Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Juli 2016 - 4 Sa 427/15

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2016:0720.4SA427.15.0A
bei uns veröffentlicht am20.07.2016

Tenor

I. Die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 5.8.2015 - 3 Ca 2262/14 - werden zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat 58 % und die Beklagte 42 % der erstinstanzlichen Kosten zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 75 % dem Kläger und zu 25 % der Beklagten auferlegt.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen sowie einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung. Darüber hinaus begehrt der Kläger von der Beklagten die Entfernung von Abmahnungen aus seiner Personalakte.

2

Der am … 1959 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 04.08.1997 beschäftigt, wobei er überwiegend die Tätigkeit eines Lkw-Fahrers ausübte.

3

Unter dem Datum vom 12.06.2012 erteilte die Beklagte dem Kläger zwei Abmahnungen. Eine weitere Abmahnung erteilte sie ihm mit Schreiben vom 12.12.2014. Wegen des Inhalts dieser Abmahnungen wird auf Bl. 31 bis 34 d. A. sowie auf Bl. 37 f. d. A. Bezug genommen.

4

Nach Aushändigung des Abmahnungsschreibens vom 12.12.2014 fand zwischen den Geschäftsführern der Beklagten, ihrem Prokuristen und dem Kläger ein Gespräch statt. Gegenstand dieses Gesprächs war die vom Kläger am Vortrag, dem 11.12.2014 erbrachte Arbeitszeit. Der Kläger hatte an dem betreffenden Tag den Auftrag ausgeführt, bei der B. bestimmte Teile abzuholen und mit dem Lkw zur Beklagten zu transportieren. Der Kläger benötigte hierfür den Zeitraum von 7.30 Uhr bis 11.00 Uhr, also insgesamt ca. 3 ½ Stunden. Aus den Aufzeichnungen des Fahrtenschreibers ergibt sich, dass das vom Kläger geführte Fahrzeug von ca. 8.15 Uhr bis 10.35 Uhr stand. Als der Kläger am 12.12.2014 auf die von ihm benötigte Zeit für die Durchführung des betreffenden Auftrages, für den die Beklagte rund 1 ½ Stunden veranschlagt hatte, angesprochen wurde, gab er zunächst an, er habe im Stau gestanden. Nachdem ihm daraufhin der Fahrtenschreiber vorgelegt wurde, erklärte er, er habe noch Staplerarbeiten vor Ort durchführen müssen. Sodann wurde ihm vorgehalten, dass die Vorbereitung der Fracht bereits am 10.12.2014 erfolgt sei, als der Kläger zur Vorbesprechung und Einteilung der Fahrten bei der B. gewesen sei. Daraufhin räumte der Kläger ein, dass er seine Frühstückspause von 15 Minuten auf etwa 45 Minuten ausgeweitet habe.

5

Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12.12.2014 sowohl "außerordentlich und mit sofortiger Wirkung" als auch vorsorglich ordentlich zum nächst möglichen Termin.

6

Gegen diese Kündigung richtet sich die vom Kläger am 17.12.2014 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage. Mit klageerweiternden Schriftsatz vom 27.02.2016 hat der Kläger die Beklagte auf Entfernung der ihm erteilten Abmahnungen aus der Personalakte in Anspruch genommen.

7

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 05.08.2015 (Bl. 88 bis 95 d. A.).

8

Der Kläger hat beantragt:

9

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.12.2014 nicht zum 12.12.2014 beendet wurde.

10

2. Für den Fall des Obsiegens zu Ziffer 1:

11

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses als Fahrer weiter zu beschäftigen bzw. zu beschäftigen.

12

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnungen vom 12.06.2012 und 12.12.2014 zu widerrufen und aus der Personalakte zu entfernen.

13

Die Beklagte hat beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 05.08.2015 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 12.12.2014 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 30.06.2015 fortbestanden hat. Darüber hinaus hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, die Abmahnung vom 12.06.2012 (Betreten des Firmengeländes/Entnahme von Firmeneigentum (Rohrschelle), Bl. 31 f. d. A.) sowie die Abmahnung vom 12.12.2014 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 9 bis 18 dieses Urteils (= Bl. 95 bis 104 d. A.) verwiesen.

16

Gegen das dem Kläger am 07.09.2015 und der Beklagten am 08.09.2015 zugestellte Urteil haben der Kläger am 25.09.2015 und die Beklagte am 06.10.2015 Berufung eingelegt. Der Kläger hat seine Berufung am 26.10.2015, die Beklagte ihre Berufung innerhalb der ihr mit Beschluss vom 20.10.2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 30.11.2015 begründet.

17

Der Kläger macht zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung aufgelöst worden. Der gegen ihn von Seiten der Beklagten erhobene Vorwurf eines Arbeitszeitbetruges sei unberechtigt. Ihm könne einzig und allein vorgehalten werden, seine Pausen zu sehr ausgedehnt zu haben. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass ihm am 11.12.2014 nach Rückkehr zum Betrieb der Beklagten keinerlei Arbeiten übertragen worden seien. Insoweit sei der behauptete Verstoß ohne jegliche Relevanz für das Arbeitsverhältnis. Auch die weitere Abmahnung vom 12.06.2012 sei aus seiner Personalakte zu entfernen. Eine Zueignungsabsicht hinsichtlich des weiterhin auf dem Betriebsgelände befindlichen Materials der Beklagten habe zu keinem Zeitpunkt bestanden.

18

Der Kläger beantragt,

19

unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils wie folgt zu erkennen:

20

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.12.2014 nicht zum 12.12.2014 beendet wurde,

21

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses als Fahrer weiter zu beschäftigen bzw. zu beschäftigen,

22

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnungen vom 12.06.201 und 12.12.2014 zu widerrufen und aus der Personalakte zu entfernen.

23

Die Beklagte beantragt,

24

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

25

Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen vor, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei das Arbeitsverhältnis bereits durch die streitbefangene außerordentliche Kündigung aufgelöst worden. Indem der Kläger am 12.12.2014 im Rahmen des mit ihm geführten Gesprächs die von ihm am Vortag unstreitig eigenmächtig überzogene Pausenzeit auch auf Nachfrage nicht offengelegt und hierzu mehrfach wahrheitswidrige Erklärungsversuche geliefert habe, liege ein mit der fehlerhaften Dokumentation der abgeleisteten Arbeitszeit vergleichbarer Fall, mithin ein Fall des Arbeitszeitbetruges vor. Dass der Kläger hierbei vorsätzlich gehandelt habe, sei bereits daraus ersichtlich, dass er mehrfach falsche Erklärungsversuche abgegeben habe. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung sei fehlerhaft. Dies insbesondere deshalb, weil die dem Kläger im Vorfeld erteilten Abmahnungen nicht berücksichtigt worden seien. Darüber hinaus gehe die Auffassung des Arbeitsgerichts fehl, wonach die weitere Abmahnung vom 12.06.2012 (wegen des Sachverhalts vom 21..05.2012) deshalb aus der Personalakte des Klägers zu entfernen sei, weil sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthalte. Der Kläger sei außerhalb seiner Tätigkeit als Lkw-Fahrer nicht berechtigt gewesen, das Firmengelände zu betreten. Überdies sei der Kläger mit der betreffenden Abmahnung nicht wegen des Verdachts des Diebstahls von Firmeneigentum, sondern wegen des Versuchs des Diebstahls von Firmeneigentum abgemahnt worden. Nichts anderes besage der Wortlaut des betreffenden Abmahnungsschreibens.

26

Die Beklagte beantragt,

27

das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern und (sinngemäß) die Klage insgesamt abzuweisen mit Ausnahme des Klageantrages des Klägers, die Abmahnung vom 12.12.2014 aus seiner Personalakte zu entfernen.

28

Der Kläger beantragt,

29

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

30

Zur Darstellung aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die in zweiter Instanz zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

31

Sowohl die Berufung des Klägers als auch die Berufung der Beklagten sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die beiden somit insgesamt zulässigen Rechtsmittel haben in der Sache jedoch keinen Erfolg.

II.

32

1. Die gegen die außerordentliche Kündigung vom 12.12.2014 gerichtete Kündigungsschutzklage ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch diese Kündigung nicht aufgelöst worden.

33

Ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB, der zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigt, ist nach der gesetzlichen Definition gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortzusetzen. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt - ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles - (überhaupt) geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, d. h. ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis zu dem gemäß § 626 Abs. 1 BGB relevanten Zeitpunkt fortzusetzen.

34

Der Kläger hat unstreitig die Beklagte im Rahmen des mit ihm am 12.12.2014 geführten Gesprächs mehrfach über den Umfang der von ihm am Vortag geleisteten Arbeitszeit zu täuschen versucht. So hat der Kläger auf den Vorhalt bezüglich der ungewöhnlich langen Zeit von ca. 3,5 Stunden für die Durchführung eines Transportauftrages zunächst unstreitig wahrheitswidrig erklärt, er habe im Stau gestanden. Nachdem ihm daraufhin der Fahrtenschreiber vorgelegt wurde, aus dem sich ergab, dass der vom Kläger geführte Lkw zwischen 8.15 Uhr und 10.35 Uhr nicht bewegt worden war, gab er an, er habe noch Staplerarbeiten vor Ort durchführen müssen. Auch diese Erklärung entsprach nicht der Wahrheit, da sich die vom Kläger zu transportierenden Armaturen an dem betreffenden Tag unstreitig bereits im transportfertigen Zustand befunden hatten. Hiermit konfrontiert räumte der Kläger schließlich ein, seine Frühstückspause, die üblicherweise von 9.00 Uhr bis 9.15 Uhr dauert, eigenmächtig auf ca. 45 Minuten ausgeweitet zu haben. Aber auch diese Aussage vermag die ca. 140-minütige Standzeit des Lkw nicht zu erklären. Selbst dann nämlich, wenn der Kläger - wie von ihm zugestanden - eine Frühstückspause von (lediglich) 45 Minuten eingelegt hat, verbleiben immer noch 95 Minuten bezüglich derer er eine Erklärung darüber schuldig geblieben ist, was er in dieser Zeit getan hat.

35

Dieses Verhalten des Klägers, insbesondere die wahrheitswidrigen Behauptungen, im Stau gestanden bzw. Staplerarbeiten durchgeführt zu haben, stellt zweifellos eine schwerwiegende Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar, die grundsätzlich geeignet ist, den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung zu rechtfertigen. Es ist allgemein anerkannt, dass vorsätzliche Falschangaben des Arbeitnehmers über die von ihm erbrachte Arbeitszeit regelmäßig einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB bilden (vgl. KR-Fischermeier, 11. Aufl., § 626 BGB, Rz. 460, m. w. N.).

