Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 28. Jan. 2016 - 2 Sa 355/15

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2016:0128.2SA355.15.0A
bei uns veröffentlicht am28.01.2016

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Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.06.2015 - 10 Ca 3711/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Abfindung.

2

Der am … 1951 geborene Kläger war bei der Beklagten, einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie mit Sitz in C-Stadt, als Arbeitnehmer beschäftigt. Am 13. August 2008 schlossen die Parteien einen Altersteilzeitvertrag ("Arbeitsvertrag für verblockte Altersteilzeit, Bl. 4 bis 9 d. A.) für die Zeit vom 01. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2014, nach dem die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers auf die Hälfte reduziert und im sog. Blockmodell (Arbeitsphase in der ersten Hälfte vom 01. Januar 2009 bis 30. September 2011 und anschließende Freistellungsphase in der zweiten Hälfte bis zum Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses) geleistet wird. Der Altersteilzeitvertrag der Parteien enthält u.a. - soweit vorliegend von Interesse - folgende Regelungen:

3

"Arbeitsvertrag für verblockte Altersteilzeit
(Bruttoaufstockungsmodell)

4

Zwischen (…)

5

wird folgende Altersteilzeitvereinbarung auf der Grundlage des Tarifvertrages (TV/BA) zum Bruttoaufstockungsmodell ATZ vom 29.09.04, der Betriebsvereinbarung zum Bruttoaufstockungsmodell vom 23.06.05, des Tarifvertrages zur Beschäftigungsbrücke (BB) in der Fassung vom 31.03.00 und des Tarifvertrages (TV ATZ) vom 05.12.07 geschlossen:

6

§ 1 - Dauer der Altersteilzeitarbeit

7

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird unter Abänderung und Ergänzung des bisherigen Arbeitsvertrages mit Wirkung vom 01.01.2009 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt. Es endet - vorbehaltlich sonstiger Beendigungstatbestände gem. § 9 - ohne Kündigung am 30.06.2014.

8

(…)

9

§ 10 - Abfindung

10

Der/Die Beschäftigte erhält am Ende des Altersteilzeitverhältnisses für den Verlust des Arbeitsplatzes (soweit kein vorzeitiges Ende der Altersteilzeit - also Störfall eintritt) eine nach § 6 TV BB vorgesehene Abfindung in Höhe von 230,08 € x 24 Monate. Diese Abfindung wird nach den geltenden steuerlichen Richtlinien bezahlt."

11

Im Tarifvertrag zur Beschäftigungsbrücke für die Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Pfalz (TV BB) vom 31. März 2000 ist in § 6 folgende Abfindungsregelung enthalten:

12

"§ 6 Abfindung

13

Der Arbeitnehmer erhält am Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung.

14

Die Abfindung errechnet sich aus einem Betrag, der mit der Zahl der vollen Kalendermonate - höchstens mit 48 Kalendermonaten - multipliziert wird, die zwischen der Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses und dem Zeitpunkt, an dem der Arbeitnehmer Anspruch auf ungeminderte Altersrente gehabt hätte (spätestens dem Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres), liegen.

15

Der Betrag beträgt 450,00 DM (230,08 EURO)/Monat für vor der Altersteilzeit in Vollzeit Beschäftigte.

16

Der Betrag ist bei der Teilzeitarbeit vor der Altersteilzeit entsprechend dem Verhältnis der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit nach § 6 Abs. 2 Altersteilzeitgesetz zur tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit nach § 2 Ziff. 1 Abs. 1 des Gemeinsamen Manteltarifvertrages für Arbeiter und Angestellte in der Metall- und Elektroindustrie des Landes Rheinland-Pfalz zu reduzieren."

17

Aufgrund der zum 01. Juli 2014 in Kraft getretene Neuregelung des § 236 b SGB VI hat der Kläger - im Anschluss an sein zum 30. Juni 2014 beendetes Altersteilzeitarbeitsverhältnis - seit dem 01. Juli 2014 Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte (Rentenbescheid vom 06. August 2014, Bl. 43 d. A.).

18

Mit Schreiben vom 05. und 14. August 2014 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos unter Berufung auf § 10 des Altersteilzeitvertrages der Parteien zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 5.521,92 EUR auf.

19

Mit seiner am 26. September 2014 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage verfolgt der Kläger seinen Abfindungsanspruch weiter.

20

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

21

Der Kläger hat beantragt,

22

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.521,92 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus seit dem 14. August 2014 zu zahlen.

23

Die Beklagte hat beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Mit Urteil vom 25. Juni 2005 - 10 Ca 3711/14 - hat das Arbeitsgericht Koblenz die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

26

Gegen das ihm am 13. Juli 2015 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 07. August 2015, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 10. August 2015 eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 08. September 2015, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 09. September 2015 eingegangen, begründet.

