Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 02. März 2017 - 5 Sa 439/16

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:0302.5Sa439.16.00
bei uns veröffentlicht am02.03.2017

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30. Mai 2016, Az. 6 Ca 2485/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch einen Aufhebungsvertrag.

2

Der 1953 geborene Kläger war seit Mai 1999 im Großmarkt der Beklagten in Koblenz als Mitarbeiter im Verkauf zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt € 2.209,50 angestellt. Die Beklagte beschäftigt in diesem Großmarkt weitaus mehr als zehn Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat.

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Der Kläger erkrankte am 19.05.2014 (Montag) nach seinen Angaben wegen eines Hexenschusses arbeitsunfähig. Er informierte die Beklagte noch am selben Tag durch eine Zeugin telefonisch. Am 22.05.2014 (Donnerstag) hatte der Kläger nach dem Dienstplan arbeitsfrei. Ab dem 23.05.2014 (Freitag) waren ihm bereits vor seiner Erkrankung zwei Tage Sonderurlaub für einen geplanten Umzug bewilligt worden, den er ab 24.05.2014 (Samstag) durchführen wollte. Anschließend war ihm bis einschließlich 06.06.2014 Erholungsurlaub bewilligt worden. Die Hausärztin stellte dem Kläger am 19.05.2014 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für gut drei Wochen bis einschließlich 09.06.2014 (Pfingstmontag) aus. Diese Bescheinigung (Bl. 52 d.A.) gab der Kläger persönlich am 21.05.2014 im Personalbüro ab. Im Großmarkt begegnete er dem damaligen Betriebsleiter W., den er fragte, ob er sich für den Umzug über das Wochenende den betriebseigenen Sprinter ausleihen dürfe. Der Betriebsleiter war mit der Ausleihe einverstanden. Einzelheiten des Gesprächs sind streitig. Der Kläger holte am 24.05.2014 den Sprinter ab und brachte ihn am 26.05.2014 wieder zurück. Die Beklagte beauftragte einen Detektiv mit der Beobachtung des Klägers. Der Detektiv übermittelte der Beklagten Fotografien, die den Kläger während des Umzugs beim Heben und Tragen von Möbelstücken abbilden.

4

Am 02.06.2014 lud die Beklagte den Kläger zu einem Personalgespräch am 03.06.2014 ein. Der Kläger erschien in Begleitung des Betriebsratsvorsitzenden L.. Auf Beklagtenseite nahm der Geschäftsleiter des Marktes X., die Personalmanagerin Y. und der Betriebsleiter W. an dem Gespräch teil. Einzelheiten des Gesprächs sind streitig. Die Vertreter der Beklagten konfrontierten den Kläger mit den Fotografien und erklärten, dass sie angesichts der bis zum 09.06.2014 fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit von einer Pflichtverletzung ausgingen. Der Kläger, der im Vorfeld vom Gesprächsanlass erfahren hatte, legte den Beklagtenvertretern eine handschriftlich korrigierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor (Bl. 22 d.A.). Danach soll die Arbeitsunfähigkeit nicht länger als drei Tage gedauert, dh. bereits am 21.05.2014 geendet haben. Nach Beratung mit dem Betriebsratsvorsitzenden unterzeichnete der Kläger einen Aufhebungsvertrag. Darin einigten sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2014 aus betrieblichen Gründen. Die Beklagte verpflichtete sich, an den Kläger eine Abfindung iHv. € 6.400,00 brutto zu zahlen.

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Mit Anwaltsschreiben vom 05.06.2014 focht der Kläger den Aufhebungsvertrag aus allen in Betracht kommenden Gründen, insbesondere wegen widerrechtlicher Drohung und arglistiger Täuschung an. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 17.06.2014 fristlos und mit Schreiben vom 23.06. ordentlich zum 31.12.2014. Mit seiner am 27.06.2014 erhobenen Klage machte der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigungen sowie des Aufhebungsvertrags geltend. Die Klage erweiterte er mehrfach um Zahlungsansprüche für die Monate von Juni 2014 bis zuletzt Februar 2016.

6

Erstinstanzlich legte der Kläger noch ein Attest seiner Hausärztin vom 11.11.2014 mit folgendem Inhalt vor:

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"…Hiermit wird bescheinigt, dass bei o.g. Patienten die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 19.05.2014 aus Versehen durch Setzen eines falschen Kreuzes in der Computermaske bis zum 09.06.2014 ausgestellt wurde. Besprochen wurde aber während des ärztlichen Untersuchungstermins mit dem Patienten eine Dauer bzw. Begrenzung der Arbeitsunfähigkeit auf 3 Tage. Dementsprechend wurde auch später das Ende der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung handschriftlich auf den 21.05.2014 korrigiert. Den Patienten trifft keine Schuld, der Organisationsfehler ist leider von mir zu verantworten. …"

8

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestands, des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der erstinstanzlichen Sachanträge wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 30.05.2016 Bezug genommen.

9

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17.06.2014 wegen Versäumung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam sei. Das Arbeitsverhältnis sei aber durch den Aufhebungsvertrag vom 03.06. mit Ablauf des 30.06.2014 beendet worden. Die Beklagte sei deshalb zur Zahlung der vereinbarten Abfindung iHv. € 6.400,00 und des Lohnes für den Monat Juni 2014 iHv. € 2.209,50 verpflichtet. Die ordentliche Kündigung vom 23.06.2014 gehe ins Leere. Über die Hilfsanträge auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für Juli 2014 bis Februar 2016 sei nicht zu entscheiden. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die Beklagte habe den Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht durch eine widerrechtliche Drohung mit einer fristlosen Kündigung zur Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags bestimmt. Der Kläger habe nicht zu beweisen vermocht, dass ihm im Gespräch vom 03.06.2014 von den Vertretern der Beklagten mit dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung gedroht worden sei. Selbst wenn man die Äußerungen des Geschäftsleiters als Drohung iSd. § 123 Abs. 1 BGB qualifizieren wollte, sei diese nicht widerrechtlich erfolgt. Der Kläger habe nicht zu beweisen vermocht, dass die Beklagte am 03.06.2014 den Ausspruch einer Kündigung nicht hätte in Erwägung ziehen dürfen. Er habe im Gespräch vom 03.06.2014 den Verdacht der Beklagten, dass er sich beim Umzug entweder genesungswidrig verhalten oder die bis zum 09.06.2014 ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung trotz Genesung ausgenutzt habe, nicht ausräumen können. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, weitere Nachforschungen anzustellen. Auf den vom Detektiv gefertigten Fotografien sei zu erkennen, dass der Kläger Möbel getragen habe. Das Tragen von Möbeln könne beim Vorliegen eines Hexenschusses durchaus als genesungswidriges Verhalten bewertet werden. Die Beklagte sei nicht in der Lage gewesen, die Behauptung des Klägers, die Krankschreibung vom 19.05. bis zum 09.06.2014 sei aus Versehen erfolgt, nachzuprüfen. Der Kläger habe nicht vorgetragen, dass er seine Hausärztin am 03.06.2014 von ihrer Schweigepflicht entbunden habe. Wegen weiterer Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 30.05.2016 Bezug genommen.

10

Der Kläger hat gegen das am 07.09.2016 zugestellte Urteil mit am 07.10.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 07.12.2016 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit am 07.12.2016 eingegangenem Schriftsatz begründet. Die Beklagte hat kein Rechtsmittel eingelegt.

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Der Kläger macht geltend, die durchgeführte Beweisaufnahme habe entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ergeben, dass er durch Drohung zum Abschluss des Aufhebungsvertrags veranlasst worden sei. Er sei im Gespräch vom 03.06.2014 in eine Zwangslage versetzt worden. Nach den Gesamtumständen habe sich für ihn die Situation so dargestellt, dass ihm bei Nichtabschluss des Aufhebungsvertrags gekündigt werden sollte. Er habe nur zwischen zwei Übeln wählen können. Die Drohung mit einer Kündigung sei widerrechtlich erfolgt, denn die Beklagte habe zumutbare Aufklärungsmöglichkeiten ausgeschlagen. Er habe den Beklagtenvertretern im Gespräch vom 03.06.2014 eine von seiner Hausärztin korrigierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt und damit den Nachweis erbracht, dass er am Wochenende des Umzugs nicht länger krankgeschrieben gewesen sei. Die Hausärztin habe bei ihrer erstinstanzlichen Zeugenvernehmung bekundet, dass sie ihn ursprünglich eine Woche habe krankschreiben wollen, keinesfalls vom 19.05. bis zum 09.06.2014. Wie bereits erstinstanzlich vorgetragen, habe er seinen Vorgesetzten unter Vorlage der korrigierten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angeboten, seine Hausärztin anzurufen, um sich bestätigen zu lassen, dass die ursprünglich eingereichte Bescheinigung fehlerhaft sei. In diesem Angebot habe zugleich die Erklärung gelegen, die Hausärztin von der Schweigepflicht zu entbinden. Ein verantwortungsvoller Arbeitgeber hätte weiterhin versucht, abzuklären, bei wem er sich am Montag, dem 19.05.2016 krankgemeldet und welche Angaben er dort gemacht habe. Eine Rücksprache bei der Zeugin Z., die er angerufen habe, hätte Klarheit darüber geschaffen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein falsches Enddatum enthalten müsse. Es stehe somit fest, dass er am Umzugswochenende nicht krankgeschrieben gewesen sei. Er habe sich nicht genesungswidrig verhalten oder seine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht. Da er nicht arbeitsunfähig krank gewesen sei, komme es nicht darauf an, dass das Arbeitsgericht ohne Rücksicht auf den Einwand des Beweisverwertungsverbots darauf abgestellt habe, dass er zumindest ein Regal allein zum Sprinter getragen habe und weitere Möbelstücke mit anderen Personen gemeinsam.

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Der Kläger beantragt zweitinstanzlich zuletzt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.05.2016, Az. 6 Ca 2485/14, teilweise abzuändern und

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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30.06.2014 hinaus fortbesteht,

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2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 23.06. zum 31.12.2014 aufgelöst worden ist,

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3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn

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a) Lohn für den Monat Juli 2014 iHv. € 2.209,50 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche iHv. € 849,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2014,

18

b) Lohn für den Monat August 2014 iHv. € 2.209,50 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche iHv. € 849,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2014,

19

c) Lohn für den Monat September 2014 iHv. € 2.209,50 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche iHv. € 849,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2014,

20

d) Lohn für den Monat Oktober 2014 iHv. € 2.209,50 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche iHv. € 849,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2014,

21

e) Lohn für den Monat November 2014 iHv. € 2.209,50 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche iHv. € 849,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2014,

22

f) Lohn für den Monat Dezember 2014 iHv. € 2.209,50 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche iHv. € 849,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2015 zu zahlen,

23

4. hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 2) die Beklagte zu verurteilen, an ihn

24

a) Lohn für den Monat Januar 2015 iHv. € 2.209,50 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche iHv. € 849,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2015,

25

b) Lohn für den Monat Februar 2015 iHv. € 2.209,50 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche iHv. € 849,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2015,

26

c) Lohn für den Monat März 2015 iHv. € 2.209,50 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche iHv. € 849,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2015,

27

d) Lohn für den Monat April 2015 iHv. € 2.209,50 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche iHv. € 849,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2015,

28

e) Lohn für den Monat Mai 2015 iHv. € 2.209,50 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche iHv. € 849,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2015,

29

f) Lohn für den Monat Juni 2015 iHv. € 2.209,50 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche iHv. € 849,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2015,

30

g) Lohn für den Monat Juli 2015 iHv. € 2.209,50 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche iHv. € 849,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2015,

31

h) Lohn für den Monat August 2015 iHv. € 2.209,50 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche iHv. € 849,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2015,

32

i) Lohn für den Monat September 2015 iHv. € 2.209,50 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche iHv. € 849,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2015,

33

j) Lohn für den Monat Oktober 2015 iHv. € 2.209,50 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche iHv. € 849,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2015,

34

k) Lohn für den Monat November 2015 iHv. € 2.209,50 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche iHv. € 849,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2015,

35

l) Lohn für den Monat Dezember 2015 iHv. € 2.209,50 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche iHv. € 849,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2016,

36

m) Lohn für den Monat Januar 2016 iHv. € 2.209,50 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche iHv. € 849,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2016,

37

n) Lohn für den Monat Februar 2016 iHv. € 2.209,50 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche iHv. € 849,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2016 zu zahlen.

38

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

40

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

41

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß begründet worden.

II.

42

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch den Aufhebungsvertrag vom 03.06. mit Ablauf des 30.06.2014 aufgelöst worden ist. Weil das Arbeitsverhältnis am 30.06.2014 geendet hat, kann der Kläger keinen Annahmeverzugslohn für zwanzig Monate von Juli 2014 bis Februar 2016 beanspruchen. Die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.06. zum 31.12.2014 ging ins Leere.

43

1. Der Klageantrag zu 1) ist unbegründet. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist durch den am 03.06.2014 geschlossenen Aufhebungsvertrag zum 30.06.2014 aufgelöst worden. Der Aufhebungsvertrag ist nicht aufgrund der vom Kläger am 05.06.2014 erklärten Anfechtung gem. § 142 BGB unwirksam. Es fehlt an einem Anfechtungsgrund.

44

a) Der Kläger hat mit Anwaltsschreiben vom 05.06.2014 den Vertrag "aus allen in Betracht kommenden Gründen, insbesondere wegen widerrechtlicher Drohung und arglistiger Täuschung" angefochten.

45

Für ein Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB fehlt jeder Sachvortrag. Es ist auch kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die Beklagte den Kläger am 03.06.2014 durch eine arglistige Täuschung zum Abschluss des Aufhebungsvertrags bewogen hätte. Der Kläger hat auch nichts dafür vorgetragen, dass der Aufhebungsvertrag wegen Irrtums iSd. § 119 BGB anfechtbar sein könnte.

46

b) Entgegen der Ansicht der Berufung hat Kläger den Aufhebungsvertrag nicht wirksam wegen widerrechtlicher Drohung gem. § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB angefochten. Dabei kann dahinstehen, ob die Vertreter der Beklagten dem Kläger im Gespräch vom 03.06.2014 überhaupt mit dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses gedroht haben, denn die - unterstellte - Drohung wäre im konkreten Fall nicht widerrechtlich gewesen.

47

aa) Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist dann widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Dabei kann sich die Widerrechtlichkeit der Kündigungsandrohung regelmäßig nur aus der Inadäquanz von Mittel und Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist die Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen, ist die Drohung widerrechtlich. Nicht erforderlich ist allerdings, dass die angedrohte Kündigung, wenn sie ausgesprochen worden wäre, sich in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erwiesen hätte. Nur wenn der Arbeitgeber unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werde im Falle ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er die außerordentliche Kündigungserklärung nicht in Aussicht stellen, um damit den Arbeitnehmer zur Abgabe einer Willenserklärung zu veranlassen (vgl. etwa BAG 21.04.2016 - 8 AZR 474/14 - Rn. 54 mwN).

48

bb) In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die - unterstellte - Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung im Streitfall nicht als widerrechtlich. Die Beklagte durfte nach den Gesamtumständen, wie sie sich im Personalgespräch am 03.06.2014 darstellten, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger ernsthaft in Erwägung ziehen. Sie musste nicht davon ausgehen, dass eine solche Kündigung einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten würde. Es lagen erhebliche Verdachtsmomente gegen den Kläger vor, die geeignet waren, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensverhältnis zu zerstören.

49

Der Kläger, der nach eigenen Angaben an einem Hexenschuss erkrankt war, gab am 21.05.2014 im Personalbüro der Beklagten eine ordnungsgemäß ausgestellte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Vordruck: Ausfertigung zur Vorlage beim Arbeitgeber) persönlich ab. Darin ist ihm von seiner Hausärztin am 19.05. für gut drei Wochen eine Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 09.06.2014 attestiert worden. Der Kläger begegnete am 21.05.2014 im Großmarkt dem Betriebsleiter W., den er fragte, ob er sich den betriebseigenen Sprinter für seinen geplanten Umzug über das Wochenende (24./25.05.2014) ausleihen dürfe. Der Kläger wurde von einem Detektiv, den die Beklagte beauftragt hatte, dabei beobachtet, wie er am 24.05.2014 "tatkräftig" beim Umzug mithalf und auch selbst Möbelstücke trug. Daraufhin lud die Beklagte den Kläger zu einem Personalgespräch ein, dass am 03.06.2014 stattfand. Im Verlauf des Gesprächs legte der Kläger den Vertretern der Beklagten eine handschriftlich geänderte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Auf dem Vordruck (Ausfertigung zur Vorlage bei der Krankenkasse) war das gedruckte Datum 09.06.2014 durchgestrichen und handschriftlich durch das Datum 21.05.2014 ersetzt worden. Die Diagnose war auf diesem Vordruck mit dem ICD-Code "M 54.5 G" (Kreuzschmerz) angegeben.

50

Bei dieser Sachlage konnte ein vernünftig abwägender Arbeitgeber in der konkreten Situation der Beklagten annehmen, dass der Kläger - wie am 19.05.2014 ärztlich attestiert - für gut drei Wochen bis zum 09.06.2014 krankgeschrieben war und sich genesungswidrig verhalten hat, weil er beim Umzug Möbel gehoben und getragen hat (Variante 1). Es wird von der Berufung nicht in Abrede gestellt, dass das Heben und Tragen von Möbelstücken der Genesung bei Kreuzschmerzen nach einem Hexenschuss nicht dienlich ist. Alternativ lag der Verdacht nahe, dass der Kläger, wenn er - seine Behauptung als wahr unterstellt - nur für drei Tage bis zum 21.05.2014 von seiner Hausärztin krankgeschrieben worden sein sollte, sich durch Vorlage einer aus Versehen bis zum 09.06.2014 ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Urlaub erschleichen wollte, weil ihm die Beklagte die bis 06.06.2014 bewilligten Urlaubstage wegen der attestierten Erkrankung wieder "gutgeschrieben" hat (Variante 2). So oder so war das Vertrauen in die Redlichkeit des Klägers zerstört.

51

Entgegen der Ansicht der Berufung waren die Vertreter der Beklagten am 03.06.2014 nicht verpflichtet, die Hausärztin des Klägers telefonisch zu kontaktieren, um aufzuklären, ob sie die vom Kläger am 21.05.2014 im Personalbüro abgegebene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus Versehen falsch ausgestellt habe. Dabei kann dahinstehen, ob die bestrittene Behauptung des Klägers zutrifft, er habe den Beklagtenvertretern im Gespräch vom 03.06.2014 ausdrücklich angeboten, seine Hausärztin anzurufen. Ein Telefonanruf bei der Hausärztin hätte nicht erklärt, warum der Kläger am 21.05.2014 der Beklagten eine - nach seinem Vortrag - falsche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt hat. Die Ärztin hat in ihrem erstinstanzlich zur Akte gereichten Attest vom 11.11.2014 bescheinigt, dass sie mit dem Kläger im Untersuchungstermin am 19.05.2014 eine Begrenzung der Arbeitsunfähigkeit auf drei Tage besprochen habe. Der Kläger hat keine Erklärung dafür abgegeben, weshalb er am 21.05.2014 überhaupt eine ärztliche Bescheinigung abgegeben hat, obwohl die Arbeitsunfähigkeit - nach seiner Überzeugung -nur bis zu diesem Tag, also nicht länger als drei Kalendertage, gedauert hat, so dass nach der gesetzlichen Vorgabe des § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG keine Nachweispflicht bestand. Dass der Kläger vor Abgabe des Vordrucks nicht erkannt haben will, dass die ärztliche Bescheinigung nicht - wie er mit seiner Ärztin besprochen haben will - für drei Tage bis zum 21.05., sondern für gut drei Wochen bis zum 09.06.2014 ausgestellt worden ist, durfte die Beklagte als Schutzbehauptung ansehen. Es ist schwer vorstellbar, dass ein Arbeitnehmer die Eintragungen von Beginn und voraussichtlichem Ende einer Arbeitsunfähigkeit nicht prüft, bevor er die Bescheinigung im Personalbüro abgibt.

52

Hinzu kommt, dass der Betriebsleiter W. ausweislich des Inhalts der Sitzungsniederschrift bei seiner erstinstanzlichen Zeugenvernehmung am 30.05.2016 bekundet hat, der Kläger habe ihm bei ihrer Begegnung am 21.05.2014 erklärt, dass er krankgeschrieben sei, ob er "trotzdem" den Sprinter haben könne. Er habe dem Kläger geantwortet, dass er ihm den Sprinter - wie bereits zuvor zugesagt - für den Umzug ausleihe. Er könne den Sprinter fahren, müsse aber berücksichtigen, dass er krankgeschrieben sei. Der Zeuge hat weiter bekundet, er habe dem Kläger bei der Übergabe des Sprinters am Samstag, dem 24.05.2014 nochmals verdeutlicht, dass er krankgeschrieben sei und deshalb keine Lasten heben sollte. Der Kläger habe ihm geantwortet, er müsse sich keine Gedanken machen, weil er genügend Leute habe, die das für ihn täten. Der Kläger hat auch im Rechtsstreit keine plausible Erklärung dafür abgegeben, weshalb er dem Zeugen W. weder am 21.05. noch am 24.05.2014 geantwortet hat, er sei nur drei Tage bis zum 21.05.2014 krankgeschrieben worden und könne deshalb am Samstag auch beim Umzug Möbel heben und tragen.

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Entgegen der Ansicht der Berufung ist unerheblich, ob die Zeugin Y., die der Kläger am 19.05.2014 angerufen hat, um seine telefonische Krankmeldung an die zuständige Personalabteilung weiterzugeben, dort in seinem Auftrag ausgerichtet hat, er sei (nur) bis einschließlich Mittwoch erkrankt. Dies kann unterstellt werden, denn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die der Kläger persönlich am Mittwoch, dem 21.05.2014 abgegeben hat, war für gut drei Wochen bis zum 09.06.2014 ausgestellt worden. Es bestand für die Beklagte kein Anlass, an der Richtigkeit der ordnungsgemäß ausgestellten Bescheinigung deshalb zu zweifeln, weil die vom Kläger eingeschaltete Botin den Mitarbeitern des Personalbüros eine dreitägige Erkrankung ausgerichtet hat. Die Beklagte traf entgegen der Ansicht der Berufung keine Aufklärungspflicht. Es wäre vielmehr Sache des Klägers gewesen, sich zu vergewissern, dass er eine Bescheinigung im Personalbüro abgibt, die kein falsches Datum enthält. Es lag in seinem Pflichtenkreis, dass er die Eintragungen in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung prüft, bevor er sie der Beklagten als Nachweis für seine Fehlzeit vorlegt. Den Verdacht, dass er eine - von seiner Hausärztin versehentlich - falsch ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt hat, um sich Urlaubsansprüche zu erschleichen, hat der Kläger nicht ausgeräumt.

54

Entgegen der Ansicht der Berufung hat der Kläger durch Vorlage der handschriftlich geänderten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Gespräch vom 03.06.2014 auch den gegen ihn erhobenen Vorwurf des genesungswidrigen Verhaltens nicht entkräftet. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Abänderung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 03.06.2014 allein aufgrund seiner nachträglichen Angaben von seiner Hausärztin vollzogen wurde. Die Hausärztin konnte am 03.06.2014 nicht aufgrund eigener Diagnose beurteilen, ob er Kläger nach dem Hexenschuss am Wochenende des 24./25.05.2014 gesundheitlich wieder so hergestellt war, dass er bei seinem Umzug Möbel tragen durfte. Die Hausärztin hat bei ihrer erstinstanzlichen Zeugenvernehmung ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 30.05.2016 bekundet, dass sie das Attest vom 03.06.2014, dh. die handschriftliche Änderung auf den 21.05.2014, "auf den Angaben des Klägers basierend ausgestellt" habe. Sie verlasse sich bei der Diagnose, ob ein Patient nach einem Hexenschuss wieder gesund sei, auf dessen Aussage, dass er keine Beschwerden mehr habe.

55

Entgegen der Ansicht der Berufung durften die Vertreter der Beklagten den Kläger im Gespräch vom 03.06.2014 mit den vom beauftragten Detektiv heimlich hergestellten Fotografien konfrontieren. Auch das Arbeitsgericht war nicht daran gehindert, bei seiner Entscheidung darauf abzustellen, dass der Kläger auf diesen Fotografien - unstreitig - beim Tragen und Heben von Möbelstücken in den ausgeliehenen Sprinter zu erkennen ist. Ein Beweisverwertungsverbot oder ein Verbot, selbst unstreitigen Sachvortrag zu verwerten, kommt nur dann in Betracht, wenn dies aufgrund einer verfassungsrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist (vgl. ausführlich BAG 20.10.2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 15 ff mwN; BAG 22.09.2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 20 ff mwN).

56

Im Streitfall bestand nach den Umständen des Einzelfalls für die Beklagte der konkrete Verdacht, dass der Kläger sich beim Umzug genesungswidrig verhalten könnte, indem er Möbel hebt und trägt, obwohl er wegen eines Hexenschusses (nach der Zeugenaussage der Hausärztin wohl nicht zum ersten Mal) arbeitsunfähig krankgeschrieben war. Da sich der Kläger den Sprinter der Beklagten, obwohl er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gerade erst abgegeben hatte, beim Betriebsleiter "trotzdem" ausleihen wollte, bestand ein konkreter, über bloße Mutmaßungen hinausgehender Verdacht, dass der Kläger bei seinem Umzug, den er mit privaten Helfern organisiert hat, "tatkräftig" anpackt. Die Überwachung durch einen Detektiv, der heimlich mehrere Fotografien angefertigt hat, erweist sich nicht aus anderen Gründen als unverhältnismäßig. Es ist nicht ersichtlich, dass andere Mittel zur Aufklärung des Verdachts zur Verfügung gestanden hätten, die weniger stark in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen hätten und mittels derer der Zweck der Überwachung mit vergleichbarer Erfolgsaussicht hätte erreicht werden können.

57

2. Der Klageantrag zu 3) ist unbegründet. Da das Arbeitsverhältnis am 30.06.2014 sein Ende gefunden hat, kann der Kläger für die sechs Monate von Juli bis Dezember 2014 keinen Annahmeverzugslohn beanspruchen.

58

3. Der Klageantrag zu 4), der auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für die vierzehn Monate von Januar 2015 bis Februar 2016 gerichtet ist, fällt nicht zur Entscheidung an. Er steht unter der innerprozessualen Bedingung des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 2). Diese Bedingung ist nicht eingetreten.