36

Die vorzunehmende Interessenabwägung führt jedoch zu dem Ergebnis, dass es der Beklagten zumutbar war, das Arbeitsverhältnis noch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist von vorliegend 6 Monaten fortzusetzen. Zugunsten des Klägers ist neben seinem fortgeschrittenen Lebensalter von fast 56 Jahren bei Kündigungsausspruch insbesondere die langjährige Betriebszugehörigkeit von 17 Jahren zu berücksichtigen. Zugunsten der Beklagten fällt jedoch ins Gewicht, dass durch das Fehlverhalten des Klägers ein erheblicher Vertrauensverlust entstanden ist. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit des Klägers als Lkw-Fahrer unstreitig anhand des Fahrtenschreibers kontrollierbar ist. Überdies wurde der Kläger von der Beklagten unstreitig nicht ausschließlich als Lkw-Fahrer eingesetzt, sondern auch mit anderen Aufgaben betraut. Es ist der Beklagten auch zuzugeben, dass das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die dem Kläger im Jahr 2012 erteilten Abmahnungen nicht beanstandungsfrei verlaufen ist. Diesbezüglich ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich hierbei - bezogen auf das Fehlverhalten des Klägers vom 12.12.2014 - nicht um einschlägige Abmahnungen handelt. Eine Einschlägigkeit setzt voraus, dass das abgemahnte Fehlverhalten auf der gleichen Ebene liegt wie der Kündigungsvorwurf, d. h. dass die Pflichtverletzungen unter einem einheitlichen Kriterium zusammengefasst werden können (vgl. zum Ganzen: KR-Fischermeier, a. a. O., Rz. 295, m. w. N.). Dies ist vorliegend hinsichtlich der Abmahnungen aus dem Jahr 2012, die den Vorwurf einer Eigentumsverletzung beinhaltet und dem Kündigungsvorwurf der vorsätzlichen Falschangabe erbrachten Arbeitszeit nicht der Fall. Allein der Umstand, dass die Pflichtverletzungen sämtlich geeignet sind, Vermögensinteressen der Beklagten zu beeinträchtigen, reicht nicht aus, eine Einschlägigkeit der Abmahnungen zu bejahen. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände überwog (noch) das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist gegenüber dem Interesse der Beklagten an dessen sofortiger Beendigung.

37

2. Die Klage erweist sich jedoch insoweit als unbegründet, als sie sich gegen die von der Beklagten hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung richtet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch diese Kündigung mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zum 30.06.2015 aufgelöst worden.

38

Die ordentliche Kündigung ist durch verhaltensbedingte Gründe i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt und daher sozial gerechtfertigt.

39

Der Kläger hat in erheblicher Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, indem er am 12.12.2014 versucht hat, die Beklagte durch vorsätzliche Falschangaben über den Umfang der von ihm am Vortag geleisteten Arbeitszeit zu täuschen. Dieses Fehlverhalten ist - wie bereits ausgeführt - grundsätzlich sogar geeignet, einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung zu bilden.

40

Die Beklagte war nicht gehalten, dem Kläger zunächst lediglich eine Abmahnung zu erteilen. Eine solche ist nämlich jedenfalls dann entbehrlich, wenn es - wie vorliegend - um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar war und deren Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Der Kläger konnte nicht davon ausgehen, dass ein derart gravierendes Fehlverhalten (vorsätzliche Falschangaben über den Umfang erbrachter Arbeitszeit) von der Beklagten hingenommen wird.

41

Das Ergebnis der stets vorzunehmenden Interessenabwägung steht der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung ebenfalls nicht entgegen. Auch wenn man zugunsten des Klägers dessen lange Betriebszugehörigkeit sowie sein fortgeschrittenes Lebensalter berücksichtigt, so überwiegt das Interesse der Beklagten, das Arbeitsverhältnis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu beenden gegenüber dem Interesse des Klägers, das Arbeitsverhältnis auch darüber hinaus noch fortzusetzen. Dies ergibt sich daraus, dass infolge des erheblichen Fehlverhaltens des Klägers das für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist hinaus das erforderliche Vertrauen der Beklagten in die Redlichkeit des Klägers zerstört ist.

42

3. Da die gegen die ordentliche Kündigung gerichtete Kündigungsschutzklage demnach abzuweisen ist, erweist sich auch der Antrag des Klägers auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Bestandsschutzstreits als unbegründet.

43

4. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren die gegen die zweite Abmahnung vom 12.06.2012 (Materiallager, Bl. 33 f. d. A.) gerichtete Klage weiter verfolgt, so hat sein Rechtsmittel keinen Erfolg.

44

a) Der Antrag ist zulässig, bedarf allerdings der Auslegung. Nach dem Wortlaut des Antrags verlangt der Kläger neben der Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte auch deren "Widerruf". Das soll aber ersichtlich lediglich das Entfernungsverlangen unterstreichen und kein eigenständiges Begehren darstellen. Bei einem individualrechtlich erstrebten Abmahnungsentfernungsanspruch ist der mit dem Klageantrag verlangte "Widerruf und Entfernung" der Abmahnung regelmäßig als einheitlicher Anspruch auf Beseitigung der durch die Abmahnung erfolgten Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zu verstehen. Nur wenn der Klagebegründung entnommen werden kann, der Kläger begehre neben einer Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte auch den Widerruf bestimmter, darin enthaltener Äußerungen, kann ein Antrag auf Widerruf der Abmahnung in diesem Sinne auszulegen sein (BAG v. 04.12.2013 - 7 ABR 7/12 - AP Nr. 13 zu § 78 BetrVG 1972). Im vorliegenden Streitfall bestehen jedoch diesbezüglich keine Anhaltspunkte.

45

Der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien infolge ordentlicher Kündigung aufgelöst ist, steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Ihr fehlt insbesondere - trotz zwischenzeitlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses - nicht das für jeden Klage erforderliche Rechtschutzbedürfnis (BAG v. 14.09.1994 - 5 AZR 632/93 - AP Nr. 13 zu § 611 BGB Abmahnung).

46

b) Die Klage ist jedoch infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht begründet.

47

Es ist zwar anerkannt, dass die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Rechte und Pflichten begründen kann. Die Abwägung der beiderseitigen Interessen führt aber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Regelfall zu dem Ergebnis, dass dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte nicht mehr zusteht. Etwas anderes kann dann gelten, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Abmahnung dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden kann. Dafür ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig (BAG v. 19.04.2012 - 2 AZR 233/11 - AP Nr. 34 zu § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung; BAG v. 14.09.1994 - 5 AZR 632/93 - AP Nr. 13 zu § 611 BGB Abmahnung; LAG Rheinland-Pfalz v. 12.12.2012 - 8 Sa 379/12 -, zitiert nach juris; LAG München v. 08.07.2009 - 11 Sa 54/09 -, zitiert nach juris; LAG Hamm v. 16.10.2015 - 17 Sa 1222/15 - zitiert nach juris; LAG Sachsen v. 14.01.2014 - 1 Sa 266/13 - zitiert nach juris). Entsprechende Gründe hat der Kläger nicht vorgetragen.

III.

48

Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

49

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 30. November 2011 - 16 TaBV 75/10 - wird zurückgewiesen.

Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 3. wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 30. November 2011 - 16 TaBV 75/10 - teilweise aufgehoben.

Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, die Abmahnung vom 13. Januar 2010 gegenüber dem Beteiligten zu 3. aus dessen Personalakte zu entfernen.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 3. zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Berechtigung einer dem Betriebsratsvorsitzenden erteilten Abmahnung sowie in diesem Zusammenhang über Feststellungs- und Unterlassungsansprüche.

2

Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin betreibt ein psychiatrisches und psychosomatisches Fachkrankenhaus. In diesem ist der zu 1. beteiligte 15-köpfige Betriebsrat gebildet, dessen freigestellter Vorsitzender der Beteiligte zu 3. ist.

3

Am 4. Dezember 2009 informierte die bei der Arbeitgeberin beschäftigte Arbeitnehmerin L die Geschäftsleitung anhand eines Formblatts „Meldung über ein besonderes Vorkommnis“ darüber, dass sie gesehen habe, wie der Hausmeister Herr B am 2. Dezember 2009 einen Heimbewohner beschimpft und den rechten Arm zu einem Schlag erhoben habe, der Heimbewohner aber - da er sich geduckt habe - nicht getroffen worden sei. Wegen dieser Meldung wandte sich Herr B an den Betriebsrat. Am 9. Dezember 2009 führte der Betriebsratsvorsitzende gemeinsam mit einem weiteren Betriebsratsmitglied - dem vormals Beteiligten zu 4., dessen Arbeitsverhältnis mittlerweile beendet und das Verfahren insoweit eingestellt ist - ein Gespräch mit Frau L. Mit Schreiben vom selben Tag teilte Frau L der Geschäftsleitung mit:

„…

ich möchte Sie über den Besuch der Betriebsratsmitglieder Herr V und Herr F berichten und mich gleichzeitig über die Art und Weise des Umgangs mit mir bei Ihnen beschweren.

Um ca. 10.00 Uhr kamen Herr V und Herr F auf Wohnbereich 1, um mit mir ein Gespräch zu führen. Herr V schickte die beiden diensthabenden Pfleger … und … aus dem Dienstzimmer, wodurch alles für mich einen verhörartigen Charakter bekam. Ich das auch sofort gesagt und beschrieben, dass es mir nicht gut geht. Herr V spielte es herunter. Mir wurde ein schlechtes Gewissen eingeredet, ich sollte die Satzstellung und Formulierungen überdenken oder sollte eine Zeichnung mit Datum und Unterschrift anfertigen.

Herr F zeichnete auch etwas vor, das ich unterzeichnen sollte, wenn ich es für richtig hielt. Habe mich geweigert, hatte nach dem Gespräch so ein schuldiges, schlechtes Gefühl.

Herr V versuchte sein Anliegen runterzuspielen Zitat: ‚… A, kann ich mich darauf verlassen, dass es beim Abwehren bleibt, was Du gesehen hast. Ich muss nämlich noch ein Schreiben für … aufsetzen:‘ Das waren seine Worte.

Überlege, es bedarf doch nur der Formulierung. Ich habe auf mein Schreiben vom 4.12.09 verwiesen… Beide sind dann gegangen.

…“

4

Zu dieser Beschwerde äußerten sich der Betriebsratsvorsitzende und das Betriebsratsmitglied mit einem Schreiben an die Geschäftsleitung vom 16. Dezember 2009. Das Schreiben lautet auszugsweise:

„…

die Beschwerde von Frau L vom 09.12.09 hat uns sehr überrascht. Unsere Erinnerung an den Ablauf des Gespräches vom 09.12.09 unterscheidet sich erheblich von der Schilderung der Kollegin L.

Unsere Absicht war es, uns von Frau L den zugrunde liegenden Sachverhalt bezüglich des Vorfalls vom 02.12.09 zwischen Herrn B und dem Bewohner, Herrn …, aus Ihrer Sicht erläutern zu lassen, nachdem Herr B uns seine Sichtweise geschildert hatte.

Das unsere Bemühungen um Sachaufklärung evtl. missverstanden wurden, macht uns betroffen.

…“

5

Mit Schreiben vom 13. Januar 2010 erteilte die Arbeitgeberin dem Betriebsratsvorsitzenden (ebenso wie mit einem weiteren Schreiben dem vormals zu 4. beteiligten Betriebsratsmitglied) eine „Abmahnung“ mit folgendem Wortlaut:

„…

Von unserem Angebot, ein gemeinsames Gespräch zu führen, haben Sie keinen Gebrauch gemacht. Wie bereits angekündigt, mahnen wir Sie hiermit wegen des Vorfalls vom 09.12.2009 - Frau L - ausdrücklich ab.