27

Er trägt vor, das Arbeitsgericht habe in seiner Entscheidung verkannt, dass er einen einzelvertraglichen Anspruch auf eine Abfindung aufgrund der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung erworben habe. Im Wesentlichen habe das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass ein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Gesetzesänderung obsolet geworden sei, ohne ausreichend zu berücksichtigen, dass ihm eine Zusage erteilt worden sei, die auch seinerzeit ganz wesentlich dafür gewesen sei, dass er die Altersteilzeitvereinbarung abgeschlossen habe. In der Vereinbarung seien über den aufgenommenen Altersteilzeit-Störfall gemäß § 10 keine weiteren Bedingungen zur Auszahlung der Abfindung zwischen den Parteien getroffen worden. Im Hinblick darauf, dass die Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes und nicht für einen möglichen Rentenminderungsanspruch gezahlt werden solle, handele es sich um eine eindeutige und unbedingte Zusage der Beklagten, für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung zu zahlen. Hierfür spreche auch der Umstand, dass durch die zugesagte Abfindung nicht die Differenz zur ungeminderten Altersrente ausgeglichen werden solle. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass er für die Freistellungsphase weder Lohnerhöhung, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld noch Ertragsbeteiligung erhalten habe. Da die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung eindeutig sei und eine Zusage für den Verlust des Arbeitsplatzes enthalte, könne eine Auslegung nur dazu führen, dass ein Abfindungsanspruch bestehe und mögliche, seinerzeit nicht abzusehende Änderungen der Gesetzeslage sich nicht einseitig zugunsten der Beklagten auswirken könnten. Aufgrund der zwischen den Parteien vereinbarten Zusage habe er Anspruch auf Aufzahlung der Abfindung, weil die Bezugnahme auf tarifvertragliche Vorschriften eine solche Zusage nicht abändern bzw. aufheben könnten.

28

Der Kläger beantragt,

29

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25. Juni 2015 - 10 Ca 3711/14 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.521,92 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus seit dem 14. August 2014 zu zahlen.

30

Die Beklagte beantragt,

31

die Berufung zurückzuweisen.

32

Sie erwidert, gemäß den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts ergebe die vertragliche Vereinbarung der Parteien gerade keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie dem Kläger losgelöst von allen tariflichen und sonstigen Voraussetzungen einen einzelvertraglichen Anspruch auf eine Abfindung habe einräumen wollen. Der Kläger habe bei seiner Argumentation nicht berücksichtigt, dass nicht nur in der Präambel der Vereinbarung vom 13. August 2008 auf verschiedene tarifliche Vorschriften Bezug genommen werde, sondern namentlich auch in § 10 des Vertrages von einer "nach § 6 TV BB vorgesehenen Abfindung" die Rede sei. Soweit der Kläger angeführt habe, dass er während der Arbeitsphase der Altersteilzeit u.a. Urlaubs- und Weihnachtsgeld erhalten habe, sei dies unzutreffend, weil nach § 5 Abs. 1 des Tarifvertrages zum Bruttoaufstockungsmodell Altersteilzeit (TV BA) während der gesamten Altersteilzeit weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld gezahlt werde.

33

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

34

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf die von ihm begehrte Abfindung.

35

1. Nach § 6 TV BB errechnet sich die darin vorgesehene Abfindung aus einem Betrag, der mit der Zahl der vollen Kalendermonate - höchstens mit 48 Kalendermonaten - multipliziert wird, die zwischen der Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses und dem Zeitpunkt, an dem der Arbeitnehmer Anspruch auf ungeminderte Altersrente gehabt hätte (spätestens dem Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres), liegen. Der Betrag beträgt 230,08 EUR pro Monat für vor der Altersteilzeit in Vollzeit Beschäftigte. Im Hinblick darauf, dass der Kläger im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung seines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2014 aufgrund der zum 01. Juli 2014 in Kraft getretenen Neuregelung des § 236 b SGB VI Anspruch auf ungeminderte Altersrente für besonders langjährig Versicherte seit dem 01. Juli 2014 hat, ergibt sich nach § 6 TV BB kein Abfindungsanspruch (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 10. Februar 2011 - 10 Sa 529/10 - Rn. 31, NZA-RR 2011, 345).

36

2. Des Kläger hat keinen einzelvertraglichen Anspruch auf Zahlung einer - übertariflichen - Abfindung erworben, die nicht in § 6 TV BB vorgesehen ist.

