Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 20. Jan. 2016 - 5 TaBV 11/15
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stralsund - Kammern Neubrandenburg - vom 24.02.2015, Aktenzeichen 13 BV 3/13, wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
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Die Beteiligten streiten über den Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat.
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Die Antragsteller und Beteiligten zu 1.01) bis 1.50) sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einer Rehabilitationsklinik mit rund 110 Beschäftigten. Der Betriebsrat (Beteiligter zu 3) besteht aus sieben Mitgliedern.
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Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 4) stellte den Beteiligten zu 2) zum 01.04.2012 als Psychologen ein. Im November 2012 wurde der Beteiligte zu 2) in den Betriebsrat gewählt, dessen Vorsitz er übernahm.
- 4
Im Februar 2013 suspendierte die Arbeitgeberin ihn vorläufig vom Dienst, was sie in der Hausmitteilung vom 21.02.2013 bekanntgab. Daraufhin unterrichtete der Beteiligte zu 2) am 22.02.2013 die Belegschaft per Mail und per Aushang im Schaukasten des Betriebsrats über den Umfang des Hausverbots und die beabsichtigte Fortführung der Aufgaben als Betriebsratsmitglied.
- 5
Am 30.07.2013 informierte der Betriebsrat die Beschäftigten per Mail und Aushang über ihre Rechte bei Arbeitsunfähigkeit. In dem Infoblatt heißt es:
- 6
"…
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Verhalten bei Arbeitsunfähigkeit (Arbeitsverhinderung)
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Aus gegebenem Anlass möchten wir Euch auf den § 13 unserer Arbeitsordnung hinweisen, in dem die Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen geklärt ist.
- 9
In Absatz 3 heißt es dort, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung spätestens vor Ablauf des dritten Kalendertages nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen ist.
- 10
Nur in begründeten Einzelfällen ist der Arbeitgeber berechtigt, ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine entsprechende Bescheinigung zu verlangen.
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Die Regel lautet einfach: Zum Arzt müsst Ihr nur dann gehen, wenn absehbar ist, dass Ihr länger als drei Tage krank seid. Ansonsten genügt eine telefonische Mitteilung vor Arbeitsbeginn am ersten Arbeitsunfähigkeitstag mit Eurer Einschätzung, wie lange die Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich dauern wird.
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Bitte informiert uns, wenn Euch widerrechtlich ohne Begründung eine sofortige Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abverlangt wird.
- 13
Wir klären noch, ob es erforderlich ist, während der Arbeitsunfähigkeit Telefonate zur Vertretungssituation mit Vorgesetzten zu führen.
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Euer Betriebsrat
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…"
- 16
Am 27.08.2013 gab der Beteiligte zu 2) der Belegschaft die folgenden, kurz zuvor mit der Arbeitgeberin ausgetauschten E-Mails zur Kenntnis, indem er diese weiterleitete und zudem aushängte:
- 17
"…
- 18
Von: … Betriebsrat
- 19
…
- 20
der Betriebsrat arbeitet zur Zeit an einer Stellungnahme, ob bzw. wie viele Patienten an Wochenenden in unserem Haus aufgenommen werden (können). Bitte teilen Sie uns mit, aus welchen Gründen Patienten am Wochenende aufgenommen werden, um wie viele Patienten es sich dabei handelt und wie mit den dafür erforderlichen Arbeitszeiten der Therapeuten/Ärzte bzw. Schwestern umgegangen wird. …
- 21
…
- 22
An: … Betriebsrat
- 23
…
- 24
das ist eine interessante frage, ob und warum überhaupt in unserer klinik patienten aufgenommen werden (müssen). für diese diskussion war in der tagesordnung der gestrigen betriebsversammlung leider kein raum mehr.
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für die konkreteren zahlen genügt übrigens ein blick in die baal (im shiva) - dauert 2 minuten. unser betriebsrat braucht hierfür sicher unterstützung und eine freistellung für einen halben arbeitstag, einschliesslich externer rechtsberatung aus b..
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…
- 27
Von: … Betriebsrat
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…
- 29
Ihre allen Mitarbeitern des Hauses zur Kenntnis gegebene Antwort auf unsere Anfrage ist stillos und unproduktiv. Wir verbitten uns diese Art des Umgangs. Wir gehen davon aus, dass Ihr unten stehendes Schreiben nicht die Meinung der angeschriebenen Mitglieder der Klinikleitung repräsentiert.
- 30
…"
- 31
Im September 2013 kam es zur Neuwahl des Betriebsrats, nachdem drei Betriebsratsmitglieder ihr Amt niedergelegt hatten. Der Beteiligte zu 2) wurde wiederum in den Betriebsrat gewählt. Der Betriebsrat bestimmte ihn erneut zum Vorsitzenden.
- 32
Am 25.09.2013 beschwerten sich drei Psychologinnen bei dem Chefarzt der Psychosomatik über die schwierige Zusammenarbeit mit dem Beteiligten zu 2) und das gestörte Vertrauensverhältnis.
- 33
Am 01.10.2013 forderte der Betriebsrat bestimmte Freistellungen für den Folgetag, worauf der Leitende Physiotherapeut wie folgt mit E-Mail vom 01.10.2013 erwiderte:
- 34
"…
- 35
ich halte das, was aktuell hier abläuft, um es vorsichtig auszudrücken, für wenig zielführend und aus meiner Sicht auch nicht mitarbeiterorientiert.
- 36
Wie sich die aktuelle krankheitsbedingte Situation in der KG darstellt, muss ich nicht weiter erklären.
- 37
Sollten jetzt zu den ohnehin schon bereitgestellten BR-Zeiten noch zusätzliche Freistellungen anstehen, würde das die angespannte, kapazitäre Situation noch deutlich verschärfen. Mir, und ich denke ich spreche auch im Namen anderer Kollegen der Abt. KG, fehlt für diese Handlungsweise in der jetzigen Situation jegliches Verständnis.
- 38
Ich kann den zusätzlichen Freistellungen ausdrücklich nicht zustimmen.
- 39
…"
- 40
Am 28.10.2013 wandte sich der Beteiligte zu 2) mit der folgenden, allen Beschäftigten der Klinik zur Kenntnis gegebenen E-Mail an die Arbeitgeberin:
- 41
"…
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uns liegen Therapiepläne vor, die am Sonntag, den 27.10.2013 für den 28.10.2013 erstellt wurden. Bitte teilen Sie uns mit, wer diese Therapiepläne erstellt hat und mit welchem Betriebsrat Sie die Anweisung von Sonntagsarbeit in der Therapiedisposition abgestimmt haben.
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Die Pläne wurden erstellt, nachdem Ihnen bekannt war, dass am Montag, den 28.10.2013 die Betriebsratssitzung ab 9 Uhr stattfindet. Ein Ausweichen auf diesen Termin war nötig geworden, da Sie die Mitarbeiterversammlung am 29.10.2013 ohne Abstimmung mit dem Betriebsrat auf den von Ihnen selbst vorgeschlagenen Termin der Betriebsratssitzung gelegt hatten. Trotzdem wurden bei Betriebsratsmitgliedern Therapien am 28.10.2013 ab 9 Uhr eingetragen.
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Wir bitten Sie, auch das Wohl der Patienten im Auge zu behalten und während bekannter Sitzungszeiten keine Therapien planen zu lassen. Wir weisen hiermit alle Mitarbeiter unseres Hauses darauf hin, dass dieses Problem nicht nur den Betriebsrat betrifft, sondern auch in unserer täglichen Arbeit Doppeltaktungen von Besprechungen und Patientenversorgung vorkommen.
- 45
Eine Kopie dieses Schreibens hängen wir im Schaukasten des Betriebsrats zur Einsichtnahme für Mitarbeiter ohne E-Mail-Zugang aus und bitten Sie, die betreffenden Mitarbeiter darüber zu informieren.
- 46
…"
- 47
Am 01.11.2013 beantwortete der Beteiligte zu 2) eine E-Mail der Arbeitgeberin vom Vortag zum Standort des Schaukastens, die er am 01.11.2013 im Schaukasten aushängte. In den E-Mails heißt es:
- 48
"…
- 49
An: … Betriebsrat
- 50
…
- 51
wir teilen Ihnen mit, dass der Schaukasten des Betriebsrats, der mittlerweile von Ihnen zur Veröffentlichung betriebsinterner Angelegenheiten genutzt wird, an eine für alle Mitarbeiter zugänglichen Stelle unserer Klinik umgesetzt wird.
- 52
Dass Patienten und Besucher sich über Interna unserer Klinik informieren können, ist damit so weit wie möglich ausgeschlossen.
- 53
Bitte händigen Sie uns bis zum Freitag, den 01.11.2013, 12.00 Uhr, den Schlüssel des Schaukastens aus, damit die Demontage vorgenommen werden kann.
- 54
…
- 55
Von: … Betriebsrat
- 56
…
- 57
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 30.10.2013. Zunächst freuen wir uns, dass die vorherige BR-Vorsitzende der kaufmännischen Direktion neben ungehindertem Zugang zum Betriebsratsbüro nicht auch noch den Schlüssel zu unserem Schaukasten überlassen hat.
