Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 24. Aug. 2016 - 2 Sa 201/16

bei uns veröffentlicht am24.08.2016
vorgehend
Arbeitsgericht Bamberg, 3 Ca 478/15, 10.02.2016

Gericht

Landesarbeitsgericht Nürnberg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg - Kammer Coburg - vom 10.02.2016, Az. 3 Ca 478/15, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, für den Kläger ein Stundenkonto fortzuführen sowie um die Frage, ob der Kläger berechtigt ist, 8.968,22 Überstunden in Freizeit abzugelten.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Chefarzt der allgemeinchirurgischen Abteilung beschäftigt.

Die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis sind im Arbeitsvertrag vom 01.07.2003 geregelt. Eine regelmäßige Arbeitszeit ist darin nicht vereinbart. Nach § 9 Abs. 1 des Arbeitsvertrages erhält der Kläger eine feste Vergütung nach Vergütungsgruppe I BAT nebst Ortszuschlag, Zulagen, Zuwendung, Urlaubsgeld und vermögenswirksame Leistungen nach den jeweiligen Tarifverträgen für Angestellte des öffentlichen Dienstes. Nach § 9 Abs. 2 des Arbeitsvertrages erhält der Kläger darüber hinaus als variable nicht zusatzversorgungspflichtige Vergütung eine Beteiligung an den Einnahmen des Klinikumträgers bei wahlärztlichen Leistungen und Gutachten. Weiter heißt es in § 9 Abs. 5 des Arbeitsvertrages:

„Mit der Vergütung nach Abs. 1 und 2 sind Überstunden sowie Mehr-, Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit jeder Art sowie Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft abgegolten. Die Einnahmen aus der Beteiligung sind kein zusatzversorgungspflichtiges Entgelt.“

Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf Blatt 6 ff. der Akten Bezug genommen.

Im Jahr 2004 führte die Beklagte in ihrem Betrieb eine Zeiterfassung ein. Sie schloss hierzu unter dem 12.02.2004 mit dem Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung zur bereichsübergreifenden Einführung des Orbis-Dienstplanes und der Orbis-Zeitwirtschaft mittels eines Zeiterfassungssystems“ (künftig BV 2004) ab. Von deren Geltungsbereich waren nach Ziff. 1 alle Arbeiter und Angestellten des Klinikums erfasst. Wegen der Einzelheiten dieser Betriebsvereinbarung wird auf Blatt 104 ff der Akten Bezug genommen.

Eine Anfrage von Chefärzten im Zusammenhang mit der auch für sie vorgesehenen Zeiterfassungspflicht an den Verband der leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e. V. beantwortete der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 17.03.2004 (Blatt 106 der Akten) unter anderem wie folgt:

„…

Zunächst wollen wir einleitend darauf hinweisen, dass der Arbeitgeber durchaus berechtigt ist, eine derartige Zeiterfassung für alle Arbeitnehmer vorzuschreiben. Zwar teilen wir Ihre Auffassung, dass es gerade für Chefärzte wenig sinnvoll ist, eine derartige Zeiterfassung vorzunehmen, da Sie nicht dem Arbeitszeitgesetz unterfallen als auch keine dienstvertragliche Arbeitszeit schulden oder Mehrarbeit vergütet erhalten.

Gleichwohl kann der Arbeitgeber sich bei einer derartigen Maßnahme allein auf die ihm obliegende Fürsorgepflicht berufen, ggf. durch die Erfassung, die notwendigen Informationen über eine etwaige physische oder psychische Überbelastung auch der Chefärzte zu erhalten, um dann ggf. gegenzusteuern. Dass dies in der Realität kaum der Fall sein dürfte, vermag an der formal-juristischen Zulässigkeit einer derartigen Maßnahme nichts zu ändern.

…“

Ein Kollege des Klägers leitete dieses Schreiben mit Rundschreiben vom 23.03.2004 (Blatt 107 der Akten) an die anderen leitenden Ärzte weiter. Mit Schreiben vom 26.03.2004 (Blatt 108 der Akten) wandte sich der damalige Verwaltungsleiter der Beklagten an die leitenden Ärzte und führte hierin aus:

„…

Das Schreiben der RA-Kanzlei habe ich zur Kenntnis genommen. Richtig wird auf die Möglichkeit der Erfassung der Arbeitszeit hingewiesen.

Gleichzeitig möchte der Unterzeichner auf die Vorbildfunktion der Vorgesetzten aufmerksam machen. Gerade der nachgeordnete ärztliche Dienst hat durch seine Schreiben an das Gewerbeaufsichtsamt die Zeiterfassung forciert.…“

Der Kläger und andere Chefärzte nahmen sodann an der Zeiterfassung teil und erhielten monatlich die über das Zeiterfassungssystem erstellte „Dienstleistungsübersicht Erweitert“. Die Übersicht für den Monat Januar 2015 (Blatt 43 ff der Akten) weist zum 31.01.2015 unter der Überschrift „Zeitkonto“ einen „Übertrag“ von 8.925 Stunden 03 Minuten, ein „Soll“ von 160 Stunden, ein „Ist“ von 203 Stunden 19 Minuten, eine „Abw.“ von 43 Stunden 19 Minuten und einen „Saldo“ von 8.968 Stunden 22 Minuten aus. Unter der Überschrift „Arbeitszeitkonto“ heißt es: „ÜStd: 0:00h“.

Die BV 2004 wurde durch die Betriebsvereinbarung vom 12.05.2011 (künftig BV 2011) ersetzt, die wiederum für alle Mitarbeiter des Klinikums Geltung beanspruchte. Wegen der Einzelheiten der BV 2011 wird auf Blatt 115 ff der Akte Bezug genommen.

Der Kläger übermittelte der Verwaltung der Beklagten für einzelne Tage das Formular „RSt 03 Zeitkorrektur“ mit der Bemerkung „Freizeitausgl.“, und markierte als Korrekturgrund „Nr. 6 Zeitkontoausgleich“ (vgl. Blatt 37 - 42 der Akten). Dieses Formular wird für alle Mitarbeiter verwendet.

Überstundenvergütung erhielt der Kläger nicht.

Die BV 2011 wurde wiederum ersetzt durch die Betriebsvereinbarung vom 24.10.2014, in Kraft ab 01.11.2014 (künftig BV 2014). Vom Geltungsbereich der BV 2014 sind die leitenden Abteilungsarzte ausdrücklich ausgenommen. Wegen der Einzelheiten der BV 2014 wird auf Blatt 118 ff der Akten Bezug genommen.

Eine Betriebsvereinbarung, die die Gewährung von Freizeitausgleich oder Überstundenvergütung regelt, existiert bei der Beklagten nicht.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 22.04.2015 (Blatt 121 der Akten) wandte sich der Kläger an die Beklagte und führte hierin unter anderem aus:

„…

Es ist in der Vergangenheit stets sowohl bei unserem Mandanten als auch bei anderen Ärzten, Oberärzten und Chefärzten in Ihrem Hause so gehandhabt worden, dass geleistete Überstunden im Wege des Freizeitausgleichs abgegolten werden konnten und auch wurden. Dass sie nunmehr unserem Mandanten gegenüber erklärt haben, an dieser seit Jahren gelebten Praxis nicht mehr festhalten zu wollen, müssen wir sie namens und kraft Vollmacht unseres Mandanten auffordern, uns gegenüber rechtsverbindlich zu erklären, dass auch weiterhin die Abgeltung der geleisteten und von ihm auch erfassten und dokumentierten Überstunden durch Freizeitausgleich für unseren Mandanten möglich ist.

…“

Die Beklagte wies die Forderung zurück.

Mit seiner am 25.06.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 06.07.2015 zugestellten Klage verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter und begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Fortführung des für ihn geführten Stundenkontos sowie die Feststellung seiner Berechtigung, angesammelte 8.968,22 Überstunden in Freizeit abzugelten, hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten, entsprechenden Freizeitausgleich zu gewähren.

Seit Beginn der täglichen Stundendokumentation, die zum damaligen Zeitpunkt gegen den Willen der leitenden Ärzte und Chefärzte eingeführt worden sei, sei es sämtlichen Mitarbeitern möglich, die so angesammelten Überstunden in Freizeit auszugleichen. Dem Kläger sei, wie den anderen Chefärzten auch, Freizeitausgleich unter Verwendung des bei der Beklagten für alle Mitarbeiter vorgehaltenen Formulars „RSt 03“ gewährt und im Arbeitszeitkonto fortlaufend vermerkt worden, ohne dass ihm Urlaub oder eine Freistellung durch die Beklagte gewährt worden sei.

Die Einstellung der Beklagten zur „Stempelpflicht“ für leitende Ärzte habe sich aufgrund der Vielzahl der angehäuften Überstunden plötzlich geändert. Die Beklagte habe erklärt, dass sämtliche dokumentierten Überstundenguthaben der Chefärzte ersatzlos verfielen. Durch die über viele Jahre hinweg sämtlichen Mitarbeitern vorbehaltlos gewährte Möglichkeit, geleistete Überstunden in Freizeit auszugleichen, sei eine betriebliche Übung entstanden. Diese sei durch die Beklagte im Wege der Erfassung und Berücksichtigung durch das Zeiterfassungssystem auch gebilligt worden. Aus dem Verhalten der Beklagten habe der Kläger schließen dürfen, dass ihm diese Möglichkeit dauerhaft eingeräumt werde. Die Schreiben aus dem Jahre 2004 seien nicht mehr von Bedeutung. Auch die arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschlussfrist sei eingehalten worden, nachdem zum Zeitpunkt der Klageerhebung die angesammelten Überstunden nach wie vor auf dem Zeitkonto gestanden hätten.

Die Verpflichtung der Beklagten zur Führung des Stundenkontos habe sich nicht ursprünglich aus der BV 2004 ergeben. Obwohl der BV 2004 zu entnehmen sei, dass diese für alle Arbeiter und Angestellten gelte, treffe dies für die Chefärzte nicht zu. Dies ergebe sich schon aus dem Sinn und Zweck der Betriebsvereinbarung, da arbeitsvertraglich gerade keine Arbeitszeit festgehalten worden sei und sich die Gehaltszahlung nicht nach den durch den Kläger geleisteten Arbeitszeiten richte. Durch die Beklagte sei jedoch einseitig eine Anwendung der BV 2004 auf die Chefärzte erfolgt. Im Zeiterfassungssystem habe die Beklagte entgegen den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen für alle Chefärzte eine tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden festgelegt mit der Folge, dass Mehrarbeit entsprechend ausgewiesen und von Monat zu Monat addiert worden sei.

Die Beklagte trug erstinstanzlich vor, die Pflicht der Chefärzte (= leitende Ärzte) zur Teilnahme an der Zeiterfassung sei im Jahr 2004 durch Betriebsvereinbarung eingeführt und zum 01.11.2014 durch Betriebsvereinbarung aufgehoben worden.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Abgeltung der vermeintlich angesammelten Überstunden. Arbeitsvertraglich sei eine Arbeitszeit nicht vereinbart worden, selbst die Höchstarbeitszeit des Arbeitszeitgesetzes greife für den Kläger gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 2. Fall ArbZG nicht. Überstunden seien demnach schon begrifflich nicht möglich.

Jedenfalls sei ein Anspruch auf Abgeltung der Überstunden durch die Regelung in § 9 Abs. 5 des Arbeitsvertrages wirksam ausgeschlossen. Selbst ohne die dortige Regelung läge eine Vergütungspflicht mangels objektiver Vergütungserwartung gemäß § 612 Abs. 1 BGB nicht vor. Der Kläger beziehe ein Entgelt deutlich über der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung, im Jahr 2015 habe er insgesamt etwa 217.000 € verdient. Zudem leiste er als Chefarzt Dienste höherer Art. Schließlich erhalte der Kläger zusätzlich zu seinem Festgehalt eine variable Vergütung, deren Höhe insbesondere von dem zeitlichen Arbeitseinsatz des Klägers abhänge.

Auch ein Anspruch aus betrieblicher Übung bestehe nicht. Es fehle substantiierter Vortrag dazu, dass ihm und seinen Chefarzt-Kollegen in der Vergangenheit wiederholt Freizeitausgleich für sämtliche in der Dienstleistungsübersicht ausgewiesene Plus-Salden gewährt worden wäre. Lediglich das den Chefärzten nachgeordnete ärztliche Personal habe die Möglichkeit, Überstunden anzusammeln und in Freizeit oder Entgelt ausgeglichen zu bekommen. Die Chefärzte hätten eine solche Möglichkeit nicht gehabt. Ihnen sei lediglich aus Kulanz für einzelne Tage im Jahr Freistellung gewährt worden, wobei die Anzahl dieser Tage nicht gleichförmig gewesen sei. Wenn die Gewährung einzelner Freistellungen der Chefärzte mithilfe der Formulare vorgenommen worden sei, so sei dies nur aus Gründen der Praktikabilität erfolgt. Eine Gewährung durch die Beklagte werde bestritten.

Durch die Führung des Stundenkontos auch für die Chefärzte sei kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Dass bei dem Kläger keine Überstunden angefallen seien, sei schon aus der Dienstleistungsübersicht mit dem Hinweis „ÜStd.: 0h00“ zum Ausdruck gebracht worden. Zudem sei der Kläger bereits durch das Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 17.03.2004 darüber informiert gewesen, dass er keine dienstvertragliche Arbeitszeit schulde, Mehrarbeit nicht vergütet erhalte und sich dies durch die Teilnahme an der Zeiterfassung nicht ändere.

Die Beklagte habe auch nicht behauptet, dass sämtliche dokumentierten Überstundenguthaben der Chefärzte ersatzlos verfielen. Vielmehr habe der Verwaltungsleiter Herr J… in den Besprechungen erklärt, dass eine Abgeltung von Überstunden in den Arbeitsverträgen der Chefärzte ohnehin nicht vereinbart sei, so dass sich deren Nicht-Teilnahme an der Zeiterfassung nicht auswirke.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vortrags der Parteien sowie der Antragstellung wird auf den Tatbestand im Urteil des Arbeitsgerichts (Blatt 195-199 der Akten) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Endurteil vom 10.02.2016, der Beklagten zugestellt am 03.05.2016, abgewiesen.

Eine Verpflichtung zur Fortführung des Stundenkontos bestehe nicht, da die BV 2014 die Chefärzte nicht mehr erfasse. Dagegen hätten die BV 2004 und BV 2011 auch für die Chefärzte und damit den Kläger gegolten, so dass es sich bei der Zeiterfassung auch für die Chefärzte um Normenvollzug gehandelt habe. Dies schließe das Entstehen einer betrieblichen Übung aus. Ein Anspruch auf Freizeitausgleich bzw. entsprechend bezahlter Freizeitgewährung ergebe sich weder aus dem Arbeitsvertrag, noch habe der Kläger, die Unwirksamkeit von § 9 Abs. 5 des Arbeitsvertrages unterstellt, eine Vergütung nach den Umständen erwarten können. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung sei ebenfalls nicht gegeben. Der Kläger habe ein Verhalten der Beklagten mit einem Erklärungswert betreffend die Verpflichtung, den Chefärzten zukünftig Freizeitausgleich im Umfang des im Zeitkonto des Zeiterfassungssystems aufgeführten Saldos zu gewähren, nicht darlegen können. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe im Urteil des Arbeitsgerichts (Blatt 199-208 der Akten) verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 04.05.2016, eingegangen beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 06.05.2016, legte der Kläger gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berufung ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 06.06.2016, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tage eingegangen.

Der Kläger hält auch in der Berufungsinstanz unter Bezugnahme und weiterer Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages in vollem Umfange daran fest, dass das Stundenkonto weiterzuführen sei und er Anspruch auf bezahlten Freizeitausgleich für die geleisteten Überstunden habe.

Erst nach der Erläuterung, dass dem Arbeitgeber die Einführung einer Zeiterfassung unter Hinweis auf seine Fürsorgepflicht grundsätzlich möglich sei, und nach Erinnerung der Beklagten an die Vorbildfunktion der Vorgesetzten hätten sich die leitenden Ärzte mit der Führung des Stundenkontos einverstanden erklärt. Die Einführung des Zeitkontos für den Kläger sei damit nicht auf Grundlage der BV 2004 erfolgt, sondern lediglich anlässlich dieser Betriebsvereinbarung. Durch die über 10 Jahre hinweg sämtlichen Mitarbeitern, insbesondere auch den leitenden Ärzten, vorbehaltlos gewährte Möglichkeit, die geleisteten Überstunden zu erfassen und unter anderem auch in Freizeit auszugleichen, sei eine betriebliche Übung entstanden. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt erkennen lassen, dass die Möglichkeit der Abgeltung von Überstunden sowie der Dokumentation unter einem Widerrufs- oder Freiwilligkeitsvorbehalt gestanden habe oder befristet sei.

Die Beklagte habe ihren leitenden Ärzten die Möglichkeit, die geleisteten Überstunden in Freizeit auszugleichen, über 10 Jahre hinweg wiederholt nach identischem schematischem Verlauf und mittels von der Beklagten vorgegebenen Formularen gewährt. Hierzu habe keine vertragliche Verpflichtung bestanden. Der Kläger, wie auch die übrigen Chefärzte, hätten das Formular RSt 03 wie alle anderen Mitarbeiter verwendet und mittels dieses Formulars ihren Freizeitausgleich jeweils bei der Beklagten beantragt und dann auch entsprechend tatsächlich gewährt erhalten. Entsprechend dieser Gewährung sei dann auch jeweils das Arbeitszeitkonto um die gewährten Freizeiten gekürzt worden. Diese tatsächlichen Abläufe erfüllten die Voraussetzungen, die das Bundesarbeitsgericht für das Vorliegen eines Anspruchs aus betrieblicher Übung konstituiert habe.

Dass bei keinem der leitenden Ärzte das gesamte aufgelaufene Zeitkonto jemals vollständig ausgeglichen worden sei, spreche nicht gegen das Vorliegen einer betrieblichen Übung. Auch der Beklagten dürfte klar sein, dass ein Gesamtausgleich der aufgelaufenen Zeitkonten in Freizeit zu erheblichen personellen Schwierigkeiten führen dürfte, was weder im Interesse des Klägers noch der Beklagten läge. Allein dies sei der Grund, warum der Freizeitausgleich wiederholt jeweils nur für einzelne Tage in Anspruch genommen worden sei; gerade hierin liege die erforderliche Regelhaftigkeit. Die tatsächliche Leistungsgewährung seitens der Beklagten liege in der Billigung der konkreten Dienstplangestaltung, da die Dienstpläne unter Berücksichtigung des jeweils beantragten Freizeitausgleichs erstellt worden seien. Es komme daher nicht darauf an, ob die Anträge auf Gewährung von Freizeitausgleich von der Beklagten gegengezeichnet worden seien oder nicht.

Die Beklagte habe auch für die Chefärzte ein festes Arbeitszeitkontingent geregelt in dem von der Beklagten installierten System mit den entsprechend von ihr vorgegebenen Parametern: Regelmäßige tägliche Sollarbeitszeit von 8 Stunden und darüber hinausgehende Stunden als Überstunden. Die so aufgelaufenen Überstunden seien teilweise durch Freizeitausgleich abgegolten worden.

Der Kläger beantragte im Berufungsverfahren daher,

  • 1.die Beklagte und Berufungsbeklagte unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bamberg vom 10.02.2016, Az.: 3 Ca 478/15, zu verpflichten, das von ihr geführte Stundenkonto für den Kläger fortzuführen;

  • 2.unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bamberg vom 10.02.2016, Az.: 3 Ca 478/15 festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, die angesammelten 8.968,22 Überstunden in Freizeit abzugelten.

Hilfsweise:

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bamberg vom 10.02.2016, Az.: 3 Ca 478/15, die Beklagte dazu zu verpflichten, dem Kläger Freizeitausgleich für die angesammelten 8.968,22 Überstunden zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Ersturteil unter Wiederholung und weiterer Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages.

Die Chefärzte seien entgegen der Ansicht des Klägers unmittelbar unter den Geltungsbereich der BV 2004 gefallen. Der Kläger zähle nicht zu den leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG. Auch wenn sich der Kläger und die übrigen Chefärzte erst später mit der Teilnahme an der Zeiterfassung einverstanden erklärt hätten, ändere dies nichts an der unmittelbaren Verpflichtung aus der Betriebsvereinbarung. Der Hinweis der Beklagten auf die Vorbildfunktion habe dementsprechend lediglich als Begründung dafür gedient, warum die Verpflichtung auch der Chefärzte zur Teilnahme an der Zeiterfassung sinnvoll sei. Da mit der ablösenden Betriebsvereinbarung die Pflicht der Chefärzte zur Führung eines Stundenkontos aufgehoben worden sei, sei eine Berufung der Beklagten auf einen Widerrufs- oder Freiwilligkeitsvorbehalt oder eine Befristung nicht erforderlich.

Ein Anspruch aus betrieblicher Übung auf Freizeitausgleich sei nicht schlüssig dargelegt. Bereits aus dem Umfang des vom Kläger eingeklagten Freizeitausgleichs werde deutlich, dass eine solche nicht bestanden habe. Auch bei anderen leitenden Ärzten seien in der Zeitkontoübersicht hohe Plussalden ausgewiesen. In keinem einzigen Fall sei das gesamte aufgelaufene Zeitkonto jemals ausgeglichen worden. Die Gewährung von Freizeitausgleich für einzelne Tage ohne erkennbare Regel reiche zur Begründung einer betrieblichen Übung nicht aus. Der Kläger habe die Abgeltung von im Zeitkonto ausgewiesenen Überstunden von insgesamt mehreren Jahren geltend gemacht, jedoch nur 10 Tage gewährten Freizeitausgleich konkret behauptet.

Die Erfassung und Auflistung der Stunden habe auf den BV 2004 und BV 2011 beruht; schon deshalb könne keine betriebliche Übung entstanden sein. Zudem sei die Erfassung und Auflistung der Stunden erkennbar automatisiert erfolgt. Eine tatsächliche Leistungsgewährung liege daher nicht vor. Auch eine Verrechnung von Freizeitausgleich mit erfassten Überstunden habe nicht stattgefunden. Vielmehr seien nicht gearbeitete Stunden lediglich als solche automatisiert vom Zeiterfassungssystem erfasst worden. Die Beklagte habe für die Chefärzte auch keine tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden festgelegt.

Soweit der Kläger an einigen Tagen nicht gearbeitet habe, führe dies lediglich dazu, dass an diesen Tagen auch keine vom Kläger gearbeiteten Stunden festgestellt worden seien. Eine Reduzierung des Zeitkontos sei aber nicht erfolgt, durch die Nichtarbeit des Klägers sei lediglich ein noch stärkerer Anstieg des Zeitkontos verhindert worden. Die in den Dienstleistungsübersichten angegebene monatliche Sollarbeitszeit bestimme sich nach der Anzahl der Arbeitstage im betreffenden Monat, wobei Samstage, Sonntage und gesetzliche Feiertage nicht als Arbeitstage gewertet würden.

Jedenfalls bestehe keine betriebliche Übung auf Ausgleich des gesamten aufgelaufenen Zeitkontos, da das aufgelaufene Zeitkonto niemals ganz ausgeglichen worden sei. Mit der Erfüllung seiner Pflicht aus § 3 Absatz 4 lit. a des Arbeitsvertrages zur Aufstellung der Dienstpläne habe der Kläger ohne Zutun der Beklagten selbst dafür gesorgt, dass er an den von ihm behaupteten Tagen nicht zum Dienst eingeteilt gewesen sei. Die Kenntnis der Beklagten von der konkreten Dienstplangestaltung habe der Kläger aber nicht vorgetragen und habe auch nicht vorgelegen. Da die Beklagte die konkreten Dienstpläne nicht gekannt habe, könne hierin auch keine Billigung des Freizeitausgleichs liegen. Da die Zeiterfassung bei der Beklagten ein automatisierter Vorgang sei, könne an der Einführung dieser automatisierten Zeiterfassung nicht im Hinblick auf eine betriebliche Übung angeknüpft werden, zum einen, weil die Einführung aufgrund einer Betriebsvereinbarung erfolgt sei, zum anderen, weil es sich lediglich um einen einmaligen Vorgang gehandelt habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 06.06.2016 (Blatt 229 - 235 der Akten) und vom 16.08.2016 (Blatt 277 - 280 der Akten) sowie auf die Schriftsätze der Beklagten vom 08.08.2016 (Blatt 257 - 272 der Akten) und vom 20.08.2016 (Blatt 285 - 288 der Akten) verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Fortführung des Stundenkontos und bezahlten Freizeitausgleich hat. Entsprechende Ansprüche ergeben sich insbesondere auch nicht nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung.

A.

Die Berufung des Klägers ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist ein-gelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

B.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die erkennende Kammer folgt der Begründung des Erstgerichts und macht sich dessen Ausführungen zu eigen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Dies gilt insbesondere zur Frage der Zulässigkeit der Anträge. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Parteien sind noch folgende Ausführungen veranlasst:

I. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte für ihn das Stundenkonto fortführt. Ein entsprechender Anspruch folgt weder aus Betriebsvereinbarung noch aus dem Arbeitsvertrag oder aus betrieblicher Übung.

1. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, das Stundenkonto auf Grund Betriebsvereinbarung fortzuführen. Zwar können Betriebsvereinbarungen individuelle Rechte für die Arbeitnehmer begründen (§ 77 Abs. 4 BetrVG). Auch wenn der Kläger als Chefarzt unter den Anwendungsbereich der die Teilnahme am Zeiterfassungssystem regelnden BV 2011 gefallen wäre, so ist diese Betriebsvereinbarung jedenfalls durch die BV 2014 vollständig mit Wirkung zum 01.11.2014 abgelöst worden. Damit endete die Geltung der Vorgängerregelung. Die BV 2014 nimmt die leitenden Ärzte, zu denen der Kläger als Chefarzt unstrittig zählt, aber vom Anwendungsbereich aus.

2. Der Kläger hat keinen vertraglichen Anspruch auf Fortführung des Stundenkontos, insbesondere nicht aus betrieblicher Übung.

a. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Erbringt der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar aufgrund einer anderen Rechtspflicht, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden (st. Rspr. z.B. BAG 27.04.2016 -5 AZR 311/15 - Rn 27).

b. Bezogen auf die Führung des Stundenkontos scheidet ein Anspruch aus betrieblicher Übung schon deshalb aus, weil die Beklagte mit der Führung der Stundenkonten auch für die Chefärzte erkennbar die BV 2004 und die ablösende BV 2011 durchführen wollte (§ 77 Abs. 1 BetrVG).

aa. Beide Betriebsvereinbarungen galten nach deren § 1 für „alle Arbeiter und Angestellten“ bzw. „für alle Mitarbeiter“, also auch für den Kläger als im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses angestellten Chefarzt.

bb. Der Kläger ist kein leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG und daher nicht von der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes und damit der o.g. Betriebsvereinbarungen ausgenommen.

(1) Der Kläger ist nicht zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG). Im Arbeitsvertrag findet sich hierzu keine Befugnis. Er kann, bezogen auf die nachgeordneten Ärzte seiner Abteilung, lediglich Vorschläge im Benehmen mit dem Klinikumsträger machen (§ 3 Abs. 4 lit. b Arbeitsvertrag).

(2) Dass dem Kläger Generalvollmacht oder Prokura erteilt wäre (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG) ist weder behauptet noch sonst ersichtlich.

(3) Der Kläger ist auch kein leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG. Ob ein Chefarzt leitender Angestellter i.S.v. § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG ist, hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab (BAG 05.05.2010 - 7 ABR 97/08 - Rn 14).

(a) Allein die formale Stellung eines Chefarztes genügt nicht zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG. Dies folgt bereits aus § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG. Danach ist das ArbZG nicht anzuwenden auf leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG sowie auf Chefärzte. Die Erwähnung der Chefärzte in dieser Vorschrift wäre überflüssig, wenn sie ohne Weiteres dem Begriff des leitenden Angestellten unterfallen würden (BAG 05.05.2010 - 7 ABR 97/08 - Rn 15).

Ein Chefarzt ist auch nicht bereits deshalb leitender Angestellter, weil er regelmäßig frei und eigenverantwortlich Entscheidungen etwa über die Einführung spezieller Untersuchungs-, Behandlungs- und Therapiemethoden fällen kann (BAG a.a.O, Rn 16). Zwar obliegt dem Chefarzt eines Krankenhauses die Verantwortung im ärztlichen Bereich, wenn er eigenverantwortlich handelt und an Weisungen im Zweifel nicht gebunden ist. Die ärztliche Behandlung einschließlich der Entscheidung über bestimmte Behandlungsmethoden hat jedoch nicht in erster Linie eine unternehmerische Dimension. Sie zielt auf den Heilerfolg. Ärztliche Entscheidungen erklären sich aus den Besonderheiten des Arzt-Patientenverhältnisses und richten sich in erster Linie am Berufsrecht aus (§ 1 Abs. 2 BÄO). Ärztliche Entscheidungen des Chefarztes sind der Disposition des Arbeitgebers entzogen und betreffen nicht ohne Weiteres eine unternehmerische Aufgabenstellung im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG (BAG a.a.O.).

Maßgeblich für die Qualifizierung eines Chefarztes als leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG ist vielmehr, ob er nach der konkreten Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensführung ausüben kann. Dazu muss er nicht notwendig Mitglied der Krankenhausverwaltung sein. Erforderlich ist aber, dass er nach dem Arbeitsvertrag und der tatsächlichen Stellung in der Klinik der Leitungs- und Führungsebene zuzurechnen ist und unternehmens- oder betriebsleitende Entscheidungen entweder selbst trifft oder maßgeblich vorbereitet. Ausdruck einer solchen Stellung können z.B. die selbständige Verwaltung eines nicht ganz unerheblichen Budgets oder die zwingende Mitsprache bei Investitionsentscheidungen sein (BAG a.a.O., Rn 17).

(b) Nach diesen Kriterien ist der Kläger kein leitender Angestellter im Sinne das § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG.

Nach § 2 des Arbeitsvertrages ist der Kläger zwar in seiner ärztlichen Verantwortung bei der Diagnostik und Therapie unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet. Im Übrigen aber ist er an die Weisungen des Klinikumsträgers, der Klinikumsleitung und des leitenden Arztes des Klinikums gebunden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Arbeitsvertrag). Vor wichtigen Entscheidungen wird der Klinikumsträger den Kläger hören, soweit sein Aufgabengebiet betroffen ist (§ 2 Abs. 1 Satz 4 Arbeitsvertrag). Hieraus ergibt sich, dass die Beklagte Vorstellungen und Vorschläge des Klägers grundsätzlich gerade nicht berücksichtigen muss. Auch bei den personellen Maßnahmen Anstellung, Umsetzung, Versetzung, Abordnung, Beurlaubung und Entlassung gegenüber den nachgeordneten Ärzten kann der Kläger lediglich Vorschläge machen (§ 3 Abs. 4 lit. b Arbeitsvertrag).

Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger über seine medizinischen Aufgaben hinaus tatsächlichen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen, beispielsweise zum Leistungsspektrum seiner Abteilung und damit auf die Gestaltung des Budgets, ausüben kann. Im Gegenteil hat der Kläger nach § 6 Abs. 2 Arbeitsvertrag Einvernehmen mit dem Klinikumsträger herbeizuführen über die Einführung neuer diagnostischer und therapeutischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden bzw. Maßnahmen, die wesentliche Mehrkosten verursachen, soweit nicht unabdingbar. Dies gilt ausdrücklich auch für die Verordnung von Arzneimitteln und medizinischem Bedarf.

Auch die Delegationsstufe des Klägers spricht nicht für seine Zugehörigkeit zur Leitungsebene. Vielmehr ist er nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags an die Weisungen des Klinikumsträgers, der Klinikumsleitung und des leitenden Arztes des Klinikums gebunden.

Aus der dem Kläger übertragenen Personalverantwortung und der administrativen Leitung für seine Abteilung lässt sich ebenfalls nicht die Eigenschaft als leitender Angestellter ableiten. Personalverantwortung und administrative Leitung sind nicht Tatbestandsmerkmale des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG. Eine „schlichte Vorgesetztenstellung“ ist für eine Qualifikation als leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG nicht ausschlaggebend (BAG a.a.O. Rn 30).

Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass die Erfüllung unternehmerischer (Teil-) Aufgaben der Tätigkeit des Klägers das Gepräge geben und jedenfalls ein beachtlicher Teil seiner Tätigkeit hiervon beansprucht würde.

Auf die Auslegungsregeln § 5 Abs. 4 BetrVG kommt es daher nicht an.

cc. Selbst wenn der Kläger als Chefarzt nicht unter die BV 2004 und BV 2011 gefallen wäre, so war doch erkennbar, dass die Beklagte hiervon ausging. Sie wollte die Zeiterfassung ausnahmslos für alle Mitarbeiter einführen. Dies zeigt gerade die Auseinandersetzung zwischen den Chefärzten und der Beklagten im Jahre 2004, dem Zeitpunkt der Einführung. Dass sich die Chefärzte möglicherweise auf Grund des Schreibens der Kanzlei des Klägervertreters vom 17.03.2004 lediglich auf Grund des insoweit auch bestehenden Direktionsrechts der Beklagten verpflichtet sahen, an der Zeiterfassung teilzunehmen, ist irrelevant. Die Beklagte jedenfalls hat nie erkennen lassen, dass der Kläger und die anderen Chefärzte nicht unter die BV 2004 fallen würden. Hieran ändert auch der Hinweis auf die Vorbildfunktion der Chefärzte im Schreiben des Verwaltungsleiters vom 26.03.2004 nichts. Denn Vorbild sein heißt insbesondere, sich an aus Sicht der Beklagten geltende Betriebsvereinbarungen zu halten. Auch im Schreiben der Kanzlei des Klägervertreters wird nicht etwa darauf hingewiesen, dass die Betriebsvereinbarung nicht für die Chefärzte gelten würde, es wurde lediglich die Sinnhaftigkeit der Zeiterfassung für Chefärzte bezweifelt.

II. Der Kläger ist nicht berechtigt, die angesammelten 8.968,22 Überstunden in Freizeit abzugelten (Antrag zu 2). Der Kläger hat keine Überstunden angesammelt. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, wären sie nicht abzugelten - auch nicht in Freizeit.