37

In § 10 des Altersteilzeitvertrages der Parteien ist vielmehr "eine nach § 6 TV BB vorgesehene Abfindung in Höhe von 230,08 EUR x 24 Monaten" vereinbart. Bereits nach dem eindeutigen Wortlaut der getroffenen Vereinbarung wird ausdrücklich und unmissverständlich auf eine "nach § 6 TV BB vorgesehene Abfindung" verwiesen. Die in der Vereinbarung enthaltene Berechnung "in Höhe von 230,08 EUR x 24 Monate" entspricht der tariflichen Regelung, nach der der in § 6 TV BB vorgesehene Betrag von 230,08 EUR pro Monat mit der Anzahl der Kalendermonate multipliziert wird, die zwischen der Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses am 30. Juni 2014 und der Vollendung des 65. Lebensjahres des Klägers (Juni 2016) als dem Zeitpunkt liegen, zu dem der Kläger nach der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Gesetzeslage Anspruch auf ungeminderte Altersrente gehabt hätte. Ausweislich der Präambel des Altersteilzeitvertrags haben die Parteien die Altersteilzeitvereinbarung auf der Grundlage der aufgeführten Tarifregelungen, u.a. des Tarifvertrages zur Beschäftigungsbrücke (BB) in der Fassung vom 31. März 2000, geschlossen. Nichts spricht dafür, dass die Beklagte dem Kläger unabhängig vom Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen einen über die in § 6 TV BB geregelte Abfindung hinausgehenden übertariflichen Abfindungsanspruch gewähren wollte. Arbeitnehmer, die unmittelbar nach dem Ausscheiden eine ungeminderte Altersrente beanspruchen können, erleiden durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes typischerweise geringere wirtschaftliche Nachteile als diejenigen Arbeitnehmer, die aufgrund eines vorzeitigen Rentenbezugs Rentenabschläge hinnehmen müssen. Dementsprechend ist es auch nicht zu beanstanden, dass der für den Verlust des Arbeitsplatzes vorgesehene Abfindungsanspruch entfällt, wenn der Arbeitnehmer im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung seines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Bezug einer ungeminderten Altersrente hat.

38

Soweit der Kläger darauf verwiesen hat, dass ihm anlässlich des Abschlusses des Altersteilzeitvertrages zugesichert worden sei, dass er eine Abfindung erhalten würde, ändert dies nichts daran, dass es sich dabei nach der in § 10 des Altersteilzeitvertrages getroffenen Vereinbarung um die tariflich vorgesehene Abfindung handelt, die für den Verlust des Arbeitsplatzes je nach Anzahl der Kalendermonate zwischen Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses und dem Zeitpunkt des Anspruchs auf ungeminderte Altersrente in Höhe des festgelegten Betrages von 230,08 EUR pro Monat gezahlt wird. Wie der Kläger selbst angeführt hat, war bei Abschluss der Vereinbarung über die Altersteilzeitregelung überhaupt noch nicht absehbar, dass er aufgrund der erst später in Kraft getretenen Gesetzesänderung bereits im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung seines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses eine ungeminderte Altersrente beanspruchen kann. Dementsprechend haben die Parteien auch keine Vereinbarung darüber getroffen, dass dem Kläger abweichend von der tariflichen Regelung der Abfindungsanspruch unabhängig von den tariflichen Voraussetzungen auch dann zustehen soll, wenn er bereits im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung seines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses eine ungeminderte Altersrente beanspruchen kann. Selbst wenn der Erhalt einer Abfindung Grund und Anlass für den Kläger gewesen sein sollte, die Altersteilzeitregelung zu vereinbaren, vermag ein derartiger (Motiv)Irrtum jedenfalls nicht den geltend gemachten Abfindungsanspruch zu begründen.

39

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

40

Die Zulassung der Revision war nach nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Abfindung.

2

Der am … 1948 geborene Kläger ist seit dem 01.01.1963 Arbeitnehmer der Beklagten, einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie. Am 01.08.2006 schlossen die Parteien einen Altersteilzeitarbeitsvertrag für die Zeit vom 01.01.2007 bis zum 31.08.2011 (Bl. 11-17 d.A.). Die regelmäßige Wochenarbeitszeit des Klägers wurde auf 17,5 Stunden reduziert und im Blockmodell geleistet. Die Arbeitsphase war in der Zeit vom 01.01.2007 bis zum 30.04.2009; die Freistellungsphase begann am 01.05.2009 und soll bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.08.2011 dauern. Im vorformulierten Vertrag ist - soweit vorliegend von Interesse - folgendes geregelt:

3

„Zwischen […] wird auf der Grundlage des Tarifvertrages zum Bruttoaufstockungsmodell Altersteilzeit vom 29.09.2004 (TV BA), des Tarifvertrages zur Beschäftigungsbrücke in der Fassung vom 31.03.2000 (TV BB) und des Tarifvertrages zur Altersteilzeit in der Fassung vom 23.11.2004 (TV ATZ) folgender Altersteilzeitarbeitsvertrag geschlossen:

4

§ 10 - Abfindung

5

Herr C. erhält am Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses für den Verlust seines Arbeitsplatzes (soweit kein vorzeitiges Ende der Altersteilzeit - also ein Störfall - eintritt) eine nach § 6 TV BB vorgesehene Abfindung in Höhe von 230,08 EURO x 24 Monaten, entspricht 5.521,92 EURO.
…“

6

Im Tarifvertrag zur Beschäftigungsbrücke (TV BB) vom 31.03.2000 heißt es auszugsweise:

7

§ 6 Abfindung

8

Der Arbeitnehmer erhält am Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung.

9

Die Abfindung errechnet sich aus einem Betrag, der mit der Zahl der vollen Kalendermonate - höchstens mit 48 Kalendermonaten - multipliziert wird, die zwischen der Beendigung des Altersteilzeitverhältnisses und dem Zeitpunkt, an dem der Arbeitnehmer Anspruch auf ungeminderte Altersrente gehabt hätte (spätestens dem Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres), liegen.

10

Der Betrag beträgt 450,00 DM (230,08 EUR)/ Monat für vor der Altersteilzeit in Vollzeit Beschäftigte.
…“

11

Der Kläger wurde auf seinen Antrag mit Bescheid vom 15.01.2009 rückwirkend zum 01.02.2008 als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 anerkannt. Er kann deshalb mit Vollendung seines 63. Lebensjahres ab 01.09.2011 eine gesetzliche Altersrente ohne Abschläge beanspruchen. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 14.01.2010 mit, sein Anspruch auf die Abfindung sei entfallen, weil aufgrund seiner Anerkennung als Schwerbehinderter keine Rentennachteile eintreten.

12

Nach vergeblicher außergerichtlicher Geltendmachung erhob der Kläger am 26.02.2010 eine Feststellungsklage und führte aus, es sei ihm nicht zumutbar, bis zum 01.09.2011 zu warten, um anschließend Leistungsklage zu erheben. Wenn ihm die Beklagte keine Abfindung zugesagt hätte, hätte er keinen Altersteilzeitvertrag abgeschlossen. Er habe seiner Ehefrau versprochen, die Abfindung für eine Kreuzfahrt zu verwenden. Niemals hätte er der Reduzierung seines Vollzeit-Nettolohns von € 2.236,00 auf ein Teilzeitnettoentgelt von € 1.984,00 zugestimmt, wenn am Ende nicht wenigstens die ausgerechnete Abfindung als „Belohnung“ für den Einkommensverlust gestanden hätte.

13

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

14

festzustellen, dass er seinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von € 5.521,92 nach § 10 des Arbeitsvertrages für verblockte Altersteilzeit vom 01.08.2006 nicht deshalb verliert, weil er mit Wirkung vom 01.02.2008 vom Amt für Soziale Angelegenheiten Koblenz als schwerbehinderter Mensch anerkannt worden ist und deshalb mit Vollendung des 63. Lebensjahres Altersrente ohne Abschlag beantragen könnte.

15

Die Beklagte hat beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 27.07.2010 der Klage stattgegeben und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, der Kläger verliere seinen Abfindungsanspruch nicht deshalb, weil er mit Vollendung des 63. Lebensjahres eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ohne Abschlag beantragen könne. § 10 des Altersteilzeitvertrages enthalte die konstitutive Zusage einer Abfindung in Höhe von € 5.521,92 am Ende des Arbeitsverhältnisses. Die Vertragsklausel enthalte widersprüchliche Formulierungen. Einerseits solle der Kläger "eine nach § 6 TV BB vorgesehene Abfindung" erhalten. Diese Formulierung könne so verstanden werden, dass kein vertraglicher Abfindungsanspruch begründet werden solle, wenn gemäß § 6 TV BB kein tariflicher Anspruch bestehe. Für diese Auslegung spreche auch die Aufnahme der Berechnungsformel aus § 6 TV BB in die Vertragsklausel. Andererseits sei die Höhe der Abfindung genau beziffert worden. Den bezifferten Anspruch stelle die Klausel ausschließlich unter die Bedingung, dass kein vorzeitiges Ende der Altersteilzeit eintrete. Einen Hinweis darauf, dass auch bei anderen Fallgestaltungen keine Abfindung zur Auszahlung komme, enthalte die Klausel nicht. Daneben spreche auch die Verwendung des unbestimmten Artikels („eine“ nach § 6 TV BB vorgesehene Abfindung) für eine konstitutive Regelung. Bei einer deklaratorischen Verweisung wäre die Verwendung des bestimmten Artikels zu erwarten gewesen. § 6 TV BB enthalte keine Auswahlmöglichkeiten, sondern nur eine einzige Berechnungsformel. Es könne dahinstehen, ob schon die Anwendung der §§ 133, 157 BGB zu einer Auslegung der Vertragsklausel im Sinne des Klägers führe. Da sich eine solche Auslegung zumindest vertreten lasse, sei der Anwendungsbereich des § 305 c Abs. 2 BGB eröffnet. Demgemäß sei der für den Kläger günstigeren Auslegung der Vorrang zu geben, derzufolge § 10 des Altersteilzeitarbeitsvertrages konstitutiv einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von € 5.521,92 begründe. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Seite 6 bis 9 des Urteils vom 27.07.2010 (= Bl. 74-76 d.A.) verwiesen.