Nach den glaubhaften Bekundungen von Frau L, denen Sie im Wesentlichen nicht widersprochen haben, haben Sie in unzulässiger Weise versucht, Frau L zu veranlassen, ihre Beobachtungen zu dem Vorfall am 02.12.2009 - B/… - zugunsten des Herrn B zu korrigieren. Auch als BR-Vorsitzender und freigestelltes BR-Mitglied sind Sie an Gesetz und Recht gebunden, darüberhinaus besteht auch die Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Rechte und Interessen anderer Arbeitnehmer weiter. Nach dem von Frau L bekannt gemachten Gesprächsverlauf besteht für uns der dringende Verdacht, dass Sie auch aus strafrechtlicher Sicht in unzulässiger Weise versucht haben, Druck auf Frau L auszuüben, um diese zu veranlassen, ihre tatsächlichen Wahrnehmungen anders darzustellen, als wie sie sie wahrgenommen hat. Dies ist eine schwerwiegende Verletzung auch Ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen. Sie haben damit auch gegen das Rücksichtnahme- und Übermaßverbot verstoßen.

Wir mahnen Sie deshalb ab und weisen daraufhin, dass wir uns für den Fall einer Wiederholung vorbehalten, das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis auch außerordentlich zu kündigen.

…“

6

Der Betriebsrat hat mit dem beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren - soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Bedeutung - die Feststellung begehrt, dass die Abmahnung vom 13. Januar 2010 unwirksam sei und eine Behinderung und Störung der Arbeit des Betriebsrats sowie des Betriebsratsvorsitzenden darstelle. Nachdem das Landesarbeitsgericht den Betriebsratsvorsitzenden (ebenso wie das weitere Mitglied des Betriebsrats) am Verfahren beteiligt hat, hat dieser im Beschwerdeverfahren gleichlautende Feststellungen begehrt und darüber hinaus - ebenso wie der Betriebsrat hilfsweise - von der Arbeitgeberin die Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte sowie die Verpflichtung verlangt, es künftig zu unterlassen, gegenüber Betriebsratsmitgliedern Abmahnungen für Handlungen zu erteilen, die als Mandatsausübung anzusehen seien. Der Betriebsrat und der Betriebsratsvorsitzende haben die Auffassung vertreten, ihre Ansprüche seien im Beschlussverfahren zu verfolgen. Die Abmahnung vom 13. Januar 2010 sei betriebsverfassungswidrig. Sie ziele auf eine Störung und Behinderung der Arbeit des Betriebsrats und des Beteiligten zu 3. in seiner Funktion als Betriebsratsvorsitzender.

7

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3. haben - soweit für die Rechtsbeschwerde von Interesse - beantragt

festzustellen, dass

1. die Abmahnung des Beteiligten zu 3. vom 13. Januar 2010 unwirksam ist und

2. sowohl eine Behinderung und Störung der Arbeit des Betriebsrats als auch der Arbeit des Beteiligten zu 3. ist,

sowie beim Landesarbeitsgericht außerdem - der Betriebsrat hilfsweise und der Beteiligte zu 3. unbedingt -,

3. die Arbeitgeberin zu verpflichten, die Abmahnung vom 13. Januar 2010 gegenüber dem Beteiligten zu 3. zurückzunehmen und aus dessen Personalakte zu entfernen,

4. die Arbeitgeberin zu verpflichten, es zu unterlassen, gegenüber Mitgliedern des Betriebsrats individualrechtliche Abmahnungen für Handlungen zu erteilen, die als Betätigung des Betriebsratsmandats anzusehen sind.

8

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen; der Antragserweiterung in der Beschwerdeinstanz hat sie widersprochen. Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, es fehle dem Betriebsrat an der Antragsbefugnis. In der berechtigten Abmahnung des Betriebsratsvorsitzenden wegen der Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflichten liege keine Störung oder Behinderung der Arbeit des Betriebsrats oder seiner Mitglieder.

9

Das Arbeitsgericht hat die - bei ihm allein anhängigen Anträge zu 1. und zu 2. - als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Betriebsrat verfolge diese Anträge in der nicht zulässigen Verfahrensart des Beschlussverfahrens. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerden des Betriebsrats und des Betriebsratsvorsitzenden - auch hinsichtlich der Anträge zu 3. und zu 4. - zurückgewiesen. Mit ihren Rechtsbeschwerden verfolgen der Betriebsrat und der Betriebsratsvorsitzende ihre Anträge weiter. Die Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde und führt in ihrer Rechtsbeschwerdeerwiderung ua. aus: „… ganz unabhängig von der offenen Frage, ob der Antragserweiterung ein entsprechender Beschluss des“ Betriebsrats „überhaupt zu Grunde liegt“.

10

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsratsvorsitzenden hat hinsichtlich des Antrags zu 3. Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

11

I. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats gegen den seine Hauptanträge zu 1. und zu 2. abweisenden arbeitsgerichtlichen Beschluss im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die Anträge sind bereits unzulässig. Auch die Hilfsanträge zu 3. und zu 4. hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der mit einer zulässigen Antragserweiterung in der Beschwerdeinstanz angebrachte Hilfsantrag zu 3. ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der Hilfsantrag zu 4. ist unzulässig.

12

1. Der Betriebsrat verfolgt sämtliche Anträge in der zutreffenden Verfahrensart des Beschlussverfahrens. Anders als das Arbeitsgericht - hinsichtlich der Anträge zu 1. und zu 2. - hat das Landesarbeitsgericht die Frage der Verfahrensart nicht problematisiert. Zu Recht hat es im Beschlussverfahren entschieden. Bei den vier erhobenen Ansprüchen des Betriebsrats handelt es sich um „Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz“ iSv. § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, bei denen nach § 2a Abs. 2, § 80 Abs. 1 ArbGG das Beschlussverfahren stattfindet. Der Betriebsrat beruft sich auf seine Rechte als Träger der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung. Es geht ihm um Feststellungen der Rechtsbeziehungen zwischen den Betriebsparteien und um betriebsverfassungsrechtliche (Leistungs-)Ansprüche. Eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit entfällt nicht schon deshalb, weil es in diesem Zusammenhang um eine dem Betriebsratsvorsitzenden als Arbeitnehmer erteilte Abmahnung geht. Entscheidend ist, ob sich das Verfahren auf das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis der Betriebspartner bezieht. Das ist hier der Fall. Ein Urteilsverfahren könnte der Betriebsrat mangels Parteifähigkeit gar nicht betreiben. Nur im Beschlussverfahren ist er nach § 10 Satz 1 Halbs. 2 ArbGG beteiligtenfähig.

13

2. Die (Haupt-)Anträge zu 1. und zu 2. sind unzulässig.

14

a) Allerdings fehlt es dem Betriebsrat für diese Anträge nicht an der erforderlichen Antragsbefugnis iSv. § 81 Abs. 1 ArbGG.

15

aa) Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist ein Beteiligter antragsbefugt iSv. § 81 Abs. 1 ArbGG, wenn er eigene Rechte geltend macht. Ebenso wie die Prozessführungsbefugnis im Urteilsverfahren dient die Antragsbefugnis im Beschlussverfahren dazu, Popularklagen auszuschließen. Im Beschlussverfahren ist die Antragsbefugnis gegeben, wenn der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in seiner kollektivrechtlichen Rechtsposition betroffen sein kann. Das ist regelmäßig der Fall, wenn er eigene Rechte geltend macht und dies nicht von vornherein als aussichtslos erscheint (vgl. BAG 5. März 2013 - 1 ABR 75/11 - Rn. 17; 21. August 2012 - 3 ABR 20/10 - Rn. 26 mwN; 17. Juni 2009 - 7 ABR 96/07 - Rn. 9).

16

bb) Danach ist der Betriebsrat für die Hauptanträge antragsbefugt. Er stützt beide Feststellungsbegehren auf eine (behauptete) Störung und Behinderung seiner Arbeit. Nach seinem Vorbringen in der Antragsbegründung nimmt er Bezug auf die Schutzbestimmung des § 78 Satz 1 BetrVG, der er - jedenfalls auch - eine gremienschutzbezogene Intention beimisst. Damit macht er ein eigenes Recht geltend. Es erscheint nicht „auf der Hand liegend“ ausgeschlossen, die begehrten Feststellungen auf § 78 Satz 1 BetrVG zu stützen.

17

b) Der Feststellungsantrag zu 1. ist aber unzulässig, weil er nicht die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO erfüllt.

18

aa) Nach dem im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren § 256 Abs. 1 ZPO kann die gerichtliche Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses beantragt werden, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an einer entsprechenden alsbaldigen richterlichen Entscheidung hat(vgl. zB BAG 24. April 2007 - 1 ABR 27/06 - Rn. 15, BAGE 122, 121). Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Dabei sind einzelne Rechte und Pflichten ebenso Rechtsverhältnisse wie die Gesamtheit eines einheitlichen Schuldverhältnisses. Kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO sind dagegen abstrakte Rechtsfragen, bloße Elemente eines Rechtsverhältnisses oder rechtliche Vorfragen. Die Klärung solcher Fragen liefe darauf hinaus, ein Rechtsgutachten zu erstellen. Das ist den Gerichten verwehrt (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 7 ABR 73/10 - Rn. 35 mwN, BAGE 140, 277). So ist etwa die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts kein zulässiger Gegenstand einer Feststellungsklage (vgl. BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 21 mwN, BAGE 131, 176).

19

bb) Die begehrte Feststellung, dass die Abmahnung vom 13. Januar 2010 unwirksam ist, betrifft kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Der Antrag ist auf die Feststellung der Unwirksamkeit einer Erklärung gerichtet. Der Sache nach erstrebt der Betriebsrat mit ihm die rechtliche Begutachtung einer Vorfrage für einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte.

20

c) Der Feststellungsantrag zu 2. ist unzulässig, weil er bereits nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist. Zudem liegt auch ihm kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO zugrunde.

21

aa) Nach der im Beschlussverfahren entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Antragsschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Das ist erforderlich, um zu klären, worüber das Gericht entscheidet und wie der objektive Umfang der Rechtskraft einer Sachentscheidung iSv. § 322 Abs. 1 ZPO ist(vgl. BAG 12. Januar 2011 - 7 ABR 94/09 - Rn. 14 mwN).

22

bb) Diesem Erfordernis wird der Antrag zu 2. nicht gerecht. Würde ihm stattgegeben, bliebe unklar, worin genau die „Behinderung“ und „Störung“ der Arbeit des Betriebsrats und seines Vorsitzenden durch die Abmahnung vom 13. Januar 2010 liegt.

23

cc) Außerdem betrifft der Antrag zu 2. kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. Er zielt auf die Feststellung, dass eine bestimmte Maßnahme der Arbeitgeberin eine Behinderung und Störung der Arbeit des Betriebsrats und seines Vorsitzenden ist. Damit umfasst er die Dokumentation einer Tatsache und deren rechtliche Bewertung, die allenfalls mögliche Vorfragen oder Elemente von Leistungs- und Unterlassungsansprüchen sein können. Es ist aber nicht Aufgabe der Feststellungsklage oder des Feststellungsantrags, Vorfragen etwa für eine künftige Leistungs- oder Unterlassungsklage zu klären (vgl. dazu zB BAG 5. Oktober 2000 - 1 ABR 52/99 - zu B II 2 der Gründe mwN).