59

4. Der Klageantrag zu 2) ist unbegründet. Die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 23.06. zum 31.12.2014 ist nicht zu überprüfen, weil das Arbeitsverhältnis bereits durch den Aufhebungsvertrag vom 03.06. zum 30.06.2014 aufgelöst worden ist.

60

Die Beklagte hat zwar im Kündigungsschreiben vom 23.06.2014 nicht ausdrücklich klargestellt, dass die Kündigung nur für den Fall der Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags gelten soll, den der Kläger am 05.06.2014 angefochten hat. Dies ergibt sich jedoch eindeutig aus einer die Umstände des Falles berücksichtigenden Auslegung der Kündigungserklärung. Der Beklagten kam es nur darauf an, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger auch für den Fall sicherzustellen, dass der Aufhebungsvertrag zum 30.06.2014 unwirksam sein sollte. Die streitbefangene ordentliche Kündigung stellt sich mithin lediglich als eine vorsorgliche Maßnahme der Beklagten dar. Der Kläger hätte deshalb mit seiner Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung nur durchdringen können, wenn die Rechtsbedingung, von der die Kündigungserklärung abhängig gemacht worden ist, zuträfe (vgl. BAG 21.11.2013 - 2 AZR 474/12 - Rn. 20 mwN; BAG 16.01.1987 - 7 AZR 546/85). Das ist jedoch nicht der Fall.

III.

61

Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

62

Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen.

(2) Wer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, wird, wenn die Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gekannt hätte oder hätte kennen müssen.

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 27. Februar 2014 - 3 Sa 231/12 - teilweise aufgehoben, soweit es über die Berufung des Beklagten zu 1. erkannt hat.

Die Berufung des Beklagten zu 1. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 16. Mai 2012 - 11 Ca 285/11 - wird zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten I. Instanz zu einem Streitwert iHv. 239.900,00 Euro haben die Klägerin zu 58 % und der Beklagte zu 1. zu 42 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten I. Instanz - soweit erstattungsfähig - hat die Klägerin die des Beklagten zu 2. voll, die des Beklagten zu 1. zu 16 % und die eigenen zu 58 % zu tragen. Der Beklagte zu 1. hat seine außergerichtlichen Kosten - soweit erstattungsfähig - zu 84 % und die der Klägerin - soweit erstattungsfähig - zu 42 % zu tragen.

Die gerichtlichen Kosten II. Instanz und III. Instanz zu einem Streitwert iHv. 200.000,00 Euro haben die Klägerin und der Beklagte zu 1. je zur Hälfte zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten II. und III. Instanz hat die Klägerin die des Beklagten zu 2. voll und die eigenen zur Hälfte zu tragen. Der Beklagte zu 1. hat seine außergerichtlichen Kosten voll und die der Klägerin zur Hälfte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagten zu 1. und 2. der Klägerin wegen manipulierter Leergutbuchungen zum Schadensersatz verpflichtet sind und in diesem Zusammenhang über die Wirksamkeit und die Wirkungen eines vom Beklagten zu 1. abgegebenen „Schuldanerkenntnisses“.

2

Der Beklagte zu 1. war seit dem 13. Juni 2001 bei der Klägerin als Mitarbeiter im C-Abholmarkt in L (im Folgenden Abholmarkt) beschäftigt. Er hatte ua. die Aufgabe, Leergut (Pfandflaschen und Getränkekisten) von den Kunden entgegenzunehmen, die abgegebene Leergutmenge eigenverantwortlich zu zählen, die Pfandbeträge an die Kunden auszuzahlen bzw. ihrem Kundenkonto gutzuschreiben und die Vorgänge in der Kasse zu verbuchen. Der Beklagte zu 2., der in K einen Kiosk betreibt, war gewerblicher Kunde des Abholmarkts.

3

Im Herbst 2008 stellte die EDV-Abteilung der Klägerin im Abholmarkt extrem hohe Bestände in der EDV-geführten Leerguterfassung fest. Die von der Klägerin durchgeführte Recherche ergab, dass der erhöhte Leergutbestand auf fingierten Geschäftsvorgängen beruhte, die der Beklagte zu 1. seit Januar 2007 unter der Kundennummer des Beklagten zu 2. eingegeben hatte. Die Klägerin veranlasste daraufhin eine Überwachung des Beklagten zu 1. durch die Zeugen B und P sowie den EDV-Mitarbeiter T. Diese beobachteten am 8. Oktober 2008 um 08:39 Uhr, wie der Beklagte zu 1. zugunsten des Kundenkontos des Beklagten zu 2. eine Leergutbuchung iHv. zumindest 595,00 Euro erstellte, obwohl kein Leergut zurückgeführt wurde.

4

Auf Vorhalt der Zeugen gab der Beklagte zu 1. an, gemeinsam mit dem Beklagten zu 2. Manipulationen bei der Leergutbuchung vorgenommen zu haben, wobei dem Beklagten zu 2. zwei Drittel und ihm selbst ein Drittel des aus den fingierten Geschäftsvorgängen resultierenden Gewinns zugeflossen seien.

5

Auf Drängen des Zeugen B fertigte der Beklagte zu 1. im Büro der Klägerin handschriftlich das folgende „Schuldeingeständnis“ an:

        

„-    

seit Januar 07 habe ich in größerer Ordnung Leergutnummern genohmen um Falsche Bestände auszugleichen

        

-       

diese Falschen Bestände entstanden dadurch das ich Ware ohne Bezahlung und realen Bon an den Kunden mit der KD ausgegeben habe, mit Bon dem Kunden W

        

-       

mir war schon bewußt das es irgendwann auffällt und das die Sache nachzuvollziehen ist

        

-       

ich bin aber mit der Leichtgläubigkeit rangegangen das es nicht so schnell passiert weil niemand etwas sagte oder auch keine Info kam das irgendetwas falsch läuft bei den Beständen

        

-       

ich alleine habe die Waren rausgeben ohne das wissen anderer Kollegen. Wenn diese gefragt haben hab ich gesagt die Ware sei verkauft worden

        

-       

die Rechnungen habe ich auch auf andere Bedienernummern getätigt während diese Kollegen beschäftigt waren ohne deren Wissen

        

-       

auch die Warenausgabe erfolgt nach diesem Schema immer nur wenn Kollegen zur Pause waren oder ich alleine im Getränkemarkt war

        

-       

ich habe die Bestellungen mir aufgeschrieben sowie der Kunde die Ware brauchte und danach meine Bestellungen ausgerichtet

        

-       

mir war nicht bewußt das sich das schon so summiert hat

        

-       

ich glaube das mein persönlicher Gewinn so bei 60 - 80 tausend Euro belag. Wobei ich da keinen Nachweis drüber geführt habe. Ich habe einen Teil des Geldes immer genohmen um diese Rechnungen zu machen

        

-       

der Kunde hat mich nie unter Druck gesetzt ich tat es aus freien stücken heraus

        

-       

ich wollte eigentlich damit im Februar 08 aufhören, weil aber nach der Inventur nichts aufkam das große Differenzen beim Leergut vorhanden waren machte ich weiter

        

-       

am Anfang waren es nur so hundert Kästen die Woche bevor wir entschlossen mehr zu machen

        

-       

danach steigerte sich das immer mal und lag in der Regel zwischen 400 - 600 Kästen

        

-       

die Rechnungen machte ich meistens nur einmal am Tag in meiner Schicht außer die Umsätze liefen gut wie Dienstags oder Donnerstags und Freitags da waren es dann auch mal zwei Rechnungen in meiner Schicht

        

-       

ich lebte allerdings ständig mit der Angst das alles auffliegt und das machte mir immer zu schaffen.“

6

Zur Abfassung des Schuldeingeständnisses wurde der Beklagte zu 1. etwa eine halbe Stunde im Büro der Klägerin allein gelassen. Allerdings kamen ab und zu die Zeugen B und P in das Büro, um sich nach dem Fortgang der Angelegenheit zu erkundigen. Daran anschließend fertigte der Beklagte zu 1. im Beisein der Zeugin P, die - wie die Klägerin in der Revision eingeräumt hat - dem Beklagten zu 1. den Text diktierte, die folgende weitere handschriftliche Erklärung an und unterzeichnete diese:

        

„Schuldanerkenntnis

        

Herr J erkläre zu meinem Protokoll v. 8.10.08 folgendes:

        

Schuldanerkenntnis:

        

Hiermit erkenne ich, J, mein fehlerhaftes Verhalten bei der von mir manipulierten Rechnungslegung sowie meine Verstöße in der Einhaltung der betrieblichen Festlegungen im Geldverkehr zwischen Kunden und der Firma H GmbH an. Durch mein vorsätzliches Fehlverhalten ist o.g. Firma ein Schaden in Höhe von 210.000 Euro zzgl. gesetzl. Mehrwertsteuer entstanden, die ich der Firma schulde. Ich weiß, dass ich entgegen bestehender Weisungen gehandelt habe und erkenne meine Schadenersatzpflicht an. Wegen und in Höhe der vorgenannten Forderung unterwerfe ich mich der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in mein gesamtes Vermögen.

        

Ich beantrage, der Firma H GmbH eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde jetzt und ohne Fälligkeitsnachweis zu erteilen.

        

Die Kosten dieser Urkunde und der vollstreckbaren Ausfertigung für o.g. Firma trage ich.

        

J“    

7

Im Anschluss daran suchten die Zeugen B und P gemeinsam mit dem Beklagten zu 1. den Beklagten zu 2. an seinem Kiosk in K auf und konfrontierten diesen mit dem Vorwurf, er sei an Leergutmanipulationen zu seinen Gunsten beteiligt gewesen. Wie der Beklagte zu 2. auf diesen Vorwurf reagiert hat, ist unter den Parteien streitig. Die Parteien vereinbarten sodann für den folgenden Montag, den 13. Oktober 2008, einen gemeinsamen Termin für eine notarielle Beurkundung eines Schuldanerkenntnisses, zu der es letztlich allerdings nicht kam.

8

Mit Schreiben vom 13. Oktober 2008 erklärte der Beklagte zu 1. gegenüber der Klägerin:

        

„Hiermit möchte ich mein Geständnis vom 8.10.08 teilweise zurückziehen. Dieses Schuldeingeständniss wurde von mir durch Druck von ihnen unterschrieben und dich möchte teile davon zurückziehen. Ich habe Kundennummern benutzt um falsche Bestände auszugleichen. Ich sehe ein das ich der Firma H GmbH Schaden zugefügt habe. Ich bin bereit die Summe von 10000 Euro bis 22.10.08 zu bezahlen. Sie sehen doch sicher auch ein das ich die von ihnen angegebende Summe nie in meinem Leben zurückzahlen könnte. Nach meinem derzeitigem Gehalt könnt ich diese Summe nicht zurückzahlen. Meines Wissens wurde kein größerer Schaden verursacht. Deshalb bitte ich sie darum dieses Angebot von mir nochmal zu überdenken und mir ihre Entscheidung mitzuteilen.“

9

Der Beklagte zu 1. zahlte am 24. Oktober 2008 einen Betrag iHv. 10.000,00 Euro an die Klägerin. Zu weiteren Zahlungen war er nicht bereit. Der Beklagte zu 2. leistete keine Zahlungen. Im Oktober 2008 erstattete die Klägerin bei der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau Strafanzeige gegen beide Beklagten. Gegen den Beklagten zu 1. erließ das Amtsgericht Wittenberg am 5. Juli 2011 einen auf § 266 StGB gestützten Strafbefehl, der in Rechtskraft erwachsen ist. Das Strafverfahren gegen den Beklagten zu 2. wurde gegen Zahlung einer Geldbuße iHv. 1.000,00 Euro eingestellt.

10

Die Klägerin hat die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Sie hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - die Auffassung vertreten, nach der Aussage des Beklagten zu 1. stehe fest, dass dieser die Manipulationen in kollusivem Zusammenwirken mit dem Beklagten zu 2. vorgenommen habe. Der Beklagte zu 1. habe ein wirksames deklaratorisches Schuldanerkenntnis abgegeben. Der im Schuldanerkenntnis mit 210.000,00 Euro bezifferte „Gewinn“ sei bei Manipulationen im Umfang von wöchentlich 400 bis 600 Leergutkästen zu einem durchschnittlichen Preis von 4,50 Euro pro Kasten inklusive Leergut über einen Zeitraum von 90 Wochen durchaus plausibel. Auch der Beklagte zu 2. müsse, da er gemeinsam mit dem Beklagten zu 1. als Gesamtschuldner hafte, das Schuldanerkenntnis gegen sich gelten lassen. Daher seien beide Beklagten mit dem Einwand ausgeschlossen, die Schuld bestehe nicht in der angegebenen Höhe. Das Schreiben des Beklagten zu 1. vom 13. Oktober 2008 beziehe sich lediglich auf das Schuldeingeständnis und nicht auf das Schuldanerkenntnis; ihm sei auch kein relevanter Anfechtungsgrund zu entnehmen.

11

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 200.000,00 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Oktober 2008 zu zahlen.

12

Die Beklagten haben jeweils Klageabweisung beantragt.

13

Der Beklagte zu 1. hat behauptet, treibende Kraft bei den Manipulationen sei der Beklagte zu 2. gewesen. Von diesem sei die Idee zur Tatbegehung gekommen. Sowohl das „Schuldeingeständnis“ als auch das „Schuldanerkenntnis“ seien unwirksam. Das Schuldeingeständnis sei ihm von den Mitarbeitern B, P und T durch Drohung abgenötigt, die im Schuldanerkenntnis anerkannte Schadenssumme von 210.000,00 Euro zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer sei ihm von den Mitarbeitern unter Drohung mit einer Strafanzeige und der fristlosen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses vorgegeben worden. Die Mitarbeiter der Klägerin hätten ihn darüber hinaus in eine seelische Zwangslage versetzt und diese ausgenutzt. Er sei, nachdem er mit den Vorwürfen konfrontiert worden sei, völlig überfordert gewesen, habe vor Angst gezittert und einen Schweißausbruch gehabt; auch sei ihm übel gewesen. In dieser Situation habe er nur den Ausweg gesehen, die von der Klägerin geforderten Erklärungen abzugeben. Über deren Tragweite habe er sich keine Gedanken gemacht. Zudem sei der Zeuge B mit dem von ihm zunächst abgegebenen „Schuldeingeständnis“ nicht einverstanden gewesen und habe darauf bestanden, dass dies nochmals geschrieben werde, wobei er die Schadenssumme von 210.000,00 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer vorgegeben habe. Das ihm sodann von der Zeugin P vorformulierte „Schuldanerkenntnis“ gebe deshalb nicht seinen eigenen Willen wieder. Dies werde auch durch die exorbitante Höhe des darin genannten Betrages von 210.000,00 Euro belegt. Tatsächlich habe sich der Schaden auf 10.000,00 Euro belaufen. Dieser Betrag sei von ihm gezahlt worden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass bei den jährlichen Inventuren im Abholmarkt immer wieder erhebliche Fehlbestände zu Tage getreten seien, ohne dass die Klägerin deren Ursachen aufgeklärt hätte. Die Klägerin wolle ihn als „Sündenbock“ abstempeln, um von eigenen Versäumnissen bei der Kassenführung abzulenken. Jedenfalls habe er sowohl das „Schuldeingeständnis“ als auch das „Schuldanerkenntnis“ mit Schreiben vom 13. Oktober 2008 wirksam widerrufen. Das „Schuldanerkenntnis“, das pauschal einen Schaden iHv. 210.000,00 Euro ausweise, sei zudem inhaltlich unbestimmt.

14

Der Beklagte zu 2. hat behauptet, keinen Einfluss auf die Höhe der Manipulationen gehabt zu haben. Der Beklagte zu 1. habe schon zu einem Zeitpunkt Manipulationen über sein Kundenkonto vorgenommen, bevor er, der Beklagte zu 2., davon Kenntnis gehabt habe. Zudem habe der Beklagte zu 1. Gutschriften über Leergutrücknahmen nach eigenem Gutdünken durchgeführt und die Gutschriften zum größten Teil nicht ihm, dem Beklagten zu 2., zugutekommen lassen. Soweit er überhaupt ungerechtfertigte Gutschriften über Leergutrücknahmen erhalten habe, beliefen sich diese nach seinen Unterlagen auf 8.559,10 Euro im Jahr 2007 und auf 1.088,52 Euro im Jahr 2008. Insoweit sei der Schaden der Klägerin vom Beklagten zu 1. durch Zahlung der 10.000,00 Euro bereits ausgeglichen worden. Soweit weitere Buchungen über sein Konto vorgenommen worden seien, besage dies nicht, dass er, der Beklagte zu 2., die Pfandgutschriften auch tatsächlich erhalten habe. Es sei nicht auszuschließen, dass andere Personen über sein Konto eingekauft hätten. In seinem Kiosk könne er niemals Lebensmittel in der Größenordnung von mehreren hunderttausend Euro umsetzen.

15

Das Arbeitsgericht hat der ursprünglich auf Zahlung von 239.900,00 Euro gerichteten Klage teilweise stattgegeben und die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 200.000,00 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Oktober 2008 an die Klägerin verurteilt. Auf die Berufungen beider Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren im Umfang der erstinstanzlich zugesprochenen 200.000,00 Euro weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision hat teilweise Erfolg. Die Revision ist insoweit begründet, als die Klägerin vom Beklagten zu 1. Schadensersatz iHv. 200.000,00 Euro zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. Oktober 2008 begehrt. Soweit die Klägerin den Beklagten zu 2. auf Zahlung von Schadensersatz in derselben Höhe in Anspruch nimmt, ist die Revision hingegen unbegründet.

17

I. Die Revision ist insoweit begründet, als die Klägerin vom Beklagten zu 1. Schadensersatz iHv. 200.000,00 Euro zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. Oktober 2008 begehrt. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das vom Beklagten zu 1. unter dem 8. Oktober 2008 abgegebene „Schuldanerkenntnis“ sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Der Beklagte zu 1. ist nach § 280 Abs. 1 BGB verpflichtet, an die Klägerin Schadensersatz iHv. 200.000,00 Euro zuzüglich der eingeklagten Zinsen zu zahlen.

18

1. Der Beklagte zu 1. hat bewusst und gewollt fingierte Leergutbuchungen zum Nachteil der Klägerin vorgenommen und damit vorsätzlich gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Er ist der Klägerin deshalb gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verpflichtet.

19

Der Schaden, der der Klägerin durch die Pflichtverletzungen des Beklagten zu 1. entstanden ist, beläuft sich auf 210.000,00 Euro. Hierauf hat der Beklagte zu 1. bereits 10.000,00 Euro gezahlt, so dass er der Klägerin noch weitere 200.000,00 Euro schuldet.

20

2. Der Beklagte zu 1. kann hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, der Schaden habe sich tatsächlich auf lediglich 10.000,00 Euro belaufen; auch sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin an der Entstehung des Schadens ein erhebliches Mitverschulden treffe. Aufgrund des von ihm unter dem 8. Oktober 2008 abgegebenen deklaratorischen Schuldanerkenntnisses ist der Beklagte zu 1. mit sämtlichen Einwendungen zur Höhe des von ihm verursachten Schadens und zu einem etwaigen Mitverschulden der Klägerin an der Entstehung des Schadens (§ 254 BGB) ausgeschlossen.

21

a) Die zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1. am 8. Oktober 2008 unter der Überschrift „Schuldanerkenntnis“ getroffene Vereinbarung ist rechtlich nicht als selbständig verpflichtendes (abstraktes) Schuldanerkenntnis iSv. § 781 BGB, sondern - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat - als deklaratorisches Schuldanerkenntnis zu qualifizieren. Dies ergibt die Auslegung des vom Kläger unter dem 8. Oktober 2008 abgegebenen „Schuldanerkenntnisses“.

22

aa) Der Senat kann die Auslegung der zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1. am 8. Oktober 2008 unter der Überschrift „Schuldanerkenntnis“ zustande gekommenen Vereinbarung selbst vornehmen, da es sich bei dieser Vereinbarung, wenn auch ggf. nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB, so doch aber zumindest um Einmalbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB handelt(zur Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Einmalbedingungen durch das Revisionsgericht vgl. etwa BAG 9. Dezember 2015 - 7 AZR 68/14 - Rn. 14 mwN).

23

Bei der Vereinbarung mit der Überschrift „Schuldanerkenntnis“, die die Klägerin und der Beklagte zu 1. unter dem 8. Oktober 2008 getroffen haben, handelt es sich um einen Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 BGB. Die Klägerin ist Unternehmerin iSv. § 14 BGB, der Beklagte zu 1. ist Verbraucher iSv. § 13 BGB. Die Klägerin hat zudem in der Revision eingeräumt, das „Schuldanerkenntnis“ vorformuliert und dem Beklagten zu 1. diktiert zu haben. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte zu 1. iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB Einfluss auf den Inhalt der Vereinbarung nehmen konnte, sind weder vorgetragen noch sonst wie ersichtlich.

24

bb) Die Auslegung der zwischen den Parteien am 8. Oktober 2008 zustande gekommenen Vereinbarung ergibt, dass es sich hierbei nicht um ein selbständig verpflichtendes (abstraktes) Schuldanerkenntnis iSv. § 781 BGB, sondern - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat - um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis handelt.

25

(1) Ein selbständig verpflichtendes Schuldanerkenntnis iSv. § 781 BGB liegt nur dann vor, wenn der Anerkennende erklärt, er wolle eine inhaltlich näher bestimmte Schuld ohne Rücksicht auf einen außerhalb der Erklärung liegenden Schuldgrund gegen sich gelten lassen. Der Wille der Parteien muss deshalb dahin gehen, durch die Erklärung eine neue Anspruchsgrundlage zu schaffen und nicht nur einen bereits vorhandenen Schuldgrund zu bestätigen (BAG 10. November 1981 - 3 AZR 575/79 - zu II 1 der Gründe). Ebenso wie das abstrakte Schuldversprechen setzt das abstrakte Schuldanerkenntnis iSv. § 781 BGB voraus, dass der Anerkennende eine selbständige, von den zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen losgelöste Verpflichtung übernimmt. Dies ist ausgehend vom Wortlaut der Erklärung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere ihres Anlasses und ihres Zwecks sowie der Interessenlage beider Seiten durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH 7. Dezember 2004 - XI ZR 361/03 - zu II 2 b aa (2) der Gründe, BGHZ 161, 273).

26

(2) Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, das seine Grundlage in der Vertragsfreiheit (§ 311 Abs. 1 BGB)hat, ist demgegenüber ein vertragliches kausales Anerkenntnis, mit dem eine bestehende Schuld lediglich bestätigt wird. Ein solches Schuldanerkenntnis setzt voraus, dass die Vertragsparteien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien entziehen und es endgültig festlegen wollen (vgl. etwa BAG 4. August 2015 - 3 AZR 137/13 - Rn. 35; 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 20; 15. März 2005 - 9 AZR 502/03 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 114, 97). Die Angabe des Schuldgrundes in der Vereinbarung spricht deshalb entscheidend für das Vorliegen eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses, durch das eine bereits bestehende Schuld bestätigt werden soll (vgl. BGH 11. Dezember 2015 - V ZR 26/15 - Rn. 13).

27

(3) In der mit „Schuldanerkenntnis“ überschriebenen Vereinbarung der Parteien vom 8. Oktober 2008 erkennt der Beklagte zu 1. ein fehlerhaftes Verhalten bei der von ihm getätigten Rechnungslegung sowie Verstöße gegen die für den Geldverkehr mit den Kunden der Klägerin bestehenden betrieblichen Festlegungen an und erklärt ferner, dass der Klägerin durch sein vorsätzliches Fehlverhalten ein Schaden iHv. 210.000,00 Euro entstanden ist, die er der Klägerin schulde. Damit haben die Parteien erkennbar keine neue Schuld begründen, sondern einen aus ihrer Sicht bestehenden Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 280 Abs. 1 BGB endgültig festlegen wollen. Anhaltspunkte dafür, dass es dem Beklagten zu 1. für die Klägerin erkennbar an einem Rechtsbindungswillen gefehlt haben könnte, sind nicht ersichtlich.

28

b) Das deklaratorische Schuldanerkenntnis des Beklagten zu 1. hat zur Folge, dass dieser mit sämtlichen Einwendungen rechtlicher und tatsächlicher Natur und der Geltendmachung sämtlicher Einreden ausgeschlossen ist, die ihm bei Abgabe seiner Erklärung bekannt waren oder mit denen er zumindest rechnete (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 20; 22. Oktober 1998 - 8 AZR 457/97 - zu I 4 c der Gründe; BGH 11. Dezember 2015 - V ZR 26/15 - Rn. 13; 30. Mai 2008 - V ZR 184/07 - Rn. 12). Da dem Beklagten zu 1. bei Abgabe des Schuldanerkenntnisses sämtliche Einwendungen zur Höhe des von ihm verursachten Schadens und zu einem etwaigen Mitverschulden der Klägerin an der Entstehung des Schadens bekannt waren, ist er mit der Geltendmachung eben dieser Einwendungen ausgeschlossen.

29

c) Das deklaratorische Schuldanerkenntnis des Beklagten zu 1. vom 8. Oktober 2008 ist rechtswirksam. Es ist entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Es ist auch nicht aufgrund wirksamer Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB gemäß § 142 Abs. 1 BGB unwirksam und hält einer Überprüfung am Maßstab der §§ 307 ff. BGB stand.

30

aa) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts ist das deklaratorische Schuldanerkenntnis nicht nach § 138 Abs. 1 BGB wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig.

31

(1) Nach § 138 Abs. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Zweck und Beweggrund zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren ist(vgl. etwa BAG 25. April 2013 - 8 AZR 453/12 - Rn. 28 mwN; 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 30 mwN; 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - Rn. 16, BAGE 118, 66; BGH 12. April 2016 - XI ZR 305/14 - Rn. 37, 53; 19. Januar 2001 - V ZR 437/99 - zu II 1 b der Gründe, BGHZ 146, 298). Dies ist aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegenden relevanten Umstände zu beurteilen (vgl. etwa BAG 25. April 2013 - 8 AZR 453/12 - Rn. 28 mwN; 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 30 mwN; BGH 30. Januar 2015 - V ZR 171/13 - Rn. 7; 4. Juni 2013 - II ZR 207/10 - Rn. 29). In subjektiver Hinsicht genügt es, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt oder wenn er sich der Kenntnis bewusst verschließt oder entzieht, dagegen sind ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit und eine Schädigungsabsicht nicht erforderlich (vgl. etwa BGH 19. Januar 2001 - V ZR 437/99 - zu II 1 b der Gründe, aaO). Ob ein Verstoß gegen die guten Sitten iSv. § 138 BGB vorliegt, unterliegt der uneingeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht(vgl. etwa BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 29; BGH 12. April 2016 - XI ZR 305/14 - Rn. 36; 24. Januar 2001 - XII ZR 270/98 - zu 3 der Gründe; 30. Oktober 1990 - IX ZR 9/90 - zu II 3 der Gründe).

