Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 24. Okt. 2013 - 10 Sa 173/13

ECLI: ECLI:DE:LAGRLP:2013:1024.10SA173.13.0A
published on 24/10/2013 00:00
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 24. Okt. 2013 - 10 Sa 173/13
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Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14. Februar 2013, Az. 2 Ca 1700/12, teilweise abgeändert, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, den Kläger zum Verkäufer auszubilden und das Ausbildungsverhältnis bei der IHK anzuzeigen. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte ¾ und der Kläger ¼. Hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung des Ausbildungsverhältnisses.

2

Die Beklagte betreibt in R. das Möbelfachgeschäft „S. Möbel“. Der 1986 geborene Kläger verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Verkäufer. Er schloss mit der Beklagten am 20.04.2012 einen Ausbildungsvertrag für das dritte Ausbildungsjahr zum Kaufmann im Einzelhandel ab. Diese Ausbildung baut auf die zweijährige Ausbildung zum Verkäufer auf. Das Berufsausbildungsverhältnis zwischen den Parteien begann am 01.05.2012 und sollte am 30.06.2013 enden. Als Vergütung vereinbarten die Parteien € 862,00 brutto monatlich.

3

Mit Schreiben vom 13.11.2012 kündigte die Beklagte das Ausbildungsverhältnis fristlos. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:

4

„Betreff: Fristlose Kündigung ihres Ausbildungsvertrages

5

Sehr geehrter Herr C.,
hiermit Kündigen wir die A., Ihr bei uns bestehendes Ausbildungsverhältnis Fristlos zum 13.11.2012.
Begründung:
Sie haben über unser Unternehmen … bei Amazon bestellt und dies nicht bezahlt. (Kopie Schreiben Inkasso)
Sie haben mehrfach das Internet für Private Zwecke genutzt um sich Pornoseiten anzusehen, (festgestellt am 12.11.2012) wie in der Betriebsvereinbarung vom 02.05.2012 Anhang zum Arbeitsvertrag Ihnen Mitgeteilt wurde, ist dies Untersagt und führt zur Kündigung, aus diesen angegebenen Schweren Gründen Kündigen wir Ihnen Fristlos nach BBiG § 22 Abs. 2.1.

Den ihnen erteilten Vorschuss von 500,- € in Bar überreicht durch Herrn St., sowie 2 x 50 € überreicht durch Herrn C. werden wir mit dem noch ausstehenden Gehalt verrechnen.
…“

6

Gegen diese Kündigung wehrt sich der Kläger mit seiner am 22.11.2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage. Er verlangt außerdem seine Weiterbeschäftigung, restliche Ausbildungsvergütung für Oktober 2012, die Erteilung von Lohnabrechnungen sowie die schriftliche Anzeige des Ausbildungsverhältnisses bei der IHK für die Pfalz.

7

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14.02.2013 Bezug genommen.

8

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

9

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Ausbildungs-verhältnis durch die fristlose Kündigung gemäß Schreiben vom 13.11.2012 nicht aufgelöst worden ist,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Ausbildungs-verhältnis über den 13.11.2012 hinaus unverändert fortbesteht,
die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zur Beendigung der Ausbildung als Verkäufer in Ausbildung zu beschäftigen,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn rückständige Vergütung für den Monat Oktober 2012 iHv. € 862,00 Euro brutto abzüglich gezahlter € 283,35 netto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2012 zu zahlen,
die Beklagte zu verurteilen, ihm Lohn- und Gehaltsabrechnungen für die Monate Mai, Juni, Juli, August, September und Oktober 2012 zu erstellen;
die Beklagte zu verpflichten, der IHK Pfalz das Ausbildungsverhältnis schriftlich anzuzeigen.