18

Das genannte Urteil ist der Beklagten am 07.09.2010 zugestellt worden. Sie hat mit am 30.09.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 05.11.2010 eingegangenem Schriftsatz begründet.

19

Sie ist der Ansicht, der Kläger könne aufgrund der Regelung in § 6 TV BB bei seinem Ausscheiden keine Abfindung beanspruchen. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts enthalte § 10 des Altersteilzeitarbeitsvertrages lediglich einen deklaratorischen Hinweis auf § 6 TV BB. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Feststellung getroffen, dass zwei Auslegungen der Regelung in § 10 des Vertrages rechtlich vertretbar seien. Bei der Verweisung auf § 6 TV BB handele es sich gewissermaßen um eine „Rechtsgrundverweisung“. Eine Abfindung solle nur dann gezahlt werden, wenn dies in § 6 TV BB „vorgesehen“ sei. Die Frage, ob im vorliegenden Fall eine Abfindung nach § 6 TV BB vorgesehen sei, lasse keine zwei Antworten zu. Die verwendete Rechenformel sei sogar klarstellend in die Vertragsklausel aufgenommen worden. Die Abfindung aus § 6 TV BB diene ausschließlich dazu, den Nachteil von Rentenabschlägen auszugleichen, der beim schwerbehinderten Kläger nicht eintrete. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 05.11.2010 (Bl. 97-103 d. A.) Bezug genommen.

20

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

21

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 27.07.2010, Az.: 5 Ca 367/10, abzuändern und die Klage abzuweisen.

22

Der Kläger beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 03.12.2010 (Bl. 120 -123 d.A.) und seines Schriftsatzes vom 27.12.2010 (Bl. 124-125 d.A.), auf die Bezug genommen wird, als zutreffend. Die offensichtlich unglücklich formulierte Klausel in § 10 des Altersteilzeitvertrages lasse mehrere Interpretationen zu. Die Zweifel bei der Auslegung gingen nach § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten. Im Vertrag fehle eine klare und für jedermann verständliche Formulierung, dass er keine Abfindung erhalten soll, wenn er infolge Schwerbehinderung eine Rente ohne Abschläge beziehen könne. Es sei nicht einsehbar, dass die Beklagte wirtschaftlich von seiner Schwerbehinderung profitiere. Im Übrigen werde er wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert. Wäre er nicht schwerbehindert, erhielte er die Abfindung bei seinem Ausscheiden. Nach der Rechtsprechung des EuGH im Urteil vom 12.10.2010 (Az.: C-499/08) sei eine Vereinbarung jedenfalls dann diskriminierend, wenn einem Arbeitnehmer eine Abfindung vorenthalten werde, weil er eine ungekürzte Rente in Anspruch nehmen könne. Wenn er nach seinem Ausscheiden bei der Beklagten von seinem Recht Gebrauch mache, sich einen neuen Job zu suchen, könne er nicht auf eine Abfindung zurückgreifen. Die Altersteilzeitregelung dürfe nicht so verstanden werden, dass er sich nach seinem Ausscheiden bei der Beklagten nicht um eine neue Arbeit bemühen wolle, um seine berufliche Laufbahn fortzusetzen.

25

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

26

Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.

27

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger bei Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses am 31.08.2011 eine Abfindung in Höhe von € 5.521,92 brutto zu zahlen. Das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts ist deshalb abzuändern und die Klage abzuweisen.

