht zum Gegenstand einer Berufungsrüge gemacht worden ist (Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 529 Rdn. 12). Bemerkt das Berufungsgericht etwa anläßlich der Prüfung sonstiger Berufungsrügen, daß das Eingangsgericht eine für die Beweiswürdigung bedeutsame Tatsache oder ein erhebliches Beweisangebot übergangen hat, dann bestehen auch ohne dahingehende Rüge konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen, die das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO zu einer erneuten Tatsachenfeststellung verpflichten (a.A. Rimmelspacher, NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, 2003, S. 11, 16).
(2) Dem steht nicht entgegen, daß das erstinstanzliche Gericht hier Parteivorbringen übergangen hat und darin ein Verfahrensfehler in Gestalt der Versagung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder des Verstoßes gegen § 286 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 15. März 2000, VIII ZR 31/99, NJW 2000, 2024, 2026) zu sehen ist. Zwar prüft das Berufungsgericht einen Mangel des Verfahrens - soweit er nicht von Amts wegen berücksichtigt werden muß - gemäß § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur dann, wenn er gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO in der Berufungsbegründung gerügt worden ist. Hierdurch wird jedoch die durch § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO geregelte tatsächliche Inhaltskontrolle des Berufungsgerichts entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 520 Rdn. 53, § 529
Rdn. 14, 38; ders., NJW 2002, 1897, 1902; ders., NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, aaO, S. 11, 15; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 9, 23; Hinz, NZM 2001, 601, 605; Gehrlein, MDR 2003, 421, 428) nicht eingeschränkt (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 8, § 529 Rdn. 27, 43; Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 529 Rdn. 12; Vorwerk, NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, aaO, S. 4, 6; Gaier, NJW 2004, 110, 112). Von der Aufgabe des Berufungsgerichts, konkreten Anhaltspunkten ungeachtet einer Berufungsrüge nachzugehen, macht das Gesetz keine Ausnahme, wenn sich - was ohnehin die weitaus praktischste Fallgestaltung darstellen dürfte - konkrete Anhaltspunkte im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO aus Verfahrensfehlern des Erstrichters bei der Feststellung des Sachverhalts ergeben. Dies zeigt sich an der Systematik des § 529 ZPO, der mit seinen Absätzen klar zwischen den Aufgaben des Berufungsgerichts bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht trennt (Hannich /Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 8, § 529 Rdn. 27, 43). Für die tatsächliche Inhaltskontrolle ist ausschließlich § 529 Abs. 1 ZPO maßgebend, eine Vermischung mit der in § 529 Abs. 2 ZPO geregelten Rechtsfehlerkontrolle darf mithin selbst dann nicht stattfinden, wenn die fehlerhaften Tatsachenfeststellungen im erstinstanzlichen Urteil auf einem Verfahrensmangel beruhen.
(3) Das Berufungsgericht ist an der Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens nicht deshalb gehindert gewesen, weil dieser Vortrag weder durch eine Darstellung im Tatbestand noch durch eine § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO genügende Bezugnahme (vgl. BGH, Urt. v. 18. Februar 1954, IV ZR 126/53, LM § 295 ZPO Nr. 9) in dem erstinstanzlichen Urteil Erwähnung gefunden hat.
Die auf § 314 ZPO gestützte Annahme, daß nicht erwähnte Angriffsund Verteidigungsmittel, auch tatsächlich unterblieben sind (negative Beweiskraft des Tatbestandes), wäre nur dann gerechtfertigt, wenn das Parteivorbringen in dem Urteilstatbestand vollständig wiedergegeben werden müßte. Nur dann könnte nämlich von dem Fehlen einer Darstellung auf das Fehlen entsprechenden Vortrags geschlossen werden. Eine vollständige Wiedergabe des Parteivorbringens kann aber nicht mehr zu den Funktionen des Urteilstatbestandes zählen, nachdem sich das Gesetz in § 313 Abs. 2 ZPO mit einer "knappen" Darstellung nur des "wesentlichen Inhalts" der vorgebrachten Angriffs - und Verteidigungsmittel begnügt (MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 559 Rdn. 7; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 7, § 559 Rdn. 17; ders., in Festschrift für Geiß, 2000, S. 3, 20; Fischer, DRiZ 1994, 461, 462 f; Crückeberg, MDR 2003, 199, 200; Gaier, NJW 2004, 110, 111; Rixecker, NJW 2004, 705, 708; a.A. Rimmelspacher, NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, aaO, S. 11, 13). Dies hängt eng zusammen mit der Aufgabe der ursprünglichen Konzeption des Zivilprozesses als eines rein mündlichen Verfahrens, nach der mündlicher Vortrag weder durch ein Verlesen noch durch eine Bezugnahme auf Schriftsätze ersetzt werden konnte (§ 128 Abs. 3 Satz 1 CPO 1877/§ 137 Abs. 3 Satz 1 CPO 1900). Wurde hiernach ausschließlich das mündlich Vorgetragene zum Prozeßstoff, so konnte dieser nicht durch den Inhalt der Schriftsätze , sondern allein durch den - tunlichst vollständigen - Urteilstatbestand nachgewiesen werden. Insbesondere seit der gänzlichen Aufgabe des Bezugnahmeverbots durch die Neufassung des § 137 Abs. 3 Satz 1 ZPO (RGBl. I 1924, 135) stehen indessen die vorbereitenden Schriftsätze ebenfalls zum Nachweis des Parteivorbringens zur Verfügung. Da mit der Antragstellung und der mündlichen Verhandlung im Zweifel eine Bezugnahme der Parteien auf den Inhalt der zur Vorbereitung vorgelegten Schriftstücke verbunden ist (BGH,
Urt. v. 28. November 2001, IV ZR 309/00, NJW-RR 2002, 381 m.w.N.), ergibt sich der Prozeßstoff auch aus dem Inhalt der Gerichtsakten. Der Bundesgerichtshof hat bereits vor dem Hintergrund dieser Überlegung - wenn auch ohne ausdrückliche Aufgabe der Rechtsprechung zur negativen Beweiskraft - auf entsprechende Revisionsrüge Vorbringen berücksichtigt, das im Tatbestand nicht erwähnt war (BGH, Urt. v. 16. Juni 1992, XI ZR 166/91, NJW 1992, 2148, 2149; Urt. v. 7. Dezember 1995, III ZR 141/93, NJW-RR 1996, 379; vgl. auch Urt. v. 28. November 2001, IV ZR 309/00, aaO). Allein mit dem Hinweis auf die negative Beweiskraft des Urteilstatbestandes kann mithin Parteivorbringen, das sich aus den vorbereitenden Schriftsätzen ergibt, in den Rechtsmittelverfahren nicht unberücksichtigt bleiben. Hingegen bleibt die negative Beweiskraft für solche Angriffs- und Verteidigungsmittel von Bedeutung, die in der mündlichen Verhandlung ohne vorherige Ankündigung in einem vorbereitenden Schriftsatz vorgebracht werden (Ball, in Festschrift für Geiß, 2000, S. 3, 20). Allerdings hat die Rechtsprechung bisher dem Urteilstatbestand auf Grund des § 314 ZPO auch negative Beweiskraft hinsichtlich des mündlichen Parteivorbringens beigelegt. Danach soll der Tatbestand nicht nur Beweis dafür erbringen, daß das, was in ihm als Parteivortrag wiedergegeben wird, tatsächlich vorgetragen worden ist, sondern auch beweisen, daß von den Parteien nichts behauptet worden ist, was nicht aus dem Tatbestand ersichtlich ist (Senat, Urt. v. 25. Mai 1984, V ZR 199/82, NJW 1984, 2463, insoweit in BGHZ 91, 282 nicht abgedruckt; BGH, Urt. v. 27. Mai 1981, IVa ZR 55/80, NJW 1981, 1848; Urt. v. 3. November 1982, IVa ZR 39/81, NJW 1983, 885, 886 m.w.N.; Urt. v. 16. Mai 1990, IV ZR 64/89, NJW-RR 1990, 1269). Dieser bereits vom Reichsgericht (RGZ 4, 418, 420; RG, JW 1887, 38; 1896, 72; 1897, 52, 53) vertretenen Auffassung ist das Bundesverwaltungsgericht beigetreten (BVerwG, Beschl. v. 13. April 1989, 1 B 21/89 m.w.N.). Gleichwohl bedarf es
hier weder einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen (§ 132 GVG) noch an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 2 RsprEinhG). Beide Vorlagen setzen voraus, daß die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage für die Entscheidung des konkreten Falles nach Auffassung des vorlegenden Senats erforderlich wird, das vorlegende Gericht also bei Befolgung der abweichenden Ansicht zu einem anderen Ergebnis gelangen würde (BGH, Beschl. v. 15. Februar 2000, XI ZR 10/98, NJW 2000, 1185 zu § 132 GVG; GmS-OGB, BGHZ 88, 353, 357 zu § 2 RsprEinhG). An diesem Erfordernis fehlt es; denn das angefochtene Urteil ist bereits deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sich konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit des zugrunde gelegten Sachverhalts aus den bereits erörterten Fehlern der Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil ergeben.