10

Die Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 17.02.2013 - mit Ausnahme des Antrags zu 2) - stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, das Ausbildungsverhältnis sei durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 13.11.2012 nicht aufgelöst worden, weil kein wichtiger Grund iSd. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG vorliege. Die Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, dass der Kläger entweder alleinigen Zugang zum Laptop gehabt oder zu den jeweiligen Zeiten allein im Geschäft gewesen sei. Der Kläger könne für Oktober 2012 noch Vergütung iHv. € 862,00 brutto abzüglich € 238,35 netto verlangen, denn die unstreitig im Juni 2012 gezahlten € 500,00 netto könnten nicht als Vorschuss auf die Vergütung für Oktober verrechnet werden. Der "Vorschuss" hätte im Juli, August oder September längst verrechnet werden können. Eine Aufrechnung nach § 387 BGB mit dem vermeintlichen Rückzahlungsanspruch scheitere auch daran, dass diese nur ggü. einer abgerechneten Nettolohnforderung möglich sei. Darüber hinaus sei die Aufrechnung nach § 394 BGB unzulässig, weil die Vergütung unter der Pfändungsgrenze liege. Die Beklagte sei zur Erteilung der Lohnabrechnungen verpflichtet. Ihre Behauptung, die Abrechnungen hätten auf dem Tisch des Klägers gelegen, sei unsubstantiiert. Der Beklagten sei zuzumuten, die Abrechnungen nochmals auszudrucken und dem Kläger zuzuleiten. Das Gleiche gelte für die Anzeige gemäß § 35 BBiG ggü. der IHK Pfalz.

13

Gegen das Urteil, das ihr am 20.03.2013 zugestellt worden ist, hat die Beklagte am 18.04.2012 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 18.06.2013 verlängerten Begründungsfrist mit am 18.06.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

14

Sie macht geltend, die fristlose Kündigung vom 13.11.2012 sei gerechtfertigt. Der Kläger habe gewusst, dass ihm jegliche private Nutzung von Internet und E-Mail-Account nicht gestattet sei. Er habe die „Betriebsvereinbarung“ vom 02.05.2012 unterschrieben. Dort sei er darauf hingewiesen worden, dass er Laptop und E-Mail-Account ausschließlich für dienstliche Zwecke benutzen dürfe; die Nutzung zu privaten Zwecken sei strengstens untersagt. Der Kläger sei mit schriftlicher Abmahnung vom 30.08.2012 nochmals darauf hingewiesen worden, dass er das Internet nicht für private Zwecke nutzen dürfe. Dieser Abmahnung seien zwei mündliche Abmahnungen vom 08.06.2012 und vom 07.09.2012 vorausgegangen. Der Kläger habe gleichwohl das Internet weiterhin für private Zwecke genutzt, um sich Pornoseiten und sonstige private Seiten anzusehen. Der Kläger könne sich nicht mit dem Argument verteidigen, dass auch andere Personen Zugriff auf den - mitten im Verkaufsraum stehenden - Laptop gehabt haben, denn der Laptop sei nicht für Kollegen und Kunden frei zugänglich gewesen. Die vorgelegten Datenauszüge beinhalteten Tage, an denen der Kläger allein in ihren Geschäftsräumen tätig gewesen sei. Darüber hinaus sei der Laptop mit einem Passwort geschützt. Ein Zugriff der Kunden sei daher unmöglich gewesen, zumal der Kläger für sich selbst noch Dateien angelegt habe.

15

Ferner habe der Kläger über ihr Möbelhaus bei Amazon Ware bestellt und die Rechnung nicht beglichen. Ihr Geschäftsführer habe während der Krankschreibung des Klägers selbst die Post entgegengenommen und festgestellt, dass der Kläger schon über Monate sowohl von Amazon als auch von einem Inkassobüro unter ihrer Adresse angeschrieben worden sei. Der Kläger habe ihr Möbelhaus nicht nur als Lieferadresse angegeben, sondern auch zur Rechnungsstellung.

16

Sie habe das Gehalt pünktlich gezahlt. Der Kläger sei nicht vor dem 01.05.2012 bei ihr beschäftigt gewesen. Bei den gezahlten € 500,00 habe es sich um einen Vorschuss gehandelt, den sie folgerichtig verrechnet habe. Sie habe dem Kläger die Lohnabrechnungen zukommen lassen und das Ausbildungsverhältnis der IHK Ludwigshafen ordnungsgemäß gemeldet.

17

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

18

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14.02.2013, Az. 2 Ca 1700/12, abzuändern und die Klage abzuweisen.

19

Der Kläger beantragt,

20

die Berufung zurückzuweisen.

21

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 23.08.2013, auf den Bezug genommen wird, als zutreffend.

22

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

23

Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.