1. Der Kläger hat kein Überstundenguthaben aufgebaut. Bei dem in der Dienstleistungsübersicht Erweitert unter der Rubrik Zeitkonto ausgewiesenen Saldo von 8.968,22 Stunden handelt es sich nicht um Überstunden. Diese Stunden sind daher auch nicht ausgleichspflichtig.

a. Die Vergütung von Überstunden ist schon deshalb ausgeschlossen, weil solche im Arbeitsverhältnis der Parteien nicht angefallen sind.

aa. Überstunden liegen vor, wenn die Dauer der geleisteten Arbeitszeit die Dauer der geschuldeten Arbeitszeit übersteigt. Welche Arbeitszeit geschuldet ist, richtet sich nach dem Arbeitsvertrag.

bb. Arbeitsvertraglich ist eine geschuldete Arbeitszeit nicht festgelegt. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig und ergibt sich auch eindeutig aus dem Arbeitsvertrag. Zwar richtet sich das Festgehalt des Klägers nach den Tarifverträgen des Öffentlichen Dienstes in der jeweiligen Fassung der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände VKA (§ 9 Abs. 1 Arbeitsvertrag). Regelungen zur Arbeitszeit finden sich im Arbeitsvertrag jedoch nicht. Im Gegenteil ist in § 1 Abs. 12 Arbeitsvertrag, der auf eine ganze Reihe einzelner Vorschriften des BAT Bezug nimmt, auf die Regelungen zur Arbeitszeit (§§ 15 - 18 BAT) ausdrücklich nicht verwiesen.

cc. Eine betriebsübliche Arbeitszeit für Chefärzte im Klinikum der Beklagten ist ebenfalls nicht festzustellen. Zwar ist dies bei tarifgebundenen Arbeitgebern im Zweifel die tarifliche Arbeitszeit. Für Chefärzte finden die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes auch im Bereich des VKA aber ausdrücklich keine Anwendung (§ 3 lit. i BAT, § 1 Abs. 2 a TVöD, § 1 Abs. 3 TV-Ärzte VKA). Da Chefärzte auch ausdrücklich nicht unter die Schutzvorschriften des Arbeitszeitgesetzes fallen (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG) ist eine regelmäßige Arbeitszeit nicht einmal in Form einer Höchstarbeitszeit feststellbar (vgl. Wern in Arbeitsrecht im Krankenhaus, 2007, Teil 5 A Rn 23).

dd. Auch mit der Einführung der Zeiterfassung haben die Parteien eine geschuldete Arbeitszeit nicht vereinbart. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte mit der Einführung des Zeiterfassungssystems die geschuldete Arbeitszeit der Chefärzte festlegen wollte, insbesondere nicht auf eine 40-Stunden-Woche. Dies hätte angesichts der von diesen geleisteten Arbeitszeiten eine deutliche Verkürzung bedeutet. Die Beklagte hielt die Chefärzte zwar für verpflichtet, an der Zeiterfassung teilzunehmen und appellierte auch an deren Vorbildfunktion. Diese wollten unstreitig zunächst aber überhaupt nicht an der Zeiterfassung teilnehmen. Erst nach rechtlichen Hinweisen durch die Kanzlei des Klägervertreters auf das Direktionsrecht der Beklagten und dem Hinweis der Beklagten auf die Vorbildfunktion der Chefärzte kam es zur Teilnahme an der Zeiterfassung. Aus der bloßen Teilnahme an der Zeiterfassung kann daher nicht auf einen rechtsgeschäftlichen Willen geschlossen werden, eine regelmäßig geschuldete Arbeitszeit überhaupt zu vereinbaren - geschweige denn einen 8-Stunden-Tag. Der Kläger war mit Schreiben der Kanzlei seines Prozessvertreters vom 17.03.2004 auch ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Chefärzte keine dienstvertragliche Arbeitszeit schulden. Die Beklagte hat auch im Schreiben vom 26.03.2004 keine andere Auffassung vertreten.

ee. Aus der Buchung auf dem Zeitkonto folgt nichts anderes. Die regelmäßigen Buchungen auf dem Arbeitszeitkonto sind keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen, sondern tatsächliche Handlungen im Sinne sogenannter Wissenserklärungen. Der Arbeitnehmer, der Kenntnis von der Buchung erhält, kann nicht annehmen, es handele sich um eine auf Bestätigung oder gar Veränderung der Rechtslage gerichtete Willenserklärung im Sinne eines deklaratorischen oder konstitutiven Schuldanerkenntnisses (BAG 23.09.2015 - 5 AZR 767/13 - Rn 23). Aus den Buchungen ist lediglich ersichtlich, wie viele Stunden der Kläger geleistet hat über die in der Zeiterfassung zu Grunde gelegten 8 Stunden für Montag bis Freitag von 07.00 - 15.30 Uhr abzüglich der Pause von 12.00 - 12.30 Uhr. Die angefallenen Stunden sind in der Rubrik Zeitkonto aufgeführt, in der Rubrik Arbeitszeitkonto ist jedoch immer „ÜStd: 0h00“, also keine Überstunden, vermerkt. Überhaupt sind auf dem Arbeitszeitkonto keinerlei Zugänge oder Abgänge („Abtragung“) enthalten, obwohl bei den einzelnen Tagen durchaus etwa „Arbeit am Sonntag“, „Nachtarbeit TVöD“, „Überstundenzuschlag“ etc. eingetragen ist (vgl. z.B. Blatt 109 ff der Akten). Deshalb konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass - trotz der in der elektronischen Zeiterfassung hinterlegten Sollarbeitszeit von 8 Stunden täglich - die Beklagte nunmehr eine regelmäßige Arbeitszeit entgegen der Regelungen im Arbeitsvertrag vereinbaren wollte.

Auch aus dem gesondert geführten „Überstundenkonto“ jeweils am Ende der Dienstleistungsübersichten, in dem Bereitschaftsdienste, Rufbereitschaft und Überstunden aufgeführt sind, kann der Kläger nichts für seine Rechtsauffassung ableiten. Dort sind zwar geleistete Überstunden vermerkt. Diese Zahlen decken sich aber nicht mit der Rubrik „Abw.“ im Zeitkonto und wurden auch nicht fortgeführt.

ff. Auch in den BV 2004 und BV.2011 sind Arbeitszeiten nicht geregelt, insbesondere nicht für die Chefärzte. Vielmehr heißt es dort jeweils in § 2 vorletzter Absatz:

„Ein Bestandteil sind die Zeitkonten, die automatisch vom System für jeden Mitarbeiter geführt werden. Das Zeitkonto erfasst die Zeitschulden bzw. Zeitguthaben, die im Allgemeinen durch Abweichung der dienstplanmäßigen Arbeitszeit von der tariflichen Arbeitszeit entstehen. Das Überstundenkonto erfasst Überschreitungen der dienstplanmäßigen Arbeit durch die geleistete Arbeit. …“

Das mit der BV 2004 eingeführte Zeitkonto nimmt also nur Bezug auf bestehende Regeln, schafft aber keine. Für den Kläger als Chefarzt bestand jedoch ohnehin nie eine tarifliche Arbeitszeit (s. o.), ebenso wenig wie eine dienstplanmäßige Arbeitszeit, die hätte über- oder unterschritten werden können. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung selbst erklärt, nicht Teil des Dienstplans zu sein (vgl. Protokoll vom 24.08.2016, Blatt 293 der Akten).

gg. Die Vereinbarung einer vertraglich geschuldeten Arbeitszeit ist auch nicht im Wege betrieblicher Übung erfolgt. Die Zeiterfassung wurde im Jahre 2004 auch für die Chefärzte eingeführt und immer in der gleichen Weise durchgeführt. Allein das einmalige Zugrundelegen einer 40-Stunden-Woche ist für sich genommen jedoch keine Leistung oder Vergünstigung. Denn wie die anderen Arbeitnehmer auch, hätte der Kläger, und ebenso die anderen Chefärzte, dann auch einen möglichen Minussaldo wieder ausgleichen müssen.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Freizeitausgleich für die im Saldo der „Dienstleistungsübersicht Erweitert“ ausgewiesenen Stunden, selbst wenn diese Überstunden im Rechtssinne wären.

a. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus den BV 2004 und 2011. Die Betriebsvereinbarungen regeln nur die Zeiterfassung aufgrund der Dienstplanung, schaffen aber selbst keine Rechtsgrundlage für den Zeitausgleich. Dies wird von den Parteien auch nicht behauptet.

b. Auch aus dem Arbeitsvertrag ergibt sich ein solcher Anspruch nicht.

aa. Die tariflichen Regeln zur Arbeitszeit und zum Ausgleich von Überstunden im BAT, die abgelöst wurden durch den TV Ärzte (VKA) bzw. den TVöD-K (VKA), sind im Arbeitsvertrag gerade nicht in Bezug genommen. Eine sonstige Regelung zur Bezahlung oder zum Freizeitausgleich von Überstunden besteht nicht. Nach dem Arbeitsvertrag (§ 9 Abs. 5) sind mit der Vergütung (Festgehalt und Beteiligungsvergütung) sämtliche Überstunden sowie Mehr-, Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit jeder Art sowie Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft sogar ausdrücklich abgegolten.

Es kann dahingestellt bleiben, ob eine solche Klausel in Chefarztverträgen mit Beteiligungsvergütung wirksam ist oder mangels Transparenz nach § 307 Abs. 3 Satz 2 iVm Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, wenn sie nicht individuell ausgehandelt ist (vgl. zur Pauschalabgeltung von Überstunden allgemein zuletzt BAG 18.11.2015 - 5 AZR 751/13 - Rn 23 mwN; kritisch für Chefarztverträge: Münzel, Chefarztverträge und AGB, NZA, 2011, 886; offengelassen für Rufbereitschaftsdienste LAG Hamm 15.03.2013 - 18 Sa 1802/12 - Rn 48 mwN).

bb. Wäre die vertragliche Vereinbarung über die Abgeltung von Überstunden unwirksam, dann ist im Vertrag die Vergütung dieser Leistungen weder positiv noch negativ geregelt. In diesem Fall kommt grundsätzlich ein Entgeltanspruch aus § 612 Abs. 1 BGB in Betracht (BAG 16.05.2012 - 5 AZR 347/11), der je nach Vereinbarung auch in Freizeitausgleich bestehen kann (vgl. Küttner/Poeche, 23. Auflage, 2016, Überstunden, Rn 14).

Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Erforderlich ist eine objektive Vergütungserwartung, die zwar in weiten Teilen des Arbeitslebens unproblematisch gegeben sein wird. Da es jedoch einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gerade bei Diensten höherer Art nicht gibt, ist die Vergütungserwartung stets anhand eines objektiven Maßstabes festzustellen (BAG 22.02.2012 - 5 AZR 765/10: 21.09.2011 - 5 AZR 629/10; 17.08.2011 - 5 AZR 406/10). Darlegungs- und beweispflichtig für das Bestehen einer Vergütungserwartung ist nach allgemeinen Grundsätze derjenige, der eine Vergütung begehrt (BAG 21.09.2011 - 5 AZR 629/10).

Im Hinblick auf die Frage der Vergütungserwartung sind die Verkehrssitte, Art, Umfang und Dauer der Dienstleistung sowie die Stellung der Beteiligten zueinander zu berücksichtigen (BAG 22.02.2012 - 5 AZR 765/10). Die Vergütungserwartung kann sich insbesondere daraus ergeben, dass im betreffenden Wirtschaftsbereich Tarifverträge gelten, die für vergleichbare Arbeiten eine Vergütung von Überstunden vorsehen (BAG, a.a.O.). Sie wird aber fehlen, wenn arbeitszeitbezogene und arbeitszeitunabhängig vergütete Arbeitsleistungen zeitlich verschränkt sind oder wenn Dienste höherer Art geschuldet sind oder insgesamt ein deutlich herausgehobenes Entgelt gezahlt wird, das die Beitragsmessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet (BAG a.a.O.).

cc. Unter Anwendung dieser Grundsätze fehlt es an der erforderlichen Vergütungserwartung.

(1) Der Kläger schuldet als Chefarzt Dienste höherer Art. Er hat die allgemeinchirurgische Abteilung fachlich zu leiten und ist in seiner ärztlichen Tätigkeit unabhängig (§ 2 Abs. 1 und § 3 des Arbeitsvertrages). Der Chefarzt einer Fachabteilung ist, wenn ihm diese Leitungsbefugnisse zukommen, mit einem leitenden Angestellten vergleichbar (BAG 17.03.1982 - 5 AZR 1047/79; LAG Hamm 15.03.2013 - 18 Sa 1802/12 - Rn 53). Bei leitenden Angestellten wird jedoch die Vergütung unabhängig von der üblichen Arbeitszeit vereinbart. Mehrarbeit, die sich daraus ergibt, dass der Chefarzt die ihm verantwortlich übertragenen Aufgaben erledigt, ist grundsätzlich mit der vereinbarten Vergütung abgegolten; dies gilt jedenfalls dann, wenn neben dem Gehalt auch noch eine Beteiligungsvergütung - wie vorliegend in § 9 Abs. 2 des Arbeitsvertrags - vereinbart ist (BAG 17.03.1982 - 5 AZR 1047/79 für ein Liquidationsrecht; LAG Hamm a.a.O.). Die Beteiligungsvergütung schafft schon Anreize dafür, dass der Chefarzt über die betriebliche Arbeitszeit hinaus tätig wird und dafür ein höheres Einkommen erzielt. Eine bestimmte Arbeitszeit, auf die sich die Vergütung des Klägers beziehen soll, haben die Parteien demgegenüber nicht vereinbart.

(2) Gegen das Bestehen einer objektiven Vergütungserwartung spricht die Höhe der Vergütung, die der Kläger erzielte. Der Kläger erhält eine herausgehobene Vergütung, die die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung deutlich überschreitet. Der Kläger erzielte im Jahre 2015 nach den nicht bestrittenen Angaben der Beklagten eine Vergütung in Höhe von ca. 217.000 EUR; die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung betrug im Jahre 2015 72.600,- €. Wer mit seinem Entgelt, das er aus abhängiger Beschäftigung erzielt, die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet, gehört zu den Besserverdienern, die aus Sicht der beteiligten Kreise nach der Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben und nicht nach der Erfüllung eines bestimmten Stundensolls beurteilt werden (BAG, Urteil vom 22.02.2012 - 5 AZR 765/10). Das Entgelt des Klägers überschreitet diese Grenze um ca. das Dreifache.

(3) Der Kläger kann dem nicht entgegenhalten, nach den Regelungen des öffentlichen Dienstes, etwa des TVöD und des TV-Ärzte/VKA, bestehe eine Vergütungserwartung für ärztlicherseits geleistete Überstunden. Denn diese Regelungswerke gelten, wie bereits aufgezeigt, gerade nicht für Chefärzte.

c. Ein Anspruch auf Abgeltung des angesammelten Zeitsaldos - sei es in Freizeit oder Geld - folgt auch nicht aus den Grundsätzen der betrieblichen Übung.

aa. Dabei kann zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, dass auch andere Chefärzte das Formular RSt 03 für den Freizeitausgleich verwendet haben und daher ein kollektiver Tatbestand vorliegt.

bb. Die Beklagte hat dem Kläger schon keinen Freizeitausgleich für den angesammelten Zeitsaldo gewährt.

Zwar hat der Kläger mit dem allgemein im Klinikum verwendeten Formular Freizeitausgleich jedenfalls für insgesamt 10 Tage in den Jahren 2011 bis 2013 beantragt. Der Kläger ist an den entsprechenden Tagen auch der Arbeit ferngeblieben, wie die vorgelegten Dienstleistungsübersichten (mit Ausnahme des 13.12.2011) belegen. Da der Kläger an diesen Tagen die Zeiterfassung nicht bedient hat, sind an diesen Tagen keine Arbeitsstunden erfasst. Die Beklagte wird auch mit dem Fernbleiben des Klägers an den entsprechenden Tagen einverstanden gewesen sein.

Sie hat damit aber keinen Bezug zu dem aufgelaufenen Zeitsaldo hergestellt. Dies wäre allenfalls dann der Fall gewesen, wenn der Kläger von seiner Arbeitspflicht durch Reduzierung der Sollarbeitszeit freigestellt worden wäre (BAG 21.03.2012 - 6 AZR 560/10 - Rn 22; Küttner/Poeche, a.a.O., Rn 14). Denn der Freizeitausgleich erfolgt durch Reduzierung der Sollarbeitszeit, setzt aber nicht die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos voraus (BAG a.a.O.). Die Sollarbeitszeit des Klägers - eine solche einmal unterstellt - ist jedoch nie reduziert worden. So ist in der Dienstleistungsübersicht vom Dezember 2011 eine Sollarbeitszeit von 168 h trotz der Weihnachtsfeiertage angegeben (Blatt 110 der Akten), gleichzeitig hatte der Kläger aber nach den von ihm eingereichten Anträgen für den 2.12., den 5.12., den 12.12. und den 13.12.2011 Freizeitausgleich beantragt (Blatt 38 und 40 der Akten) und für die ersten drei Tage auch erhalten (vgl. Dienstleistungsübersicht Blatt 109 der Akten). Im März 2013 hat der Kläger für fünf Tage Freizeitausgleich beantragt und ist an diesen Tagen auch der Arbeit fern geblieben (Blatt 39, 41, 42 und 113 f. der Akten). Gleichzeitig ist auf der Dienstleistungsübersicht eine Sollarbeitszeit von 160 Stunden vermerkt. Die Sollarbeitszeit variiert somit nicht wegen der freien Tage des Klägers, sondern offenbar deswegen, weil Wochenfeiertage berücksichtigt wurden, im Dezember 2011 die Weihnachtsfeiertage, im März 2013 der Karfreitag. Mit den vom Kläger genommenen freien Tagen hat die Beklagte somit gerade keinen Bezug zum geführten Zeitkonto hergestellt. Sie hat daher keinen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass der Kläger die Abgeltung des Zeitsaldos in Freizeit aus betrieblicher Übung beanspruchen könnte.

cc. Dass die Dienstpläne, für deren Erstellung der Kläger für seine Abteilung nach § 3 Abs. 4 a) des Arbeitsvertrages selbst verantwortlich ist, unter Berücksichtigung der vom Kläger gewollten freien Tage erstellt wurden, ist eine Selbstverständlichkeit, da die ärztliche Versorgung sicher gestellt sein muss. In der Billigung der konkreten Dienstpläne liegt aus den o.g. Gründen aber nicht die Gewährung eines Freizeitausgleichs zum (teilweisen) Ausgleich des Zeitsaldos. Im Übrigen ist die Billigung der (vom Kläger verantworteten) konkreten Dienstpläne durch die Beklagte bestritten.

dd. Soweit der Kläger freie Tage erhalten hat, ohne Urlaub hierfür verwenden zu müssen, ist dies aus Sicht des Gerichts allerdings auch nicht lediglich als Entgegenkommen der Beklagten zu werten. Denn ebenso wie es für den Kläger keine vereinbarte Höchstarbeitszeit gibt, ist auch eine Mindestarbeitszeit nicht vereinbart. Entscheidend ist vielmehr, dass der Kläger die ärztliche Versorgung der Patienten gewährleistet und seine sonstigen ausführlich im Arbeitsvertrag vereinbarten Aufgaben ordnungsgemäß wahrnimmt. Ist dies gewährleistet, bedarf es nach Ansicht des erkennenden Gerichts auch keiner Zustimmung der Klinikleitung für einzelne Tage Freizeit. Allerdings gebietet es die Rücksichtnahmepflicht des § 241 Abs. 2 BGB, dass der Kläger der Klinikleitung die Absicht anzeigt, an einzelnen Tagen frei zu nehmen, damit diese prüfen kann, ob dem nicht dienstliche Belange entgegenstehen. Ist dies der Fall, wird die Klinikleitung unter Beachtung des § 106 GewO anweisen können, dass der Kläger zu einer bestimmten Zeit oder an bestimmten Tagen nicht der Arbeit fernbleiben darf. Auch hier wird die Vorbildfunktion eines Chefarztes zu beachten sein.

III. Da, wie unter II. ausgeführt, überhaupt kein Anspruch auf Freizeitausgleich für den aufgelaufenen Zeitsaldo besteht, war auch der hilfsweise zu 2 gestellte Antrag abzuweisen.

C.

Der Kläger hat als unterlegener Rechtsmittelführer die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, liegt nicht vor (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Betriebsverfassungsgesetz


§ 21a idF d. Art. 1 Nr. 51 G v. 23.7.2001 I 1852 dient der Umsetzung des Artikels 6 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim

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(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis


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Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 77 Durchführung gemeinsamer Beschlüsse, Betriebsvereinbarungen


(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseit

Gewerbeordnung - GewO | § 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers


Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder geset

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(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. (2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 5 Arbeitnehmer


(1) Arbeitnehmer (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäfti

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 151 Annahme ohne Erklärung gegenüber dem Antragenden


Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. D

Bundesärzteordnung - BÄO | § 1


(1) Der Arzt dient der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes. (2) Der ärztliche Beruf ist kein Gewerbe; er ist seiner Natur nach ein freier Beruf.

Arbeitszeitgesetz - ArbZG | § 18 Nichtanwendung des Gesetzes


(1) Dieses Gesetz ist nicht anzuwenden auf 1. leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes sowie Chefärzte,2. Leiter von öffentlichen Dienststellen und deren Vertreter sowie Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, die zu

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(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

(1) Arbeitnehmer (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten, die in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten. Als Arbeitnehmer gelten ferner Beamte (Beamtinnen und Beamte), Soldaten (Soldatinnen und Soldaten) sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind.

(2) Als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist;
2.
die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder die Mitglieder einer anderen Personengesamtheit, soweit sie durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit oder zur Geschäftsführung berufen sind, in deren Betrieben;
3.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist;
4.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung, sittlichen Besserung oder Erziehung beschäftigt werden;
5.
der Ehegatte, der Lebenspartner, Verwandte und Verschwägerte ersten Grades, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber leben.

(3) Dieses Gesetz findet, soweit in ihm nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, keine Anwendung auf leitende Angestellte. Leitender Angestellter ist, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb

1.
zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder
2.
Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder
3.
regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein.
Für die in Absatz 1 Satz 3 genannten Beamten und Soldaten gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Leitender Angestellter nach Absatz 3 Nr. 3 ist im Zweifel, wer

1.
aus Anlass der letzten Wahl des Betriebsrats, des Sprecherausschusses oder von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer oder durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung den leitenden Angestellten zugeordnet worden ist oder
2.
einer Leitungsebene angehört, auf der in dem Unternehmen überwiegend leitende Angestellte vertreten sind, oder
3.
ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das für leitende Angestellte in dem Unternehmen üblich ist, oder,
4.
falls auch bei der Anwendung der Nummer 3 noch Zweifel bleiben, ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das das Dreifache der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch überschreitet.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 10. April 2015 - 6 Sa 1506/14 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Entgelterhöhung aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung, betrieblicher Übung oder Gleichbehandlung.

2

Die zwischen der nicht tarifgebundenen Beklagten und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat geschlossene „Gesamtbetriebsvereinbarung Vergütungssystem vom 8. April 2010“ (im Folgenden GBV) lautet auszugsweise:

        

„Präambel

        

Arbeitgeberin und Gesamtbetriebsrat stimmen darin überein, die bisherige Vergütungspraxis zu systematisieren.

        

Ziele dieser Gesamtbetriebsvereinbarung sind insbesondere, die Schaffung einer eindeutigen Beziehung zwischen Aufgaben und Anforderungen sowie dem Gehalt und die Definition von Entgeltdifferenzierungen durch Vergütungsgruppen, die als motivierend und leistungssteigernd empfunden werden.

        

Das insoweit dieser Gesamtbetriebsvereinbarung zugrunde liegende Entgeltsystem basiert unter anderem auf Funktionsbewertungen, einer Vergütungsstruktur in Form von Gehaltsbändern und einem Stationsbonus.

        

…       

        

2       

Funktionsbewertungssystem

        

2.1     

Ausgangspunkt für die Definition der individuellen Grundvergütung der Mitarbeiter ist eine Funktionsbewertung aller bei der Arbeitgeberin vorkommenden Funktionen.

                 

Die Funktionen wurden nach den acht Bewertungskriterien

                 

- Fachwissen

                 

- Unternehmenskenntnis

                 

- Soziale Kompetenz und Führungsqualität

                 

- Denkrahmen

                 

- Schwierigkeitsgrad

                 

- Entscheidungsfreiraum

                 

- Einflussgröße

                 

- Einfluss auf Zielerreichung

                 

bewertet.

                 

Jedem Kriterium ist eine Punkteskala zugeordnet, auf der im Bewertungsprozess das jeweilige Anforderungsniveau mit einem Punktwert festgelegt wird (Bewertungstabelle, Anlage 1).

                 

Die Addition der Punktwerte der acht Bewertungskriterien führt zu einer Gesamtpunktsumme. Auf dieser Basis erfolgt eine Zuordnung der Funktionen zu einer der Vergütungsgruppen und den damit verbundenen Gehaltsbändern (Vergütungsgruppen, Anlage 2).

        

…       

        
        

3       

Vergütungsstruktur

        

3.1     

Ausgehend von den Grundsätzen der Funktionsbewertung (vgl. oben 2) erfolgt die individuelle Grundgehaltsermittlung für den einzelnen Mitarbeiter auf der Basis eines Gehaltsbandsystems. Dabei wird unter Grundgehalt das Monatsentgelt oder der Stundenlohn (Stundenlohn multipliziert mit dem durchschnittlichen monatlichen Stundensatz) ohne Zuschläge verstanden.

        

3.2     

Es werden sechs Vergütungsgruppen gebildet. Den Vergütungsgruppen 1 bis 5 sind eine Bandunterlinie und eine Bandoberlinie zugeordnet; der Vergütungsgruppe 6 eine Bandunterlinie.

        

3.3     

Die Bandober- und -unterlinien werden jährlich angepasst. Sie werden um den Erhöhungsprozentsatz der Gehaltsanpassungen des Vorjahres angepasst.

        

4       

Ermittlung und Festlegung des individuellen Grundgehalts

        

4.1     

Alle Mitarbeiter werden grundsätzlich in die Vergütungsgruppe eingestuft, die für die von ihnen ausgeübte Funktion ermittelt wurde. Mitarbeiter, die die Funktion, die sie besetzen, noch nicht vollständig ausfüllen, werden zunächst im unteren Bereich der Vergütungsgruppe eingestuft und werden schrittweise in Abhängigkeit von ihrer Leistung gehaltlich in der Vergütungsgruppe entwickelt (Funktionseinsteiger).

        

4.2     

Durch die Bandunterlinie und die Bandoberlinie ist jeweils der Entgeltkorridor vorgegeben, innerhalb dessen das individuelle Grundgehalt liegen kann. Die tatsächliche Festlegung des Grundgehalts erfolgt durch den Vorgesetzten.

        

4.3     

Das Grundgehalt wird jährlich am dritten Donnerstag im Oktober überprüft. Der Grundgehaltsanpassungsprozentsatz wird zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat abgestimmt. Für die Bestimmung werden die Entwicklung der Lebenshaltungskosten (Verbraucherpreisindex gemäß statistischem Bundesamt in den letzten 12 Monaten) und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens herangezogen.

        

…       

        
        

9       

Besitzstandsregelung und Einmalzahlungen

        

…       

        
        

9.2     

Mitarbeiter, deren Grundgehaltserhöhung nach 4.3 zum Überschreiten der Bandoberlinie führen würde, erhalten eine Erhöhung bis zur Bandoberlinie. Der gegebenenfalls verbleibende Betrag wird, multipliziert mit 12, als Einmalzahlung gewährt.

        

9.3     

Lag das Grundgehalt bereits vor der Erhöhung über der Gehaltsoberlinie wird anstelle einer Grundgehaltserhöhung eine Einmalzahlung gewährt. Deren Höhe bemisst sich nach dem berechnetem Erhöhungsbetrag nach 4.3, multipliziert mit 12.

        

…“    

        
3

Der Kläger ist seit Jahren bei der Beklagten angestellt. Er ist als Shiftleader der Vergütungsgruppe 5 zugeordnet. Die Beklagte erhöhte sein Gehalt im Jahr 2011 um 1,5 %, im Jahr 2012 um 2,5 % und im Jahr 2013 um 2,0 %. Im Jahr 2014 erhielt weder der Kläger noch ein anderer Arbeitnehmer der Beklagten eine Gehaltserhöhung.

4

Die Bandunter- und Bandoberlinien wurden im Jahr 2011 um 1,5 %, im Jahr 2012 um 1,5 %, im Jahr 2013 um zumindest 2,0 % - nach dem Behaupten der Beklagten um 2,5 % - und im Jahr 2014 um 2 % erhöht.

5

Mit der vorliegenden, mehrfach erweiterten Klage hat der Kläger die Erhöhung seines Grundgehalts ab 1. Januar 2014 entsprechend der im Jahr 2014 vorgenommenen Erhöhung der Bandlinien verlangt. Des Weiteren begehrt er die Feststellung, die Beklagte sei verpflichtet, künftig Gehaltserhöhungen im jeweiligen Umfang der Bandlinienerhöhung vorzunehmen. Er hat geltend gemacht, nach den Regelungen der GBV habe einer Bandlinienerhöhung zwingend eine Anhebung der Grundgehälter in gleicher Höhe zu folgen. Bei einem anderen Verständnis verstießen die Regelungen der GBV gegen § 2 KSchG und § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, weil sich die Lage seines Grundgehalts innerhalb der Bandlinien verschlechtere. Dies stelle einen Eingriff in das arbeitsvertragliche Synallagma dar. Zudem führe eine andere Sichtweise zur Ungleichbehandlung gegenüber Mitarbeitern, die nach einer Gehaltserhöhung neu eingestellt und auf der Bandunterlinie eingestuft würden. Solche Mitarbeiter würden besser behandelt, weil ihr Gehalt entsprechend der Bandlinienerhöhung anzupassen sei, um ein Herausfallen aus der Bandlinie zu vermeiden. Der Anspruch auf Gehaltserhöhung folge zudem aus betrieblicher Übung. Die Beklagte habe durch die wiederholte Anhebung des Grundgehalts entsprechend der Erhöhung der Bandlinien einen Vertrauenstatbestand gesetzt, künftig in gleicher Weise zu verfahren.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 698,88 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Grundgehalt des Klägers ab dem Monat Februar 2015 um 53,76 Euro brutto zu erhöhen;

        

3.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Grundgehalt des Klägers zukünftig jeweils in der Höhe zu erhöhen, in welcher die Beklagte die Bandlinien erhöht.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die GBV sehe lediglich eine jährliche Überprüfung der Grundgehälter vor. Aus einer Erhöhung des Grundgehalts folge zwar die Verpflichtung, die Bandlinien zu erhöhen, aus einer Bandlinienerhöhung ergäben sich aber keine Konsequenzen für die Entwicklung der Gehälter.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen und die Klage, wie zwar nicht ausdrücklich tenoriert, aber den Entscheidungsgründen zu entnehmen, im Übrigen insgesamt abgewiesen.

10

I. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf eine Erhöhung seiner Vergütung ab 1. Januar 2014 um 2 % und auf künftige Gehaltserhöhungen im Umfang der jeweiligen Erhöhung der Bandlinien. Er kann deshalb weder weitere Zahlungen für den Zeitraum Januar 2014 bis Januar 2015 noch die beantragten Feststellungen verlangen.

11

1. Die Gesamtbetriebsvereinbarung Vergütungssystem begründet keine Verpflichtung der Beklagten, das Gehalt des Klägers entsprechend der Bandlinienerhöhung anzuheben. Ein Anspruch folgt weder aus 3.3 GBV noch aus 4.3 GBV. Dies ergibt die Auslegung der GBV (zu den Auslegungsregeln vgl. st. Rspr.: BAG 5. Mai 2015 - 1 AZR 435/13 - Rn. 26; 13. Oktober 2015 - 1 AZR 853/13 - Rn. 22).

12

a) Nach 3.3 Satz 1 und Satz 2 GBV sind die Bandober- und Bandunterlinien jährlich um den Erhöhungsprozentsatz der Gehaltsanpassungen des Vorjahres anzupassen. Damit steht der Wortlaut der Regelung der vom Kläger vertretenen Auslegung entgegen, Gehaltserhöhungen seien im jeweiligen Umfang der Erhöhung der Bandlinien vorzunehmen. Das Gegenteil ist der Fall. 3.3 Satz 2 GBV regelt ausdrücklich die Erhöhung der Bandlinien in Abhängigkeit von der Erhöhung der Grundgehälter. Bandlinienerhöhungen sind als Folge von Gehaltserhöhungen zu vollziehen, nicht aber umgekehrt, Erhöhungen der Grundgehälter als Folge von Bandlinienerhöhungen. Dem entspricht die Formulierung in 3.3 Satz 1 GBV, Bandober- und Bandunterlinien sind jährlich anzupassen. Bezugsgröße der Bandlinienanpassung ist nach 3.3 Satz 2 GBV stets der Erhöhungsprozentsatz der Gehaltsanpassungen des Vorjahres. Unterbleibt eine Gehaltserhöhung, ist eine „Anpassung“ der Bandlinien hinfällig. Ein anderes Verständnis führte nicht zu einem sachgerechten und praktisch brauchbaren Ergebnis. Die vom Kläger vertretene Auslegung setzte bei einmaliger Erhöhung der Grundgehälter einen Kreislauf in Gang, indem die Bandlinien entsprechend der Erhöhung der Grundgehälter und die Grundgehälter entsprechend den Bandlinien zu erhöhen wären. Hierfür bietet die GBV keinen Anhaltspunkt.

13

b) Aus 4.3 Satz 1 GBV ließe sich allenfalls ein Anspruch auf Überprüfung der Gehaltssituation herleiten, nicht aber auf Erhöhung der Grundgehälter (vgl. BAG 16. September 1998 - 5 AZR 598/97 - zu I 1 b der Gründe). Ebenso wenig folgt ein Anspruch aus 4.3 Satz 2 und Satz 3 GBV.

14

aa) Der - wie die Beklagte - nicht tarifgebundene Arbeitgeber bestimmt autonom das Volumen der zur Vergütung aller Mitarbeiter bereitgestellten Mittel und entscheidet über zukünftige Aufstockungen dieses Volumens. Mangels Tarifgebundenheit leistet er sämtliche Vergütungsbestandteile „freiwillig“, dh. ohne hierzu normativ verpflichtet zu sein (vgl. BAG 26. August 2008 - 1 AZR 354/07 - Rn. 21, BAGE 127, 297). Lediglich für die Ausgestaltung, also den Verteilungs- und Leistungsplan nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, bedarf es der Mitbestimmung des Betriebsrats. Daher ist die Entscheidung, ob Gehälter erhöht werden sollen, mitbestimmungsfrei. Allerdings kann der Arbeitgeber freiwillig gegenüber dem Betriebsrat eine Verpflichtung zur Gehaltserhöhung eingehen oder insoweit ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats begründen. Dies kann in einer eigenen freiwilligen Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG oder im Rahmen einer ansonsten nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmten Betriebsvereinbarung geschehen. Die Übernahme einer derartigen, gesetzlich nicht gebotenen und in der Praxis ungewöhnlichen Verpflichtung muss aber gerade im letztgenannten Fall deutlich zum Ausdruck kommen (BAG 21. Januar 2003 - 1 ABR 5/02 - zu B II 2 b aa der Gründe; 18. Oktober 2011 - 1 AZR 376/10 - Rn. 13).

15

bb) Ein Wille der Beklagten, sich bei der Gehaltshöhe ihrer unternehmerischen Entscheidungsfreiheit zu begeben, kommt in der GBV nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck. 4.3 Satz 2 und Satz 3 GBV bestimmen lediglich, dass der Grundgehaltsanpassungsprozentsatz zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat abzustimmen sei. Die Regelung lässt sich nahtlos in die betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben einfügen, indem angenommen wird, die Abstimmung nach 4.3 Satz 2 und Satz 3 GBV sei nur im Fall einer von der Beklagten zuvor getroffenen Erhöhungsentscheidung vorzunehmen und diene lediglich ihrer Umsetzung. Hierfür spricht auch die Unbestimmtheit des nach 4.3 Satz 3 GBV bei der Abstimmung ua. heranzuziehenden Kriteriums „wirtschaftliche Lage des Unternehmens“ (vgl. BAG 21. Januar 2003 - 1 ABR 5/02 - zu B II 2 b bb der Gründe). Wie diese Lage zu bestimmen ist und bei welcher Lage eine Gehaltserhöhung vorzunehmen wäre, regelt die GBV nicht.

16

cc) Erst Recht ergibt sich aus 4.3 GBV kein Zusammenhang zwischen der Erhöhung der Bandlinien und der Erhöhung der Grundgehälter. Die Erhöhung der Bandlinien ist in 4.3 Satz 2 und Satz 3 GBV nicht als Kriterium genannt.

17

c) § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erfordert keine Erhöhung der Grundgehälter als Folge einer Bandlinienanpassung. Diese Bestimmung schützt den einzelnen Arbeitnehmer nicht davor, dass sich bei gleichbleibender Vergütungshöhe die Lage seines Grundgehalts innerhalb der Bandlinien ändert.

18

aa) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung mitzubestimmen, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen. Sie bestimmen das System, nach welchem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll. Sie sind damit die allgemeinen Vorgaben, aus denen sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebs in abstrakter Weise ergibt (BAG 22. Juni 2010 - 1 AZR 853/08 - Rn. 21, 23 mwN, BAGE 135, 13).

19

bb) Die GBV regelt Entlohnungsgrundsätze. Sie stellt in 3.3 GBV und 4.3 GBV mit der Zuordnung bestimmter Funktionen zu Gehaltsbändern abstrakt-generelle Grundsätze zur Lohnfindung auf (vgl. BAG 22. Juni 2010 - 1 AZR 853/08 - Rn. 21, 23 mwN, BAGE 135, 13). Die Entgeltordnung selbst ordnet die Anpassung des Gehaltsbands als Folge der Entgelterhöhung des Vorjahres an. Damit steht die Position des Grundgehalts des einzelnen Arbeitnehmers innerhalb der Bandlinie unter dem Vorbehalt der Anpassung der Bandlinien an Gehaltserhöhungen. Die Entscheidung, ob Gehälter erhöht werden sollen, unterliegt, wie bereits ausgeführt, nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats. Deshalb kann sich eine Verletzung von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht aus dem Fehlen einer die Beklagte verpflichtenden Regelung ergeben.

20

d) Die Regelungen der GBV sind mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG) vereinbar.

21

aa) Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichstellung von Personen in vergleichbarer Lage sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblicher Sachgrund für eine Gruppenbildung ist vor allem der mit der jeweiligen Regelung verfolgte Zweck (BAG 18. Mai 2010 - 1 AZR 187/09 - Rn. 15; 9. Dezember 2014 - 1 AZR 406/13 - Rn. 24). Dabei ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 43/12 - Rn. 18; 8. Dezember 2015 - 1 AZR 595/14 - Rn. 20).