III.


Nach alledem war die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird zunächst die gebotenen Feststellungen zum Inhalt der geführten Vertragsverhandlungen nachholen müssen. Sollte danach von dem Vorliegen der Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs auszugehen sein, wären weitergehende Feststellungen zur Schadenshöhe erforderlich. Da die Klägerin an dem geschlossenen Vertrag festhalten will, wäre als ersatzfähiger Schaden der Betrag anzusetzen, um den die Klägerin die Dachgeschoßwohnung im Vertrauen auf
die Richtigkeit der Angaben der Zeugin Dr. L. zu teuer erworben hat (vgl. Senat, Urt. v. 6. April 2001, V ZR 394/99, NJW 2001, 2875, 2877 m.w.N.).
Wenzel Krüger Klein Gaier RiBGH Dr. Stresemann ist infolge Urlaubsabwesenheit gehindert, zu unterschreiben. Wenzel

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2009 - 7 Sa 2017/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. August 2008 - 2 Ca 3632/08 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung, noch durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden ist.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die 1958 geborene Klägerin war seit April 1977 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt.

3

Die Beklagte ist ein überregional vertretenes Einzelhandelsunternehmen. In einigen ihrer Filialen, so auch in der Beschäftigungsfiliale der Klägerin, besteht die Möglichkeit, Leergut an einem Automaten gegen Ausstellung eines Leergutbons zurückzugeben. Wird ein solcher Bon an der Kasse eingelöst, ist er von der Kassiererin/dem Kassierer abzuzeichnen. Mitarbeiter der Filiale sind angewiesen, mitgebrachtes Leergut beim Betreten des Markts dem Filialleiter vorzuzeigen und einen am Automaten erstellten Leergutbon durch den Leiter gesondert abzeichnen zu lassen, bevor sie den Bon an der Kasse einlösen. Dort wird er wie ein Kundenbon ein weiteres Mal abgezeichnet. Diese Regelungen, die Manipulationen beim Umgang mit Leergut ausschließen sollen, sind der Klägerin bekannt.

4

Im Herbst 2007 beteiligte sich die Klägerin mit weiteren sieben von insgesamt 36 Beschäftigten ihrer Filiale an einem gewerkschaftlich getragenen Streik. Während die Streikbereitschaft anderer Arbeitnehmer mit der Zeit nachließ, nahm die Klägerin bis zuletzt an den Maßnahmen teil. Im Januar 2008 lud der Filialleiter Beschäftigte, die sich nicht am Arbeitskampf beteiligt hatten, zu einer Feier außer Hause ein. Aus diesem Grund wurde er später von der Beklagten abgemahnt und in eine andere Filiale versetzt.