24

3. Der damit zur Entscheidung anfallende Hilfsantrag zu 3. ist zulässig, aber unbegründet.

25

a) Der Betriebsrat hat diesen - echten - Eventualantrag erstmals in der Beschwerdeinstanz angebracht. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts liegt darin keine unzulässige Antragserweiterung.

26

aa) Nach § 87 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 iVm. § 81 Abs. 3 ArbGG kann ein Antrag im Beschlussverfahren(auch) noch in der Beschwerdeinstanz geändert werden. In der Erweiterung des Streit- oder Verfahrensgegenstands eines anhängigen Verfahrens liegt grundsätzlich eine Antragsänderung. Gemäß § 87 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 iVm. § 81 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 ArbGG ist eine Änderung des Antrags zulässig, wenn die übrigen Beteiligten zustimmen, die Zustimmung wegen rügeloser Einlassung der Beteiligten als erteilt gilt oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Nach § 81 Abs. 3 Satz 3 ArbGG ist die Entscheidung, dass eine Änderung des Antrags nicht vorliegt oder zugelassen wird, unanfechtbar. An eine Nichtzulassung der Antragsänderung durch das Beschwerdegericht wegen einer von diesem nicht angenommenen Sachdienlichkeit ist das Rechtsbeschwerdegericht dagegen nicht gebunden. Im Übrigen ist für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Antragsänderung § 264 ZPO auch im Beschlussverfahren entsprechend anwendbar, selbst wenn dies in § 81 Abs. 3 ArbGG nicht ausdrücklich ausgesprochen ist(so bereits BAG 14. Januar 1983 - 6 ABR 39/82 - zu II 2 der Gründe, BAGE 41, 275; vgl. auch BAG 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 24, BAGE 130, 1; 26. Juli 2005 - 1 ABR 16/04 - zu B II 1 b der Gründe; 29. Juni 2004 - 1 ABR 32/99 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 111, 191). § 264 Nr. 2 ZPO bestimmt, dass ua. dann keine Klageänderung vorliegt, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache erweitert wird.

27

bb) Danach ist der Hilfsantrag zu 3. selbst dann zulässig, wenn er keine nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Antragserweiterung darstellen sollte. Es spricht bereits manches dafür, dass der Betriebsrat aufgrund desselben Tatsachenkomplexes lediglich eine andere Rechtsfolge begehrt (Entfernung der Abmahnung und nicht Feststellung ihrer Unwirksamkeit) und demnach seinen Antrag lediglich iSv. § 264 Nr. 2 ZPO erweitert. Jedenfalls wäre die Antragsänderung sachdienlich iSv. § 81 Abs. 3 Satz 1 ArbGG. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht die Sachdienlichkeit der von ihm angenommenen Antragsänderung mit der Erwägung verneint, in der Abmahnung vom 13. Januar 2010 liege keine Beeinträchtigung iSd. § 78 BetrVG und ohnehin sei der Betriebsrat für einen individualrechtlichen Beseitigungsanspruch nicht antragsbefugt. Damit hat es die Sachdienlichkeit zu Unrecht danach beurteilt, ob der geänderte Antrag Aussicht auf Erfolg hat. Jedenfalls die Frage der Antragsbefugnis und die Begründetheit des mit der Antragserweiterung angebrachten Begehrens sind für dessen Sachdienlichkeit nicht maßgeblich. Vorliegend dient der Antrag zu 3. - so man in ihm eine Antragsänderung iSv. § 87 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 iVm. § 81 Abs. 3 ArbGG sieht - dazu, den Streitstoff der Beteiligten im Rahmen des anhängigen Verfahrens vollständig auszuräumen und insbesondere zu klären, welche Ansprüche dem Betriebsrat im Zusammenhang mit Abmahnungen zustehen, die Betriebsratsmitgliedern erteilt wurden. Ohne Zulassung der Antragserweiterung würde ein neues Verfahren der Beteiligten herausgefordert. Auch ist mit dem Antrag zu 3. kein völlig neuer Streitstoff zur Beurteilung und Entscheidung gestellt. Vielmehr geht es - wie bereits bei den Hauptanträgen - um die Rechtmäßigkeit der Abmahnung vom 13. Januar 2010 sowie um Fragen der Antragsbefugnis des Betriebsrats.

28

b) Der Zulässigkeit der Antragserweiterung in der Beschwerdeinstanz steht nicht entgegen, dass die Arbeitgeberin in ihrer Rechtsbeschwerdeerwiderung eine entsprechende Beschlussfassung des Betriebsrats in Frage gestellt hat. Zur Einlegung eines Rechtsmittels - auch einer Beschwerde, mit der ggf. eine Antragserweiterung und -änderung verfolgt wird - gegen eine den Betriebsrat beschwerende Entscheidung durch einen Verfahrensbevollmächtigten bedarf es prinzipiell keiner gesonderten Beschlussfassung des Betriebsrats. Nach den auch im Beschlussverfahren geltenden Vorschriften des § 81 ZPO iVm. § 46 Abs. 2 ArbGG ermächtigt die einmal erteilte Prozessvollmacht im Außenverhältnis in den zeitlichen Grenzen des § 87 ZPO zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen einschließlich der Einlegung von Rechtsmitteln(vgl. BAG 6. Dezember 2006 - 7 ABR 62/05 - Rn. 12 mwN; 16. November 2005 - 7 ABR 12/05 - Rn. 17 mwN, BAGE 116, 192; 9. Dezember 2003 - 1 ABR 44/02 - zu B I 1 c der Gründe, BAGE 109, 61; 11. September 2001 - 1 ABR 2/01 - zu B I der Gründe). § 81 ZPO ermächtigt damit grundsätzlich ebenso zu einer - nicht selten auf einen rechtlichen Hinweis des Gerichts ohnehin angezeigten - Modifikation oder Änderung der Antragstellung, selbst wenn sie wie vorliegend erst in der Beschwerdeinstanz erfolgt. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - mit einer Antragsabwandlung und -erweiterung sachdienliche Anträge gestellt und keine gänzlich anderen, mit dem eingeleiteten Verfahren nicht mehr im Zusammenhang stehende Verfahrensgegenstände eingebracht werden.

29

c) Der Antrag ist zulässig.

30

aa) Er bedarf allerdings der Auslegung. Nach dem Wortlaut des Antrags verlangt der Betriebsrat neben der Entfernung der Abmahnung vom 13. Januar 2010 aus der Personalakte des Beteiligten zu 3. auch deren „Rücknahme“. Das soll aber ersichtlich lediglich das Entfernungsverlangen unterstreichen und kein eigenständiges Begehren darstellen. Bei einem individualrechtlich erstrebten Abmahnungsentfernungsanspruch wird die mit dem Klageantrag verlangte „Rücknahme und Entfernung“ der Abmahnung regelmäßig als einheitlicher Anspruch auf Beseitigung der durch die Abmahnung erfolgten Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts verstanden. Nur wenn der Klagebegründung entnommen werden kann, der Kläger begehre neben einer Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte beispielsweise den Widerruf darin enthaltener Äußerungen, kann ein Antrag auf Rücknahme der Abmahnung in diesem Sinne auszulegen sein (vgl. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 782/11 - Rn. 15 mwN, BAGE 142, 331). Dies gilt auch für den hier im Beschlussverfahren verfolgten Abmahnungs„rücknahme“antrag. Im vorliegenden Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Betriebsrat neben der Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte seines Vorsitzenden einen weitergehenden Anspruch auf Widerruf von Äußerungen verfolgt.

31

bb) Der Betriebsrat ist antragsbefugt iSv. § 81 Abs. 1 ArbGG. Er macht den Abmahnungsentfernungsanspruch als - nach seiner Auffassung aus § 78 BetrVG folgendes - eigenes Recht geltend. Es erscheint nicht von vornherein als aussichtslos, den streitbefangenen Anspruch auf diese kollektivrechtliche Schutzbestimmung zu stützen. Ob das vom Betriebsrat verfolgte Recht tatsächlich besteht, ist eine Frage der Begründetheit.

32

d) Der Antrag ist unbegründet. Entgegen der Ansicht des Betriebsrats kann der geltend gemachte Anspruch nicht auf § 78 Satz 1 BetrVG gestützt werden.

33

aa) Zu Gunsten des Betriebsrats kann unterstellt werden, dass die Abmahnung vom 13. Januar 2010 seinem Vorsitzenden zu Unrecht erteilt worden ist und der Betriebsrat - und sein Vorsitzender - damit in der Ausübung ihrer Tätigkeit entgegen § 78 Satz 1 BetrVG gestört oder behindert worden sind. Jedenfalls trägt § 78 Satz 1 BetrVG die vom Betriebsrat erstrebte Rechtsfolge nicht.

34

(1) Allerdings ist der Betriebsrat vom Schutz des § 78 Satz 1 BetrVG erfasst. Zwar dürfen nach dem Wortlaut von § 78 Satz 1 BetrVG die „Mitglieder“ ua. des Betriebsrats in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. § 78 Satz 1 BetrVG schützt aber(auch) den Betriebsrat als Gremium (vgl. BAG 12. November 1997 - 7 ABR 14/97 - zu B 1 der Gründe). Die Norm bezweckt einen Schutz der Tätigkeit der Betriebsverfassungsorgane und ihrer Mitglieder. Dies folgt deutlich aus der Gesetzesbegründung, wonach der Schutzbereich des § 78 BetrVG gegenüber dem der Vorgängerregelung des § 53 BetrVG 1952 - in der der Betriebsrat genannt war - erweitert und nicht beschränkt werden sollte. In der Gesetzesbegründung heißt es (BT-Drucks. VI/1786 S. 47):

„Die Schutzbestimmung des § 78 entspricht im wesentlichen § 53 des geltenden Rechts. Sie dehnt jedoch ihren Geltungsbereich auf die Mitglieder aller nach dem Betriebsverfassungsgesetz möglichen Institutionen aus, da insoweit eine gleiche Schutzbedürftigkeit besteht.“

35

Dass der Betriebsrat als Gremium geschützt wird, zeigt außerdem ein systematischer Vergleich mit § 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, nach dem die Behinderung und Störung der Tätigkeit ua. „des Betriebsrats“ strafbewehrt ist.

36

(2) Auch ist der Begriff der Behinderung in § 78 Satz 1 BetrVG umfassend zu verstehen. Er erfasst jede unzulässige Erschwerung, Störung oder gar Verhinderung der Betriebsratsarbeit. Ein Verschulden oder eine Behinderungsabsicht des Störers ist nicht erforderlich (vgl. BAG 20. Oktober 1999 - 7 ABR 37/98 - zu B I 2 b bb der Gründe mwN).

37

bb) Es muss aber letztlich nicht entschieden werden, ob eine Behinderung der Betriebsratsarbeit in dem Umstand liegen kann, dass der Arbeitgeber ein Betriebsratsmitglied unzulässig abmahnt. Jedenfalls folgt aus § 78 Satz 1 BetrVG kein Anspruch des Betriebsrats auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte eines seiner Mitglieder.