22

bb) Eine Gruppenbildung, die zwischen neu eingestellten und länger beschäftigten Arbeitnehmern differenziert, nimmt die GBV nicht vor. Sonderregelungen enthält die GBV lediglich in 4.1 Satz 2 für „Funktionseinsteiger“ und 9.1 bis 9.3 für Überschreiter. Unterstellte man zugunsten des Klägers, die GBV sähe bei nach einer Gehaltserhöhung auf der Bandunterlinie eingestuften Mitarbeitern, wenn diese als Folge der Bandlinienanpassung nach 3.3 GBV aus der Bandlinie „herausfielen“, eine Gehaltserhöhung vor, gölte dies gleichermaßen für alle hiervon betroffenen Arbeitnehmer. Mitarbeiter deren Gehalt, wie das des Klägers, auch nach der Bandlinienanpassung im Rahmen des Entgeltkorridors liegt, befänden sich mit diesen Mitarbeitern nicht in einer vergleichbaren Lage. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz kommt deshalb nicht in Betracht.

23

e) Die in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehene Erhöhung der Bandlinien ohne entsprechende Erhöhung der Grundgehälter verstößt weder gegen § 2 KSchG noch führt sie zu dessen Umgehung.

24

aa) 3.3 GBV und 4.3 GBV haben keine Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers zur Folge. Eine Änderung von „Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 KSchG tritt allein bei einer Veränderung der Vertragsbedingungen ein. § 2 Satz 1 KSchG greift nur ein, wenn die Änderung auf Basis der bestehenden vertraglichen Regelungen nicht zu erreichen ist. Unter „geänderten Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 Satz 1 KSchG sind folglich andere Arbeitsvertragsbedingungen zu verstehen(BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 14, BAGE 140, 328). Eine bestimmte Position der Vergütung des Klägers innerhalb der Bandlinien haben die Parteien nicht vereinbart. Sie ergibt sich lediglich als Reflex der GBV und hat nicht den Status einer Vertragsbedingung.

25

bb) § 2 KSchG wird durch 3.3 GBV und 4.3 GBV nicht umgangen. Diese Regelungen greifen nicht in das arbeitsvertragliche Synallagma ein. Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wird durch das Verhältnis von geschuldeter Arbeitsleistung und Vergütung bestimmt. Die nach den Bestimmungen der GBV unter dem Vorbehalt künftiger Anpassungen stehende Position des Klägers innerhalb der Bandlinien berührt das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht.

26

2. Ein Anspruch auf Gehaltserhöhung ergibt sich nicht aus betrieblicher Übung.

27

a) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Erbringt der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar aufgrund einer anderen Rechtspflicht, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden (BAG 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 43).

28

b) Die Voraussetzungen der Entstehung einer betrieblichen Übung sind danach nicht erfüllt.

29

aa) Es sind keine Umstände gegeben, aus denen geschlossen werden könnte, die Beklagte habe in der Vergangenheit Gehaltserhöhungen als Folge von und gekoppelt an Bandlinienerhöhungen vorgenommen. Allein die Übereinstimmung der Erhöhungssätze in einzelnen Jahren lässt einen solchen Schluss nicht zu. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte musste der Kläger Bandlinienerhöhungen als Umsetzung der Regelungen in 3.3 Satz 1 und Satz 2 GBV verstehen, dh. als Folge von Gehaltserhöhungen, nicht aber umgekehrt, Erhöhungen der Grundgehälter als Folge von Bandlinienerhöhungen.

30

bb) Die vom Kläger vertretene Auslegung der GBV, nach 3.3 GBV, 4.3 GBV seien Gehaltserhöhungen im jeweiligen Umfang der Erhöhung der Bandlinien vorzunehmen, führte zu keinem anderen Ergebnis. Hätte die Beklagte, wie vom Kläger behauptet, Gehaltserhöhungen gekoppelt an Bandlinienerhöhungen vorgenommen, stellte dies lediglich einen vermeintlichen Normenvollzug dar, der nicht zum Entstehen einer betrieblichen Übung führte (vgl. BAG 17. September 2013 - 3 AZR 300/11 - Rn. 60; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 43).

31

cc) Mit den Gehaltserhöhungen der Jahre 2011 bis 2013 für sich genommen, hat die Beklagte ebenfalls keine betriebliche Übung begründet.

32

(1) Gewährt ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern wiederholt eine Erhöhung der Löhne und Gehälter, kann eine betriebliche Übung selbst bei über Jahre gleichbleibender Gehaltserhöhungspraxis nur entstehen, wenn deutliche Anhaltspunkte in seinem Verhalten dafür sprechen, er wolle die Erhöhungen auch ohne Bestehen einer Verpflichtung künftig, dh. auf Dauer vornehmen (vgl. zur Weitergabe von Tarifentgelterhöhungen: BAG 19. Oktober 2011 - 5 AZR 359/10 - Rn. 14; 24. Februar 2016 - 4 AZR 990/13 - Rn. 21). Der nicht tarifgebundene Arbeitgeber will seine Entscheidungsfreiheit über die künftige Lohn- und Gehaltsentwicklung behalten. Mit den freiwilligen Entgeltsteigerungen entsteht regelmäßig lediglich ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Fortzahlung des erhöhten Entgelts, nicht aber zugleich eine Verpflichtung des Arbeitgebers, Erhöhungen künftig überhaupt oder nach einem bestimmten Schema vorzunehmen (vgl. BAG 19. Oktober 2011 - 5 AZR 359/10 - Rn. 15; 24. Februar 2016 - 4 AZR 990/13 - Rn. 22).

33

(2) Danach hat die Beklagte durch die freiwilligen Gehaltserhöhungen in der Vergangenheit, selbst wenn man unterstellt, sie habe diese parallel zu den Bandlinienerhöhungen vorgenommen, keine betriebliche Übung begründet, auf die der Kläger die geltend gemachten Ansprüche stützen könnte. Es fehlt an den erforderlichen - über die bloße Erhöhungspraxis der vergangenen Jahre hinausgehenden - deutlichen Anhaltspunkten im Verhalten der Beklagten, aus denen sich für den Kläger erkennbar der Wille ergäbe, sich unter Aufgabe ihrer Entscheidungsfreiheit auf Dauer zu Erhöhungen zu verpflichten. Gegen einen Verpflichtungswillen der Beklagten spricht zudem 4.3 GBV. Aufgrund der Regelung konnte der Kläger nicht annehmen, sein Gehalt würde fortlaufend jährlich erhöht. Er musste vielmehr davon ausgehen, die Beklagte habe sich von Jahr zu Jahr nach einer Überprüfung zu Erhöhungen entschlossen.

34

3. Ein Anspruch auf Gehaltserhöhung folgt nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

35

a) Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln. Damit verbietet er nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb der Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes setzt eine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers voraus. Im Bereich der Vergütung findet der Grundsatz Anwendung, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben werden und der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt (BAG 3. September 2014 - 5 AZR 109/13 - Rn. 22, BAGE 149, 78; 3. September 2014 - 5 AZR 6/13 - Rn. 19, BAGE 149, 69). Der Gleichbehandlungsgrundsatz beschränkt die Gestaltungsmacht des Arbeitgebers (BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - Rn. 57, BAGE 140, 291). Wird er verletzt, muss der Arbeitgeber die von ihm gesetzte Regel entsprechend korrigieren. Der benachteiligte Arbeitnehmer hat Anspruch auf die vorenthaltene Leistung (BAG 3. September 2014 - 5 AZR 109/13 - Rn. 22, aaO; 3. September 2014 - 5 AZR 6/13 - Rn. 18, aaO).

36

b) Danach ist der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht eröffnet.

37

aa) Die Beklagte hat im Jahr 2014 ihren Arbeitnehmern, auch den neu eingestellten, keine Gehaltserhöhungen gewährt. Eine Ungleichbehandlung, die einen Anspruch des Klägers begründen könnte, scheidet deshalb aus.

38

bb) Selbst wenn man unterstellt, nach den Regelungen der GBV sei das Gehalt von Mitarbeitern, die nach einer Gehaltserhöhung neu eingestellt und auf der Bandunterlinie eingestuft wurden, anzupassen, um ein Herausfallen aus der Bandlinie zu vermeiden und die Beklagte habe entsprechende Erhöhungen vorgenommen, wäre der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht eröffnet. Der bloße - ggf. vermeintliche - Normvollzug enthält keine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers. Eine solche trifft der Arbeitgeber erst dann, wenn er freiwillig, dh. ohne rechtliche Verpflichtung über die Vertragserfüllung hinaus Leistungen gewährt (BAG 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 20, BAGE 148, 139; 3. September 2014 - 5 AZR 6/13 - Rn. 21, BAGE 149, 69).

39

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Busch     

        

    Mandrossa     

                 

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Arbeitnehmer (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten, die in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten. Als Arbeitnehmer gelten ferner Beamte (Beamtinnen und Beamte), Soldaten (Soldatinnen und Soldaten) sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind.

(2) Als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist;
2.
die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder die Mitglieder einer anderen Personengesamtheit, soweit sie durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit oder zur Geschäftsführung berufen sind, in deren Betrieben;
3.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist;
4.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung, sittlichen Besserung oder Erziehung beschäftigt werden;
5.
der Ehegatte, der Lebenspartner, Verwandte und Verschwägerte ersten Grades, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber leben.

(3) Dieses Gesetz findet, soweit in ihm nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, keine Anwendung auf leitende Angestellte. Leitender Angestellter ist, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb

1.
zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder
2.
Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder
3.
regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein.
Für die in Absatz 1 Satz 3 genannten Beamten und Soldaten gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Leitender Angestellter nach Absatz 3 Nr. 3 ist im Zweifel, wer

1.
aus Anlass der letzten Wahl des Betriebsrats, des Sprecherausschusses oder von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer oder durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung den leitenden Angestellten zugeordnet worden ist oder
2.
einer Leitungsebene angehört, auf der in dem Unternehmen überwiegend leitende Angestellte vertreten sind, oder
3.
ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das für leitende Angestellte in dem Unternehmen üblich ist, oder,
4.
falls auch bei der Anwendung der Nummer 3 noch Zweifel bleiben, ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das das Dreifache der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch überschreitet.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 10. Oktober 2008 - 10 TaBV 24/08 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Beteiligte zu 3) leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG ist.

2

Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin betreibt in S ein Krankenhaus, in dem etwa 530 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind, davon 95 Ärztinnen und Ärzte. Unterhalb der Geschäftsführung ist eine Betriebsleitung gebildet, die aus einem der Geschäftsführer, der Pflegedienstleitung und dem ärztlichen Direktor besteht. Mit Ausnahme der Röntgenabteilung stehen den acht medizinischen Abteilungen des Krankenhauses jeweils leitende Abteilungsärzte als Chefärzte vor. Eine medizinische Abteilung ist die Klinik und Tagesklinik für Geriatrie, die seit ihrer Inbetriebnahme zum 1. Juni 2004 von dem Beteiligten zu 3) geleitet wird. Dessen Jahresgrundgehalt beträgt 180.000,00 Euro. In der Abteilung Geriatrie sind neben dem Beteiligten zu 3) als Chefarzt zwei Oberärzte und fünf weitere Ärzte sowie im Pflegebereich 26,5 Vollkräfte tätig. Die Geriatrie verfügt über 41 von insgesamt 405 stationären Krankenhausbetten sowie seit dem Jahr 2006 über weitere 15 Betten in der Tagesklinik. Damit erzielte die Abteilung im Jahr 2007 12 % des im Krankenhaus erwirtschafteten Gesamtumsatzes.

3

Der Arbeitsvertrag des Beteiligten zu 3) vom 22. April 2004 lautet auszugsweise wie folgt:

        

„§ 1   

        

Tätigkeit und Aufgabengebiet

        

1)   

Der Dienstnehmer wird mit Wirkung zum 15.06.2004 als Chefarzt für die Akutgeriatrie sowie für die noch zu errichtende geriatrische Tagesklinik eingestellt. Sein Aufgabengebiet umfasst die Rechte und Pflichten eines Chefarztes der Geriatrischen Abteilung.

        

2)   

Der Dienstnehmer ist leitender Angestellter. Er ist nach Absprache mit den Fachkollegen und im Rahmen des Personalbudgets zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von ärztlichen Mitarbeitern berechtigt. Arbeitszeugnisse werden von ihm und der Verwaltungsleitung gemeinsam unterzeichnet. Die Verwaltungsleitung hat hierbei insbesondere auf die Übereinstimmung mit den arbeitsrechtlichen Bestimmungen zu achten.

        

3)   

Weitere seiner Stellung als leitender Mitarbeiter entsprechende Aufgaben können ihm übertragen werden. Der Dienstgeber hat das Recht, strukturelle und organisatorische Veränderungen im Betriebsablauf vorzunehmen.

        

4)   

Der Dienstnehmer ist gegenüber dem medizinischen Personal grundsätzlich weisungsberechtigt; gegenüber Ärzten jedoch nur insoweit, als diese ihm in ihrem Aufgabengebiet nachgeordnet sind.

                          
        

§ 5     

        

Allgemeine Rechte und Pflichten

        

1)   

Der Dienstnehmer beteiligt sich im erforderlichen Umfang an solchen Gremien, die der Dienstgeber im Hinblick auf ein optimales Betriebsmanagement für notwendig erachtet. Er unterstützt die Fortbildung der nachgeordneten Mitarbeiter gemäß dem Stand ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten und bildet sich selbstständig weiter. Auf Verlangen des Dienstgebers hat der Dienstnehmer seine eigene Weiterbildung nachzuweisen.

        

2)   

Die Dienstaufsicht über den Dienstnehmer hat im Allgemeinen der Dienstgeber. Im Speziellen ist der Dienstnehmer in ärztlichen Angelegenheiten dem Ärztlichen Direktor, in Verwaltungsangelegenheiten der Verwaltungsleitung unterstellt. Der Dienstnehmer wirkt an der Umsetzung dienstlicher Anordnungen und Weisungen sowie gesetzlicher Vorschriften mit. Bei Kompetenzkonflikten ist die Entscheidung der Gesellschafterversammlung der H GmbH einzuholen.

                          
        

§ 6     

        

Besondere Rechte und Pflichten

        

1)   

Der Dienstnehmer führt Heilbehandlungen selbstständig, eigenverantwortlich, kooperativ und nach den Regeln der ärztlichen Kunst auf dem jeweils neuesten Stand der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse durch. Der Umfang seiner Leistungen wird durch Leistungsspektrum und Jahresbudget des Dienstgebers begrenzt. Beide werden zu Jahresanfang im Medizinischen Zielplan gemeinsam abgestimmt.

        

…       

        

        

5)   

Der Dienstnehmer wirkt auf eine sparsame Betriebsführung hin. Ihm kann ein Teilbudget anvertraut werden. Er ist dann für die Verwendung der Mittel allein verantwortlich… .“

4

Mit dem am 20. September 2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat der Betriebsrat die Feststellung begehrt, der Beteiligte zu 3) sei kein leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG. Seine Einstellungs- und Entlassungsbefugnisse seien nicht ausreichend für § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG. Auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG seien nicht erfüllt. Der Beteiligte zu 3) nehme keine Aufgaben im Sinne dieser Vorschrift wahr, die für den Bestand und für die Entwicklung des Unternehmens oder des Betriebs von Bedeutung seien. Soweit der Arbeitsvertrag eine gemeinsame Abstimmung des Leistungsspektrums und des Jahresbudgets vorsehe, würden die Entscheidungen nicht von dem Beteiligten zu 3) getroffen, sondern von dem dreiköpfigen Führungskreis des Unternehmens bzw. in Verwaltungsangelegenheiten von der Verwaltungs- bzw. Personalleitung.

5

Der Betriebsrat hat beantragt

        

festzustellen, dass der Beteiligte zu 3) nicht leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG ist.

6

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

7

Sie hat die Auffassung vertreten, der Beteiligte zu 3) sei leitender Angestellter, weil er nach dem Anstellungsvertrag für die von ihm geführte geriatrische Abteilung jeweils zu Jahresbeginn das Leistungsspektrum und das Jahresbudget gemeinsam mit der Arbeitgeberin festzulegen habe. Durch die Beteiligung am Aufbau der Geriatrie sowie der geriatrischen Tagesklinik mit 15 Betten komme zum Ausdruck, dass seine Vorschläge nicht unbeachtet bleiben könnten. Ausdruck seiner unternehmerischen Verantwortung sei schließlich der Bezug des zuletzt vereinbarten Zieleinkommens iHv. 265.000,00 Euro, das er nur erreichen könne, wenn er die zwischen ihm und der Arbeitgeberin vereinbarten unternehmerischen Ziele erfülle.

8

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zunächst zurückgewiesen. Der Senat hat diese Entscheidung mit Beschluss vom 10. Oktober 2007(- 7 ABR 61/06 - AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 72 = EzA BetrVG 2001 § 5 Nr. 3)auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats aufgehoben und das Verfahren zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das Landesarbeitsgericht hat daraufhin den Beschluss des Arbeitsgerichts abgeändert und dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Mit der von der Arbeitgeberin eingelegten Rechtsbeschwerde beantragt diese die Wiederherstellung der Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Betriebsrat beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

9

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats zu Recht entsprochen. Der Beteiligte zu 3) ist kein leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG.

10

I. Der Beteiligte zu 3) ist kein leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG. Dies hat der Senat im Beschluss vom 10. Oktober 2007(- 7 ABR 61/06 - AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 72 = EzA BetrVG 2001 § 5 Nr. 3)mit Bindungswirkung (§ 563 Abs. 2 ZPO) entschieden.

11

II. Der Beteiligte zu 3) ist auch kein leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG. Er kann unternehmerische (Teil-)Entscheidungen, die für den Bestand und die Entwicklung des Krankenhauses von Bedeutung sind, nicht maßgeblich beeinflussen.

12

1. Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach seinem Arbeitsvertrag und seiner Stellung im Unternehmen oder Betrieb regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und für die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst.

13

a) Voraussetzung für die Wahrnehmung einer unternehmerischen (Teil-)Aufgabe ist, dass dem leitenden Angestellten rechtlich und tatsächlich ein eigener und erheblicher Entscheidungsspielraum zur Verfügung steht, dh. er muss mit weitgehender Weisungsfreiheit und Selbstbestimmung seinen Tätigkeitsbereich wahrnehmen und kraft seiner leitenden Funktion maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensführung ausüben(BAG 25. März 2009 - 7 ABR 2/08 - Rn. 30 mwN, AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 73 = EzA BetrVG 2001 § 5 Nr. 4). Der nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG erforderliche Einfluss auf die Unternehmensführung kann darin bestehen, dass der leitende Angestellte selbst die Entscheidungen trifft, aber auch darin, dass er kraft seiner Schlüsselposition Voraussetzungen schafft, an denen die Unternehmensleitung schlechterdings nicht vorbeigehen kann. Je tiefer die Entscheidungsstufe in der Unternehmenshierarchie liegt, auf der der Angestellte unternehmens- oder betriebsleitende Aufgabenstellungen erfüllt, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wesentliche unternehmerische Entscheidungsspielräume auf den höheren Entscheidungsstufen bereits verbraucht wurden. Von welcher Delegationsstufe ab leitende Angestellte im Unternehmen nicht mehr beschäftigt werden, lässt sich nur im jeweiligen Einzelfall bestimmen. Der maßgebliche Einfluss fehlt jedenfalls dann, wenn der Angestellte nur bei der reinen arbeitstechnischen, vorbestimmten Durchführung unternehmerischer Entscheidungen eingeschaltet wird, etwa im Rahmen von Aufsichts- oder Überwachungsfunktionen (BAG 25. März 2009 - 7 ABR 2/08 - Rn. 31 mwN, aaO). Erforderlich ist schließlich auch, dass die unternehmerische Aufgabenstellung mit Entscheidungsspielraum die Tätigkeit des leitenden Angestellten prägt, dh. sie schwerpunktmäßig bestimmt (BAG 23. Januar 1986 - 6 ABR 51/81 - zu C I 3 f der Gründe mwN, BAGE 51, 1; 25. Oktober 1989 - 7 ABR 60/88 - zu II 4 der Gründe, BAGE 63, 200; H/S/W/G/N/R-Rose BetrVG 7. Aufl. § 5 Rn. 203). Dazu ist es erforderlich, dass jedenfalls ein beachtlicher Teil der Arbeitszeit von diesen Tätigkeiten beansprucht wird (BAG 23. Januar 1986 - 6 ABR 51/81 -, aaO).

14

b) Ob ein Chefarzt leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG ist, hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab.

15

aa) Allein die formale Stellung eines Chefarztes genügt nicht zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG. Dies folgt bereits aus § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG. Danach ist das ArbZG nicht anzuwenden auf leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG sowie auf Chefärzte. Die Erwähnung der Chefärzte in dieser Vorschrift wäre überflüssig, wenn sie ohne Weiteres dem Begriff des leitenden Angestellten unterfallen würden. Anderenfalls hätte es im Streitfall auch nicht der Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht im Beschluss vom 10. Oktober 2007(- 7 ABR 61/06 - AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 72 = EzA BetrVG 2001 § 5 Nr. 3)bedurft.

16

bb) Ein Chefarzt ist auch nicht bereits deshalb leitender Angestellter, weil er regelmäßig frei und eigenverantwortlich Entscheidungen etwa über die Einführung spezieller Untersuchungs-, Behandlungs- und Therapiemethoden fällen kann(so aber Raab GK-BetrVG 9. Aufl. § 5 Rn. 126 mwN; Richardi/Richardi BetrVG 12. Aufl. § 5 Rn. 256). Zwar obliegt dem Chefarzt eines Krankenhauses die Verantwortung im ärztlichen Bereich, wenn er eigenverantwortlich handelt und an Weisungen im Zweifel nicht gebunden ist. Die ärztliche Behandlung einschließlich der Entscheidung über bestimmte Behandlungsmethoden hat jedoch nicht in erster Linie eine unternehmerische Dimension. Sie zielt auf den Heilerfolg. Ärztliche Entscheidungen erklären sich aus den Besonderheiten des Arzt-Patientenverhältnisses und richten sich in erster Linie am Berufsrecht aus (§ 1 Abs. 2 BÄO). Ärztliche Entscheidungen des Chefarztes sind der Disposition des Arbeitgebers entzogen und betreffen nicht ohne Weiteres eine unternehmerische Aufgabenstellung im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG.

17

cc) Maßgeblich für die Qualifizierung eines Chefarztes als leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG ist vielmehr, ob er nach der konkreten Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensführung ausüben kann. Dazu muss er entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht notwendig Mitglied der Krankenhausverwaltung sein. Erforderlich ist aber, dass er nach dem Arbeitsvertrag und der tatsächlichen Stellung in der Klinik der Leitungs- und Führungsebene zuzurechnen ist und unternehmens- oder betriebsleitende Entscheidungen entweder selbst trifft oder maßgeblich vorbereitet. Ausdruck einer solchen Stellung können zB die selbständige Verwaltung eines nicht ganz unerheblichen Budgets oder die zwingende Mitsprache bei Investitionsentscheidungen sein.

18

2. Hiernach ist das Landesarbeitsgericht mit im Wesentlichen rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandenden Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beteiligte zu 3) durch die Wahrnehmung seiner Aufgaben die Entscheidungen der Arbeitgeberin nicht maßgeblich beeinflusst.

19

a) Bei der Gesamtbewertung der für die Charakterisierung eines leitenden Angestellten maßgebenden Merkmale steht dem Gericht der Tatsacheninstanz ein Beurteilungsspielraum zu. Die Würdigung des Beschwerdegerichts ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob der Sachverhalt fehlerfrei festgestellt wurde, die Bewertungsmaßstäbe nicht verkannt sind und die Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Punkte vertretbar erscheint(vgl. BAG 25. März 2009 - 7 ABR 2/08 - Rn. 18, AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 73 = EzA BetrVG 2001 § 5 Nr. 4).

20

b) Dieser eingeschränkten Überprüfung hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts stand.

21

aa) Die Bezeichnung des Beteiligten zu 3) als leitender Angestellter in § 1 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags begründet diesen betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerstatus nicht, weil die Parteien darüber nicht disponieren können. § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG stellt zwingendes Recht dar(BAG 6. Dezember 2001 - 2 AZR 733/00 - zu B II 3 b aa der Gründe, AP ZPO § 263 Nr. 3 = EzA BetrVG 1972 § 5 Nr. 65). Soweit die Rechtsbeschwerde die Gestaltung und Höhe das Gehaltes des Beteiligten zu 3) als Argument anführt, kommt es darauf nur in Zweifelsfällen nach der Auslegungsregel in § 5 Abs. 4 Nr. 3 BetrVG an(BAG 6. Dezember 2001 - 2 AZR 733/00 - zu B II 3 b ee der Gründe, aaO). Ein solcher Zweifelsfall liegt hier nicht vor.

22

bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ergibt sich nicht schon aus den im Arbeitsvertrag festgelegten Aufgaben, dass dem Beteiligten zu 3) typische unternehmerische (Teil-)Entscheidungen obliegen, an denen die Unternehmensleitung der Arbeitgeberin schlechterdings nicht vorbeigehen kann.

23

(1) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, allein durch die vertraglich vorgesehene Abstimmung sei nicht gewährleistet, dass die Arbeitgeberin die Vorstellungen des Beteiligten zu 3) tatsächlich berücksichtigen müsse.

24

(a) Nach § 6 Abs. 1 des Arbeitsvertrags sind das Leistungsspektrum und das Jahresbudget für die geriatrische Abteilung zwischen dem Beteiligten zu 3) und der Arbeitgeberin im medizinischen Zielplan gemeinsam abzustimmen. Unter einer Abstimmung ist eine Mitwirkungsform zu verstehen, die schwächer ist als das Einvernehmen oder die Zustimmung. Sie setzt keine Willensübereinstimmung voraus. Jedoch erschöpft sich eine Abstimmung nicht in der bloßen Information oder Anhörung. Stärker als die Anhörung wird die Abstimmung wie die Herstellung des Benehmens von dem Willen getragen, auch die Belange der anderen Seite zu berücksichtigen und sich mit ihr zu verständigen. Erhebliche Einwände oder Bedenken dürfen deshalb nicht einfach übergangen werden. Vielmehr ist auf den Ausgleich aufgetretener Differenzen hinzuwirken, auch wenn bei dennoch verbleibenden Meinungsunterschieden der Wille des Regelungsbefugten ausschlaggebend ist(vgl. zur Benehmensherstellung BAG 13. März 2003 - 6 AZR 557/01 - zu I 3 b der Gründe, AP BGB § 611 Arzt-Krankenhaus-Vertrag Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 611 Krankenhausarzt Nr. 1).

25

(b) Sieht der Arbeitsvertrag keine Vereinbarung, sondern lediglich eine Beteiligung in Form der Abstimmung vor, bei der die tatsächliche Entscheidungsbefugnis letztlich der Arbeitgeberin obliegt, kommt es für die Annahme des Status nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG maßgeblich auf die tatsächliche Vertragsübung an. Nach der Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht haben die Beteiligten trotz eines entsprechenden Hinweises des Senats keinen Vortrag dazu gehalten, inwieweit der Beteiligte zu 3) über seine medizinischen Aufgaben hinaus tatsächlichen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen beispielsweise zum Leistungsspektrum seiner Abteilung und damit auf die Gestaltung des Budgets ausüben kann. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde genügt dafür nicht der Vortrag, dass der Beteiligte zu 3) am Aufbau der von ihm geführten Klinik wesentlich beteiligt war. Die Eröffnung der geriatrischen Tagesklinik mit 15 Betten ging nicht auf seine Initiative während der Jahresgespräche zurück, sondern stand nach § 1 Abs. 1 Satz 2 bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrags am 22. April 2004 fest.

26

(2) § 1 Abs. 3 des Arbeitsvertrags bestätigt die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass dem Beteiligten zu 3) keine unternehmerischen (Teil-) Aufgaben übertragen wurden. Der Arbeitgeberin ist ausdrücklich das Recht vorbehalten, strukturelle und organisatorische Veränderungen im Betriebsablauf vorzunehmen.

27

(3) Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beteiligten zu 3) gemäß § 6 Abs. 6 Sätze 2 und 3 des Arbeitsvertrags ein Teilbudget zur Verwaltung zugewiesen worden wäre, über das er eigenverantwortlich verfügen kann.

28

(4) Ebenso kann mangels entsprechendem Vortrag nicht angenommen werden, es seien dem Beteiligten zu 3), wie in § 1 Abs. 3 Satz 1 des Arbeitsvertrags vorgesehen, weitere seiner Stellung als leitender Angestellter entsprechende Aufgaben übertragen worden.

29

cc) Auch die Delegationsstufe des Beteiligten spricht nicht für seine Zugehörigkeit zur Leitungsebene. Vielmehr ist er nach § 5 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags in ärztlichen Angelegenheiten dem ärztlichen Direktor, in Verwaltungsangelegenheiten der Verwaltungsleitung unterstellt.

30

dd) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, dass sich aus der Personalverantwortung des Beteiligten zu 3) für das in der geriatrischen Abteilung beschäftigte medizinische Personal nicht die Eigenschaft als leitender Angestellter ableiten lässt. Die Personalverantwortung ist kein Tatbestandsmerkmal des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG. Eine „schlichte Vorgesetztenstellung“ ist für eine Qualifikation als leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG nicht ausschlaggebend(vgl. BAG 6. Dezember 2001 - 2 AZR 733/00 - zu B II 3 b aa der Gründe, AP ZPO § 263 Nr. 3 = EzA BetrVG 1972 § 5 Nr. 65).

31

ee) Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass die Erfüllung unternehmerischer (Teil-)Aufgaben der Tätigkeit des Beteiligten zu 3) das Gepräge geben und jedenfalls ein beachtlicher Teil seiner Tätigkeit hiervon beansprucht würde.

        

    Linsenmaier    

        

    Schmidt    

        

    Kiel    

        

        

        

    Hoffmann    

        

    Deinert    

                 

(1) Arbeitnehmer (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten, die in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten. Als Arbeitnehmer gelten ferner Beamte (Beamtinnen und Beamte), Soldaten (Soldatinnen und Soldaten) sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind.

(2) Als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist;
2.
die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder die Mitglieder einer anderen Personengesamtheit, soweit sie durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit oder zur Geschäftsführung berufen sind, in deren Betrieben;
3.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist;
4.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung, sittlichen Besserung oder Erziehung beschäftigt werden;
5.
der Ehegatte, der Lebenspartner, Verwandte und Verschwägerte ersten Grades, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber leben.

(3) Dieses Gesetz findet, soweit in ihm nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, keine Anwendung auf leitende Angestellte. Leitender Angestellter ist, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb

1.
zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder
2.
Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder
3.
regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein.
Für die in Absatz 1 Satz 3 genannten Beamten und Soldaten gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Leitender Angestellter nach Absatz 3 Nr. 3 ist im Zweifel, wer

1.
aus Anlass der letzten Wahl des Betriebsrats, des Sprecherausschusses oder von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer oder durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung den leitenden Angestellten zugeordnet worden ist oder
2.
einer Leitungsebene angehört, auf der in dem Unternehmen überwiegend leitende Angestellte vertreten sind, oder
3.
ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das für leitende Angestellte in dem Unternehmen üblich ist, oder,
4.
falls auch bei der Anwendung der Nummer 3 noch Zweifel bleiben, ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das das Dreifache der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch überschreitet.

(1) Dieses Gesetz ist nicht anzuwenden auf

1.
leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes sowie Chefärzte,
2.
Leiter von öffentlichen Dienststellen und deren Vertreter sowie Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, die zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten befugt sind,
3.
Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen,
4.
den liturgischen Bereich der Kirchen und der Religionsgemeinschaften.

(2) Für die Beschäftigung von Personen unter 18 Jahren gilt anstelle dieses Gesetzes das Jugendarbeitsschutzgesetz.

(3) Für die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Besatzungsmitglieder auf Kauffahrteischiffen im Sinne des § 3 des Seearbeitsgesetzes gilt anstelle dieses Gesetzes das Seearbeitsgesetz.

(4) (weggefallen)

(1) Arbeitnehmer (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten, die in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten. Als Arbeitnehmer gelten ferner Beamte (Beamtinnen und Beamte), Soldaten (Soldatinnen und Soldaten) sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind.

(2) Als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist;
2.
die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder die Mitglieder einer anderen Personengesamtheit, soweit sie durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit oder zur Geschäftsführung berufen sind, in deren Betrieben;
3.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist;
4.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung, sittlichen Besserung oder Erziehung beschäftigt werden;
5.
der Ehegatte, der Lebenspartner, Verwandte und Verschwägerte ersten Grades, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber leben.

(3) Dieses Gesetz findet, soweit in ihm nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, keine Anwendung auf leitende Angestellte. Leitender Angestellter ist, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb

1.
zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder
2.
Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder
3.
regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein.
Für die in Absatz 1 Satz 3 genannten Beamten und Soldaten gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Leitender Angestellter nach Absatz 3 Nr. 3 ist im Zweifel, wer

1.
aus Anlass der letzten Wahl des Betriebsrats, des Sprecherausschusses oder von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer oder durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung den leitenden Angestellten zugeordnet worden ist oder
2.
einer Leitungsebene angehört, auf der in dem Unternehmen überwiegend leitende Angestellte vertreten sind, oder
3.
ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das für leitende Angestellte in dem Unternehmen üblich ist, oder,
4.
falls auch bei der Anwendung der Nummer 3 noch Zweifel bleiben, ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das das Dreifache der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch überschreitet.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 10. Oktober 2008 - 10 TaBV 24/08 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Beteiligte zu 3) leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG ist.

2

Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin betreibt in S ein Krankenhaus, in dem etwa 530 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind, davon 95 Ärztinnen und Ärzte. Unterhalb der Geschäftsführung ist eine Betriebsleitung gebildet, die aus einem der Geschäftsführer, der Pflegedienstleitung und dem ärztlichen Direktor besteht. Mit Ausnahme der Röntgenabteilung stehen den acht medizinischen Abteilungen des Krankenhauses jeweils leitende Abteilungsärzte als Chefärzte vor. Eine medizinische Abteilung ist die Klinik und Tagesklinik für Geriatrie, die seit ihrer Inbetriebnahme zum 1. Juni 2004 von dem Beteiligten zu 3) geleitet wird. Dessen Jahresgrundgehalt beträgt 180.000,00 Euro. In der Abteilung Geriatrie sind neben dem Beteiligten zu 3) als Chefarzt zwei Oberärzte und fünf weitere Ärzte sowie im Pflegebereich 26,5 Vollkräfte tätig. Die Geriatrie verfügt über 41 von insgesamt 405 stationären Krankenhausbetten sowie seit dem Jahr 2006 über weitere 15 Betten in der Tagesklinik. Damit erzielte die Abteilung im Jahr 2007 12 % des im Krankenhaus erwirtschafteten Gesamtumsatzes.

3

Der Arbeitsvertrag des Beteiligten zu 3) vom 22. April 2004 lautet auszugsweise wie folgt:

        

„§ 1   

        

Tätigkeit und Aufgabengebiet

        

1)   

Der Dienstnehmer wird mit Wirkung zum 15.06.2004 als Chefarzt für die Akutgeriatrie sowie für die noch zu errichtende geriatrische Tagesklinik eingestellt. Sein Aufgabengebiet umfasst die Rechte und Pflichten eines Chefarztes der Geriatrischen Abteilung.

        

2)   

Der Dienstnehmer ist leitender Angestellter. Er ist nach Absprache mit den Fachkollegen und im Rahmen des Personalbudgets zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von ärztlichen Mitarbeitern berechtigt. Arbeitszeugnisse werden von ihm und der Verwaltungsleitung gemeinsam unterzeichnet. Die Verwaltungsleitung hat hierbei insbesondere auf die Übereinstimmung mit den arbeitsrechtlichen Bestimmungen zu achten.

        

3)   

Weitere seiner Stellung als leitender Mitarbeiter entsprechende Aufgaben können ihm übertragen werden. Der Dienstgeber hat das Recht, strukturelle und organisatorische Veränderungen im Betriebsablauf vorzunehmen.

        

4)   

Der Dienstnehmer ist gegenüber dem medizinischen Personal grundsätzlich weisungsberechtigt; gegenüber Ärzten jedoch nur insoweit, als diese ihm in ihrem Aufgabengebiet nachgeordnet sind.

                          
        

§ 5     

        

Allgemeine Rechte und Pflichten

        

1)   

Der Dienstnehmer beteiligt sich im erforderlichen Umfang an solchen Gremien, die der Dienstgeber im Hinblick auf ein optimales Betriebsmanagement für notwendig erachtet. Er unterstützt die Fortbildung der nachgeordneten Mitarbeiter gemäß dem Stand ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten und bildet sich selbstständig weiter. Auf Verlangen des Dienstgebers hat der Dienstnehmer seine eigene Weiterbildung nachzuweisen.