24

In der Sache hat die Berufung nur teilweise Erfolg. Das Arbeitsgericht ist im angefochtenen Urteil zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass das Berufsausbildungsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 13.11.2012 aufgelöst worden ist. Es hat außerdem zutreffend erkannt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger für Oktober 2012 eine Ausbildungsvergütung iHv. € 862,00 brutto abzgl. € 283,35 netto zu zahlen und ihm Vergütungsabrechnungen zu erteilen. Da das Berufsausbildungsverhältnis mit Ablauf der Ausbildungszeit am 30.06.2013 geendet hat, ist das Urteil des Arbeitsgericht teilweise abzuändern. Die Beklagte ist nicht (mehr) verpflichtet, den Kläger weiterhin auszubilden und das Ausbildungsverhältnis bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) für die Pfalz schriftlich anzuzeigen. Insoweit ist die Klage abzuweisen.

25

1. Der Klageantrag zu 1) ist begründet. Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 13.11.2012 ist unwirksam, weil ein wichtiger Grund nicht vorliegt. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

26

a) Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG kann das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit vom Ausbilder nur aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden. Eine Kündigung aus wichtigem Grund kann insbesondere dann berechtigt sein, wenn der Auszubildende seine vertraglichen Hauptleistungspflichten und/oder vertragliche Nebenpflichten erheblich verletzt hat. Liegt eine solche Pflichtverletzung vor, ist in Anlehnung an § 626 Abs. 1 BGB in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Ausbilders an der sofortigen Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses gegen das Interesse des Auszubildenden an dessen Fortbestand bis zum Ablauf der Ausbildungszeit abzuwägen. Dabei hat eine Bewertung des konkreten Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. (BAG 25.10.2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 15 mwN, NJW 2013, 954).

27

b) Soweit die Beklagte die fristlose Kündigung darauf stützt, dass der Kläger das Internet für private Zwecke genutzt habe, um sich Pornoseiten und sonstige private Seiten anzusehen, genügt ihr pauschaler Vortrag nicht, um das Gericht in die Lage zu versetzen, das Vorliegen eines wichtigen Grundes zu beurteilen.

28

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 27.04.2006 - 2 AZR 386/05 - AP § 626 BGB Nr. 202), der die Berufungskammer folgt, kommt als kündigungsrelevante Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten bei einer privaten Nutzung des Internets oder des Dienst-PCs ua. in Betracht:

29

das Herunterladen einer erheblichen Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme (“unbefugter download”), insb. wenn damit einerseits die Gefahr möglicher Vireninfizierungen oder anderer Störungen des -betrieblichen- Betriebssystems verbunden sein können oder andererseits von solchen Daten, bei deren Rückverfolgung es zu möglichen Rufschädigungen des Arbeitgebers kommen kann, bspw. weil strafbare oder pornografische Darstellungen heruntergeladen werden,

30

die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internetanschlusses als solche, weil durch sie dem Arbeitgeber möglicherweise -zusätzliche- Kosten entstehen können und der Arbeitnehmer jedenfalls die Betriebsmittel -unberechtigterweise- in Anspruch genommen hat, die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internets während der Arbeitszeit, weil der Arbeitnehmer während des Surfens im Internet oder einer intensiven Betrachtung von Videofilmen oder -spielen zu privaten Zwecken seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringt und dadurch seine Arbeitspflicht verletzt.

31

Keine dieser Pflichtverletzungen hat die Beklagte in hinreichender Weise vorgetragen. Sie hat es auch zweitinstanzlich bei dem pauschalen und unsubstantiierten Vortrag belassen, der Kläger habe „Pornoseiten“ und sonstige private Seiten angesehen. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, in welcher Menge Daten aus dem Internet in das betriebliche Betriebssystem eingebracht wurden und es dadurch ggf. zu welchen -erheblichen- Belastungen oder Störungen der betrieblichen Datensysteme gekommen ist bzw. welche konkrete Störungsgefahr bestanden hat. Sie hat ebenfalls nicht vorgetragen, ob ihr durch die private Nutzung des Internets durch den Kläger zusätzliche Kosten entstanden sind. Schließlich hat sie auch nicht vorgetragen, in welchem konkreten Umfang der Kläger während der Ausbildungszeit unter Vernachlässigung seiner in diesem Zeitraum zu erfüllenden Arbeitspflichten seine geschuldete Arbeitsleistung nicht erbracht hat.