5

Am 12. Januar 2008 fand eine Mitarbeiterin im Kassenbereich einer separaten Backtheke zwei nicht abgezeichnete Leergutbons im Wert von 0,48 Euro und 0,82 Euro. Sie trugen das Datum des Tages und waren im Abstand von ca. einer Dreiviertelstunde am Automaten erstellt worden. Die Mitarbeiterin legte die Bons dem Filialleiter vor. Dieser reichte sie an die Klägerin mit der Maßgabe weiter, sie im Kassenbüro aufzubewahren für den Fall, dass sich noch ein Kunde melden und Anspruch darauf erheben würde; andernfalls sollten sie als „Fehlbons“ verbucht werden. Die Klägerin legte die Bons auf eine - für alle Mitarbeiter zugängliche und einsehbare - Ablage im Kassenbüro.

6

Am 22. Januar 2008 kaufte die Klägerin in der Filiale außerhalb ihrer Arbeitszeit privat ein. An der Kasse überreichte sie ihrer Kollegin zwei nicht abgezeichnete Leergutbons. Laut Kassenjournal wurden diese mit Werten von 0,48 Euro und 0,82 Euro registriert. Beim Kassieren war auch die Kassenleiterin und Vorgesetzte der Klägerin anwesend.

7

Zur Klärung der Herkunft der eingereichten Bons führte die Beklagte mit der Klägerin ab dem 25. Januar 2008 insgesamt vier Gespräche, an denen - außer am ersten Gespräch - jeweils zwei Mitglieder des Betriebsrats teilnahmen. Sie hielt ihr vor, die eingelösten Bons seien nicht abgezeichnet gewesen und stimmten hinsichtlich Wert und Ausgabedatum mit den im Kassenbüro aufbewahrten Bons überein. Es bestehe der dringende Verdacht, dass sie - die Klägerin - die dort abgelegten „Kundenbons“ an sich genommen und zu ihrem Vorteil verwendet habe. Die Klägerin bestritt dies und erklärte, selbst wenn die Bons übereinstimmten, bestehe die Möglichkeit, dass ihr entsprechende Bons durch eine ihrer Töchter oder durch Dritte zugesteckt worden seien. Beispielsweise habe sie am 21. oder 22. Januar 2008 einer Arbeitskollegin ihre Geldbörse ausgehändigt mit der Bitte, diese in ihren Spind zu legen. Die Beklagte legte der Klägerin nahe, zur Untermauerung ihrer Behauptung eine eidesstattliche Erklärung einer Tochter beizubringen. Außerdem befragte sie die benannte Kollegin, die die Angaben der Klägerin bestritt. Beim letzten, am 15. Februar 2008 geführten Gespräch überreichte die Klägerin eine schriftliche Erklärung, mit der eine ihrer Töchter bestätigte, bei der Beklagten hin und wieder für ihre Mutter einzukaufen, dabei auch Leergut einzulösen und „Umgang“ mit der Geldbörse ihrer Mutter „pflegen zu dürfen“.

8

Mit Schreiben vom 18. Februar 2008 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, gestützt auf den Verdacht der Einlösung der Bons, an. Der Betriebsrat äußerte Bedenken gegen die fristlose Kündigung, einer ordentlichen Kündigung widersprach er und verwies auf die Möglichkeit einer gegen die Klägerin gerichteten Intrige.

9

Mit Schreiben vom 22. Februar 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 30. September 2008.

10

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat behauptet, sie habe jedenfalls nicht bewusst Leergutbons eingelöst, die ihr nicht gehörten. Sollte es sich bei den registrierten Bons tatsächlich um die im Kassenbüro abgelegten Bons gehandelt haben, müsse auch die Möglichkeit eines Austauschs der Bons während des Kassiervorgangs in Betracht gezogen werden. Denkbares Motiv hierfür sei ihre Streikteilnahme, die ohnehin der wahre Grund für die Kündigung sei. Anders sei nicht zu erklären, weshalb ihre Kollegin und die Vorgesetzte sie - unstreitig - nicht bereits beim Kassieren oder unmittelbar anschließend auf die fehlende Abzeichnung der überreichten Leergutbons angesprochen hätten. Angesichts der streikbedingt aufgetretenen Spannungen unter den Filialmitarbeitern sei es lebensfremd anzunehmen, sie habe ausgerechnet bei einer Kollegin, mit der sie im Streit gestanden habe, und in Anwesenheit ihrer Vorgesetzten die im Kassenbüro verwahrten, nicht abgezeichneten Bons eingelöst. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, eine Verdachtskündigung sei wegen der in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung ohnehin unzulässig. Das gelte in besonderem Maße, wenn sich der Verdacht auf die Entwendung einer nur geringwertigen Sache beziehe. Selbst bei nachgewiesener Tat sei in einem solchen Fall ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben. Zumindest sei in ihrem Fall die Kündigung in Anbetracht der Einmaligkeit des Vorfalls und ihrer langen Betriebszugehörigkeit unangemessen, zumal der Beklagten kein Schaden entstanden sei.