32

(2) Danach hält die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das deklaratorische Schuldanerkenntnis sei sittenwidrig iSv. § 138 Abs. 1 BGB, einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

33

(a) Der Beweggrund der Klägerin, den Beklagten zu 1. zur Abgabe eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses zu veranlassen, war nicht sittenwidrig.

34

Der Beklagte zu 1. hatte auf Vorhalt der Zeugen angegeben, gemeinsam mit dem Beklagten zu 2. Manipulationen bei der Leergutbuchung vorgenommen zu haben, wobei dem Beklagten zu 2. zwei Drittel und ihm selbst ein Drittel des aus den fingierten Geschäften resultierenden Gewinns zugeflossen seien. Darüber hinaus hatte er vor Abgabe des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses ein umfassendes „Schuldeingeständnis“ angefertigt, in welchem er nicht nur sein Fehlverhalten eingeräumt, sondern auch den Zeitraum sowie den Umfang der Manipulationen konkret beschrieben und seinen persönlichen Gewinn - nach seiner Erinnerung - mit „bei 60 - 80 tausend Euro“ beziffert hat.

35

Der Beklagte zu 1. hat das „Schuldeingeständnis“ auch abgefasst, ohne von der Klägerin in seiner Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt worden zu sein. Dies folgt bereits daraus, dass der Beklagte zu 1. zur Anfertigung des Schuldeingeständnisses über etwa eine halbe Stunde und damit über einen nicht unerheblichen Zeitraum im Büro der Klägerin allein gelassen wurde, innerhalb dessen er die Tragweite seines Handelns einschätzen und danach seine Entscheidung treffen konnte und dass er diese Zeit erkennbar genutzt hat, um ein ausführliches Schuldeingeständnis anzufertigen. Dass ab und zu die Zeugen B und P in das Büro kamen, um sich nach dem Fortgang der Angelegenheit zu erkundigen, ändert daran entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nichts. Insoweit hat der Beklagte zu 1. bereits nicht substantiiert dazu vorgetragen, dass die Zeugen noch während der Abfassung des Schuldeingeständnisses einen unzulässigen Einfluss auf dessen Inhalt genommen hätten. Soweit er sich darauf beruft, er sei in seiner Willensentschließung, überhaupt ein Schuldeingeständnis anzufertigen, nicht frei gewesen, da die Mitarbeiter B, P und T ihm die Abgabe des Schuldeingeständnisses durch Drohung abgenötigt hätten, fehlt es bereits an einem schlüssigen Vorbringen des Beklagten zu 1. dazu, womit welche Mitarbeiter konkret gedroht haben sollen. Sein weiterer Einwand, er sei, nachdem man ihn mit den Vorwürfen konfrontiert habe, mit der Situation völlig überfordert gewesen, er habe vor Angst gezittert, einen Schweißausbruch gehabt und ihm sei übel gewesen, so dass er - subjektiv - nur den Ausweg gesehen habe, die von der Klägerin geforderten Erklärungen abzugeben, ist ebenfalls unbeachtlich. Insoweit hat der Beklagte zu 1. schon keine Umstände vorgetragen, die den Schluss rechtfertigen könnten, der Klägerin sei seine - von ihm behauptete - seelische Verfassung bekannt gewesen oder dass die Klägerin diese unschwer hätte erkennen können. Dazu, dass er sich der Klägerin entsprechend mitgeteilt hätte oder dass die von ihm geschilderten körperlichen Auswirkungen seiner Gemütsverfassung nicht nur vorübergehend und so erheblich waren, dass der Klägerin seine seelische Verfassung nicht verborgen bleiben konnte, fehlt es an jeglichem Vorbringen.

36

Da der Beklagte zu 1. sein Fehlverhalten auch später nicht in Abrede gestellt, sondern lediglich die Höhe des durch ihn verursachten Schadens, nicht aber bestritten hat, der Klägerin dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet zu sein, begegnet es keinen Bedenken, dass die Klägerin den Beklagten zu 1. zur Abgabe eines Schuldanerkenntnisses veranlasst hat.

37

(b) Eine Sittenwidrigkeit folgt auch nicht aus dem Zweck des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses, der dahin ging, den vom Beklagten zu 1. geschuldeten Schadensersatz der Höhe nach festzulegen. Insbesondere hat die Klägerin - entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts - nicht versucht, mittels des Schuldanerkenntnisses eine überhöhte oder zweifelhafte Schadensersatzforderung durchzusetzen.

38

(aa) Die Klägerin durfte aufgrund der mündlichen Angaben des Beklagten zu 1. sowie des Inhalts seines Schuldeingeständnisses davon ausgehen, dass der Beklagte zu 1. durch sein Fehlverhalten insgesamt einen Schaden iHv. 210.000,00 Euro verursacht hatte. Ausgehend von einem vom Beklagten zu 1. eingeräumten Gewinnanteil von einem Drittel sowie einem persönlichen Gewinn in einer Größenordnung zwischen 60.000,00 Euro und 80.0000,00 Euro errechnet sich unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen persönlichen Gewinns des Beklagten zu 1. iHv. 70.000,00 Euro ohne weiteres ein Betrag iHv. 210.000,00 Euro. Dieser Betrag korrespondiert auch mit den vom Beklagten zu 1. im Schuldeingeständnis eingeräumten Manipulationen im Umfang von wöchentlich 400 bis 600 Leergutkästen. Bei einem durchschnittlichen Preis von 4,50 Euro pro Kasten inklusive Leergut über einen Zeitraum von 90 Wochen ergibt sich unter Zugrundelegung wöchentlicher Manipulationen im Umfang von im Durchschnitt 500 Leergutkästen bereits ein Betrag iHv. 202.500,00 Euro.

39

(bb) Soweit das Landesarbeitsgericht demgegenüber angenommen hat, im Einzelhandel, der häufig von Vermögensdelikten beeinträchtigt werde, werde die typische Lage des Arbeitnehmers, der gerade einer Straftat überführt worden sei und damit konfrontiert werde, häufig ausgenutzt, um überhöhte oder zweifelhafte Regressansprüche durchzusetzen, dies sei auch im vorliegenden Verfahren der Fall, was sich beispielsweise daran zeige, dass die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin die Mehrwertsteuer als Schadensposten geltend mache und es der Klägerin selbst im späteren Ermittlungsverfahren nicht gelungen sei, einen Schaden iHv. 210.000,00 Euro rechnerisch darzustellen, hält dies einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

40

Zum einen existiert kein allgemeiner Erfahrungssatz des oben genannten Inhalts; zum anderen hat das Landesarbeitsgericht nicht beachtet, dass der Zweck, Ansprüche durch Schuldanerkenntnis zu sichern, für sich betrachtet noch nicht einmal rechtswidrig ist, solange der Gläubiger - wie hier die Klägerin - jedenfalls vom Bestehen der Schuld ausgehen darf (vgl. etwa BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 30 und 39; 10. Oktober 2002 - 8 AZR 8/02 - zu II 3 b bb der Gründe, BAGE 103, 71).

41

Der Umstand, dass es der Klägerin selbst im späteren Ermittlungsverfahren nicht gelungen war, einen Schaden iHv. 210.000,00 Euro rechnerisch darzustellen, ist insoweit ohne Bedeutung. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Klägerin den vom Beklagten zu 1. iHv. 210.000,00 Euro anerkannten Schaden in einem Schadensersatzprozess hätte beweisen können. Für die Frage, ob mittels eines Schuldanerkenntnisses eine überhöhte oder zweifelhafte Schadensersatzforderung durchgesetzt werden soll, ist nicht das Verhältnis zwischen wahrer Ausgangslage im Sinne einer tatsächlichen Beweisbarkeit und dem anerkannten Betrag, sondern die Einschätzung der Sach- und Rechtslage durch die Parteien bei Abschluss der Vereinbarung maßgeblich (insoweit zum auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 32 mwN). Danach erweist sich der anerkannte Betrag nicht als überhöht.

42

Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts wirkt es sich auch nicht aus, dass der Beklagte zu 1. im deklaratorischen Schuldanerkenntnis anerkannt hatte, der Klägerin den Betrag iHv. 210.000,00 Euro „zzgl. gesetzl. Mehrwertsteuer“ zu schulden. Es kann dahinstehen, ob die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin vom Beklagten zu 1. überhaupt Ersatz der gesetzlichen Mehrwertsteuer hätte verlangen können. Selbst wenn das Schuldanerkenntnis insoweit wegen Verstoßes gegen die guten Sitten iSv. § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein sollte, bliebe es jedoch im Übrigen wirksam. Dies folgt, da es sich bei dem deklaratorischen Schuldanerkenntnis, wenn auch ggf. nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB, so doch aber zumindest um Einmalbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB handelt, aus § 306 Abs. 1 BGB. Nach dieser Bestimmung, die auch dann zur Anwendung kommt, wenn die Unwirksamkeit sich nicht aus den §§ 307 bis 309 BGB, sondern aus anderen gesetzlichen Vorschriften ergibt(vgl. zur Vorgängerregelung in § 6 Abs. 1 AGBG etwa BGH 16. Januar 1992 - IX ZR 113/91 - zu I 2 der Gründe), bleibt, sofern Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, der Vertrag im Übrigen wirksam. § 306 Abs. 1 BGB weicht damit von der Auslegungsregel des § 139 BGB ab und bestimmt, dass der Vertrag bei Teilnichtigkeit grundsätzlich aufrechterhalten bleibt.

43

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Teilbarkeit einer Bestimmung durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (vgl. etwa BAG 30. September 2014 - 3 AZR 930/12 - Rn. 36, BAGE 149, 200; 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 64; 12. März 2008 - 10 AZR 152/07 - Rn. 28). Maßgeblich ist, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abgrenzbar ist. Verbleibt nach „Wegstreichen“ der unwirksamen Teilregelung oder des unwirksamen Klauselteils eine verständliche Regelung, bleibt diese bestehen (sog. blue-pencil-Test, vgl. etwa BAG 19. Oktober 2011 - 7 AZR 33/11 - Rn. 69; 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 27, BAGE 139, 156). Die im deklaratorischen Schuldanerkenntnis zur Höhe des Schadensersatzes getroffene Festlegung von „210.000 Euro zzgl. gesetzl. Mehrwertsteuer“ ist inhaltlich und sprachlich teilbar. Nach „Wegstreichen“ des Zusatzes „zzgl. gesetzl. Mehrwertsteuer“ ist die verbleibende Regelung, wonach sich der auszugleichende Schaden auf 210.000,00 Euro beläuft, ohne weiteres verständlich.

44

(c) Das deklaratorische Schuldanerkenntnis ist auch nicht deshalb sittenwidrig iSv. § 138 Abs. 1 BGB, weil dem Beklagten zu 1. infolge der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung jeglicher rechtlicher Schutz abgeschnitten worden wäre. Abgesehen davon, dass die im deklaratorischen Schuldanerkenntnis erklärte Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung Rechtswirkungen überhaupt nur dann entfalten könnte, wenn das Schuldanerkenntnis notariell beurkundet worden wäre (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), würde eine Sittenwidrigkeit dieser inhaltlich und sprachlich vom übrigen Text des Schuldanerkenntnisses abtrennbaren Klausel nach § 306 Abs. 1 BGB nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Schuldanerkenntnisses, sondern aus den unter Rn. 42 f. dargestellten Gründen nur zum Fortfall dieser Klausel führen.

45

(d) Das deklaratorische Schuldanerkenntnis ist schließlich auch nicht deshalb sittenwidrig iSv. § 138 Abs. 1 BGB, weil der Beklagte zu 1. den von ihm anerkannten Betrag von 210.000,00 Euro bei gleichbleibenden Einkommens- und Vermögensverhältnissen erst nach Jahrzehnten oder überhaupt nicht vollständig zurückzahlen könnte.

46

(aa) Zwar ist es grundsätzlich jedermann unbenommen, in eigener Verantwortung auch risikoreiche Geschäfte abzuschließen und sich zu Leistungen zu verpflichten, die nur unter besonders günstigen Bedingungen, ggf. unter dauernder Inanspruchnahme des pfändungsfreien Einkommens, erbracht werden können (vgl. etwa BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 33; BGH 16. Januar 1997 - IX ZR 250/95 - zu II 3 der Gründe). In der Regel ist jede unbeschränkt geschäftsfähige Person nicht nur in der Lage zu erkennen, dass sie mit einem (deklaratorischen) Schuldanerkenntnis ein erhebliches Risiko eingeht, sondern auch die Tragweite ihres Handelns entsprechend einzuschätzen und danach ihre Entscheidung zu treffen. Verpflichtet sich der Schuldner aber in einem Umfang, der seine gegenwärtigen und zukünftig zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse weit übersteigt, kann ein solcher Vertrag gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein. Weitere Voraussetzung ist allerdings, dass zusätzliche, dem Gläubiger zurechenbare Umstände zu einem unerträglichen Ungleichgewicht der Vertragsparteien führen. Ein solches Ungleichgewicht kann sich insbesondere daraus ergeben, dass der Gläubiger die Geschäftsunerfahrenheit oder eine seelische Zwangslage des Schuldners ausnutzt oder ihn auf andere Weise in seiner Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 30 mwN).

47

(bb) Vorliegend sind keine der Klägerin zurechenbaren Umstände gegeben, die die Annahme begründen könnten, bei Abgabe des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses habe ein unerträgliches Ungleichgewicht zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1. bestanden.

48

Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat der Beklagte zu 1. das deklaratorische Schuldanerkenntnis abgegeben, ohne dass die Klägerin eine seelische Zwangslage ausgenutzt oder den Beklagten zu 1. auf andere Weise in seiner Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt hätte. Wie unter Rn. 35 ausgeführt, hat der Beklagte zu 1. sich bis zur Abgabe des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses nicht in einem Zustand der eingeschränkten Willensfreiheit und Urteilsfähigkeit befunden, der ggf. fortgewirkt haben und den die Klägerin hätte ausnutzen können. Bereits aus diesem Grund ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte zu 1. habe sich über eine Zeit von etwa zwei Stunden in einer seelischen Zwangslage befunden, unzutreffend. Aber auch bei der Abgabe des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses selbst befand sich der Beklagte zu 1. nicht in einer seelischen Zwangslage, die die Klägerin hätte ausnutzen können. Ebenso wenig hatte die Klägerin den Beklagten zu 1. auf andere Weise unzulässig in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt. Soweit der Beklagte zu 1. sich auch im Hinblick auf das Schuldanerkenntnis darauf beruft, er sei, nachdem man ihn mit den Vorwürfen konfrontiert hatte, mit der Situation völlig überfordert gewesen, er habe vor Angst gezittert, einen Schweißausbruch gehabt und ihm sei übel gewesen, so dass er - subjektiv - nur den Ausweg gesehen habe, die von der Klägerin geforderte Erklärung abzugeben, ist sein Vorbringen aus den unter Rn. 35 dargestellten Gründen unbeachtlich. Dies gilt auch dann, wenn der Beklagte zu 1. - wie vom Landesarbeitsgericht angenommen - Schuld, Scham und Angst vor Strafanzeige und Strafverfolgung empfunden haben sollte. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, Schuld, Scham und Angst vor Strafanzeige und Strafverfolgung hätten beim Beklagten zu 1. eine seelische Verfassung erzeugt, die ihn bis zur Kritiklosigkeit für eine fremdbestimmte Willensbildung offen sein ließ, überzeugt nicht. Zum einen existiert kein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhalts, dass ein Arbeitnehmer infolge von Schuld und Scham über bereits zugestandene, zulasten des Arbeitgebers begangene Straftaten in eine seine freie Willensbildung beeinträchtigende seelische Verfassung gerät. Vielmehr ist es genauso wahrscheinlich, dass ein Arbeitnehmer, der die Begehung einer Vermögensstraftat zulasten des Arbeitgebers, wenn auch erst auf Vorhalt, so doch aber letztlich freimütig eingeräumt hat und darüber Schuld und Scham empfindet, alles in seinen Kräften Stehende unternehmen wird, um den dem Arbeitgeber entstandenen Schaden wiedergutzumachen. Zum anderen hat das Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass die Angst des Beklagten zu 1. vor einer Strafanzeige und Strafverfolgung nach dessen eigenem Vorbringen ihren Ursprung in der von ihm behaupteten Drohung der Klägerin mit einer Strafanzeige hatte und dass eine - widerrechtliche - Drohung ein Rechtsgeschäft lediglich nach § 123 BGB anfechtbar macht mit der Folge, dass es nach § 138 Abs. 1 BGB nur dann nichtig ist, wenn weitere Umstände als die unzulässige Willensbeeinflussung hinzutreten, die das Geschäft seinem Gesamtcharakter nach als sittenwidrig erscheinen lassen (vgl. etwa BAG 4. März 1980 - 6 AZR 323/78 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 33, 27; BGH 4. Juli 2002 - IX ZR 153/01 - zu I 2 der Gründe; zur arglistigen Täuschung vgl. etwa BGH 17. Januar 2008 - III ZR 239/06 - Rn. 11; 26. September 1995 - XI ZR 159/94 - zu II 1 b der Gründe). Dies ist vorliegend - wie ausgeführt - nicht der Fall.

49

Eine andere Bewertung ist auch nicht deshalb veranlasst, weil die Klägerin dem Beklagten zu 1. jede Überlegungsfrist genommen hätte. Zwar könnte ein etwaiger Zeitdruck im Rahmen der Gesamtwürdigung nach § 138 Abs. 1 BGB zuungunsten der Klägerin berücksichtigt werden; er genügt jedoch für sich noch nicht, um den Vorwurf der Sittenwidrigkeit zu begründen (vgl. etwa BGH 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86 - zu II 5 b der Gründe). Im Übrigen hat der Beklagte zu 1. das deklaratorische Schuldanerkenntnis nicht unmittelbar nachdem er mit den Vorwürfen konfrontiert worden war erklärt; vielmehr hatte er während der halben Stunde, in der er das Schuldeingeständnis verfasste, durchaus Zeit, sich auch über die Folgen seines Fehlverhaltens und die Tragweite etwaiger Erklärungen Gedanken zu machen und hätte etwaige Bedenken vor Abfassung des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses äußern können.

50

bb) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Das deklaratorische Schuldanerkenntnis ist nicht aufgrund wirksamer Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB gemäß § 142 Abs. 1 BGB nichtig und hält einer Überprüfung am Maßstab der §§ 307 ff. BGB stand.

51

(1) Das deklaratorische Schuldanerkenntnis ist nicht aufgrund wirksamer Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB gemäß § 142 Abs. 1 BGB nichtig. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin dem Beklagten zu 1. überhaupt mit der Erstattung einer Strafanzeige oder dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses gedroht hat; der Beklagte zu 1. hat das deklaratorische Schuldanerkenntnis schon deshalb nicht wirksam wegen widerrechtlicher Drohung gemäß § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB angefochten, weil weder die Drohung mit einer Strafanzeige noch die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses widerrechtlich gewesen wären.

52

(a) Gemäß § 123 Abs. 1 BGB kann derjenige, der widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt worden ist, die Willenserklärung mit der Nichtigkeitsfolge des § 142 Abs. 1 BGB anfechten. Eine Drohung iSd. § 123 Abs. 1 BGB setzt die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgendeiner Weise als von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird. Der Bedrohte muss einer Zwangslage ausgesetzt sein, die ihm subjektiv das Gefühl gibt, sich nur noch zwischen zwei Übeln entscheiden zu können. Die Widerrechtlichkeit der Drohung kann sich aus der Widerrechtlichkeit des eingesetzten Mittels oder des verfolgten Zwecks ergeben. Bedient sich der Drohende zwar an sich erlaubter Mittel zur Verfolgung eines an sich nicht verbotenen Zwecks, kann sich die Widerrechtlichkeit aus der Inadäquanz, dh. der Unangemessenheit des gewählten Mittels im Verhältnis zum verfolgten Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist die Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen, ist die Drohung ebenfalls rechtswidrig (vgl. etwa BAG 13. Dezember 2007 - 6 AZR 200/07 - Rn. 18 mwN).

53

Die Drohung mit einer Strafanzeige ist rechtmäßig, wenn sie nur dazu dient, den Täter zur Wiedergutmachung des Schadens zu veranlassen. Eine solche Drohung ist nicht widerrechtlich, da das Mittel, also das angedrohte Verhalten und der Zweck, die Schadenswiedergutmachung, nicht, auch nicht in der Mittel-Zweck-Relation, widerrechtlich sind (BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 39).

54

Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist dann widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Dabei kann sich die Widerrechtlichkeit der Kündigungsandrohung regelmäßig nur aus der Inadäquanz von Mittel und Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist die Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen, ist die Drohung widerrechtlich. Nicht erforderlich ist allerdings, dass die angedrohte Kündigung, wenn sie ausgesprochen worden wäre, sich in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erwiesen hätte. Nur wenn der Arbeitgeber unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werde im Falle ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er die außerordentliche Kündigungserklärung nicht in Aussicht stellen, um damit den Arbeitnehmer zur Abgabe einer Willenserklärung zu veranlassen (vgl. etwa BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 48, BAGE 125, 70; 15. Dezember 2005 - 6 AZR 197/05 - Rn. 23).

55

(b) Danach wären weder die Drohung mit einer Strafanzeige noch die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung des mit dem Beklagten zu 1. bestehenden Arbeitsverhältnisses widerrechtlich gewesen.

56

Der Beklagte zu 1. hatte umfangreiche Manipulationen im Umgang mit der Leergutrücknahme zum Nachteil der Klägerin eingeräumt. Damit lagen ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass er die Klägerin erheblich geschädigt hatte. Die Erstattung einer Strafanzeige wäre daher ein adäquates Mittel nicht nur zur Aufklärung des Sachverhaltes, sondern auch zur Schadenswiedergutmachung gewesen. Die Sicherung von Schadensersatzansprüchen durch Schuldanerkenntnis ist - für sich betrachtet - noch nicht rechtswidrig, solange der Gläubiger jedenfalls vom Bestehen der Schuld ausgehen darf, was bei der Klägerin vorliegend der Fall war.

57

Vor dem Hintergrund der vom Beklagten zu 1. eingeräumten erheblichen Verletzungen seiner Vertragspflichten und der Höhe des ihr hierdurch zugefügten Schadens hätte die Klägerin zudem eine außerordentliche Kündigung des mit dem Beklagten zu 1. bestehenden Arbeitsverhältnisses ernsthaft in Erwägung ziehen dürfen. Sie hätte nicht davon ausgehen müssen, dass eine solche Kündigung einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten würde. Die Klägerin hatte auch ein berechtigtes Interesse an der Abgabe eines Schuldanerkenntnisses durch den Beklagten zu 1., um so ihre Schadensersatzansprüche abzusichern. Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung wäre letztlich auch ein angemessenes Mittel zur Erreichung des Zwecks gewesen, den Beklagten zu 1. zur Abgabe des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses zu bestimmen. Insoweit findet der Grund für die außerordentliche Kündigung - hier: die arbeitsvertragswidrige Herbeiführung eines erheblichen Vermögensschadens durch den Beklagten zu 1. - im Schuldanerkenntnis ihre Entsprechung.

58

(c) Eine andere Bewertung ist auch nicht deshalb veranlasst, weil der Beklagte zu 1. der Klägerin unter dem 13. Oktober 2008 mitgeteilt hatte, er wolle sein Geständnis vom 8. Oktober 2008 „teilweise zurückziehen“. Dieses Schreiben, mit dem sich der Beklagte zu 1. ausschließlich gegen die von ihm im Schuldanerkenntnis anerkannte Summe von 210.000,00 Euro wendet, ist zwar als Teilanfechtung des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses zu werten; allerdings hat der Beklagte zu 1. in dieser Erklärung keinen konkreten Anfechtungsgrund iSv. § 119 BGB sowie iSv. § 123 BGB dargetan.

59

(2) Das deklaratorische Schuldanerkenntnis vom 8. Oktober 2008 hält letztlich auch einer Überprüfung am Maßstab der §§ 307 ff. BGB stand.

60

(a) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob die im deklaratorischen Schuldanerkenntnis enthaltene Klausel, mit der sich der Beklagte zu 1. der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, und der Zusatz, wonach der Beklagte zu 1. die Schadenssumme „zzgl. gesetzl. Mehrwertsteuer“ schuldet, einer Überprüfung am Maßstab der §§ 307 ff. BGB standhalten. Eine Unwirksamkeit dieser inhaltlich und sprachlich vom übrigen Text des Schuldanerkenntnisses abtrennbaren Bestimmungen würde aus den unter Rn. 42 f. dargestellten Gründen nach § 306 Abs. 1 BGB nur zu deren ersatzlosem Fortfall unter Aufrechterhaltung des Vertrages im Übrigen führen.

61

(b) Ebenso kann offenbleiben, ob das Schuldanerkenntnis im Übrigen neben der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Satz 2 BGB einer umfassenden Inhaltskontrolle unterliegt oder ob jedenfalls die Bestimmungen zur Höhe des anerkannten Betrages von der Inhaltskontrolle ausgenommen sind (für eine Kontrolle der in einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis vom Schuldner anerkannten Schadenssumme wohl BAG 15. März 2005 - 9 AZR 502/03 - zu II 2 c bb (3) der Gründe, BAGE 114, 97). Für Letzteres könnte sprechen, dass nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur dann einer uneingeschränkten Inhaltskontrolle unterliegen, wenn durch sie von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden, während andere Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die nicht von Rechtsvorschriften abgewichen wird, gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 1 Satz 2 BGB nur bei einem Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam sind. Dieser eingeschränkten Kontrolle unterliegen Klauseln, die (nur) den Umfang der von den Parteien geschuldeten Vertragsleistungen festlegen (vgl. etwa BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 331/11 - Rn. 25, BAGE 141, 324; 17. Oktober 2012 - 5 AZR 792/11 - Rn. 15, BAGE 143, 212). Der inhaltlichen Überprüfung entzogen ist demnach der Bereich der Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht angenommen werden kann (vgl. BAG 23. März 2011 - 10 AZR 831/09 - Rn. 30). Dies kann jedoch dahinstehen, weil das deklaratorische Schuldanerkenntnis nicht nur einer Transparenzkontrolle standhält, sondern auch einer Kontrolle am Maßstab der hier ausschließlich in Betracht kommenden, in § 309 Nr. 12 BGB sowie § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 BGB getroffenen Bestimmungen.