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Wir werden ihr Anliegen in der nächsten Betriebsratssitzung diskutieren und bis dahin können Sie uns vielleicht mitteilen, ob Sie beim Schaukasten des Betriebsrats ein Mitbestimmungsrecht des BR sehen und wo Sie beabsichtigen, den Schaukasten aufzuhängen.
- 59
…"
- 60
Mit E-Mail vom 01.11.2013 lud der Beteiligte zu 2) die Geschäftsführung der Komplementärgesellschaft zu einer Betriebsversammlung am 13.11.2013 ein. Die Beschäftigen der Klinik und die Betriebsräte anderer Häuser des Konzerns erhielten die E-Mail zur Kenntnis. Dort heißt es:
- 61
"…
- 62
in unserer Mitarbeiterversammlung am Dienstag, den 29.10.2013, hat der Chefarzt unserer Fachklinik für Psychosomatik, Herr Dr. …, in einem angeblich durch Sie autorisierten Vortrag einige unzureichend informierte Mitarbeiter unserer Klinik mit der Behauptung in Angst und Schrecken versetzt, dass unsere Arbeitsplätze verloren gehen, wenn der gewählte Betriebsrat im Amt bleibt. Als Termin für die angeblich bevorstehende Schließung unserer Klinik nannte Herr Dr. … bereits am Freitag, den 25.10.2013, in einer interdisziplinären Teambesprechung den Sommer 2014.
- 63
Herr Dr. … hat sich auch zu der Behauptung hinreißen lassen, der Betriebsratsvorsitzende sei ein Kamikazeflieger, der bereits drei Einsätze in anderen Unternehmen hinter sich habe.
- 64
…
- 65
Der Betriebsrat arbeitet unermüdlich für den dauerhaften Erhalt unserer Arbeitsplätze und möglichst gesundheitsförderliche und motivierende Arbeitsbedingungen, für eine gute Qualifizierung unserer Mitarbeiter und für eine faire Bezahlung. Leider müssen wird dabei erleben, dass die Herren …, … und … die einzelnen Betriebsratsmitglieder auf der individualarbeitsrechtlichen und persönlichen Ebene derart angreifen, dass an eine sachdienliche Auseinandersetzung im Moment nicht zu denken ist. Den Krankenstand in unserer Klinik und im Betriebsrat zu erwähnen erübrigt sich wahrscheinlich.
- 66
Wir möchten Sie zu unserer Betriebsversammlung am 13.11.2013 zwischen 14 und 16 Uhr einladen und Sie bitten, unsere Kolleginnen und Kollegen darüber aufzuklären, dass wir Teil eines großen und wirtschaftlich ausgesprochen erfolgreichen Konzerns sind und Arbeitsplätze nicht dadurch gefährdet werden, dass ein Betriebsrat seine Mitbestimmungsrechte und den dazu nötigen Respekt einfordert. Die unsachlichen und rein auf die Person der einzelnen Betriebsratsmitglieder zielenden Angriffe der letzten Monate verschlingen kostbare Arbeitszeit und den Mitarbeitern und Patienten fehlt dafür nachvollziehbarer Weise das Verständnis.
- 67
Zum Abschluss der Versammlung hat Herr Dr. … noch etwas leider allzu wahres gesagt: Wir hätten auch dann Probleme alle Therapieanforderungen in unserer Klinik umzusetzen, wenn es keine Ausfälle durch Krankheit oder Betriebsratsarbeit gäbe.
- 68
…"
- 69
Die Arbeitgeberin erwiderte darauf mit E-Mail vom 05.11.2013, ebenfalls zur Kenntnis an alle Klinikmitarbeiter:
- 70
"…
- 71
wir haben heute eine Einladung zur Betriebsversammlung am 13.11.2013 von Ihnen erhalten.
- 72
Dieser Termin wurde von Ihnen festgelegt, ohne dass er zuvor mit uns besprochen, geschweige denn abgestimmt worden ist, wie es normalerweise üblich ist.
- 73
Da ich in der Tagesordnung auch über betriebliche Belange berichten soll, muss ich Ihnen leider mitteilen, dass ich an diesem Tag einen seit langem geplanten Termin außerhalb der Klinik wahrnehmen muss. Auch die Kurzfristigkeit dieser Einladung hätte es ohnehin nicht zugelassen, dass ich mich auf diesen Tagesordnungspunkt hinreichend hätte vorbereiten können.
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Aus diesen Gründen sehen wir uns leider gezwungen, diese Betriebsversammlung abzusagen. Wir bieten Ihnen jedoch an, sich unverzüglich mit uns über einen für beide Seiten möglichen Folgetermin abzustimmen.
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Bitte informieren Sie die Belegschaft, dass dieser Termin nicht stattfindet.
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Einer Freitaktung der Mitarbeiter kann unter diesen Gesichtspunkten nicht zugestimmt werden.
- 77
Hinzu kommt, dass aufgrund der Kurzfristigkeit dieses Termins die bedarfsgerechte Versorgung unserer Patienten nicht sichergestellt werden kann.
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Für Gespräche zur Findung eines neuen Termins stehe ich Ihnen ab dem 11.11.2013 zur Verfügung.
- 79
…"
- 80
Der Beteiligte zu 2) beantwortete dieses Schreiben mit der E-Mail vom 06.11.2013 an den kaufmännischen Direktor, wiederum verteilt an alle Mitarbeiter:
- 81
"…
- 82
Niemand hat die Absicht, Sie in der bevorstehenden Betriebsversammlung am 13.11.2013 über den TOP 4 berichten zu lassen. Sofern Sie unserer Einladung Folge leisten möchten, geben wir Ihnen gerne Gelegenheit, sich für Ihr ausfälliges Benehmen in der Mitarbeiterversammlung vom 29.10.2013 zu entschuldigen. Für darüber hinausgehende Äußerungen würden wir Ihnen keine Gelegenheit geben. Sie werden Verständnis dafür haben, dass wir uns einen Arbeitgebervertreter, der dem Betriebsratsvorsitzenden öffentlich "krankes Gelaber" vorwirft, vorerst nicht weiter antun möchten.
- 83
…
- 84
Da uns außer Ihrer persönlichen Verhinderung, die einer sachlichen Auseinandersetzung nur zuträglich sein kann, kein weiterer Grund bekannt ist, aus dem die Betriebsversammlung nicht zu dem kommunizierten Termin stattfinden könnte, wird die Betriebsversammlung, wie in der Einladung vom 5.11.2013 mitgeteilt, stattfinden. Wir würden es sehr bedauern, gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen, um mit unseren Kollegen in angemessener Form kommunizieren zu können. Sie dürfen nicht vergessen, dass es gutgläubige Mitarbeiter in unserem Haus gibt, die nach der Mitarbeiterversammlung vom 29.10.2013 tatsächlich Angst um ihre Existenz haben. Diese Ängste müssen und wollen wir schnellstmöglich zerstreuen und hoffen hier auf die Unterstützung der Geschäftsleitung.
- 85
…"
- 86
Mit Schriftsatz vom 30.10.2013, beim Arbeitsgericht eingegangen am 11.11.2013, haben 48 Beschäftigte der Klinik das Beschlussverfahren auf Abberufung des Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat eingeleitet.
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Wegen der geplanten Betriebsversammlung schrieb der Beteiligte zu 2) am 12.11.2013 eine E-Mail an die Chefärzte, verteilt an alle Mitarbeiter, in der es heißt:
- 88
"…
- 89
als Vertreter der Klinikleitung haben Sie in unten stehendem Schreiben die vom Betriebsrat einberufene Betriebsversammlung am 13.11.2013 abgesagt, ohne uns einen Alternativtermin vorzuschlagen.
- 90
…
- 91
Da die Betriebsversammlung nun nicht wie geplant stattfinden kann, möchten wir Ihnen exemplarisch die folgenden, von Kollegen an uns herangetragenen Fragen stellen:
- 92
Sehr geehrter Herr Dr. …, Sie bieten unter der Internetadresse … Ihre Leistungen unter der Postanschrift einer D. Massagepraxis an. Welche personellen und materiellen Ressourcen unserer Klinik nutzen Sie für diese Tätigkeit und in welcher Form profitiert unser Haus davon?
- 93
Sehr geehrter Herr Dr. …, auf Ihren Briefbögen als Chefarzt offerieren Sie Verkehrsmedizinische Begutachtungen. Es wurde die Frage gestellt, was Verkehrsmedizin mit Psychosomatik zu tun hat, welche personellen und materiellen Ressourcen unserer Klinik Sie für diese Tätigkeit nutzen und ob unsere Klinik davon profitiert.
- 94
…"
- 95
Der Beteiligte zu 2) versandte am 29.11.2013 an die Belegschaft per Mail das folgende Schreiben:
- 96
"…
- 97
Soll S. bleiben?
- 98
…
- 99
dem Betriebsrat liegt eine Anhörung zur beabsichtigten fristlosen Kündigung unseres Betriebsratskollegen … vor. Unser kaufmännischer Direktor hat uns als Betriebsrat aufgefordert, dieser Kündigungsabsicht bis zum 3.12.2013 zuzustimmen.