32

Die von der Beklagten vorgelegten Ausdrucke des Browserverlaufs ersetzen keinen Sachvortrag. Die Berufungskammer ist nicht verpflichtet, sich den kündigungsrelevanten Sachverhalt aus den Anlagen herauszusuchen, dh. die Ausdrucke auf verwertbaren Vortrag zur Frage, welche Internetseiten der Kläger mit welchem Inhalt (strafbare oder pornografische Darstellungen?), zu welcher Uhrzeit und in welchem zeitlichen Umfang betrachtet hat, zu „durchforsten“. Die pauschale Bezugnahme auf Anlagen, die es dem Gericht überlässt, die Tatsachen zu ermitteln, auf die die Partei ihren Vortrag stützt, ist unzulässig. Die Aufbereitung des Prozessstoffes ist Aufgabe des Prozessbevollmächtigten; sie kann nicht durch die Bezugnahme auf Anlagen auf das Gericht abgewälzt werden (BGH 06.05.2008 - X ZR 28/07 - Juris).

33

c) Die Beklagte kann die fristlose Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses vom 13.11.2012 auch nicht darauf stützen, dass der Kläger über ihr Möbelhaus beim Onlineversand Amazon Ware bestellt und die Rechnung nicht beglichen habe.

34

Die Beklagte hat erstinstanzlich das Schreiben eines Inkassobüros vom 07.11.2012 vorgelegt, das von Amazon beauftragt worden ist, gegen den Kläger eine Forderung aus Warenlieferung iHv. € 79,99 nebst Auslagen und Kosten beizutreiben. Das Schreiben ist an den Kläger unter der Anschrift des Möbelhauses der Beklagten gerichtet. Allein der Umstand, dass der Kläger bei Amazon die Anschrift der Beklagten als Liefer- und offensichtlich auch als Rechnungsadresse angegeben hat, rechtfertigt jedenfalls ohne vorherige Abmahnung keine außerordentliche Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses. Es kann dahinstehen, ob die bestrittene Behauptung der Beklagten zutrifft, sie habe den Kläger am 08.06., 30.08. und 07.09.2012 wegen privater Internetnutzung abgemahnt. Diese Abmahnungen waren im Hinblick auf den Kündigungsvorwurf, bei Amazon die Anschrift der Beklagten als Liefer- und Rechnungsadresse angegeben zu haben, nicht einschlägig.

35

2. Der Klageantrag zu 4) ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger für den Monat Oktober 2012 die vereinbarte Ausbildungsvergütung iHv. € 862,00 brutto abzüglich gezahlter € 283,35 netto zu zahlen.

36

Zwar hat die Beklagte unstreitig einen Betrag iHv. € 500,00 netto an den Kläger gezahlt. Es kann dahinstehen, ob es sich bei dieser Nettozahlung um Arbeitsentgelt für den Monat April 2012 gehandelt hat, weil der Kläger vor der Eröffnung des Möbelhauses beim Aufbau der Möbel im Verkaufsraum geholfen hat (so der Kläger) oder um einen Vorschuss auf die Ausbildungsvergütung für den Monat Mai 2012 (so die Beklagte).

37

Selbst wenn es sich um einen Vorschuss gehandelt haben sollte, durfte die Beklagte den im Mai 2012 geleisteten Vorschuss nicht mit der Ausbildungsvergütung für den Monat Oktober 2012 verrechnen. Vorschüsse sind vorweggenommene Forderungstilgungen. Sie können daher bei der nächsten Lohnabrechnung ohne Aufrechnungserklärung (§§ 387, 388 BGB) in Abzug gebracht werden, und zwar auch von der unpfändbaren Arbeitsvergütung. § 394 ist nicht anzuwenden (BAG 13.12.2000 - 5 AZR 334/99 - Rn. 38, NZA 2002, 390). Der Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen kann jedoch nicht dadurch umgangen werden, dass (vermeintliche) Vorschüsse ohne Rücksicht auf Pfändungsfreigrenzen erst Monate später mit dem Nettoentgelt „verrechnet“ werden (BAG 17.02.2009 - 9 AZR 676/07 - Rn. 21 mwN, NZA 2010, 99).