62

(c) Der Beklagte zu 1. wird durch die im deklaratorischen Schuldanerkenntnis im Übrigen getroffenen Bestimmungen nicht unangemessen benachteiligt iSv. § 309 Nr. 12 BGB und § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 BGB.

63

(aa) Das deklaratorische Schuldanerkenntnis ist nicht nach § 309 Nr. 12 BGB unwirksam, wonach in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Bestimmung unwirksam ist, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert, insbesondere indem er diesem die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des Verwenders liegen oder den anderen Vertragsteil bestimmte Tatsachen bestätigen lässt.

64

Beim deklaratorischen Schuldanerkenntnis liegt die Anerkenntniswirkung allein in der Feststellung des Ausgangsschuldverhältnisses. Damit hat sich - anders als beim abstrakten Schuldanerkenntnis iSv. § 781 BGB - keine Beweislast der Parteien verlagert, vielmehr sind mögliche Beweisfragen durch das materielle Recht beseitigt worden(vgl. etwa BAG 15. März 2005 - 9 AZR 502/03 - zu II 2 c bb (3) der Gründe, BAGE 114, 97; BGH 3. April 2003 - IX ZR 113/02 - zu II 3 b dd der Gründe).

65

(bb) Der Beklagte zu 1. wird durch das deklaratorische Schuldanerkenntnis auch nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen benachteiligt.

66

(aaa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

67

Unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 BGB ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Dabei bedarf es einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt (st. Rspr., vgl. etwa BAG 7. Oktober 2015 - 7 AZR 945/13 - Rn. 40 mwN; 10. Dezember 2013 - 3 AZR 796/11 - Rn. 41 mwN, BAGE 147, 1; 23. September 2010 - 8 AZR 897/08 - Rn. 27).

68

Nach § 307 Abs. 2 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist(§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder sie wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

69

Bei Verbraucherverträgen sind bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung dieser Umstände kann sowohl zur Unwirksamkeit einer nach generell-abstrakter Betrachtung wirksamen Klausel als auch zur Wirksamkeit einer nach typisierter Inhaltskontrolle unwirksamen Klausel führen (BAG 21. August 2012 - 3 AZR 698/10 - Rn. 27, BAGE 143, 30; 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - zu II 3 c der Gründe mwN, BAGE 115, 372).

70

(bbb) Danach wird der Beklagte zu 1. durch die im Schuldanerkenntnis getroffenen Vereinbarungen nicht unangemessen benachteiligt iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 BGB.

71

Der vom Beklagten zu 1. mit dem deklaratorischen Schuldanerkenntnis erklärte Einwendungsverzicht widerspricht nicht dem in der Rechtsprechung anerkannten Leitbild eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses, so dass eine Unwirksamkeit des Schuldanerkenntnisses nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB von vornherein ausscheidet.

72

Eine Unwirksamkeit des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses folgt auch nicht daraus, dass es mit den wesentlichen Grundgedanken des § 779 BGB nicht vereinbar wäre.

73

Bei der Prüfung, ob das deklaratorische Schuldanerkenntnis mit den wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung iSv. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu vereinbaren ist, ist vorliegend auf die Grundgedanken des § 779 BGB abzustellen. Zwar fehlt es bei einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis - anders als bei einem Vergleich - an einem gegenseitigen Nachgeben; vielmehr liegt wegen des einseitigen Nachgebens an sich ein „einseitiger Feststellungsvertrag“ vor, durch den die Parteien ihre materiellen Beziehungen regeln (BAG 15. Dezember 1999 - 10 AZR 881/98 - zu II 1 b der Gründe). Da der Zweck eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses aber darin besteht, das Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Punkten dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien zu entziehen und es insoweit endgültig festzulegen, hat es vergleichsähnlichen Charakter mit der Folge, dass § 779 BGB auf das deklaratorische Schuldanerkenntnis entsprechend anwendbar ist(BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 28 mwN; 15. März 2005 - 9 AZR 502/03 - zu II 2 c bb (3) der Gründe mwN, BAGE 114, 97).

74

§ 779 BGB setzt regelmäßig voraus, dass die Parteien den Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis „im Wege gegenseitigen Nachgebens“ beseitigen. Diesem Modell würde eine einseitig vorgegebene Umgestaltung eines Rechtsverhältnisses durch Allgemeine Geschäftsbedingungen widersprechen. Soweit durch Vereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Rechtsverhältnisse im Wege des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses entsprechend der einseitigen Festsetzung des Verwenders umgestaltet werden, kann dies zur Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB führen(vgl. etwa BAG 15. März 2005 - 9 AZR 502/03 - zu II 2 c bb (3) der Gründe mwN, BAGE 114, 97).

75

Vorliegend ergibt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen der Klägerin und des Beklagten zu 1. unter Berücksichtigung aller Umstände, dass der Beklagte zu 1. durch das deklaratorische Schuldanerkenntnis nicht unangemessen benachteiligt wird iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 Nr. 1 BGB, das deklaratorische Schuldanerkenntnis demnach nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist.

76

Obgleich der Inhalt des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses von der Klägerin vorformuliert wurde und Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte zu 1. iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB Einfluss auf den Inhalt der Vereinbarung nehmen konnte, weder vorgetragen noch sonst wie ersichtlich sind, ist es bei wertender Betrachtung unter Einbeziehung auch der den Vertragsschluss begleitenden Umstände nicht gerechtfertigt, von einer den Beklagten zu 1. unangemessen benachteiligenden einseitigen Festsetzung der Bedingungen durch die Klägerin auszugehen. Insoweit wirkt sich aus, dass der Beklagte zu 1. vor Abgabe des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses auf Vorhalt der Zeugen angegeben hatte, gemeinsam mit dem Beklagten zu 2. Manipulationen bei der Leergutbuchung vorgenommen zu haben, wobei dem Beklagten zu 2. zwei Drittel und ihm selbst ein Drittel des aus den fingierten Geschäften resultierenden Gewinns zugeflossen seien. Darüber hinaus hatte er - ebenfalls vor Abgabe des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses - ein umfassendes „Schuldeingeständnis“ angefertigt, in welchem er nicht nur sein Fehlverhalten eingeräumt, sondern auch den Zeitraum sowie den Umfang der Manipulationen konkret beschrieben und seinen persönlichen Gewinn - nach seiner Erinnerung - mit „bei 60 - 80 tausend Euro“ beziffert hat. Da - wie unter Rn. 38 ausgeführt - aufgrund der mündlichen Angaben des Beklagten zu 1. sowie des Inhalts seines Schuldeingeständnisses davon auszugehen war, dass der Beklagte zu 1. durch sein Fehlverhalten insgesamt einen Schaden iHv. 210.000,00 Euro verursacht hatte, gibt das Schuldanerkenntnis im Wesentlichen nur das wieder, was der Beklagte zu 1. ohnehin selbst eingeräumt hatte. Ein schutzwürdiges Interesse des Beklagten zu 1. daran, der Klägerin überhaupt nicht oder jedenfalls nicht im Umfang von 210.000,00 Euro Schadensersatz leisten zu müssen, ist deshalb nicht gegeben.

77

(3) Das deklaratorische Schuldanerkenntnis hält letztlich auch einer Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB stand.

78

(a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Die Voraussetzungen und der Umfang der Leistungspflicht müssen deshalb so bestimmt oder zumindest so bestimmbar sein, dass der Vertragspartner des Verwenders bereits bei Vertragsschluss erkennen kann, was auf ihn zukommt. Eine Klausel verletzt das Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten enthält und Spielräume eröffnet (BAG 30. September 2014 - 3 AZR 930/12 - Rn. 20, BAGE 149, 200; 19. Februar 2014 - 5 AZR 920/12 - Rn. 38). Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB(st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 22, BAGE 139, 156).

79

Allerdings gebietet es das Transparenzgebot darüber hinaus nicht, die aus dem Gesetz oder der Rechtsnatur eines Vertrages folgenden Rechte der Vertragsparteien ausdrücklich oder vollständig zu regeln oder den Vertragspartner darüber zu belehren. Etwaige Missverständnisse muss der Verwender sich in dieser Hinsicht vielmehr nur dann zurechnen lassen, wenn er die Gefahr von Fehlvorstellungen bei seinem Vertragspartner durch eine unklare oder mehrdeutige Klauselformulierung oder -gestaltung selbst hervorgerufen oder verstärkt hat (vgl. etwa BGH 10. Februar 2016 - VIII ZR 137/15 - Rn. 18 mwN).

80

(b) Danach ist das deklaratorische Schuldanerkenntnis nicht wegen Intransparenz iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Es war für den Beklagten zu 1. ohne weiteres erkennbar, dass er der Klägerin wegen der von ihm vorsätzlich begangenen Vertragspflichtverletzungen im Zusammenhang mit den Leergutrücknahmen Schadensersatz iHv. 210.000,00 Euro schuldet. Darüber, dass er infolge der Abgabe des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses mit sämtlichen Einwendungen rechtlicher und tatsächlicher Natur und der Geltendmachung sämtlicher Einreden ausgeschlossen wurde, die ihm bei Abgabe seiner Erklärung bekannt waren oder mit denen er zumindest rechnete, musste er schon vor diesem Hintergrund nicht belehrt werden.

81

3. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 BGB.

82

II. Soweit die Klägerin vom Beklagten zu 2. Schadensersatz iHv. 200.000,00 Euro begehrt, ist die Revision unbegründet. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht das arbeitsgerichtliche Urteil auf die Berufung des Beklagten zu 2. im Ergebnis zu Recht abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 2. keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz iHv. 200.000,00 Euro aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 266 StGB.

83

1. Zwar ist der Beklagte zu 2. der Klägerin gemäß § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 266 StGB dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet. Der Beklagte zu 2. hat zudem eingeräumt, den der Klägerin entstandenen Schaden iHv. 9.647,62 Euro mitverursacht zu haben. Er hat angegeben, ungerechtfertigte Gutschriften über Leergutrückgaben iHv. 8.559,10 Euro im Jahr 2007 und iHv. 1.088,52 Euro im Jahr 2008 angenommen zu haben. In dieser Höhe ist der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 2. auf Zahlung von Schadensersatz allerdings bereits durch die Zahlung von 10.000,00 Euro durch den Beklagten zu 1. gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen. Beide Beklagten haften aufgrund der gemeinschaftlich begangenen Manipulationen gemäß §§ 421, 840 BGB als Gesamtschuldner. Und nach § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB wirkt die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner, hier: durch den Beklagten zu 1., auch für die übrigen Schuldner, hier: den Beklagten zu 2.

84

2. Der Anspruch der Klägerin scheitert allerdings daran, dass diese nicht schlüssig dargetan hat, dass der Beklagte zu 2. einen den Betrag von 10.000,00 Euro übersteigenden weiteren Schaden iHv. 200.000,00 Euro mitverursacht hat.

85

a) Insoweit fehlt es an jeglichen Darlegungen der Klägerin dazu, welcher weitergehende Schaden auf welche (angebliche) Schädigungshandlung des Beklagten zu 2. zurückzuführen ist. Einer solchen Darlegung hätte es aber angesichts des Umstands, dass der Beklagte zu 2. eine über den Betrag iHv. 9.647,62 Euro hinausgehende Beteiligung an den Manipulationen im Zusammenhang mit der Leergutrückgabe in Abrede gestellt hatte, bedurft.

86

b) Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist der Beklagte zu 2. - anders als der Beklagte zu 1. - mit seinen Einwendungen gegen die Höhe des von ihm mitverursachten Schadens auch nicht ausgeschlossen.

87

aa) Der Beklagte zu 2. hatte - anders als der Beklagte zu 1. - kein (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis abgegeben. Ein Ausschluss folgt entgegen der Rechtsansicht der Klägerin auch nicht aus dem vom Beklagten zu 1. abgegebenen deklaratorischen Schuldanerkenntnis. Dieses entfaltet als Rechtsgeschäft zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1. nur Wirkung im Verhältnis der vertragsschließenden Parteien.

88

bb) Zwar sind beide Beklagten im Hinblick auf einen Schadensersatzanspruch wegen der Manipulationen bei den Leergutbuchungen „Mittäter“ und haften gemäß § 241 bzw. § 840 BGB gesamtschuldnerisch. Dies führt aber nicht dazu, dass sich das deklaratorische Schuldanerkenntnis des Beklagten zu 1. auch zulasten des Beklagten zu 2. auswirken würde. Dies folgt aus § 425 Abs. 1 BGB, wonach andere als die in den §§ 422 bis 424 BGB bezeichneten Tatsachen nur für und gegen den Gesamtschuldner wirken, in dessen Person sie eintreten, soweit sich nicht aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt, was vorliegend nicht der Fall ist. Danach wirken lediglich eine Erfüllung durch einen Gesamtschuldner (§ 422 BGB), ein mit einem Gesamtschuldner vereinbarter Erlass (§ 423 BGB) sowie der Gläubigerverzug gegenüber einem Gesamtschuldner (§ 424 BGB), nicht aber ein von einem Gesamtschuldner erklärtes deklaratorisches Schuldanerkenntnis auch gegenüber einem anderen Gesamtschuldner.

89

3. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet es vorliegend nicht, den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, um der Klägerin in einem erneuten Berufungsverfahren Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag im Hinblick auf den vom Beklagten zu 2. (mit)verursachten Schaden zu geben.

90

Die Klägerin musste vielmehr von vornherein in Erwägung ziehen, dass das vom Beklagten zu 1. abgegebene deklaratorische Schuldanerkenntnis nur in ihrem Verhältnis zum Beklagten zu 1. Wirkungen entfaltet und dass deshalb zu der Beteiligung des Beklagten zu 2. an den Manipulationen und dem daraus resultierenden Schaden substantiiert vorzutragen war. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte zu 2. ausdrücklich gerügt hatte, die Klägerin habe den geltend gemachten Schaden nicht nachvollziehbar dargelegt. Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin in beiden Tatsacheninstanzen nicht ansatzweise schlüssig zur Höhe des Schadens vorgetragen hatte, sondern sich insoweit stets und ausschließlich auf das vom Beklagten zu 1. abgegebene Schuldanerkenntnis berufen hatte, ist im Übrigen davon auszugehen, dass sie ganz bewusst von Darlegungen zur Schadenshöhe abgesehen hat.

91

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Schlewing    

        

    Winter    

        

    Vogelsang    

        

        

        

    Lüken    

        

    Soost    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 8. Mai 2015 - 4 Sa 1198/14 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer vorsorglich erklärten ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte betreibt als Kfz-Vertragshändler an mehreren Standorten Verkaufshäuser und Servicebetriebe. Der Kläger war bei ihr seit August 1979 als Kraftfahrzeugmechaniker im Betrieb L, für den ein Betriebsrat gewählt ist, tätig. Dort beschäftigte die Beklagte regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer, darunter - den Kläger eingerechnet - fünf Werkstattmitarbeiter.

3

Zum Betrieb L gehört ein Ersatzteillager, das von zwei Mitarbeitern betreut wird. Bis Herbst 2013 war es den Werkstattmitarbeitern grundsätzlich erlaubt, Ersatzteile, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit benötigten, eigenhändig aus dem Lager zu entnehmen. Wurden solche Teile nicht einzeln verkauft oder in Fahrzeugen verbaut, wurden sie später auf einer vor den Regalen des Lagers eingerichteten Theke abgelegt und danach durch die Lageristen wieder in den Bestand einsortiert.

4

Bei Inventuren im November 2013 und Mitte Februar 2014 verzeichnete die Beklagte jeweils einen Fehlbestand von Ersatzteilen. Mit Aushang vom 27. Februar 2014 machte sie die Differenzen betriebsöffentlich. Zugleich untersagte sie - mit Ausnahme der beiden Lageristen - allen Mitarbeitern für die Zukunft den Zutritt zum Lager und verbot ihnen, Teile aus den Regalen zu nehmen. Der Kläger nahm dies zur Kenntnis.

5

Nachdem anschließende Gespräche mit den Lagermitarbeitern keinen Aufschluss über die Fehlbestände erbracht hatten und - wie im angefochtenen Urteil als unstreitig festgestellt - „auch die Mitteilung vom Februar 2014 nicht [geholfen hatte]“, ließ die Beklagte am 22. März 2014 im Betrieb L eine Videokamera installieren, mittels derer die Vorgänge im Ersatzteillager fortan aufgezeichnet wurden. Von dieser Maßnahme hatten nur die Lageristen und der vor Ort eingesetzte Betriebsleiter Kenntnis. Auch den Betriebsrat beteiligte die Beklagte nicht.

6

Der Betriebsleiter wertete am Abend des 6. August 2014 die Videoaufzeichnungen vom 15. Juli 2014 aus. Auf diesen ist zu sehen, dass der Kläger das Ersatzteillager betrat, aus einem Regal ein Paket Bremsklötze entnahm und es sodann in seiner Hosentasche verstaute. Der weitere Inhalt der Videoaufnahme ist zwischen den Parteien umstritten.

7

In einem Personalgespräch am 14. August 2014 spielte die Beklagte dem Kläger die Aufzeichnung vom 15. Juli 2014 vor und lastete ihm an, er habe sich das aus dem Lager entnommene Paket rechtswidrig zugeeignet. Zumindest bestehe ein entsprechender Verdacht. Der Kläger äußerte, er habe keine Erklärung für den Vorgang. „Natürlich“ wolle er „wegen eines solchen Teils“ nicht seinen Arbeitsplatz „riskieren“. Auf weiteren Vorhalt gab er an, aus Sicht der Beklagten würde er sein Verhalten ebenso wie diese bewerten.

8

Mit Schreiben vom 19. August 2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos und mit weiterem Schreiben vom 25. August 2014 vorsorglich ordentlich zum 31. März 2015. Der zuvor mit Schreiben vom 15. August 2014 angehörte Betriebsrat hatte sich zu der ihm mitgeteilten Kündigungsabsicht nicht geäußert.

9

Der Kläger hat mit der rechtzeitig erhobenen Klage geltend gemacht, beide Kündigungen seien unwirksam. Das auf dem Videomitschnitt vom 15. Juli 2014 dokumentierte Verhalten indiziere nicht einmal den Verdacht einer rechtswidrigen Wegnahme der Bremsklötze. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass er die Teile aus dem Betrieb der Beklagten entfernt habe. Ebenso gut könne es sein, dass eine dienstliche Verwendung der Bremsklötze fälschlich nicht dokumentiert worden sei. Unabhängig davon habe die Beklagte die Videoaufzeichnungen unter Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen und von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats erlangt. Beides führe dazu, dass die Mitschnitte als Beweismittel und das hierauf gestützte Vorbringen der Beklagten, auch soweit es unstreitig geblieben sei, prozessual nicht verwertbar seien. Entsprechendes gelte für seine Einlassung im Personalgespräch, die auf das Vorspielen der Videoaufnahme zurückzuführen sei.

10

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 19. August 2014 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die Kündigung vom 25. August 2014 aufgelöst worden ist;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1. zu den derzeit geltenden Arbeitsbedingungen als Kfz-Mechaniker in der Filiale bzw. Niederlassung L weiterzubeschäftigen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, der Kläger habe am Morgen des 15. Juli 2014 das Lager im Abstand von wenigen Minuten dreimal betreten und jeweils zügig wieder verlassen. Die beiden ersten Male habe sich der Kläger in dem Bereich umgesehen und sich dabei der Abwesenheit der Lageristen vergewissert. Beim dritten Zutritt sei er unmittelbar auf das Regal mit den Bremsklötzen zugesteuert und habe die unstreitige Entnahme vorgenommen. Das Verhalten indiziere eine Zueignungsabsicht. Zumindest bestehe ein entsprechender Verdacht. Dafür spreche schon die Missachtung des Zutrittsverbots. Soweit der Kläger vorgebracht habe, der Leiter des Lagers habe ihm nach der Bekanntmachung vom 27. Februar 2014 für dringende Ausnahmefälle das Betreten des Lagers und die Entnahme von Ersatzteilen erlaubt, handele es sich um eine Schutzbehauptung. Jedenfalls entsprächen die Ausführungen nicht der Wahrheit. Ein freier Verkauf der Bremsklötze oder deren Einbau in ein passendes Fahrzeug sei ebenso auszuschließen wie eine Rückführung der Teile ins Lager. Es sei ihr - der Beklagten - auch nicht prozessual verwehrt, sich auf unstreitige Tatsachen zu berufen, von denen sie unmittelbar oder mittelbar durch die Videoaufzeichnungen Kenntnis erlangt habe. Entsprechendes gelte für eine beweisrechtliche Verwertung der Mitschnitte. Im Zeitpunkt der Aufzeichnungen habe der begründete Verdacht rechtswidriger Entwendungen von Ersatzteilen durch Mitarbeiter bestanden. Die Lageristen hätten, um sich selbst zu entlasten, einer zeitlich begrenzten Überwachung ihres Arbeitsbereichs zugestimmt. Erfolgversprechende Möglichkeiten, den Kreis der Verdächtigen weiter einzugrenzen, hätten nicht bestanden. Demgegenüber sei der Kläger nur deshalb von der Aufzeichnung erfasst worden, weil er sich über das Zutrittsverbot hinweggesetzt habe. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt.

12

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen den Vortrag der Beklagten über den Vorfall vom 15. Juli 2014 nicht unberücksichtigt lassen und der Klage stattgeben (I.). Der Senat vermag die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 19. August 2014 nicht abschließend zu beurteilen (II.). Dies führt insgesamt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO).

14

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, es sei wegen eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG, der nicht durch überwiegende schutzwürdige Interessen der Beklagten gerechtfertigt sei, daran gehindert, seiner Entscheidung den im Verfahren unstreitigen Sachvortrag der Beklagten über das in den Videoaufzeichnungen vom 15. Juli 2014 zutage getretene Verhalten des Klägers zugrunde zu legen.

15

1. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren allein aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts ergeben.

16

a) Weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz enthalten Vorschriften zur prozessualen Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Erkenntnisse oder Beweise. Vielmehr gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung(§ 286 ZPO) grundsätzlich die Berücksichtigung des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen angebotenen Beweismittel (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - zu C II 4 a aa der Gründe, BVerfGE 106, 28). Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage. Dies gilt nicht anders für ein etwaiges Sachvortragsverwertungsverbot (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 21).

17

b) Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung begrenzen nicht die Zulässigkeit von Parteivorbringen und seine Verwertung im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen. Dessen Normen konkretisieren und aktualisieren zwar den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild (§ 1 Abs. 1 BDSG). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nichtöffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 45, BAGE 146, 303; für das DSG NRW vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16, BAGE 143, 343), sehen Informations- und Auskunftsansprüche der Betroffenen (§§ 19, 19a, 33, 34 BDSG) sowie Ansprüche auf Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten (§§ 20, 35 BDSG) vor und normieren Tatbestände, in denen Verstöße eine Ordnungswidrigkeit oder gar Straftat darstellen (§§ 43, 44 BDSG). Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 22).

18

c) Ein Beweisverwertungsverbot oder ein Verbot, selbst unstreitigen Sachvortrag zu verwerten, kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn dies aufgrund einer verfassungsrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist. Das Gericht tritt den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Es ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet(BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93, BVerfGE 117, 202). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind. Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (so auch BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Dieses Recht schützt nicht allein die Privat- und Intimsphäre, sondern in seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch die Befugnis eines Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen. Auch wenn keine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, greift die Verwertung von personenbezogenen Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - BVerfGE 120, 378). Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)(BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 23; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 14).

19

d) Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Prozesspartei ein, überwiegt das Interesse an seiner Verwertung und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten. Das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht für sich allein nicht aus (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 94, BVerfGE 117, 202). Vielmehr muss sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt erweisen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 24). Ein Beweisverwertungsverbot wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst dabei nicht nur das unrechtmäßig erlangte Beweismittel selbst, hier ggf. eine In-Augenscheinnahme der Videoaufzeichnungen, sondern auch dessen mittelbare Verwertung wie etwa die Vernehmung eines Zeugen über den Inhalt des Bildmaterials (BVerfG 31. Juli 2001 - 1 BvR 304/01 - zu II 1 b bb der Gründe).

20

e) Der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm kann auch einer gerichtlichen Verwertung unstreitigen Sachvortrags entgegenstehen (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 25 mwN, auch zur gegenteiligen Auffassung). Das setzt voraus, dass es dem Schutzzweck etwa des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuwiderliefe, selbst den inhaltlichen Gehalt eines Beweismittels in Form von Sachvortrag zB infolge von § 138 Abs. 3 ZPO oder § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Entscheidungsgrundlage zu machen(Weber ZZP 2016, 57, 81). Unstreitiger Sachvortrag ist nicht allein deshalb stets uneingeschränkt verwertbar, weil die durch diesen belastete Partei die Möglichkeit des Bestreitens hätte. Eine Partei im zivil- und arbeitsgerichtlichen Verfahren unterliegt vielmehr der Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Sie kann daher nicht gezwungen sein, grundrechtswidrig über sie erlangte Informationen bestreiten zu müssen, um ihre Rechte zu wahren (im Einzelnen BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 32). Ein mögliches Verwertungsverbot ist dabei Ausfluss der Grundrechtsbindung der Gerichte, deren Beachtung ihnen grundsätzlich unabhängig davon obliegt, ob sich eine Partei darauf beruft (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - aaO).

21

2. Auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob durch die Herstellung der Videoaufzeichnungen das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung sowie sein Recht am eigenen Bild als Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG verletzt wurden. Dazu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen und einer darauf bezogenen tatrichterlichen Würdigung. Es ist nicht auszuschließen, dass der Einsatz der verdeckten Videoaufzeichnung nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG zulässig war.

22

a) Eingriffe in das Recht der Arbeitnehmer am eigenen Bild durch verdeckte Videoüberwachung sind dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (grundlegend BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Der Verdacht muss sich in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Er darf sich einerseits nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er muss sich andererseits nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 28). Diese Rechtsprechung steht mit Art. 8 Abs. 1 EMRK im Einklang(EGMR 5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471). Mit Wirkung ab dem 1. September 2009 hat der Gesetzgeber in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG einen entsprechenden Erlaubnistatbestand „zur Aufdeckung von Straftaten“ normiert. Nach der Gesetzesbegründung soll die Regelung die Rechtsprechungsgrundsätze nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses BT-Drs. 16/13657 S. 20; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 52, BAGE 146, 303).

23

b) Diesen Maßstäben wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Würdigung, die Informationsgewinnung mittels Videoaufzeichnung sei unzulässig, weil bei Beginn der Aufzeichnungen ein konkreter Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen strafbaren Handlung oder einer ähnlich schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers nicht bestanden habe, nicht sämtliche fallrelevanten Umstände in Betracht gezogen.