11

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose, noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, sie entsprechend den arbeitsvertraglichen Bedingungen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit zu beschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, es bestehe der dringende Verdacht, dass die Klägerin die im Kassenbüro hinterlegten Leergutbons für sich verwendet habe. Dafür sprächen die in der Anhörung angeführten Tatsachen sowie der Umstand, dass diese Bons bei einer unmittelbar nach dem Einkauf der Klägerin durchgeführten Suche nicht mehr auffindbar gewesen seien. Es sei auch das mehrfach geänderte Verteidigungsvorbringen der Klägerin zu berücksichtigen, das sich in keinem Punkt als haltbar erwiesen habe. Damit sei das Vertrauen in die redliche Ausführung der Arbeitsaufgaben durch die Klägerin unwiederbringlich zerstört. Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht unbelastet verlaufen. Sie habe die Klägerin im Jahr 2005 wegen ungebührlichen Verhaltens gegenüber einem Arbeitskollegen abgemahnt. Außerdem habe die Klägerin, wie ihr erst nachträglich bekannt geworden sei, am 22. November 2007 bei einem privaten Einkauf einen Sondercoupon aus einem Bonussystem eingelöst, obwohl die Einkaufssumme den dafür erforderlichen Betrag nicht erreicht habe. Derselbe Coupon sei dreimal „über die Kasse gezogen“ worden. Dadurch seien der Klägerin zu Unrecht Punkte im Wert von 3,00 Euro gutgeschrieben worden. Deren Behauptung, ihre Vorgesetzte habe sie zu einer derartigen Manipulation - vergeblich - verleiten wollen, sei nicht plausibel; die Vorgesetzte habe an dem betreffenden Tag - wie zuletzt unstreitig - nicht gearbeitet.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer durch das Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Einer Zurückverweisung bedurfte es nicht. Die Sache war nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

15

A. Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

16

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Gesetz kennt folglich keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220; 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 19, BAGE 118, 104).

17

II. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es den anzuwendenden Rechtsbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (st. Rspr., Senat 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 219; 6. September 2007 - 2 AZR 722/06 - Rn. 40, BAGE 124, 59).

18

III. Auch unter Beachtung eines in diesem Sinne eingeschränkten Maßstabs hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar liegt nach dem festgestellten Sachverhalt „an sich“ ein wichtiger Grund zur Kündigung vor. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch bei der vorzunehmenden Einzelfallprüfung und Interessenabwägung nicht alle wesentlichen Gesichtspunkte einbezogen und zutreffend abgewogen.

19

1. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb zu beanstanden, weil dieses seiner rechtlichen Würdigung die fragliche Pflichtverletzung im Sinne einer erwiesenen Tat und nicht nur - wie die Beklagte selbst - einen entsprechenden Verdacht zugrunde gelegt hat.

20

a) Das Landesarbeitsgericht ist vom Fund zweier Leergutbons am 12. Januar 2008 und deren Aushändigung an die Klägerin durch den Marktleiter ausgegangen. Nach Beweisaufnahme hat es zudem für wahr erachtet, dass die Klägerin die beiden zunächst im Kassenbüro abgelegten Bons im Wert von 0,48 Euro und 0,82 Euro zu einem unbestimmten Zeitpunkt an sich nahm und am 22. Januar 2008 bei einem Einkauf zu ihren Gunsten einlöste; dadurch ermäßigte sich die Kaufsumme für sie um 1,30 Euro. Darin hat es ein vorsätzliches, pflichtwidriges Verhalten der Klägerin erblickt.

21

b) An die vom Landesarbeitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Die Klägerin hat - auch wenn sie vorsätzliches Fehlverhalten weiterhin in Abrede stellt - von Angriffen gegen die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts ausdrücklich abgesehen.

22

c) Einer Würdigung des Geschehens unter der Annahme, die Klägerin habe sich nachweislich pflichtwidrig verhalten, steht nicht entgegen, dass die Beklagte sich zur Rechtfertigung der Kündigung nur auf einen entsprechenden Verdacht berufen und den Betriebsrat auch nur zu einer Verdachtskündigung angehört hat.

23

aa) Das Landesarbeitsgericht hat auf diese Weise nicht etwa Vortrag berücksichtigt, den die Beklagte nicht gehalten hätte. Der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens stellt zwar gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (st. Rspr., Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Beide Gründe stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt. Ergibt sich daraus nach tatrichterlicher Würdigung das Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - aaO mwN).

24

bb) Der Umstand, dass der Betriebsrat ausschließlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht dem nicht entgegen. Die gerichtliche Berücksichtigung des Geschehens als erwiesene Tat setzt voraus, dass dem Betriebsrat - ggf. im Rahmen zulässigen „Nachschiebens“ - diejenigen Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur Überzeugung des Gerichts auch den Tatvorwurf begründen (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 59 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Bei dieser Sachlage ist dem Normzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung genüge getan. Dem Betriebsrat wird dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt ihm sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (Senat 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 63; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 217). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung ausschließlich solche - aus seiner Sicht bewiesene - Tatsachen zugrunde gelegt, die Gegenstand der Betriebsratsanhörung waren.

25

2. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise - unabhängig vom Wert des Tatobjekts und der Höhe eines eingetretenen Schadens - als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht.

26

a) Begeht der Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat(Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 16, 17, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 184; 17. Mai 1984 - 2 AZR 3/83 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 14 = EzA BGB § 626 nF Nr. 90).

27

b) An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die entgegenstehende Ansicht, die Pflichtverletzungen im Vermögensbereich bei Geringfügigkeit bereits aus dem Anwendungsbereich des § 626 Abs. 1 BGB herausnehmen will(so LAG Köln 30. September 1999 - 5 Sa 872/99 - zu 2 der Gründe, NZA-RR 2001, 83; LAG Hamburg 8. Juli 1998 - 4 Sa 38/97 - zu II 3 a aa der Gründe, NZA-RR 1999, 469; ArbG Reutlingen 4. Juni 1996 - 1 Ca 73/96 - RzK I 6 d Nr. 12; Däubler Das Arbeitsrecht 2 12. Aufl. Rn. 1128; eingeschränkt Gerhards BB 1996, 794, 796), überzeugt nicht. Ein Arbeitnehmer, der die Integrität von Eigentum und Vermögen seines Arbeitgebers vorsätzlich und rechtswidrig verletzt, zeigt ein Verhalten, das geeignet ist, die Zumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung in Frage zu stellen. Die durch ein solches Verhalten ausgelöste „Erschütterung“ der für die Vertragsbeziehung notwendigen Vertrauensgrundlage tritt unabhängig davon ein, welche konkreten wirtschaftlichen Schäden mit ihm verbunden sind. Aus diesem Grund ist die Festlegung einer nach dem Wert bestimmten Relevanzschwelle mit dem offen gestalteten Tatbestand des § 626 Abs. 1 BGB nicht zu vereinbaren. Sie würfe im Übrigen mannigfache Folgeprobleme auf - etwa das einer exakten Wertberechnung, das der Folgen mehrfacher, für sich betrachtet „irrelevanter“ Verstöße sowie das der Behandlung nur marginaler Grenzüberschreitungen - und vermöchte schon deshalb einem angemessenen Interessenausgleich schwerlich zu dienen.