38

Die durch die Entgelteinbehaltungen im Oktober 2012 realisierte Aufrechnung der Beklagten verstößt gegen das Aufrechnungsverbot des § 394 Satz 1 BGB. Diese Vorschrift schließt eine Aufrechnung gegen eine Forderung aus, soweit diese nicht der Pfändung unterworfen ist. Bei Arbeitseinkommen bestimmt sich der pfändbare Teil gemäß § 850 Abs. 1 ZPO nach Maßgabe der §§ 850 a bis 850 i ZPO. Zur Sicherung des Existenzminimums des Arbeitnehmers regelt § 850 c Abs. 1 ZPO einen unpfändbaren Grundbetrag. Dieser betrug (bis 30.06.2013) € 930,00 monatlich. Die Nettoausbildungsvergütung des Klägers von monatlich € 683,35 lag darunter.

39

Die geltend gemachten Verzugszinsen sind nach §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB berechtigt. In Berufsausbildungsverhältnissen ist die Vergütung nach § 18 Abs. 2 BBiG spätestens am letzten Arbeitstag für den laufenden Kalendermonat auszuzahlen. Bei nicht rechtzeitiger Leistung tritt Verzug ohne Mahnung ein.

40

3. Der Klageantrag zu 5) ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger Abrechnungen über die Ausbildungsvergütung für die Monate von Mai bis Oktober 2012 zu erteilen.

41

Gemäß § 108 GewO ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer bei Zahlung der Vergütung eine Lohnabrechnung zu erteilen. Diese Verpflichtung trifft auch den Ausbilder, der dem Auszubildenden eine Vergütungsabrechnung zu erteilen hat. Soweit die Beklagte lediglich pauschal behauptet, sie habe dem Kläger die Lohnabrechnungen zukommen lassen, ist dieser Vortrag keiner Beweisaufnahme zugänglich.

42

4. Der Klageantrag zu 3) ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht (mehr) verpflichtet, den Kläger tatsächlich zu beschäftigen bzw. weiterhin auszubilden. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist deshalb teilweise abzuändern und die Klage auf tatsächliche Beschäftigung „als Verkäufer in Ausbildung“ schon wegen des Zeitablaufs abzuweisen.

43

Das Ausbildungsverhältnis zwischen den Parteien endete am 30.06.2013 mit Ablauf der vereinbarten Ausbildungszeit. Das Berufsausbildungsverhältnis ist ein befristetes Rechtsverhältnis. Gemäß § 21 Abs. 1 BBiG endet es grundsätzlich mit dem Ablauf der im Berufsausbildungsvertrag vereinbarten Ausbildungszeit. Eine Kündigung oder eine besondere Mitteilung sind nicht erforderlich. Einen Antrag auf Verlängerung des Berufsausbildungsverhältnisses gemäß § 21 Abs. 3 BBiG hat der Kläger nicht gestellt.

44

5. Der Klageantrag zu 6) ist unbegründet. Die Beklagte ist gegenüber dem Kläger nicht verpflichtet, der Industrie- und Handelskammer (IHK) für die Pfalz das Ausbildungsverhältnis schriftlich anzuzeigen. Eine solche „Anzeigepflicht“ kennt das BBiG nicht, vielmehr haben Ausbildende nach § 36 Abs. 1 BBiG unverzüglich nach Abschluss des Berufsausbildungsvertrages die Eintragung in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse zu beantragen. Wird die Antragspflicht verletzt, kann nach § 102 Abs. 1 Nr. 7 BBiG eine Ordnungswidrigkeit vorliegen. Das zu beurteilen, ist nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen. Weil das Ausbildungsverhältnis am 30.06.2013 geendet hat, bestehen gegenüber dem Kläger keine Anzeigepflichten der Beklagten mehr. Auch deshalb ist das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen.

III.

45

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

46

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.
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published on 25/10/2012 00:00

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
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Annotations

(1) Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden.

(2) Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nur gekündigt werden

1.
aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist,
2.
von Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen, wenn sie die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen wollen.

(3) Die Kündigung muss schriftlich und in den Fällen des Absatzes 2 unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen.

(4) Eine Kündigung aus einem wichtigen Grund ist unwirksam, wenn die ihr zugrunde liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten länger als zwei Wochen bekannt sind. Ist ein vorgesehenes Güteverfahren vor einer außergerichtlichen Stelle eingeleitet, so wird bis zu dessen Beendigung der Lauf dieser Frist gehemmt.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden.