        

2)   

Die Dienstaufsicht über den Dienstnehmer hat im Allgemeinen der Dienstgeber. Im Speziellen ist der Dienstnehmer in ärztlichen Angelegenheiten dem Ärztlichen Direktor, in Verwaltungsangelegenheiten der Verwaltungsleitung unterstellt. Der Dienstnehmer wirkt an der Umsetzung dienstlicher Anordnungen und Weisungen sowie gesetzlicher Vorschriften mit. Bei Kompetenzkonflikten ist die Entscheidung der Gesellschafterversammlung der H GmbH einzuholen.

                          
        

§ 6     

        

Besondere Rechte und Pflichten

        

1)   

Der Dienstnehmer führt Heilbehandlungen selbstständig, eigenverantwortlich, kooperativ und nach den Regeln der ärztlichen Kunst auf dem jeweils neuesten Stand der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse durch. Der Umfang seiner Leistungen wird durch Leistungsspektrum und Jahresbudget des Dienstgebers begrenzt. Beide werden zu Jahresanfang im Medizinischen Zielplan gemeinsam abgestimmt.

        

…       

        

        

5)   

Der Dienstnehmer wirkt auf eine sparsame Betriebsführung hin. Ihm kann ein Teilbudget anvertraut werden. Er ist dann für die Verwendung der Mittel allein verantwortlich… .“

4

Mit dem am 20. September 2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat der Betriebsrat die Feststellung begehrt, der Beteiligte zu 3) sei kein leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG. Seine Einstellungs- und Entlassungsbefugnisse seien nicht ausreichend für § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG. Auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG seien nicht erfüllt. Der Beteiligte zu 3) nehme keine Aufgaben im Sinne dieser Vorschrift wahr, die für den Bestand und für die Entwicklung des Unternehmens oder des Betriebs von Bedeutung seien. Soweit der Arbeitsvertrag eine gemeinsame Abstimmung des Leistungsspektrums und des Jahresbudgets vorsehe, würden die Entscheidungen nicht von dem Beteiligten zu 3) getroffen, sondern von dem dreiköpfigen Führungskreis des Unternehmens bzw. in Verwaltungsangelegenheiten von der Verwaltungs- bzw. Personalleitung.

5

Der Betriebsrat hat beantragt

        

festzustellen, dass der Beteiligte zu 3) nicht leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG ist.

6

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

7

Sie hat die Auffassung vertreten, der Beteiligte zu 3) sei leitender Angestellter, weil er nach dem Anstellungsvertrag für die von ihm geführte geriatrische Abteilung jeweils zu Jahresbeginn das Leistungsspektrum und das Jahresbudget gemeinsam mit der Arbeitgeberin festzulegen habe. Durch die Beteiligung am Aufbau der Geriatrie sowie der geriatrischen Tagesklinik mit 15 Betten komme zum Ausdruck, dass seine Vorschläge nicht unbeachtet bleiben könnten. Ausdruck seiner unternehmerischen Verantwortung sei schließlich der Bezug des zuletzt vereinbarten Zieleinkommens iHv. 265.000,00 Euro, das er nur erreichen könne, wenn er die zwischen ihm und der Arbeitgeberin vereinbarten unternehmerischen Ziele erfülle.

8

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zunächst zurückgewiesen. Der Senat hat diese Entscheidung mit Beschluss vom 10. Oktober 2007(- 7 ABR 61/06 - AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 72 = EzA BetrVG 2001 § 5 Nr. 3)auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats aufgehoben und das Verfahren zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das Landesarbeitsgericht hat daraufhin den Beschluss des Arbeitsgerichts abgeändert und dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Mit der von der Arbeitgeberin eingelegten Rechtsbeschwerde beantragt diese die Wiederherstellung der Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Betriebsrat beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

9

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats zu Recht entsprochen. Der Beteiligte zu 3) ist kein leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG.

10

I. Der Beteiligte zu 3) ist kein leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG. Dies hat der Senat im Beschluss vom 10. Oktober 2007(- 7 ABR 61/06 - AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 72 = EzA BetrVG 2001 § 5 Nr. 3)mit Bindungswirkung (§ 563 Abs. 2 ZPO) entschieden.

11

II. Der Beteiligte zu 3) ist auch kein leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG. Er kann unternehmerische (Teil-)Entscheidungen, die für den Bestand und die Entwicklung des Krankenhauses von Bedeutung sind, nicht maßgeblich beeinflussen.

12

1. Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach seinem Arbeitsvertrag und seiner Stellung im Unternehmen oder Betrieb regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und für die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst.

13

a) Voraussetzung für die Wahrnehmung einer unternehmerischen (Teil-)Aufgabe ist, dass dem leitenden Angestellten rechtlich und tatsächlich ein eigener und erheblicher Entscheidungsspielraum zur Verfügung steht, dh. er muss mit weitgehender Weisungsfreiheit und Selbstbestimmung seinen Tätigkeitsbereich wahrnehmen und kraft seiner leitenden Funktion maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensführung ausüben(BAG 25. März 2009 - 7 ABR 2/08 - Rn. 30 mwN, AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 73 = EzA BetrVG 2001 § 5 Nr. 4). Der nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG erforderliche Einfluss auf die Unternehmensführung kann darin bestehen, dass der leitende Angestellte selbst die Entscheidungen trifft, aber auch darin, dass er kraft seiner Schlüsselposition Voraussetzungen schafft, an denen die Unternehmensleitung schlechterdings nicht vorbeigehen kann. Je tiefer die Entscheidungsstufe in der Unternehmenshierarchie liegt, auf der der Angestellte unternehmens- oder betriebsleitende Aufgabenstellungen erfüllt, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wesentliche unternehmerische Entscheidungsspielräume auf den höheren Entscheidungsstufen bereits verbraucht wurden. Von welcher Delegationsstufe ab leitende Angestellte im Unternehmen nicht mehr beschäftigt werden, lässt sich nur im jeweiligen Einzelfall bestimmen. Der maßgebliche Einfluss fehlt jedenfalls dann, wenn der Angestellte nur bei der reinen arbeitstechnischen, vorbestimmten Durchführung unternehmerischer Entscheidungen eingeschaltet wird, etwa im Rahmen von Aufsichts- oder Überwachungsfunktionen (BAG 25. März 2009 - 7 ABR 2/08 - Rn. 31 mwN, aaO). Erforderlich ist schließlich auch, dass die unternehmerische Aufgabenstellung mit Entscheidungsspielraum die Tätigkeit des leitenden Angestellten prägt, dh. sie schwerpunktmäßig bestimmt (BAG 23. Januar 1986 - 6 ABR 51/81 - zu C I 3 f der Gründe mwN, BAGE 51, 1; 25. Oktober 1989 - 7 ABR 60/88 - zu II 4 der Gründe, BAGE 63, 200; H/S/W/G/N/R-Rose BetrVG 7. Aufl. § 5 Rn. 203). Dazu ist es erforderlich, dass jedenfalls ein beachtlicher Teil der Arbeitszeit von diesen Tätigkeiten beansprucht wird (BAG 23. Januar 1986 - 6 ABR 51/81 -, aaO).

14

b) Ob ein Chefarzt leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG ist, hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab.

15

aa) Allein die formale Stellung eines Chefarztes genügt nicht zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG. Dies folgt bereits aus § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG. Danach ist das ArbZG nicht anzuwenden auf leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG sowie auf Chefärzte. Die Erwähnung der Chefärzte in dieser Vorschrift wäre überflüssig, wenn sie ohne Weiteres dem Begriff des leitenden Angestellten unterfallen würden. Anderenfalls hätte es im Streitfall auch nicht der Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht im Beschluss vom 10. Oktober 2007(- 7 ABR 61/06 - AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 72 = EzA BetrVG 2001 § 5 Nr. 3)bedurft.

16

bb) Ein Chefarzt ist auch nicht bereits deshalb leitender Angestellter, weil er regelmäßig frei und eigenverantwortlich Entscheidungen etwa über die Einführung spezieller Untersuchungs-, Behandlungs- und Therapiemethoden fällen kann(so aber Raab GK-BetrVG 9. Aufl. § 5 Rn. 126 mwN; Richardi/Richardi BetrVG 12. Aufl. § 5 Rn. 256). Zwar obliegt dem Chefarzt eines Krankenhauses die Verantwortung im ärztlichen Bereich, wenn er eigenverantwortlich handelt und an Weisungen im Zweifel nicht gebunden ist. Die ärztliche Behandlung einschließlich der Entscheidung über bestimmte Behandlungsmethoden hat jedoch nicht in erster Linie eine unternehmerische Dimension. Sie zielt auf den Heilerfolg. Ärztliche Entscheidungen erklären sich aus den Besonderheiten des Arzt-Patientenverhältnisses und richten sich in erster Linie am Berufsrecht aus (§ 1 Abs. 2 BÄO). Ärztliche Entscheidungen des Chefarztes sind der Disposition des Arbeitgebers entzogen und betreffen nicht ohne Weiteres eine unternehmerische Aufgabenstellung im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG.

17

cc) Maßgeblich für die Qualifizierung eines Chefarztes als leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG ist vielmehr, ob er nach der konkreten Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensführung ausüben kann. Dazu muss er entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht notwendig Mitglied der Krankenhausverwaltung sein. Erforderlich ist aber, dass er nach dem Arbeitsvertrag und der tatsächlichen Stellung in der Klinik der Leitungs- und Führungsebene zuzurechnen ist und unternehmens- oder betriebsleitende Entscheidungen entweder selbst trifft oder maßgeblich vorbereitet. Ausdruck einer solchen Stellung können zB die selbständige Verwaltung eines nicht ganz unerheblichen Budgets oder die zwingende Mitsprache bei Investitionsentscheidungen sein.

18

2. Hiernach ist das Landesarbeitsgericht mit im Wesentlichen rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandenden Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beteiligte zu 3) durch die Wahrnehmung seiner Aufgaben die Entscheidungen der Arbeitgeberin nicht maßgeblich beeinflusst.

19

a) Bei der Gesamtbewertung der für die Charakterisierung eines leitenden Angestellten maßgebenden Merkmale steht dem Gericht der Tatsacheninstanz ein Beurteilungsspielraum zu. Die Würdigung des Beschwerdegerichts ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob der Sachverhalt fehlerfrei festgestellt wurde, die Bewertungsmaßstäbe nicht verkannt sind und die Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Punkte vertretbar erscheint(vgl. BAG 25. März 2009 - 7 ABR 2/08 - Rn. 18, AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 73 = EzA BetrVG 2001 § 5 Nr. 4).

20

b) Dieser eingeschränkten Überprüfung hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts stand.

21

aa) Die Bezeichnung des Beteiligten zu 3) als leitender Angestellter in § 1 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags begründet diesen betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerstatus nicht, weil die Parteien darüber nicht disponieren können. § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG stellt zwingendes Recht dar(BAG 6. Dezember 2001 - 2 AZR 733/00 - zu B II 3 b aa der Gründe, AP ZPO § 263 Nr. 3 = EzA BetrVG 1972 § 5 Nr. 65). Soweit die Rechtsbeschwerde die Gestaltung und Höhe das Gehaltes des Beteiligten zu 3) als Argument anführt, kommt es darauf nur in Zweifelsfällen nach der Auslegungsregel in § 5 Abs. 4 Nr. 3 BetrVG an(BAG 6. Dezember 2001 - 2 AZR 733/00 - zu B II 3 b ee der Gründe, aaO). Ein solcher Zweifelsfall liegt hier nicht vor.

22

bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ergibt sich nicht schon aus den im Arbeitsvertrag festgelegten Aufgaben, dass dem Beteiligten zu 3) typische unternehmerische (Teil-)Entscheidungen obliegen, an denen die Unternehmensleitung der Arbeitgeberin schlechterdings nicht vorbeigehen kann.

23

(1) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, allein durch die vertraglich vorgesehene Abstimmung sei nicht gewährleistet, dass die Arbeitgeberin die Vorstellungen des Beteiligten zu 3) tatsächlich berücksichtigen müsse.

24

(a) Nach § 6 Abs. 1 des Arbeitsvertrags sind das Leistungsspektrum und das Jahresbudget für die geriatrische Abteilung zwischen dem Beteiligten zu 3) und der Arbeitgeberin im medizinischen Zielplan gemeinsam abzustimmen. Unter einer Abstimmung ist eine Mitwirkungsform zu verstehen, die schwächer ist als das Einvernehmen oder die Zustimmung. Sie setzt keine Willensübereinstimmung voraus. Jedoch erschöpft sich eine Abstimmung nicht in der bloßen Information oder Anhörung. Stärker als die Anhörung wird die Abstimmung wie die Herstellung des Benehmens von dem Willen getragen, auch die Belange der anderen Seite zu berücksichtigen und sich mit ihr zu verständigen. Erhebliche Einwände oder Bedenken dürfen deshalb nicht einfach übergangen werden. Vielmehr ist auf den Ausgleich aufgetretener Differenzen hinzuwirken, auch wenn bei dennoch verbleibenden Meinungsunterschieden der Wille des Regelungsbefugten ausschlaggebend ist(vgl. zur Benehmensherstellung BAG 13. März 2003 - 6 AZR 557/01 - zu I 3 b der Gründe, AP BGB § 611 Arzt-Krankenhaus-Vertrag Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 611 Krankenhausarzt Nr. 1).

25

(b) Sieht der Arbeitsvertrag keine Vereinbarung, sondern lediglich eine Beteiligung in Form der Abstimmung vor, bei der die tatsächliche Entscheidungsbefugnis letztlich der Arbeitgeberin obliegt, kommt es für die Annahme des Status nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG maßgeblich auf die tatsächliche Vertragsübung an. Nach der Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht haben die Beteiligten trotz eines entsprechenden Hinweises des Senats keinen Vortrag dazu gehalten, inwieweit der Beteiligte zu 3) über seine medizinischen Aufgaben hinaus tatsächlichen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen beispielsweise zum Leistungsspektrum seiner Abteilung und damit auf die Gestaltung des Budgets ausüben kann. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde genügt dafür nicht der Vortrag, dass der Beteiligte zu 3) am Aufbau der von ihm geführten Klinik wesentlich beteiligt war. Die Eröffnung der geriatrischen Tagesklinik mit 15 Betten ging nicht auf seine Initiative während der Jahresgespräche zurück, sondern stand nach § 1 Abs. 1 Satz 2 bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrags am 22. April 2004 fest.

26

(2) § 1 Abs. 3 des Arbeitsvertrags bestätigt die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass dem Beteiligten zu 3) keine unternehmerischen (Teil-) Aufgaben übertragen wurden. Der Arbeitgeberin ist ausdrücklich das Recht vorbehalten, strukturelle und organisatorische Veränderungen im Betriebsablauf vorzunehmen.

27

(3) Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beteiligten zu 3) gemäß § 6 Abs. 6 Sätze 2 und 3 des Arbeitsvertrags ein Teilbudget zur Verwaltung zugewiesen worden wäre, über das er eigenverantwortlich verfügen kann.

28

(4) Ebenso kann mangels entsprechendem Vortrag nicht angenommen werden, es seien dem Beteiligten zu 3), wie in § 1 Abs. 3 Satz 1 des Arbeitsvertrags vorgesehen, weitere seiner Stellung als leitender Angestellter entsprechende Aufgaben übertragen worden.

29

cc) Auch die Delegationsstufe des Beteiligten spricht nicht für seine Zugehörigkeit zur Leitungsebene. Vielmehr ist er nach § 5 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags in ärztlichen Angelegenheiten dem ärztlichen Direktor, in Verwaltungsangelegenheiten der Verwaltungsleitung unterstellt.

30

dd) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, dass sich aus der Personalverantwortung des Beteiligten zu 3) für das in der geriatrischen Abteilung beschäftigte medizinische Personal nicht die Eigenschaft als leitender Angestellter ableiten lässt. Die Personalverantwortung ist kein Tatbestandsmerkmal des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG. Eine „schlichte Vorgesetztenstellung“ ist für eine Qualifikation als leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG nicht ausschlaggebend(vgl. BAG 6. Dezember 2001 - 2 AZR 733/00 - zu B II 3 b aa der Gründe, AP ZPO § 263 Nr. 3 = EzA BetrVG 1972 § 5 Nr. 65).

31

ee) Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass die Erfüllung unternehmerischer (Teil-)Aufgaben der Tätigkeit des Beteiligten zu 3) das Gepräge geben und jedenfalls ein beachtlicher Teil seiner Tätigkeit hiervon beansprucht würde.

        

    Linsenmaier    

        

    Schmidt    

        

    Kiel    

        

        

        

    Hoffmann    

        

    Deinert    

                 

(1) Der Arzt dient der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes.

(2) Der ärztliche Beruf ist kein Gewerbe; er ist seiner Natur nach ein freier Beruf.

(1) Arbeitnehmer (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten, die in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten. Als Arbeitnehmer gelten ferner Beamte (Beamtinnen und Beamte), Soldaten (Soldatinnen und Soldaten) sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind.

(2) Als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist;
2.
die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder die Mitglieder einer anderen Personengesamtheit, soweit sie durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit oder zur Geschäftsführung berufen sind, in deren Betrieben;
3.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist;
4.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung, sittlichen Besserung oder Erziehung beschäftigt werden;
5.
der Ehegatte, der Lebenspartner, Verwandte und Verschwägerte ersten Grades, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber leben.

(3) Dieses Gesetz findet, soweit in ihm nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, keine Anwendung auf leitende Angestellte. Leitender Angestellter ist, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb

1.
zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder
2.
Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder
3.
regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein.
Für die in Absatz 1 Satz 3 genannten Beamten und Soldaten gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Leitender Angestellter nach Absatz 3 Nr. 3 ist im Zweifel, wer

1.
aus Anlass der letzten Wahl des Betriebsrats, des Sprecherausschusses oder von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer oder durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung den leitenden Angestellten zugeordnet worden ist oder
2.
einer Leitungsebene angehört, auf der in dem Unternehmen überwiegend leitende Angestellte vertreten sind, oder
3.
ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das für leitende Angestellte in dem Unternehmen üblich ist, oder,
4.
falls auch bei der Anwendung der Nummer 3 noch Zweifel bleiben, ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das das Dreifache der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch überschreitet.

(1) Dieses Gesetz ist nicht anzuwenden auf

1.
leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes sowie Chefärzte,
2.
Leiter von öffentlichen Dienststellen und deren Vertreter sowie Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, die zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten befugt sind,
3.
Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen,
4.
den liturgischen Bereich der Kirchen und der Religionsgemeinschaften.

(2) Für die Beschäftigung von Personen unter 18 Jahren gilt anstelle dieses Gesetzes das Jugendarbeitsschutzgesetz.

(3) Für die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Besatzungsmitglieder auf Kauffahrteischiffen im Sinne des § 3 des Seearbeitsgesetzes gilt anstelle dieses Gesetzes das Seearbeitsgesetz.

(4) (weggefallen)

Tenor

I. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 2. Juli 2013 - 14 Sa 1706/12 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 24. Oktober 2012 - 2 Ca 380/12 - teilweise abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.178,76 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Mai 2012 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits I. Instanz haben die Klägerin 64 % und die Beklagte 36 % zu tragen, von denen des Berufungsverfahrens und der Revision die Klägerin 61 % und die Beklagte 39 %.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Auszahlung eines Arbeitszeitguthabens.

2

Die Klägerin wurde von der Beklagten, die mehrere Textileinzelhandelsgeschäfte betreibt, zum 1. Juni 2007 als Bürofachkraft eingestellt. Sie erledigte Sekretariats- und Assistenztätigkeiten für die Geschäftsführung und leitete zuletzt das sogenannte „Back Office“. Ihre Hauptaufgaben verrichtete sie im Vorzimmer der Geschäftsführung. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer von der Klägerin ausgesprochenen Kündigung am 31. März 2012.

3

Grundlage des Arbeitsverhältnisses war zunächst ein schriftlicher, von der Beklagten gestellter Arbeitsvertrag vom 28. April 2007 (im Folgenden Arbeitsvertrag 2007), der unter anderem folgende Regelungen enthielt:

        

„§ 3 Vergütung

        

Die monatliche Bruttovergütung beträgt 2.500 €. Die Vergütung wird jeweils am Letzten eines Monats fällig. Die Zahlung erfolgt bargeldlos auf das der Firma benannte Konto des Arbeitnehmers.

        

…       

        

§ 7 Arbeitszeit

        

Die Arbeitszeit ist flexibel und richtet sich nach der betriebsüblichen Zeit. Vereinbart werden monatlich 163 Stunden ohne die Berücksichtigung von Pausen. Mehr bzw. Minderstunden werden über ein Zeitkonto abgerechnet. Bei Austritt aus dem Unternehmen wird der Saldo mit dem durchschnittlichen Stundenlohn verrechnet. Arbeitsbeginn und Arbeitsende richten sich nach der jeweiligen Personaleinsatzplanung. Die Firma ist berechtigt, aus dringenden betrieblichen Erfordernissen eine Änderung der Arbeitszeiteinteilung vorzunehmen.

        

…       

        

§ 12 Tarifvertrag

        

Ergänzend gelten die Regelungen des Tarifvertrages für den Einzelhandel in NRW in seiner jeweils geltenden Fassung.

        

§ 13 Ausschlussklausel

        

Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis müssen innerhalb eines Monats nach Zugang der letzten Gehaltsabrechnung geltend gemacht werden; anderenfalls sind sie verwirkt.

        

§ 14 Nebenabreden

        

Nebenabreden und Änderungen des Vertrages bedürfen zu ihrer Rechtsgültigkeit der Schriftform. Dieses Formerfordernis kann weder mündlich noch stillschweigend aufgehoben oder außer Kraft gesetzt werden. Eine etwaige Ungültigkeit einzelner Vertragsbestimmungen berührt die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht.“

4

Am 22. Februar 2008 vereinbarten die Parteien in einem „Nachtrag 1 zum unbefristeten Arbeitsvertrag vom 28. April 2007“ unter Beibehaltung der übrigen vertraglichen Vereinbarungen eine Änderung der Kündigungsfrist und eine Erhöhung der Vergütung der Klägerin zum 1. März 2008 auf 2.750,00 Euro brutto und zum 1. Januar 2009 auf 3.000,00 Euro brutto.

5

Mit Formulararbeitsvertrag vom 13./27. November 2008 (im Folgenden Arbeitsvertrag 2008), der gemäß § 1 Abs. 1 mit Wirkung zum 1. Januar 2009 den Arbeitsvertrag vom 28. April 2007 sowie den Nachtrag 1 vom 22. Februar 2008 ersetzte, vereinbarten die Parteien ua. bei gleichbleibender Vergütung in § 7 Abs. 1 eine Verlängerung der monatlichen Arbeitszeit auf 173 Stunden. Im Übrigen blieb § 7 unverändert. Die §§ 12 bis 14 stimmen mit denen des Arbeitsvertrags 2007 überein.

6

Im Manteltarifvertrag für die Unternehmen des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen vom 25. Juli 2008 (im Folgenden MTV), abgeschlossen mit Wirkung zum 1. Januar 2007, ist ua. geregelt:

        

㤠24 Verfallklausel

        

(1)     

Die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen wie folgt:

                 

a)    

3 Monate nach Fälligkeit:

                          

Ansprüche auf Abgeltung der Überstunden;

                 

b)    

spätestens 3 Monate nach Ende des Urlaubsjahres bzw. Beendigung des Arbeitsverhältnisses:

                          

Ansprüche auf Urlaub, Urlaubsabgeltung und Sonderzahlungen;

                 

c)    

6 Monate nach Fälligkeit:

                          

alle übrigen aus Tarifvertrag und Arbeitsverhältnis entstandenen finanziellen Ansprüche.

        

(2)     

Die Ansprüche verfallen nicht, sofern sie innerhalb der vorgenannten Fristen schriftlich geltend gemacht worden sind.

        

(3)     

Vorstehende Fristen gelten als Ausschlussfristen.

        

(4)     

Unter die Verfallklausel fallen nicht solche Ansprüche eines Arbeitgebers oder eines Arbeitnehmers gegen einen Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, die auf eine strafbare Handlung oder eine unerlaubte Handlung gestützt werden. Für diese Ansprüche gelten die gesetzlichen Vorschriften.“

7

Die Bestimmung wurde in der durch den Ergänzungstarifvertrag vom 29. Juni 2011 geänderten Fassung des MTV beibehalten.

8

Die Beklagte händigte der Klägerin für den Zeitraum 1. Juni 2007 bis 25. November 2008 mit „Bericht Arbeitszeit Verkäufer“ überschriebene Aufstellungen aus, in denen Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit, die Gesamtstunden, die Pausen sowie die bezahlte Arbeitszeit ausgewiesen sind. Die Plus-Differenz zwischen geleisteten und vergüteten Stunden belief sich danach auf 414 Stunden. In der Folgezeit erfasste die Beklagte die Arbeitszeit der Klägerin nicht mehr und händigte ihr keine weiteren Berichte aus.

9

Die Klägerin führte ab dem 26. November 2008 eine eigene Arbeitszeitaufstellung. Darin hat sie für jeden Arbeitstag ihre Regelarbeitszeit, Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit und Pausenzeiten festgehalten sowie Mehr- und Minderarbeit fortlaufend saldiert. Aus dieser Aufstellung ergeben sich für den Zeitraum 26. November 2008 bis 30. Dezember 2011 eine Plus-Differenz von 643 Stunden und 10 Minuten sowie - ergänzend zu den Berichten der Beklagten - für den 30. und 31. August 2008 zusätzlich 1,5 Gutstunden. Die Aufstellung legte die Klägerin der Beklagten nicht vor.

10

Mit Schreiben vom 24. Februar 2012 forderte die Klägerin die Beklagte unter Hinweis auf § 7 Arbeitsvertrag auf, ihr eine Abrechnung des Arbeitszeitkontos zu übersenden. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 28. Februar 2012 mit der Begründung ab, das Arbeitszeitkonto stehe auf null. Ihre Ablehnung wiederholte sie auf eine nochmalige schriftliche Aufforderung vom 6. März 2012.

11

Mit ihrer am 23. März 2012 eingereichten Klage hat die Klägerin zuletzt die Abgeltung des von ihr für den Zeitraum 1. Juni 2007 bis 31. März 2012 behaupteten Zeitguthabens verlangt. Sie hat geltend gemacht, der Geschäftsführer der Beklagten habe sich am 26. Januar 2009, als er ihr das nicht vollständige Arbeitszeitkonto für November 2008 übergeben habe, geweigert ihre Arbeitszeitaufstellungen entgegen zu nehmen und auch für die Zukunft die Führung eines Arbeitszeitkontos abgelehnt. Er habe die Anweisung erteilt, ihre Arbeitszeiten nicht mehr zu erfassen. Zu den in ihren Arbeitszeitaufstellungen genannten Zeiten habe sie im Betrieb der Beklagten gearbeitet. Durch ihre Tätigkeit im Vorzimmer des Geschäftsführers sei dieser auch jederzeit über ihre Arbeitszeit orientiert gewesen. Sie habe Überstunden leisten müssen, weil sämtliche Geschäftsanfälle auf Weisung des Geschäftsführers sofort zu bearbeiten gewesen seien.

12

Die Klägerin hat - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 18.357,28 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Mai 2012 zu zahlen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, das Arbeitszeitkonto stehe auf null. Ein Arbeitszeitkonto sei nicht mehr zu führen gewesen, weil die Parteien bereits kurz nach Beginn des Arbeitsverhältnisses Vertrauensarbeitszeit vereinbart hätten. Überstunden seien von ihr nicht angeordnet, gebilligt oder geduldet worden. Sie seien auch nicht zur Erledigung der Arbeit notwendig gewesen. Etwaige Ansprüche seien zudem verfallen und verjährt.

14

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage in dem noch anhängigen Umfang stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.

15

Die Beklagte hat erstmals mit der Revisionsbegründung behauptet, mit der Klägerin in einem Nachtrag zum Arbeitsvertrag 2008 vom 18. Februar 2011 eine auf die tarifliche Ausschlussfrist verweisende Regelung vereinbart zu haben.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision der Beklagten ist zum Teil begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Klägerin zu Unrecht in vollem Umfang stattgegeben. Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet. Die Klägerin hat gemäß § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 7 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 Arbeitsvertrag Anspruch auf Vergütung in Höhe von 7.178,76 Euro brutto nebst Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

17

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere streitgegenständlich hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Streitgegenstand der Klage ist die Abgeltung eines bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis behaupteten Zeitguthabens. Zu dessen Bestimmung genügt der Vortrag der Klägerin, eine fortlaufende Saldierung von Mehr- und Minderstunden sei vereinbart worden sowie die Bezifferung des behaupteten Guthabens und des sich hieraus ergebenden Abgeltungsbetrags (vgl. BAG 13. März 2002 - 5 AZR 43/01 - zu I der Gründe).

18

II. Die Klage ist zum Teil begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin zur Abgeltung des bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehenden Zeitguthabens 7.178,76 Euro brutto nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

19

1. Die Klägerin hat ein Zeitguthaben von 414 Stunden schlüssig dargelegt.

20

a) Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste(vgl. BAG 21. März 2012 - 5 AZR 676/11 - Rn. 20, BAGE 141, 88) und deshalb Vergütung beanspruchen kann, bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung für die vereinbarte Vergütung erbringen muss. Begehrt der Arbeitnehmer die Abgeltung eines Zeitguthabens, macht er den Vergütungsanspruch für vorgeleistete Arbeit geltend (vgl. BAG 24. September 2003 - 10 AZR 640/02 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 108, 1; 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 13, BAGE 135,197). Da dieses Zeitguthaben nur in anderer Form den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ausdrückt, genügt für die Schlüssigkeit einer Klage, die auf Ausgleich des Guthabens auf einem Arbeitszeitkonto gerichtet ist, dass der Kläger die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos und das Bestehen eines Guthabens zum vereinbarten Auszahlungszeitpunkt darlegt (BAG 13. März 2002 - 5 AZR 43/01 - zu II 1 der Gründe; 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 13, aaO).

21

b) Die Klägerin hat mit den Regelungen in § 7 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 Arbeitsvertrag die Vereinbarung der Führung eines Arbeitszeitkontos und der Abgeltung eines ggf. bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehenden Guthabens schlüssig vorgetragen. Mit Vorlage der von der Beklagten bis 25. November 2008 geführten Berichte und der Behauptung, sie habe in der Folgezeit (jedenfalls) nicht weniger Arbeitsstunden geleistet als geschuldet, hat sie zudem einen sich aus dem Arbeitszeitkonto bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu ihren Gunsten ergebenden Saldo von 414 Stunden schlüssig dargelegt. Dieser ist nach § 7 Abs. 1 Satz 4 Arbeitsvertrag mit dem rechnerisch unstreitigen Stundensatz von 17,34 Euro brutto abzugelten.

22

2. Die Beklagte hat keine Tatsachen dargelegt, die geeignet wären, den sich aus dem Arbeitszeitkonto ergebenden, mit den der Klägerin ausgehändigten Berichten „Arbeitszeit Verkäufer“ streitlos gestellten Saldo zu entkräften.

23

a) Die regelmäßigen Buchungen auf dem Arbeitszeitkonto stellen nicht rechtsgeschäftliche Erklärungen, sondern tatsächliche Handlungen im Sinne sogenannter Wissenserklärungen dar. Der Arbeitnehmer, der Kenntnis von der Buchung erhält, kann nicht annehmen, es handele sich um eine auf Bestätigung oder gar Veränderung der Rechtslage gerichtete Willenserklärung im Sinne eines deklaratorischen oder konstitutiven Schuldanerkenntnisses (vgl. BAG 19. März 2008 - 5 AZR 328/07 - Rn. 26). Der Arbeitgeber stellt jedoch mit der vorbehaltlosen Ausweisung von Guthabenstunden in einem für den einzelnen Arbeitnehmer geführten Arbeitszeitkonto dessen Saldo streitlos (vgl. BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 19, BAGE 135, 197). Er bringt damit regelmäßig zum Ausdruck, dass bestimmte Arbeitsstunden tatsächlich und mit seiner Billigung geleistet wurden. Will der Arbeitgeber im Nachhinein den sich aus dem Arbeitszeitkonto zugunsten des Arbeitnehmers ergebenden Saldo erheblich bestreiten, obliegt es ihm ausgehend von einer gestuften Darlegungslast, im Einzelnen darzulegen, aufgrund welcher Umstände der ausgewiesene Saldo unzutreffend sei oder sich bis zur vereinbarten Schließung des Arbeitszeitkontos reduziert habe. Erst dann hat der Arbeitnehmer vorzutragen, wann er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen habe, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt (vgl. BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14 ff., BAGE 141, 144 zur Darlegungs- und Beweislast im Vergütungsprozess). Trägt der Arbeitgeber hingegen nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der im Arbeitszeitkonto vorbehaltlos ausgewiesene Saldo als zugestanden.

24

b) Ein zugunsten der Klägerin bestehendes Zeitguthaben von 414 Stunden gilt danach als zugestanden.

25

aa) Der Vortrag der Beklagten beschränkt sich auf die pauschale Behauptung, das Arbeitszeitkonto habe bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf null gestanden. In welcher Hinsicht die der Klägerin ausgehändigten Aufstellungen „Bericht Arbeitszeit Verkäufer“ unzutreffend sein sollen und zu welchen der darin angegebenen Zeiten die Klägerin nicht oder nicht auf arbeitgeberseitige Veranlassung gearbeitet haben soll, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Sie hat auch nicht behauptet, die Klägerin habe nach dem 25. November 2008 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als geschuldet gearbeitet, so dass sich das Guthaben reduziert hätte.

26

bb) Unbeachtlich ist, dass die Berichte basierend auf Arbeitszeitangaben der Klägerin erstellt wurden. Die Beklagte hat die Angaben nicht nur widerspruchslos zur Kenntnis genommen (vgl. hierzu BAG 3. November 2004 - 5 AZR 648/03 - zu III 2 der Gründe; 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 c der Gründe), sondern sich zu eigen gemacht, indem sie nach den in der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der Klägerin - vergleichbar mit der Abzeichnung von Stunden durch den Arbeitgeber oder einen vertretungsberechtigten Vorgesetzten (vgl. hierzu BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 19) - die Berichte „Arbeitszeit Verkäufer“ aushändigte. Auch unterlassene Rückstellungen für Arbeitszeitguthaben der Klägerin in den Handelsbilanzen der Jahre 2008 bis 2011 - unterstellt man zugunsten der Beklagten, die Klägerin sei für deren Ermittlung verantwortlich gewesen - sind nicht geeignet, das zuvor streitlos gestellte Guthaben in Frage zu stellen.

27

3. Die Parteien haben den Abgeltungsanspruch der Klägerin nicht rechtsgeschäftlich durch Erlass zum Erlöschen gebracht.

28

a) Ein Erlassvertrag (§ 397 Abs. 1 BGB) ist dann anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld ausgehen, diese aber übereinstimmend als nicht mehr zu erfüllen betrachten. Wenn feststeht, dass eine Forderung entstanden ist, verbietet dieser Umstand im Allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben. An die Feststellung eines Verzichtswillens sind hohe Anforderungen zu stellen. Ein Erlass liegt im Zweifel nicht vor (vgl. BAG 7. November 2007 - 5 AZR 880/06 - Rn. 17 ff., BAGE 124, 349).

29

b) Es fehlt vorliegend bereits an einer auf einen Erlass gerichteten rechtsgeschäftlichen Erklärung der Klägerin. Eine solche kann nicht darin gesehen werden, dass die Klägerin die unterlassene Fortführung des Arbeitszeitkontos durch die Beklagte hingenommen hat. Sonstige Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigten, die Klägerin habe den Bestand ihrer Rechte in irgendeiner Weise verändern und dabei auf Ansprüche verzichten wollen, ergeben sich weder aus den unstreitigen noch den von der Beklagten vorgetragenen Umständen.

30

4. Die Parteien haben auch keine von § 7 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 Arbeitsvertrag abweichende Vereinbarung getroffen.

31

a) Soweit die Beklagte meint, eine solche sei aus einer mit der Klägerin vereinbarten „Vertrauensarbeitszeit“ abzuleiten, ist ihr Vortrag nicht erheblich. „Vertrauensarbeitszeit“ bedeutet nur, dass der Arbeitgeber auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit verzichtet und darauf vertraut, der betreffende Arbeitnehmer werde seine Arbeitspflicht in zeitlicher Hinsicht auch ohne Kontrolle erfüllen (vgl. BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - zu B II 2 d cc (2) der Gründe, BAGE 106, 111; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 34; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 35). Die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit steht weder der Führung eines Arbeitszeitkontos entgegen noch schließt sie die Abgeltung eines aus Mehrarbeit des Arbeitnehmers resultierenden Zeitguthabens aus.