38

(1) Eine Rechtsfolge ist in § 78 Satz 1 BetrVG nicht ausdrücklich geregelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht dem Betriebsrat bei einer Störung oder Behinderung seiner Arbeit durch den Arbeitgeber ein Unterlassungsanspruch zu. Ein solcher Anspruch folgt aus dem Zweck der Vorschrift, die Erfüllung von Betriebsratsaufgaben zu sichern (vgl. BAG 12. November 1997 - 7 ABR 14/97 - zu B 2 der Gründe mwN). Auch kann im Einzelfall etwa eine Zutrittsverweigerung durch die Arbeitgeberin eine unzulässige Behinderung der Amtstätigkeit des Betriebsrats darstellen und einen Anspruch des Betriebsrats nach § 78 Satz 1 BetrVG auf Duldung des Zutritts begründen(vgl. BAG 20. Oktober 1999 - 7 ABR 37/98 - zu B I 2 b bb der Gründe mwN). Im Schrifttum wird ebenso ganz überwiegend angenommen, dass aus § 78 BetrVG Handlungs-, Duldungs- und Unterlassungsansprüche des Betriebsrats und seiner Mitglieder folgen können(vgl. DKKW-Buschmann 13. Aufl. § 78 Rn. 22 und 39; ErfK/Kania 14. Aufl. § 78 BetrVG Rn. 5; Fitting 26. Aufl. § 78 Rn. 13 und 25; Kreutz GK-BetrVG 10. Aufl. § 78 Rn. 38 f.; Thüsing in Richardi BetrVG 14. Aufl. § 78 Rn. 16; Schaub/Koch ArbR-HdB 15. Aufl. § 230 Rn. 26; aA Heinze DB 1983 Beilage Nr. 9, 15).

39

(2) Der Betriebsrat hat jedoch keinen aus § 78 Satz 1 BetrVG folgenden Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte eines Betriebsratsmitglieds. Hierbei handelt es sich um ein höchstpersönliches Recht des betroffenen Betriebsratsmitglieds. Personalakten - auch von Betriebsratsmitgliedern - sind eine Sammlung von Urkunden und Vorgängen, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse eines Mitarbeiters betreffen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen (vgl. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 782/11 - Rn. 18 mwN, BAGE 142, 331). Entsprechend kann der Betriebsrat - wie sich mittelbar aus § 83 BetrVG ergibt - nicht die Vorlage der gesamten Personalakte verlangen(vgl. BAG 20. Dezember 1988 - 1 ABR 63/87 - zu B II 1 b der Gründe, BAGE 60, 311). Würde man dem Betriebsrat ein eigenständiges Recht auf „Bereinigung“ der Personalakte zuerkennen, tangierte dies das durch Art. 1 und Art. 2 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen Betriebsratsmitglieds. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht dient in erster Linie dem Schutz ideeller Interessen, insbesondere dem Schutz des Wert- und Achtungsanspruchs der Persönlichkeit (vgl. BGH 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 143, 214). Insoweit stehen dem Träger des Persönlichkeitsrechts Ansprüche zu und nicht einem dritten Gremium. Dem Betriebsrat kommt kein - im Wege der Rechtsfortbildung anzunehmendes - kollektivrechtlich begründetes Recht zu, hinter dem die Individualrechte der Betriebsratsmitglieder zurückzutreten hätten. Es besteht schließlich kein unabweisbares Bedürfnis für eine richterliche Rechtsfortbildung zur Begründung eines Abmahnungsentfernungsanspruchs des Betriebsrats. Der Betriebsrat ist im Fall einer Störung oder Behinderung seiner Tätigkeit verfahrensrechtlich nicht rechtlos gestellt. Er kann dem mit Unterlassungsbegehren - ggf. auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes - begegnen.

40

4. Der Hilfsantrag zu 4., mit dem der Betriebsrat die Verpflichtung der Arbeitgeberin zu einem näher bezeichneten Unterlassen begehrt, ist unzulässig. Zwar hat das Landesarbeitsgericht die von ihm hierin gesehene Antragserweiterung und -änderung als sachdienlich und damit zulässig erachtet (§ 87 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 iVm. § 81 Abs. 3 Satz 1 ArbGG). Auch ist diese Entscheidung nach § 81 Abs. 3 Satz 3 ArbGG unanfechtbar. Die Zulässigkeit des Antrags scheitert ferner nicht am Fehlen der Antragsbefugnis des Betriebsrats iSv. § 81 Abs. 1 ArbGG. Der Betriebsrat stützt den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf die Schutzbestimmung des § 78 BetrVG. Damit macht er eine eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition geltend. Hingegen ist der Antrag nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

41

a) Ein Unterlassungsantrag muss - bereits aus rechtsstaatlichen Gründen - eindeutig erkennen lassen, was vom Schuldner verlangt wird. Nur wenn die danach gebotenen Verhaltensweisen hinreichend erkennbar sind, kann eine der materiellen Rechtskraft zugängliche Sachentscheidung ergehen. Eine Entscheidung, die eine Unterlassungspflicht ausspricht, muss grundsätzlich zur Zwangsvollstreckung geeignet sein. Die Prüfung, welche Verhaltensweisen der Schuldner unterlassen soll, darf nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung und einen dem entsprechenden gerichtlichen Titel aus dem Erkenntnis- in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden. Genügt ein Antrag - ggf. nach einer vom Gericht vorzunehmenden Auslegung - diesen Anforderungen nicht, ist er als unzulässig abzuweisen (vgl. BAG 14. September 2010 - 1 ABR 32/09 - Rn. 14 mwN; 17. März 2010 - 7 ABR 95/08 - Rn. 13 mwN, BAGE 133, 342).

42

b) Danach ist der Hilfsantrag zu 4. nicht hinreichend bestimmt. Er ließe für die Arbeitgeberin als in Anspruch genommene Beteiligte bei einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung nicht eindeutig erkennen, was von ihr verlangt wird. Die Formulierung „Handlungen …, die als Betätigung des Betriebsratsmandats anzusehen sind“ ist vage und interpretationsbedürftig. Sie lässt mangels näherer Beschreibung nicht annähernd erkennen, um welche Sachverhalte es dem Betriebsrat geht. Auch unter Hinzuziehung der Antragsbegründung ergibt sich nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit, was Gegenstand des Unterlassungsbegehrens ist. Die Prüfung, welche Maßnahmen der Schuldner zu unterlassen hat, darf aber grundsätzlich nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden.

43

II. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsratsvorsitzenden ist teilweise unbegründet. Hinsichtlich der Anträge zu 1., 2. und 4. hat das Landesarbeitsgericht die Beschwerde im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Bezogen auf den Antrag zu 3. ist die Rechtsbeschwerde begründet. Der Betriebsratsvorsitzende hat einen - im Beschlussverfahren zu prüfenden - Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 13. Januar 2010 aus seiner Personalakte.

44

1. Der Betriebsratsvorsitzende verfolgt seine Anträge in der zulässigen Verfahrensart des Beschlussverfahrens.

45

a) Die Anträge zu 1., 2. und 4. beziehen sich auf das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis der Betriebspartner und betreffen damit eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit iSd. § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, in der nach § 2a Abs. 2, § 80 Abs. 1 ArbGG das Beschlussverfahren stattfindet.

46

b) Das gilt ebenso für den Antrag zu 3. Bei diesem Antrag scheidet seine Verfolgung im Beschlussverfahren auch nicht deshalb aus, weil neben der kollektivrechtlichen Rechtsposition des Antragstellers als Betriebsratsvorsitzender seine individualrechtliche Rechtsposition als Arbeitnehmer betroffen ist.

47

aa) Nach § 48 Abs. 1 ArbGG gelten ua. für die Zulässigkeit der Verfahrensart die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes(GVG) - mit bestimmten Maßgaben - entsprechend. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. In entsprechender Geltung des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG kommt damit den Gerichten für Arbeitssachen ggf. eine verfahrensüberschreitende Sachentscheidungskompetenz zu. Diese setzt voraus, dass Gegenstand des Verfahrens ein einheitlicher Streitgegenstand im Sinne eines einheitlichen prozessualen Anspruchs ist. Liegt hingegen eine Mehrheit prozessualer Ansprüche vor, ist für jeden dieser Ansprüche die Verfahrensart gesondert zu prüfen (vgl. - zur Rechtswegzuständigkeit - BGH 27. November 2013 - III ZB 59/13 - Rn. 14 mwN).

48

bb) Bei der kollektivrechtlichen und der individualrechtlichen Rechtsposition des mit dem Antrag zu 3. verfolgten Verlangens handelt es sich nicht um zwei Streit- oder Verfahrensgegenstände. Nach dem für den Zivil- und Arbeitsgerichtsprozess einschließlich des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens geltenden sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den konkret gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt (vgl. zB BAG 8. Dezember 2010 - 7 ABR 69/09 - Rn. 16 mwN). Vorliegend verlangt der Betriebsratsvorsitzende von der Arbeitgeberin, die Abmahnung vom 13. Januar 2010 aus seiner Personalakte zu entfernen. Ausgehend von seinem Tatsachenvortrag kommen als Anspruchsgrundlagen kollektiv- oder individualrechtliche Regelungen in Frage. Es liegt damit eine Anspruchskonkurrenz - und keine objektive Anspruchshäufung - vor.

49

2. Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht den Anträgen zu 1., 2. und 4. nicht stattgegeben. Ungeachtet von Fragen der Antragsbefugnis nach § 81 Abs. 1 ArbGG und der(subjektiven) Antragserweiterung in der Beschwerdeinstanz nach § 87 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 iVm. § 81 Abs. 3 ArbGG sind die Anträge - wie bereits ausgeführt - unzulässig. Dem Feststellungsantrag zu 1. liegt kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO zugrunde. Das gilt ebenso für den - ohnehin nicht hinreichend iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmten - Feststellungsantrag zu 2. Der Unterlassungsantrag zu 4. entspricht nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

50

3. Hingegen ist der zulässige Antrag zu 3. begründet. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt.

51

a) Der Antrag ist zulässig.

52

aa) Er bedarf aber der Auslegung. Ebenso wie beim antragstellenden Betriebsrat umfasst er (nur) das Verlangen einer Abmahnungsentfernung. Auch beim antragstellenden Betriebsratsvorsitzenden bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er neben der Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte einen weitergehenden Anspruch auf Widerruf von Äußerungen verfolgt. In diesem Verständnis ist der Antrag zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

53

bb) Der Betriebsratsvorsitzende ist antragsbefugt iSv. § 81 Abs. 1 ArbGG. Er berühmt sich in seiner Funktion als Betriebsratsmitglied eines eigenen Rechts, dessen Bestehen nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint.

54

cc) Die in dem Antrag liegende - subjektive - Antragserweiterung in der Beschwerdeinstanz ist als Antragsänderung sachdienlich und damit trotz Widerspruchs der Arbeitgeberin zulässig, § 87 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 iVm. § 81 Abs. 3 ArbGG.

55

(1) Beteiligte an einem Beschlussverfahren können - auch erst im Laufe des Verfahrens - grundsätzlich einen eigenen Sachantrag stellen, sofern sie antragsbefugt sind. Die Stellung eines (neuen) Sachantrags ist unter den Voraussetzungen des § 81 Abs. 3 ArbGG als Antragsänderung auch erstmals in der Beschwerdeinstanz zulässig(vgl. BAG 31. Januar 1989 - 1 ABR 60/87 - zu B II 2 b der Gründe).