(2) Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nur gekündigt werden

1.
aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist,
2.
von Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen, wenn sie die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen wollen.

(3) Die Kündigung muss schriftlich und in den Fällen des Absatzes 2 unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen.

(4) Eine Kündigung aus einem wichtigen Grund ist unwirksam, wenn die ihr zugrunde liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten länger als zwei Wochen bekannt sind. Ist ein vorgesehenes Güteverfahren vor einer außergerichtlichen Stelle eingeleitet, so wird bis zu dessen Beendigung der Lauf dieser Frist gehemmt.

Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.

Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt. Gegen die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine, zu beziehenden Hebungen können jedoch geschuldete Beiträge aufgerechnet werden.

(1) Ein Berufsausbildungsvertrag und Änderungen seines wesentlichen Inhalts sind in das Verzeichnis einzutragen, wenn

1.
der Berufsausbildungsvertrag diesem Gesetz und der Ausbildungsordnung entspricht,
2.
die persönliche und fachliche Eignung sowie die Eignung der Ausbildungsstätte für das Einstellen und Ausbilden vorliegen und
3.
für Auszubildende unter 18 Jahren die ärztliche Bescheinigung über die Erstuntersuchung nach § 32 Absatz 1 des Jugendarbeitsschutzgesetzes zur Einsicht vorgelegt wird.

(2) Die Eintragung ist abzulehnen oder zu löschen, wenn die Eintragungsvoraussetzungen nicht vorliegen und der Mangel nicht nach § 32 Absatz 2 behoben wird. Die Eintragung ist ferner zu löschen, wenn die ärztliche Bescheinigung über die erste Nachuntersuchung nach § 33 Absatz 1 des Jugendarbeitsschutzgesetzes nicht spätestens am Tage der Anmeldung der Auszubildenden zur Zwischenprüfung oder zum ersten Teil der Abschlussprüfung zur Einsicht vorgelegt und der Mangel nicht nach § 32 Absatz 2 behoben wird.

(3) Die nach § 34 Absatz 2 Nummer 1, 4, 8 und 10 erhobenen Daten werden zur Verbesserung der Ausbildungsvermittlung, zur Verbesserung der Zuverlässigkeit und Aktualität der Ausbildungsvermittlungsstatistik sowie zur Verbesserung der Feststellung von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt an die Bundesagentur für Arbeit übermittelt. Bei der Datenübermittlung sind dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zur Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit, insbesondere nach den Artikeln 24, 25 und 32 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1), zu treffen, die insbesondere die Vertraulichkeit, Unversehrtheit und Zurechenbarkeit der Daten gewährleisten.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden.

(2) Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nur gekündigt werden

1.
aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist,
2.
von Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen, wenn sie die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen wollen.

(3) Die Kündigung muss schriftlich und in den Fällen des Absatzes 2 unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen.

(4) Eine Kündigung aus einem wichtigen Grund ist unwirksam, wenn die ihr zugrunde liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten länger als zwei Wochen bekannt sind. Ist ein vorgesehenes Güteverfahren vor einer außergerichtlichen Stelle eingeleitet, so wird bis zu dessen Beendigung der Lauf dieser Frist gehemmt.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.

Die Aufrechnung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Die Erklärung ist unwirksam, wenn sie unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben wird.

Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt. Gegen die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine, zu beziehenden Hebungen können jedoch geschuldete Beiträge aufgerechnet werden.

(1) Arbeitseinkommen, das in Geld zahlbar ist, kann nur nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i gepfändet werden.

(2) Arbeitseinkommen im Sinne dieser Vorschrift sind die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten, Arbeits- und Dienstlöhne, Ruhegelder und ähnliche nach dem einstweiligen oder dauernden Ausscheiden aus dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis gewährte fortlaufende Einkünfte, ferner Hinterbliebenenbezüge sowie sonstige Vergütungen für Dienstleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen.

(3) Arbeitseinkommen sind auch die folgenden Bezüge, soweit sie in Geld zahlbar sind:

a)
Bezüge, die ein Arbeitnehmer zum Ausgleich für Wettbewerbsbeschränkungen für die Zeit nach Beendigung seines Dienstverhältnisses beanspruchen kann;
b)
Renten, die auf Grund von Versicherungsverträgen gewährt werden, wenn diese Verträge zur Versorgung des Versicherungsnehmers oder seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen eingegangen sind.