24

aa) Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass vor Einrichtung der Videoüberwachung Inventurdifferenzen aufgetreten waren. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ermöglicht eine Videoüberwachung auch dann, wenn nur ein Teil der Differenzen ihre Ursache in Straftaten von Arbeitnehmern gegen das Vermögen der Beklagten haben. Es gibt keinen Rechtssatz, nach dem ausschließlich dem Volumen nach „erhebliche“ Defizite einen Anhaltspunkt für strafbares Mitarbeiterverhalten bieten können. Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls.

25

bb) Das Landesarbeitsgericht hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beklagte zu den im November 2013 und Februar 2014 aufgetretenen Inventurdifferenzen keinen substantiierten Vortrag gehalten hat. Es durfte aber nicht ohne darauf bezogenen Sachvortrag annehmen, dass sämtliche Differenzbestände durch Fehler in der elektronischen Dokumentation ihres Betriebs verursacht sein konnten. Insbesondere wenn in kurzen zeitlichen Abständen Fehlbestände aufgetreten waren, die leicht zu entfernende Teile betrafen, kann dies nach der Lebenserfahrung auf Straftaten der sich in den Lagerräumen aufhaltenden Mitarbeiter hindeuten. Ähnliches gilt für das als unstreitig festgestellte Vorbringen der Beklagten, der Aushang vom 27. Februar 2014 habe nicht „geholfen“. Mit dem Sinngehalt dieser Behauptung hat sich das Landesarbeitsgericht nicht auseinandergesetzt. Es ist nicht auszuschließen, dass darin der - verkürzte - Vortrag liegt, nach dem Zutrittsverbot seien weitere Differenzen aufgetreten. Bejahendenfalls machte dies Vermögensdelikte zum Nachteil der Beklagten zumindest im Sinne eines „Anfangsverdachts“ aber umso wahrscheinlicher. Ein solcher, durch konkrete Tatsachen belegter „einfacher“ Verdacht ist im Rahmen von § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ausreichend(vgl. BeckOK DatenSR/Riesenhuber BDSG 17. Edition § 32 Rn. 118; im Ergebnis ebenso Simitis/Seifert BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 104; zum Erfordernis eines „einfachen Tatverdachts“ als Voraussetzung für Maßnahmen nach § 100a StPO vgl. BGH 11. August 2016 - StB 12/16 - Rn. 9). Ein „dringender“ Tatverdacht, der einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit für die Begehung von Straftaten voraussetzte (BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30), ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht erforderlich. Diesem Verständnis entsprechen auch Sinn und Zweck der Regelung. Es geht darum, schwerwiegende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten aufgrund vager Anhaltspunkte oder bloßer Mutmaßungen auszuschließen.

26

cc) Die Beklagte hat die Fehlbestände betriebsöffentlich gemacht und durch das im Februar 2014 ausgesprochene - nach ihrem unter Beweis gestellten Vortrag ausnahmslose - Zutrittsverbot sichergestellt, dass Ersatzteile nur von den im Lager beschäftigten Mitarbeitern ausgehändigt werden. Die Videoaufzeichnung richtete sich damit nur noch gegen die beiden Lagermitarbeiter, die sich nach dem Vorbringen der Beklagten mit einer solchen Maßnahme grundsätzlich einverstanden erklärt hatten, und gegen solche Mitarbeiter, die sich möglicherweise vertragswidrig im Bereich des Lagers aufhielten. Bei diesen Personen bestand aber ein konkreter, über bloße Mutmaßungen hinausgehender Verdacht, dass sie sich unberechtigt Ersatzteile aneignen. Dies hat das Landesarbeitsgericht nicht in Betracht gezogen.

27

c) Die Videoüberwachung erweist sich nicht aus anderen Gründen als unverhältnismäßig. Nach den bisherigen Feststellungen ist nicht ersichtlich, dass andere Mittel zur Aufklärung des Verdachts und zur Eingrenzung des verdächtigen Personenkreises zur Verfügung gestanden hätten, die weniger stark in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen hätten und mittels derer der Zweck der Überwachung mit vergleichbarer Erfolgsaussicht hätte erreicht werden können.

28

aa) Die Beklagte hat im Anschluss an den Aushang vom Februar 2014 mit ihren Lageristen Gespräche geführt, die zur Aufklärung der Ursachen für die Inventurdifferenzen nichts beitrugen. Sie hat insoweit diejenigen Arbeitnehmer angesprochen, die für die Verwaltung des Lagerbestands verantwortlich zeichneten und ggf. über den Verbleib von Ersatzteilen hätten Auskunft geben können. Gespräche mit den Werkstattmitarbeitern musste sie nicht in gleicher Weise als erfolgversprechend ansehen. Aufgrund ihrer innerbetrieblichen Bekanntmachungen konnte sie vielmehr davon ausgehen, diese würden ggf. von sich aus Mitteilung machen, falls sie Aufschluss über mögliche Fehlerquellen hätten geben können und wollen.

29

bb) Eine effektive Überwachung durch Vorgesetzte oder Kollegen war nicht denkbar. Ebenso wenig lag in der offenen Videoüberwachung eine „mildere“ Alternative. Sie hätte sich vor dem angestrebten Zweck der Aufdeckung von Straftaten nicht als gleichermaßen wirksam wie die - zumindest aus Sicht der meisten Mitarbeiter - verdeckte Beobachtung erwiesen. Das in Rede stehende strafbare Verhalten war seiner Natur nach auf Heimlichkeit angelegt. Zur Aufdeckung solcher Verhaltensweisen können offene Überwachungen regelmäßig nichts beitragen (BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b dd (2) der Gründe, BAGE 105, 356; ebenso Bergwitz NZA 2012, 353, 357; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 331, 335). Soweit der Kläger bemängelt, die initiierte Überwachung habe nicht zur Aufklärung in der Vergangenheit liegender Straftaten führen können, übersieht er zum einen die mögliche indizielle Wirkung, die der Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen für die Beurteilung bereits abgeschlossener Sachverhalte zukommen kann. Zum anderen bezieht sich § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG allgemein auf die „Aufdeckung von Straftaten“, was die Gewinnung von Erkenntnissen über - aufgrund konkreter Anhaltspunkte - vermutete künftige strafbare Handlungen im Beschäftigungsverhältnis einschließt.

30

cc) Der Beklagten kann nicht entgegen gehalten werden, sie habe vorrangig eine Aufklärung durch Taschenkontrollen oder gar die Visitation von Kleidung versuchen müssen. Im Rahmen solcher Maßnahmen wäre der Beklagten eine vergleichbare Eingrenzung des verdächtigen Personenkreises wie bei der lediglich auf das Lager ausgerichteten Videoüberwachung schwerlich möglich gewesen. Unabhängig davon griff die initiierte Beobachtung nicht stärker in das allgemeine Persönlichkeitsrecht betroffener Arbeitnehmer ein als dies bei der Vornahme von Tor- bzw. Taschenkontrollen der Fall gewesen wäre. Solche Kontrollen berühren typischerweise die Privatsphäre der hiervon erfassten Arbeitnehmer (BAG 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - Rn. 43, BAGE 148, 26). Die Zulässigkeit entsprechender Maßnahmen unterstellt wären ihnen auch Beschäftigte ausgesetzt gewesen, die das Zutrittsverbot ausnahmslos beachteten und von denen jedenfalls eine Gefährdung des Eigentums oder der Besitzrechte der Beklagten an den Ersatzteilen nicht (mehr) ausging. Demgegenüber traf die Videoüberwachung den Kläger weder in seiner Intim- noch in der Privatsphäre. Zwar kann sich eine besonders hohe Intensität eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht auch aus der Dauer der Beobachtung ergeben, wie dies bei heimlichen Beobachtungen der Fall ist, denen Arbeitnehmer in ihrem Arbeitsbereich während der gesamten Dauer ihrer Arbeitszeit ausgesetzt sind. Von einer solch massiven Beobachtung waren der Kläger und andere Mitarbeiter, denen der Zutritt zum Lager verwehrt worden war, aber nicht betroffen. Soweit dies im Fall der Lageristen anders zu beurteilen ist, handelte es sich um Personen, die gleichfalls zum Kreis der Verdächtigen rechneten. Überdies hatten sie der Überwachung zugestimmt.

31

dd) Der mit der verdeckten Videoüberwachung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers war insgesamt nicht unangemessen. Die Überwachung betraf ausgehend von dem Vorbringen der Beklagten allein das Lager und damit den räumlichen Bereich, auf den sich der Verdacht bezog. Gegenteiliges ist weder festgestellt, noch hat der Kläger substantiierten Gegenvortrag gehalten. Im Verhältnis zu Arbeitnehmern, die sich ohne Erlaubnis im Lager aufhielten, war die Eingriffsintensität selbst unter Berücksichtigung der Dauer des Kameraeinsatzes gering. Dieser Bewertung steht nicht die Behauptung des Klägers entgegen, der Laufweg zu einem Raum, in dem sich Ersatzwerkzeug für die Werkstattmitarbeiter befunden habe, führe durch bestimmte Bereiche des Lagers. Daraus folgt nicht, dass das Zutrittsverbot lediglich eine eingeschränkte Gültigkeit gehabt hätte. Der wegen des permanenten Überwachungsdrucks ungleich schwerere Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Lageristen war grundsätzlich durch deren Einwilligung gedeckt.

32

ee) Es spricht viel dafür, dass Letzteres auch vor dem Hintergrund gilt, dass die Lageristen gemäß eigenem Vorbringen der Beklagten der Überwachung lediglich „zeitlich begrenzt“ zugestimmt hatten. Damit wollten sie erkennbar zum Ausdruck bringen, dass die Einwilligung jedenfalls nach der Aufdeckung von Straftaten anderer Arbeitnehmer, die zugleich ihrer eigenen Entlastung dienen würde, keine Wirkung mehr entfalten sollte.

33

3. Selbst unterstellt, eine durchgängige Beobachtung bis Mitte Juli 2014 wäre von der fraglichen Zustimmung der Lageristen nicht mehr gedeckt gewesen und die Videoüberwachung erwiese sich unter diesem Gesichtspunkt als unverhältnismäßig, führte dies nicht zu einem Verbot der Verwertung des Mitschnitts vom 15. Juli 2014 und des hierauf gestützten unstreitigen Sachvortrags der Beklagten im Kündigungsschutzprozess mit dem Kläger. Der Schutzzweck des BDSG gebietet es nicht, dem Arbeitgeber aus generalpräventiven Gründen eine prozessuale Verwertung datenschutzrechtswidrig erlangter Informationen zu verwehren. Ein Verbot kommt nur in Betracht, wenn mit der Verwertung ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der anderen Prozesspartei einhergeht. Ein solcher Eingriff scheidet aber aus, wenn die Unzulässigkeit der Videoüberwachung allein aus der (Dritt-)Betroffenheit anderer Beschäftigter resultiert (Bergwitz NZA 2012, 353, 357; Dzida/Grau NZA 2010, 1201, 1202 f.; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 341; wohl aA Bayreuther NZA 2005, 1038, 1042; Otto Anm. AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 36). Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitgeber seinen Dokumentationspflichten gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG, die grundsätzlich vor der Datenerhebung zu erfüllen sind, nur unvollständig nachgekommen ist. Die Vorgabe verfolgt den Zweck, dem hiervon erfassten Personenkreis die nachträgliche Rechtmäßigkeitskontrolle zu erleichtern (Tinnefeld/Petri/Brink MMR 2010, 727, 732). Aus ihr kann ein prozessuales Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht abgeleitet werden, wenn der Arbeitgeber den Verdacht von Straftaten spätestens im Rechtsstreit durch konkrete Tatsachen untermauern kann und dadurch eine Rechtmäßigkeitskontrolle gesichert ist (ähnlich Alter NJW 2015, 2375, 2380).

34

4. Die fehlende Zustimmung des Betriebsrats hindert die Verwertung der Videoaufzeichnungen ebenso wenig.

35

a) Allerdings hat der Betriebsrat bei der Videoüberwachung von Betriebsräumen der Arbeitgeberin nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitzubestimmen. Eine Videoüberwachungsanlage ist im Sinne dieser Norm eine technische Einrichtung, die dazu bestimmt ist, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (BAG 11. Dezember 2012 - 1 ABR 78/11 - Rn. 16 ff., BAGE 144, 109).

36

b) Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass der Betriebsrat bei der Installation der Videoüberwachung oder jedenfalls der Auswertung des Mitschnitts vom 15. Juli 2014 beteiligt gewesen wäre. Dies führt für sich genommen aber nicht dazu, dass die Aufzeichnung als Beweismittel oder Sachvortrag, der sich auf daraus erlangte Erkenntnisse stützt, prozessual unverwertbar wäre. Der Schutzzweck von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gebietet die Annahme eines solchen Verwertungsverbots jedenfalls dann nicht, wenn die Verwendung und Verwertung eines Beweismittels und/oder daraus gewonnener, unstreitiger Informationen nach allgemeinen Grundsätzen zulässig ist. Der Sinn von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht ua. darin, Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Arbeitnehmer durch bestimmte Verhaltenskontrollen des Arbeitgebers nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen. Soweit die Norm - wenngleich kollektivrechtlich vermittelt - dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer dient, sind die Schutzzwecke von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und die zivilprozessualen Grundsätze über ein mögliches (Beweis-)Verwertungsverbot identisch. Ist demnach eine Informations- bzw. Beweisverwertung nach allgemeinen Grundsätzen zulässig, besteht grundsätzlich auch kein darüber hinausgehendes Verwertungsverbot bei Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats oder bei einer nicht ausreichenden Einhaltung eines betriebsverfassungsrechtlichen Verfahrens (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 44).

37

II. Danach hat das Landesarbeitsgericht wesentliche Teile des zur Begründung der ausgesprochenen Kündigungen gehaltenen Vortrags der Beklagten zu Unrecht nicht berücksichtigt. Dies führt zur Aufhebung seiner Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

38

1. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen der Beklagten zu Inventurdifferenzen und zur Entwicklung nach dem Aushang vom 27. Februar 2014 nur unvollständig gewürdigt. Soweit das betreffende Vorbringen einer weiteren Klarstellung bedarf, wird es die Beklagte dazu anzuhalten haben. Ist danach wahrscheinlich, dass die Fehlbestände auch auf unberechtigten Entnahmen beruht haben, wird das Landesarbeitsgericht für die Zeit nach Ausspruch des Zutrittsverbots von einem konkreten, durch Tatsachen belegten Anfangsverdacht einer Straftat jedenfalls durch Arbeitnehmer auszugehen haben, die das Lager vertragswidrig betreten haben.

39

2. Danach würde die weitere Verarbeitung und Nutzung der den Kläger betreffenden Videoaufzeichnungen nicht dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzen. Die Verarbeitung - dh. hier insbesondere die Aufbewahrung der Mitschnitte zum Zwecke weiterer Verarbeitung oder Nutzung (§ 3 Abs. 4 Nr. 1 BDSG) - und deren weitere Verwendung im vorliegenden Verfahren war gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig.

40

a) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.

41

b) Dies wäre hier der Fall. Die Aufzeichnungen vom 15. Juli 2014 begründeten zumindest den Verdacht, dass der Kläger zu Lasten der Beklagten eine Straftat begangen hat. Dies konnte einen Kündigungsgrund darstellen. Überwiegende Interessen des Klägers standen der Verarbeitung und Nutzung nicht entgegen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Beklagte - was hier nicht auszuschließen ist - die Daten nicht unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers erlangt hat.

42

3. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 19. August 2014 aufgelöst worden ist.

43

a) Das bisherige Vorbringen der Beklagten kann - seine Verwertbarkeit unterstellt und unbeschadet der grundsätzlich dem Landesarbeitsgericht vorbehaltenen abschließenden Interessenabwägung - gem. § 626 Abs. 1 BGB sowohl eine außerordentliche Tat- als auch Verdachtskündigung rechtfertigen.

44

aa) Welche Beweiskraft den von der Beklagten vorgetragenen Indiztatsachen im Einzelnen und in einer Gesamtschau mit der unstreitigen Wegnahmehandlung im Hinblick auf die Beurteilung zukommt, ob sich der Kläger eines Diebstahls oder einer Unterschlagung zulasten der Beklagten schuldig gemacht hat oder ob zumindest ein dahingehender dringender Verdacht besteht, ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach § 286 ZPO, die dem Revisionsgericht entzogen ist(BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 35, BAGE 152, 47; zum Indizienbeweis BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 43, BAGE 149, 355).

45

bb) Anhaltspunkte für eine Rechtfertigungslage hat der Kläger, den insoweit eine abgestufte Darlegungslast trifft (zuletzt BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 40), bisher nicht schlüssig aufgezeigt. Zwar mag es in der Vergangenheit üblich gewesen sein, dass Mitarbeiter der Beklagten Ersatzteile für den Transport aus dem Lager in die Werkstatt in ihrer Kleidung verstauten. Darauf kann sich der Kläger aber nicht stützen, weil sich die Weisungslage mit dem Ende Februar 2014 angeordneten Zutrittsverbot verändert hatte. Sein Vorbringen, er habe mit dem für das Lager zuständigen Leiter abweichende Vereinbarungen getroffen, ist in zeitlicher und räumlicher Hinsicht bisher vollkommen unsubstantiiert. Zudem hat die Beklagte ihren betreffenden Gegenvortrag unter Beweis gestellt. Unabhängig davon lässt das Vorbringen des Klägers nicht erkennen, dass er sich im Zusammenhang mit der eigenhändigen Entnahme des Pakets Bremsklötze an die behauptete individuelle Absprache mit dem Lagerleiter gehalten und dementsprechend die Lageristen zumindest nachträglich über die Mitnahme von Ersatzteilen in deren Abwesenheit unterrichtet hat. Auch dies spricht nicht für ein redliches Vorgehen, sondern gibt einen Hinweis darauf, dass sein Verhalten insgesamt auf Heimlichkeit angelegt war. Soweit der Kläger überdies geltend gemacht hat, es sei nicht auszuschließen, dass die Bremsklötze in einem Fahrzeug der entsprechenden Typenklasse eingebaut worden seien oder er alternativ - wie in der Vergangenheit üblich - das Paket auf der Theke vor dem Lager abgelegt habe, hat er nicht etwa einen konkreten, ihn entlastenden Geschehensablauf dargestellt, sondern rein hypothetische Sachverhaltsvarianten präsentiert. Ob sich dies unter Berücksichtigung seiner Einlassung im Personalgespräch vom 14. August 2014 mit Erinnerungslücken hinreichend erklären lässt, wird ggf. vom Landesarbeitsgericht zu bewerten sein.

46

cc) Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung unter dem Gesichtspunkt einer sog. „Tatkündigung“ hängt materiell-rechtlich nicht davon ab, ob die Beklagte im Kündigungszeitpunkt alles ihr Mögliche und Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts - auch in Richtung einer denkbaren Entlastung des Klägers - unternommen hatte (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 38). Sollte es auf ihre Wirksamkeit als Verdachtskündigung ankommen, wird das Landesarbeitsgericht zu bewerten haben, ob die Beklagte ihrer diesbezüglich bestehenden Aufklärungspflicht nachgekommen ist, was allerdings nicht fernliegt. Dem sie dabei treffenden Erfordernis einer Anhörung des Klägers ist - soweit ersichtlich - Genüge getan.

47

b) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt. Ihr Vorbringen ist schlüssig. Nach ihrem - offenbar unstreitig gebliebenen - Vortrag hat ihr allein kündigungsberechtigter Geschäftsführer von den maßgeblichen Tatsachen erst am 7. August 2014 Kenntnis erlangt. Ausgehend vom Zugang der fristlosen Kündigung am 19. August 2014 wäre die Zweiwochenfrist eingehalten. Das gilt allemal gerechnet ab dem Zeitpunkt des Personalgesprächs vom 14. August 2014. Ob ihr Betriebsleiter aufgrund des Ergebnisses einer am 16. Juli 2014 durchgeführten Bestandsaufnahme, bei der nach dem Vorbringen der Beklagten bereits das Fehlen eines Pakets Bremsklötze verzeichnet worden sein soll, gehalten war, eine Sichtung der Videobänder bereits vor dem 6. August 2014 vorzunehmen, kann dahinstehen. Daraus ergibt sich nach dem bisherigen Streitstand keine Verzögerung, die der Beklagten im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB anzulasten wäre. Kenntnisse nicht kündigungsberechtigter Personen muss sich der Arbeitgeber nur ausnahmsweise nach § 242 BGB zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb innehaben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht an den Kündigungsberechtigten dieser ohne weitere Nachforschungen seine (Kündigungs-)Entscheidung abgewogen treffen kann. Voraussetzung für eine Zurechnung ist weiter, dass die Verspätung, mit der der Kündigungsberechtigte in eigener Person Kenntnis erlangt hat, auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs beruht (BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 28). Dafür fehlt es derzeit an Anhaltspunkten.

48

c) Der Kläger hat seine zunächst „vorsorglich“ erhobene Rüge, es fehle an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats (§ 102 Abs. 1 BetrVG), in erster Instanz ausdrücklich fallen gelassen. Unabhängig davon sind Mängel im Anhörungsverfahren auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht zu erkennen.

49

4. Der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegen auch die weiteren Klageanträge. Über den Kündigungsschutzantrag betreffend die ordentliche Kündigung vom 25. August 2014 ist abhängig vom Ausgang des Streits über die außerordentliche Kündigung zu erkennen. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, beide Kündigungen seien unwirksam, wird es zu berücksichtigen haben, dass sich der Weiterbeschäftigungsantrag dem Wortlaut nach auf ein Obsiegen mit dem Kündigungsschutzantrag zu 1. bezieht, der sich gegen die außerordentliche Kündigung vom 19. August 2014 richtet. Diesem Begehren durfte es nicht stattgeben, ohne der Frage nachzugehen, ob der Antrag überhaupt auf eine vorläufige Weiterbeschäftigung des Klägers nach Ablauf des Termins der ordentlichen Kündigung vom 25. August 2014 gerichtet ist und - bejahendenfalls - ob er ein entsprechendes Verlangen hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO)zum Ausdruck bringt.

50

5. Von weiteren Hinweisen sieht der Senat ab.

        

    Koch    

        

    Rachor    

        

    Niemann    

        

        

        

    Söller    

        

    F. Löllgen    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. Dezember 2015 - 7 Sa 1078/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels. Die Klägerin war bei ihr seit November 1998, zuletzt als stellvertretende Filialleiterin, beschäftigt. Sie war überwiegend als Kassiererin eingesetzt.

3

Die Beklagte stellte im Oktober 2013 für die Beschäftigungsfiliale der Klägerin einen Inventurverlust in den Warengruppen Tabak/Zigaretten und „Nonfood“ in Höhe von mehr als des Zehnfachen im Verhältnis zur vorausgegangenen Inventur fest. Die Ergebnisse von daraufhin durchgeführten Recherchen ließen aus ihrer Sicht nur den Schluss zu, dass der Verlust vom Personal zu verantworten sei. Weitere Kontroll- und Revisionsmaßnahmen sowie die Überprüfung der Mitarbeiter durch Taschenkontrollen führten nicht zur Aufklärung.

4

Die Beklagte beantragte daraufhin beim Betriebsrat die Durchführung einer verdeckten Videoüberwachung im Kassenbereich im Zeitraum vom 15. bis 29. Dezember 2013 zum Zwecke der „Aufklärung von Straftaten zu Lasten [ua. der Beklagten]“. Als „Grund“ gab sie „Diebstahl Zigaretten/NF“ an, wobei sich die Videoüberwachung gegen die Mitarbeiterinnen D und M richten solle. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten Videoüberwachung zu.

5

Die Filiale wurde unabhängig davon auch insgesamt offen videoüberwacht. An ihren Zugängen befanden sich entsprechende Hinweisschilder.

6

Einer Videosequenz der verdeckten Überwachung des Kassenbereichs vom 18. Dezember 2013 war zu entnehmen, dass die Klägerin eine dort befindliche „Musterpfandflasche“ über den Scanner gezogen, eine Leergutregistrierung durchgeführt, die Kassenlade geöffnet und Geld aus der Kassenlade genommen hatte, welches sie zunächst im Kassenbereich abgelegt und zu einem späteren Zeitpunkt in ihre Tasche gesteckt hatte. Der von ihr erstellte Kassenbon wies eine Pfandbarauszahlung iHv. 3,25 Euro für 13 Pfandflaschen bzw. -dosen aus.

7

Während eines am 20. Januar 2014 geführten Anhörungsgesprächs wurde der Klägerin die Videosequenz vorgespielt. Ihre Reaktion hierauf und der genaue Inhalt des Gesprächs sind zwischen den Parteien streitig geblieben.

8

Mit Schreiben vom 22. Januar 2014 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachts-/bzw. Tatkündigung an. Der Betriebsrat stimmte den beabsichtigten Kündigungen am 23. Januar 2014 zu.

9

Mit Schreiben vom gleichen Tag kündigte die Beklagte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Kündigungstermin.

10

Dagegen hat sich die Klägerin rechtzeitig mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt. Ein Grund für die außerordentliche oder die ordentliche Kündigung liege nicht vor. Sie habe am fraglichen Tag bereits beim Betreten der Filiale kurz vor 10:00 Uhr Leergut in die Pfandbox eingeworfen. Darauf habe sich der Vorgang gegen Mittag desselben Tages bezogen, als sie die Musterpfandflasche eingescannt und das Pfandgeld entnommen habe. Die Beklagte habe überdies die Frist zur Erklärung der außerordentlichen Kündigung gem. § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten und den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört.

11

Die Klägerin hat beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23. Januar 2014 beendet wird;

        

2.    

im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als stellvertretende Filialleiterin weiter zu beschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin habe einen regulären Kassiervorgang manipuliert, um sich auf diese Weise persönlich zu bereichern.

13

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 23. Januar 2014 sei wirksam.

15

I. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es liege ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

16

1. Die Manipulation eines Kassenvorgangs zum Zweck, sich selbst auf Kosten des Arbeitgebers zu bereichern, ist „an sich“ geeignet, einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Verschafft sich ein Arbeitnehmer vorsätzlich auf Kosten des Arbeitgebers einen ihm nicht zustehenden Vermögensvorteil, verletzt er erheblich seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB). Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen daher typischerweise als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Das gilt unabhängig von der Höhe eines dem Arbeitgeber durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens. Maßgebend ist vielmehr der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 13 und 15, BAGE 145, 278; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 17, BAGE 142, 176).