- 100
Zu den Kündigungsgründen führt der kaufmännische Direktor aus, dass das zur Kündigung von Herrn … führende Verhalten sowohl von der gesamten Klinikleitung als auch von einer "Vielzahl von Mitarbeitern unseres Hauses missbilligt" wird. Wir gehen davon aus, dass die wenigsten aus dieser "Vielzahl" von Mitarbeitern wissen, worum es geht.
- 101
… hatte der Klinikleitung mitgeteilt, dass er im Auftrag des Betriebsrats einen Mitarbeiter unseres Hauses zu einem Personalgespräch mit einem Geschäftsleitungsmitglied … in O. am 22.11.2013 begleiten wird. Dass sich Mitarbeiter in Deutschland bei dieser Art von Personalgesprächen von einem Betriebsratsmitglied ihres Vertrauens begleiten lassen können, ist eine Selbstverständlichkeit und rechtlich unzweifelhaft.
- 102
In der … Klinik wird dieses Recht verweigert, wie wir auch im Falle unserer Kollegin … erfahren mussten. … hat kurz nachdem sie ein Personalgespräch ohne Begleitung eines BR-Mitglieds abgelehnt hatte, ihren unbefristeten Arbeitsplatz in unserer Klinik verloren.
- 103
Ist es wirklich Euer Anliegen, dass Betriebsratsarbeit durch fristlose Kündigung bestraft wird?
- 104
…"
- 105
Der Betriebsrat hängte das Schreiben auch im Schaukasten aus, den der Hausmeister daraufhin gewaltsam entfernte.
- 106
Mit dem Schreiben vom 04.03.2014 an den kaufmännischen Direktor versuchte der Beteiligte zu 2), die Freistellungszeiten der Betriebsratsmitglieder zu klären:
- 107
"…
- 108
der § 37 BetrVG schreibt vor, dass Mitglieder des Betriebsrats ohne Minderung des Arbeitsentgelts von ihrer beruflichen Tätigkeit im erforderlichen Umfang zu befreien sind.
- 109
Durch den Umfang der BR-Arbeit sehen Sie die Patientenversorgung gefährdet und erwarten eine Reduktion der BR-Zeiten, anstatt die von der DRV vorgegebenen Stellen zu besetzen.
- 110
Herr Dr. … war bereit, Herrn … zu 25 % in seiner ärztlichen Tätigkeit zu entlasten. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie auch die übrigen BR-Mitglieder im gleichen Umfang entlasten. Laut Fitting (§ 37, Randnr. 16) obliegen den BR-Mitgliedern nicht unerhebliche Amtspflichten, die im Moment durch den unrechtmäßig vorgenommenen Gehaltsabzug nicht erfüllt werden können.
- 111
Für die dem Therapieplan unterworfenen BR-Mitglieder gehen wir deshalb von einer erforderlichen pauschalen Freistellung von 10 Stunden in der Woche aus (inklusive BR-Sitzung).
- 112
Zur Geschäftsführung des Betriebsrats halten wir eine pauschale Freistellung für weitere 10 Stunden für erforderlich, die zunächst vom BR-Vorsitzenden genutzt werden.
- 113
Eine pauschale Freistellung betrachten wir als Entgegenkommen, um eine Therapieplanung zuverlässiger zu ermöglichen.
- 114
Beachten Sie bitte, dass zur ordnungsgemäßen Durchführung von BR-Arbeiten keine Zustimmung des Arbeitgebers zur Arbeitsbefreiung erforderlich ist.
- 115
…"
- 116
Unter dem 29.04.2014 richtete der Betriebsrat, unterzeichnet von der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden, ausgehängt im Schaukasten, das folgende Schreiben an die Geschäftsführung der Komplementärin:
- 117
"…
- 118
Aufhetzung von Kollegen
- 119
…
- 120
wie Sie wissen, hetzen die Chefärzte Dr. … und Dr. … spätestens seit Oktober 2013 einen Teil unserer Kolleginnen und Kollegen gegen den Betriebsrat auf.
- 121
In der jüngsten Hetzkampagne haben einige Mitarbeiter unserer Klinik dem Betriebsrat Mobbing und unwürdiges Verhalten vorgeworfen. Es ist die Rede davon, der Betriebsrat fordere die "Entfernung einer Kollegin aus dem Betrieb".
- 122
Seit Jahren sind in unserem Haus zahlreiche Stellen im Therapiebereich nicht besetzt. Deswegen kommt es zu erheblichen Einschränkungen in der Patientenversorgung, für die Herr … den Betriebsrat verantwortlich machen möchte. Um die Unterbesetzung zu kompensieren geht er mit Abmahnungen und Gehaltskürzungen gegen Betriebsratszeiten vor, verdichtet die Arbeitspläne von Kollegen und setzt zunehmend Praktikanten als billige Arbeitskräfte ein. Durch die eingeschränkte Patientenversorgung entstehen unnötige und teilweise schwerwiegende Konflikte in den beiden Dispositionsbereiche, die dazu geführt haben, dass alle bis Herbst 2013 dort beschäftigten Mitarbeiterinnen dauerhaft erkrankt sind oder unsere Klinik mehr oder weniger freiwillig verlassen. Notwendige Weiterbildungen und Einarbeitungen werden den Mitarbeiterinnen verwehrt, da Herr … seit Jahren, übrigens auch gegenüber der vorherigen Betriebsratsvorsitzenden, nicht bereit ist, die Betriebsvereinbarung zur Fort- und Weiterbildung einzuhalten. Anstatt die zugrunde liegenden Konflikte zu lösen und eine uneingeschränkte Patientenversorgung zu ermöglichen, will Herr … jetzt zusätzliche Stellen im Verwaltungsbereich schaffen.
- 123
Zwei der auf dem Hetzschreiben vom 15.04.2014 zu erkennenden Unterschriften beunruhigen uns besonders und veranlassen uns, Sie jetzt zu unverzüglichem Handeln aufzufordern. Es handelt sich dabei um die Unterschrift des stellvertretenden Chefarztes der Psychosomatik und die Unterschrift eines Mitarbeiters, der erst am 14.4.2014 seine Arbeit in unserer Klinik aufgenommen hatte. Dem stellvertretenden Chefarzt einer psychosomatischen Fachklinik ... sollte man ein ausreichendes Einschätzungsvermögen und die nötige fachliche Kompetenz zutrauen dürfen, leichtfertige Mobbingvorwürfe zu unterlassen. Ein Mitarbeiter, der sich an seinem zweiten Arbeitstag dazu hinreißen lässt, den Betriebsratmitgliedern Mobbing und unwürdiges Verhalten vorzuwerfen, kann dies nicht aus eigener Kenntnis der entsprechenden Umstände getan haben.
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Wir erwarten von Ihnen, Herr …, dass Sie als der für Personalangelegenheiten zuständige Geschäftsführer … der Aufhetzung verunsicherter Kolleginnen und Kollegen durch die Mitglieder der Klinikleitung jetzt endgültig Einhalt gebieten. Dazu wird es unumgänglich sein, dass Sie die traditionelle Missachtung der Mitbestimmungsrechte in unserem Haus beenden und nach zwanzig wirtschaftlich außerordentlich erfolgreichen Jahren die Bereitschaft zur gesetzlich geforderten vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat zeigen.
- 125
In Ihrem offenen Brief vom 12.3.2014 hatten Sie die … Klinik … als eine "Perle" … bezeichnet. Lassen Sie den wirtschaftlichen Glanz dieser Perle endlich auch den in unserem Haus beschäftigten Mitarbeitern zu Gute kommen. Dazu gehört für uns die Besetzung aller im Therapiebereich offenen Stellen mit qualifizierten Fachpersonal und der Verzicht auf die Ausbeutung von Praktikanten. Damit würden die notwendigen Voraussetzungen geschaffen, um die Fluktuation und Krankenquote im Verwaltungsbereich, die jetzt so große Wellen schlägt, zu senken und die unnötigen Konflikte zu beenden.
- 126
…"
- 127
Die Antragsteller haben die Ansicht vertreten, dass die Abberufung des Beteiligten zu 2) zwingend notwendig sei, da die Versorgung der Patienten gefährdet und der Betriebsfrieden extrem gestört sei.
- 128
Der Betriebsratsvorsitzende vertrete nicht die Interessen der Belegschaft, sondern verfolge persönliche Interessen. Er setze andere Mitarbeiter unter Druck, wofür Äußerungen wie "Dich mach ich fertig" exemplarisch seien. Er habe mehrfach Mitarbeiter dazu aufgerufen, dringend erforderliche Überstunden nicht abzuleisten. Durch die von ihm beanspruchten umfangreichen Freistellungen für die Betriebsratsarbeit komme es immer wieder zu kurzfristigen Ausfällen von Therapien und zu Vertretungsfällen, die von Kollegen aufzufangen seien. Er habe mehrfach geäußert, auf die Vertretungssituation bei der Durchführung außerordentlicher Betriebsratssitzungen keine Rücksicht nehmen zu können. Er schädige das Ansehen der Klinik in der Öffentlichkeit, da er einen Großteil der Korrespondenz per Mail an den Vorstand und an andere Betriebsräte des Konzerns verschicke. Darüber hinaus hänge er die Schreiben im Schaukasten aus, was wegen der augenfälligen Querelen zur Verunsicherung von Patienten und Besuchern führe. Der Betriebsratsvorsitzende habe einen derartigen Konfrontationskurs eingeschlagen, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Arbeitgeberin nach den Grundsätzen des § 2 BetrVG nicht mehr möglich sei. Der Betriebsratsvorsitzende handle stets im Alleingang, ohne die anderen Betriebsratsmitglieder einzubeziehen. Der Betriebsrat nicke die Aktionen des Vorsitzenden nur ab.