56

(2) Die Voraussetzungen des § 81 Abs. 3 ArbGG liegen vor. Die Antragsänderung war sachdienlich. Der Streit der Beteiligten kann mit ihr - endgültig - beigelegt und ein weiteres Verfahren vermieden werden, ohne dass ein völlig neuer Streitstoff in das Verfahren eingeführt worden ist.

57

b) Der Antrag ist begründet. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob der Betriebsratsvorsitzende nach § 78 Satz 1 und Satz 2 BetrVG von der Arbeitgeberin verlangen kann, die Abmahnung vom 13. Januar 2010 aus seiner Personalakte zu entfernen. Der streitbefangene Anspruch folgt jedenfalls aus einer entsprechenden Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine Prüfung dieses - individualrechtlichen - Anspruchs kann (auch) im vorliegenden Beschlussverfahren erfolgen. Nach § 48 Abs. 1 ArbGG iVm. § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG ist die Sache in der zulässigen Verfahrensart des Beschlussverfahrens unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden.

58

aa) Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, und auch dann, wenn selbst bei einer zu Recht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 782/11 - Rn. 13 mwN, BAGE 142, 331).

59

bb) Danach kann der Betriebsratsvorsitzende als Arbeitnehmer verlangen, dass die Abmahnung vom 13. Januar 2010 aus seiner Personalakte entfernt wird. Die Abmahnung ist bereits inhaltlich unbestimmt. Sie erschöpft sich in - von der Arbeitgeberin getroffenen - rechtlichen Wertungen des Verhaltens des Betriebsratsvorsitzenden während des Gesprächs mit der Arbeitnehmerin L am 9. Dezember 2009. Im Text der Abmahnung sind keine konkreten Tatsachen - zum konkreten Gesprächsverlauf oder zu getätigten Äußerungen - angegeben. Für den abgemahnten Betriebsratsvorsitzenden ist damit nicht ersichtlich, auf welche Tatsachen und welchen Sachverhalt die Arbeitgeberin ihre formulierten Vorwürfe stützt, er habe „in unzulässiger Weise versucht, Frau L zu veranlassen, ihre Beobachtungen zu dem Vorfall am 02.12.2009 - B/… - zugunsten des Herrn B zu korrigieren“ und es bestehe „der dringende Verdacht“, er habe „aus strafrechtlicher Sicht in unzulässiger Weise versucht …, Druck auf Frau L auszuüben, um diese zu veranlassen, ihre tatsächlichen Wahrnehmungen anders darzustellen, als wie sie sie wahrgenommen hat“. Bei einer derartigen „Abmahnung“ ist es dem Abgemahnten gar nicht möglich, sein Verhalten einzurichten und zu erkennen, bei welchen Handlungen er im Wiederholungsfall mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen muss.

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

    Schmidt    

        

        

        

    Busch    

        

    Strippelmann    

                 

Die Mitglieder des Betriebsrats, des Gesamtbetriebsrats, des Konzernbetriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung, des Wirtschaftsausschusses, der Bordvertretung, des Seebetriebsrats, der in § 3 Abs. 1 genannten Vertretungen der Arbeitnehmer, der Einigungsstelle, einer tariflichen Schlichtungsstelle (§ 76 Abs. 8) und einer betrieblichen Beschwerdestelle (§ 86) sowie Auskunftspersonen (§ 80 Absatz 2 Satz 4) dürfen in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Sie dürfen wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 5. August 2010 - 2 Sa 634/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses sowie über die Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers.

2

Die Beklagte ist ein international tätiges IT-Beratungs- und Systemintegrationsunternehmen mit ca. 2000 Mitarbeitern in Deutschland. Der Kläger ist Jurist. Von Dezember 1999 bis November 2000 nahm er erfolgreich an einem Qualifikationsprogramm „Applikationsentwickler Client-Server“ teil. Wenige Wochen vor dem Ende dieses Programms besuchte ein Bereichsleiter der Beklagten den Kurs und forderte die Teilnehmer auf, sich bei dieser zu bewerben. Auf seine Bewerbung hin wurde der Kläger zum 1. Dezember 2000 von der Beklagten als Organisationsprogrammierer eingestellt. Zu seinen vertraglichen Aufgaben gehörte ua. die „Programmierung von Anwendersoftware“ und die „Beratung in Organisations- und Systemfragen“.

3

Der Kläger wurde zunächst im B-Projekt PPC eingesetzt und mit der Konzepterstellung, einer Projektassistenz sowie dem Erstellen eines Handbuchs beauftragt. Nach Abschluss des Projekts war er weiter für den Kunden B im Projekt „Produkt Qualitätsmanagement“ bis zu dessen Ende im Herbst 2004 tätig. Zwischenzeitlich wurde die Abteilung „TA Applications Consulting und Development“, in der der Kläger beschäftigt war, aufgelöst. Deshalb sollte er ab Mai 2005 im Bereich Programmierung eingesetzt werden. Zu diesem Zweck wurde ihm zunächst ein Skript zum Selbststudium überlassen. Eine beabsichtigte zweimonatige Schulung in der Filiale P scheiterte. Danach sollte der Kläger sich in ein bestimmtes Securitysystem einarbeiten. Hierzu nahm er an mindestens zwei Schulungen teil. Im August 2006 wurde er im Projekt „B-Atlas“ eingesetzt. Im März 2007 sollte er im Programmierbereich tätig werden, löste aber die ihm gestellte Aufgabe nicht.

4

Im Mai 2007 initiierte der Kläger zusammen mit Kollegen eine Betriebsversammlung zur (erstmaligen) Wahl eines Betriebsrats.

5

Am 20. Juni 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich wegen Arbeitsverweigerung.

6

Am 10. Oktober 2007, einen Tag vor der Betriebsratswahl, schickte der Kläger eine E-Mail an 20 Mitarbeiter der Beklagten, in der er ua. ausführte:

        

„Wie Ihr vielleicht wisst, wurde ich am 20.6. fristlos gekündigt, es wurden zwar kein Gründe angegeben, aber es liegt natürlich auf der Hand, dass man mit dieser Maßnahme den Betriebsrat verhindern wollte.“

Wegen dieser E-Mail kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 23. Oktober 2007 erneut außerordentlich. Das Arbeitsgericht stellte die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 20. Juni und 23. Oktober 2007 rechtskräftig fest und verurteilte die Beklagte, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Organisationsprogrammierer weiterzubeschäftigen.

7

Am 31. Januar 2008 mahnte die Beklagte den Kläger mit der Begründung ab, er habe gegenüber einem Mitarbeiter erklärt, man müsse sie - die Beklagte - in allen Belangen „hart anfassen“. Mit einer Abmahnung vom 5. Februar 2008 wurde ihm vorgeworfen, er habe sich nicht acht Stunden täglich auf einen Arbeitseinsatz vorbereitet. Mit einer weiteren Abmahnung vom 19. Februar 2008 rügte die Beklagte die fehlende Bereitschaft des Klägers, seine Programmiererfähigkeiten gutachterlich untersuchen zu lassen.

8

Am 4. März 2008 erstellte ein IT-Sachverständiger nach zwei Gesprächen mit dem Kläger ein Gutachten über dessen Qualifikations- und Kenntnisstand im Bereich der Softwareentwicklung. Er kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht über die erforderliche fachliche Qualifikation verfüge, um eine Tätigkeit als Organisationsprogrammierer zu erbringen.

9

Die Beklagte hörte den bei ihr bestehenden Betriebsrat am 6. März 2008 zu einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist an. Der Personalausschuss des Betriebsrats stimmte den beabsichtigten Kündigungen zu. Mit Schreiben vom 10. März 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos, hilfsweise außerordentlich mit einer Auslauffrist zum 30. Juni 2008. Zugleich erteilte sie dem Kläger Hausverbot.

10

Nach Auslaufen des nachwirkenden Kündigungsschutzes als Bewerber zur Betriebsratswahl hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 16. April 2008 zu einer ordentlichen Kündigung des Klägers aus personen- und verhaltensbedingten Gründen an. Der Vorsitzende des Personalausschusses teilte am 17. April 2008 die Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung mit. Am gleichen Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. September 2008.

11

Zum 30. April 2008 schied einer der beiden bei der Beklagten beschäftigten Juristen aufgrund einer Eigenkündigung vom Januar 2008 aus. Spätestens zum 1. Oktober 2008 stellte die Beklagte einen Juristen neu ein.

12

Am 13. Oktober 2008 wollte der Kläger als Ersatzmitglied an einer außerhalb des Betriebs stattfindenden Sitzung des Betriebsrats teilnehmen. Der Vorsitzende verweigerte ihm dies. Da der Kläger nicht freiwillig gehen wollte, rief er die Polizei zu Hilfe. Hierzu nahm der Kläger am 7. November 2008 nach Aufforderung durch die Beklagte wie folgt Stellung:

        

„Da Sie zweifellos nicht das Hausrecht über die Gaststätte ... ausüben, besteht kein Anlass, zu Ihrem Schreiben näher Stellung zu nehmen.

        

Einen besseren Beweis als Ihr Schreiben, dass der m Betriebsrat unternehmensgesteuert, unternehmensdominiert und unternehmensbestimmt ist und dass Sie ihn lediglich als Hilfsorgan ansehen, hätten Sie gar nicht liefern können.“

13

In einem Schreiben vom 27. November 2008 wiederholte der Kläger den Vorwurf, der Betriebsrat sei von der Beklagten nicht unabhängig. Die Beklagte forderte ihn am 3. Dezember 2008 auf, diese Äußerung zurückzunehmen und den Betriebsfrieden zukünftig nicht mehr zu stören.

14

Mit einem als „Abmahnung und Aufforderung zum Widerruf“ überschriebenen Schreiben vom 23. Dezember 2008 rügte die Beklagte den Kläger wegen seiner Äußerung in der E-Mail vom 10. Oktober 2007 und forderte ihn auf, gegenüber den Empfängern dieser Mail bis 9. Januar 2009 seine Äußerung zu widerrufen, andernfalls behalte sie sich arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zum Ausspruch einer Kündigung vor. Nachdem die Beklagte den Betriebsrat zu einer weiteren außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung angehört und der Personalausschuss mitgeteilt hatte, dass dagegen keine Einwände bestünden, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 21. Januar 2009 außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Mit Schreiben vom 11. Februar 2009 kündigte sie das Arbeitsverhältnis ein weiteres Mal außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin, nachdem der Personalausschuss auch dagegen keine Einwände erhoben hatte.

15

Mit Schreiben vom 7. April 2009 erklärte die Beklagte die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses, weil der Kläger nicht programmieren könne und ihm diese Fähigkeit bereits bei Abschluss des Vertrags gefehlt habe.