28

1. Prozessuale Bedenken gegen eine Sachentscheidung bestehen nicht. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Auf Klagen, mit denen eine Partei eine künftige Leistung begehrt, ist der Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage vor der Feststellungsklage nicht anwendbar. Gegenüber Klagen nach §§ 257 bis 259 ZPO ist ein Feststellungsantrag nicht subsidiär; der Kläger kann zwischen einer Feststellungsklage und einer Klage auf zukünftige Leistung frei wählen (vgl. BAG Urteil vom 21.09.2010 - 9 AZR 515/09 - Rn. 19 - Juris; BAG Urteil vom 20.01.2004 - 9 AZR 43/03 - Rn. 35 - AP Nr. 65 zu § 242 Betriebliche Übung; jeweils m.w.N.).

29

Der Kläger begehrt die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihm bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.08.2011 eine Abfindung in Höhe von € 5.521,92 brutto zu zahlen, obwohl er nach Vollendung seines 63. Lebensjahres ab dem 01.09.2011 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ohne Abschlag beanspruchen kann. Der Kläger konnte zwischen einer Klage nach § 257 ZPO und einer Feststellungsklage wählen. Da die Beklagte den Anspruch bestreitet, besteht die Besorgnis der Leistungsverweigerung zum kalendermäßig bestimmten Fälligkeitszeitpunkt.

30

2. Die Feststellungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte nach Vollendung seines 63. Lebensjahres bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.08.2011 keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von € 5.521,92 brutto.

31

Ein Abfindungsanspruch folgt nicht aus § 6 TV BB. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger überhaupt Mitglied der Industriegewerkschaft Metall ist, was er nicht vorgetragen hat. Die erstinstanzlichen Ausführungen des Klägers zu den Intensionen der IG Metall zum Abschluss des Tarifvertrages zur Beschäftigungsbrücke in der Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Pfalz sind unerheblich. Die tarifliche Abfindung wäre nach § 6 TV BB mit null Euro zu bemessen. Nach § 6 Abs. 2 TV BB errechnet sich die Abfindung aus einem Betrag, der mit der Zahl der vollen Kalendermonate - höchstens mit 48 Kalendermonaten - multipliziert wird, die zwischen der Beendigung des Altersteilzeitverhältnisses und dem Zeitpunkt, an dem der Arbeitnehmer Anspruch auf ungeminderte Altersrente gehabt hätte (spätestens dem Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres), liegen. Im vorliegenden Fall liegen zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.08.2011 und dem Zeitpunkt, an dem der Kläger eine ungeminderte Rente beanspruchen kann, null Monate. Der Kläger hat einen Anspruch auf eine ungeminderte Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Er erleidet bei einem Renteneintritt mit 63 Jahren keine materiellen Nachteile durch - dauerhafte - Rentenabschläge in Höhe von 7,2 Prozent (24 Monate x 0,3 Prozent für jeden Monat vorzeitigen Rentenbezugs). Dies hat den völligen Wegfall des tariflichen Anspruchs auf Zahlung einer Abfindung zur Folge.

32

3. Der Kläger hat keinen einzelvertraglichen Anspruch auf eine Abfindung erworben. Bei der Auslegung des Altersteilzeitarbeitsvertrages ist das Arbeitsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem Kläger auch dann eine Abfindung zusteht, wenn er bei seinem Ausscheiden mit Vollendung des 63. Lebensjahres eine Altersrente ohne Abschläge beanspruchen kann. Die Parteien haben in § 10 des Altersteilzeitarbeitsvertrages vom 01.08.2006 keine vertragliche Grundlage für die Zahlung einer Abfindung in Höhe von € 5.521,92 brutto - unabhängig vom Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen - geschaffen.

33

Aus Sicht der Berufungskammer sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte dem Kläger über die in § 6 TV BB geregelte Abfindung hinaus, eine übertarifliche Abfindung gewähren wollte. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte das Vertragsmuster „Arbeitsvertrag für verblockte Altersteilzeit“ für eine Vielzahl von Altersteilzeitarbeitsverträgen entworfen und zum Zwecke des Vertragsabschlusses lediglich mit den für den Kläger einschlägigen Daten ergänzt hat.

34

Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind aber auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vorformulierte Arbeitsvertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BAG Urteil vom 18.11.2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 24 - NZA 2010, 170, m.w.N.).

35

Unter Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze auf den vorliegenden Fall hat die Beklagte dem Kläger weder ausdrücklich noch konkludent zugesagt, eine Abfindung zu zahlen, die nicht in § 6 TV BB vorgesehen ist.

36

Das folgt bereits aus dem Wortlaut des Altersteilzeitarbeitsvertrages. Ausweislich der Präambel haben die Parteien den Vertrag auf der Grundlage mehrerer Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie, nämlich des Tarifvertrages zum Bruttoaufstockungsmodell Altersteilzeit vom 29.09.2004 (TV BA), des Tarifvertrages zur Beschäftigungsbrücke in der Fassung vom 31.03.2000 (TV BB) und des Tarifvertrages zur Altersteilzeit in der Fassung vom 23.11.2004 (TV ATZ) geschlossen. § 6 TV BB sieht - wie bereits ausgeführt - im vorliegenden Fall keine Abfindung vor.