- 129
Am 29.10.2013 habe sich der Beteiligte zu 2) während einer Gruppentherapie Autogenes Training in der Zeit von 09:15 bis 09:45 Uhr über seine persönliche Situation als Betriebsratsvorsitzender und die unzulänglichen Freistellungen beklagt, anstatt die Therapie durchzuführen. Das habe zu Beschwerden von Patienten geführt.
- 130
Die Beteiligten zu 1) haben erstinstanzlich beantragt,
- 131
den Beteiligten zu 2), Herrn H., aus dem bei der M. D. Klinik F-Stadt gebildeten Betriebsrat auszuschließen.
- 132
Die Beteiligten zu 2) und 3) haben beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Der Betriebsratsvorsitzende habe keine Amtspflichten verletzt. Selbstverständlich sei es zulässig, angesichts der von der Arbeitgeberin ausgesprochenen und bekannt gegebenen Suspendierung die Belegschaft über die Fortführung der Betriebsratstätigkeit zu unterrichten. Die Aushänge seien notwendig gewesen, da nicht allen Mitarbeitern ein E-Mail-Zugang zur Verfügung stehe. Ebenso selbstverständlich dürfe der Betriebsrat die Arbeitnehmer, wie mit dem Aushang zur Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen geschehen, über ihre Rechte und Pflichten informieren. Abgesehen davon handele es sich um Aushänge und Schreiben des Betriebsrats und nicht des Betriebsratsvorsitzenden. Da der Betriebsratsvorsitzende den Betriebsrat nur im Rahmen der gefassten Beschlüsse vertrete, fehle es schon deshalb an einer dem Beteiligten zu 2) zurechenbaren Amtspflichtverletzung. Der Beteiligte zu 2) habe während der Gruppentherapie am 29.10.2013 nicht gegen seine Schweigepflicht verstoßen. Er bestreitet, dass es zu Patientenbeschwerden gekommen sei. Eine Freistellung für die Betriebsratsarbeit habe er nur in einem solchen Umfang geltend gemacht, wie es erforderlich gewesen sei. Für außerordentliche Betriebsratssitzungen und Betriebsversammlungen habe es stets entsprechende Anlässe gegeben. In der Vergangenheit seien Betriebsratsmitglieder wegen Schwierigkeiten bei der Arbeitsbefreiung gezwungen gewesen, einen Großteil der Betriebsratsarbeit in der Freizeit zu erledigen. Unabhängig davon seien evtl. Verfehlungen aber keinesfalls so schwerwiegend, dass eine Amtsenthebung gerechtfertigt sei.
- 133
Die Arbeitgeberin hat sich erstinstanzlich dem Antrag der Beteiligten zu 1) angeschlossen.
- 134
Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 24.02.2015 zurückgewiesen, weil es an einer groben Pflichtverletzung im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG fehle. Das Verhalten des Betriebsrats könne nicht dem Vorsitzenden allein zugerechnet werden. Der Betriebsrat habe zwar unnötigerweise Betriebsinterna durch die Aushänge im Schaukasten öffentlich gemacht. Die Veröffentlichungen seien jedoch nicht dem Betriebsratsvorsitzenden als grobe Amtspflichtverletzung zuzuordnen. Darüber hinaus gebe es keine Anhaltspunkte, dass der Betriebsratsvorsitzende missbräuchlich Freistellungen in Anspruch genommen habe. Dem Betriebsrat und seinem Vorsitzenden sei es möglicherweise nicht immer gelungen, den Anlass der Betriebsratstätigkeit ausreichend zu kommunizieren. Die dadurch ggf. hervorgerufene Störung des Betriebsklimas sei aber nicht dem Betriebsratsvorsitzenden als grobe Pflichtverletzung zuzuordnen.
- 135
Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit ihrer fristgerecht eingelegten und begründeten Beschwerde. Die Antragsteller sind der Ansicht, das Arbeitsgericht habe sich nicht ausreichend mit den zahlreichen und detailliert aufgeführten Pflichtverletzungen des Beteiligten zu 2) auseinandergesetzt. Was die Freistellung für Betriebsratsarbeit betreffe, so habe der Betriebsratsvorsitzende durchaus einen Ermessensspielraum. Allerdings habe der Beteiligte zu 2) diesen Spielraum missbraucht, indem er kurzfristig und unnötig spontan die von ihm zu leistenden Dienste abgesagt habe. Der Beteiligte zu 2) habe seine Schweigepflicht verletzt, weil er betriebsinterne Angelegenheiten gegenüber Patienten ausgeplaudert habe. Zudem habe er erheblichen Unfrieden gestiftet. Das Verhältnis zur Klinikleitung sei schwer beschädigt. Der Beteiligte zu 2) meine offenbar, einen persönlichen Kampf mit dem kaufmännischen Leiter der Klinik zulasten der Belegschaft ausfechten zu müssen. Während der Betriebsversammlung am 17.09.2015 habe er die Situation in der Klinik mit der eines Gladiatorenkampfes im alten Rom verglichen, bei dem am Ende das Volk darüber entscheide, wer als Sieger hervorgehe und wer getötet werde. Der Betriebsratsvorsitzende führe sich wie ein Alleinherrscher auf und dulde keinerlei Widerspruch aus den Reihen des Betriebsrats. Die Antragsteller seien nicht mehr bereit, den Beteiligten zu 2) als ihren Betriebsratsvorsitzenden zu akzeptieren.
- 136
Die Beteiligten zu 1.01) bis 1.50) beantragen,
- 137
1. den Beschluss des Arbeitsgerichts Stralsund vom 24.02.2015, Aktenzeichen 13 BV 3/13, abzuändern und
- 138
2. den Beteiligten zu 2), Herrn H., aus dem bei der M. D. Klinik F-Stadt gebildeten Betriebsrat auszuschließen.
- 139
Die Beteiligten zu 2) und 3) beantragen,
- 140
die Beschwerde zurückzuweisen.
- 141
Das Vorbringen der Antragsteller sei nach wie vor ohne Substanz. Es lasse keine schwerwiegenden Pflichtverletzungen erkennen. Der Beteiligte zu 2) bestreitet die Vorwürfe. Insbesondere bestreitet er, die Aushänge im Schaukasten im Alleingang veröffentlicht zu haben.
- 142
Die Beteiligte zu 4) ist im Beschwerdeverfahren nicht mehr aufgetreten.
- 143
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle und auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen.
II.
- 144
Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag zu Recht zurückgewiesen.
- 145
Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen.
- 146
Eine Abwahl des Betriebsrats oder einzelner Mitglieder sieht das Gesetz nicht vor. Ein Abwahlrecht steht weder dem oben genannten Viertel noch einer Mehrheit der wahlberechtigten Arbeitnehmer zu. Es genügt nicht, dass eine nennenswerte Zahl von Arbeitnehmern mit der Arbeit des Betriebsrats oder der eines seiner Mitglieder unzufrieden ist. Der Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat setzt eine grobe Verletzung der gesetzlichen Pflichten voraus.
- 147
Gesetzliche Pflichten in diesem Sinne sind die Pflichten aus dem Betriebsverfassungsrecht (z. B. LAG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Januar 2015 - 6 TaBV 48/14 - Rn. 50, juris = NZA-RR 2015, 299). Darunter fallen die Pflichten als Betriebsratsmitglied ebenso wie die Pflichten in besonderen Funktionen, wie z. B. als Betriebsratsvorsitzender (LAG Hessen, Beschluss vom 19. September 2013 - 9 TaBV 225/12 - Rn. 32, juris). Von den Amtspflichten zu unterscheiden sind die - jeden Arbeitnehmer treffenden - Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Eine Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis rechtfertigt nicht den Ausschluss aus dem Betriebsrat. Der Arbeitgeber kann aber eine solche Pflichtverletzung ggf. zum Anlass nehmen, den Arbeitnehmer abzumahnen oder zu kündigen. Diese Sanktionen sind wiederum ausgeschlossen, wenn ein Betriebsratsmitglied lediglich betriebsverfassungsrechtliche Amtspflichten verletzt (BAG, Beschluss vom 09. September 2015 - 7 ABR 69/13 - Rn. 41, juris = NZA 2016, 57). Es ist jedoch möglich, dass ein bestimmtes Verhalten sowohl Amtspflichten aus dem Betriebsverfassungsrecht als auch die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt (BAG, Beschluss vom 16. Oktober 1986 - 2 ABR 71/85 - Rn. 26, juris = ZTR 1987, 125; BAG, Urteil vom 25. Mai 1982 - 7 AZR 155/80 - Rn. 24, juris).