28

c) Mit seiner Auffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu der in § 248a StGB getroffenen Wertung. Nach dieser Bestimmung werden Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen nur auf Antrag oder bei besonderem öffentlichem Interesse verfolgt. Der Vorschrift liegt eine Einschätzung des Gesetzgebers darüber zugrunde, ab welcher Grenze staatliche Sanktionen für Rechtsverstöße in diesem Bereich zwingend geboten sind. Ein solcher Ansatz ist dem Schuldrecht fremd. Hier geht es um störungsfreien Leistungsaustausch. Die Berechtigung einer verhaltensbedingten Kündigung ist nicht daran zu messen, ob diese - vergleichbar einer staatlichen Maßnahme - als Sanktion für den fraglichen Vertragsverstoß angemessen ist. Statt des Sanktions- gilt das Prognoseprinzip. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn eine störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht, künftigen Pflichtverstößen demnach nur durch die Beendigung der Vertragsbeziehung begegnet werden kann (st. Rspr., Senat 26. November 2009 - 2 AZR 751/08 - Rn. 10, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 61 = EzA BGB 2002 § 611 Abmahnung Nr. 5; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

29

d) Ebenso wenig besteht ein Wertungswiderspruch zwischen der Auffassung des Senats und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses erkennt zwar bei der disziplinarrechtlichen Beurteilung vergleichbarer Dienstvergehen eines Beamten die Geringwertigkeit der betroffenen Vermögensobjekte als Milderungsgrund an (BVerwG 13. Februar 2008 - 2 WD 9/07 - DÖV 2008, 1056; 24. November 1992 - 1 D 66/91 - zu 3 der Gründe, BVerwGE 93, 314; bei kassenverwaltender Tätigkeit: BVerwG 11. November 2003 - 1 D 5/03 - zu 4 b der Gründe). Dies geschieht jedoch vor dem Hintergrund einer abgestuften Reihe von disziplinarischen Reaktionsmöglichkeiten des Dienstherrn. Diese reichen von der Anordnung einer Geldbuße (§ 7 BDG) über die Kürzung von Dienstbezügen (§ 8 BDG) und die Zurückstufung (§ 9 BDG) bis zur Entfernung aus dem Dienst (§ 13 Abs. 2 BDG). Eine solche Reaktionsbreite kennt das Arbeitsrecht nicht. Der Arbeitgeber könnte auf die „Entfernung aus dem Dienst“ nicht zugunsten einer Kürzung der Vergütung verzichten. Wertungen, wie sie für das in der Regel auf Lebenszeit angelegte, durch besondere Treue- und Fürsorgepflichten geprägte Dienstverhältnis der Beamten und Soldaten getroffen werden, lassen sich deshalb auf eine privatrechtliche Leistungsbeziehung regelmäßig nicht übertragen (Keiser JR 2010, 55, 57 ff.; Reuter NZA 2009, 594, 595).

30

e) Das Landesarbeitsgericht hat das Verhalten der Klägerin als „Vermögensdelikt“ zulasten der Beklagten gewürdigt, hat aber offen gelassen, welchen straf- und/oder zivilrechtlichen Deliktstatbestand es als erfüllt ansieht. Das ist im Ergebnis unschädlich. Das Verhalten der Klägerin kommt auch dann als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn es - wie die Revision im Anschluss an Äußerungen in der Literatur (Hüpers Jura 2010, 52 ff.; Schlösser HRRS 2009, 509 ff.) meint - nicht strafbar sein sollte, jedenfalls nicht im Sinne eines Vermögensdelikts zum Nachteil der Beklagten. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung ist weder die strafrechtliche noch die sachenrechtliche Bewertung maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 29, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 114, 264; Preis AuR 2010, 242 f.). Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann deshalb ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen die Pflichtverletzung mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen eine den unmittelbaren Vermögensinteressen des Arbeitgebers dienende Weisung einhergeht (KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 459).

31

f) Danach liegt eine erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung vor. Die Klägerin hat sich mit dem Einlösen der Leergutbons gegenüber der Beklagten einen Vermögensvorteil verschafft, der ihr nicht zustand. Ihr Verhalten wiegt umso schwerer, als sie eine konkrete Anordnung des Marktleiters zum Umgang mit den Bons missachtet hat. Es kommt nicht darauf an, ob sie damit schon gegen ihre Hauptleistungspflichten als Kassiererin oder gegen ihre Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat. In jedem Fall gehört die Pflicht zur einschränkungslosen Wahrung der Vermögensinteressen der Beklagten zum Kernbereich ihrer Arbeitsaufgaben. Die Schwere der Pflichtverletzung hängt von einer exakten Zuordnung nicht ab. Die Vorgabe des Marktleiters, die Bons nach einer gewissen Zeit als „Fehlbons“ zu verbuchen, sollte sicherstellen, dass die Beklagte insoweit nicht mehr in Anspruch genommen würde. Ob damit den Interessen der Kunden ausreichend Rechnung getragen wurde, ist im Verhältnis der Parteien ohne Bedeutung. Die Klägerin jedenfalls durfte die Bons nicht zum eigenen Vorteil einlösen.