32

b) Dass zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer mündlich vereinbart worden sei, ein Arbeitszeitkonto werde nicht mehr geführt und ein bestehendes Zeitguthaben nicht abgegolten, hat die Beklagte nicht substantiiert dargelegt. Sie hat Zeit, Umstände und Inhalt eines nach ihrem Behaupten mit der Klägerin geführten Gesprächs unzureichend dargelegt. Der fehlende Sachvortrag konnte auch nicht durch eine Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten ersetzt werden. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht den Geschäftsführer der Beklagten nicht nach § 448 ZPO als Partei vernommen. Dessen Vernehmung hätte - unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen einer Parteivernehmung - einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dargestellt (vgl. BAG 25. März 2015 - 5 AZR 368/13 - Rn. 23), zumal eine Präzisierung der Angaben durch den Geschäftsführer anlässlich seiner Anhörung gemäß § 141 ZPO im Berufungstermin nicht erfolgte.

33

5. Der Anspruch der Klägerin auf Abgeltung von 414 Stunden ist nicht verfallen.

34

Die Beklagte hat im Arbeitszeitkonto der Klägerin zum 25. November 2008 414 Guthabenstunden vorbehaltlos ausgewiesen. Damit war wie bei der vorbehaltlosen Ausweisung einer Vergütungsforderung in einer Lohnabrechnung der Zweck der Geltendmachung erreicht. Schon aus diesem Grund war die Klägerin weder nach Maßgabe von § 13 Arbeitsvertrag noch nach § 24 MTV zur Geltendmachung des streitlos gestellten Guthabens innerhalb einer Ausschlussfrist gehalten. Die Notwendigkeit zur Geltendmachung des auf dem Arbeitszeitkonto ausgewiesenen Guthabens lebte auch nicht wieder auf, als sich dieses nach § 7 Abs. 1 Satz 4 Arbeitsvertrag bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einen Zahlungsanspruch wandelte(vgl. BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 20, BAGE 135, 197).

35

6. Der Abgeltungsanspruch ist weder verjährt noch verwirkt.

36

a) Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 Arbeitsvertrag war der sich aus dem Arbeitszeitkonto ergebende Saldo „bei Austritt aus dem Unternehmen“ mit dem durchschnittlichen Stundenlohn zu verrechnen. Der Abgeltungsanspruch ist danach bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, dh. mit Ablauf des 31. März 2012, entstanden und fällig geworden. Die von der Beklagten - entgegen den vertraglichen Vereinbarungen - unterlassene Fortführung des Arbeitszeitkontos führte nicht zu einer früheren Fälligkeit.

37

b) Die Klägerin hat die Klage vor Ablauf der nach § 195 BGB für den Abgeltungsanspruch als Vergütungsanspruch einzuhaltenden regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren eingereicht. Das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment konnte vorliegend nicht ausgelöst werden, denn die zunächst als Stufenklage eingereichte Klage wurde der Beklagten vor Fälligkeit des Abgeltungsanspruchs zugestellt. Eine Verwirkung scheidet von vornherein aus, solange das geltend gemachte Recht noch nicht besteht (vgl. BAG 10. März 2015 - 3 AZR 56/14 - Rn. 69 f.).

38

7. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Landesarbeitsgericht konnte der Klägerin antragsgemäß Zinsen ab 1. Mai 2012 zusprechen, ohne § 193 BGB außer Acht zu lassen. Der 1. April 2012 war ein Sonntag. Die Leistung war nach § 193 BGB am 2. April 2012 zu bewirken. Die Beklagte befand sich ab dem Folgetag im Verzug, ohne dass es einer Mahnung iSv. § 286 Abs. 1 BGB bedurft hätte. Für die Abgeltung des Arbeitszeitguthabens war zwar nicht iSv. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine Zeit nach dem Kalender bestimmt. Eine Mahnung war jedoch nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich. Die Klägerin forderte mit Schreiben vom 24. Februar 2012 und vom 5. März 2012 von der Beklagten wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 7 Arbeitsvertrag die „Abrechnung“ des Arbeitszeitkontos. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 28. Februar 2012 und vom 6. März 2012 generell mit der Begründung ab, das Arbeitszeitkonto stehe auf null. Die Klägerin musste die Schreiben nicht nur bezogen auf eine den Abrechnungs-, sondern auch auf den sich aus § 7 Arbeitsvertrag ergebenden Abgeltungsanspruch als ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung iSv. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB verstehen.

39

III. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat ein über 414 Stunden hinausgehendes Zeitguthaben bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht schlüssig dargelegt. Das von der Klägerin behauptete weitergehende Zeitguthaben soll nach ihrem Vortrag aus der Leistung vergütungspflichtiger Überstunden resultieren. Insofern hat die Klägerin zwar die Leistung von Überstunden schlüssig dargelegt, nicht aber eine Pflicht der Beklagten diese zu vergüten.

40

1. Die Grundsätze der Darlegungslast, die gelten, wenn der Arbeitgeber in einem von ihm geführten Arbeitszeitkonto ein Zeitguthaben vorbehaltlos ausgewiesen hat, können nicht übertragen werden, wenn sich der Arbeitnehmer zur Begründung seines Anspruchs auf selbst gefertigte Arbeitszeitaufstellungen beruft, die sich der Arbeitgeber nicht zu eigen gemacht hat. In diesem Fall sind zunächst vom Arbeitnehmer die den behaupteten Saldo begründenden Tatsachen im Einzelnen darzulegen. Erst wenn dies geschehen ist, hat sich der Arbeitgeber hierzu zu erklären. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Arbeitgeber die Führung eines Arbeitszeitkontos vertragswidrig unterlassen hat.

41

2. Die Klägerin stützt sich zur Darlegung des weitergehenden Zeitguthabens nicht auf ein von der Beklagten geführtes Arbeitszeitkonto, sondern auf die von ihr selbst erstellten, der Beklagten erst im Laufe des vorliegenden Rechtsstreits zur Kenntnis gebrachten Arbeitszeitaufstellungen.

42

a) Behauptet der Arbeitnehmer zur Begründung eines (abzugeltenden) Arbeitszeitguthabens, geleistete Überstunden seien in ein vereinbartes Arbeitszeitkonto einzustellen, kann er sich, hat der Arbeitgeber die Stunden und den sich unter ihrer Berücksichtigung ergebenden Saldo des Arbeitszeitkontos nicht streitlos gestellt, nicht auf die Darlegung der Überstundenleistung beschränken, sondern hat als weitere Voraussetzung für eine Gutschrift die arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung der behaupteten Überstunden darzulegen.

43

Wie im Überstundenprozess hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat und geleistete Überstunden vom Arbeitgeber veranlasst wurden oder diesem zumindest zuzurechnen sind. Denn der Arbeitgeber muss sich Leistung und Vergütung von Überstunden nicht aufdrängen lassen, und der Arbeitnehmer kann nicht durch überobligatorische Mehrarbeit seinen Vergütungsanspruch selbst bestimmen (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 13).

44

Der eine Zeitgutschrift für Überstunden beanspruchende Arbeitnehmer genügt deshalb seiner Darlegungslast nicht schon, wenn er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Er hat darüber hinaus darzulegen, dass Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen seien (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 a der Gründe; 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 31, BAGE 141, 330; 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 16 ff.).

45

b) Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Klägerin nicht. Sie hat zwar dargelegt, an welchen Tagen sie von wann bis wann Arbeit geleistet haben will, nicht aber, dass Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen wäre.

46

aa) Auf eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden hat sich die Klägerin nicht berufen. Eine konkludente Anordnung von Überstunden hat sie nicht schlüssig dargelegt. Die Klägerin hat lediglich, ohne dies im Einzelnen zu substantiieren, behauptet, die Überstunden seien aufgrund des Umfangs der ihr übertragenen Aufgaben und auch deshalb angefallen, weil auf Weisung des Geschäftsführers sämtliche Geschäftsanfälle sofort zu bearbeiten gewesen seien. Dieser pauschale Vortrag ist ungeeignet, die Erforderlichkeit der einzelnen Arbeitsstunden darzulegen. Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich nicht, dass bestimmte angewiesene Arbeiten innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten waren (vgl. BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 31, BAGE 141, 330). Allein die Anwesenheit der Klägerin im Betrieb begründet keine Vermutung dafür, Überstunden seien zur Erbringung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 17).

47

bb) Die Klägerin hat die Billigung geleisteter Überstunden durch die Beklagte nicht dargelegt. Auch nach dem Vortrag der Klägerin hat die Beklagte erst im vorliegenden Rechtsstreit Kenntnis davon erlangt hat, welche Überstundenleistungen die Klägerin im Einzelnen behauptet.

48

cc) Ebenso wenig ergibt sich eine Duldung von Überstunden aus dem Vorbringen der Klägerin. Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden künftig zu unterbinden, er also nicht gegen die Leistung von Überstunden einschreitet, sie vielmehr weiterhin entgegennimmt (BAG 6. Mai 1981 - 5 AZR 73/79 - zu II 3 der Gründe). Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll und dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist. Erst wenn dieses feststeht, ist es Sache des Arbeitgebers darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstundenleistung ergriffen hat (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 21).

49

Die Klägerin hat nicht durch substantiierten Sachvortrag aufgezeigt, weshalb der Beklagten die behaupteten Überstunden als über die Normalarbeitszeit hinausgehend hätten bekannt sein müssen. Aus ihrer Tätigkeit im Vorzimmer der Geschäftsführung kann nicht geschlossen werden, der Geschäftsführer der Beklagten sei, wie die Klägerin behauptet, jederzeit über ihre Arbeitszeit orientiert gewesen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der Geschäftsführer sich zu den von ihr als Überstunden aufgelisteten Zeiten ausnahmslos und ohne Unterbrechungen in seinem Büro aufgehalten habe.

50

3. Dass die Beklagte die weitere Führung des Arbeitszeitkontos vertragswidrig unterlassen hat, rechtfertigt keine abweichende Verteilung der Darlegungslast. Auch bei Fortführung des Arbeitszeitkontos hätte es im Streitfall zunächst der Klägerin oblegen, zur Rechtfertigung eines Guthabens, Tatsachen vorzutragen, die geeignet sind, einen Anspruch auf Einstellung behaupteter Überstunden in das Arbeitszeitkonto zu begründen. Sie hätte auch in diesem Fall nicht nur die Leistung von Überstunden, sondern zusätzlich schlüssig darlegen müssen, dass diese von der Beklagten veranlasst wurden oder ihr zuzurechnen seien.

51

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Weber     

        

    Volk     

        

        

        

    Dombrowsky     

        

    Zorn     

                 

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 14. Mai 2013 - 5 Sa 283/12 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über weiteres Entgelt.

2

Der Beklagte betreibt in C (Mecklenburg-Vorpommern) eine Kfz-Werkstatt nebst Gebrauchtteilehandel und Abschleppdienst. Pannenhilfe und das Abschleppen liegen gebliebener Fahrzeuge bietet er - unter „Abschleppdienst S“ - auch von P aus an.

3

Der Kläger war im Kleinbetrieb des Beklagten vom 1. Dezember 2009 bis zum 30. April 2012 als Fahrer für den Abschleppdienst und Pannenhelfer beschäftigt und in P eingesetzt. Er verdiente 1.000,00 Euro netto monatlich.

4

Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der Formulararbeitsvertrag vom 24. November 2009, in dem es auszugsweise heißt:

        

㤠2

        

Arbeitsentgelt

        

1.    

Der Arbeitnehmer erhält eine Nettovergütung in Höhe von 1000,00 € monatlich in der bereits 30 Einsätze/Monat (außerhalb der normalen Arbeitszeit) enthalten sind. Not- und Bereitschaftsdienst wird nicht gesondert vergütet.

                 

Außerdem erhält der Arbeitnehmer eine Zulage für zusätzliche Einsätze während der Bereitschaftszeit:

                          

- Pannenhilfe PKW

10€/Brutto/Auftrag

                          

- Abschleppen PKW

10€/Brutto/Stunde

                                            
        

2.    

Die Zulage ist jederzeit frei widerruflich und kann bei Tariflohn- und Ortsklassenänderungen aufgerechnet werden. Auch bei mehrmaliger Zahlung durch den Arbeitgeber erwirbt der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch auf Zahlung der Zulage.

        

3.    

Die Zahlung des Arbeitsentgelts erfolgt bis zum 10. des Folgemonats der Beschäftigung. Evtl. anfallende Zulagen werden am 10. des darauf folgenden Monats auf das Konto des Mitarbeiters überwiesen. Die Lohnabrechnung wird ebenfalls zum 10. ausgehändigt.

        

…       

        
        

§ 9

        

Besondere Vereinbarungen

        

1.    

Der unterzeichnende Arbeitnehmer erklärt sich unwiderruflich bereit, im Wechsel mit den anderen Kollegen der Werkstatt die Ruf-Bereitschaft und den damit anfallenden Not-Dienst aufrecht zu erhalten.

        

…       

        
        

7.    

Für die Übernahme der Ruf-Bereitschaft wird ein Pauschal-Entgelt bezahlt, dessen Höhe frei vom Arbeitgeber festgesetzt wird. Zur Frage des Rechtsanspruches einer solchen Vergütung wird auf § 2 Abs. 2 dieses Vertrags verwiesen.

        

8.    

Auf Verlangen des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers müssen angefallene Überstunden und deren Zuschläge als Freizeit genommen werden (siehe § 3 des Manteltarifvertrages). Eine abweichende Regelung muss schriftlich vereinbart werden.

        

…       

        
        

11.     

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, auf Verlangen des Arbeitgebers einen Doppel-Telefonanschluss zu unterhalten, um während der Ruf-Bereitschaft immer erreichbar zu sein. Über die hierdurch entstehenden Einrichtungskosten ist eine einvernehmliche Kostentragungspflicht zu treffen.

        

…       

        
        

§ 12

        

Erlöschen von Ansprüchen

        

Ansprüche aus diesem Vertrag und aus dem Arbeitsverhältnis erlöschen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Wochen nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber erhoben sowie innerhalb von weiteren 3 Wochen, also insgesamt 6 Wochen nach dem Ausscheiden, klageweise geltend gemacht werden.

        

…       

        

§ 16

        

Zusatzvereinbarungen

        

Es wird weiterhin vereinbart, dass der Arbeitnehmer jede 2. Woche den Nachtbereitschafts-Notdienst übernimmt. Ist genügend anderes einsatzfähiges Personal vorhanden, verringert sich diese Einsatzzeit entsprechend.“

5

Die Normalarbeitszeit des Klägers betrug 40 Wochenstunden, verteilt auf die Arbeitstage Montag bis Freitag. Dabei fuhr der Kläger in der Regel zwei bis drei Einsätze arbeitstäglich, bei schlechten Witterungsverhältnissen öfter. Ansonsten widmete er sich während der Normalarbeitszeit dem Reinigen des Abschleppfahrzeugs und dem Verkauf im Internet. Der Kläger wurde für Bereitschaften eingeteilt, während derer er auf Anruf Pannenhilfe leisten musste. In welchem Umfang der Kläger dabei Vollarbeit verrichtete, ist streitig geblieben.

6

Der Kläger hat mit der dem Beklagten am 21. August 2012 zugestellten Klage - soweit für die Revision von Belang - geltend gemacht, die vereinbarte Vergütung von 1.000,00 Euro netto monatlich sei zwar für die Normalarbeitszeit nicht zu beanstanden, werde aber durch die umfangreichen, nicht gesondert vergüteten Bereitschaften sittenwidrig niedrig. Deshalb stünde ihm eine übliche Vergütung von 1.992,00 Euro brutto monatlich zu. Zumindest seien Überarbeit und passive Bereitschaft zusätzlich zu vergüten. Er habe im Beschäftigungszeitraum 516 Stunden „Einsatzzeit“ geleistet.

7

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Belang - beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger weiteres Arbeitsentgelt iHv. 55.768,00 Euro brutto abzüglich gezahlter 27.000,00 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. August 2012 zu zahlen.

8

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, das vereinbarte Entgelt halte sich im Rahmen des Üblichen und sei auch unter Berücksichtigung der Bereitschaften nicht sittenwidrig niedrig. Zumindest fehle es an den subjektiven Anforderungen des Lohnwuchers und des wucherähnlichen Geschäfts.

9

Das Arbeitsgericht hat - soweit für die Revision von Belang - den Beklagten zur Zahlung von 2.000,00 Euro netto nebst Zinsen verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht in vollem Umfang zurückgewiesen. Die vereinbarte Vergütung ist zwar nicht nach § 138 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB nichtig, doch hat der Kläger Anspruch auf gesonderte Vergütung der geleisteten Bereitschaften. In welcher Höhe die Klage insoweit begründet ist, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

11

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere Vergütung für während der Normalarbeitszeit geleistete Arbeit unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit.

12

1. Der objektive Tatbestand sowohl des Lohnwuchers (§ 138 Abs. 2 BGB) als auch der des wucherähnlichen Geschäfts (§ 138 Abs. 1 BGB) setzt ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Ein solches ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in dem Wirtschaftszweig üblicherweise gezahlten Tarifentgelts erreicht (st. Rspr. seit BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 14 ff., BAGE 130, 338). Dasselbe gilt, wenn bei fehlender Maßgeblichkeit der Tarifentgelte die vereinbarte Vergütung mehr als ein Drittel unter dem Lohnniveau, das sich für die auszuübende Tätigkeit in der Wirtschaftsregion gebildet hat, bleibt (BAG 19. August 2015 - 5 AZR 500/14 - Rn. 26 f. mwN).

13

In subjektiver Hinsicht verlangt der Tatbestand des Lohnwuchers eine Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen. Der subjektive Tatbestand des wucherähnlichen Geschäfts erfordert in der Regel eine verwerfliche Gesinnung des Arbeitgebers (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 331/11 - Rn. 30 mwN, BAGE 141, 324). Dazu hat der Senat eine Vermutungsregel entwickelt. Ist der objektive Wert einer Arbeitsleistung mindestens doppelt so hoch wie der Wert der Gegenleistung, gestattet dieses besonders grobe Missverhältnis den tatsächlichen Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Arbeitgebers iSv. § 138 Abs. 1 BGB. Andernfalls muss der Arbeitnehmer zusätzliche Umstände, aus denen geschlossen werden kann, der Arbeitgeber habe die Not oder einen anderen den Arbeitnehmer hemmenden Umstand in verwerflicher Weise zu seinem Vorteil ausgenutzt, darlegen und im Streitfall beweisen (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 268/11 - Rn. 35 ff., BAGE 141, 348).

14

Diese Voraussetzungen hat der Kläger nicht dargelegt. Er geht vielmehr selbst davon aus, dass in der Wirtschaftsregion Mecklenburg-Vorpommern für die vereinbarte Tätigkeit bei einer Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden ein Monatsentgelt von 1.000,00 Euro netto nicht sittenwidrig niedrig ist.

15

2. Eine sittengemäße Vergütung für die in der Normalarbeitszeit geleistete Arbeit kann nicht dadurch zur sittenwidrigen werden, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in Verkennung der Rechtslage Vergütung von Mehrarbeit und Sonderformen der Arbeit vorenthält. Vielmehr sieht die Rechtsordnung in einem solchen Fall einen Anspruch auf - zusätzliche - Vergütung geleisteter Mehr- und Sonderarbeit vor.

16

a) Ob der Wert der Arbeitsleistung in einem auffälligen oder besonders groben Missverhältnis zur versprochenen Vergütung steht, beurteilt sich grundsätzlich nach einer Gesamtbetrachtung der vom Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag geschuldeten Arbeitsleistung und des vom Arbeitgeber dafür zu zahlenden Entgelts. Maßgebend ist der Vergleich zwischen dem objektiven Wert der Arbeitsleistung und der „faktischen“ Höhe der Vergütung, die sich aus dem Verhältnis von geschuldeter Arbeitszeit und versprochener Vergütung für eine bestimmte Abrechnungsperiode ergibt (BAG 17. Oktober 2012 - 5 AZR 792/11 - Rn. 20, BAGE 143, 212).

17

b) Das bedeutet jedoch nicht, dass es dabei nur auf die tatsächlich vom Arbeitgeber gezahlte Vergütung ankommt. Denn es geht bei § 138 BGB nicht um ein unsittliches Faktum oder Verhalten, sondern um die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts. Maßgebend ist, was der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die abverlangte Arbeit nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung und der Rechtsordnung schuldet. Sind einzelne Abreden (wie zB eine Klausel zur Pauschalvergütung von Überstunden) bereits aus anderen Gründen rechtsunwirksam mit der Folge, dass dem Arbeitnehmer insoweit ein gesonderter Entgeltanspruch erwächst (zB Überstundenvergütung nach § 612 Abs. 1 BGB), bleibt dies bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit außer Betracht. Ihr unterliegen nur diejenigen Teile der arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarung, die - die zu prüfende Sittenwidrigkeit hinweg gedacht - ansonsten rechtswirksam sind.

18

3. Der arbeitsvertraglich vorgesehene teilweise Ausschluss einer - gesonderten - Vergütung von Mehrarbeit und Sonderformen der Arbeit ist unwirksam.

19

a) Nach § 2 Nr. 1 Satz 1 Arbeitsvertrag soll in dem Monatsentgelt von 1.000,00 Euro netto die Vergütung für „30 Einsätze/Monat (außerhalb der normalen Arbeitszeit)“ enthalten sein. Damit enthält die Vereinbarung eine Pauschalvergütung für Überstunden, die außerhalb der Normalarbeitszeit für Vollarbeit im zeitlichen Umfang der Dauer von 30 Einsätzen im Monat anfallen. § 2 Nr. 1 Satz 2 Arbeitsvertrag sieht vor, dass „Not- und Bereitschaftsdienst“ nicht gesondert vergütet wird.

20

b) Bei den Klauseln des Arbeitsvertrags handelt es sich, wovon auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist, um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Dafür begründet bereits das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 11 mwN, BAGE 139, 44), der keine der Parteien entgegengetreten ist.

21

Zudem sind sich die Parteien einig, dass der Kläger in einem Vollzeitarbeitsverhältnis stand und eine Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden vereinbart war, auch wenn dies im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich festgehalten wurde. Dies bestätigt die vom Landesarbeitsgericht festgestellte tatsächliche Handhabung der Parteien und entspricht im Übrigen dem Umstand, dass ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer bei Fehlen einer ausdrücklichen Bestimmung der Dauer der Arbeitszeit im Formulararbeitsvertrag davon ausgehen darf, dass die regelmäßige Dauer der Arbeitszeit - unter Zugrundelegung einer Fünf-Tage-Woche und den in § 3 Satz 1 ArbZG vorgesehenen acht Stunden arbeitstäglich - 40 Wochenstunden nicht übersteigt(vgl. BAG 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 14).

22

c) Soweit der Arbeitsvertrag eine Pauschalvergütung von Überstunden und „Not- und Bereitschaftsdienst“ vorsieht, sind die Klauseln des § 2 Nr. 1 Satz 1 und Satz 2 Arbeitsvertrag mangels hinreichender Transparenz unwirksam, § 307 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 1 Satz 2 BGB.

23

aa) Eine Klausel zur Pauschalvergütung von Überstunden ist nur klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistung in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden soll. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsabschluss erkennen können, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 331/11 - Rn. 21 mwN, BAGE 141, 324). Dasselbe gilt, wenn Sonderformen der Arbeit wie Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft außerhalb der Normalarbeitszeit erbracht werden müssen und mitvergütet sein sollen.

24

bb) Nach diesen Grundsätzen sind die Klauseln nicht klar und verständlich. Der Arbeitnehmer kann § 2 Nr. 1 Satz 1 Arbeitsvertrag nicht entnehmen, in welchem zeitlichen Umfang er bei „30 Einsätzen/Monat“ zusätzlich über die Normalarbeitszeit hinaus Vollarbeit leisten muss. § 2 Nr. 1 Satz 2 Arbeitsvertrag lässt den Arbeitnehmer zwar wissen, dass „Not- und Bereitschaftsdienst“ nur insoweit gesondert vergütet werden soll, als er ab dem 31. Einsatz im Monat die in § 2 Nr. 1 Satz 3 Arbeitsvertrag vorgesehene „Zulage“ erhält. Unklar bleibt aber, in welchem zeitlichen Umfang er in der Abrechnungsperiode „Monat“ außerhalb der Normalarbeitszeit Vollarbeit leisten oder sich dafür bereithalten muss, um in den Genuss der Vergütung nach § 2 Nr. 1 Satz 3 Arbeitsvertrag zu kommen.

25

Zudem sorgt § 9 Arbeitsvertrag für zusätzliche Unklarheit. Denn dort verpflichtet sich der Kläger zu „Ruf-Bereitschaft“ (Nr. 1), für deren Übernahme ein „Pauschal-Entgelt“ vorgesehen ist (Nr. 7), es bleibt aber im Dunkeln, wann im Sinne des Klauselverwenders „Not- und Bereitschaftsdienst“ und wann „Ruf-Bereitschaft“ vorliegen soll. Schließlich sieht § 9 Nr. 8 Arbeitsvertrag vor, „angefallene Überstunden und deren Zuschläge“ müssten auf Verlangen „als Freizeit genommen“ werden, ohne dass an irgendeiner Stelle des Arbeitsvertrags klar und deutlich werden würde, welche Überstunden trotz der Pauschalvergütung in § 2 Arbeitsvertrag gleichwohl in Form von Freizeitausgleich vergütet werden.

26

II. Der Kläger hat Anspruch auf gesonderte Vergütung der geleisteten Bereitschaften und der dabei angefallenen Vollarbeit, und zwar unabhängig davon ob es sich - was sich aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zweifelsfrei nachvollziehen lässt - bei den Bereitschaften im Rechtssinne um Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft gehandelt hat (zu den Unterschieden BAG 19. November 2014 - 5 AZR 1101/12 - Rn. 16, 18 mwN; zum Umschlagen von Rufbereitschaft in Bereitschaftsdienst s. BAG 22. Januar 2004 - 6 AZR 543/02 - zu II 2 c der Gründe; ErfK/Wank 15. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 30; Buschmann/Ulber ArbZG 8. Aufl. § 2 Rn. 21). Dies ergibt sich bereits aus dem Arbeitsvertrag. Die in der dortigen Regelung zur Vergütung von Bereitschaften enthaltenen Widersprüche und Lücken sind vom Landesarbeitsgericht im erneuten Berufungsverfahren - gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien - im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu beheben.

27

1. Für Sonderformen der Arbeit kann eine gesonderte Vergütungsregelung getroffen und ein geringeres Entgelt als für Vollarbeit vorgesehen werden (vgl. BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 32, BAGE 137, 366; 19. November 2014 - 5 AZR 1101/12 - Rn. 16). Diese Möglichkeit greift das Regelungskonzept des Arbeitsvertrags - ohne weitere Differenzierung nach Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft - auf. Danach soll Vollarbeit in der Bereitschaft zum Teil mit der Vergütung für die Arbeit in der Normalarbeitszeit abgegolten sein, zum Teil mit der „Zulage“ nach § 2 Nr. 1 Satz 3 Arbeitsvertrag entlohnt werden. In gewissem Widerspruch dazu geht § 9 Nr. 8 Arbeitsvertrag mit der Regelung zum Freizeitausgleich für „angefallene Überstunden und deren Zuschläge“ von einer unbeschränkten Vergütung von Überstunden aus. Schließlich ist für das „Sich-Bereithalten“ außerhalb eines Einsatzes in § 9 Nr. 7 Satz 1 Arbeitsvertrag ein „Pauschal-Entgelt“ vorgesehen.

28

2. Dieses Regelungskonzept ist insoweit misslungen, als die Parteien damit ihr Ziel, für Bereitschaften eine in sich geschlossene gesonderte Vergütungsregelung zu schaffen, nicht vollständig erreicht haben. Der Pauschalvergütung eines Teils der Vollarbeit in der Bereitschaft steht die mangelnde Transparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) und die Widersprüchlichkeit zur Regelung des § 9 Nr. 8 Arbeitsvertrag entgegen, während für die „inaktive Bereitschaft“ es der Beklagte versäumt hat, das arbeitsvertraglich vorgesehene „Pauschalentgelt“ festzusetzen.

29

Das Regelungskonzept der Parteien zur gesonderten Vergütung von Bereitschaften ist somit planwidrig unvollständig, wobei unerheblich ist, ob die Lückenhaftigkeit von Anfang an bestanden hat oder infolge nachträglicher Umstände eingetreten ist (vgl. BGH 28. Oktober 2015 - VIII ZR 13/12 - Rn. 69 mwN). Zur Verwirklichung des Regelungsplans der Parteien ist deshalb eine ergänzende Vertragsauslegung geboten. Diese hat sich nicht nur an dem hypothetischen Parteiwillen, sondern auch an dem objektiven Maßstab von Treu und Glauben zu orientieren. Maßgeblich ist, was die Parteien bei einer angemessenen, objektiv-generalisierenden Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Parteien vereinbart hätten (vgl. BAG 25. Juni 2015 - 6 AZR 383/14 - Rn. 39; BGH 28. Oktober 2015 - VIII ZR 13/12 - Rn. 72 - jeweils mwN).

30

3. Nach diesen Grundsätzen muss das Landesarbeitsgericht - nach Gewährung rechtlichen Gehörs - ermitteln, wie die Parteien die Vergütungsregelung für zu leistende Bereitschaften redlicher Weise vervollständigt hätten, wäre ihnen die Lückenhaftigkeit der getroffenen Regelung bewusst gewesen.

31

III. Der Anspruch des Klägers auf zusätzliche Vergütung der geleisteten Bereitschaften ist nicht nach der Ausschlussfristenregelung des § 12 Arbeitsvertrag verfallen. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klausel der Kontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht standhält, weil die Kürze der Fristen auf beiden Stufen den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligte(vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - BAGE 115, 19; 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - BAGE 116, 66).

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Volk    

        

        

        

    Reinders    

        

    Ilgenfritz-Donné    

                 

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 14. Oktober 2010 - 6 Sa 343/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - soweit für die Revision von Interesse - über die Vergütung von Überstunden.

2

Der Kläger war vom 14. April 2008 bis zum 13. April 2009 bei der Beklagten aufgrund eines auf diesen Zeitraum befristeten Arbeitsvertrags als Kraftfahrer in der Lebendtierabteilung beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält ua. folgende Regelungen:

        

„Arbeitsvertrag

                 
        

(außertariflich)

                 
        

…       

        
        

§ 2 Tätigkeit

        
        

1.    

Der Arbeitnehmer wird als Kraftfahrer eingestellt und ist mit allen einschlägigen Arbeiten nach näherer Anweisung der Geschäftsleitung bzw. der Vorgesetzten beschäftigt. Er ist verpflichtet, auch andere zumutbare Tätigkeiten zu verrichten. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich zudem, während seiner Tätigkeit auf ihn zukommende Aufgaben gewissenhaft nach bestem Vermögen zu erfüllen, in jeder Hinsicht die Interessen der Firma zu wahren und seine ganze Arbeitskraft ausschließlich dem Unternehmen zu widmen.

        
        

§ 3 Vergütung

        
        

Die monatliche Vergütung des Arbeitnehmers errechnet sich wie folgt:

        
        

außertarifliches Grundgehalt/Monat (brutto):

1.100,00 €

                 
        

Euro in Worten.

Eintausendeinhundert

                                                              
        

Weiterhin erhalten Sie eine

                                            
                                                              
        

freiwillige Leistungs - und Sorgfaltsprämie/Tag (brutto):

10,00 €

                          
        

wenn und soweit unfall- und schadensfrei gefahren wird und Ordnung, Sauberkeit und Fahrzeugpflege voll gewahrt werden und fehlerfreie Fahrweise, geringen Dieselverbrauch und korrektes Auftreten beim Kunden stattfindet und festgestellt wird bei Nichteinhaltung der Voraussetzungen wird die Leistungsprämie widerrufen, siehe dazu auch den Sorgfaltskatalog.

        

freiwillige Treueprämie/Tag (brutto):

10,00 €

                          
        

für jeden gefahrenen Tag über 6 Stunden Fahr-/Lenkzeit

                 
        

freiwilliger Sonntagszuschlag/Tag (brutto):***

10,00 €

                          
                 

(steuer- u. sv-frei)

                          
        

für jeden gefahrenen Sonntag über 6 Stunden Fahr-/Lenkzeit

                 
        

freiwilliger Feiertagszuschlag/Tag (brutto):***

20,00 €

                          
                 

(steuer- u. sv-frei)

                          
        

für jeden gefahrenen Feiertag über 6 Stunden Fahr-/Lenkzeit

        
                          
        

freiwilliger Nachtzuschlag/Tag (brutto):***

10,00 €**

                 

(steuer- u. sv-frei)

        

für Nachtfahrten (in der Zeit von 22:00 - 4:00 Uhr)

        
                          
        

**    

Prämie gilt bei Besetzung der Fahrzeuge mit nur einem/ einer Fahrer/-in. Bei mehr Fahrern/Fahrerinnen wird die Prämie anteilig gezahlt.

                                                     
        

***     

wird solange steuer- und sozialversicherungsfrei gezahlt, wie es der Gesetzgeber zulässt

                                                     
                 

Bei Zusammentreffen mehrerer Zuschläge gilt der jeweils höhere Zuschlag. Die Abrechnung der Spesen erfolgt nach gesetzlichen Regelungen.

                                                     
                 
        

Die Vertragspartner sind sich darüber einig, dass eventuelle Mehrarbeit mit dem Gehalt pauschal abgegolten ist.

                 
        

1.    

Der Arbeitnehmer erhält die freiwillige Leistungsprämie i. H. v. 10,00 € je gefahrenen Tag für den sorgfältigen und gewissenhaften Umgang mit den ihr anvertrauten Fahrzeugen nebst den Transportbehältnissen, sowie für den ordnungsgemäßen Umgang mit den zu beförderten Tieren. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, bei Unfällen, Verlusten und Beschädigungen unverzüglich unter Angabe sämtlicher Einzelheiten der Firma zu melden und hierüber spätestens einen Tag später schriftliche Meldung zu machen. Versäumt der Arbeitnehmer diese Meldung sowohl in mündlicher, als auch in schriftlicher Form, muss der Arbeitnehmer mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen rechnen, die aus einer verspäteten Meldung erwachsen können. Es gilt der jeweilige Sorgfaltskatalog. Ist der Fahrantritt ein Sonntag, wird dies dem Montag zugeordnet.

                          
        

…       

                                   
                                                     
        

§ 4 Arbeitszeit

                 
        

1.    

Der Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit richtet sich nach der betrieblichen Ordnung. Im Falle betrieblicher Notwendigkeit erklärt sich der Arbeitnehmer mit einer geänderten Einteilung der Arbeitszeit einverstanden (z. B. Havarie).

        

2.    

In Fällen dringenden betrieblichen Bedarfs ist der Arbeitnehmer verpflichtet, vorübergehend Mehrarbeit (Überstunden) zu leisten.

        

3.    

Bei Gehaltsempfängern sind die Überstunden, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit durch Zahlung des Gehaltes pauschal abgegolten.

        

…“    

                                                              
3

Mit der am 23. September 2009 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger zuletzt Vergütung von 978,5 Überstunden mit einem aus dem Grundgehalt abgeleiteten Stundensatz von 6,35 Euro brutto geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die pauschale Abgeltung von Überstunden sei unwirksam. Mangels einer Regelung zum Umfang der Arbeitspflicht sei auf die betriebliche Arbeitszeit im Unternehmen der Beklagten abzustellen, die 40 Stunden pro Woche betrage. Der Kläger hat unter Vorlage und Berufung auf von ihm gefertigter Listen vorgebracht, an welchem Tag er zu welcher Uhrzeit seine Arbeit im Betrieb begonnen habe, wann er vom Betrieb allein oder mit anderen Fahrern zu welchen Orten oder Mästern gefahren, er wieder in den Betrieb zurückgekehrt sei und das Fahrzeug an den Schlachthof übergeben habe. Er hat behauptet, nach einer internen Anweisung seien die Kraftfahrer der Beklagten verpflichtet, 30 bis 60 Minuten vor der geplanten Abfahrt im Betrieb zu erscheinen und die notwendigen Arbeitsvorbereitungen (technische Überprüfung, Behebung von Mängeln, Betanken etc.) vorzunehmen. Beim jeweiligen Mäster müsse dessen Personal bei der Beladung des LKW unterstützt werden. Sämtliche Fahrten seien von der Beklagten angeordnet gewesen, und zwar im Wesentlichen von der Disponentin Frau H, bei deren Verhinderung von Herrn W.

4

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.213,50 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.

5

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Vergütung von Überstunden sei mit dem vereinbarten Gehalt abgegolten. Zudem habe der Kläger einen eventuellen Vergütungsanspruch verwirkt. Die Arbeitszeit des Klägers habe sich gemäß § 4 Arbeitsvertrag nach der betrieblichen Ordnung - also bei Vollzeit 40 Wochenstunden/173,33 Monatsstunden - und, weil es sich beim Kläger um einen Fahrer bzw. Beifahrer von LKW mit mehr als 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht gehandelt habe, nach den gesetzlichen Bestimmungen für Fahrpersonal in § 21a ArbZG gerichtet. Danach sei eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden zulässig und die Beifahrerzeit nicht vergütungspflichtig. Überstunden habe sie weder angeordnet noch gebilligt.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers ist begründet.