37

§ 10 des Altersteilzeitvertrages enthält nur einen deklaratorischen Hinweis auf die Regelungen des § 6 TV BB. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ist der Wortlaut des § 10 eindeutig. § 305 c Abs. 2 BGB greift deshalb nicht. Die Norm kommt dann zur Anwendung, wenn die Auslegung einer einzelnen Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines den klaren Vorzug verdient. Die objektive Auslegung führt vorliegend nicht zu einem mehrdeutigen, sondern zu einem klaren Ergebnis. Nach Ausschöpfung aller Auslegungsmethoden bleiben keine ernsthaften Zweifel mehr. § 10 des Altersteilzeitarbeitsvertrages nimmt ausdrücklich Bezug auf § 6 TV BB. Das Bezugnahmeobjekt ist ausdrücklich gekennzeichnet. In § 10 heißt es ausdrücklich: „Herr C. erhält […] eine nach § 6 TV BB vorgesehene Abfindung.“ Aus dieser Formulierung folgt, dass dem Kläger am Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses eine Abfindung gezahlt werden soll, die der tariflichen Regelung in § 6 TV BB entspricht. Der Kläger musste davon ausgehen, dass ihm die Beklagte nur die Leistungen gewähren wollte, zu denen sie tarifvertraglich verpflichtet war, zumal in der Präambel des Vertrages die maßgebenden Tarifverträge ausdrücklich aufgeführt worden sind.

38

Zwar erschöpft sich die Vertragsklausel nicht nur darin, dass sich die Beklagte zur Zahlung der „nach § 6 TV BB vorgesehene Abfindung“ verpflichtet hat; sie enthält vielmehr auch die Berechnung „in Höhe von 230,08 EURO x 24 Monaten, entspricht 5.521,92 EURO.“ Aus dieser Berechnung kann ohne Verletzung der Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB jedoch nicht gefolgert werden, die Beklagte habe dem Kläger die „nach § 6 TV BB vorgesehene Abfindung“ unabhängig vom Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen zugestanden. Die Beklagte hat den in § 6 TV BB geregelten Betrag von € 230,08 pro Monat mit der Anzahl der Kalendermonate multipliziert, die zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.08.2011 und der Vollendung des 65. Lebensjahres des Klägers (am 30.08.2013) liegen. Dies sind 24 Monate, so dass sich ein Betrag von € 5.521,92 errechnet. Wenn die Beklagte die tarifvertragliche Rechenformel in § 10 des Altersteilzeitvertrages aufgenommen hat, konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass ihm die Beklagte auch dann eine Abfindung gewähren will, wenn er keine Rentenabschläge hinzunehmen hat.

39

4. Entgegen der Auffassung des Klägers stellt es keine unzulässige Diskriminierung wegen seiner Behinderung oder seines Alters dar, dass er nach Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses am 31.08.2011 von der Beklagten keine Abfindung beanspruchen kann.

40

Die Abfindung dient im vorliegenden Fall dazu, den Nachteil abzumildern, den nichtbehinderte Menschen des Geburtsjahrgangs des Klägers bei einem Renteneintritt vor Vollendung des 65. Lebensjahres hinnehmen müssen. Der schwerbehinderte Kläger erleidet - wie bereits ausgeführt - keine Rentennachteile, weil sich seine gesetzliche Altersrente nicht um Abschläge von 7,2 Prozent vermindert.