(4) Die Pfändung des in Geld zahlbaren Arbeitseinkommens erfasst alle Vergütungen, die dem Schuldner aus der Arbeits- oder Dienstleistung zustehen, ohne Rücksicht auf ihre Benennung oder Berechnungsart.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

(1) Die Vergütung bemisst sich nach Monaten. Bei Berechnung der Vergütung für einzelne Tage wird der Monat zu 30 Tagen gerechnet.

(2) Ausbildende haben die Vergütung für den laufenden Kalendermonat spätestens am letzten Arbeitstag des Monats zu zahlen.

(3) Gilt für Ausbildende nicht nach § 3 Absatz 1 des Tarifvertragsgesetzes eine tarifvertragliche Vergütungsregelung, sind sie verpflichtet, den bei ihnen beschäftigten Auszubildenden spätestens zu dem in Absatz 2 genannten Zeitpunkt eine Vergütung mindestens in der bei Beginn der Berufsausbildung geltenden Höhe der Mindestvergütung nach § 17 Absatz 2 Satz 1 zu zahlen. Satz 1 findet bei einer Teilzeitberufsausbildung mit der Maßgabe Anwendung, dass die Vergütungshöhe unter Berücksichtigung des § 17 Absatz 5 Satz 3 mindestens dem prozentualen Anteil an der Arbeitszeit entsprechen muss.

(1) Dem Arbeitnehmer ist bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Die Abrechnung muss mindestens Angaben über Abrechnungszeitraum und Zusammensetzung des Arbeitsentgelts enthalten. Hinsichtlich der Zusammensetzung sind insbesondere Angaben über Art und Höhe der Zuschläge, Zulagen, sonstige Vergütungen, Art und Höhe der Abzüge, Abschlagszahlungen sowie Vorschüsse erforderlich.

(2) Die Verpflichtung zur Abrechnung entfällt, wenn sich die Angaben gegenüber der letzten ordnungsgemäßen Abrechnung nicht geändert haben.

(3) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, das Nähere zum Inhalt und Verfahren einer Entgeltbescheinigung, die zu Zwecken nach dem Sozialgesetzbuch sowie zur Vorlage bei den Sozial- und Familiengerichten verwendet werden kann, durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Besoldungsmitteilungen für Beamte, Richter oder Soldaten, die inhaltlich der Entgeltbescheinigung nach Satz 1 entsprechen, können für die in Satz 1 genannten Zwecke verwendet werden. Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber zu anderen Zwecken eine weitere Entgeltbescheinigung verlangen, die sich auf die Angaben nach Absatz 1 beschränkt.

(1) Das Berufsausbildungsverhältnis endet mit dem Ablauf der Ausbildungsdauer. Im Falle der Stufenausbildung endet es mit Ablauf der letzten Stufe.

(2) Bestehen Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungsdauer die Abschlussprüfung, so endet das Berufsausbildungsverhältnis mit Bekanntgabe des Ergebnisses durch den Prüfungsausschuss.

(3) Bestehen Auszubildende die Abschlussprüfung nicht, so verlängert sich das Berufsausbildungsverhältnis auf ihr Verlangen bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung, höchstens um ein Jahr.

(1) Ausbildende haben unverzüglich nach Abschluss des Berufsausbildungsvertrages die Eintragung in das Verzeichnis zu beantragen. Der Antrag kann schriftlich oder elektronisch gestellt werden; eine Kopie der Vertragsniederschrift ist jeweils beizufügen. Auf einen betrieblichen Ausbildungsplan im Sinne von § 11 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2, der der zuständigen Stelle bereits vorliegt, kann dabei Bezug genommen werden. Entsprechendes gilt bei Änderungen des wesentlichen Vertragsinhalts.

(2) Ausbildende und Auszubildende sind verpflichtet, den zuständigen Stellen die zur Eintragung nach § 34 erforderlichen Tatsachen auf Verlangen mitzuteilen.

Prüfungszeugnisse nach der Systematik der Ausbildungsberufe und der Systematik der Facharbeiterberufe und Prüfungszeugnisse nach § 37 Absatz 2 stehen einander gleich.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.