32

3. Die fristlose Kündigung ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gleichwohl nicht gerechtfertigt. Als Reaktion der Beklagten auf das Fehlverhalten der Klägerin hätte eine Abmahnung ausgereicht. Dies vermag der Senat selbst zu entscheiden.

33

a) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zwar ein Beurteilungsspielraum zu(Senat 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 61, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Ein solcher Fall liegt hier vor.

34

b) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (Senat 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26 mwN, DB 2010, 1709; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - Rn. 38 mwN, AP BGB § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 251 mwN).

35

c) Die Notwendigkeit der Prüfung, ob eine fristgerechte Kündigung als Reaktion ausgereicht hätte, folgt schon aus dem Wortlaut des § 626 Abs. 1 BGB. Das Erfordernis weitergehend zu prüfen, ob nicht schon eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre, folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (die Kündigung als „ultima ratio“) und trägt zugleich dem Prognoseprinzip bei der verhaltensbedingten Kündigung Rechnung (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 47 f., AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 55 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Das Erfordernis gilt auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Es ist nicht stets und von vorneherein ausgeschlossen, verlorenes Vertrauen durch künftige Vertragstreue zurückzugewinnen (Senat 4. Juni 1997 - 2 AZR 526/96 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 86, 95).

36

aa) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (Schlachter NZA 2005, 433, 436). Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 283/08 - Rn. 14 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Abmahnung Nr. 5 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 75; Staudinger/Preis <2002> § 626 BGB Rn. 109). Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82).

37

bb) Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB iVm. § 323 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren(Senat 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 56 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 48 mwN, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7).

38

cc) Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 27. April 2006 - 2 AZR 415/05 - Rn. 19, AP BGB § 626 Nr. 203 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 17). Auch in diesem Bereich gibt es keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (vgl. auch Erman/Belling BGB 12. Aufl. § 626 Rn. 62; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 264; Preis AuR 2010, 242, 244; Reichel AuR 2004, 252; Schlachter NZA 2005, 433, 437).

39

d) Danach war eine Abmahnung hier nicht entbehrlich.

40

aa) Das Landesarbeitsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, dass es einer Abmahnung nicht deshalb bedurfte, um bei der Klägerin die mögliche Annahme zu beseitigen, die Beklagte könnte mit der eigennützigen Verwendung der Bons einverstanden sein. Einer mutmaßlichen Einwilligung - die in anderen Fällen, etwa der Verwendung wertloser, als Abfall deklarierter Gegenstände zum Eigenverbrauch oder zur Weitergabe an Hilfsbedürftige oder dem Aufladen eines Mobiltelefons im Stromnetz des Arbeitgebers, naheliegend sein mag - stand im Streitfall die Weisung des Filialleiters entgegen, die keine Zweifel über den von der Beklagten gewünschten Umgang mit den Bons aufkommen ließ. Auf mögliche Unklarheiten in den allgemeinen Anweisungen der Beklagten zur Behandlung von Fundsachen und Fundgeld kommt es deshalb nicht an.

41

bb) Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht zudem angenommen, das Verhalten der Klägerin stelle eine objektiv schwerwiegende, das Vertrauensverhältnis der Parteien erheblich belastende Pflichtverletzung dar.

42

(1) Mit der eigennützigen Verwendung der Leergutbons hat sich die Klägerin bewusst gegen die Anordnung des Filialleiters gestellt. Schon dies ist geeignet, das Vertrauen der Beklagten in die zuverlässige Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben als Kassiererin zu erschüttern. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bons gerade ihr zur Verwahrung und ggf. Buchung als „Fehlbons“ übergeben worden waren. Das Fehlverhalten der Klägerin berührt damit den Kernbereich ihrer Arbeitsaufgaben. Sie war als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt. Als solche hat sie den weisungsgemäßen Umgang mit Leergutbons gleichermaßen sicher zu stellen wie den mit ihr anvertrautem Geld. Die Beklagte muss sich auf die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit einer mit Kassentätigkeiten betrauten Arbeitnehmerin in besonderem Maße verlassen dürfen. Sie muss davon ausgehen können, dass ihre Weisungen zum Umgang mit Sach- und Vermögenswerten unabhängig von deren Wert und den jeweiligen Eigentumsverhältnissen korrekt eingehalten werden. Als Einzelhandelsunternehmen ist die Beklagte besonders anfällig dafür, in der Summe hohe Einbußen durch eine Vielzahl für sich genommen geringfügiger Schädigungen zu erleiden. Verstößt eine Arbeitnehmerin, deren originäre Aufgabe es ist, Einnahmen zu sichern und zu verbuchen, vorsätzlich und zur persönlichen Bereicherung gegen eine Pflicht, die gerade dem Schutz des Eigentums und Vermögens des Arbeitgebers oder eines Kunden dient, liegt darin regelmäßig ein erheblicher, das Vertrauen in ihre Redlichkeit beeinträchtigender Vertragsverstoß.

43

(2) Der Einwand der Klägerin, ein Vertrauen auf Seiten der Beklagten bestehe ohnehin nicht, wie die in den Märkten praktizierte Videoüberwachung zeige, geht fehl. Jeder Arbeitnehmer hat die Pflicht, sich so zu verhalten, dass es um seinetwillen einer Kontrolle nicht bedürfte. Erweist sich ein zunächst unspezifisches, nicht auf konkrete Personen bezogenes, generelles „Misstrauen“ des Arbeitgebers schließlich im Hinblick auf einen bestimmten Mitarbeiter als berechtigt, wird erst und nur dadurch das Vertrauen in dessen Redlichkeit tatsächlich erschüttert.

44

cc) Auch wenn deshalb das Verhalten der Klägerin das Vertrauensverhältnis zur Beklagten erheblich belastet hat, so hat das Landesarbeitsgericht doch den für die Klägerin sprechenden Besonderheiten nicht hinreichend Rechnung getragen.