16

Der Kläger hat mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage geltend gemacht, sämtliche Kündigungen seien unwirksam. Er habe zu keiner Zeit die Arbeit verweigert. Die ihm gestellten Aufgaben seien jedoch zu schwierig und die angebotenen Schulungen für ihn als Anfänger nicht geeignet gewesen. Ein Fachfremder könne in einer einjährigen Schulung das Programmieren nicht lernen. Die Beklagte habe bei seiner Einstellung gewusst, dass er lediglich eine Qualifizierungsmaßnahme von einem Jahr absolviert habe. Trotz seiner unzureichenden Kenntnisse habe sie ihn eingestellt und fünf Jahre lang ohne Programmiertätigkeiten beschäftigt. Nach Ablauf der Probezeit könne sie sich deshalb nicht mehr auf unzulängliche Kenntnisse berufen. Er könne weiterhin in einem der Tätigkeitsbereiche eingesetzt werden, in dem er jahrelang gearbeitet habe. Auch sei während der Kündigungsfrist die Stelle eines Juristen zur Nachbesetzung frei gewesen, die ihm habe übertragen werden können.

17

Im Übrigen sei er ordentlich unkündbar gewesen. Bei Ausspruch der Kündigung vom 17. April 2008 habe ihm der nachwirkende Kündigungsschutz als Ersatzmitglied zugestanden. In den Betriebsratssitzungen am 28. oder 29. Februar, 29. März und 28. April 2008 seien ordentliche Betriebsratsmitglieder verhindert gewesen. Gleichwohl sei er nicht geladen worden.

18

Die Abmahnungen vom 31. Januar, 5. Februar, 26. Februar und 23. Dezember 2008 seien unwirksam und deshalb zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

19

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 10. März 2008 nicht beendet worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 17. April 2008 nicht zum 30. September 2008 beendet worden ist;

        

3.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung vom 21. Januar 2009 noch durch die hilfsweise ausgesprochene Kündigung von diesem Tage zum 30. Juni 2009 beendet worden ist;

        

4.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung vom 11. Februar 2009 noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung von diesem Tage zum 30. Juni 2009 beendet worden ist;

        

5.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen;

        

6.    

die Beklagte zu verurteilen, die ihm mit Schreiben vom 31. Januar 2008, 5. Februar 2008, 26. Februar 2008 und 23. Dezember 2008 erteilten Abmahnungen zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

20

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise

        

für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigungen vom 10. März und 17. April 2008 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2, § 10 Abs. 1 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, die jedoch 8.042,28 Euro brutto nicht übersteigen sollte, zum 30. September 2008 aufzulösen.

21

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 17. April 2008 sei aus verhaltensbedingten und personenbedingten Gründen gerechtfertigt. Entweder habe der Kläger trotz Abmahnungen die Arbeit verweigert oder er sei nicht in der Lage, zu programmieren. Seine ursprüngliche Tätigkeit könne er nicht mehr ausüben, seine Abteilung sei bereits 2005 aufgelöst worden. Eine Weiterbeschäftigung im Rahmen von Projekten sei nicht möglich. Sämtliche Projekte seien abgeschlossen, es gebe nur noch freie Stellen als Programmierer. Für eine Tätigkeit im Bereich Business fehle dem Kläger die notwendige Qualifikation. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger auf der frei gewordenen Juristenstelle, einer Beförderungsstelle, weiterzubeschäftigen. Die Position habe zunächst nicht nachbesetzt werden sollen. Erst Anfang Juli 2008 habe sie entschieden, wieder einen Juristen einzustellen. Die Kündigung vom 21. Januar 2009 sei begründet, weil der Kläger trotz Abmahnung und Aufforderung mit Fristsetzung die beleidigenden Äußerungen in seiner E-Mail vom 10. Oktober 2007 nicht widerrufen habe. Die Kündigung vom 11. Februar 2009 beruhe auf dem Vorwurf, der Betriebsrat sei unternehmensgesteuert. Die Anfechtung sei wirksam. Bei der Fähigkeit zu programmieren handele es sich um eine verkehrswesentliche Eigenschaft. In jedem Fall sei das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Es sei zerrüttet. Der Kläger habe sie anlässlich der letzten Betriebsratswahl erheblich diskreditiert.

22

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen.

23

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 10. März 2008 weder fristlos noch mit einer sozialen Auslauffrist aufgelöst worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine noch rechtshängigen Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

24

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen. Die Kündigung vom 17. April 2008 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2008 aus personenbedingten Gründen iSd. § 1 Abs. 2 KSchG rechtswirksam beendet.

25

I. Die Kündigung vom 17. April 2008 ist aus Gründen in der Person des Klägers iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

26

1. Zum Zeitpunkt der Kündigung vom 17. April 2008 bestand zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis.

27

a) Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist, wie das Landesarbeitsgericht mangels Revision der Beklagten rechtskräftig festgestellt hat, durch die Kündigung vom 10. März 2008 nicht aufgelöst worden.

28

b) Das Arbeitsverhältnis ist von der Beklagten mit ihrem Schreiben vom 7. April 2009 nicht wirksam - und dann rückwirkend zum März 2008 - angefochten worden. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht das Vorliegen eines Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft nach § 119 Abs. 2 BGB verneint.

29

aa) Fehlt einem Vertragspartner die fachliche Qualifikation, die dem Vertrag von den Parteien ersichtlich zugrunde gelegt worden ist, kann dies zu einer Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB berechtigen.

30

bb) Der Beklagten war bei der Einstellung des Klägers bekannt, dass dieser nur für ein Jahr an dem Qualifizierungsprogramm „Applikationsentwickler Client-Server“ teilgenommen hatte. Es fehlt deshalb an einem schlüssigen Vortrag dahin, dass sie die Kenntnisse, die sie mittlerweile beim Kläger als erforderlich ansieht, schon bei Vertragsschluss gefordert und zur Voraussetzung des Arbeitsvertrags gemacht hat.

31

cc) Auf die Frage, ob die Beklagte die Anfechtung unverzüglich iSd. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB erklärt hat, kommt es nicht mehr an.

32

2. Die Kündigung vom 17. April 2008 ist durch Gründe in der Person des Klägers bedingt.

33

a) Das Landesarbeitsgericht hat mit Bezug auf das Gutachten des IT-Sachverständigen zum Qualifikations- und Kenntnisstand des Klägers im Bereich der Softwareentwicklung angenommen, dass diesem die wesentlichen Grundlagen des Programmierens fehlten und er sich die notwendigen Kenntnisse nur durch eine zweijährige Ausbildung hätte aneignen können. Diese Feststellungen greift die Revision nicht an.

34

b) Aufgrund dieses in einem vertretbaren Zeitraum nicht zu behebenden Mangels an Programmierkenntnissen des Klägers lag zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung eine erhebliche Störung des Arbeitsverhältnisses der Parteien vor (vgl. dazu BAG 16. Februar 1989 - 2 AZR 299/88 - zu B der Gründe, BAGE 61, 131; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 271 ff.). Der Umstand, dass dieser Mangel in den ersten Jahren des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nicht zum Tragen kam, weil der Kläger zunächst vertragsgemäß anderweitig beschäftigt worden war, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Fehlen von Kenntnissen für die vertraglich gleichermaßen geschuldete Tätigkeit als Organisationsprogrammierer hat die Beklagte mit dem mehrjährigen anderweitigen Einsatz nicht „gebilligt“.

35

c) Die weitere Feststellung des Landesarbeitsgerichts, die Störung des Arbeitsverhältnisses könne nicht durch eine anderweitige Beschäftigung des Klägers beseitigt werden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

36

aa) Zwar bestand die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit des Klägers nicht allein im Programmieren, sondern auch in der Beratung. Auch wurde er jahrelang nicht als Programmierer beschäftigt. Ein Mangel von Programmierkenntnissen des Klägers rechtfertigt deshalb für sich allein noch nicht die Annahme, die Beklagte könne ihn nicht mehr vertragsgerecht beschäftigen. Das Landesarbeitsgericht ist jedoch nach Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, der Kläger habe nicht mehr wie zuvor in Projekten ohne Programmiertätigkeit beschäftigt werden können. Die bisherigen Projekte seien ausgelaufen. Künftig werde es solche nicht mehr in gleicher Weise wie bisher geben. Tätigkeiten wie die Administration von Hard- und Software und die Durchführung von Schulungsveranstaltungen würden von den Programmierern miterledigt. Eine Umorganisation von Arbeitsplätzen sei nicht möglich, weil mittlerweile alle Mitarbeiter Programmierkenntnisse haben müssten. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten wie bisher gebe es für den Kläger nicht. Freie Arbeitsplätze gebe es nur noch im Bereich Programmierung. Der Kläger hat sich gegen diese Beweiswürdigung nicht gewandt.

37

bb) Die Beklagte musste den Kläger auch nicht auf der Stelle des ausgeschiedenen Juristen weiterbeschäftigen. Das Landesarbeitsgericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon ausgegangen, zum Zeitpunkt der Kündigung habe für die Beklagte nicht festgestanden, dass die Stelle eines Juristen zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Verfügung stehen würde. Nach den glaubhaften Aussagen der Zeugen B und R sei eine Nachbesetzung der frei gewordenen Stelle zunächst nicht vorgesehen gewesen. Erst nach Ausspruch der Kündigung im Juli 2008 habe sich die Situation geändert.

38

d) Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene abschließende Interessenabwägung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision zeigt nicht auf, dass dieses wesentliche Umstände oder erhebliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen hätte.

39

II. Die Kündigung vom 17. April 2008 ist nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Das Landesarbeitsgericht hat die ausführliche Unterrichtung des Betriebsrats vom 16. April 2008 zu Recht als hinreichend angesehen. Die Revision rügt auch das nicht.

40

III. Die Kündigung vom 17. April 2008 verstößt nicht gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Der Kläger genoss keinen besonderen Kündigungsschutz.

41

1. Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG besteht für Ersatzmitglieder des Betriebsrats solange, wie sie ein zeitweilig verhindertes ordentliches Mitglied vertreten. Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG besteht für die Dauer eines Jahres nach dem Ende ihrer Tätigkeit als Ersatzmitglied(vgl. BAG 5. November 2009 - 2 AZR 487/08 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 65 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 64; 18. Mai 2006 - 6 AZR 627/05 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 5). Dieser nachwirkende Kündigungsschutz tritt allerdings nur ein, wenn das Ersatzmitglied in der Vertretungszeit konkrete Betriebsratsaufgaben tatsächlich wahrgenommen hat. Der nachwirkende Schutz soll die unabhängige, pflichtgemäße Ausübung des Betriebsratsamts dadurch gewährleisten, dass er den Arbeitgeber nach dem Amtsende ein Jahr lang hindert, eine Kündigung des früheren Betriebsratsmitglieds ohne wichtigen Grund auszusprechen. Das Gesetz setzt darauf, dass sich in dieser Zeit eine mögliche Verärgerung des Arbeitgebers über die Amtsgeschäfte des Betriebsratsmitglieds deutlich legt und dieses deshalb während seiner aktiven Zeit unbefangen agieren lässt. Einer solchen „Abkühlungsphase“ bedarf es nicht, wenn das Ersatzmitglied während der Zeit, in der es vertretungshalber nachgerückt war, weder an Sitzungen des Betriebsrats teilgenommen noch sonstige Betriebsratstätigkeiten ausgeübt hat. Es hat dann dem Arbeitgeber keinen Anlass zu möglichen negativen Reaktionen auf seine Amtsausübung gegeben und bedarf deshalb keines besonderen Schutzes (BAG 8. September 2011 - 2 AZR 388/10 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 70 = EzA BetrVG 2001 § 25 Nr. 3; 5. November 2009 - 2 AZR 487/08 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 65 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 64).