8

I. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts nicht zurückgewiesen werden. Das Landesarbeitsgericht hat nicht beachtet, dass § 21a Abs. 3 ArbZG die Vergütung von Beifahrerzeiten nicht ausschließt, und zudem die Substantiierungslast des Arbeitnehmers im Überstundenprozess überspannt.

9

1. Der Kläger hat auch während der als Beifahrer verbrachten Zeit gearbeitet und die von ihm geschuldete Tätigkeit als Kraftfahrer erbracht. Er musste sich aufgrund der Arbeitseinteilung der Beklagten an seinem Arbeitsplatz, dem LKW, aufhalten und konnte nicht frei über die Nutzung seiner Zeit bestimmen. Nach § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ArbZG ist zwar für Arbeitnehmer, die sich beim Fahren abwechseln, die während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbrachte Zeit abweichend von § 2 Abs. 1 ArbZG keine Arbeitszeit. Die Vorschrift enthält jedoch keine Modifizierung dessen, was unter Arbeit zu verstehen ist, und schließt eine Vergütung für die Arbeit als Beifahrer nicht aus (BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 19 ff., AP BGB § 307 Nr. 51 = EzA BGB 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 3). Der Kläger kann daher auch für Beifahrertätigkeit die in § 3 Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung beanspruchen. Eine gesonderte Vergütungsregelung für die als Beifahrer verbrachte Zeit haben die Parteien nicht getroffen. Der Kläger war deshalb nicht gehalten, bei der Darlegung von Überstunden zwischen Zeiten, in denen er den LKW selbst gefahren hat, und solchen, in denen er als Beifahrer auf dem LKW mitgefahren ist, zu differenzieren.

10

2. Die Darlegung der Leistung von Überstunden ist nicht aus den vom Landesarbeitsgericht angenommenen Gründen unschlüssig.

11

Das Landesarbeitsgericht moniert, dem Vortrag des Klägers sei nicht zu entnehmen, wann er Pausen gemacht habe. Die Nichtangabe von Pausenzeiten impliziert zunächst aber nur die Behauptung, der Arbeitnehmer habe solche nicht gemacht. Bei Zweifeln hätte das Landesarbeitsgericht nach § 139 Abs. 1 Satz 1 ZPO nachfragen müssen, ob der Sachvortrag des Klägers dahingehend zu verstehen sei, er habe keine Pausen gemacht. Hätte der Kläger dies bejaht, wäre sein Vorbringen unter Berücksichtigung einer etwaigen Einlassung der Beklagten hierzu nach § 286 Abs. 1 ZPO zu würdigen gewesen. Hätte der Kläger die Frage verneint, wäre das Landesarbeitsgericht nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO verpflichtet gewesen, auf eine Ergänzung des Sachvortrags hinzuwirken. Dasselbe gilt für den Vorwurf, dem Sachvortrag des Klägers sei nicht zu entnehmen, warum nach Abschluss der Fahrten regelmäßig exakt 30 Minuten bis zur Übergabe des Fahrzeugs an den Schlachthof berücksichtigt seien.

12

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.

13

1. Ein Anspruch des Klägers auf Überstundenvergütung ist nicht nach § 3 iVm. § 4 Ziff. 3 Arbeitsvertrag ausgeschlossen.

14

a) Auf die genannten Regelungen des Arbeitsvertrags sind jedenfalls § 305c Abs. 2, §§ 306 und 307 bis 309 BGB anzuwenden(§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Die Beklagte hat den Arbeitsvertrag vorformuliert, dem Kläger in dieser Form angeboten und damit im Rechtssinne gestellt. Ob es sich dabei um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen handelte (§ 305 Abs. 1 BGB), bedarf keiner weiteren Aufklärung, denn der Arbeitsvertrag ist ein Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB(vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 20 ff., AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10). Auf den Inhalt der vorformulierten Klausel zur Vergütung von Überstunden konnte der Kläger unstreitig keinen Einfluss nehmen.

15

b) Die in § 3 iVm. § 4 Ziff. 3 Arbeitsvertrag geregelte Pauschalabgeltung von Überstunden ist mangels hinreichender Transparenz unwirksam, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

16

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine die pauschale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistungen er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss (vgl. dazu im Einzelnen zuletzt BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 14 mwN, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10; 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 15 f.).

17

Nach diesen Grundsätzen ist § 3 iVm. § 4 Ziff. 3 Arbeitsvertrag nicht klar und verständlich. Der Umfang der davon erfassten Überstunden ist im Arbeitsvertrag ebenso wenig bestimmt, wie die Voraussetzungen, unter denen Überstunden zu leisten sind, also ein „Fall dringenden betrieblichen Bedarfs“ (§ 4 Ziff. 2 Arbeitsvertrag) vorliegen soll. Insbesondere lässt sich weder der Klausel selbst noch den arbeitsvertraglichen Bestimmungen im Übrigen eine Begrenzung auf die nach § 21a Abs. 4 ArbZG zulässige Höchstarbeitszeit eines als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten iSv. § 21a Abs. 1 ArbZG eingesetzten Arbeitnehmers entnehmen. Die Verwendung des Begriffs „Mehrarbeit“ in § 3 und als Synonym für Überstunden in § 4 Ziff. 2 Arbeitsvertrag deuten im Gegenteil darauf hin, dass auch eine Überschreitung der gesetzlichen Arbeitszeit von der Klausel erfasst sein soll, zumal die Beklagte den Kläger nach § 2 Ziff. 1 Arbeitsvertrag verpflichten wollte, seine „ganze Arbeitskraft“ der Beklagten zu widmen.

18

c) Ist im Arbeitsvertrag die Vergütung von Überstunden weder positiv noch negativ geregelt, kommt als Anspruchsgrundlage dafür nur § 612 Abs. 1 BGB in Betracht. Danach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Die danach erforderliche - objektive - Vergütungserwartung (vgl. dazu BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 20, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10; 21. September 2011 - 5 AZR 629/10 - Rn. 31, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 11, jeweils mwN) ist gegeben. Der Kläger schuldet weder Dienste höherer Art, noch erhält er eine deutlich herausgehobene Vergütung. Die ihm nach § 3 Arbeitsvertrag zustehende Vergütung liegt auch unter Berücksichtigung der nach dem Willen der Beklagten freiwillig sein sollenden Leistungs-, Sorgfalts- und Treueprämien sowie den Zuschlägen für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit ganz erheblich unter der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung(zu deren Bedeutung vgl. BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 21).

19

2. Ein Anspruch des Klägers auf Überstundenvergütung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verwirkt.

20

Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie setzt voraus, dass der Gläubiger sein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat und dabei unter Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken konnten, er wolle auch künftig sein Recht nicht mehr geltend machen. Zudem muss der Verpflichtete sich darauf einstellen dürfen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (BAG 23. August 2011 - 3 AZR 575/09 - Rn. 57, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 20; vgl. auch 22. April 2009 - 5 AZR 292/08 - Rn. 28, AP BGB § 611 Wegezeit Nr. 11).

21

Ob eine Verwirkung des Anspruchs auf Überstundenvergütung vor Eintritt der gesetzlichen Verjährung schon deshalb ausscheidet, weil sich der Arbeitgeber, der dem Arbeitnehmer einen Formulararbeitsvertrag anbietet, durch vertragliche Ausschlussfristen (zu den Anforderungen an deren Wirksamkeit vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - BAGE 115, 19; 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - BAGE 116, 66) davor schützen kann, länger als drei Monate nach Fälligkeit des Anspruchs mit einer Geltendmachung konfrontiert zu werden, bedarf keiner Entscheidung. Denn unbeschadet der Frage, ob im Streitfall überhaupt das Zeitmoment erfüllt ist, kann sich jedenfalls ein Arbeitgeber, der - wie die Beklagte - dem Arbeitnehmer eine unwirksame Klausel zur Pauschalabgeltung von Überstunden stellt, nicht schutzwürdig darauf einrichten, der Arbeitnehmer werde die Unwirksamkeit der Klausel schon nicht erkennen und Überstundenvergütung nicht geltend machen (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 24).

22

III. Ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Im erneuten Berufungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht Folgendes zu beachten haben:

23

1. Der mit „Arbeitszeit“ überschriebene § 4 Arbeitsvertrag enthält zwar keine ausdrückliche Vereinbarung über eine bestimmte wöchentliche oder monatliche Arbeitszeit. Über den Verweis auf die „betriebliche Ordnung“ lässt sich aber mittelbar eine Normalarbeitszeit erschließen, deren Dauer zwischen den Parteien unstreitig ist.

24

Der Kläger hat vorgetragen, die betriebliche Arbeitszeit bei der Beklagten betrage 40 Wochenstunden. Dem ist die Beklagte nicht nur nicht entgegengetreten, sondern hat selbst vorgebracht, die Arbeitszeit des Klägers richte sich gemäß § 4 Arbeitsvertrag nach der betrieblichen Ordnung und das seien bei Vollzeit 40 Wochenstunden/173,33 Stunden im Monat. Weiter hat die Beklagte gemeint, weil es sich bei dem Kläger um einen Fahrer bzw. Beifahrer von LKW mit mehr als 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht handele, gölten auch die gesetzlichen Bestimmungen für Fahrpersonal. Das trifft zu, führt aber nicht zu einer Erhöhung der vom Kläger geschuldeten Normalarbeitszeit. § 21a Abs. 4 ArbZG regelt nur die Arbeitszeit eines Kraftfahrers, die arbeitsschutzrechtlich nicht überschritten werden darf. Die Vorschrift ersetzt nicht eine vertragliche Vereinbarung über die Arbeitszeit und tritt bei deren Fehlen nicht an deren Stelle. Einen - als vertragliche Vereinbarung auslegbaren - Hinweis auf das Arbeitszeitgesetz, insbesondere dessen § 21a Abs. 4, enthält § 4 Arbeitsvertrag nicht.

25

2. Für die Darlegung und den Beweis der Leistung von Überstunden gelten die Grundsätze wie für die Behauptung des Arbeitnehmers, die geschuldete (Normal-)Arbeit verrichtet zu haben.

26

a) Ausgehend von den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts in Verbindung mit § 614 BGB gilt im Arbeitsverhältnis der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Verlangt der Arbeitnehmer gem. § 611 BGB Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat er deshalb darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt(zB § 1 BUrlG, §§ 615, 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 37 Abs. 2 BetrVG). Da die konkret zu leistende Arbeit in der Regel vom Arbeitgeber durch Weisungen zu bestimmen ist (§ 106 GewO), genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, er habe sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten, um Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern. Deshalb hat der Arbeitgeber im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und ob der Arbeitnehmer den Weisungen nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden als zugestanden (vgl. zum Ganzen BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14).

27

b) Nichts anderes gilt für die Behauptung des Arbeitnehmers, er habe die geschuldete Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet. Verlangt der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tarifvertraglicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist.

28

Diese Grundsätze dürfen aber nicht gleichsam schematisch angewendet werden, sondern bedürfen stets der Berücksichtigung der im jeweiligen Streitfall zu verrichtenden Tätigkeit und der konkreten betrieblichen Abläufe. So kann ein Kraftfahrer wie der Kläger, dem vom Arbeitgeber bestimmte Touren zugewiesen werden, seiner Darlegungslast bereits dadurch genügen, dass er vorträgt, an welchen Tagen er welche Tour wann begonnen und wann beendet hat. Im Rahmen der gestuften Darlegungslast ist es dann Sache des Arbeitgebers, unter Auswertung der Aufzeichnungen nach § 21a Abs. 7 Satz 1 ArbZG substantiiert darzulegen, an welchen Tagen der Arbeitnehmer aus welchen Gründen in geringerem zeitlichen Umfang als von ihm behauptet gearbeitet haben muss.

29

c) Ihrer Darlegungslast genügen weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber durch die bloße Bezugnahme auf den Schriftsätzen als Anlagen beigefügte Stundenaufstellungen oder sonstige Aufzeichnungen. Anlagen können lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen (BGH 2. Juli 2007 - II ZR 111/05 - Rn. 25 mwN, NJW 2008, 69; vgl. auch BVerfG 30. Juni 1994 - 1 BvR 2112/93 - zu III 2 a der Gründe, NJW 1994, 2683). Die Darlegung der Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer bzw. die substantiierte Erwiderung hierauf durch den Arbeitgeber hat vielmehr entsprechend § 130 Nr. 3 und Nr. 4 ZPO schriftsätzlich zu erfolgen. Beigefügte Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag lediglich erläutern oder belegen, verpflichten das Gericht aber nicht, sich die unstreitigen oder streitigen Arbeitszeiten aus den Anlagen selbst zusammenzusuchen.

30

Nachdem das Landesarbeitsgericht die Art und Weise des Vorbringens der Parteien nicht beanstandet hat, muss ihnen im erneuten Berufungsverfahren Gelegenheit gegeben werden, ihrer jeweiligen Darlegungslast zur Leistung bzw. Nichtleistung von Überstunden schriftsätzlich nachzukommen.

31

3. Soweit die Beklagte bislang die Anordnung von Überstunden - pauschal - bestritten hat, ist das unbehelflich. Wenn ein Kraftfahrer für eine angewiesene Tour eine bestimmte Zeit benötigt und sie nur unter Leistung von Überstunden ausführen kann, waren die Überstunden - unabhängig von einer ausdrücklichen Anordnung - jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 a der Gründe mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Gebäudereinigung Nr. 17 = EzA BGB 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 1). Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber darlegen kann, dass die von ihm dem Arbeitnehmer zugewiesene Tour unter Beachtung der Rechtsordnung, insbesondere der für die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten geltenden (Sozial-)Vorschriften und des Straßenverkehrsrechts, innerhalb der Normalarbeitszeit gefahren werden kann. Erst dann obliegt es wiederum dem Arbeitnehmer, besondere Umstände darzutun, die zur Überschreitung der Normalarbeitszeit geführt haben.

32

IV. Ob die Lohnabzüge wegen vermeintlich mangelnder Wagenpflege tatsächlich gerechtfertigt waren, ist wegen der beschränkten Revisionszulassung nicht mehr Gegenstand des erneuten Berufungsverfahrens.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    S. Röth-Ehrmann    

        

    Christen    

                 

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 5. Oktober 2010 - 6 Sa 63/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Mehrarbeitsvergütung.

2

Der Kläger war bei der beklagten Spedition als Lagerleiter gegen ein monatliches Bruttoentgelt von 1.800,00 Euro beschäftigt.

3

In dem von der Beklagten vorformulierten Arbeitsvertrag vom 7. Oktober 2002 heißt es auszugsweise:

        

„4.     

Arbeitszeit

                 

4.1.   

Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 42 Arbeitsstunden.

        
                 

4.2.   

Die Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage richtet sich nach den betrieblichen Erfordernissen.

        
                 

4.3.   

Der Arbeitnehmer(in) ist bei betrieblicher Erfordernis auch zur Mehrarbeit sowie Sonntags- und Feiertagsarbeit verpflichtet.

        
                 

4.4.   

Der Arbeitnehmer erhält für die Über- und Mehrarbeit keine weitergehende Vergütung.

        
        

…       

        

        

10.     

Erlöschen von Ansprüchen

                 

10.1. 

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erlöschen 2 Monate nach Fälligkeit im laufenden Arbeitsverhältnis und 1 Monat nach Fälligkeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Ausschlußfrist), wenn sie nicht binnen dieser Frist schriftlich geltend gemacht werden.

        
                 

10.2. 

Wird ein geltend gemachter Anspruch innerhalb von 14 Tagen nicht entsprochen, kann er mit einer weiteren Frist von 2 Monaten Klage erheben.

        
                 

10.3. 

Nach Ablauf der vorbenannten Fristen sind die Ansprüche verwirkt.“

        
4

Aufgrund einer mündlichen Abrede gewährte die Beklagte dem Kläger für die in der Zeit von 18:00 Uhr bis 6:00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden einen „Nachtzuschlag“ iHv. 25 % des Stundenlohns. Der „Nachtzuschlag“ wurde in den Entgeltabrechnungen zumeist als steuerfrei ausgewiesen.

5

Mit Anwaltsschreiben vom 9. April 2009 machte der Kläger erstmalig Vergütung von Überstunden geltend. Mit der am 21. September 2009 zugestellten Klage hat der Kläger - soweit in der Revision noch von Interesse - Vergütung für 968 in den Jahren 2006 bis 2008 geleistete Überstunden verlangt.

6

Der Kläger hat - soweit in der Revision noch von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.534,80 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. September 2009 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Überstunden seien mit dem monatlichen Bruttoentgelt abgegolten. Der Kläger habe vereinbarungsgemäß für Über- und Mehrarbeit nur den vereinbarten „Nachtzuschlag“ erhalten sollen. Darüber hinaus seien die erhobenen Ansprüche verwirkt.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr hinsichtlich der noch streitigen 968 Überstunden stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im angefochtenen Umfang zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat Anspruch auf Vergütung von 968 Überstunden gemäß § 612 Abs. 1 und Abs. 2 BGB iHv. 9.534,80 Euro brutto nebst Prozesszinsen.

10

I. Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Unmittelbar ergeben sich hieraus für den Kläger keine Ansprüche. Die Vorschrift ist aber entsprechend anzuwenden, wenn eine in bestimmter Höhe gewährte Arbeitsvergütung nicht den vollen Gegenwert für die erbrachten Dienstleistungen darstellt, also Überstunden auf diese Weise vergütet werden sollen (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 9 mwN, BAGE 135, 250).

11

1. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger im Streitzeitraum insgesamt 968 von der Beklagten angeordnete bzw. betriebsnotwendige Überstunden geleistet.

12

2. Hinsichtlich dieser Stunden gab es keine Vergütungsabrede der Parteien.

13

a) Die Parteien haben zwar in Tz. 4.4. des Arbeitsvertrags bestimmt, dass der Kläger für Über- und Mehrarbeit keine gesonderte Vergütung erhalte. Diese Regelung ist jedoch nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie nicht klar und verständlich ist, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

14

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei der streitigen Klausel um eine von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB.

15

bb) Unbeschadet der Frage, ob eine Regelung wie Tz. 4. 4. die Hauptleistungspflichten der Parteien betrifft, unterliegt sie jedenfalls nach § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB der Transparenzkontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach kann sich die zur Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führende unangemessene Benachteiligung aus der mangelnden Klarheit und Verständlichkeit der Bedingung ergeben. Dieses Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Es müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner des Klauselverwenders soll ohne fremde Hilfe Gewissheit über den Inhalt der vertraglichen Rechte und Pflichten erlangen können und nicht von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden. Eine Klausel muss im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreiben. Sie verletzt das Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthält (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 14 mwN, BAGE 135, 250; 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 13 mwN, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10).

16

cc) Eine die pauschale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel ist nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 15 mwN, BAGE 135, 250; 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 14 mwN, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10).

17

dd) Tz. 4.4. des Arbeitsvertrags ist nicht klar und verständlich. Die Klausel soll Arbeitsstunden erfassen, die die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden überschreiten. Dabei sind bereits die Voraussetzungen, unter denen Überstunden zu leisten sein sollen, nur vage umschrieben. Tz. 4.3. des Arbeitsvertrags nennt als Bedingung „bei betrieblicher Erfordernis“, ohne diese näher zu konkretisieren. Überhaupt nicht ist der mögliche Umfang der geschuldeten Über- und Mehrarbeit geregelt. Damit ist die vom Kläger ohne eine weitere Vergütung zu leistende Arbeit weder bestimmt noch bestimmbar. Insbesondere lässt sich weder der Klausel selbst noch den arbeitsvertraglichen Bestimmungen im Übrigen eine Begrenzung auf die gemäß § 3 ArbZG zulässige Höchstarbeitszeit entnehmen. Die Verwendung des Begriffspaares „Über- und Mehrarbeit“ in Tz. 4.4. des Arbeitsvertrags deutet im Gegenteil darauf hin, dass auch eine Überschreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit von der Klausel erfasst sein soll (vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 15, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10; ErfK/Preis 12. Aufl. § 611 BGB Rn. 486; HWK/Thüsing 5. Aufl. § 611 BGB Rn. 134).

18

Die Klausel bliebe selbst dann intransparent, wenn sie - einschränkend - dahin auszulegen wäre, dass nur bis zu sechs wöchentliche Überstunden mit der Vergütung abgegolten sein sollten. Denn auch dann enthielte sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führt zwar nicht gleichsam automatisch zu deren Intransparenz. Lässt sich jedoch eine Klausel unschwer so formulieren, dass das Gewollte klar zu erkennen ist, führt eine Formulierung, bei der das Gewollte allenfalls durch eine umfassende Auslegung ermittelbar ist, zu vermeidbaren Unklarheiten. Wäre eine Einschränkung des Umfangs der Abgeltungsklausel auf bis zu sechs Stunden wöchentlich gewollt gewesen, hätte die Beklagte das unschwer im Klauseltext durch die Aufnahme dieser Zahl oder zumindest mit einem ausdrücklichen Hinweis auf das Arbeitszeitgesetz und eine danach zulässige wöchentliche Höchstarbeitszeit formulieren können (vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 16 mwN, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10).

19

b) Das Landesarbeitsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die mündlich getroffene Vereinbarung eines „Nachtzuschlags“ keine pauschalierte Überstundenvergütung beinhaltete. Durchgreifende Rügen hat die Revision nicht vorgebracht.

20

3. Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Diese Vergütungserwartung ist im Streitfall gegeben.

21

a) Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gibt es nicht. Die Vergütungserwartung ist stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankommt. Sie kann sich insbesondere daraus ergeben, dass im betreffenden Wirtschaftsbereich Tarifverträge gelten, die für vergleichbare Arbeiten eine Vergütung von Überstunden vorsehen. Die - objektive - Vergütungserwartung wird deshalb in weiten Teilen des Arbeitslebens gegeben sein (vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 20 mwN, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10; 21. September 2011 - 5 AZR 629/10 - Rn. 31 mwN, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 11). Sie wird aber fehlen, wenn arbeitszeitbezogene und arbeitszeitunabhängig vergütete Arbeitsleistungen zeitlich verschränkt sind (vgl. BAG 21. September 2011 - 5 AZR 629/10 - Rn. 32, aaO) oder wenn Dienste höherer Art geschuldet sind oder insgesamt eine deutlich herausgehobene Vergütung gezahlt wird (vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 20, 21, aaO). Von letztem Fall wird regelmäßig ausgegangen werden können, wenn das Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet. Mit dieser dynamischen Verdienstgrenze gibt der Gesetzgeber alljährlich zu erkennen, welche Einkommen so aus dem in der Solidargemeinschaft aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten herausragen, dass damit keine weitere Rentensteigerung mehr zu rechtfertigen ist. Wer mit seinem aus abhängiger Beschäftigung erzielten Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet, gehört zu den Besserverdienern, die aus der Sicht der beteiligten Kreise nach der Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben und nicht eines Stundensolls beurteilt werden. Ihnen und ihren Arbeitgebern fehlt regelmäßig die objektive Vergütungserwartung für ein besonderes Entgelt als Gegenleistung für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit.

22

b) Der Kläger erbrachte im Streitfall einheitliche Arbeitsleistungen, für die er - unter Anwendung eines objektiven Beurteilungsmaßstabs - eine zusätzliche Vergütung nach den Bedingungen seines Arbeitsvertrags erwarten durfte. Der Kläger leistete keine Dienste höherer Art und erzielte keine deutlich herausgehobene Vergütung. Sein Einkommen lag in den Jahren 2006 bis 2008 jeweils deutlich unter der Beitragsbemessungsgrenze Ost.

23

4. Nach § 612 Abs. 2 BGB ist die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. Diese ist vom Landesarbeitsgericht zutreffend auf 9.534,80 Euro brutto bestimmt worden.

24

II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Ansprüche des Klägers auf Überstundenvergütung nicht verwirkt sind, weil es an dem erforderlichen Umstandsmoment fehlt. Muss der Verpflichtete davon ausgehen, dass der Berechtigte von den ihm zustehenden Ansprüchen nichts weiß (vgl. BAG 25. April 2001 - 5 AZR 497/99 - BAGE 97, 326; BGH 15. September 1999 - I ZR 57/97 - zu II 4 der Gründe, NJW 2000, 140), kann er nicht darauf vertrauen, der Berechtigte werde wegen des Zeitablaufs seine Rechte nicht mehr geltend machen (vgl. BGH 12. März 2008 - XII ZR 147/05 - zu II 3 der Gründe, NJW 2008, 2254). Dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn die Unkenntnis des Berechtigten auf dem Verhalten des Verpflichteten beruht (vgl. BGH 27. Juni 1957 - II ZR 15/56 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 25, 47). Hierfür bietet die Verwendung einer unwirksamen AGB-Klausel einen typischen Fall.

25

III. Die Ansprüche des Klägers sind nicht gemäß Tz. 10. des Arbeitsvertrags verfallen. Die als AGB geregelte zweistufige Ausschlussfrist ist unwirksam, weil sie den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB(vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu IV 7 der Gründe, BAGE 115, 19; 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 34 ff., BAGE 116, 66).

26

IV. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

27

V. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Reinders    

        

    Ilgenfritz-Donné    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. März 2010 - 9 Sa 2161/08 -, - 9 Sa 2266/08 - und - 9 Sa 2316/08 - teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. September 2008 - 30 Ca 18451/07 - und - 30 Ca 14891/08 (WK) - in seinen Ziff. II. 1. bis 3. teilweise abgeändert und insoweit zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2008 zu zahlen.

3. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. September 2008 - 30 Ca 18451/07 - und - 30 Ca 14891/08 (WK) - wird mit der vom Landesarbeitsgericht in Ziff. II. seines Urteils vom 19. März 2010 - 9 Sa 2161/08 -, - 9 Sa 2266/08 - und - 9 Sa 2316/08 - ausgesprochenen Maßgabe insgesamt zurückgewiesen.

4. Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen. Von den Kosten der Berufung haben der Kläger 19/20 und die Beklagte 1/20 sowie von den erstinstanzlichen Kosten der Kläger 9/10 und die Beklagte 1/10 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob für die Monate Oktober bis Dezember 2007 eine Brutto- oder Nettovergütung geschuldet ist, und über die Abgeltung von Überstunden.

2

Der 1965 geborene Kläger war bei der Beklagten, einer Versicherungsmaklerin, seit dem 1. April 2005 als Büroleiter tätig. Grundlage seiner Tätigkeit war die am 22. März 2005 handschriftlich festgehaltene Vereinbarung, in der es heißt:

        

„1.     

Beide Parteien beschließen ab 1.4.05 eine Zusammenarbeit. H. S ist bereit ab 21.3.05 in der H zeitweise tätig zu sein. Diese Zeit wird separat vergütet oder verrechnet.

        

2.    

Die Tätigkeit von H. S ist die eines Büroleiters gemäß den ausgehändigten Beschreibungen.

        

3.    

Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden (Mo - Freitag).

        

4.    

Das Arbeitsentgelt beträgt € 3.000 per Monat.

        

5.    

Es wird eine Probezeit von 3 Monaten vereinbart. Die Kündigungsfrist beträgt in dieser Zeit 14 Tage.

        

6.    

(…)     

        

7.    

Nach Ablauf der Probezeit wird über die Vertragsmodalitäten neu verhandelt.

        

8.    

Geplant ist ab 1.1.2006 die Tätigkeit als stellvertr. GF.

        

9.    

Ab 1.1.2007 ist die Tätigkeit als GF geplant mit Unternehmensbeteiligung in Höhe von 10 % (i.W. zehn).

        

...“   

        
3

Rückwirkend zum selben Zeitpunkt schlossen die Parteien eine „Zusatzvereinbarung zum Mitarbeitervertrag“, in der sie ua. Folgendes vereinbarten:

        

„§ 1: Herr S erhält als Vergütung für von ihm allein und eigenständig vermitteltes Neugeschäft von den dem Arbeitgeber daran zufließenden Abschlussprovisionen in den Bereichen Kapitalanlagen (Fonds), Lebens-, Renten- und Krankenversicherung eine Beteiligung in Höhe von siebenundsechzig Prozent. Ist das Neugeschäft nicht aus dem Umfeld von H geworben, beträgt der Beteiligungssatz achtzig Prozent der H zufließenden Provisionen.

                 
        

§ 2: Herr S erhält als Vergütung für von ihm allein und eigenständig vermitteltes Neugeschäft, von den dem Arbeitgeber daran zufließende Erstjahrescourtagen in den Bereichen der Sach-, Haftpflicht-, Unfall- und Rechtsschutz-Versicherung eine Beteiligung in Höhe von siebenundsechzig Prozent. Ist das Neugeschäft nicht aus dem Umfeld von H geworben, beträgt der Beteiligungssatz achtzig Prozent der H zufließenden Provisionen.

                 
        

§ 3: Für Verträge, die mit Hilfe von weiteren Mitarbeitern des Arbeitgebers als Zuträger abgeschlossen werden, wird der Provisionsanspruch um fünfundzwanzig Prozent der vorgenannten Provisionen des Arbeitgebers gekürzt. (…)

        

...“   

4

In einem Nachtrag hierzu heißt es:

        

„a)     

Das vereinbarte Grundgehalt ist ausschließlich dem Arbeitsvertrag mit den dazu gehörigen Arbeitsplatzbeschreibungen zuzuordnen.

        

b)    

Außendiensttätigkeiten gemäß der Zusatzvereinbarung sind, sofern ein Grundgehalt bezahlt wird, nach Arbeitsschluss (reguläre Arbeitszeit) durchzuführen.

        

c)    

Sollte ein Termin während der Arbeitszeit anfallen, kann dieser durchgeführt werden und wird jedoch mit der Arbeitszeit verrechnet und abgezogen.

        

d)    

Angebote und Telefonate fallen in den Bereich der Arbeitszeit.

        

…“    

        
5

Vom Beginn der Zusammenarbeit an erhielt der Kläger von der Beklagten monatlich 3.000,00 Euro. Die Beklagte führte hierfür weder Lohnsteuern ab, noch meldete sie den Kläger zur Sozialversicherung an. Auch der Kläger zahlte weder Steuern noch Sozialversicherungsbeiträge auf das Entgelt. Über den Betrag von 3.000,00 Euro existieren monatliche Rechnungen des Klägers, deren Echtheit teilweise streitig ist.

6

Mit Schreiben vom 23. Oktober 2007 kündigte die Beklagte „die Zusammenarbeit aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung“. Im Kündigungsschutzprozess stützte sie ihre Kündigung darauf, der Kläger habe sich in Medien als „kommissarischer Reichspräsident“ dargestellt. Das Landesarbeitsgericht hat im Berufungsurteil festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 23. Oktober 2007 nicht fristlos aufgelöst wurde, sondern bis zum 31. Dezember 2007 fortbestand.

7

Ab Oktober 2007 zahlte die Beklagte keine Vergütung mehr. Auf ihre Aufforderung arbeitete der Kläger wieder vom 13. November 2007 bis zu seiner Freistellung ab dem 3. Dezember 2007.

8

Mit Klageerweiterungen im Kündigungsschutzprozess hat der Kläger Vergütung für die Monate Oktober bis Dezember 2007 begehrt, die er ausgehend von 3.000,00 Euro netto unter Zugrundelegung der Steuerklasse V auf eine monatliche Bruttovergütung von 6.910,77 Euro hochrechnete. Er hat geltend gemacht, die Parteien hätten ein Nettoentgelt vereinbart, zumindest ergebe sich eine Nettolohnabrede aus § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Außerdem hat der Kläger die Abgeltung von während der gesamten Beschäftigungszeit geleisteter 1.448,5 Überstunden verlangt und vorgetragen, der Geschäftsführer der Beklagten habe diese angeordnet und genehmigt. Wie alle anderen Arbeitnehmer habe der Kläger mittels einer Excel-Tabelle ein Arbeitszeitkonto führen müssen. Dieses habe er regelmäßig, letztmalig am 6. Juli 2007 dem Geschäftsführer vorgelegt.

9

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Belang - nach vorläufiger Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn zu zahlen

        

a)    

6.910,77 Euro brutto (Gehalt Oktober 2007) abzüglich gezahlter 3.000,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2008,

        

b)    

6.910,77 Euro brutto (Gehalt November 2007) abzüglich gezahlter 3.000,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2008,

        

c)    

6.910,77 Euro brutto (Gehalt Dezember 2007) abzüglich gezahlter 3.000,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2008,

        

d)    

weitere 55.000,66 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2008.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, eine Nettovergütung sei weder vereinbart gewesen, noch ergebe sich eine solche aus § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Die Parteien hätten keine Schwarzgeldabrede getroffen, sondern sich über eine freie Mitarbeit geeinigt, weil der Erwerb von Gesellschaftsanteilen beabsichtigt war. Ein Arbeitszeitkonto habe der Kläger nicht führen müssen. Seine Aufzeichnungen über angeblich geleistete Arbeitszeit hätten nachträglich manipuliert werden können. Überstunden habe sie weder angeordnet noch genehmigt.

11

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 9.000,00 Euro netto nebst Zinsen verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Nach vier Terminen zur mündlichen Verhandlung hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und sie auf die Berufung des Klägers verurteilt, an diesen weitere 23.671,42 Euro netto nebst Zinsen zur Abgeltung von Überstunden zu zahlen. Mit der vom Senat für die Beklagte zugelassenen Revision wendet sich diese gegen die Zahlung einer Nettovergütung für die Monate Oktober bis Dezember 2007 und verfolgt hinsichtlich der Abgeltung von Überstunden ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten ist begründet.

13

Streitgegenständlich sind in der Revisionsinstanz nach der Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu ihrem Revisionsantrag und mangels Anschlussrevision des Klägers nur die Fragen, ob für die Monate Oktober bis Dezember 2007 eine Brutto- oder Nettovergütung geschuldet ist und der Kläger die Abgeltung von Überstunden beanspruchen kann. Damit steht insbesondere rechtskräftig fest, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestand, das durch die Kündigung der Beklagten vom 23. Oktober 2007 zum 31. Dezember 2007 aufgelöst wurde.

14

Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten gegen die erstinstanzliche Verurteilung zu einer Nettovergütung für die Monate Oktober bis Dezember 2007 zurückgewiesen und der Berufung des Klägers gegen das die Klage auf Abgeltung von Überstunden abweisende Urteil des Arbeitsgerichts stattgegeben.

15

I. Die Revision der Beklagten ist allerdings nicht bereits deshalb begründet, weil der von ihr geltend gemachte absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Berufungsgerichts nach § 547 Nr. 1 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG vorläge. Die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts ist unbegründet.

16

1. Die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts ist unverzichtbar, so dass entgegen der Auffassung des Klägers ein mögliches Einverständnis der Beklagten mit der Besetzung der Richterbank in der letzten Berufungsverhandlung am 19. März 2010 unerheblich ist.

17

2. Nach § 547 Nr. 1 ZPO ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Die Norm umfasst auch diejenigen Fälle, in denen über die Rechtsstreitigkeit andere Richter entscheiden als die gesetzlich Berufenen (BAG 9. Juni 2011 - 2 ABR 35/10 - Rn. 16, NJW 2011, 3053; 26. September 2007 - 10 AZR 35/07 - Rn. 11, AP ZPO § 547 Nr. 7; 16. Mai 2002 - 8 AZR 412/01 - zu II 3 der Gründe, BAGE 101, 145 - jeweils mwN). Aus dem verfassungsrechtlichen Verbot, einem Verfahrensbeteiligten den gesetzlichen Richter zu entziehen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) folgt, dass die Rechtsprechungsorgane nicht anders besetzt werden dürfen als es in den allgemeinen Normen der Gesetze und der Geschäftsverteilungspläne vorgesehen ist. „Gesetzlicher Richter“ bedeutet, dass sich der für die einzelne Sache zuständige Richter im Voraus eindeutig aus einer allgemeinen Regelung ergeben muss. Kennzeichnung der Gewährleistung des gesetzlichen Richters ist die normative, abstrakt-generelle Vorherbestimmung des jeweils für die Entscheidung zuständigen Richters (BAG 20. Juni 2007 - 10 AZR 375/06 - Rn. 16, AP ZPO § 547 Nr. 6 = EzA GG Art. 101 Nr. 8; 26. September 1996 - 8 AZR 126/95 - zu A I der Gründe, BAGE 84, 189).