45

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe nicht damit rechnen können, die Beklagte werde ihr Verhalten auch nur einmalig hinnehmen, ohne eine Kündigung auszusprechen. Die Klägerin habe ihre Pflichten als Kassiererin „auf das Schwerste“ verletzt. Mit dieser Würdigung ist es den Besonderheiten des Streitfalls nicht ausreichend gerecht geworden. Die Klägerin hat an der Kasse in unmittelbarer Anwesenheit ihrer Vorgesetzten bei einer nicht befreundeten Kollegin unabgezeichnete Leergutbons eingelöst. Dass sie mangels Abzeichnung nach den betrieblichen Regelungen keinen Anspruch auf eine Gutschrift hatte, war für die Kassenmitarbeiterin und die Vorgesetzte offenkundig und nicht zu übersehen. Das wusste auch die Klägerin, die deshalb aus ihrer Sicht unweigerlich würde Aufmerksamkeit erregen und Nachfragen auslösen müssen. Das zeigt, dass sie ihr Verhalten - fälschlich - als notfalls tolerabel oder jedenfalls korrigierbar eingeschätzt haben mag und sich eines gravierenden Unrechts offenbar nicht bewusst war. Für den Grad des Verschuldens und die Möglichkeit einer Wiederherstellung des Vertrauens macht es objektiv einen Unterschied, ob es sich bei einer Pflichtverletzung um ein Verhalten handelt, das insgesamt - wie etwa der vermeintlich unbeobachtete Griff in die Kasse - auf Heimlichkeit angelegt ist oder nicht.

46

(2) Das Landesarbeitsgericht hat die Einmaligkeit der Pflichtverletzung und die als beanstandungsfrei unterstellte Betriebszugehörigkeit der Klägerin von gut drei Jahrzehnten zwar erwähnt, ihnen aber kein ausreichendes Gewicht beigemessen.

47

(a) Für die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung kann es von erheblicher Bedeutung sein, ob der Arbeitnehmer bereits geraume Zeit in einer Vertrauensstellung beschäftigt war, ohne vergleichbare Pflichtverletzungen begangen zu haben. Das gilt auch bei Pflichtverstößen im unmittelbaren Vermögensbereich (Senat 13. Dezember 1984 - 2 AZR 454/83 - zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 81 = EzA BGB § 626 nF Nr. 94). Eine für lange Jahre ungestörte Vertrauensbeziehung zweier Vertragspartner wird nicht notwendig schon durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiederbringlich zerstört. Je länger eine Vertragsbeziehung ungestört bestanden hat, desto eher kann die Prognose berechtigt sein, dass der dadurch erarbeitete Vorrat an Vertrauen durch einen erstmaligen Vorfall nicht vollständig aufgezehrt wird. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Befindlichkeit und Einschätzung des Arbeitgebers oder bestimmter für ihn handelnder Personen an. Entscheidend ist ein objektiver Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob der Arbeitgeber hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer tatsächlich noch hat. Maßgeblich ist, ob er es aus der Sicht eines objektiven Betrachters haben müsste. Im Arbeitsverhältnis geht es nicht um ein umfassendes wechselseitiges Vertrauen in die moralischen Qualitäten der je anderen Vertragspartei. Es geht allein um die von einem objektiven Standpunkt aus zu beantwortende Frage, ob mit einer korrekten Erfüllung der Vertragspflichten zu rechnen ist.

48

(b) Die Klägerin hat durch eine beanstandungsfreie Tätigkeit als Verkäuferin und Kassiererin über dreißig Jahre hinweg Loyalität zur Beklagten gezeigt.

49

(aa) Der Senat hatte davon auszugehen, dass diese Zeit ohne rechtlich relevante Beanstandungen verlaufen ist. Gegenstand einer der Klägerin erteilten Abmahnung war eine vor Kunden abgegebene, abfällige Äußerung gegenüber einem Arbeitskollegen. Dieses Verhalten steht mit dem Kündigungsvorwurf in keinerlei Zusammenhang; im Übrigen wurde die Abmahnung ein Jahr später aus der Personalakte entfernt. Schon aus tatsächlichen Gründen unbeachtlich ist das Geschehen im Zusammenhang mit der Einlösung eines Sondercoupons im November 2007. Die Klägerin hat im Einzelnen und plausibel dargelegt, weshalb ihr dabei im Ergebnis keine Bonuspunkte zugeschrieben worden seien, die ihr nicht zugestanden hätten. Dem ist die Beklagte nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten.

50

(bb) Das in dieser Beschäftigungszeit von der Klägerin erworbene Maß an Vertrauen in die Korrektheit ihrer Aufgabenerfüllung und in die Achtung der Vermögensinteressen der Beklagten schlägt hoch zu Buche. Angesichts des Umstands, dass nach zehn Tagen Wartezeit mit einer Nachfrage der in Wahrheit berechtigten Kunden nach dem Verbleib von Leergutbons über Cent-Beträge aller Erfahrung nach nicht mehr zu rechnen war, und der wirtschaftlichen Geringfügigkeit eines der Beklagten entstandenen Nachteils ist es höher zu bewerten als deren Wunsch, nur eine solche Mitarbeiterin weiterzubeschäftigen, die in jeder Hinsicht und ausnahmslos ohne Fehl und Tadel ist. Dieser als solcher berechtigte Wunsch macht der Beklagten die Weiterbeschäftigung der Klägerin trotz ihres Pflichtenverstoßes mit Blick auf die bisherige Zusammenarbeit nicht unzumutbar. Objektiv ist das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Klägerin nicht derart erschüttert, dass dessen vollständige Wiederherstellung und ein künftig erneut störungsfreies Miteinander der Parteien nicht in Frage käme.

51

(3) Das prozessuale Verteidigungsvorbringen der Klägerin steht dieser Würdigung nicht entgegen.