- 148
Darüber hinaus muss es sich um eine grobe Verletzung der Amtspflicht handeln, d. h. eine objektiv erhebliche und offensichtlich schwerwiegende Pflichtverletzung. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die betrieblichen Gegebenheiten und der Anlass der Pflichtverletzung. Ein grober Verstoß ist nur anzunehmen, wenn das Betriebsratsmitglied im Betriebsrat nicht mehr tragbar ist (BAG, Beschluss vom 22. Juni 1993 - 1 ABR 62/92 - Rn. 53, juris = NZA 1994, 184; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Januar 2015 - 6 TaBV 48/14 - Rn. 50, juris = NZA-RR 2015, 299; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 03. Dezember 2013 - 1 TaBV 11/33 - Rn. 73, juris; LAG Hessen, Beschluss vom 13. September 2012 - 9 TaBV 79/12 - Rn. 48, juris). Die Pflichtverletzung muss so schwerwiegend sein, dass das Vertrauensverhältnis zur Belegschaft oder innerhalb des Betriebsrats tiefgreifend erschüttert ist und deshalb der Ausschluss des Betriebsratsmitglieds aus dem Gremium notwendig wird, damit der Betriebsrat die ihm zugewiesenen Aufgaben zukünftig wieder ordnungsgemäß erfüllen kann. Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 BetrVG ist es, die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats zu gewährleisten (BAG, Beschluss vom 05. September 1967 - 1 ABR 1/67 - Rn. 42, juris = MDR 1968, 84; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Januar 2015 - 6 TaBV 48/14 - Rn. 72, juris = NZA-RR 2015, 299; Fitting, BetrVG, 27. Aufl. 2014, § 23, Rn. 18). Die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats kann dadurch bedroht sein, dass Betriebsratsmitglieder ihre Aufgaben stark vernachlässigen. Auch ein querulatorisches oder krankhaft boshaftes Verhalten kann unter Umständen zum Ausschluss führen, wenn das Vertrauen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber oder zwischen Betriebsrat und Belegschaft in einem solchen Maß erschüttert ist, dass der Betriebsrat nicht mehr in der Lage ist, seine gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen (BAG, Beschluss vom 05. September 1967 - 1 ABR 1/67 - Rn. 42, juris = MDR 1968, 84).
- 149
Der Beteiligte zu 2) hat weder seine Amtspflichten als Betriebsratsvorsitzender noch seine Amtspflichten als Betriebsratsmitglied grob verletzt. Die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats ist nicht ernsthaft gefährdet.
- 150
1. Anberaumung von Betriebsratssitzungen, § 30 BetrVG
- 151
Die Sitzungen des Betriebsrats finden in der Regel während der Arbeitszeit statt (§ 30 Satz 1 BetrVG). Der Betriebsrat bzw. dessen Vorsitzender bestimmt nach pflichtgemäßem Ermessen, wann, wie oft und wie lange er tagt (BAG, Beschluss vom 03. Juni 1969 - 1 ABR 1/69 - Rn. 16, juris = DB 1969, 1705).
- 152
Der Betriebsrat hat nach § 30 Satz 2 BetrVG bei der Ansetzung von Betriebsratssitzungen auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht zu nehmen. Betriebliche Notwendigkeiten in diesem Sinne sind solche Gründe, die zwingend Vorrang vor dem Interesse des Betriebsrats auf Abhaltung einer Betriebsratssitzung zu dem von ihm vorgesehenen Zeitpunkt haben (LAG G-Stadt-CD., Beschluss vom 18. März 2010 - 2 TaBV 2694/09 - Rn. 22, juris = ZTR 2010, 491; GK-BetrVG/Raab, 10. Aufl. 2014, § 30, Rn. 7). Die Vorschrift betrifft die zeitliche Lage von Betriebsratssitzungen. Bei der Wahl des Zeitpunktes ist der Betriebsrat nicht völlig frei, sondern gehalten, zwingende betriebliche Belange zu berücksichtigen. Da die Sitzungen des Betriebsrats regelmäßig während der Arbeitszeit stattfinden, ist damit stets ein Eingriff in die betrieblichen Abläufe verbunden, da die Betriebsratsmitglieder in dieser Zeit nicht an ihrem Arbeitsplatz sind.
- 153
Ein grober Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf betriebliche Notwendigkeiten liegt vor, wenn der Betriebsratsvorsitzende den Zeitpunkt der Sitzung so wählt, dass der Betriebsablauf ohne Not erheblich gestört wird, indem er z. B. den Zeitraum eines üblicherweise erhöhten Kundenaufkommens herausgreift.
- 154
Der Beteiligte zu 2) hat bei der Anberaumung von Betriebsratssitzungen nicht grob gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme verstoßen. Bei der Wahl des Zeitpunkts von Betriebsratssitzungen sind nicht nur die Arbeitsaufgaben des Betriebsratsvorsitzenden von Bedeutung, sondern gleichermaßen die Dienstpläne sämtlicher Betriebsratsmitglieder zu berücksichtigen. Es ist nicht ersichtlich, dass und ggf. welche Betriebsratssitzungen ohne Weiteres zu anderen Zeitpunkten hätten stattfinden können, zu denen der damit verbundene Arbeitsausfall der Betriebsratsmitglieder deutlich einfacher hätte bewältigt werden können.
- 155
2. Freistellung für Betriebsratsarbeit, § 37 BetrVG
- 156
Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind die Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.
- 157
Die Erforderlichkeit bestimmt sich danach, ob das Betriebsratsmitglied vom Standpunkt eines vernünftigen Dritten aus bei gewissenhafter Würdigung aller Umstände und Abwägung der Interessen des Betriebs, des Betriebsrats und der Belegschaft die Arbeitsversäumnis für notwendig halten durfte, um eine bestimmte Betriebsratstätigkeit vorzunehmen (BAG, Urteil vom 06. August 1981 - 6 AZR 505/78 - Rn. 22, juris = AP Nr. 39 zu § 37 BetrVG 1972; Fitting, BetrVG, 27. Aufl. 2014, § 37, Rn. 38; Richardi/Thüsing, BetrVG, 15. Aufl. 2016, § 37, Rn. 25). Ein Betriebsratsmitglied, das den Rahmen seiner gesetzlichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte auszuschöpfen versucht, überschreitet nicht allein deshalb die Grenzen der Erforderlichkeit (ErfK/Koch, 16. Aufl. 2016, § 37 BetrVG, Rn. 3).
- 158
Der Beteiligte zu 2) hat seine Betriebsratstätigkeit nicht in einem Umfang ausgedehnt, der weit über den gesetzlichen Rahmen hinausgeht. Er hat nicht den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum grob überschritten. Mit dem Schreiben vom 04.03.2014 hat der Beteiligte zu 2) bei der Arbeitgeberin eine Pauschalierung der Freistellung im Umfang von 10 Stunden pro Woche für jedes Betriebsratsmitglied zuzüglich weiterer 10 Stunden für den Vorsitzenden vorgeschlagen. Diese Forderung erscheint angesichts der Freistellungsregelungen des § 38 Abs. 1 BetrVG nicht völlig überzogen. Danach ist in Betrieben mit in der Regel 200 bis 500 Arbeitnehmern ein Betriebsratsmitglied vollständig von der beruflichen Tätigkeit freizustellen. In Anbetracht einer Mitarbeiterzahl von rund 110 Beschäftigten mag der Vorschlag des Beteiligten zu 2) im oberen Bereich liegen. Eine grobe Pflichtverletzung lässt sich aber weder aus dem Ansinnen einer Pauschalregelung noch aus einer im zeitlichen Ausmaß vergleichbaren praktischen Handhabung herleiten.
- 159
3. Anberaumung von Betriebsversammlungen, § 44 BetrVG
- 160
Der Betriebsrat hat einmal in jedem Kalendervierteljahr eine Betriebsversammlung einzuberufen und in ihr einen Tätigkeitsbericht zu erstatten (§ 43 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Die Betriebsversammlung findet während der Arbeitszeit statt, soweit nicht die Eigenart des Betriebs eine andere Regelung zwingend erfordert (§ 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).
- 161
Der Betriebsrat bestimmt den Zeitpunkt der Betriebsversammlung durch Beschluss. Einer Zustimmung des Arbeitgebers bedarf es nicht (ErfK/Koch, 16. Aufl. 2016, §§ 42-46 BetrVG, Rn. 2; Fitting, BetrVG, 27. Aufl. 2014, § 44, Rn. 9; GK-BetrVG/Weber, 10. Aufl. 2014, § 44, Rn. 10). Der Betriebsrat muss den Arbeitgeber frühzeitig über den Zeitpunkt der Versammlung unterrichten, damit dieser die erforderlichen Vorkehrungen zeitgerecht treffen kann (ArbG Darmstadt, Beschluss vom 27. November 2003 - 5 BVGa 39/03 - Rn. 30, juris = AiB 2004, 754). Der Betriebsrat hat bei der Anberaumung einer Betriebsversammlung die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen und darauf zu achten, dass der Betriebsablauf möglichst wenig gestört und der Arbeitsausfall nach Möglichkeit gering gehalten wird (GK-BetrVG/Weber, BetrVG, 10. Aufl. 2014, § 44, Rn. 10; Richardi/Annuß, BetrVG, 15. Aufl. 2016, § 44, Rn. 18). Zugleich hat der Betriebsrat aber auch die Wünsche der Mitarbeiter zu berücksichtigen, um eine möglichst zahlreiche Teilnahme sicherzustellen.