17

2. Das Landesarbeitsgericht hat bei der Interessenabwägung ohne Rechtsfehler angenommen, die langjährige unbeanstandete Beschäftigung der Klägerin in der Vergangenheit vermöge den eingetretenen Vertrauensverlust im Ergebnis nicht aufzuwiegen. Dabei hat es in seine Würdigung auch einbezogen, dass der Schaden mit 3,25 Euro relativ gering sei. Es hat jedoch zutreffend zu Lasten der Klägerin berücksichtigt, dass sie sich nach seinen Feststellungen bewusst, heimlich und durch eine gezielte Manipulation der Kassenvorgänge auf Kosten der Beklagten bereichert habe. Der dadurch bewirkte Vertrauensbruch wiegt bei einer stellvertretenden Filialleiterin und Kassiererin besonders schwer. Die Beklagte muss bei einer Arbeitnehmerin in dieser Position von uneingeschränkter Vertrauenswürdigkeit bei der Tätigkeit, insbesondere bei der Bedienung der Kasse, ausgehen können.

18

3. Das Landesarbeitsgericht hat es zu Recht als unerheblich angesehen, dass die Klägerin nach der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils von der Beklagten in ihrer bisherigen Tätigkeit weiterbeschäftigt worden ist. Zum einen kommt es für die Wirksamkeit der Kündigung auf die Umstände im Zeitpunkt ihres Zugangs an (vgl. BAG 17. Februar 2016 - 2 AZR 613/14 - Rn. 26; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21, BAGE 149, 367). Zum anderen ist allein maßgeblich, ob zu diesem Zeitpunkt Tatsachen gegeben waren, die es dem Arbeitgeber objektiv unzumutbar machten, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen (BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 29; für die ordentliche Kündigung vgl. BAG 19. November 2015 - 2 AZR 217/15 - Rn. 34). Hierauf hat es keinen Einfluss, wenn die Beklagte der Klägerin mehr als acht Monate nach der Kündigung eine Prozessbeschäftigung angeboten hat. Im Übrigen hat sie das Angebot erst unterbreitet, nachdem sie erstinstanzlich zur Weiterbeschäftigung der Klägerin zu unveränderten Bedingungen verurteilt worden war. Daraus lässt sich, selbst wenn unmittelbar noch keine Zwangsvollstreckung gedroht haben sollte, nicht einmal schließen, sie habe eine Weiterbeschäftigung subjektiv wieder für zumutbar gehalten.

19

II. Das Landesarbeitsgericht war nicht wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs der Beklagten in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Klägerin sowie ihr Recht am eigenen Bild als Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG daran gehindert, seiner Entscheidung den im Verfahren unstreitigen Sachvortrag der Beklagten über das in den Videoaufzeichnungen vom 18. Dezember 2013 zutage getretene Verhalten der Klägerin zugrunde zu legen, den Zeugen H zum Inhalt der gelöschten früheren Videoaufnahmen von diesem Tag zu vernehmen und das Beweisergebnis bei seiner Würdigung zu berücksichtigen.

20

1. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren allein aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts ergeben.

21

a) Weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz enthalten Vorschriften zur prozessualen Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Erkenntnisse oder Beweise. Vielmehr gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung(§ 286 ZPO) grundsätzlich die Berücksichtigung des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen angebotenen Beweismittel (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - Rn. 60, BVerfGE 106, 28; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 43, BAGE 146, 303; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 30). Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 20, BAGE 145, 278; vgl. auch BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 37; MüKoZPO/Prütting 5. Aufl. § 284 Rn. 66). Dies gilt ebenso für ein etwaiges Sachvortragsverwertungsverbot.

22

b) Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung begrenzen nicht die Zulässigkeit von Parteivorbringen und seine Verwertung im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen. Dessen Normen konkretisieren und aktualisieren zwar den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild (§ 1 Abs. 1 BDSG). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nichtöffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind(vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 45, BAGE 146, 303; für das DSG NRW vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16, BAGE 143, 343), sehen Informations- und Auskunftsansprüche der Betroffenen (§§ 19, 19a, 33, 34 BDSG) sowie Ansprüche auf Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten (§§ 20, 35 BDSG) vor und normieren Tatbestände, in denen Verstöße eine Ordnungswidrigkeit oder gar Straftat darstellen (§§ 43, 44 BDSG). Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (ebenso Plath/Stamer/Kuhnke BDSG § 32 Rn. 137; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 190, 193; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 339; vgl. auch Lunk NZA 2009, 457, 459). Das bestätigt auch ein Umkehrschluss aus § 1 Abs. 4 BDSG. Nach dieser Bestimmung gehen die Vorschriften des Gesetzes (lediglich) denen des Verwaltungsverfahrensgesetzes „bei der Ermittlung des Sachverhalts“ vor.

23

c) Ein Beweisverwertungsverbot oder ein Verbot, selbst unstreitigen Sachvortrag zu verwerten, kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn dies aufgrund einer verfassungsrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist (ebenso Schreiber ZZP 2009, 227, 229). Das Gericht tritt den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Es ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet(BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93, BVerfGE 117, 202; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 44, BAGE 146, 303; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 21, BAGE 145, 278). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind. Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (so auch BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Dieses Recht schützt nicht allein die Privat- und Intimsphäre, sondern in seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch die Befugnis eines Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 26. August 2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 15, BAGE 127, 276). Auch wenn keine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, greift die Verwertung von personenbezogenen Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - BVerfGE 120, 378; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO). Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 14).

24

d) Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Prozesspartei ein, überwiegt das Interesse an seiner Verwertung und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten. Das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht für sich allein nicht aus (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 94, BVerfGE 117, 202; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 49, BAGE 146, 303). Vielmehr muss sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt erweisen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 29, BAGE 142, 176; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36). Ein Beweisverwertungsverbot wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst dabei nicht nur das unrechtmäßig erlangte Beweismittel selbst, hier ggf. eine In-Augenscheinnahme der Videoaufzeichnungen, sondern auch dessen mittelbare Verwertung wie etwa die Vernehmung eines Zeugen über den Inhalt des Bildmaterials (BVerfG 31. Juli 2001 - 1 BvR 304/01 - zu II 1 b bb der Gründe).

25

e) Der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm kann auch einer gerichtlichen Verwertung unstreitigen Sachvortrags entgegenstehen (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 29; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 34 ff.; ähnlich OLG Karlsruhe 25. Februar 2000 - 10 U 221/99 - zu II 3 b der Gründe; aA Ahrens Der Beweis im Zivilprozess Kapitel 6 Rn. 29). Das setzt voraus, dass es dem Schutzzweck etwa des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuwiderliefe, selbst den inhaltlichen Gehalt eines Beweismittels in Form von Sachvortrag zB infolge von § 138 Abs. 3 ZPO oder § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Entscheidungsgrundlage zu machen(vgl. Weber ZZP 2016, 57, 81). Unstreitiger Sachvortrag ist nicht allein deshalb stets uneingeschränkt verwertbar, weil die durch diesen belastete Partei die Möglichkeit des Bestreitens hätte. Eine Partei im zivil- und arbeitsgerichtlichen Verfahren unterliegt vielmehr der Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Sie kann daher nicht gezwungen sein, grundrechtswidrig über sie erlangte Informationen bestreiten zu müssen, um ihre Rechte zu wahren (im einzelnen BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 32). Ein mögliches Verwertungsverbot ist dabei Ausfluss der Grundrechtsbindung der Gerichte, deren Beachtung ihnen unabhängig davon obliegt, ob sich eine Partei darauf beruft. Hat das Gericht Anhaltspunkte dafür, dass für den Rechtsstreit relevante Erkenntnisse unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei gewonnen wurden, muss es daher prüfen, ob es das Vorbringen, selbst wenn es unbestritten bleibt, bei der Feststellung des Tatbestands berücksichtigen darf. Hiervon besteht nur eine Ausnahme, wenn die Partei auf die Geltendmachung der Rechtsverletzung wirksam verzichtet hat.

26

2. Unter Anwendung dieser Grundsätze hat sich das Landesarbeitsgericht zu Recht nicht gehindert gesehen, seiner Entscheidung den im Verfahren unstreitig gebliebenen Sachvortrag der Beklagten über das aus den Videoaufzeichnungen vom 18. Dezember 2013 ersichtliche Verhalten der Klägerin im Zusammenhang mit der erstellten Pfandbuchung zugrunde zu legen. Ebenso wenig bestand ein Verbot, den Zeugen H zum Inhalt der gelöschten früheren Videoaufnahmen von diesem Tag zu vernehmen und das Beweisergebnis bei der Würdigung zu berücksichtigen. Das Landesarbeitsgericht hat dadurch keine Grundrechtsverletzung perpetuiert oder vertieft. Zwar griff die verdeckte Videoüberwachung des Kassenbereichs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin ein. Der Eingriff war aber aufgrund überwiegender Interessen der Beklagten gerechtfertigt. Die Beklagte hat auch nicht dadurch, dass sie die in Auswertung des Materials gewonnenen Erkenntnisse zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien verwendete, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Einer näheren Erörterung, ob anderenfalls nicht nur ein Beweis-, sondern auch ein Sachvortragsverwertungsverbot bestanden hätte, bedarf es daher nicht.

27

a) Die Beklagte hat durch die Veranlassung der Videoaufzeichnungen, aus denen das Verhalten der Klägerin am 18. Dezember 2013 ersichtlich wurde, nicht unrechtmäßig in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen.

28

aa) Eingriffe in das Recht der Arbeitnehmer am eigenen Bild durch verdeckte Videoüberwachung sind dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 50, BAGE 146, 303; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 30, BAGE 142, 176; grundlegend BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Der Verdacht muss sich in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Er darf sich einerseits nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er muss sich andererseits nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - aaO; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b dd (1) der Gründe, aaO). Diese Rechtsprechung steht mit Art. 8 Abs. 1 EMRK im Einklang(EGMR 5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471). Mit Wirkung ab dem 1. September 2009 hat der Gesetzgeber in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG einen entsprechenden Erlaubnistatbestand „zur Aufdeckung von Straftaten“ normiert. Nach der Gesetzesbegründung soll die Regelung die Rechtsprechungsgrundsätze nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses BT-Drs. 16/13657 S. 20; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 52, aaO).

29

bb) Danach hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die von der Beklagten veranlasste verdeckte Videoüberwachung des Kassenbereichs sei in Anbetracht der Inventurdifferenzen, der anderweitig durchgeführten, aber erfolglos gebliebenen Aufklärungsmaßnahmen und des gegenüber zwei Mitarbeiterinnen konkretisierten Diebstahlsverdachts gerechtfertigt gewesen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

30

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, ein anderes, milderes Mittel zur Aufklärung des fraglichen Verdachts habe nicht mehr zur Verfügung gestanden. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Auch die Klägerin hat einen solchen nicht aufgezeigt. Der ihres Erachtens gegebene Widerspruch zu dem Umstand, dass sie nicht zu dem Kreis der Verdächtigen gehört habe, besteht nicht. Eine verdeckte Videoüberwachung zur Aufdeckung von Straftaten von Beschäftigten darf nicht nur dann erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass von ihr ausschließlich Arbeitnehmer betroffen sind, hinsichtlich derer es bereits einen konkretisierten Verdacht gibt. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG. Soweit der Wortlaut der Bestimmung ein anderes Verständnis nahelegen könnte, ist er „verunglückt“. Die Regelung sollte - wie ausgeführt - die von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze des Datenschutzes im Beschäftigungsverhältnis nicht ändern. Die Bestimmung orientiert sich vielmehr inhaltlich an den Anforderungen, die das Bundesarbeitsgericht ua. in seinem Urteil vom 27. März 2003 (- 2 AZR 51/02 - BAGE 105, 356) zur verdeckten Überwachung von Beschäftigten aufgestellt hat (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Danach muss zwar der Kreis der Verdächtigen möglichst eingegrenzt sein, es ist aber nicht zwingend notwendig, dass eine Überwachungsmaßnahme in der Weise beschränkt werden kann, dass von ihr ausschließlich Personen erfasst werden, bezüglich derer bereits ein konkretisierter Verdacht besteht. Die Klägerin hat auch nicht etwa gerügt, das Landesarbeitsgericht habe tatsächliches Vorbringen übergangen, aus dem sich ergeben hätte, dass es ebenso gut möglich gewesen wäre, die Überwachung des Kassenbereichs ausschließlich bezogen auf die des Diebstahls verdächtigten Mitarbeiterinnen durchzuführen.

31

(2) Der Rechtmäßigkeit der Videoüberwachungsmaßnahme steht damit nicht entgegen, dass sie in Bezug auf die Klägerin anlasslos war. Gab es kein milderes Mittel zur Aufklärung des bestehenden Diebstahlsverdachts gegen andere Mitarbeiterinnen als die konkret durchgeführte Überwachung, war der Eingriff - auch - in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin gerechtfertigt. Eine Dokumentation des Verdachts verlangt § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ebenfalls lediglich insoweit, wie eine Maßnahme „zur“ Aufdeckung von Straftaten erfolgt.

32

cc) Aus § 6b Abs. 1 BDSG ergeben sich mit Blick darauf, dass zu den öffentlich zugänglichen Räumen im Sinne der Bestimmung auch öffentlich zugängliche Verkaufsräume gehören(BT-Drs. 14/4329 S. 38), keine weitergehenden Anforderungen. Dabei kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob nicht bezogen auf den Beschäftigtendatenschutz die Zulässigkeit der Maßnahme gem. § 32 BDSG als nach § 4 Abs. 1 BDSG erforderlicher Erlaubnistatbestand ohnehin ausreicht.

33

(1) Gemäß § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume zulässig, wenn sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

34

(2) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG stellt seit Inkrafttreten der Bestimmung zumindest eine Konkretisierung dieses Tatbestands dar. Das berechtigte Interesse iSd. § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist in diesem Fall die Aufdeckung von Straftaten von Beschäftigten. Sind die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gegeben, ist die Maßnahme jedenfalls im Verhältnis zu den von ihr betroffenen Arbeitnehmern auch nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG zulässig. Das Gebot der Kenntlichmachung gem. § 6b Abs. 2 BDSG ist insofern keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 51, BAGE 146, 303; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 41, BAGE 142, 176; Scholz in Simitis BDSG 8. Aufl. § 6b Rn. 110; Bauer/Schansker NJW 2012, 3537; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13; wohl auch Bayreuther DB 2012, 2222 ff.). Im Übrigen war hier auf die ohnehin bestehende offene Videoüberwachung der Filiale bereits durch entsprechende Hinweisschilder an den Eingängen hingewiesen.

35

b) Die Beklagte hat auch durch die weitere Verarbeitung und Nutzung der die Klägerin betreffenden Videoaufzeichnungen nicht deren allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt.

36

aa) Die Verarbeitung - dh. hier insbesondere die Aufbewahrung zum Zwecke weiterer Verarbeitung oder Nutzung (§ 3 Abs. 4 Nr. 1 BDSG) - und Nutzung der Daten war gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig.

37

(1) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.

38

(2) Dies war hier der Fall. Die Aufzeichnungen begründeten zumindest den Verdacht, dass die Klägerin zu Lasten der Beklagten eine Unterschlagung begangen hatte. Dies konnte einen Kündigungsgrund darstellen. Überwiegende Interessen der Klägerin standen der Verarbeitung und Nutzung nicht entgegen. Insbesondere hatte die Beklagte die Daten nicht unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin erlangt. Sie waren vielmehr - wie ausgeführt - im Rahmen einer zulässigen Videoüberwachung angefallen (zu diesem Erfordernis BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 56, BAGE 146, 303; Bayreuther Anm. zu AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 53 zu IV 1 b). Das zutage getretene Verhalten der Klägerin rechtfertigte auch die weitere Speicherung und Nutzung des Materials. Danach war nicht ausgeschlossen, dass sich die Klägerin unter Herstellung einer manipulierten Pfandbuchung bewusst auf Kosten der Beklagten bereichert und damit eine erhebliche Pflichtverletzung begangen hatte (zum Erfordernis der hinreichenden Gewichtigkeit des Verhaltensverstoßes ebenfalls BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; Bayreuther aaO).

39

(3) Hingegen kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber alle anderen zumutbaren Aufklärungsmaßnahmen auch bezüglich des zufällig aufgedeckten Fehlverhaltens bereits ausgeschöpft hatte (aA Eylert NZA-Beilage 2015, 100, 107). Dies ist, wenn es noch keinen entsprechenden Verdacht gab, weder möglich noch geboten. Eine Videoüberwachung muss zwar, um rechtmäßig zu sein, auch in der Art ihrer Durchführung ultima ratio zur Aufklärung des ihr zugrunde liegenden Verdachts sein. Ist dies aber der Fall, sind durch sie unvermeidbare Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte mitbetroffener Arbeitnehmer ebenfalls durch den Aufklärungszweck gerechtfertigt.

40

bb) Eine Unzulässigkeit der Verarbeitung und Nutzung der die Klägerin betreffenden Aufzeichnungen folgt nicht aus § 6b Abs. 3 BDSG.

41

(1) Nach Satz 1 der Bestimmung ist die Verarbeitung oder Nutzung von nach § 6b Abs. 1 BDSG erhobenen Daten zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Für einen anderen Zweck dürfen sie gem. § 6b Abs. 3 Satz 2 BDSG nur verarbeitet oder genutzt werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist.

42

(2) Eine weitere Speicherung und Verwendung der die Klägerin betreffenden Aufzeichnungen wäre demnach möglich gewesen, wenn sie sich iSv. § 6b Abs. 3 Satz 1 BDSG im Rahmen des verfolgten Zwecks gehalten hätte oder - außerhalb des ursprünglich verfolgten Zwecks - zur „Verfolgung von Straftaten“ iSd. § 6b Abs. 3 Satz 2 BDSG erfolgt wäre. Insofern käme es also darauf an, auf welche ursprüngliche Zwecksetzung abzustellen wäre: den ausweislich der Verfahrensmeldung nach § 4g BDSG festgelegten Beobachtungszweck der „Aufklärung von Straftaten zu Lasten [ua. der Beklagten]“ oder den engeren, dem Betriebsrat genannten konkreten „Grund“ für den Kameraeinsatz, nämlich den Diebstahlsverdacht im Bereich Zigaretten/„NF“. Wäre für § 6b Abs. 3 Satz 1 BDSG die engere Zwecksetzung maßgeblich, setzte eine Rechtfertigung nach Satz 2 der Bestimmung voraus, dass zur „Verfolgung von Straftaten“ auch die Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen aufgrund einer Straftat zählte(in diesem Sinne Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 6b Rn. 29; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 340; aA wohl Scholz in Simitis BDSG 8. Aufl. § 6b Rn. 124; in Art. 7 Buchst. f der - gem. EuGH 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 96 f. eine Vollharmonisierung bewirkenden - Richtlinie 95/46/EG ist dagegen keinerlei explizites Zweckänderungsverbot enthalten).

43

(3) Dies bedarf vorliegend jedoch keiner Entscheidung. Die Regelung des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG stellt auch für die Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten eines Beschäftigten, die der Arbeitgeber durch eine Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume erlangt hat, eine eigenständige, von den Voraussetzungen nach § 6b Abs. 3 BDSG unabhängige Erlaubnisnorm dar(offen gelassen BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 48, BAGE 146, 303; den „Datenschutz-Wirrwarr“ beklagen Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 6b Rn. 3; unklar Scholz in Simitis BDSG 8. Aufl. § 6b Rn. 50 f., 147; aA Jerchel/Schubert DuD 2015, 151, 152; Plath/Becker BDSG § 6b Rn. 8; Plath/Stamer/Kuhnke BDSG § 32 Rn. 122; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 79). Ist danach eine bestimmte Datenverarbeitung oder -nutzung rechtmäßig, kommt es im Verhältnis zu den davon betroffenen Arbeitnehmern nicht darauf an, ob auch die Anforderungen gem. § 6b Abs. 3 BDSG erfüllt sind. Die Bestimmung schließt eine eigenständige Rechtfertigung der Datenverarbeitung nach § 32 BDSG vielmehr nicht aus(ebenso ErfK/Franzen 16. Aufl. § 6b BDSG Rn. 2). Diese Vorschrift dient speziell dem Ausgleich der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmern in Bezug auf den Beschäftigtendatenschutz (BT-Drs. 16/13657 S. 20 f.). Dagegen soll § 6b BDSG - unabhängig von den aufgrund der engeren schuldrechtlichen Bindungen im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses bestehenden Interessen - den Schutz der Allgemeinheit vor einem Ausufern der Videoüberwachung im öffentlichen Raum gewährleisten(zum Ziel einer restriktiveren Verwendungspraxis Bericht und Beschlussempfehlung des Innenausschusses, BT-Drs. 14/5793 S. 61). Für die Eigenständigkeit der Erlaubnistatbestände des § 32 BDSG spricht auch, dass die Videoüberwachung nicht öffentlich zugänglicher (Arbeits-)Räume im BDSG nicht gesondert geregelt ist. Ihre Zulässigkeit richtet sich daher, soweit Arbeitnehmer betroffen sind, unzweifelhaft allein nach § 32 BDSG(ebenso Plath/Becker BDSG § 6b Rn. 8; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 80). Es erschiene aber wenig plausibel, wenn bezogen auf den Beschäftigtendatenschutz von Arbeitnehmern, die in öffentlich zugänglichen Räumen arbeiten, andere Maßstäbe gelten sollten als für Arbeitnehmer, die dies nicht tun.

44

III. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, ein Verwertungsverbot habe auch dann nicht bestanden, wenn der Betriebsrat bei der Auswertung der Videosequenz nicht beteiligt gewesen sein sollte. Selbst wenn die Videoüberwachung gänzlich ohne seine Mitbestimmung erfolgt wäre, er aber - wie hier - einer auf die erlangten Erkenntnisse gestützten Kündigung zugestimmt hat, verlangte die Missachtung seines Mitbestimmungsrechts dies nicht (BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B II 3 der Gründe, BAGE 105, 356). Der Schutzzweck von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und § 77 BetrVG gebietet ein solches Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht, wenn die Verwertung der Information bzw. des Beweismittels nach allgemeinen Grundsätzen zulässig ist (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 33; Lunk NZA 2009, 457, 463; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 341 f.). Der Sinn von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht ua. darin, Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Arbeitnehmer durch bestimmte Verhaltenskontrollen nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen. Es geht um einen kollektiv-rechtlich vermittelten Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer. Soweit der Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer betroffen ist, sind die Schutzzwecke der Norm und die zivilprozessualen Grundsätze über ein mögliches (Beweis-)Verwertungsverbot identisch. Ist demnach eine Informations- bzw. Beweisverwertung nach allgemeinen Grundsätzen zulässig, besteht grundsätzlich auch kein darüber hinausgehendes Verwertungsverbot bei Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats oder bei einer nicht ausreichenden Einhaltung eines betriebsverfassungsrechtlichen Verfahrens (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - aaO).

45

IV. Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Danach stand zu seiner Überzeugung fest, dass die Klägerin entgegen ihrer Behauptung keinen dem aus der Kasse entnommenen Geldbetrag entsprechenden Gegenwert in Form von Pfandflaschen oder -dosen in die Leergutbox eingeworfen hatte. Die Revision erhebt insoweit keine Rügen.

46

V. Entsprechendes gilt für die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Es hat angenommen, die Auswertung der Videoaufzeichnungen des Kassenbereichs habe beginnend mit dem 30. Dezember 2013 drei Wochen gebraucht, sodann habe am 20. Januar 2014 das Anhörungsgespräch mit der Klägerin stattgefunden. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin war dieser das Kündigungsschreiben vom 23. Januar 2014 am Folgetag und damit innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 626 Abs. 2 BGB zugegangen.

47

VI. Das Landesarbeitsgericht hat - wenn auch ohne nähere Prüfung - zu Recht angenommen, der Betriebsrat sei vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 BetrVG angehört worden. Die Beklagte hatte ihn mit Anhörungsschreiben vom 22. Januar 2014 darüber informiert, dass sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis der Klägerin außerordentlich fristlos, vorsorglich fristgerecht zu kündigen. Sie hat ihm die Kündigungsgründe in der in der Anlage beigefügten Begründung im Einzelnen mitgeteilt. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es nicht darauf an, ob sie darin die Warenbereiche zutreffend bezeichnet hatte, in denen sie zuvor Inventurdifferenzen festgestellt hatte. Zur nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG erforderlichen Mitteilung der Kündigungsgründe gehört nicht die Information über die die Verwertbarkeit erlangter Informationen oder Beweismittel begründenden Umstände. Überdies war dem Betriebsrat aufgrund der von ihm erteilten Zustimmung zur verdeckten Videoüberwachung des Kassenbereichs bekannt, welche Inventurdifferenzen die Beklagte festgestellt hatte. Die Beklagte hat die Kündigung auch erst nach der Zustimmung des Betriebsrats am 23. Januar 2013 erklärt.

48

VII. Der als unechter Hilfsantrag nur für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellte Antrag der Klägerin auf vorläufige Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

49

VIII. Als unterlegene Partei hat die Klägerin gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

        

    Koch    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Niebler    

        

    Die ehrenamtliche Richterin Alex ist
gehindert, ihre Unterschrift beizufügen.
Koch    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. April 2012 - 5 Sa 2555/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aus Anlass der Schließung der Beklagten.

2

Die Beklagte ist eine - in Abwicklung befindliche - sog. geöffnete Betriebskrankenkasse mit Hauptsitz in S. Sie beschäftigte im Juni 2011 etwa 400 Arbeitnehmer. An ihren Standorten H, B und S waren Personalräte, am Hauptsitz zudem ein Hauptpersonalrat gebildet.

3

Die im Jahr 1959 geborene Klägerin war seit Anfang 1991 beim Land Berlin als Sozialversicherungsfachangestellte beschäftigt. Im Jahr 1999 ging ihr Arbeitsverhältnis auf die Beklagte über. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Betriebskrankenkassen (MTV) Anwendung. Dieser enthält in § 20 Abs. 1 die Regelung, dass der Beschäftigten nach Vollendung des 50. Lebensjahres und einer zehnjährigen Beschäftigungszeit „nur aus einem in ihrer Person oder in ihrem Verhalten liegenden wichtigen Grund fristlos gekündigt werden“ kann. Die Klägerin verdiente zuletzt etwa 4.400,00 Euro brutto monatlich.

4

Mit Bescheid vom 4. Mai 2011 ordnete das Bundesversicherungsamt die Schließung der Beklagten zum 30. Juni 2011 an. Grund war deren Überschuldung und eine damit einhergehende dauernde Leistungsunfähigkeit.