52

(a) Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. Dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen(Senat 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245).

53

(b) Nachträglich eingetretene Umstände können nach der Rechtsprechung des Senats für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (Senat 13. Oktober 1977 - 2 AZR 387/76 - zu III 3 d der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 74 Nr. 3; 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245). Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (Senat 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - aaO; ErfK/Müller-Glöge 10. Aufl. § 626 Rn. 54; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 177; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 551; vgl. auch Walker NZA 2009, 921, 922). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (Senat 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - aaO). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (vgl. Senatsentscheidungen vom 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - AP BGB § 626 Nr. 197 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 12 und 3. Juli 2003 - 2 AZR 437/02 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 38 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2)gilt nichts anderes.

54

(c) Danach kommt dem Prozessverhalten der Klägerin keine ihre Pflichtverletzung verstärkende Bedeutung zu. Es ist nicht geeignet, den Kündigungssachverhalt als solchen zu erhellen. Der besteht darin, dass die Klägerin unberechtigterweise ihr nicht gehörende Leergutbons zweier Kunden zum eigenen Vorteil eingelöst hat.

55

(aa) Dieser Vorgang erscheint insbesondere im Hinblick auf eine Wiederholungsgefahr nicht dadurch in einem anderen, für die Klägerin ungünstigeren Licht, dass diese zunächst die Identität der von ihr eingelösten und der im Kassenbüro aufbewahrten Bons bestritten hat. Das Gleiche gilt im Hinblick darauf, dass die Klägerin auch noch im Prozessverlauf die Möglichkeit bestimmter Geschehensabläufe ins Spiel gebracht hat, die erklären könnten, weshalb sie - wie sie stets behauptet hat - selbst bei Identität der Bons nicht wusste, dass sie ihr nicht gehörende Bons einlöste. Die von der Klägerin aufgezeigten Möglichkeiten einschließlich der einer gegen sie geführten Intrige mögen sich wegen der erforderlich gewordenen Befragungen der betroffenen Arbeitnehmer nachteilig auf den Betriebsfrieden ausgewirkt haben. Dies war aber nicht Kündigungsgrund. Unabhängig davon zielte das Verteidigungsvorbringen der Klägerin erkennbar nicht darauf, Dritte einer konkreten Pflichtverletzung zu bezichtigen. Der Kündigungsgrund wird auch nicht dadurch klarer, dass die Klägerin die Rechtsauffassung vertreten hat, erstmalige Vermögensdelikte zulasten des Arbeitgebers könnten bei geringem wirtschaftlichem Schaden eine außerordentliche Kündigung ohne vorausgegangene Abmahnung nicht rechtfertigen. Damit hat sie lediglich in einer rechtlich umstrittenen Frage einen für sie günstigen Standpunkt eingenommen. Daraus kann nicht abgeleitet werden, sie werde sich künftig bei Gelegenheit in gleicher Weise vertragswidrig verhalten.

56

(bb) Das Prozessverhalten der Klägerin mindert ebenso wenig das bei der Interessenabwägung zu berücksichtigende Maß des verbliebenen Vertrauens. Auch für dessen Ermittlung ist auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs abzustellen. Aus dieser Perspektive und im Hinblick auf den bis dahin verwirklichten Kündigungssachverhalt ist zu fragen, ob mit der Wiederherstellung des Vertrauens in eine künftig korrekte Vertragserfüllung gerechnet werden kann. In dieser Hinsicht ist das Verteidigungsvorbringen der Klägerin ohne Aussagekraft. Ihr wechselnder Vortrag und beharrliches Leugnen einer vorsätzlichen Pflichtwidrigkeit lassen keine Rückschlüsse auf ihre künftige Zuverlässigkeit als Kassiererin zu. Das gilt gleichermaßen für mögliche, während des Prozesses aufgestellte Behauptungen der Klägerin über eine ihr angeblich von der Kassenleiterin angetragene Manipulation im Zusammenhang mit der Einlösung von Sondercoupons im November 2007 und mögliche Äußerungen gegenüber Pressevertretern.

57

(cc) Anders als die Beklagte meint, wird dadurch nicht Verstößen gegen die prozessuale Wahrheitspflicht „Tür und Tor geöffnet“. Im Fall eines bewusst wahrheitswidrigen Vorbringens besteht die Möglichkeit, eine weitere Kündigung auszusprechen oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG anzubringen. Dabei kann nicht jeder unzutreffende Parteivortrag als „Lüge“ bezeichnet werden. Die Wahrnehmung eines Geschehens ist generell nicht unbeeinflusst vom äußeren und inneren Standpunkt des Wahrnehmenden. Gleiches gilt für Erinnerung und Wiedergabe, zumal in einem von starker Polarität geprägten Verhältnis, wie es zwischen Prozessparteien häufig besteht. Wenn sich das Gericht nach den Regeln des Prozessrechts in §§ 138, 286 ZPO die - rechtlich bindende, aber um deswillen nicht der Gefahr des Irrtums enthobene - Überzeugung bildet, ein bestimmter Sachverhalt habe sich so und nicht anders zugetragen, ist damit die frühere, möglicherweise abweichende Darstellung einer Partei nicht zugleich als gezielte Irreführung des Gerichts oder der Gegenpartei ausgewiesen. Es bedarf vielmehr besonderer Anhaltspunkte, um einen solchen - schweren - Vorwurf zu begründen.

58

B. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zum 30. September 2008 ist unwirksam. Auch dies vermag der Senat selbst zu entscheiden. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht durch Gründe im Verhalten der Klägerin iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt. Sie ist auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wie die außerordentliche Kündigung. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

59

C. Der Antrag auf Beschäftigung, der sich ersichtlich auf die Dauer des Kündigungsrechtsstreits beschränkte, kommt wegen der Beendigung des Verfahrens nicht mehr zum Tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Bartz    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.