- 162
Die Beteiligten zu 2) und 3) haben den Termin der für den 13.11.2013 geplanten Betriebsversammlung nicht zuvor mit der Arbeitgeberin abgestimmt. Wenn auch eine vorherige Absprache zweckmäßig gewesen wäre, um spätere Irritationen innerhalb der Belegschaft zu vermeiden, so liegt darin dennoch keine Pflichtverletzung. Der Betriebsrat war nicht verpflichtet, die Zustimmung der Arbeitgeberin einzuholen. Es handelt sich um eine Frage des Umgangs miteinander. Ein Verstoß gegen Rechtsvorschriften lässt sich daraus nicht herleiten. Die Vorgehensweise bewegt sich noch unterhalb der Schwelle zur rechtlichen Relevanz. Im Übrigen ist der Termin nicht so gewählt, dass der Arbeitsablauf ohne Not besonders und zielgerichtet gestört wird.
- 163
4. Beeinträchtigung des Betriebsfriedens, § 74 BetrVG
- 164
Nach § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebsrat Betätigungen zu unterlassen, durch die der Arbeitsablauf oder der Frieden des Betriebs beeinträchtigt werden. Diese Pflicht trifft nicht nur den Betriebsrat, sondern auch die einzelnen Betriebsratsmitglieder (ErfK/Kania, 16. Aufl. 2016, § 74 BetrVG, Rn. 16; Fitting, BetrVG, 27. Aufl. 2014, § 74, Rn. 27).
- 165
Der Begriff Betriebsfrieden beschreibt das friedliche, störungsfreie Zusammenleben und Zusammenwirken von Arbeitnehmern, Betriebsrat und Arbeitgeber auf der Grundlage vertrauensvoller Zusammenarbeit (GK-BetrVG/Kreutz, 10. Aufl. 2014, § 74, Rn. 133). Daraus ergibt sich aber nicht ein Verbot, um des lieben Friedens willen auf jeglichen Streit zu verzichten. Der Arbeitgeber kann ebenso wie der Betriebsrat bzw. die Betriebsratsmitglieder die Rechte aus dem Betriebsverfassungsrecht wahrnehmen und ggf. auch gerichtlich durchsetzen (GK-BetrVG/Kreutz, 10. Aufl. 2014, § 74, Rn. 137). Das Betriebsverfassungsgesetz geht davon aus, dass es aufgrund der unterschiedlichen Interessen von Arbeitgeber und Belegschaft durchaus zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat kommen kann (z. B. § 74 Abs. 1 Satz 2, § 76 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Der Betriebsfriede ist erst beeinträchtigt, wenn Arbeitgeber oder Betriebsrat nicht ihre gegenseitigen Rechte und Befugnisse anerkennen, indem beispielsweise der Betriebsrat in die Leitung des Betriebs eingreift (§ 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG) oder der Arbeitgeber ihm nicht genehme Bekanntmachungen des Betriebsrats am Schwarzen Brett eigenmächtig entfernt (Fitting, BetrVG, 27. Aufl. 2014, § 74, Rn. 31a). Ebenso kann es den Betriebsfrieden beeinträchtigen, wenn die Betriebspartner nicht die zur Lösung von Interessenkonflikten vorgesehenen Verfahren und Wege einhalten (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 25. Mai 1976 - 15 TaBV 10/76 - DB 1977, 453) oder in einer Weise miteinander umgehen, die trotz Anerkennung bestehender Interessengegensätze schlechterdings nicht mit dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) vereinbar ist (Fitting, BetrVG, 27. Aufl. 2014, § 74, Rn. 31; Rieble/Wiebauer, ZfA 2010, 115).
- 166
Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit ist Maßstab dafür, wie die Betriebsparteien ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten wahrzunehmen und auszuüben haben. Sie müssen dabei auch auf die Interessen der anderen Betriebspartei Rücksicht nehmen (BAG, Beschluss vom 28. Mai 2014 - 7 ABR 36/12 - BAGE 148, 182-192, Rn. 35, juris). Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 BetrVG bezieht sich nicht allein auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat als Gremium. Auch das einzelne Betriebsratsmitglied ist danach verpflichtet, durch sein Verhalten die Grundlagen des gegenseitigen Vertrauens nicht nachhaltig zu stören. Das einzelne Betriebsratsmitglied hat sich bei seiner Betriebsratstätigkeit innerhalb der Grenzen zu halten, die sich aus den allgemeinen Vorschriften der Rechtsordnung, insbesondere aus denen des Betriebsverfassungsgesetzes ergeben (LAG G-Stadt-CD., Beschluss vom 05. Juni 2014 - 10 TaBVGa 146/14 - Rn. 40, juris = NZA-RR 2014, 538).
- 167
Die Verbreitung von wahrheitswidrigen und ehrverletzenden Behauptungen über den anderen Betriebspartner kann den Betriebsfrieden ebenso beeinträchtigen wie die zielgerichtete Einbindung von Dritten, z. B. Kunden, in den Konflikt oder der Öffentlichkeit. Arbeitgeber und Betriebsrat sind grundsätzlich berechtigt, die Belegschaft über betriebliche Vorgänge zu unterrichten. Das gilt auch für Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen. Die Betriebspartner dürfen sich im Rahmen der Meinungsfreiheit (vgl. Art. 5 Abs. 1 GG), die wiederum ihre Schranke in den allgemeinen Gesetzen und dem Recht der persönlichen Ehre findet, auch kritisch äußern. Das allein beeinträchtigt noch nicht das störungsfreie Zusammenleben und Zusammenwirken im Betrieb. Der Betriebsfrieden ist erst dann gefährdet, wenn bewusst falsche oder aus dem Zusammenhang gerissene Tatsachen verbreitet werden, um den anderen Betriebspartner in Misskredit zu bringen und verächtlich zu machen. Das gilt für Äußerungen, bei denen nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung von Personen im Vordergrund steht (LAG G-Stadt-CD., Beschluss vom 05. Juni 2014 - 10 TaBVGa 146/14 - Rn. 50, juris = NZA-RR 2014, 538). Sofern diese Grenzen gewahrt sind, ist es im Rahmen der Meinungsfreiheit durchaus gestattet, Meinungsverschiedenheiten betriebsöffentlich mit "härteren Bandagen" auszutragen (LAG Niedersachsen, Beschluss vom 06. April 2004 - 1 TaBV 64/03 - Rn. 22, juris = NZA-RR 2005, 78). Des Weiteren ist der Betriebsrat berechtigt, die Belegschaft über rechtswidrige Maßnahmen des Arbeitgebers, z. B. die Anordnung von Überstunden ohne Beachtung der Mitbestimmungsrechte, zu unterrichten (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 01. April 2009 - 3 TaBVGa 2/09 - juris; Fitting, BetrVG, 27. Aufl. 2014, § 74, Rn. 36).
- 168
Der Beteiligte zu 2) hat nach diesen Maßstäben den Betriebsfrieden nicht beeinträchtigt.
- 169
Er war berechtigt, die Belegschaft am 22.02.2013 per E-Mail und durch Aushang über die Reichweite seiner damaligen Suspendierung und die Fortführung der Betriebsratstätigkeit zu unterrichten. Es kann dahinstehen, ob dieser Sachverhalt, der in eine frühere Amtszeit fällt, den Ausschluss aus einem später gewählten Betriebsrat rechtfertigen kann (vgl. dazu LAG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Januar 2015 - 6 TaBV 48/14 - Rn. 72, juris; LAG München, Beschluss vom 28. April 2014 - 2 TaBV 44/13 - Rn. 132 ff., juris = LAGE § 103 BetrVG 2001 Nr. 17). Die Angaben in der ausgehängten und an die Belegschaft versandten E-Mail entsprechen jedenfalls den Tatsachen. Ehrverletzende Äußerungen gegenüber der Arbeitgeberin oder einzelnen Repräsentanten der Arbeitgeberin enthalten sie nicht. Der Beteiligte zu 2) hat die E-Mail nicht deshalb ausgehängt, um die Patienten gezielt in den Konflikt einzubeziehen, sondern um diejenigen Mitarbeiter ohne E-Mail-Zugang zu unterrichten. Der Betriebsrat muss die Möglichkeit haben, von sich aus mit der Belegschaft in Verbindung zu treten; der innerbetriebliche Dialog ist nicht auf die Durchführung von Betriebsversammlungen oder Sprechstunden beschränkt (BAG, Beschluss vom 29. April 2015 - 7 ABR 102/12 - Rn. 34, juris = NZA 2015, 1397; BAG, Beschluss vom 09. Juni 1999 - 7 ABR 66/97 - BAGE 92, 26-35, Rn. 26, juris).