5

Am 20. April und 4. Mai 2011 unterrichtete die Beklagte den Hauptpersonalrat über die bevorstehende Schließung. Sie teilte ihm ferner mit, dass sie beabsichtige, alle Arbeitsverhältnisse vorsorglich außerordentlich zum 30. Juni 2011, hilfsweise fristgemäß bzw. außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist zu kündigen. Der Hauptpersonalrat erhob dagegen Einwände.

6

Mit Schreiben vom 9. Mai 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der Schließung am 30. Juni 2011 enden werde. Ein ihr vom Landesverband der Betriebskrankenkassen unterbreitetes Angebot auf eine anderweitige Beschäftigung nahm die Klägerin nicht an.

7

Mit Schreiben vom 19. Mai 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien „vorsorglich“ außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30. Juni 2011, hilfsweise zum 31. Dezember 2011 als dem von ihr angenommenen „nächst möglichen Termin“.

8

Am 23. Juni 2011 schlossen die Parteien einen zunächst bis zum 30. Juni 2012 befristeten, sodann bis zum 31. Dezember 2012 verlängerten Arbeitsvertrag. Auf seiner Grundlage war die Klägerin ab dem 1. Juli 2011 als „Teamleiterin“ tätig.

9

Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund der Schließung und - rechtzeitig - gegen die Kündigung gewandt. Die Klägerin hat gemeint, ihr Arbeitsverhältnis sei nicht nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V beendet worden. Die Vorschrift müsse dahin ausgelegt werden, dass nur die Arbeitsverhältnisse derjenigen Arbeitnehmer beendet würden, die ein zumutbares Angebot auf anderweitige Unterbringung ausgeschlagen hätten. Ein solches sei ihr nicht unterbreitet worden. Die vorsorglich erklärte Kündigung sei unwirksam. Die Schließung habe nicht zur Stilllegung des Betriebs geführt. Die Beklagte habe über den Schließungszeitpunkt und den 31. Dezember 2011 hinaus Abwicklungsarbeiten durchgeführt. Auch sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.

10

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht am 30. Juni 2011 beendet worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 2011 nicht beendet worden ist.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, mit ihrer Schließung habe sie ihre Rechtspersönlichkeit als Körperschaft des öffentlichen Rechts verloren. Sie sei damit als Arbeitgeberin „untergegangen“. Schon dies habe unmittelbar zur Beendigung sämtlicher Arbeitsverhältnisse geführt. Zumindest habe das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft gesetzlicher Anordnung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V sein Ende gefunden. Die Regelung sei verfassungskonform. Durch die unterschiedliche Behandlung der Beschäftigten einer Innungskrankenkasse und der einer Betriebskrankenkasse werde Art. 3 GG nicht verletzt. Die Unterscheidung sei nicht willkürlich. Die Sicherung eines funktionierenden gesetzlichen Gesundheitssystems stelle ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dar. Das Interesse der Arbeitnehmer am Bestand ihrer Arbeitsverhältnisse müsse dahinter zurücktreten. Ein zumutbares Angebot auf anderweitige Unterbringung habe die Klägerin abgelehnt. Falls es darauf ankomme, sei die vorsorglich erklärte Kündigung wirksam. Aufgrund ihrer Schließung seien sämtliche Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen. Die befristete Weiterbeschäftigung der Klägerin ändere daran nichts. Das Gesetz überantworte die Abwicklung dem Vorstand. Sie beginne ganz ohne eigenes Personal. Auf der Grundlage konkreter Prognosen zum Beschäftigungsbedarf für die Dauer der Abwicklung würden sodann - wie mit der Klägerin - befristete Arbeitsverträge geschlossen.

12

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete am 30. Juni 2011 weder unmittelbar dadurch, dass mit der Schließung der Beklagten die Arbeitgeberin der Klägerin erloschen wäre, noch von Gesetzes wegen gemäß § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V. Es ist auch nicht durch die Kündigung(en) der Beklagten vom 19. Mai 2011 aufgelöst worden.

14

A. Die Revision der Beklagten ist hinsichtlich aller Streitgegenstände zulässig. Dass sie hinsichtlich der Entscheidung über den Antrag zu 2. nicht eigens begründet worden ist, ist unschädlich.

15

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den vermeintlichen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Sie muss dazu eine Auseinandersetzung mit den tragenden Argumenten des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 120/12 - Rn. 17; 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - Rn. 12). Bei mehreren Streitgegenständen muss im Fall einer unbeschränkt eingelegten Revision grundsätzlich für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Eine eigenständige Begründung ist nur dann nicht erforderlich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von der Entscheidung über den anderen abhängt. Mit der Begründung der Revision über den einen Streitgegenstand ist dann zugleich dargelegt, dass die Entscheidung über den anderen unrichtig ist (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - aaO; 9. April 1991 - 1 AZR 488/90 - zu I der Gründe, BAGE 68, 1).

16

II. In Anwendung dieser Grundsätze ist die Revision auch gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Kündigungsschutzantrag zu 2. zulässig. Zwar fehlt es insoweit an einer Auseinandersetzung der Beklagten mit dem Berufungsurteil. Dessen bedurfte es jedoch nicht. Erwiese sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Antrag zu 1. als unrichtig, hätte also das Arbeitsverhältnis der Parteien schon aufgrund der Schließung der Beklagten geendet, wäre damit zugleich die Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag hinfällig.

17

1. Stehen mehrere Beendigungstatbestände in Rede und macht der Kläger die Unwirksamkeit der einzelnen Maßnahmen mittels Haupt- und unechten Hilfsantrags geltend, besteht zwischen den Anträgen ein prozessuales Abhängigkeitsverhältnis. Ein uneigentlicher Hilfsantrag wird gestellt für den Fall des Erfolgs des Hauptantrags. Die Rechtshängigkeit des Hilfsantrags ist demnach auflösend bedingt durch den Misserfolg des Hauptantrags (BAG 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 50, BAGE 130, 1). Sie endet mit Bedingungseintritt rückwirkend, ohne dass es dafür eines besonderen gerichtlichen Ausspruchs bedürfte. Ein über den Hilfsantrag bereits ergangenes, noch nicht formell rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos (BAG 12. August 2008 - 9 AZR 620/07 - Rn. 15, BAGE 127, 214). Auch wenn sich der Revisionsangriff nur gegen die - stattgebende - Entscheidung über den Hauptantrag richtet, tritt in einem solchen Fall bei erfolgreicher - zur Abweisung dieses Antrags führender - Revision die auflösende Bedingung ein. Der erfolgreiche Angriff gegen die Entscheidung über den Hauptantrag reicht damit aus, um das angefochtene Urteil auch hinsichtlich des Hilfsantrags zu Fall zu bringen.

18

2. So liegt der Fall hier. Der Kündigungsschutzantrag zu 2. ist als unechter Hilfsantrag zu verstehen. Die Klägerin will sich gegen die Kündigung nur zur Wehr setzen, falls das Arbeitsverhältnis nicht schon durch die Schließung der Beklagten geendet hat.

19

a) Eine solchermaßen - auflösend - bedingte Antragstellung entspricht bei mehreren, zu unterschiedlichen Beendigungszeitpunkten erklärten Kündigungen dem (Kosten-)Interesse des Kündigungsempfängers. Sie trägt überdies der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Rechnung, nach der die Sozialwidrigkeit bzw. Unwirksamkeit einer Kündigung dann nicht festgestellt werden kann, wenn die Auflösung des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines anderen - vor oder gleichzeitig mit Ablauf der Kündigungsfrist wirkenden - Beendigungstatbestands zwischen den Parteien unstreitig oder sie rechtskräftig festgestellt ist (vgl. BAG 11. Februar 1981 - 7 AZR 12/79 - zu B II 1 der Gründe). Gegen die Zulässigkeit eines entsprechend bedingten Antrags bestehen keine Bedenken. Bei der fraglichen Bedingung handelt es sich um eine rein innerprozessuale Rechtsbedingung. Unter eine solche Rechtsbedingung kann jeder Klageantrag gestellt werden. Da der Antrag iSv. § 158 Abs. 2 BGB auflösend - und nicht etwa aufschiebend - bedingt ist, vermag er, rechtzeitig gestellt, auch die Klagefrist des § 4 Abs. 1 KSchG ohne Weiteres zu wahren.

20

b) Im Streitfall kommt hinzu, dass die Beklagte ihrerseits die Kündigung(en) vom 19. Mai 2011 nur „vorsorglich“ für den Fall erklärt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht bereits aufgrund der Schließung zum 30. Juni 2011 aufgelöst worden ist. Ihre Kündigungserklärung steht damit unter der - ebenfalls zulässigen - auflösenden Rechtsbedingung (§ 158 Abs. 2 BGB), dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses schon kraft Gesetzes eingetreten ist (vgl. für den Fall zweier Kündigungen BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 54/12 - Rn. 44). Tritt diese Bedingung ein, liegt schon eine Kündigungserklärung als solche nicht mehr vor. Eine gleichwohl aufrechterhaltene Kündigungsschutzklage ginge ins Leere und wäre unbegründet (vgl. BAG 16. Januar 1987 - 7 AZR 546/85 -). Auch aus diesem Grund ist der Kündigungsschutzantrag zu 2. als unechter Hilfsantrag zu verstehen, mit dem die Klägerin sich gegen die „vorsorglich“ erklärte(n) Kündigung(en) ihrerseits nur „vorsorglich“ wehrt (vgl. für das Ergebnis auch HaKo-KSchR/Gallner 4. Aufl. § 4 KSchG Rn. 64).

21

c) Falls schon die Schließung der Beklagten das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet hat, fallen somit - materiell-rechtlich - die Kündigungserklärung und - prozessrechtlich - der Feststellungsantrag zu 2. samt der zu ihm ergangenen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts fort. Es genügt damit ein - zulässiger - Revisionsangriff der Beklagten gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, das Arbeitsverhältnis habe nicht schon kraft Gesetzes sein Ende gefunden, um das Berufungsurteil auch hinsichtlich der Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag in Frage zu stellen.

22

3. Unabhängig vom Stufenverhältnis der Klageanträge ist ein erfolgreicher Angriff der Beklagten gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Antrag zu 1. auch aus materiell-rechtlichen Gründen ausreichend, um die Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag hinfällig werden zu lassen. Hat das Arbeitsverhältnis schon aufgrund der Schließung der Beklagten geendet, kann die Kündigungsschutzklage gegen die - zum selben bzw. einem späteren Termin erklärte(n) - Kündigung(en) keinen Erfolg haben.

23

B. Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht für zulässig und begründet erachtet.

24

I. Die Klage ist zulässig.

25

1. Die Zulässigkeit der Klage setzt die Parteifähigkeit des Beklagten voraus. Die Beklagte ist parteifähig.

26

a) Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist (§ 50 Abs. 1 ZPO). Betriebskrankenkassen wie die Beklagte sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 29 SGB IV, § 4 Abs. 1 und Abs. 2 SGB V). Sie sind damit - im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgaben (vgl. Krauskopf/Baier SGB IV § 29 Rn. 5) - parteifähig (vgl. MüKoZPO/Lindacher 4. Aufl. § 50 Rn. 21). Streiten die Parteien gerade über die Existenz oder die Parteifähigkeit eines Prozessbeteiligten oder über die sich aus deren Erlöschen ergebenden Folgen, ist die Parteifähigkeit als Prozessvoraussetzung zu unterstellen (BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 215/03 - zu B I 1 b der Gründe; 31. August 1983 - 4 AZR 104/81 -; für eine Gebietskörperschaft BGH 21. Oktober 1971 - II ZR 90/68 - zu A I der Gründe). Das Zivilprozessrecht sieht für die Klärung von Rechtsansprüchen stets einen Prozess mit mindestens zwei Parteien vor. Dementsprechend muss auch die Frage, ob eine der Parteien rechtlich existent ist, inter partes geklärt werden können. Andernfalls wäre eine mit materieller Rechtskraft ausgestattete Entscheidung dieser Frage nicht möglich (BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 215/03 - aaO).

27

b) Danach ist hier die Parteifähigkeit der Beklagten jedenfalls zu fingieren. Die Parteien streiten über die Rechtsfolgen der Schließung der Beklagten für ihr Arbeitsverhältnis und über die Wirksamkeit der in diesem Zusammenhang ausgesprochenen Kündigung. Diese Fragen können einer der materiellen Rechtskraft fähigen Entscheidung nur zugeführt werden, wenn die Beklagte unabhängig davon, ob und ggf. inwieweit sie gem. § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V weiterhin rechtsfähig ist, als parteifähig gilt.

28

2. Gegen die Zulässigkeit der Anträge bestehen keine Bedenken.

29

a) Der Antrag zu 1. ist ein allgemeiner Feststellungsantrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. In der Sache begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten über den 30. Juni 2011 hinaus fortbesteht. Ob auch ein punktueller, dem Kündigungsschutzantrag iSv. § 4 Satz 1 KSchG nachgebildeter Antrag zulässig wäre, bedarf keiner Entscheidung(verneinend BAG 10. November 2011 - 6 AZR 357/10 - Rn. 13, BAGE 139, 376; 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 15, BAGE 125, 70).

30

b) Das auf Seiten der Klägerin erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben.

31

aa) Der Antrag betrifft den durch die Beklagte mit Verweis auf ihre Schließung in Frage gestellten Bestand des Arbeitsverhältnisses und damit das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Er ist geeignet, den zwischen den Parteien bestehenden Streit umfassend zu klären.

32

bb) Der Antrag ist auch nicht lediglich auf die Klärung einer Frage gerichtet, die im Rahmen der Begründetheit des ebenfalls gestellten Kündigungsschutzantrags als Vorfrage ohnehin beantwortet werden müsste; ein rechtliches Interesse an einem eigenständigen Feststellungsbegehren wäre andernfalls nicht zu erkennen. Zwar kann der Kündigungsschutzantrag der Klägerin nur Erfolg haben, wenn das Arbeitsverhältnis jedenfalls bis zum Ablauf der mit der Kündigung verbundenen Auslauffrist(en) bestanden hat. Dies wiederum kann positiv nur festgestellt werden, wenn das Arbeitsverhältnis nicht schon am 30. Juni 2011 durch Schließung geendet hat. Das ist folglich auch im Rahmen des Kündigungsschutzantrags zu prüfen. Jedoch ist hier der allgemeine Feststellungsantrag als Haupt-, der Kündigungsschutzantrag als unechter Hilfsantrag gestellt worden. In diesem Fall kann ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO für den Hauptantrag nicht mit der Erwägung verneint werden, der mit ihm angegriffene Auflösungstatbestand sei auch im Rahmen des - möglicherweise gar nicht zu bescheidenden - Hilfsantrags zu überprüfen.

33

II. Die Klage ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei weder aufgrund der Schließung der Beklagten noch durch die außerordentliche(n) Kündigung(en) vom 19. Mai 2011 beendet worden.

34

1. Die Anträge sind nicht deshalb unbegründet, weil die Parteien bereits am 23. Juni 2011 einen für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis zum 30. Juni 2012 befristeten Arbeitsvertrag geschlossen und diesen später bis zum 31. Dezember 2012 verlängert haben. Damit haben sie weder ihr unbefristetes Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 30. Juni 2011 - konkludent - aufgehoben, noch hat die Klägerin auf ihr Recht verzichtet, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2011 bzw. 31. Dezember 2011 hinaus geltend zu machen. Ebenso wenig kann - umgekehrt - davon ausgegangen werden, die Parteien hätten sich mit den Befristungsabreden zugleich über eine einvernehmliche Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses über den Schließungszeitpunkt bzw. die Kündigungstermine hinaus verständigen wollen, so dass der Klage schon aus diesem Grund stattzugeben wäre. Ihr Wille war vielmehr darauf gerichtet, losgelöst vom Streitgegenstand der bereits anhängigen Klage eine Regelung über die befristete Weiterbeschäftigung der Klägerin zum Zwecke anstehender Abwicklungsarbeiten zu treffen. Das ergibt die Auslegung der Vereinbarungen. Diese kann der Senat - obgleich das Landesarbeitsgericht sie unterlassen hat - selbst vornehmen. Der Sachverhalt ist vollständig festgestellt, weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien steht nicht zu erwarten (vgl. dazu BAG 24. August 2011 - 7 AZR 228/10 - Rn. 53, BAGE 139, 109; 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 24 mwN, BAGE 135, 255).

35

a) Die Vereinbarungen über eine befristete Weiterbeschäftigung der Klägerin sollten nicht zur Aufhebung des zwischen den Parteien möglicherweise über den 30. Juni 2011 hinaus bestehenden Arbeitsverhältnisses führen. Sie wurden erst getroffen, nachdem die Klägerin die vorliegende Klage erhoben hatte. Die Klageschriften in den zunächst getrennt geführten Verfahren waren der Beklagten bei Vertragsschluss am 23. Juni 2011 bereits zugestellt. Sie musste deshalb - auch wenn dies nicht ihrer Auffassung entsprach - in Rechnung stellen, dass das unbefristete Arbeitsverhältnis über die im Kündigungsschreiben bezeichneten Auflösungstermine hinaus fortbestehen könnte. Die Klägerin durfte das Angebot auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags bzw. dessen Verlängerung deshalb so verstehen, dass damit das ursprüngliche Arbeitsverhältnis nicht aufgehoben werden sollte (für ähnliche Sachverhalte BAG 24. August 2011 - 7 AZR 228/10 - Rn. 51, BAGE 139, 109; 18. Juni 2008 - 7 AZR 214/07 - Rn. 12).

36

b) Umgekehrt konnte die Klägerin den ihr angetragenen Vereinbarungen nicht entnehmen, die Beklagte habe das ursprüngliche Arbeitsverhältnis über die strittigen Auflösungszeitpunkte hinaus einvernehmlich fortsetzen wollen. Dem widerspricht neben den Gesamtumständen die Präambel des befristeten Vertrags vom 23. Juni 2011. Dort hat die Beklagte ihre Auffassung zum Ausdruck gebracht, weder Rechtsnachfolgerin der geschlossenen Betriebskrankenkasse noch mit dieser identisch zu sein.

37

2. Die Klage ist auch nicht deshalb - zumindest teilweise - unbegründet, weil der Klägerin für den Fall der Schließung der Beklagten ein „Rückkehrrecht“ zum Land Berlin zustünde. Das gilt auch dann, wenn die Klägerin - wozu das Landesarbeitsgericht Feststellungen nicht getroffen hat - einen Anspruch auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags gegenüber dem Land bereits erhoben haben sollte (vgl. dazu BAG 15. Oktober 2013 - 9 AZR 572/12 - Rn. 28 ff.). Zum einen führte selbst die Realisierung dieses Anspruchs nicht ohne Weiteres zur Beendigung eines mit der Beklagten fortbestehenden unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Zum anderen fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten für die Annahme, dass es zur Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Land Berlin schon vor dem Wirksamwerden der Schließung der Beklagten oder dem Ende der Auslauffristen hätte kommen können. Das sieht die Beklagte offenbar selbst nicht anders. Sie beruft sich für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien nicht etwa auf eine der Klägerin erteilte Rückkehrzusage.

38

3. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht dadurch am 30. Juni 2011 geendet, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt wegen ihrer Schließung nach § 153 SGB V erloschen und damit als Arbeitgeberin ipso iure weggefallen wäre.

39

a) Wird eine Betriebskrankenkasse gem. § 153 SGB V geschlossen, verliert sie ihre rechtliche Existenz als mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen ausgestatteter Sozialversicherungsträger iSv. § 4 Abs. 1, Abs. 2 SGB V(vgl. Krauskopf/Baier SGB V § 155 Rn. 2). Deshalb enden sowohl die Mitgliedschaftsverhältnisse als auch die Ämter der Selbstverwaltungsorgane, etwa des Verwaltungsrats (vgl. Becker/Kingreen/Mühlhausen SGB V 3. Aufl. § 155 Rn. 12; Krauskopf/Baier SGB V § 155 aaO; LPK-SGB V/Hänlein 4. Aufl. § 155 Rn. 4). Dies führt jedoch nicht zum sofortigen Verlust ihrer Rechtspersönlichkeit als solcher. Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V gilt die Betriebskrankenkasse vielmehr als fortbestehend, soweit es der Zweck der Abwicklung erfordert. In diesem Rahmen ist sie uneingeschränkt handlungsfähig und kann beispielsweise, wenn dieser Zweck es verlangt, auch neue Arbeitsverhältnisse begründen (Becker/Kingreen/Mühlhausen aaO Rn. 13, 14; Hänlein aaO Rn. 5; Krauskopf/Baier aaO Rn. 5). Erst mit vollständigem Abschluss der Abwicklung geht sie endgültig unter (vgl. LPK-SGB V/Hänlein 4. Aufl. § 155 Rn. 2).

40

aa) Bereits der Wortlaut des § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V macht deutlich, dass die Schließung der Betriebskrankenkasse nicht ihren sofortigen Untergang als Rechtssubjekt zur Folge hat. Die Vorschrift geht ersichtlich davon aus, dass es nach der Schließung noch der Abwicklung der Kasse bedarf. Sie fingiert zu diesem Zweck den Fortbestand der juristischen Person und damit ihre Fähigkeit, in diesem auf die Abwicklung beschränkten Rahmen weiterhin Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Offenkundig geht der Gesetzgeber davon aus, dass derjenige Rechtsträger, der die Abwicklungsaufgaben wahrnimmt, mit dem ursprünglichen identisch ist. Andernfalls könnte von einem „Fortbestehen“ nicht die Rede sein (vgl. Rolfs GuP 2013, 8, 11; dens. NZA 2013, 529, 532; Krauskopf/Baier SGB V § 155 Rn. 5). Die Auffassung, es entstehe mit der Schließung der Betriebskrankenkasse eine eigenständige „neue Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung“ (Bohlen-Schöning KrV 2012, 101, 103; ähnlich Gutzeit NZS 2012, 361, 365), ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar (so im Ergebnis auch Rolfs NZA 2013, 529, 533; Wolter FS Bepler S. 675, 680).

41

bb) Auch aus dem Regelungszusammenhang ergibt sich, dass der Gesetzgeber von einer Kontinuität und Identität der juristischen Person ausgegangen ist. Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 SGB V wickelt der bisherige Vorstand die Geschäfte ab. Er bleibt dabei bis zur vollständigen Abwicklung der Geschäfte im Amt. Die Aufsichtsbehörde bestellt gem. § 155 Abs. 1 Satz 3 SGB V einen Abwicklungsvorstand nur, wenn der alte Vorstand nicht mehr tätig wird.

42

cc) Der Fortbestand der juristischen Person für die Dauer ihrer Abwicklung entspricht zudem Sinn und Zweck von § 155 SGB V. Die Vorschrift soll die geordnete Beendigung der bestehenden Rechtsbeziehungen und die Erfüllung offener Verbindlichkeiten ermöglichen (Hauck/Noftz/Engelhard SGB V Bd. 4 K § 155 Rn. 9a). Beides setzt voraus, dass die ursprüngliche juristische Person jedenfalls für diese Zwecke fortbesteht. Andernfalls bedürfte es der Übertragung der verbliebenen Rechtsverhältnisse auf einen anderen Rechtsträger. Einen solchen Rechtsakt sieht das Gesetz nicht vor.

43

dd) Die Entstehungsgeschichte von § 155 SGB V belegt ebenfalls, dass die Betriebskrankenkasse als juristische Person erst nach ihrer vollständigen Abwicklung erlischt. Die Vorschrift wurde durch Art. 1 des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen(Gesundheits-Reformgesetz - GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477) eingeführt. § 155 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 SGB V entspricht der Vorgängerregelung in § 301 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 RVO(vgl. BT-Drucks. 11/2237 S. 211). Nach § 302 Abs. 1 RVO wiederum endeten die Vertragsverhältnisse der Angestellten, Ärzte und Zahnärzte drei, nach dem Einführungsgesetz zur RVO teilweise zwölf Monate nach Mitteilung der bevorstehenden Schließung, frühestens aber im Zeitpunkt der tatsächlichen Schließung der Betriebskrankenkasse. Dementsprechend konnte die Beendigung der Vertragsverhältnisse ggf. auch erst nach der Schließung eintreten. Sie sollten bis zum Zeitpunkt ihrer Beendigung nach normalen Grundsätzen abgewickelt werden (Kühne Krankenversicherung 2. Aufl. § 302 RVO Nr. 2; Stier-Somlo Komm. zur RVO Bd. 1 § 302 Nr. 1). Daraus folgt, dass jedenfalls der Gesetzgeber der RVO nicht davon ausgegangen ist, die Rechtspersönlichkeit einer Betriebskrankenkasse erlösche ipso iure im Zeitpunkt ihrer Schließung. Dafür, dass der Gesetzgeber des SGB V dies anders gesehen hätte, gibt es keinen Anhaltspunkt. Im Übrigen bliebe andernfalls unerklärlich, warum es einer Regelung wie der des § 164 Abs. 4 SGB V bedurfte.

44

ee) Auch der zum Vergleich herangezogenen Vorschrift des § 49 Abs. 2 BGB - an die sich der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelungen zur Abwicklung von Betriebskrankenkassen angelehnt hat(vgl. Peters in HandB KV Bd. 4 § 155 SGB V Rn. 4 unter Bezugnahme auf S. 194 der Begründung zu § 314 RVO) - ist nicht zu entnehmen, dass Arbeitsverhältnisse mit dem Eintritt in das Liquidationsstadium „automatisch“ ihr Ende fänden. Durch § 49 Abs. 2 BGB wird die Rechtsfähigkeit des Vereins nicht bezüglich bestehender Rechte, sondern allenfalls für den Erwerb neuer Rechte eingeschränkt(BGH 22. März 2011 - IX ZR 373/98 - zu III 2 a aa der Gründe; Wolter FS Bepler S. 675, 680). An die Pflichten aus gegenseitigen Verträgen ist der Verein weiterhin so gebunden wie vor dem Eintritt in die Liquidationsphase. Die Kündbarkeit von Dauerschuldverhältnissen richtet sich in diesem Stadium nach allgemeinen Grundsätzen (MüKoBGB/Reuter 6. Aufl. § 49 Rn. 2 mwN; für die Beendigung von Tarifverträgen bei Auflösung einer Tarifvertragspartei vgl. BAG 23. Januar 2008 - 4 AZR 312/01 - Rn. 23, BAGE 125, 314).