18

3. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die von der Beklagten gerügte Mitwirkung des ehrenamtlichen Richters R an der angefochtenen Entscheidung entspricht dem Geschäftsverteilungsplan des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg für das Geschäftsjahr 2010 (im Folgenden: GVPl.). Nach dessen Ziff. 7.1 Satz 3 war zwar zunächst aufgrund der in der Berufungsverhandlung vom 31. Juli 2009 erfolgten Beweisaufnahme die ehrenamtliche Richterin W zu den Fortsetzungsterminen heranzuziehen. Dementsprechend nahm Frau W an der Berufungsverhandlung am 20. November 2009 teil, die mit dem Beschluss endete, Termin zur Verkündung einer Entscheidung werde auf den 18. Dezember 2009 bestimmt. Diesen Verkündungstermin hob die Kammervorsitzende mit Beschluss vom 14. Dezember 2009 auf. Am 5. März 2010 erließ die vollbesetzte Kammer unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterin W den am selben Tag verkündeten Beschluss, die mündliche Verhandlung am 19. März 2009 fortzusetzen. Nachdem die ehrenamtliche Richterin W sich für diesen Termin für verhindert erklärte, wurde statt ihrer der ehrenamtliche Richter R herangezogen.

19

Diese Verfahrensweise steht im Einklang mit Ziff. 7.2 GVPl. Danach sind bei Verhinderung ehrenamtlicher Richter und Richterinnen an der Wahrnehmung einer Sitzung, eines Fortsetzungstermins oder eines für diesen anberaumten Ersatztermins der festgelegten Reihenfolge nach noch nicht zu nachfolgenden Sitzungen eingeteilte ehrenamtliche Richter und Richterinnen heranzuziehen. Für die Anzeige einer Verhinderung durch den ehrenamtlichen Richter oder die ehrenamtliche Richterin ist deren förmliche Ladung nicht erforderlich. Das gilt umso mehr, als im Streitfall der ehrenamtlichen Richterin W durch ihre Mitwirkung an dem Beschluss vom 5. März 2010 der anberaumte Fortsetzungstermin schon vor einer förmlichen Ladung hierzu bekannt war.

20

II. Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten gegen ihre erstinstanzliche Verurteilung zu einer Nettovergütung für die Monate Oktober bis Dezember 2007 zurückgewiesen hat. Der Kläger kann eine Nettovergütung für diesen Zeitraum nicht beanspruchen.

21

1. Zwischen den Parteien steht in der Revisionsinstanz außer Streit, dass dem Kläger für die Monate Oktober bis Dezember 2007 Vergütung nach § 611 Abs. 1 BGB für geleistete Arbeit und im Übrigen unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs(§ 615 Satz 1 BGB) zusteht. Eine Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die vereinbarte Vergütung in Höhe von 3.000,00 Euro monatlich als Nettovergütung zu zahlen, besteht jedoch nicht.

22

a) Eine solche ergibt sich nicht aus den Vereinbarungen der Parteien. Eine ausdrückliche Nettolohnvereinbarung wurde von ihnen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht getroffen.

23

b) Eine Nettolohnabrede folgt auch nicht aus § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Danach gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt worden sind. Unbeschadet der - vom Landesarbeitsgericht bejahten - Frage, ob die Parteien eine Schwarzgeldabrede getroffen haben, beschränkt sich der Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf das Sozialversicherungsrecht und erstreckt sich nicht auf das bürgerlichrechtliche Rechtsverhältnis der Arbeitsvertragsparteien (BAG 17. März 2010 - 5 AZR 301/09 - Rn. 13 ff., BAGE 133, 332; ErfK/Preis 11. Aufl. § 611 BGB Rn. 475; DFL/Kamanabrou 4. Aufl. § 611 BGB Rn. 228; Palandt/Weidenkaff 70. Aufl. § 611 BGB Rn. 51; Arnold ArbR Aktuell 2010, 322; Steenfatt BB 2010, 1992). Das ergibt eine systematische Auslegung der Norm, deren Ergebnis durch den Zweck und die Entstehungsgeschichte des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bestätigt wird(s. dazu im Einzelnen BAG 17. März 2010 - 5 AZR 301/09 - aaO).

24

Die Befürchtung des Klägers, ein solches Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV schaffe für Arbeitgeber Anreize zur Schwarzarbeit, ist unberechtigt. Neben seiner Strafbarkeit wegen des Vorenthaltens und der Veruntreuung von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB muss der Arbeitgeber die Nachentrichtung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gegenwärtigen, in der Regel ohne(volle) Rückgriffsmöglichkeit auf den Arbeitnehmer, § 28e Abs. 1 Satz 1, § 28g Satz 3 SGB IV.

25

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht auch nicht in Widerspruch zu der des Bundesgerichtshofs. Dieser versteht § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ebenfalls(nur) als sozialversicherungsrechtliche Berechnungsgrundlage des Arbeitsentgelts in einem illegalen Beschäftigungsverhältnis, die er im Rahmen der Strafnorm des § 266a StGB bei der Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge anwendet(BGH 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08 - Rn. 12 ff., BGHSt. 53, 71). Der vom Kläger angeregten Vorlage an die Vereinigten Großen Senate beim Bundesgerichtshof (§ 132 Abs. 1 Satz 2 GVG) bedurfte es schon deshalb nicht, weil das Bundesarbeitsgericht - anders als das Reichsarbeitsgericht, das als besonders besetzter Senat des Reichsgerichts konzipiert war (vgl. GMP/Prütting 7. Aufl. ArbGG Einl. Rn. 14) - ein eigenständiger oberster Gerichtshof des Bundes (Art. 95 Abs. 1 GG) ist.

26

2. Der Kläger kann die vereinbarte Vergütung von 3.000,00 Euro monatlich, die auch dann wirksam vereinbart ist, wenn die Parteien - wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat - eine Schwarzgeldabrede getroffen haben (vgl. BAG 26. Februar 2003 - 5 AZR 690/01 - zu II 4 der Gründe, BAGE 105, 187), nur als Bruttovergütung beanspruchen (BAG 16. Juni 2004 - 5 AZR 521/03 - zu II 1 und 2 der Gründe, BAGE 111, 131; ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 474 mwN). Denn der Arbeitnehmer ist gemäß § 38 Abs. 2 EStG Schuldner der Lohnsteuer und muss im Innenverhältnis zum Arbeitgeber den ihn treffenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags tragen, § 28g SGB IV. Dass das Vertragsverhältnis der Parteien als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist, steht aufgrund der nicht angegriffenen Entscheidung des Berufungsgerichts im Kündigungsschutzprozess rechtskräftig fest.

27

3. Die Beklagte hat den Vergütungsanspruch nach ihrem eigenen Vorbringen nicht erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Die vorläufige Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils durch den Kläger bewirkt nicht die materiell-rechtliche Erfüllung des Vergütungsanspruchs und führt bis zur Rechtskraft der Entscheidung nicht zur endgültigen Tilgung nach § 815 Abs. 3, § 819 ZPO(vgl. Palandt/Grüneberg § 362 BGB Rn. 15 mwN).

28

4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

29

III. Die Revision der Beklagten ist auch begründet, soweit das Landesarbeitsgericht der Berufung des Klägers gegen das die Klage auf Abgeltung von Überstunden abweisende Urteil des Arbeitsgerichts stattgegeben hat. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Überstundenvergütung.

30

1. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält weder eine positive noch eine negative Regelung zur Vergütung von Überstunden. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers kann deshalb nur § 612 Abs. 1 BGB sein. Nach dieser Vorschrift gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

31

Die nach § 612 Abs. 1 BGB erforderliche - objektive - Vergütungserwartung wird zwar in weiten Teilen des Arbeitslebens gegeben sein. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gibt es jedoch nicht (vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 21, ZIP 2011, 2204; ErfK/Preis § 612 BGB Rn. 18; HWK/Thüsing 4. Aufl. § 612 BGB Rn. 23 - jeweils mwN). Die Vergütungserwartung ist deshalb stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankäme (BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 122/99 -- zu IV 4 a der Gründe, BAGE 96, 45). Darlegungs- und beweispflichtig für das Bestehen einer Vergütungserwartung ist nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der eine Vergütung begehrt.

32

2. Aus dem Sachvortrag des Klägers lässt sich das Bestehen einer Vergütungserwartung nicht begründen. Anders als im „Normalarbeitsverhältnis“ sind die Vertragsbeziehungen der Parteien im Streitfall dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger neben dem Arbeitsverhältnis als Büroleiter, in dem er für eine bestimmte Wochenarbeitszeit eine gleichbleibende monatliche Vergütung erhalten sollte, damit betraut war, Versicherungsverträge für die Beklagte unabhängig von dem dafür benötigten Zeitaufwand auf Provisionsbasis zu vermitteln. Dabei waren die unterschiedlichen Vergütungsregelungen folgenden Tätigkeiten arbeitszeitlich nicht strikt getrennt, sondern ineinander verschränkt. Der Kläger durfte nach Buchst. d des Nachtrags zur Zusatzvereinbarung (im Folgenden: Nachtrag) während der Arbeitszeit als Büroleiter Angebote für seine Tätigkeit als Versicherungsvertreter ausarbeiten und entsprechende Telefonate führen. Außendiensttätigkeiten sollten zwar nach der Arbeitszeit als Büroleiter erfolgen, konnten aber unter Verrechnung auf diese während der „regulären Arbeitszeit“ durchgeführt werden, Buchst. b und Buchst. c des Nachtrags. Damit wird deutlich, dass es den Parteien nicht auf eine strikte Trennung der unterschiedlich vergüteten Arbeitsbereiche ankam. Der Kläger durfte ohne zeitliche Begrenzung während der Arbeitszeit als Büroleiter Angebote für seine Tätigkeit als Versicherungsvertreter ausarbeiten und entsprechende Telefonate führen. Bei einer derartigen Verschränkung arbeitszeitbezogen und arbeitszeitunabhängig vergüteter Arbeits- bzw. Dienstleistungen lässt sich das Bestehen einer objektiven Vergütungserwartung für Überstunden im arbeitszeitbezogen vergüteten Arbeitsbereich nicht ohne Hinzutreten besonderer Umstände oder einer entsprechenden Verkehrssitte begründen. Fehlt es daran, kann eine Überstundenvergütung nur verlangt werden, wenn sie arbeitsvertraglich vereinbart ist.

33

3. Besondere Umstände für eine Ausnahme von dieser Regel hat der Kläger nicht vorgebracht. Die geplante Tätigkeit als Geschäftsführer unter Beteiligung als Minderheitsgesellschafter an der beklagten GmbH spricht eher gegen eine Vergütungserwartung iSv. § 612 Abs. 1 BGB. Anhaltspunkte für eine die Auffassung des Klägers stützende entsprechende Verkehrssitte hat der Senat nicht. Dieses Ergebnis bestätigt das Verhalten des Klägers, der der Beklagten bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses Überstunden aus seiner Büroleitertätigkeit weder in Rechnung gestellt noch sonst geltend gemacht hat.

34

IV. Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen. Nach § 92 Abs. 1 ZPO haben der Kläger von den Kosten der Berufung 19/20 und die Beklagte 1/20 sowie von den erstinstanzlichen Kosten der Kläger 9/10 und die Beklagte 1/10 zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Zorn    

        

    Bürger    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Juni 2010 - 15 Sa 166/10 - aufgehoben, soweit es der Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 23. September 2009 - 20 Ca 19044/08 - stattgegeben hat, und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - soweit für die Revision von Interesse - über die Vergütung von Überstunden.

Der 1968 geborene Kläger war seit dem 16. Oktober 2006 bei der Beklagten als Rechtsanwalt beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 16. Juli/8. August 2006 heißt es ua.:

        

„§ 1 Tätigkeit

                 
        

(1)     

Der Mitarbeiter wird als Rechtsanwalt eingestellt. Sein Arbeitsgebiet umfasst alle damit verbundenen Tätigkeiten.

        

(2)     

Der Mitarbeiter verpflichtet sich, die Tätigkeit gewissenhaft und nach bestem Vermögen zu erfüllen, die Interessen des Arbeitgebers zu wahren und seine ganze Arbeitskraft ausschließlich der vereinbarten Tätigkeit zu widmen. Nebenbeschäftigungen, gleich welcher Art, bedürfen der Genehmigung seitens des Arbeitgebers.

        

…       

                 
                 
        

§ 3 Vergütung

                 
        

(1)     

Der Mitarbeiter erhält für die vertragliche Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt i. H. v. 5.833,33 EURO. Die Vergütung ist jeweils am Letzten eines Monats fällig und wird auf ein von dem Mitarbeiter noch zu benennendes Bankkonto überwiesen.

        

…       

        
        

(3)     

Durch die zu zahlende Bruttovergütung ist eine etwaig notwendig werdende Über- oder Mehrarbeit abgegolten.

                 
        

§ 4 Arbeitszeit

                 
        

(1)     

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 Stunden wöchentlich.

        

(2)     

Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen richten sich nach den Bürozeiten, die derzeit von 8.30 Uhr bis 19.00 Uhr sind.“

2

Mit Schreiben vom 3. August 2006 hatte die Beklagte dem Kläger auf dessen Anfrage Folgendes bestätigt:

        

„Anlässlich unserer gemeinsamen Besprechungen hatten wir uns darauf verständigt, dass die Partner jeweils nach Ablauf eines Geschäftsjahres prüfen werden, ob sie Ihnen neben der vereinbarten festen Vergütung einen Bonus gewähren wollen. Ein solcher Bonus steht allerdings dem Grunde und der Höhe nach im alleinigen freien Ermessen der Partner. Ein Anspruch hierauf besteht daher grundsätzlich nicht.

        

Ferner ist es unser gemeinsames Verständnis, dass die Partner nach etwa einem bis anderthalb Jahren mit Ihnen Gespräche darüber aufnehmen werden, ob und ggf. ab welchem Zeitpunkt Ihnen eine Partnerschaft in Aussicht gestellt werden kann.“

3

Ab März 2007 erhielt der Kläger ein Jahresgehalt iHv. 80.000,00 Euro brutto. Ende März 2008 gewährte ihm die Beklagte für das Jahr 2007 einen Bonus iHv. 8.000,00 Euro brutto. In einem Personalgespräch am 30. September 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, eine Aufnahme als Partner komme nicht in Betracht.

4

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2009. Auf die Kündigungsschutzklage des Klägers hat das Arbeitsgericht mit rechtskräftig gewordenem Anerkenntnisurteil vom 27. Februar 2009 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch diese Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Es endete aufgrund einer ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 18. März 2009 mit Ablauf des 30. Juni 2009.

5

Mit einer am 2. März 2009 im Kündigungsschutzprozess eingereichten Klageerweiterung hat der Kläger zuletzt noch Überstundenvergütung für die Zeit vom 16. Oktober 2006 bis zum 30. September 2008 iHv. 39.362,26 Euro brutto geltend gemacht und vorgetragen, in diesem Zeitraum ausweislich einer Stundenliste sowie von ihm geführter Zeitnachweise unter Einschluss der Lektüre von Fachliteratur und des Besuchs eines Notargrundkurses 930,33 Überstunden geleistet zu haben, die mit 42,31 Euro brutto je Stunde zu vergüten seien. Er hat die Auffassung vertreten, § 3 Abs. 3 des Arbeitsvertrags sei jedenfalls nach § 307 BGB unwirksam. Die Beklagte habe bereits mit dem Arbeitsvertrag Überstunden angeordnet, zudem seien die angestellten Anwälte aufgefordert worden, deutlich mehr als 40 Wochenstunden zu arbeiten. Die Partner hätten darauf geachtet, dass kein Leerlauf entstehe und ein kontinuierlicher Fluss von zwei bis zweieinhalb Überstunden pro Arbeitstag nicht abriss. Jedenfalls habe die Beklagte die Leistung von Überstunden geduldet. Eine Verwirkung des Anspruchs auf Überstundenvergütung scheitere schon daran, dass er bis zum 30. September 2008 fest von einer zeitnahen Aufnahme in die Partnerschaft ausgegangen sei. Die in Aussicht gestellte Partnerschaft sei die Gegenleistung für die erbrachten Überstunden gewesen. Erst nachdem die Beklagte sich einseitig von ihrer Zusage gelöst habe, sei der Anlass, Überstundenvergütung nicht geltend zu machen, entfallen.

6

Der Kläger hat zuletzt - soweit für die Revision von Belang - sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 39.362,26 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, bis zu acht Überstunden wöchentlich seien durch § 3 Abs. 3 des Arbeitsvertrags wirksam mit der regulären Vergütung abgegolten. Der Kläger habe die Leistung von Überstunden nicht substantiiert dargelegt, Anwesenheitszeit sei nicht mit Arbeitszeit gleichzusetzen. Die Lektüre von Fachzeitschriften gehöre nicht zu der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit eines Rechtsanwalts, der Besuch des Notargrundkurses habe überwiegend im persönlichen Interesse des Klägers gelegen. Im Übrigen habe der Kläger etwaige Überstunden nicht auf Anordnung geleistet, ihm sei auch keine Arbeit zugewiesen worden, die er nur unter Überschreitung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit hätte erledigen können. Überstunden seien von der Beklagten weder gebilligt noch geduldet worden. Jedenfalls seien etwaige Ansprüche des Klägers verwirkt. Selbst wenn die Aussicht auf eine Aufnahme als Partner für den Kläger Anlass für die angebliche Leistung von Überstunden gewesen sein sollte, berechtige ihn das nicht, diese eigenverantwortlich getätigte Investition in seine berufliche Zukunft der Beklagten „in Rechnung zu stellen“.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Schlussurteil abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers durch Teilurteil der Klage iHv. 30.229,12 Euro nebst Zinsen stattgegeben. Über die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens hat das Landesarbeitsgericht durch Schlussurteil entschieden, das nicht angefochten worden ist. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Schlussurteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht teilweise stattgegeben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Vergütung von Überstunden.

10

I. Das ergibt sich allerdings nicht bereits aus § 3 Abs. 3 des Arbeitsvertrags. Danach ist durch die zu zahlende Bruttovergütung eine etwaig notwendig werdende Über- oder Mehrarbeit abgegolten. Die Klausel ist unwirksam, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

11

1. Bei § 3 Abs. 3 des Arbeitsvertrags handelt es sich nach der von der Revision nicht angegriffenen rechtlichen Wertung des Landesarbeitsgerichts um eine Allgemeine Geschäftsbedingung(§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Dafür begründet auch das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG 1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 20 ff., BAGE 117, 155; 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 18, BAGE 128, 73), der keine der Parteien entgegengetreten ist.

12

2. Die in § 3 Abs. 3 des Arbeitsvertrags geregelte Pauschalabgeltung von Überstunden ist mangels hinreichender Transparenz unwirksam.

13

a) Unbeschadet der Frage, ob eine Regelung wie die streitbefangene die Hauptleistungspflichten der Parteien betrifft, unterliegt sie jedenfalls gem. § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach kann sich die zur Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führende unangemessene Benachteiligung aus der mangelnden Klarheit und Verständlichkeit der Bedingung ergeben. Dieses Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Es müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner des Klauselverwenders soll ohne fremde Hilfe Gewissheit über den Inhalt der vertraglichen Rechte und Pflichten erlangen können und nicht von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden. Eine Klausel muss im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreiben. Sie verletzt das Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthält (BAG 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - Rn. 45, BAGE 115, 372; BGH 26. Oktober 2005 - VIII ZR 48/05 - Rn. 23, BGHZ 165, 12).

14

b) Eine die pauschale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel ist nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 50; 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 16, DB 2011, 1639 - jeweils mwN; vgl. auch ErfK/Preis 11. Aufl. §§ 305 - 310 BGB Rn. 91; HWK/Gotthardt 4. Aufl. Anh. §§ 305 - 310 BGB Rn. 39).

15

3. § 3 Abs. 3 des Arbeitsvertrags ist nicht klar und verständlich. Diese Klausel soll etwaig notwendig werdende Arbeitsstunden erfassen, die die vereinbarten 40 Wochenstunden überschreiten. Deren Umfang ist im Arbeitsvertrag ebenso wenig bestimmt wie die Voraussetzungen, unter denen Überstunden „etwaig notwendig“ sein sollen. Insbesondere lässt sich weder der Klausel selbst noch den arbeitsvertraglichen Bestimmungen im Übrigen eine Begrenzung auf die nach § 3 ArbZG zulässige Höchstarbeitszeit(zu einer solchen Auslegungsmöglichkeit BAG 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - BAGE 116, 66) entnehmen. Aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 3 ergibt sich eine derartige Beschränkung jedenfalls nicht. Die Verwendung des Begriffs „Mehrarbeit“ deutet im Gegenteil darauf hin, dass auch eine Überschreitung der gesetzlichen Arbeitszeit von der Klausel erfasst sein soll (zum Verständnis der im Arbeitszeitgesetz nicht verwendeten Begriffe Über- und Mehrarbeit siehe ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 486; HWK/Thüsing § 611 BGB Rn. 134). Zudem haben die Parteien die Klausel übereinstimmend nicht mit einer Beschränkung auf die nach § 3 ArbZG zulässige Höchstarbeitszeit verstanden. Erst im Laufe des Verfahrens ist die Beklagte zu einem solchen Verständnis der Klausel gekommen.

16

Selbst wenn man der Auffassung der Beklagten folgte, § 3 Abs. 3 des Arbeitsvertrags könne dahingehend ausgelegt werden, mit der vereinbarten Vergütung sollten(nur) bis zu acht Überstunden wöchentlich abgegolten sein, bliebe die Klausel intransparent. Sie enthielte vermeidbare Unklarheiten und Spielräume. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führt zwar nicht gleichsam automatisch zu deren Intransparenz (vgl. ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 44; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht 3. Aufl. § 307 BGB Rn. 157 - jeweils mwN). Lässt sich aber eine Klausel unschwer so formulieren, dass das Gewollte klar zu erkennen ist, führt eine Formulierung, bei der das Gewollte allenfalls durch eine umfassende Auslegung ermittelbar ist, zu vermeidbaren Unklarheiten. Wäre eine Einschränkung des Umfangs der Abgeltungsklausel auf bis zu acht Stunden wöchentlich gewollt gewesen, so hätte die Beklagte das unschwer im Klauseltext durch die Aufnahme dieser Zahl oder zumindest mit einem ausdrücklichen Hinweis auf das Arbeitszeitgesetz und eine danach zulässige wöchentliche Höchstarbeitszeit formulieren können.

17

II. Mithin enthält der Arbeitsvertrag weder eine positive noch eine negative Regelung zur Vergütung von Überstunden. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers kann deshalb, wie das Landesarbeitsgericht insoweit zutreffend erkannt hat, nur § 612 Abs. 1 BGB sein. Dessen Voraussetzungen liegen aber nicht vor.

18

1. Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

19

Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Kläger mit dem Studium von Fachliteratur und dem Besuch eines Notargrundkurses Arbeit im Sinne einer Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (zum Begriff der Arbeit siehe BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 21 mwN, DB 2011, 1639), geleistet hat, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Es fehlt jedenfalls an der weiteren Voraussetzung des § 612 Abs. 1 BGB, dass die Leistung der streitgegenständlichen Überstunden den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten war.

20

a) Die nach § 612 Abs. 1 BGB erforderliche - objektive - Vergütungserwartung wird zwar in weiten Teilen des Arbeitslebens gegeben sein. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gibt es jedoch gerade bei Diensten höherer Art nicht (ErfK/Preis § 612 BGB Rn. 18; HWK/Thüsing § 612 BGB Rn. 23 - jeweils mwN; vgl. auch - zu leitenden Angestellten - BAG 17. November 1966 - 5 AZR 225/66 - BAGE 19, 126 und - zu Chefärzten - BAG 17. März 1982 - 5 AZR 1047/79 - BAGE 38, 194). Die Vergütungserwartung ist deshalb stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankäme (BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 122/99 - zu IV 4 a der Gründe, BAGE 96, 45). Sie kann sich insbesondere daraus ergeben, dass im betreffenden Wirtschaftsbereich Tarifverträge gelten, die für vergleichbare Arbeiten eine Vergütung von Überstunden vorsehen. Darlegungs- und beweispflichtig für das Bestehen einer Vergütungserwartung ist nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der eine Vergütung begehrt.

21

b) Aus dem Sachvortrag des Klägers lässt sich das Bestehen einer Vergütungserwartung nicht begründen. Auf einen Tarifvertrag, der eine Vergütungspflicht für Überstunden angestellter Rechtsanwälte vorsieht, beruft sich der Kläger nicht. Er hat auch nicht einmal ansatzweise Tatsachen dafür vorgetragen, angestellte Rechtsanwälte in vergleichbarer Stellung als potentielle Partner der Arbeitgeberin und mit einem vergleichbaren, deutlich herausgehobenen Gehalt würden Überstunden nur gegen zusätzliche Vergütung leisten oder Überstunden stets vergütet erhalten. Ebenso wenig hat der Senat Anhaltspunkte für eine entsprechende Verkehrssitte. Dieses Ergebnis bestätigt die subjektive Einstellung des Klägers, der nach seinem Vortrag für Überstunden keine Vergütung im Sinne einer Geldzahlung erwartete. Er erhoffte sich vielmehr die Aufnahme in die Partnerschaft und dass sich damit die Leistung von Überstunden „bezahlt“ machen werde.

22

2. Eine Vergütungspflicht der Beklagten für die vom Kläger geleisteten Überstunden ergibt sich nicht in entsprechender Anwendung des § 612 Abs. 1 BGB nach den Grundsätzen der von der Rechtsprechung entwickelten Rechtsfigur der fehlgeschlagenen - subjektiven - Vergütungserwartung. Danach wird ein (nachträglicher) Vergütungsanspruch bejaht, wenn die dem durch die Dienstleistungen Begünstigten erkennbare Erwartung des die Dienste Leistenden bestand, durch eine in Zukunft erfolgende Übertragung eines Vermögens oder Vermögensbestandteils würden die in der Vergangenheit geleisteten Dienste abgegolten werden, sofern für die geleisteten Dienste entweder keine oder doch nur eine deutlich unterwertige Bezahlung erfolgte und ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der unterwertigen oder fehlenden Zahlung und der Erwartung bestand (BAG 14. Juli 1966 - 5 AZR 2/66 - AP BGB § 612 Nr. 24; 13. Mai 1969 - 5 AZR 457/68 - AP BGB § 612 Nr. 25; vgl. auch ErfK/Preis § 612 BGB Rn. 21 ff.; DFL/Kamanabrou 4. Aufl. § 612 BGB Rn. 16 ff. - jeweils mwN).

23

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Wenn der Kläger in der Hoffnung, seine Aufnahme in die Partnerschaft zu befördern, Überstunden leistete, handelte er gleichsam auf eigenes Risiko. Die Beklagte hat zwar mit der Klausel des § 3 Abs. 3 des Arbeitsvertrags ihre Erwartung zum Ausdruck gebracht, der Kläger werde bei Bedarf „kostenlos“ Überstunden leisten. Sie hat dafür aber nicht die Aufnahme in die Partnerschaft als sicher oder auch nur wahrscheinlich hingestellt. In ihrem Schreiben vom 3. August 2006 ist nur von der Aufnahme von Gesprächen der Parteien darüber die Rede, ob und ggf. wann dem Kläger eine Partnerschaft in Aussicht gestellt werden könnte. Dass die Beklagte davon unabhängig zumindest die Aufnahme in die Partnerschaft mit der Leistung von Überstunden verknüpft hätte, etwa indem sie solche vom Kläger unter Hinweis auf die von ihm angestrebte Partnerschaft verlangte oder eine Aufnahme in die Partnerschaft bei der Nichtleistung von Überstunden als gefährdet darstellte, kann dem Sachvortrag des Klägers nicht entnommen werden.

24

III. Der Kläger hat gem. § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen. Über die die Klage auf Überstundenvergütung betreffenden erst- und zweitinstanzlichen Kosten hat das Landesarbeitsgericht, ohne den Ausgang des Revisionsverfahrens abzuwarten, in einem rechtskräftigen Schlussurteil vom 18. August 2010 mitentschieden. Daran ist der Senat gebunden (vgl. BGH 9. April 1956 - II ZR 135/55 - BGHZ 20, 253; 9. November 1977 - VIII ZB 36/77 - WM 1977, 1428 und 26. Juni 1986 - V ZB 15/86 - VersR 1986, 1210; noch aA RAG 7. August 1940 - RAG 258/39 - RAGE 23, 289).

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Zoller    

        

    S. Röth-Ehrmann    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. März 2010 - 9 Sa 2161/08 -, - 9 Sa 2266/08 - und - 9 Sa 2316/08 - teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. September 2008 - 30 Ca 18451/07 - und - 30 Ca 14891/08 (WK) - in seinen Ziff. II. 1. bis 3. teilweise abgeändert und insoweit zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2008 zu zahlen.

3. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. September 2008 - 30 Ca 18451/07 - und - 30 Ca 14891/08 (WK) - wird mit der vom Landesarbeitsgericht in Ziff. II. seines Urteils vom 19. März 2010 - 9 Sa 2161/08 -, - 9 Sa 2266/08 - und - 9 Sa 2316/08 - ausgesprochenen Maßgabe insgesamt zurückgewiesen.

4. Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen. Von den Kosten der Berufung haben der Kläger 19/20 und die Beklagte 1/20 sowie von den erstinstanzlichen Kosten der Kläger 9/10 und die Beklagte 1/10 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob für die Monate Oktober bis Dezember 2007 eine Brutto- oder Nettovergütung geschuldet ist, und über die Abgeltung von Überstunden.

2

Der 1965 geborene Kläger war bei der Beklagten, einer Versicherungsmaklerin, seit dem 1. April 2005 als Büroleiter tätig. Grundlage seiner Tätigkeit war die am 22. März 2005 handschriftlich festgehaltene Vereinbarung, in der es heißt:

        

„1.     

Beide Parteien beschließen ab 1.4.05 eine Zusammenarbeit. H. S ist bereit ab 21.3.05 in der H zeitweise tätig zu sein. Diese Zeit wird separat vergütet oder verrechnet.

        

2.    

Die Tätigkeit von H. S ist die eines Büroleiters gemäß den ausgehändigten Beschreibungen.

        

3.    

Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden (Mo - Freitag).

        

4.    

Das Arbeitsentgelt beträgt € 3.000 per Monat.

        

5.    

Es wird eine Probezeit von 3 Monaten vereinbart. Die Kündigungsfrist beträgt in dieser Zeit 14 Tage.

        

6.    

(…)     

        

7.    

Nach Ablauf der Probezeit wird über die Vertragsmodalitäten neu verhandelt.

        

8.    

Geplant ist ab 1.1.2006 die Tätigkeit als stellvertr. GF.

        

9.    

Ab 1.1.2007 ist die Tätigkeit als GF geplant mit Unternehmensbeteiligung in Höhe von 10 % (i.W. zehn).

        

...“   

        
3

Rückwirkend zum selben Zeitpunkt schlossen die Parteien eine „Zusatzvereinbarung zum Mitarbeitervertrag“, in der sie ua. Folgendes vereinbarten:

        

„§ 1: Herr S erhält als Vergütung für von ihm allein und eigenständig vermitteltes Neugeschäft von den dem Arbeitgeber daran zufließenden Abschlussprovisionen in den Bereichen Kapitalanlagen (Fonds), Lebens-, Renten- und Krankenversicherung eine Beteiligung in Höhe von siebenundsechzig Prozent. Ist das Neugeschäft nicht aus dem Umfeld von H geworben, beträgt der Beteiligungssatz achtzig Prozent der H zufließenden Provisionen.

                 
        

§ 2: Herr S erhält als Vergütung für von ihm allein und eigenständig vermitteltes Neugeschäft, von den dem Arbeitgeber daran zufließende Erstjahrescourtagen in den Bereichen der Sach-, Haftpflicht-, Unfall- und Rechtsschutz-Versicherung eine Beteiligung in Höhe von siebenundsechzig Prozent. Ist das Neugeschäft nicht aus dem Umfeld von H geworben, beträgt der Beteiligungssatz achtzig Prozent der H zufließenden Provisionen.

                 
        

§ 3: Für Verträge, die mit Hilfe von weiteren Mitarbeitern des Arbeitgebers als Zuträger abgeschlossen werden, wird der Provisionsanspruch um fünfundzwanzig Prozent der vorgenannten Provisionen des Arbeitgebers gekürzt. (…)

        

...“   

4

In einem Nachtrag hierzu heißt es:

        

„a)     

Das vereinbarte Grundgehalt ist ausschließlich dem Arbeitsvertrag mit den dazu gehörigen Arbeitsplatzbeschreibungen zuzuordnen.

        

b)    

Außendiensttätigkeiten gemäß der Zusatzvereinbarung sind, sofern ein Grundgehalt bezahlt wird, nach Arbeitsschluss (reguläre Arbeitszeit) durchzuführen.

        

c)    

Sollte ein Termin während der Arbeitszeit anfallen, kann dieser durchgeführt werden und wird jedoch mit der Arbeitszeit verrechnet und abgezogen.

        

d)    

Angebote und Telefonate fallen in den Bereich der Arbeitszeit.

        

…“    

        
5

Vom Beginn der Zusammenarbeit an erhielt der Kläger von der Beklagten monatlich 3.000,00 Euro. Die Beklagte führte hierfür weder Lohnsteuern ab, noch meldete sie den Kläger zur Sozialversicherung an. Auch der Kläger zahlte weder Steuern noch Sozialversicherungsbeiträge auf das Entgelt. Über den Betrag von 3.000,00 Euro existieren monatliche Rechnungen des Klägers, deren Echtheit teilweise streitig ist.

6

Mit Schreiben vom 23. Oktober 2007 kündigte die Beklagte „die Zusammenarbeit aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung“. Im Kündigungsschutzprozess stützte sie ihre Kündigung darauf, der Kläger habe sich in Medien als „kommissarischer Reichspräsident“ dargestellt. Das Landesarbeitsgericht hat im Berufungsurteil festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 23. Oktober 2007 nicht fristlos aufgelöst wurde, sondern bis zum 31. Dezember 2007 fortbestand.

7

Ab Oktober 2007 zahlte die Beklagte keine Vergütung mehr. Auf ihre Aufforderung arbeitete der Kläger wieder vom 13. November 2007 bis zu seiner Freistellung ab dem 3. Dezember 2007.

8

Mit Klageerweiterungen im Kündigungsschutzprozess hat der Kläger Vergütung für die Monate Oktober bis Dezember 2007 begehrt, die er ausgehend von 3.000,00 Euro netto unter Zugrundelegung der Steuerklasse V auf eine monatliche Bruttovergütung von 6.910,77 Euro hochrechnete. Er hat geltend gemacht, die Parteien hätten ein Nettoentgelt vereinbart, zumindest ergebe sich eine Nettolohnabrede aus § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Außerdem hat der Kläger die Abgeltung von während der gesamten Beschäftigungszeit geleisteter 1.448,5 Überstunden verlangt und vorgetragen, der Geschäftsführer der Beklagten habe diese angeordnet und genehmigt. Wie alle anderen Arbeitnehmer habe der Kläger mittels einer Excel-Tabelle ein Arbeitszeitkonto führen müssen. Dieses habe er regelmäßig, letztmalig am 6. Juli 2007 dem Geschäftsführer vorgelegt.

9

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Belang - nach vorläufiger Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn zu zahlen

        

a)    

6.910,77 Euro brutto (Gehalt Oktober 2007) abzüglich gezahlter 3.000,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2008,

        

b)    

6.910,77 Euro brutto (Gehalt November 2007) abzüglich gezahlter 3.000,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2008,

        

c)    

6.910,77 Euro brutto (Gehalt Dezember 2007) abzüglich gezahlter 3.000,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2008,

        

d)    

weitere 55.000,66 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2008.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, eine Nettovergütung sei weder vereinbart gewesen, noch ergebe sich eine solche aus § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Die Parteien hätten keine Schwarzgeldabrede getroffen, sondern sich über eine freie Mitarbeit geeinigt, weil der Erwerb von Gesellschaftsanteilen beabsichtigt war. Ein Arbeitszeitkonto habe der Kläger nicht führen müssen. Seine Aufzeichnungen über angeblich geleistete Arbeitszeit hätten nachträglich manipuliert werden können. Überstunden habe sie weder angeordnet noch genehmigt.

11

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 9.000,00 Euro netto nebst Zinsen verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Nach vier Terminen zur mündlichen Verhandlung hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und sie auf die Berufung des Klägers verurteilt, an diesen weitere 23.671,42 Euro netto nebst Zinsen zur Abgeltung von Überstunden zu zahlen. Mit der vom Senat für die Beklagte zugelassenen Revision wendet sich diese gegen die Zahlung einer Nettovergütung für die Monate Oktober bis Dezember 2007 und verfolgt hinsichtlich der Abgeltung von Überstunden ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten ist begründet.

13

Streitgegenständlich sind in der Revisionsinstanz nach der Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu ihrem Revisionsantrag und mangels Anschlussrevision des Klägers nur die Fragen, ob für die Monate Oktober bis Dezember 2007 eine Brutto- oder Nettovergütung geschuldet ist und der Kläger die Abgeltung von Überstunden beanspruchen kann. Damit steht insbesondere rechtskräftig fest, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestand, das durch die Kündigung der Beklagten vom 23. Oktober 2007 zum 31. Dezember 2007 aufgelöst wurde.