- 170
Sofern Patienten durch den Aushang eher zufällig Kenntnis von den betriebsinternen Streitigkeiten erlangt haben, ist damit noch nicht der betriebliche Friede gefährdet. Allein deshalb steht das Unternehmen bzw. der Betrieb noch nicht in einem schlechten Licht dar, wenn auch der ein oder andere Patient aus Neugier heraus Mitarbeiter hierauf angesprochen haben mag. Weder der Beteiligte zu 2) noch der Beteiligte zu 3) haben den Schaukasten gezielt genutzt, um Patienten in ihrem Sinne zu instrumentalisieren und über diesen Weg unzulässig Druck auf die Arbeitgeberin auszuüben. Ebenso wenig haben sie sich gezielt an die Öffentlichkeit, z. B. über Presseorgane, gewandt, um mittels einer drohenden Rufschädigung die Arbeitgeberin zum Einlenken zu bewegen. Im Übrigen dürfte es sich durch Umhängen des Schaukastens vermeiden lassen, dass Patienten von innerbetrieblichen Angelegenheiten erfahren.
- 171
Das am 30.07.2013 per E-Mail versandte und zugleich ausgehängte Infoblatt zur Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beeinträchtigt nicht das friedliche, störungsfreie Zusammenwirken im Betrieb. Es enthält keinen Aufruf, vermehrt Arbeitsunfähigkeiten in Anspruch zu nehmen. Der Beteiligte zu 2) und der Beteiligte zu 3) haben sich auf eine sachliche Darstellung der Rechtslage beschränkt. Ob dem Betriebsrat seinerzeit bereits das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14. November 2012 - 5 AZR 886/11 - (NJW 2013, 892) zur Vorlagepflicht von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bekannt war, ist für die Frage der Auswirkungen auf den Betriebsfrieden unerheblich.
- 172
Der E-Mail-Verkehr im August 2013 zur Aufnahme von Patienten am Wochenende enthält zwar eine deutliche Kritik am Vorgehen des Betriebspartners. Das betrifft allerdings beide Seiten. Auch die Arbeitgeberin hat ihre Meinung zum Sachverstand des Betriebsrats zugespitzt dargestellt. Der Beteiligte zu 2) hat in seiner Antwort keinen schärferen Ton angeschlagen als zuvor die Arbeitgeberin.
- 173
Soweit der Beteiligte zu 2) in der E-Mail vom 01.11.2013 die bisherige Betriebsratsvorsitzende wegen der guten Zusammenarbeit mit der Arbeitgeberin kritisiert, hat er sich im Rahmen seiner Meinungsfreiheit bewegt. Das zu bewerten, ist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Betriebs überlassen. Die Kritik bezieht sich auf die Sache, nämlich die Zusammenarbeit mit der Arbeitgeberin, nicht aber auf die Person der früheren Betriebsratsvorsitzenden.
- 174
In der E-Mail vom 06.11.2013 hat sich der Beteiligte zu 2) über eine auf ihn bezogene Äußerung des kaufmännischen Direktors auf der Mitarbeiterversammlung am 29.10.2013 beschwert ("krankes Gelaber") und eine Entschuldigung gefordert. Diese E-Mail kann den Betriebsfrieden nur dann beeinträchtigen, wenn sie unwahre Behauptungen enthält. Das ist soweit ersichtlich nicht der Fall.
- 175
Die E-Mail vom 12.11.2013 enthält keinen persönlichen Angriff auf die Chefärzte. Zum einen handelt es sich um Fragen aus der Belegschaft. Zum anderen sind die Fragen sachbezogen und nicht geeignet, die Chefärzte in ihrer Ehre und ihrem Ansehen zu verletzten. Unwahre Behauptungen werden nicht in den Raum gestellt.
- 176
Das Schreiben vom 29.11.2013 beeinträchtigt nicht den Betriebsfrieden. Der Beteiligte zu 2) hat die Belegschaft lediglich über die von der Arbeitgeberin beabsichtigte außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds unterrichtet. Es handelt sich nicht um eine unzulässige Stimmungsmache gegen die Arbeitgeberin oder deren Repräsentanten. Der Beteiligte zu 2) war berechtigt, im Namen des Beteiligten zu 3) die von der Arbeitgeberin beabsichtigte Kündigung zu kritisieren und hierüber die Belegschaft zu informieren.
- 177
Das Schreiben vom 29.04.2014 mit der Überschrift "Aufhetzung von Kollegen" ist nicht vom Beteiligten zu 2) unterzeichnet, sondern von der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden. Eine Pflichtverletzung des Beteiligten zu 2) lässt sich daraus nicht herleiten. Der Beteiligte zu 2) hat mit dem Schreiben keine wahrheitswidrigen Äußerungen verbreiten lassen, die erkennbar ihm zuzurechnen sind.
- 178
Soweit der Beteiligte zu 2) in der Betriebsversammlung am 17.09.2015 die Situation in der Klinik mit der eines Gladiatorenkampfes im alten Rom verglichen hat, lässt das zwar ein stark belastetes Verhältnis zwischen Arbeitgeber, Betriebsrat und Belegschaft erkennen. Ein persönlicher, diffamierender Angriff auf bestimmte Personen ist damit aber nicht verbunden. Mit dieser durchaus martialischen Wortwahl hat er nicht direkt oder indirekt zu Gewalttaten aufgerufen. Auch sonst ist nicht ersichtlich, dass der Beteiligte zu 2) Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter konkret bedroht hat. Die Antragsteller konnten ihre Vorwürfe ("Dich mach ich fertig") nicht durch Tatsachen untermauern.
- 179
Ob die Politik des Betriebsrats und seine Positionierung gegenüber der Arbeitgeberin noch von der Mehrheit der Belegschaft getragen wird, kann dahinstehen. Der Betriebsfrieden ist allein deshalb noch nicht beeinträchtigt. Der Belegschaft steht es frei, zum nächsten Wahltermin entsprechenden Einfluss auf die Zusammensetzung des Betriebsrats zu nehmen.
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5. Geheimhaltungspflichten, § 79 BetrVG
- 181
Nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats verpflichtet, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekannt geworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten. Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse sind Tatsachen, Erkenntnisse oder Unterlagen, die mit einem Geschäftsbetrieb zusammenhängen und die nicht offenkundig sind, also nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem Willen des Betriebsinhabers aufgrund eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses geheim gehalten werden sollen (BAG Urteil vom 10. März 2009 - 1 ABR 87/07 - Rn. 25, juris = NZA 2010, 180; BAG, Beschluss vom 26. Februar 1987 - 6 ABR 46/84 - Rn. 16, juris = NZA 1988, 63). Das betrifft insbesondere Kundenlisten, Kalkulationsunterlagen, Rezepturen, Konstruktionszeichnungen etc.
- 182
Der Beteiligte zu 2) hat keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse offenbart oder verwertet. Er hat keine Tatsachen oder Erkenntnisse verbreitet, die von der Arbeitgeberin ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind. Sofern er in der Therapiesitzung am 29.10.2013 den Patienten über seine Schwierigkeiten als Betriebsratsmitglied mit der Arbeitgeberin berichtet haben sollte, handelt es sich nicht um ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist und das der Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet hat.
- 183
Ob der Beteiligte zu 2) gegen seine arbeitsvertragliche Pflicht verstoßen hat, die Therapiesitzung fachgerecht und im zeitlich festgelegten Umfang abzuhalten, bedarf hier keiner Entscheidung, da das nicht seine Amtspflichten als Betriebsratsmitglied oder als Betriebsratsvorsitzender betrifft.
III.
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Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Das Verfahren wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 20. Jan. 2016 - 5 TaBV 11/15
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Urteil einreichenLandesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 20. Jan. 2016 - 5 TaBV 11/15 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt.
(2) Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.
(3) Zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Betriebsbedingte Gründe liegen auch vor, wenn die Betriebsratstätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit erfolgen kann. Die Arbeitsbefreiung ist vor Ablauf eines Monats zu gewähren; ist dies aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich, so ist die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten.
(4) Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers.
(5) Soweit nicht zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen, dürfen Mitglieder des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten der in Absatz 4 genannten Arbeitnehmer gleichwertig sind.
(6) Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Betriebsbedingte Gründe im Sinne des Absatzes 3 liegen auch vor, wenn wegen Besonderheiten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung die Schulung des Betriebsratsmitglieds außerhalb seiner Arbeitszeit erfolgt; in diesem Fall ist der Umfang des Ausgleichsanspruchs unter Einbeziehung der Arbeitsbefreiung nach Absatz 2 pro Schulungstag begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Der Betriebsrat hat bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Er hat dem Arbeitgeber die Teilnahme und die zeitliche Lage der Schulungs- und Bildungsveranstaltungen rechtzeitig bekannt zu geben. Hält der Arbeitgeber die betrieblichen Notwendigkeiten für nicht ausreichend berücksichtigt, so kann er die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(7) Unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 6 hat jedes Mitglied des Betriebsrats während seiner regelmäßigen Amtszeit Anspruch auf bezahlte Freistellung für insgesamt drei Wochen zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die von der zuständigen obersten Arbeitsbehörde des Landes nach Beratung mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände als geeignet anerkannt sind. Der Anspruch nach Satz 1 erhöht sich für Arbeitnehmer, die erstmals das Amt eines Betriebsratsmitglieds übernehmen und auch nicht zuvor Jugend- und Auszubildendenvertreter waren, auf vier Wochen. Absatz 6 Satz 2 bis 6 findet Anwendung.