41

Wenn der Kläger darauf hinweist, er habe seit 1963 beanstandungsfrei für die Beklagte „geschuftet“, verkennt er, dass die Abfindung nach § 6 TV BB bzw. § 10 des Altersteilzeitarbeitsvertrages kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit geleistete (und bezahlte) Arbeit darstellt, sondern die Nachteile mildern soll, die Arbeitnehmern dadurch entstehen, dass sie bereits vor dem Erreichen der jeweiligen Regelaltersgrenze eine vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen. Derartige Nachteile hat der Kläger nicht. Seine Ausführungen, zum „Überleben der Verrentung“ und den wirtschaftlichen Vorteilen für seine Erben, liegen neben der Sache. Der Ausschluss einer Abfindung wegen der Möglichkeit des Bezugs einer ungeminderten Altersrente ist nicht deshalb unwirksam, weil niemand vorhersehen kann, wann der Rentner stirbt (und aus Sicht des Klägers bei einem frühen Tod eine Abfindung vorteilhafter wäre als eine Rente ohne Abschläge). Die Tarifvertragsparteien können im Rahmen der Zwecksetzung ihrer Abfindungsregelung typisieren und an die Berechtigung zum Bezug einer vorgezogenen Altersrente anknüpfen, ohne im Einzelfall eine Günstigkeitsprognose anstellen zu müssen. Die Ausführungen des Klägers beruhen im Übrigen auch auf einer Verkennung der rentenversicherungsrechtlichen Auswirkungen von Rentenabschlägen. Die Rentenabschläge von 7,2 Prozent, die nichtbehinderte Menschen bei einem Renteneintritt mit 63 statt mit 65 hinzunehmen haben, mindern nicht nur die Altersrente des Arbeitnehmers (und zwar lebenslang), sondern auch die Hinterbliebenenrente. Eine ausreichende Versorgung des Klägers durch die gesetzliche Altersrente ist im Altersteilzeitverhältnis der Parteien dadurch gewährleistet, dass die Beklagte, obwohl der Kläger seit dem 01.01.2007 nur noch 50 Prozent seiner bisherigen Arbeitszeit tätig ist, 95 Prozent der bisherigen Rentenbeiträge zahlt. Eine nennenswerte Renteneinbuße als Folge der halbierten Arbeitszeit hat der Kläger nicht.

42

Auch der Hinweis des Klägers auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 12.10.2010 (Az.: C-499/08) rechtfertigt keine andere Beurteilung der Rechtslage. Die zitierte Entscheidung zu einer dänischen Entlassungsabfindung in der Rechtssache Andersen ist nicht einschlägig. Der dortige Kläger war bei seiner Entlassung 63 Jahre alt; er wollte nicht in den Ruhestand treten, sondern seine berufliche Laufbahn weiterverfolgen. Die Entlassungsabfindung wurde ihm mit der Begründung abgelehnt, dass er eine Altersrente aus einem betrieblichen Rentensystem beziehen könne. Die Abfindung hatte das Ziel, Arbeitnehmern, die über eine lange Betriebszugehörigkeit bei demselben Arbeitgeber verfügen, den Übergang in eine neue Beschäftigung zu erleichtern. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Die Abfindung nach § 6 TV BB hat eindeutig nicht das Ziel, den Übergang in eine neue Beschäftigung zu überbrücken. Der Kläger wollte bei Vertragsschluss am Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses in den Ruhestand treten, auch wenn er nach Veröffentlichung der Entscheidung des EuGH - in wenig überzeugender Weise - nunmehr behauptet, er würde sich nach seinem Ausscheiden bei der Beklagten nicht nur „rein theoretisch“, einen „neuen Job“ suchen wollen. Nach § 1 Abs. 1 AltTZG soll durch Altersteilzeitarbeit älteren Arbeitnehmern ein gleitender Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente ermöglicht werden. Von dieser Möglichkeit hat der Kläger durch Abschluss des Altersteilzeitvertrages am 01.08.2006 Gebrauch gemacht. Sein Sinneswandel, sich nunmehr doch „dem Trend entsprechend“ um eine neue Arbeit zu bemühen, anstatt eine abschlagfreie Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu beziehen, ist unbeachtlich.

43

5. Der Kläger hat die Altersteilzeitvereinbarung vom 01.08.2006 nicht angefochten. Obwohl sein prozessualer Vortrag letztlich darauf hinausläuft, dass er sich am Altersteilzeitvertrag nicht (mehr) festhalten lassen will, wenn ihm keine Abfindung gewährt wird, hat der Kläger eine Anfechtungserklärung im Sinne des § 143 Abs. 1 BGB nicht abgeben. Sein erstinstanzlicher Vortrag er hätte „niemals“ einen Altersteilzeitvertrag abgeschlossen, wenn ihm die Beklagte keine Abfindung als „Belohnung“ für die Reduzierung seines Vollzeitnetto zugesagt hätte, stellt keine Anfechtungserklärung dar. Dies hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Rahmen der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer so bestätigt. Der behauptete Irrtum wäre auch unbeachtlich. Das Motiv des Klägers für den Abschluss des Altersteilzeitvertrages, die Abfindung für eine Kreuzfahrt mit seiner Ehefrau zu verwenden, könnte eine Anfechtung nicht begründen. Ohne dass es darauf ankäme, nimmt die Berufungskammer dem Kläger auch nicht ab, dass er den Altersteilzeitvertrag ausschließlich wegen der erwarteten Abfindung von € 5.521,92 geschlossen hat, und sich keine weiteren Vorteile aus der Vereinbarung versprach.

III.

44

Der Kläger hat als unterlegene Partei gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

45

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht. Der Rechtssache ist insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung beizumessen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.