14

Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten gegen die erstinstanzliche Verurteilung zu einer Nettovergütung für die Monate Oktober bis Dezember 2007 zurückgewiesen und der Berufung des Klägers gegen das die Klage auf Abgeltung von Überstunden abweisende Urteil des Arbeitsgerichts stattgegeben.

15

I. Die Revision der Beklagten ist allerdings nicht bereits deshalb begründet, weil der von ihr geltend gemachte absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Berufungsgerichts nach § 547 Nr. 1 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG vorläge. Die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts ist unbegründet.

16

1. Die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts ist unverzichtbar, so dass entgegen der Auffassung des Klägers ein mögliches Einverständnis der Beklagten mit der Besetzung der Richterbank in der letzten Berufungsverhandlung am 19. März 2010 unerheblich ist.

17

2. Nach § 547 Nr. 1 ZPO ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Die Norm umfasst auch diejenigen Fälle, in denen über die Rechtsstreitigkeit andere Richter entscheiden als die gesetzlich Berufenen (BAG 9. Juni 2011 - 2 ABR 35/10 - Rn. 16, NJW 2011, 3053; 26. September 2007 - 10 AZR 35/07 - Rn. 11, AP ZPO § 547 Nr. 7; 16. Mai 2002 - 8 AZR 412/01 - zu II 3 der Gründe, BAGE 101, 145 - jeweils mwN). Aus dem verfassungsrechtlichen Verbot, einem Verfahrensbeteiligten den gesetzlichen Richter zu entziehen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) folgt, dass die Rechtsprechungsorgane nicht anders besetzt werden dürfen als es in den allgemeinen Normen der Gesetze und der Geschäftsverteilungspläne vorgesehen ist. „Gesetzlicher Richter“ bedeutet, dass sich der für die einzelne Sache zuständige Richter im Voraus eindeutig aus einer allgemeinen Regelung ergeben muss. Kennzeichnung der Gewährleistung des gesetzlichen Richters ist die normative, abstrakt-generelle Vorherbestimmung des jeweils für die Entscheidung zuständigen Richters (BAG 20. Juni 2007 - 10 AZR 375/06 - Rn. 16, AP ZPO § 547 Nr. 6 = EzA GG Art. 101 Nr. 8; 26. September 1996 - 8 AZR 126/95 - zu A I der Gründe, BAGE 84, 189).

18

3. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die von der Beklagten gerügte Mitwirkung des ehrenamtlichen Richters R an der angefochtenen Entscheidung entspricht dem Geschäftsverteilungsplan des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg für das Geschäftsjahr 2010 (im Folgenden: GVPl.). Nach dessen Ziff. 7.1 Satz 3 war zwar zunächst aufgrund der in der Berufungsverhandlung vom 31. Juli 2009 erfolgten Beweisaufnahme die ehrenamtliche Richterin W zu den Fortsetzungsterminen heranzuziehen. Dementsprechend nahm Frau W an der Berufungsverhandlung am 20. November 2009 teil, die mit dem Beschluss endete, Termin zur Verkündung einer Entscheidung werde auf den 18. Dezember 2009 bestimmt. Diesen Verkündungstermin hob die Kammervorsitzende mit Beschluss vom 14. Dezember 2009 auf. Am 5. März 2010 erließ die vollbesetzte Kammer unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterin W den am selben Tag verkündeten Beschluss, die mündliche Verhandlung am 19. März 2009 fortzusetzen. Nachdem die ehrenamtliche Richterin W sich für diesen Termin für verhindert erklärte, wurde statt ihrer der ehrenamtliche Richter R herangezogen.

19

Diese Verfahrensweise steht im Einklang mit Ziff. 7.2 GVPl. Danach sind bei Verhinderung ehrenamtlicher Richter und Richterinnen an der Wahrnehmung einer Sitzung, eines Fortsetzungstermins oder eines für diesen anberaumten Ersatztermins der festgelegten Reihenfolge nach noch nicht zu nachfolgenden Sitzungen eingeteilte ehrenamtliche Richter und Richterinnen heranzuziehen. Für die Anzeige einer Verhinderung durch den ehrenamtlichen Richter oder die ehrenamtliche Richterin ist deren förmliche Ladung nicht erforderlich. Das gilt umso mehr, als im Streitfall der ehrenamtlichen Richterin W durch ihre Mitwirkung an dem Beschluss vom 5. März 2010 der anberaumte Fortsetzungstermin schon vor einer förmlichen Ladung hierzu bekannt war.

20

II. Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten gegen ihre erstinstanzliche Verurteilung zu einer Nettovergütung für die Monate Oktober bis Dezember 2007 zurückgewiesen hat. Der Kläger kann eine Nettovergütung für diesen Zeitraum nicht beanspruchen.

21

1. Zwischen den Parteien steht in der Revisionsinstanz außer Streit, dass dem Kläger für die Monate Oktober bis Dezember 2007 Vergütung nach § 611 Abs. 1 BGB für geleistete Arbeit und im Übrigen unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs(§ 615 Satz 1 BGB) zusteht. Eine Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die vereinbarte Vergütung in Höhe von 3.000,00 Euro monatlich als Nettovergütung zu zahlen, besteht jedoch nicht.

22

a) Eine solche ergibt sich nicht aus den Vereinbarungen der Parteien. Eine ausdrückliche Nettolohnvereinbarung wurde von ihnen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht getroffen.

23

b) Eine Nettolohnabrede folgt auch nicht aus § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Danach gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt worden sind. Unbeschadet der - vom Landesarbeitsgericht bejahten - Frage, ob die Parteien eine Schwarzgeldabrede getroffen haben, beschränkt sich der Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf das Sozialversicherungsrecht und erstreckt sich nicht auf das bürgerlichrechtliche Rechtsverhältnis der Arbeitsvertragsparteien (BAG 17. März 2010 - 5 AZR 301/09 - Rn. 13 ff., BAGE 133, 332; ErfK/Preis 11. Aufl. § 611 BGB Rn. 475; DFL/Kamanabrou 4. Aufl. § 611 BGB Rn. 228; Palandt/Weidenkaff 70. Aufl. § 611 BGB Rn. 51; Arnold ArbR Aktuell 2010, 322; Steenfatt BB 2010, 1992). Das ergibt eine systematische Auslegung der Norm, deren Ergebnis durch den Zweck und die Entstehungsgeschichte des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bestätigt wird(s. dazu im Einzelnen BAG 17. März 2010 - 5 AZR 301/09 - aaO).

24

Die Befürchtung des Klägers, ein solches Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV schaffe für Arbeitgeber Anreize zur Schwarzarbeit, ist unberechtigt. Neben seiner Strafbarkeit wegen des Vorenthaltens und der Veruntreuung von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB muss der Arbeitgeber die Nachentrichtung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gegenwärtigen, in der Regel ohne(volle) Rückgriffsmöglichkeit auf den Arbeitnehmer, § 28e Abs. 1 Satz 1, § 28g Satz 3 SGB IV.

25

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht auch nicht in Widerspruch zu der des Bundesgerichtshofs. Dieser versteht § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ebenfalls(nur) als sozialversicherungsrechtliche Berechnungsgrundlage des Arbeitsentgelts in einem illegalen Beschäftigungsverhältnis, die er im Rahmen der Strafnorm des § 266a StGB bei der Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge anwendet(BGH 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08 - Rn. 12 ff., BGHSt. 53, 71). Der vom Kläger angeregten Vorlage an die Vereinigten Großen Senate beim Bundesgerichtshof (§ 132 Abs. 1 Satz 2 GVG) bedurfte es schon deshalb nicht, weil das Bundesarbeitsgericht - anders als das Reichsarbeitsgericht, das als besonders besetzter Senat des Reichsgerichts konzipiert war (vgl. GMP/Prütting 7. Aufl. ArbGG Einl. Rn. 14) - ein eigenständiger oberster Gerichtshof des Bundes (Art. 95 Abs. 1 GG) ist.

26

2. Der Kläger kann die vereinbarte Vergütung von 3.000,00 Euro monatlich, die auch dann wirksam vereinbart ist, wenn die Parteien - wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat - eine Schwarzgeldabrede getroffen haben (vgl. BAG 26. Februar 2003 - 5 AZR 690/01 - zu II 4 der Gründe, BAGE 105, 187), nur als Bruttovergütung beanspruchen (BAG 16. Juni 2004 - 5 AZR 521/03 - zu II 1 und 2 der Gründe, BAGE 111, 131; ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 474 mwN). Denn der Arbeitnehmer ist gemäß § 38 Abs. 2 EStG Schuldner der Lohnsteuer und muss im Innenverhältnis zum Arbeitgeber den ihn treffenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags tragen, § 28g SGB IV. Dass das Vertragsverhältnis der Parteien als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist, steht aufgrund der nicht angegriffenen Entscheidung des Berufungsgerichts im Kündigungsschutzprozess rechtskräftig fest.

27

3. Die Beklagte hat den Vergütungsanspruch nach ihrem eigenen Vorbringen nicht erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Die vorläufige Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils durch den Kläger bewirkt nicht die materiell-rechtliche Erfüllung des Vergütungsanspruchs und führt bis zur Rechtskraft der Entscheidung nicht zur endgültigen Tilgung nach § 815 Abs. 3, § 819 ZPO(vgl. Palandt/Grüneberg § 362 BGB Rn. 15 mwN).

28

4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

29

III. Die Revision der Beklagten ist auch begründet, soweit das Landesarbeitsgericht der Berufung des Klägers gegen das die Klage auf Abgeltung von Überstunden abweisende Urteil des Arbeitsgerichts stattgegeben hat. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Überstundenvergütung.

30

1. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält weder eine positive noch eine negative Regelung zur Vergütung von Überstunden. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers kann deshalb nur § 612 Abs. 1 BGB sein. Nach dieser Vorschrift gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

31

Die nach § 612 Abs. 1 BGB erforderliche - objektive - Vergütungserwartung wird zwar in weiten Teilen des Arbeitslebens gegeben sein. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gibt es jedoch nicht (vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 21, ZIP 2011, 2204; ErfK/Preis § 612 BGB Rn. 18; HWK/Thüsing 4. Aufl. § 612 BGB Rn. 23 - jeweils mwN). Die Vergütungserwartung ist deshalb stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankäme (BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 122/99 -- zu IV 4 a der Gründe, BAGE 96, 45). Darlegungs- und beweispflichtig für das Bestehen einer Vergütungserwartung ist nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der eine Vergütung begehrt.

32

2. Aus dem Sachvortrag des Klägers lässt sich das Bestehen einer Vergütungserwartung nicht begründen. Anders als im „Normalarbeitsverhältnis“ sind die Vertragsbeziehungen der Parteien im Streitfall dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger neben dem Arbeitsverhältnis als Büroleiter, in dem er für eine bestimmte Wochenarbeitszeit eine gleichbleibende monatliche Vergütung erhalten sollte, damit betraut war, Versicherungsverträge für die Beklagte unabhängig von dem dafür benötigten Zeitaufwand auf Provisionsbasis zu vermitteln. Dabei waren die unterschiedlichen Vergütungsregelungen folgenden Tätigkeiten arbeitszeitlich nicht strikt getrennt, sondern ineinander verschränkt. Der Kläger durfte nach Buchst. d des Nachtrags zur Zusatzvereinbarung (im Folgenden: Nachtrag) während der Arbeitszeit als Büroleiter Angebote für seine Tätigkeit als Versicherungsvertreter ausarbeiten und entsprechende Telefonate führen. Außendiensttätigkeiten sollten zwar nach der Arbeitszeit als Büroleiter erfolgen, konnten aber unter Verrechnung auf diese während der „regulären Arbeitszeit“ durchgeführt werden, Buchst. b und Buchst. c des Nachtrags. Damit wird deutlich, dass es den Parteien nicht auf eine strikte Trennung der unterschiedlich vergüteten Arbeitsbereiche ankam. Der Kläger durfte ohne zeitliche Begrenzung während der Arbeitszeit als Büroleiter Angebote für seine Tätigkeit als Versicherungsvertreter ausarbeiten und entsprechende Telefonate führen. Bei einer derartigen Verschränkung arbeitszeitbezogen und arbeitszeitunabhängig vergüteter Arbeits- bzw. Dienstleistungen lässt sich das Bestehen einer objektiven Vergütungserwartung für Überstunden im arbeitszeitbezogen vergüteten Arbeitsbereich nicht ohne Hinzutreten besonderer Umstände oder einer entsprechenden Verkehrssitte begründen. Fehlt es daran, kann eine Überstundenvergütung nur verlangt werden, wenn sie arbeitsvertraglich vereinbart ist.

33

3. Besondere Umstände für eine Ausnahme von dieser Regel hat der Kläger nicht vorgebracht. Die geplante Tätigkeit als Geschäftsführer unter Beteiligung als Minderheitsgesellschafter an der beklagten GmbH spricht eher gegen eine Vergütungserwartung iSv. § 612 Abs. 1 BGB. Anhaltspunkte für eine die Auffassung des Klägers stützende entsprechende Verkehrssitte hat der Senat nicht. Dieses Ergebnis bestätigt das Verhalten des Klägers, der der Beklagten bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses Überstunden aus seiner Büroleitertätigkeit weder in Rechnung gestellt noch sonst geltend gemacht hat.

34

IV. Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen. Nach § 92 Abs. 1 ZPO haben der Kläger von den Kosten der Berufung 19/20 und die Beklagte 1/20 sowie von den erstinstanzlichen Kosten der Kläger 9/10 und die Beklagte 1/10 zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Zorn    

        

    Bürger    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 5. Oktober 2010 - 6 Sa 63/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Mehrarbeitsvergütung.

2

Der Kläger war bei der beklagten Spedition als Lagerleiter gegen ein monatliches Bruttoentgelt von 1.800,00 Euro beschäftigt.

3

In dem von der Beklagten vorformulierten Arbeitsvertrag vom 7. Oktober 2002 heißt es auszugsweise:

        

„4.     

Arbeitszeit

                 

4.1.   

Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 42 Arbeitsstunden.

        
                 

4.2.   

Die Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage richtet sich nach den betrieblichen Erfordernissen.

        
                 

4.3.   

Der Arbeitnehmer(in) ist bei betrieblicher Erfordernis auch zur Mehrarbeit sowie Sonntags- und Feiertagsarbeit verpflichtet.

        
                 

4.4.   

Der Arbeitnehmer erhält für die Über- und Mehrarbeit keine weitergehende Vergütung.

        
        

…       

        

        

10.     

Erlöschen von Ansprüchen

                 

10.1. 

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erlöschen 2 Monate nach Fälligkeit im laufenden Arbeitsverhältnis und 1 Monat nach Fälligkeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Ausschlußfrist), wenn sie nicht binnen dieser Frist schriftlich geltend gemacht werden.

        
                 

10.2. 

Wird ein geltend gemachter Anspruch innerhalb von 14 Tagen nicht entsprochen, kann er mit einer weiteren Frist von 2 Monaten Klage erheben.

        
                 

10.3. 

Nach Ablauf der vorbenannten Fristen sind die Ansprüche verwirkt.“

        
4

Aufgrund einer mündlichen Abrede gewährte die Beklagte dem Kläger für die in der Zeit von 18:00 Uhr bis 6:00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden einen „Nachtzuschlag“ iHv. 25 % des Stundenlohns. Der „Nachtzuschlag“ wurde in den Entgeltabrechnungen zumeist als steuerfrei ausgewiesen.

5

Mit Anwaltsschreiben vom 9. April 2009 machte der Kläger erstmalig Vergütung von Überstunden geltend. Mit der am 21. September 2009 zugestellten Klage hat der Kläger - soweit in der Revision noch von Interesse - Vergütung für 968 in den Jahren 2006 bis 2008 geleistete Überstunden verlangt.

6

Der Kläger hat - soweit in der Revision noch von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.534,80 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. September 2009 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Überstunden seien mit dem monatlichen Bruttoentgelt abgegolten. Der Kläger habe vereinbarungsgemäß für Über- und Mehrarbeit nur den vereinbarten „Nachtzuschlag“ erhalten sollen. Darüber hinaus seien die erhobenen Ansprüche verwirkt.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr hinsichtlich der noch streitigen 968 Überstunden stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im angefochtenen Umfang zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat Anspruch auf Vergütung von 968 Überstunden gemäß § 612 Abs. 1 und Abs. 2 BGB iHv. 9.534,80 Euro brutto nebst Prozesszinsen.

10

I. Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Unmittelbar ergeben sich hieraus für den Kläger keine Ansprüche. Die Vorschrift ist aber entsprechend anzuwenden, wenn eine in bestimmter Höhe gewährte Arbeitsvergütung nicht den vollen Gegenwert für die erbrachten Dienstleistungen darstellt, also Überstunden auf diese Weise vergütet werden sollen (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 9 mwN, BAGE 135, 250).

11

1. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger im Streitzeitraum insgesamt 968 von der Beklagten angeordnete bzw. betriebsnotwendige Überstunden geleistet.

12

2. Hinsichtlich dieser Stunden gab es keine Vergütungsabrede der Parteien.

13

a) Die Parteien haben zwar in Tz. 4.4. des Arbeitsvertrags bestimmt, dass der Kläger für Über- und Mehrarbeit keine gesonderte Vergütung erhalte. Diese Regelung ist jedoch nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie nicht klar und verständlich ist, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

14

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei der streitigen Klausel um eine von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB.

15

bb) Unbeschadet der Frage, ob eine Regelung wie Tz. 4. 4. die Hauptleistungspflichten der Parteien betrifft, unterliegt sie jedenfalls nach § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB der Transparenzkontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach kann sich die zur Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führende unangemessene Benachteiligung aus der mangelnden Klarheit und Verständlichkeit der Bedingung ergeben. Dieses Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Es müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner des Klauselverwenders soll ohne fremde Hilfe Gewissheit über den Inhalt der vertraglichen Rechte und Pflichten erlangen können und nicht von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden. Eine Klausel muss im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreiben. Sie verletzt das Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthält (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 14 mwN, BAGE 135, 250; 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 13 mwN, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10).

16

cc) Eine die pauschale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel ist nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 15 mwN, BAGE 135, 250; 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 14 mwN, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10).

17

dd) Tz. 4.4. des Arbeitsvertrags ist nicht klar und verständlich. Die Klausel soll Arbeitsstunden erfassen, die die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden überschreiten. Dabei sind bereits die Voraussetzungen, unter denen Überstunden zu leisten sein sollen, nur vage umschrieben. Tz. 4.3. des Arbeitsvertrags nennt als Bedingung „bei betrieblicher Erfordernis“, ohne diese näher zu konkretisieren. Überhaupt nicht ist der mögliche Umfang der geschuldeten Über- und Mehrarbeit geregelt. Damit ist die vom Kläger ohne eine weitere Vergütung zu leistende Arbeit weder bestimmt noch bestimmbar. Insbesondere lässt sich weder der Klausel selbst noch den arbeitsvertraglichen Bestimmungen im Übrigen eine Begrenzung auf die gemäß § 3 ArbZG zulässige Höchstarbeitszeit entnehmen. Die Verwendung des Begriffspaares „Über- und Mehrarbeit“ in Tz. 4.4. des Arbeitsvertrags deutet im Gegenteil darauf hin, dass auch eine Überschreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit von der Klausel erfasst sein soll (vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 15, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10; ErfK/Preis 12. Aufl. § 611 BGB Rn. 486; HWK/Thüsing 5. Aufl. § 611 BGB Rn. 134).

18

Die Klausel bliebe selbst dann intransparent, wenn sie - einschränkend - dahin auszulegen wäre, dass nur bis zu sechs wöchentliche Überstunden mit der Vergütung abgegolten sein sollten. Denn auch dann enthielte sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führt zwar nicht gleichsam automatisch zu deren Intransparenz. Lässt sich jedoch eine Klausel unschwer so formulieren, dass das Gewollte klar zu erkennen ist, führt eine Formulierung, bei der das Gewollte allenfalls durch eine umfassende Auslegung ermittelbar ist, zu vermeidbaren Unklarheiten. Wäre eine Einschränkung des Umfangs der Abgeltungsklausel auf bis zu sechs Stunden wöchentlich gewollt gewesen, hätte die Beklagte das unschwer im Klauseltext durch die Aufnahme dieser Zahl oder zumindest mit einem ausdrücklichen Hinweis auf das Arbeitszeitgesetz und eine danach zulässige wöchentliche Höchstarbeitszeit formulieren können (vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 16 mwN, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10).

19

b) Das Landesarbeitsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die mündlich getroffene Vereinbarung eines „Nachtzuschlags“ keine pauschalierte Überstundenvergütung beinhaltete. Durchgreifende Rügen hat die Revision nicht vorgebracht.

20

3. Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Diese Vergütungserwartung ist im Streitfall gegeben.

21

a) Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gibt es nicht. Die Vergütungserwartung ist stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankommt. Sie kann sich insbesondere daraus ergeben, dass im betreffenden Wirtschaftsbereich Tarifverträge gelten, die für vergleichbare Arbeiten eine Vergütung von Überstunden vorsehen. Die - objektive - Vergütungserwartung wird deshalb in weiten Teilen des Arbeitslebens gegeben sein (vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 20 mwN, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10; 21. September 2011 - 5 AZR 629/10 - Rn. 31 mwN, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 11). Sie wird aber fehlen, wenn arbeitszeitbezogene und arbeitszeitunabhängig vergütete Arbeitsleistungen zeitlich verschränkt sind (vgl. BAG 21. September 2011 - 5 AZR 629/10 - Rn. 32, aaO) oder wenn Dienste höherer Art geschuldet sind oder insgesamt eine deutlich herausgehobene Vergütung gezahlt wird (vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 20, 21, aaO). Von letztem Fall wird regelmäßig ausgegangen werden können, wenn das Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet. Mit dieser dynamischen Verdienstgrenze gibt der Gesetzgeber alljährlich zu erkennen, welche Einkommen so aus dem in der Solidargemeinschaft aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten herausragen, dass damit keine weitere Rentensteigerung mehr zu rechtfertigen ist. Wer mit seinem aus abhängiger Beschäftigung erzielten Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet, gehört zu den Besserverdienern, die aus der Sicht der beteiligten Kreise nach der Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben und nicht eines Stundensolls beurteilt werden. Ihnen und ihren Arbeitgebern fehlt regelmäßig die objektive Vergütungserwartung für ein besonderes Entgelt als Gegenleistung für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit.

22

b) Der Kläger erbrachte im Streitfall einheitliche Arbeitsleistungen, für die er - unter Anwendung eines objektiven Beurteilungsmaßstabs - eine zusätzliche Vergütung nach den Bedingungen seines Arbeitsvertrags erwarten durfte. Der Kläger leistete keine Dienste höherer Art und erzielte keine deutlich herausgehobene Vergütung. Sein Einkommen lag in den Jahren 2006 bis 2008 jeweils deutlich unter der Beitragsbemessungsgrenze Ost.

23

4. Nach § 612 Abs. 2 BGB ist die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. Diese ist vom Landesarbeitsgericht zutreffend auf 9.534,80 Euro brutto bestimmt worden.

24

II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Ansprüche des Klägers auf Überstundenvergütung nicht verwirkt sind, weil es an dem erforderlichen Umstandsmoment fehlt. Muss der Verpflichtete davon ausgehen, dass der Berechtigte von den ihm zustehenden Ansprüchen nichts weiß (vgl. BAG 25. April 2001 - 5 AZR 497/99 - BAGE 97, 326; BGH 15. September 1999 - I ZR 57/97 - zu II 4 der Gründe, NJW 2000, 140), kann er nicht darauf vertrauen, der Berechtigte werde wegen des Zeitablaufs seine Rechte nicht mehr geltend machen (vgl. BGH 12. März 2008 - XII ZR 147/05 - zu II 3 der Gründe, NJW 2008, 2254). Dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn die Unkenntnis des Berechtigten auf dem Verhalten des Verpflichteten beruht (vgl. BGH 27. Juni 1957 - II ZR 15/56 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 25, 47). Hierfür bietet die Verwendung einer unwirksamen AGB-Klausel einen typischen Fall.

25

III. Die Ansprüche des Klägers sind nicht gemäß Tz. 10. des Arbeitsvertrags verfallen. Die als AGB geregelte zweistufige Ausschlussfrist ist unwirksam, weil sie den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB(vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu IV 7 der Gründe, BAGE 115, 19; 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 34 ff., BAGE 116, 66).

26

IV. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

27

V. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Reinders    

        

    Ilgenfritz-Donné    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 3. August 2010 - 2 Sa 437/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über eine Gutschrift von 2,7 Unterrichtsstunden auf ein Arbeitszeitkonto anlässlich einer im April 2008 durchgeführten Klassenfahrt.

2

Die Klägerin ist beim beklagten Land als Lehrerin beschäftigt und an einem Gymnasium tätig. Die für die Mitglieder der TdL geltenden Tarifverträge finden kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung.

3

Am 15. Dezember 2006 vereinbarten die Parteien Altersteilzeit im modifizierten Blockmodell. Die Freistellungsphase soll am 1. August 2012 beginnen. Das beklagte Land legte die Arbeitszeit der Klägerin in der aktiven Phase der Altersteilzeit auf 18,69 Unterrichtsstunden pro Woche fest.

4

§ 5 des Altersteilzeitvertrages bestimmt:

        

㤠5

        

Zusätzlich zu leistende Arbeitsstunden

        

Der Beschäftigte ist verpflichtet, im Rahmen der Notwendigkeiten in der Dienststelle zusätzliche Arbeitsstunden zu leisten.

        

Diese sind innerhalb der folgenden 3 Monate durch entsprechende Freizeit auszugleichen.“

5

Beim beklagten Land gilt für die Lehrkräfte an öffentlichen Schulen des Landes Sachsen-Anhalt die Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen (ArbZVO-Lehr) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. September 2001 (GVBl. LSA S. 376), zuletzt geändert am 30. Oktober 2007 (GVBl. LSA S. 354). Nach deren § 3 beträgt die Regelstundenzahl, dh. die Zahl der Unterrichtsstunden, die vollbeschäftigte Lehrkräfte im Durchschnitt wöchentlich zu erteilen haben, für Lehrkräfte an Gymnasien 25 Unterrichtsstunden. Gemäß § 4 ArbZVO-Lehr kann die jeweilige Unterrichtsverpflichtung einer Lehrkraft wöchentlich bis zu vier Unterrichtsstunden über- oder unterschritten werden. Soweit dafür kein Ausgleich innerhalb des Schuljahres erfolgt, sind höchstens 80 Unterrichtsstunden in das folgende Schuljahr zu übernehmen und in diesem abzugelten.

6

Durch den Tarifvertrag in Ausfüllung des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung zur Sicherung von Arbeitsplätzen an allgemeinbildenden Schulen Sachsen-Anhalts (Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag Schulen LSA) vom 1. März 2003 war die Arbeitszeit der vollbeschäftigten Lehrkräfte im für den Klageanspruch maßgeblichen Zeitraum abweichend von der ArbZVO-Lehr auf 20,5 Unterrichtsstunden pro Woche abgesenkt.

7

Beim beklagten Land gilt der Runderlass „Flexibler Unterrichtseinsatz der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen“ (sog. Flexi-Erlass) vom 22. November 2006, zuletzt geändert am 1. Oktober 2007. Dieser regelt ua.:

        

„1.1   

Lehrkräfte können nach § 4 Abs. 2 der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen … im Rahmen ihrer regelmäßigen Arbeitszeit so eingesetzt werden, dass sich der Umfang der tatsächlich wöchentlich zu erteilenden Unterrichtsstunden - je nach Unterrichtsversorgung und Unterrichtsbedarf der Schule - innerhalb einer Bandbreite von vier Unterrichtsstunden über oder unter der jeweiligen Unterrichtsverpflichtung bewegt. Mehr- oder Minderzeiten am Ende des Schuljahres dürfen 80 Unterrichtsstunden nicht überschreiten.

                 

…       

        

2.    

Entstehen von Mehr- und Minderzeiten

        

2.1     

Dieser RdErl. bezieht sich ausschließlich auf die Unterrichtsverpflichtung von Lehrkräften. Durch andere dienstliche Tätigkeiten (z. B. Pausenaufsichten, Arbeiten während der unterrichtsfreien Zeit, Erarbeitung von Prüfungsaufgaben) entstehen weder Mehr- noch Minderzeiten, soweit nicht in Nr. 3 eine abweichende Regelung getroffen wird.

                 

…       

        

2.4     

Mehr- und Minderzeiten entstehen nicht für die jeweils beteiligten Lehrkräfte an Projekttagen, bei Sportfesten, Klassenfahrten, Fortbildungen; anderen ganztägigen dienstlichen Verpflichtungen oder ähnlichen Unterrichtstagen mit ganztägig geänderter Unterrichtsorganisation sowie bei Abwesenheit durch Krankheit.“

8

In der Zeit vom 14. April 2008, 8:30 Uhr, bis zum 16. April 2008, 16:00 Uhr, begleitete die Klägerin eine 11. Klasse auf einer vom beklagten Land genehmigten Klassenfahrt. Hierfür wurden ihr 11,214 Unterrichtsstunden, dh. drei Fünftel der wöchentlichen Arbeitszeit auf Grundlage von 18,69 wöchentlichen Unterrichtsstunden, angerechnet. Am 17. und 18. April 2008 erteilte sie den ihr vom Stundenplan vorgegebenen Unterricht.

9

Mit Schreiben vom 22. April 2008 forderte die Klägerin das beklagte Land vergeblich auf, ihr die während der Klassenfahrt geleisteten Stunden als zusätzliche Freizeit („Plusstunden“) zu gewähren. Mit ihrer am 15. April 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin zunächst eine Gutschrift von 3,786 Unterrichtsstunden für die Klassenfahrt begehrt. Der Klage ist im Umfang von 1,086 Unterrichtsstunden rechtskräftig stattgegeben worden. Dadurch hat die Klägerin für die Klassenfahrt Unterrichtsstunden im selben Umfang wie vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte unter Zugrundelegung der auf 20,5 Unterrichtsstunden abgesenkten Unterrichtsverpflichtung angerechnet erhalten. Streitbefangen ist noch, ob der Klägerin eine Gutschrift über weitere 2,7 Unterrichtsstunden zusteht.

10

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, allein die ArbZVO-Lehr lege den Umfang der Unterrichtsverpflichtung vollzeitbeschäftigter Lehrkräfte fest. Jede Unterschreitung der Regelarbeitszeit der ArbZVO-Lehr sei eine Form der Teilzeitarbeit. Die unter den Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag Schulen LSA fallenden Lehrkräfte seien deshalb Teilzeitbeschäftigte.

11

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

das beklagte Land zu verurteilen, ihrem Arbeitszeitkonto weitere 2,7 Stunden gutzuschreiben.

12

Das beklagte Land hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Klägerin könne keine Besserstellung gegenüber den vom Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag Schulen LSA betroffenen Lehrkräften verlangen.

13

Die Vorinstanzen haben die Klage im noch streitbefangenen Umfang abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren, soweit diesem nicht bereits entsprochen worden ist, weiter. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie auf § 5 des Altersteilzeitvertrages als Anspruchsgrundlage für ihr Begehren einer Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto verwiesen.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Berufung zurückgewiesen, soweit die Klägerin die Gutschrift weiterer 2,7 Stunden auf ihr Arbeitszeitkonto begehrt. Für eine derartige Gutschrift fehlt es an einer Anspruchsgrundlage. Auf die von den Parteien und dem Landesarbeitsgericht problematisierte Frage, ob bei dem gemäß § 4 Abs. 1 TzBfG vorzunehmendem Vergleich zwischen der (alters-)teilzeitbeschäftigten Klägerin und einer vollzeitbeschäftigten Lehrkraft auf die Wochenarbeitszeit von 25 Unterrichtsstunden nach der ArbZVO-Lehr oder auf die durch den Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag Schulen LSA auf 20,5 Unterrichtsstunden abgesenkte Unterrichtsverpflichtung abzustellen ist, kommt es darum nicht an.

15

I. Die Klage ist mit dem gestellten Antrag zulässig. Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Zeitstunden gutzuschreiben bzw. dessen Saldo um eine genau genannte Anzahl von Zeitstunden zu erhöhen, ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dies gilt jedenfalls, solange der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem die Stunden bisher nicht verbucht sind, tatsächlich aber noch gutgeschrieben werden können (BAG 8. Dezember 2010 - 5 AZR 667/09 - Rn. 10, AP TVöD § 6 Nr. 2 = EzA EntgeltfortzG § 2 Nr. 6; 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3). Nach Nr. 1.1 und 5.3 Flexi-Erlass können Mehrstunden unter bestimmten Voraussetzungen auf das nächste Schuljahr übertragen werden.

16

II. Die Klage ist unbegründet. Es fehlt an einer Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin, ihr für die Klassenfahrt eine Gutschrift auf ihrem Arbeitszeitkonto zu erteilen.

17

1. § 4 Abs. 2 ArbZVO-Lehr regelt nur die Abgeltung von Unterrichtsstunden. Unterrichtsstunden sind nach § 3 Abs. 1 ArbZVO-Lehr die wöchentlich im Rahmen der Regelstundenzahl zu erteilenden Unterrichtsstunden. Auf Klassenfahrten erbrachte Arbeitsleistungen werden deshalb von dieser Norm nicht erfasst.

18

2. § 10 Abs. 3 Satz 1 TV-L findet gemäß § 44 Nr. 2 Satz 1 TV-L für Lehrkräfte ausdrücklich keine Anwendung.

19

3. Auch aus dem Flexi-Erlass ergibt sich kein Anspruch der Klägerin, ihrem Arbeitszeitkonto 2,7 weitere Unterrichtsstunden gutzuschreiben. Nach Nr. 2.1 Flexi-Erlass bezieht sich dieser ausschließlich auf die Unterrichtsverpflichtung von Lehrkräften. Durch andere dienstliche Tätigkeiten wie etwa Pausenaufsichten entstehen weder Mehr- noch Minderzeiten, soweit nicht in Nr. 3 Flexi-Erlass für die Durchführung von Prüfungen eine andere Regelung getroffen worden ist. In Nr. 2.4 Flexi-Erlass ist ausdrücklich geregelt, dass Mehr- und Minderzeiten für die jeweils beteiligten Lehrkräfte nicht für die Teilnahme an Klassenfahrten entstehen.

20

4. Auch eine vertragliche Abrede über die Führung eines Arbeitszeitkontos besteht nicht.

21

a) Ein Arbeitnehmer hat aus § 611 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos, sofern dieses nach der zugrunde liegenden Abrede der Vertragsparteien den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt(BAG 19. März 2008 - 5 AZR 328/07 - Rn. 10, AP BGB § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1). Ein Arbeitszeitkonto gibt nämlich den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wieder und drückt damit - in anderer Form - seinen Vergütungsanspruch aus (BAG 26. Januar 2011 - 5 AZR 819/09 - Rn. 13, AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 36 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 4; 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 13, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 195 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 2).

22

b) § 5 des Altersteilzeitvertrages enthält eine solche Abrede zu einem Arbeitszeitkonto, das den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt, nicht. Danach sind lediglich die von der Klägerin im Rahmen der Notwendigkeiten in der Dienststelle zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden innerhalb der folgenden drei Monate durch entsprechende Freizeit auszugleichen. Freizeitausgleich ist bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht (BAG 18. Mai 2011 - 5 AZR 181/10 - Rn. 11, EzA BGB 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 4). Der Freizeitausgleich erfolgt durch Reduzierung der Sollarbeitszeit (BAG 17. März 2010 - 5 AZR 296/09 - Rn. 17, AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 35 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 1), setzt jedoch nicht die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos voraus. Darüber hinaus sind die im Rahmen der Klassenfahrt im April 2008 von der Klägerin erbrachten zusätzlichen Arbeitsstunden nicht „in der Dienststelle“ geleistet worden.

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III. Der Antrag der Klägerin, ihrem Arbeitszeitkonto 2,7 Stunden gutzuschreiben, kann auch nicht dahin ausgelegt werden, dass sie eine Vergütung der streitbefangenen Stunden verlangt. Die Klägerin hat von Anfang an - beginnend mit dem Schreiben vom 22. April 2008 - stets nur „Plusstunden“ als Freizeitausgleich begehrt und auch prozessual ausschließlich ihren Antrag hierauf gerichtet, ohne erkennen zu lassen, dass es ihr um die Bezahlung der streitbefangenen Stunden geht. Darüber hinaus läge bei einem solchen Begehren ein Wechsel im Streitgegenstand vor (vgl. BAG 18. Mai 2011 - 5 AZR 181/10 - Rn. 10, EzA BGB 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 4), der in der Revisionsinstanz nicht mehr erfolgen kann.

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IV. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Mestwerdt    

        

    Spelge    

        

        

        

    Klapproth    

        

    Döpfert    

                 

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.