42

2. Hiernach stand dem Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung ein besonderer Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 KSchG nicht zu.

43

a) Ein Fall des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG liegt nicht vor. Der Kläger war bei Kündigungsausspruch am 17. April 2008 nicht in den Betriebsrat nachgerückt.

44

b) Ebenso wenig sind die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG gegeben. Zwar war der Kläger als erstes Ersatzmitglied für ein verhindertes reguläres Mitglied Ende Februar und Ende März 2008 in den Betriebsrat nachgerückt, soweit er nicht seinerseits wegen des Ausspruchs der Kündigung vom 10. März 2008 objektiv verhindert war. Ist ein ordentliches Mitglied verhindert, rückt das betreffende Ersatzmitglied in den Betriebsrat „automatisch“ nach, unabhängig davon, ob es selbst oder etwa der Betriebsratsvorsitzende vom Verhinderungsfall Kenntnis hat (BAG 8. September 2011 - 2 AZR 388/10 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 70 = EzA BetrVG 2001 § 25 Nr. 3). Der Kläger hat jedoch auch als nachgerücktes Ersatzmitglied keinerlei Betriebsratstätigkeit erbracht. An den Ende Februar und Ende März 2008 durchgeführten Betriebsratssitzungen hat er schon deshalb nicht teilgenommen, weil er nicht geladen worden war. Selbst wenn dies darauf beruht haben sollte, dass der Betriebsratsvorsitzende die Nachrückregelung des § 25 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG bewusst ignoriert hat, ändert das nichts daran, dass der Kläger an den Sitzungen des Gremiums tatsächlich nicht teilgenommen und auch sonstige Betriebsratsaufgaben nicht wahrgenommen hat. Bloß fiktive, in Wirklichkeit aber unterbliebene Tätigkeiten des Ersatzmitglieds lösen den nachwirkenden Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht aus.

45

Etwas anderes käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Beklagte den Fehler in der Amtsführung des Betriebsratsvorsitzenden bewusst veranlasst oder mit diesem kollusiv zusammengewirkt hätte (vgl. BAG 4. August 1975 - 2 AZR 266/74 - zu III 6 der Gründe, BAGE 27, 209). Dafür fehlt es an Anhaltspunkten.

46

IV. Die Kündigung vom 17. April 2008 ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 612a BGB iVm. § 134 BGB unwirksam.

47

1. Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht deshalb benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Als „Maßnahme“ im Sinne des Gesetzes kommt auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Sie kann sich als eine Benachteiligung wegen einer zulässigen Rechtsausübung des Arbeitnehmers darstellen. Das Maßregelungsverbot ist aber nur dann verletzt, wenn zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur der äußere Anlass für die Maßnahme war (BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 384/10 - Rn. 38, EzA BEEG § 18 Nr. 1).

48

2. Nach diesen Grundsätzen kann hier ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nicht festgestellt werden. Es ist nicht erkennbar, dass etwa die Inanspruchnahme betriebsverfassungsrechtlicher Rechte durch den Kläger der tragende Grund für die Kündigung vom 17. April 2008 war. Bereits ab dem Jahr 2005, also längere Zeit vor der Initiierung der Betriebsversammlung, wurden Schulungsmaßnahmen durchgeführt, um den Kläger mit Programmierungsaufgaben beschäftigen zu können. Längere Zeit nach der Betriebsversammlung, Ende Februar 2008, erstellte der IT-Sachverständige das Gutachten, das dem Kläger einen nicht ausreichenden Qualifikations- und Kenntnisstand in der Softwareentwicklung bescheinigt und inhaltlich von ihm selbst nicht für falsch gehalten wird. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, die Aktivitäten des Klägers im Zusammenhang mit dem Anstoß zu einer Betriebsversammlung und Betriebsratswahl seien der tragende Grund für die Kündigung vom 17. April 2008.

49

V. Die weiteren Feststellungsanträge sind unbegründet. Sie setzen sämtlich das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses über den 30. September 2008 hinaus voraus.

50

VI. Der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Das Kündigungsschutzverfahren ist rechtskräftig beendet.

51

VII. Der Antrag des Klägers, die vier näher bezeichneten Abmahnungen zurückzunehmen und aus seiner Personalakte zu entfernen, ist unbegründet. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat ein Arbeitnehmer regelmäßig keinen Anspruch mehr auf Entfernung selbst einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte. Ein solcher Anspruch kann nur ausnahmsweise gegeben sein, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, eine Abmahnung könne dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden. Entsprechende Gründe hat der Kläger nicht dargelegt.

52

VIII. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Kreft     

        

    Rachor    

        

    Eylert     

        

        

        

    Frey    

        

    Grimberg     

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 11.07.2012 - AZ: 4 Ca 693/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren noch über einen Anspruch des Klägers auf Entfernung einer Abmahnung aus seiner Personalakte.

2

Der Kläger war seit 2010 bei der Beklagten als Abteilungsleiter beschäftigt. Mit Schreiben vom 12.03.2012 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung, hinsichtlich deren Inhalts auf Bl. 13 d. A. Bezug genommen wird, und kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 13.03.2012 ordentlich zum 15.04.2012.

3

Der Kläger hat beantragt,

4

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 13.03.2012 nicht mit dem 15.04.2012 sein Ende finden wird, sondern darüber hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;

5

2. die Beklagte weiter zu verurteilen, die Abmahnung vom 12.03.2012 aus der Personalakte zu entfernen und an den dortigen Vorwürfen nicht festzuhalten.

6

Die Beklagte hat beantragt,

7

die Klage abzuweisen.

8

Zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 11.07.2012 (Bl. 49-51 d. A.) Bezug genommen.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11.07.2012 insgesamt abgewiesen und in den Entscheidungsgründen u. a. ausgeführt, bezüglich der begehrten Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte habe der Kläger kein rechtlich geschütztes Interesse mehr, da das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 13.03.2012 zum 15.04.2012 geendet habe.

10

Gegen das ihm am 23.07.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.08.2012 Berufung eingelegt und diese am Montag, dem 24.09.2012 begründet.

11

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts bestehe seinerseits nach wie vor ein rechtlich geschütztes Interesse daran, dass das Abmahnungsschreiben aus seiner Personalakte entfernt werde. Nach der Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes durch das Gesetz zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften vom 14.08.2009 bestehe ein besonderes Rechtsschutzinteresse für das Löschen personenbezogener Daten. Dies gelte, wie sich aus der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 18.07.2011 - 10 Ta 1325/11 - ergebe, auch bezüglich unberechtigter Abmahnungen. Auch habe das BAG in seiner Entscheidung vom 16.11.2010 - 9 AZR 573/09 - auf die besonderen Rücksichtnahmepflichten im Hinblick auf die Ausstrahlungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hingewiesen und klargestellt, dass insoweit keine unrichtigen Daten, auch über den bereits entlassenen Arbeitnehmer, aufbewahrt werden dürften.

12

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungsbegründungsschrift vom 21.09.2012 (Bl. 70 f. d. A.) sowie auf den Schriftsatz des Klägers vom 05.11.2012 (Bl. 94 f. d. A.) Bezug genommen.

13

Der Kläger beantragt,

14

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 12.03.2012 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

15

Die Beklagte beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Die Beklagte verteidigte das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 26.10.2012 (Bl. 86-88 d. A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

18

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

19

1. Die Klage ist zulässig. Ihr fehlt insbesondere - trotz zwischenzeitlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses - nicht das für jede Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (BAG v. 14.09.1994 - 5 AZR 632/93 - AP Nr. 13 zu § 611 BGB Abmahnung).

20

2. Die Klage ist jedoch infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht begründet.

21

Es ist zwar anerkannt, dass die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Rechte und Pflichten begründen kann. Die Abwägung der beiderseitigen Interessen führt aber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Regelfall zu dem Ergebnis, dass dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte nicht mehr zusteht. Etwas anderes kann dann gelten, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Abmahnung dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden kann. Dafür ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig (BAG v. 14.09.1994 - 5 AZR 632/93 - AP Nr. 13 zu § 611 BGB Abmahnung; LAG München v. 08.07.2009 - 11 Sa 54/09 -, zitiert nach JURIS).

22

Nichts anderes ergibt sich aus den vom Kläger in seiner Berufungsschrift zitierten Entscheidungen. Das LAG Berlin-Brandenburg hat in seinem Beschluss vom 18.07.2011 - 10 TA 1325/11 - zwar die Auffassung vertreten, dass auch im beendeten Arbeitsverhältnis einer Klage auf Entfernung einer Abmahnung nicht von vornherein die für eine Bewilligung von PKH erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht i. S. v. § 114 ZPO abgesprochen werden kann. Darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Entfernung eines Abmahnungsschreibens aus der Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch besteht, hat das LAG Berlin-Brandenburg in der betreffenden Entscheidung indessen nicht befunden.

23

Die Entscheidung des BAG v. 16.11.2010 - 9 AZR 573/09 - (NZA 2011, 453) betrifft eine andere Fallkonstellation, nämlich einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Einsichtnahme in seine vom ehemaligen Arbeitgeber aufbewahrte Personalakte. Einen solchen Anspruch hat das BAG im Hinblick auf die nachwirkende arbeitgeberseitige Schutz- und Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes auf informationelle Selbstbestimmung bejaht. Gegenstand der Entscheidung war indessen nicht die Frage des Bestehens eines Anspruchs auf Entfernung eines Abmahnungsschreibens aus der Personalakte im beendeten Arbeitsverhältnis. Einen solchen hat das BAG vielmehr auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Persönlichkeitsrechts in seiner Entscheidung vom 14.09.1994 (5 AZR 632/93, AP Nr. 13 zu § 611 BGB Abmahnung) unter III., 4. der Entscheidungsgründe ausdrücklich verneint.

24

Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus Folgendes:

25

Die Frage, ob der Beklagten gegen den Kläger aus dem im Abmahnungsschreiben vom 12.03.2012 geschilderten Sachverhalt Schadensersatzansprüche zustehen, kann in dem diesbezüglich zwischen den Parteien noch erstinstanzlich anhängigen Rechtsstreit geklärt werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte Dritten gegenüber Mitteilung von den Abmahnungen macht oder die Personalakte Dritten überlässt, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass er sich um Stellen im Öffentlichen Dienst bewirbt und ihm dort nahegelegt wird, sich mit der Vorlage der Personalakte seines bisherigen Arbeitgebers einverstanden zu erklären. Schließlich bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte Abmahnungen oder ihren Inhalt innerbetrieblich bekannt macht und dadurch die Ehre des Klägers verletzt. Ein Anspruch des Klägers auf Entfernung des Abmahnungsschreibens aus seiner Personalakte besteht somit nicht.

III.

26

Die Berufung des Klägers war daher mit sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

27

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72a ArbGG), wird hingewiesen.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 27.05.2015 – 5 Ca 24/15 -  unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 12.03.2015 nicht beendet worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 68 %, die Beklagte zu 32 %.

Die Revision wird zugelassen.


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(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.