45

ff) Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Betriebskrankenkassen privatrechtlicher Arbeitgeber, sondern auch für die Betriebskrankenkassen öffentlich-rechtlicher Verwaltungen (§ 156 SGB V). Beide unterliegen denselben Regeln. § 156 SGB V bestimmt, dass die §§ 147 bis 155 Abs. 4 SGB V für Dienstbetriebe von Verwaltungen des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände oder der Gemeinden entsprechende Anwendung finden. Es kann deshalb offenbleiben, ob die Beklagte trotz ihrer Fusion mit den Betriebskrankenkassen Ba und Be noch die Betriebskrankenkasse einer öffentlich-rechtlichen Verwaltung - wie wohl ursprünglich - ist.

46

gg) Aus dem Umstand, dass das Amt des Datenschutzbeauftragten bei der Fusion von Krankenkassen endet (BAG 29. September 2010 - 10 AZR 588/09 - Rn. 22 ff., BAGE 135, 327), folgt nichts anderes. Das Amtsende beruht auf den Besonderheiten des Datenschutzrechts und der Verpflichtung der aus der Fusion hervorgegangenen Krankenkasse, als „neue“ öffentliche Stelle einen Beauftragten für den Datenschutz schriftlich zu bestellen. Im Übrigen führt die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nicht etwa zu einer automatischen Beendigung der mit ihnen begründeten Rechtsverhältnisse. Gemäß § 144 Abs. 4 SGB V bestehen diese vielmehr mit der aus der Fusion hervorgegangenen Kasse fort(vgl. BAG 29. September 2010 - 10 AZR 588/09 - Rn. 25, BAGE 135, 327; BSG 2. Dezember 2004 - B 12 KR 23/04 R - zu 2 a der Gründe; jurisPK-SGB V/Koch 2. Aufl. § 144 Rn. 28).

47

b) Zur „Abwicklung der Geschäfte“ iSv. § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V gehört die „Versorgung“ des Personals einer geöffneten Betriebskrankenkasse iSv. § 173 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 SGB V(Becker/Kingreen/Mühlhausen SGB V 3. Aufl. § 155 Rn. 13; Hauck/Noftz/Engelhard SGB V Bd. 4 K § 155 Rn. 9). Bei den Arbeitsverhältnissen der betroffenen Mitarbeiter handelt es sich um - privatrechtliche - Rechtsbeziehungen, deren ordnungsgemäßer Beendigung oder Überleitung die Vorschrift dient. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der einzelne Arbeitnehmer für die Durchführung der Abwicklungsarbeiten benötigt wird oder nicht (aA Gutzeit NZS 2012, 361, 365). Bei den Regelungen in § 301, § 302 Abs. 1 RVO ging der Gesetzgeber davon aus, dass ggf. sämtliche Arbeitsverhältnisse über den Zeitpunkt der Schließung hinaus fortbeständen. § 301 RVO war nicht auf die Vertragsverhältnisse von Mitarbeitern beschränkt, die für die Abwicklung benötigt wurden. Dass der Gesetzgeber des SGB V eine solche Differenzierung hätte einführen wollen, ist nicht erkennbar.

48

4. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht mit Ablauf des 30. Juni 2011 kraft Gesetzes nach § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V geendet. Es war zum Schließungszeitpunkt gem. § 20 Abs. 1 MTV ordentlich nicht mehr kündbar. Bei sachgerechtem Verständnis der Regelungen in § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 3, Abs. 4 SGB V hätte es deshalb allenfalls bei Ablehnung eines den Vorgaben des § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V genügenden Angebots geendet. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Die Beklagte hat nicht ausreichend dargetan, dass der Klägerin ein entsprechendes Angebot unterbreitet worden wäre. Das geht zu ihren Lasten.

49

a) Die Abwicklung der Geschäfte einer von der Aufsichtsbehörde geschlossenen Betriebskrankenkasse richtet sich nach § 155 SGB V. Gemäß § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V gilt - jedenfalls nach Schließung einer iSv. § 173 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 SGB V für Betriebsfremde geöffneten Betriebskrankenkasse - § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V entsprechend. Allerdings gilt § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V nur für Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden kann. Da die Klägerin zu diesem Personenkreis zählt, kommt es im Streitfall auf die gesetzliche Einschränkung nicht an.

50

b) Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V enden die Vertragsverhältnisse der Beschäftigten von Innungskrankenkassen, die nicht nach Abs. 3 der Regelung untergebracht werden, mit dem Tag der Auflösung oder Schließung der Kasse. Vertragsgemäße Rechte, zu einem früheren Zeitpunkt zu kündigen, bleiben nach § 164 Abs. 4 Satz 2 SGB V unberührt.

51

aa) Gemäß § 164 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind die Dienstordnungsangestellten verpflichtet, eine vom Landesverband der Innungskrankenkassen nachgewiesene dienstordnungsmäßige Stellung bei ihm oder einer anderen Innungskrankenkasse anzutreten, wenn die Stellung nicht in auffälligem Missverhältnis zu den Fähigkeiten der Angestellten steht.

52

bb) Den übrigen Beschäftigten ist nach § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V bei dem Landesverband der Innungskrankenkassen oder einer anderen Innungskrankenkasse eine Stellung anzubieten, die ihnen unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und bisherigen Dienststellung zuzumuten ist.

53

cc) In § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V ist bestimmt, dass jede Innungskrankenkasse verpflichtet ist, entsprechend ihrem Anteil an der Zahl der Versicherten aller Innungskrankenkassen „dienstordnungsmäßige Stellungen“ nach Satz 1 nachzuweisen und „Anstellungen“ nach Satz 3 anzubieten; die Nachweise und Angebote sind den Beschäftigten in geeigneter Form zugänglich zu machen.

54

c) Die Beendigung der Arbeitsverhältnisse mit Schließung der Kasse tritt nur ein, wenn den Betroffenen bei dem Landesverband der Betriebskrankenkassen oder einer Betriebskrankenkasse eine Stellung angeboten wurde, die den Vorgaben des § 164 Abs. 3 SGB V genügt, und sie ein solches Angebot abgelehnt haben. Nur in einem solchen Fall sind sie iSv. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V „nicht untergebracht“ worden. Das ergibt die Auslegung.

55

aa) Im Schrifttum werden die Regelungen in § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1, Abs. 3 Satz 3 SGB V insoweit uneinheitlich interpretiert.

56

(1) Zum Teil wird angenommen, das Arbeitsverhältnis ende, wenn eine Weiterbeschäftigung tatsächlich nicht erfolge. Die Vorschrift unterscheide nicht danach, ob und aus welchen Gründen es an einer Anschlussbeschäftigung fehle. Sie knüpfe lediglich an dieses Faktum an (Engelhard in Hauck/Noftz SGB V Bd. 4 K § 164 Rn. 36, 37; Peters in HandB KV Bd. 2 § 164 SGB V Rn. 12; Grau/Sittard KrV 2012, 6, 8; wohl auch Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87; Hänlein in LPK-SGB V 4. Aufl. § 164 Rn. 9).

57

(2) Überwiegend wird die Ansicht vertreten, den Beschäftigten müsse erfolglos eine zumutbare Unterbringung nach § 164 Abs. 3 SGB V angeboten worden sein, um die Folge einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V auszulösen. Das Arbeitsverhältnis ende allenfalls bei Ablehnung der Weiterbeschäftigung auf einer solchen Stelle (Klimpe-Auerbach SozSich 2011, 270, 272; Rolfs GuP 2013, 8, 9; ders. NZA 2013, 529, 531; Wolter FS Bepler S. 675, 677; Dalichau SGB V Bd. 3 § 155 S. 21; ders. SGB V Bd. 3 § 164 S. 11; Székely in Brall/Kerschbaumer/Scheer/Westermann §§ 146a, 153, 155, 163, 164, 170, 171 SGB V Rn. 10; wohl auch Krauskopf/Baier SozKV Bd. 2 § 164 SGB V Rn. 22).

58

bb) Die zuletzt genannte Auffassung trifft im Ergebnis zu.

59

(1) Der Wortlaut des § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist für die zu beantwortende Frage allerdings wenig ergiebig. Dass die Vertragsverhältnisse der Beschäftigten, „die nicht nach § 164 Abs. 3 SGB V untergebracht werden“, mit dem Tag der Schließung der Kasse enden, lässt offen, ob nur die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten enden sollen, denen ein Angebot iSv. § 164 Abs. 3 SGB V erfolglos unterbreitet worden ist, oder auch die derjenigen, die ein solches Angebot nicht erhalten haben. Es ist sprachlich nicht ausgeschlossen, einen Beschäftigten auch dann als „nicht untergebracht“ anzusehen, wenn ihm eine Unterbringung gar nicht oder nicht zumutbar angeboten wurde. Der Wortsinn gibt beides her (so auch Wolter FS Bepler S. 675, 677).

60

(2) Schon der systematische Zusammenhang von Absatz 3 und Absatz 4 des § 164 SGB V spricht aber dafür, dass eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse aufgrund Gesetzes nur dann eintreten soll, wenn dem Beschäftigten zuvor eine zumutbare anderweitige Stellung erfolglos angeboten worden ist.

61

(a) § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V nimmt auf Absatz 3 der Vorschrift Bezug. Die Regelungen stehen in einem untrennbaren Zusammenhang. Nur die Vertragsverhältnisse derjenigen Beschäftigten, „die nicht nach Absatz 3 untergebracht werden“, enden mit dem Tag der Schließung.

62

(b) § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V verpflichtet alle Kassen, entsprechend der Anzahl ihrer Versicherten „Anstellungen nach Satz 3 anzubieten“. Im Wortlaut des Gesetzes findet sich dabei kein Anhaltspunkt für die Annahme, es könnten sich einzelne Kassen unter bestimmten Voraussetzungen weigern, Personal - übersteige dies auch ihren Bedarf - aufzunehmen (vgl. Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87 mwN). Die Gesetzesbegründung spricht für das Gegenteil. Mit § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V sollte der Verteilungsmodus für Weiterbeschäftigungsangebote unter den Kassen geregelt werden. Wegen des zunehmenden Wettbewerbs auch zwischen Krankenkassen derselben Kassenart könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese über ein ausreichendes Selbstorganisationspotential verfügten, um den Beschäftigten einer behördlich geschlossenen Kasse Arbeitsplatzangebote in ausreichender Zahl zukommen zu lassen (BT-Drucks. 16/9559 S. 19). Der Gesetzgeber hat folglich die mögliche Überforderung einzelner Kassen durchaus erkannt und berücksichtigt (vgl. Mühlhausen in Becker/Kingreen SGB V 3. Aufl. § 164 Rn. 15; Klimpe-Auerbach SozSich 2011, 270, 272; Koch in jurisPK-SGB V 2. Aufl. § 164 Rn. 15; wohl auch Baier in Krauskopf/Baier SGB V § 164 Rn. 20). Gleichwohl hat er in § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V eine Verpflichtung zur Angebotsabgabe vorgesehen. Für die Annahme, die Verpflichtung könne wegen Überforderung einzelner Kassen entfallen - wenn auch mit der Folge, dass an ihre Stelle ein verschuldensunabhängiger Schadenersatzanspruch des betroffenen Beschäftigten trete (vgl. Grau/Sittard KrV 2012, 6, 8) - ist angesichts dessen kein Raum (so auch Wolter FS Bepler S. 675, 681). Zur Wahrung ihrer Wirtschaftlichkeit bleibt den Kassen nur die Möglichkeit, nach einer Personalübernahme ggf. Anpassungsmaßnahmen mit den Mitteln des Vertrags- und des Kündigungsrechts vorzunehmen (vgl. Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87).

63

(c) Ist danach jedem Beschäftigten, dessen Arbeitsverhältnis ordentlich unkündbar ist, zwingend ein zumutbares Anstellungsangebot zu unterbreiten, spricht dies angesichts der Verknüpfung zwischen Abs. 3 und Abs. 4 des § 164 SGB V für ein Verständnis, demzufolge Beschäftigte nur dann „nicht untergebracht werden“, wenn sie ein solches Angebot zwar bekommen, aber abgelehnt haben. Dazu, dass Beschäftigte „nicht untergebracht werden“, kann es angesichts des Angebotszwangs typischerweise nur kommen, wenn diese sich weigern, untergebracht zu werden.

64

(3) Die Richtigkeit dieses Verständnisses folgt ferner aus Sinn und Zweck der Regelungen in § 155 Abs. 4 Satz 9, § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V.

65

(a) Die Bestimmungen in § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V(vormals § 173 Abs. 2 bis 4 SGB V idF des GRG vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) tragen nach dem Willen des Gesetzgebers den Interessen des von der Auflösung oder Schließung einer Innungskrankenkasse betroffenen Personals Rechnung. Es soll eine Übernahme der Beschäftigten zu denselben oder mindestens gleichwertigen Bedingungen erfolgen. Nur in Fällen, in denen eine Weiterbeschäftigung nicht möglich ist, sollen die Vertragsverhältnisse enden (vgl. die Begründung zu § 173 Abs. 3 bis 5 des Entwurfs, BT-Drucks. 11/2237 S. 212). „Nicht möglich“ ist die Weiterbeschäftigung mit Blick auf die nach § 164 Abs. 3 Satz 3(vormals § 173 Abs. 3 Satz 3) SGB V bestehende Angebotsverpflichtung aber nur, wenn der Beschäftigte eine entsprechende Offerte ausgeschlagen hat.

66

(b) Diesen Gedanken hat der Gesetzgeber bei der Einfügung des § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-OrgWG) im Jahr 2008 aufgegriffen. Durch die entsprechende Anwendung von § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V sollten auch im Bereich der Betriebskrankenkassen die Beschäftigungsansprüche der Dienstordnungsangestellten - die es bei diesen Kassen allerdings gar nicht gibt - und die der übrigen Beschäftigten in unkündbarer Stellung insofern gesichert werden, als ihnen bei den anderen Betriebskrankenkassen eine ihrer bisherigen Stellung entsprechende Stelle anzubieten ist - so wie dies neben den Innungs- auch für die Ortskrankenkassen und generell als Folge von kassenartenübergreifenden Fusionen in § 171a SGB V bereits geregelt war(BT-Drucks. 16/9559 S. 19). Von einer „Sicherung der Ansprüche“ könnte schwerlich die Rede sein, wenn auch ohne Erfüllung dieser Verpflichtung aus § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V die Arbeitsverhältnisse im Schließungszeitpunkt nach § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V endeten.

67

(c) Die Gesetzesmaterialien enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl alle Vertragsverhältnisse unabhängig von einer Erfüllung des Unterbringungsanspruchs im Zeitpunkt der Schließung auslaufen sollten, etwa um der behördlich geschlossenen Kasse Planungssicherheit in der Abwicklungsphase zu geben oder die Leistungsfähigkeit des Kassenverbunds nicht zu gefährden (ebenso Rolfs GuP 2013, 8, 9 f., 12 und NZA 2013, 529, 531; aA Grau/Sittard KrV 2012, 6, 19; Gutzeit NZS 2012, 361, 366 und NZS 2012, 410, 413 f.). Bei einem solchen Regelungsziel bliebe überdies unklar, warum § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V überhaupt darauf abstellt, ob die Beschäftigten „untergebracht werden“. Es hätte dann näher gelegen, voraussetzungslos die Beendigung aller Arbeitsverhältnisse zum Schließungszeitpunkt vorzusehen. Im Übrigen wäre die Leistungsfähigkeit der Kassen angesichts der Haftungsregelungen in § 155 Abs. 4 SGB V auch dann betroffen, wenn den Arbeitnehmern - wie im Schrifttum vorgeschlagen - bei Nichterfüllung der Pflicht zur Abgabe eines zumutbaren Angebots Schadenersatzansprüche zuzubilligen wären. Der Einwand, wenn der Gesetzgeber die Unterbreitung eines Angebots vorausgesetzt hätte, hätte er sprachlich ebenso leicht eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse auf diejenigen Arbeitnehmer beschränken können, die ein zumutbares Stellenangebot nicht annähmen, trägt demgegenüber nicht. Die Formulierung in § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V soll ersichtlich beide Alternativen des Unterbringungsverfahrens nach § 164 Abs. 3 SGB V erfassen: den Nachweis einer „dienstordnungsmäßigen Stellung“ gegenüber Dienstordnungsangestellten - die diese anzunehmen verpflichtet sind - nach den Sätzen 1 und 2 der Bestimmung und das Angebot einer „Stellung“ gegenüber den übrigen Arbeitnehmern nach Satz 3. Auf die erste Alternative passt aber die hypothetische Formulierung nicht.

68

(d) Die andere Lesart von § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist auch nicht deshalb geboten, weil der Gesetzgeber die Anregung des BKK-Bundesverbands in dessen Stellungnahme zum GKV-OrgWG nicht aufgegriffen hat, die Regelung eben dahin zu fassen, dass die Beendigung nur eintrete, wenn eine Beschäftigung nach § 164 Abs. 3 SGB V abgelehnt werde(Ausschussdrucks. 16(14)0410(30) vom 17. September 2008 S. 3). Nach dem eigenen Bekunden des Verbands sollte dies lediglich der Klarstellung dienen, nicht aber eine sachliche Änderung der gesetzlichen Bestimmung bewirken.

69

(e) Die Verpflichtung zur Unterbringung ist zudem Ausdruck des Umstands, dass die Schließung bei kassenübergreifender Betrachtung nicht zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs führt. Die Versicherungsverträge der bei der geschlossenen Kasse versicherten Personen müssen „im System“ der gesetzlichen Krankenkassen weiterhin verwaltet werden. Dementsprechend sieht das Gesetz auch für andere Fälle von Strukturänderungen im Kassenwesen unabdingbare Verpflichtungen zur Übernahme des Personals vor, so bei freiwilligen Vereinigungen von Kassen in § 144 Abs. 4 Satz 2 SGB V, bei Ablehnung der Kostenübernahme durch den Arbeitgeber in § 147 Abs. 2 Satz 4 ff. SGB V und bei der Umwandlung der Bundesverbände in Gesellschaften des bürgerlichen Rechts in §§ 212, 213 SGB V.

70

(4) Mögliche praktische Schwierigkeiten bei der Durchführung des Verfahrens zur Unterbringung der Beschäftigten nach § 164 Abs. 3 Satz 3, Satz 4 SGB V sind nicht geeignet, das Ergebnis der Auslegung, die Beendigung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V setze die Unterbreitung eines zumutbaren Stellenangebots voraus, in Frage zu stellen. Sie bestehen unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen die Beendigung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V eintritt, will man nicht annehmen, dass Abs. 3 Satz 3 und 4 der Bestimmung gar nicht praktisch beachtet werden muss. Zudem hat es die Aufsichtsbehörde bei der Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem die Schließung wirksam werden soll, nach § 153 Satz 2 SGB V in der Hand, auf eine ggf. „zeitkritische Dimension“ (Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87) des Unterbringungsverfahrens Bedacht zu nehmen. Durch § 172 SGB V ist ferner sichergestellt, dass der zuständige Landesverband von der drohenden Schließung Kenntnis erlangt. Er kann damit rechtzeitig geeignete Vorkehrungen mit Blick auf die Verpflichtungen aus § 164 Abs. 3 SGB V treffen. Im Übrigen wäre auch der - von der Beklagten favorisierte - Weg, bei Nichterfüllung der Verpflichtung zur Unterbreitung von Stellenangeboten zwar die Beendigung der Arbeitsverhältnisse, aber zugleich die Entstehung von Schadenersatzansprüchen anzunehmen, mit ähnlichen Schwierigkeiten verbunden. So wäre insbesondere fraglich, gegen wen sich der Anspruch richten soll und wie sich ein Schaden bemisst. Die damit verbundenen Risiken müsste der Arbeitnehmer tragen, obwohl nach dem Willen des Gesetzgebers „eigentlich“ dessen tatsächliche Weiterbeschäftigung gesichert werden sollte.

71

(5) Angesichts dessen kann offenbleiben, ob nicht mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG eine verfassungskonforme Auslegung in jedem Fall zu dem Ergebnis kommen müsste, dass nach § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V eine Beendigung der ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisse von Kassenbeschäftigten nur eintreten soll, wenn diese ein iSv. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V zumutbares Angebot zur Weiterbeschäftigung bei einer anderen Kasse oder beim zuständigen Landesverband abgelehnt haben(vgl. dazu Boemke jurisPR-ArbR 38/2012 Anm. 2; dens. jurisPR-ArbR 25/2012 Anm. 4).

72

d) Der Klägerin wurde ein zumutbares Angebot iSv. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V vor Schließung der Beklagten nicht unterbreitet. Es kann deshalb dahinstehen, ob die gesetzliche Anordnung der Beendigung von ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnissen der Kassenbeschäftigten jedenfalls in solchen Fällen verfassungsgemäß ist, in denen diese ein zumutbares Angebot nicht angenommen haben (dazu Rolfs GuP 2013, 8, 10; ders. NZA 2013, 529, 531, 534 ; Wolter FS Bepler S. 675, 686; Gutzeit NZS 2012, 410, 414: zur generellen Verfassungskonformität der Regelungen in § 155 Abs. 4 Satz 9, § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Zwar wurde der Klägerin die Weiterbeschäftigung bei einem der nach § 164 Abs. 3 SGB V infrage kommenden Träger der Sozialversicherung angeboten. Keine der Parteien hat aber vorgetragen, welchen Inhalt das Angebot hatte. Dies geht zu Lasten der Beklagten. Das Landesarbeitsgericht durfte aus diesem Grund ohne weitere Sachprüfung vom Fehlen der Voraussetzungen für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V ausgehen.

73

aa) Die Darlegungs- und Beweislast für die Unterbreitung eines zumutbaren Angebots iSv. § 164 Abs. 3 Satz 3, Satz 4 SGB V trifft die Krankenkasse, soweit sie sich - wie hier die Beklagte - auf die Beendigungswirkung des § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V berufen will.

74

(1) Dies folgt aus den allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts. Danach trägt die Darlegungslast diejenige Partei, die sich auf eine für sie günstige Rechtsfolge beruft. Es folgt ferner aus dem Ausnahmecharakter der fraglichen Regelung: Es enden lediglich die Vertragsverhältnisse derjenigen Beschäftigten, „die nicht nach Abs. 3 untergebracht werden“.

75

(2) Schutzwürdige Belange der Beklagten stehen dem nicht entgegen. Als die von der Schließung betroffene Krankenkasse steht sie in einem engen und unmittelbaren Kontakt mit den infrage kommenden Arbeitgebern, insbesondere dem zuständigen Landesverband. Diesem obliegt es, die Angebote zu koordinieren. Die Verpflichtung aus § 164 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 2 SGB V, das Angebot „den Beschäftigten in geeigneter Form zugänglich zu machen“, nimmt - jedenfalls auch - die Beklagte als die von der Schließung betroffene Kasse in den Blick. Sie muss deshalb darlegen, dass der gesetzlichen Anforderung Genüge getan ist. Erst wenn sie dieser Obliegenheit nachgekommen ist, kann eine prozessuale Verpflichtung des Arbeitnehmers in Betracht kommen aufzuzeigen, in welchen Punkten das Angebot den Vorgaben des § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V - etwa mit Blick auf vorteilhaftere Beschäftigungsmöglichkeiten beim Landesverband oder anderen Betriebskrankenkassen - unzumutbar sein soll, sofern nicht die Unzumutbarkeit offen zutage tritt(zur abgestuften Darlegungslast vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 516/11 - Rn. 28, BAGE 143, 177).

76

bb) Die Beklagte hat ihrer Darlegungslast nicht genügt. Zwar steht fest, dass die Klägerin ein ihr unterbreitetes Angebot ausgeschlagen hat. Sie hatte sich jedoch auf dessen Unzumutbarkeit berufen. Es war deshalb Sache der Beklagten, zunächst den konkreten Inhalt des Angebots darzutun. Dieser Verpflichtung ist sie - obwohl in den Vorinstanzen ausdrücklich hierzu aufgefordert - nicht nachgekommen. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die entsprechende Darlegung sei der Beklagten möglich gewesen. Es hat in diesem Zusammenhang auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 und § 3 Abs. 1 der Satzung des BKK-Landesverbands Baden-Württemberg und die sich daraus ergebende Auskunftspflicht gegenüber der Beklagten verwiesen. Dem ist die Revision nicht entgegengetreten.

77

cc) Damit kann offenbleiben, unter welchen Voraussetzungen eine angebotene Stellung den Beschäftigten iSv. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V „unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und bisherigen Dienststellung zuzumuten ist“(dazu Grau/Sittard KrV 2012, 6, 7; Peters in HandB KV Bd. 4 § 164 SGB V Rn. 10; Boemke jurisPR-ArbR 25/2012 Anm. 4) und bis wann das Angebot zu erfolgen hat (dazu Jahn/Klose SGB V § 164 Rn. 26).

78

dd) Auf die befristete Weiterbeschäftigung der Klägerin kommt es nicht an. Eine solche Beschäftigung genügt nicht den Anforderungen des § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V. Ein Angebot im Sinne dieser Vorschrift liegt auch nicht in dem Hinweis der Beklagten, die Klägerin könne von einem Rückkehrrecht zum Land Berlin Gebrauch machen. Die Regelungen in § 164 Abs. 3 SGB V zielen nicht auf eine Weiterbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber als einer gesetzlichen Krankenkasse.

79

5. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat weder aufgrund der außerordentlichen Kündigung vom 19. Mai 2011 mit Wirkung zum 30. Juni 2011 noch aufgrund der zeitgleich erklärten außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist bis zum 31. Dezember 2011 bzw. „nächst möglichen Termin“ geendet.

80

a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unwirksam. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten (BAG 24. Januar 2013 - 2 AZR 453/11 - Rn. 22 mwN). Ist die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung - wie im Streitfall - ausgeschlossen, kann der Arbeitgeber aber berechtigt sein, eine außerordentliche Kündigung mit einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist zu erklären, wenn er den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für erhebliche Zeiträume vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (BAG 24. Januar 2013 - 2 AZR 453/11 - Rn. 22; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 17).

81

b) Danach liegt hier ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB iVm. § 20 Abs. 1 MTV nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt nicht von einem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für die Klägerin ausgehen dürfen. Dies zeige schon deren am 23. Juni 2011 vereinbarte befristete Weiterbeschäftigung. Die Beschäftigung sei sogar auf eine Zeit über den 31. Dezember des Jahres 2012 hinaus ausgerichtet gewesen. Diese Würdigung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Wegen der Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung fehlt es bereits an den Voraussetzungen, unter denen eine ordentliche Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG als sozial gerechtfertigt angesehen werden könnte. Umso weniger kann eine außerordentliche Kündigung - selbst bei Einhaltung einer Auslauffrist - Bestand haben.

82

C. Als unterlegene Partei hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Bartz    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.