(1) Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen.
(2) Zur Wahrnehmung der in diesem Gesetz genannten Aufgaben und Befugnisse der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ist deren Beauftragten nach Unterrichtung des Arbeitgebers oder seines Vertreters Zugang zum Betrieb zu gewähren, soweit dem nicht unumgängliche Notwendigkeiten des Betriebsablaufs, zwingende Sicherheitsvorschriften oder der Schutz von Betriebsgeheimnissen entgegenstehen.
(3) Die Aufgaben der Gewerkschaften und der Vereinigungen der Arbeitgeber, insbesondere die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder, werden durch dieses Gesetz nicht berührt.
(1) Mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, der Arbeitgeber oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Der Ausschluss eines Mitglieds kann auch vom Betriebsrat beantragt werden.
(2) Wird der Betriebsrat aufgelöst, so setzt das Arbeitsgericht unverzüglich einen Wahlvorstand für die Neuwahl ein. § 16 Abs. 2 gilt entsprechend.
(3) Der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus diesem Gesetz beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Handelt der Arbeitgeber der ihm durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegten Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er auf Antrag vom Arbeitsgericht wegen einer jeden Zuwiderhandlung nach vorheriger Androhung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen. Führt der Arbeitgeber die ihm durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegte Handlung nicht durch, so ist auf Antrag vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass er zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld anzuhalten sei. Antragsberechtigt sind der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Das Höchstmaß des Ordnungsgeldes und Zwangsgeldes beträgt 10.000 Euro.
Tenor
I.
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 03.07.2014 - AZ: 4 BV 12/14 - abgeändert.
Der Beteiligte zu 2) wird aus dem Betriebsrat der RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft mbH ausgeschlossen.
II.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Die Beteiligen streiten über den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat.
4Antragstellerin und Beteiligte zu 1) ist die Arbeitgeberin. Sie betreibt ein Unternehmen der Wasserversorgung- und dienstleistung. Der Beteiligte zu 3) ist der im Betrieb der Antragsstellerin im April 2014 gewählte Betriebsrat. Der Beteiligte zu 2) ist Mitglied dieses Betriebsrats. Auch in der vorangegangenen Amtszeit war er bereits Betriebsratsmitglied.
580% der Gesellschaftsanteile der Arbeitgeberin gehören dem RWE-Konzern (im Folgenden: RWE). Bereits in den Jahren 2002 und 2007 gab es Überlegungen zu einem Anteilsverkauf. Zu den Interessenten im Jahr 2002 gehörte u. a. die Firma H.. In einer Betriebsratsinformation an die Mitarbeiter vom 25.05.2007 wurden unter der Überschrift "Gerüchte um den RWE-Verkauf" Ausführungen zu Medienberichten über einen etwaigen Verkauf von RWE-Anteilen getätigt. Weiter wurden als die "üblichen Verdächtigen" u. a. "H., S., ..." genannt.
6Im Rahmen einer Klausurtagung am 22.05.2013 informierte ein Geschäftsführer der Arbeitgeberin, Herr Dr. T., den Betriebsrat über einen etwaigen Verkauf von Anteilen durch RWE. In der Folge stellte der Beteiligte zu 2) innerhalb des Betriebsrats den Antrag, einen Beschluss zur Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht bezüglich der Ausführungen von Herrn Dr. T. auf der Klausurtagung vom 22.05.2013. Der Betriebsrat fasste hierüber einen Beschluss, mit dem der Antrag abgelehnt wurde.
7Im Rahmen einer Betriebsversammlung am 17.10.2013, auf der Herr Dr. T. die Situation im Gesamtkonzern als kritisch bezeichnete, gab dieser auf Nachfrage des Beteiligten zu 2) die Erklärung ab, ein Verkauf von Anteilen könne nicht ausgeschlossen werden.
8Am 21.01.2014 fand ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer Dr. T. auf der einen sowie dem Betriebsratsvorsitzenden C. C. und dem damaligen stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden H. S. auf der anderen Seite statt. In diesem Gespräch informierte Dr. T. die beiden Betriebsratsmitglieder über Planungen der RWE, Anteile zu verkaufen. Als Kaufinteressent wurde u. a. die Firma H. genannt. Dr. T. wies auf die absolute Vertraulichkeit dieser Information hin.
9In der Betriebsratssitzung vom 29.01.2014, an der auch der Beteiligte zu 2) teilnahm, informierte der Betriebsratsvorsitzende die übrigen Betriebsratsmitglieder über den geplanten Verkauf von Anteilen und wies darauf hin, dass es sich hierbei um streng vertrauliche Informationen handele.
10Im Rahmen einer Mitgliederversammlung/Vertrauensleutesitzung der ver.di - Betriebsgruppe am 17.02.2014 brachte der Beteiligte zu 2) einen möglichen Verkauf der RWE-Anteile zur Sprache. Der ebenfalls anwesende Betriebsratsvorsitzende C. C. wies ihn dabei auf seine Verschwiegenheitspflicht hin. Über den Verlauf der Sitzung wurde ein Ergebnisprotokoll gefertigt, wegen dessen Einzelheiten auf die von der Arbeitgeberin überreichte Anlage AST 1, Bl. 8 - 11 d. A., Bezug genommen wird.
11Am 20.02.2014 fand eine Betriebsversammlung statt, in der sich die Kandidaten für die Betriebsratswahl, u. a. auch der Beteiligte zu 2), vorstellten. Der Beteiligte zu 2) brachte in seiner Rede einen möglichen Verkauf von RWE - Anteilen an H. zur Sprache. Seine Rede enthielt u. a. nachfolgende Passagen:
12"Liebe Kolleginnen und Kollegen,
13die anstehende Wahl hat sehr viel mit der Zukunft unserer RWW zu tun Dr. T. hat bei der letzten Betriebsversammlung bekanntgegeben, dass ein Teil der RWW verkauft werden soll. ...
14Verkauf: eine Beteiligung von weniger als 30% an der RWW - so wie Dr. T. es angekündigt hat, ergibt keinen Sinn, weil der Einfluss damit zu gering ist. Bei dieser Konstellation könnte ein möglicher Käufer vom RWE-Konzern überstimmt und von den Gemeinden mit ihrer Sperrminorität blockiert werden.
15... Aber angenommen, die 30% stimmen, dann wären mit H. als Käufer die meisten Überschneidungen. ...
16Wir brauchen einen intakten und starken Betriebsrat, der sich für die Be-legschaft einsetzt und einbringt. Ich wünsche mir einen Betriebsrat, der vor dem Verkauf des Wasserwerkes aktiv wird und nicht erst dann, wenn das Kind im Brunnen liegt. Anstatt sich in Verschwiegenheit zu üben, sollte der Vorgang transparent sein.
17... Deshalb bewerbe ich mich für den Betriebsrat. ..."
18Wegen der Einzelheiten wird auf die vom Beteiligten zu 2) in der mündlichen Anhörung am 23.01.2015 überreichte Kopie seines Redemanuskripts, Bl. 145 - 147 d. A. verwiesen. Zu Beginn der Rede hatte der Betriebsratsvorsitzende den Beteiligten zu 2) auf die Verschwiegenheitspflicht hingewiesen. Der Beteiligte zu 2) setzte die Rede jedoch entsprechend seinem Manuskript fort.
19Mit einem am 25.03.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen, den anderen Beteiligten jeweils am 31.03.2014 zugestellten Schriftsatz hat die Arbeitgeberin den Ausschluss des Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat beantragt. Am 15./16.04.2014 wurde turnusmäßig ein neuer Betriebsrat gewählt. Der Beteiligte zu 2) wurde mit einem deutlich erhöhten Stimmenanteil wiedergewählt.
20Die Arbeitgeberin hat erklärt, sie halte auch nach der Neuwahl an ihrem Begehren zum Ausschluss des Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat fest. Wenn ein Betriebsrat vor Abschluss des Ausschlussverfahrens neugewählt und das auszuschließende Betriebsratsmitglied auch in der neuen Amtsperiode in den Betriebsrat gewählt worden sei, bleibe das Rechtsschutzbedürfnis bestehen. Eine mit dem Wechsel der Amtszeit automatisch verbundene Generalabsolution stoße auf erhebliche rechtspolitische Bedenken. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 23 Abs.1 BetrVG sei die Gewährleistung der gesetzmäßigen Amtsausübung des Betriebsrats sowie die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern einerseits und dem Arbeitgeber andererseits. War die Amtspflichtverletzung so gravierend, dass die Vertrauensbeziehung zum Arbeitgeber nachhaltig gestört bleibe, so müsse ein Ausschluss aus dem neugewählten Betriebsrat möglich bleiben. Die gegenteilige Auffassung würde zu dem absurden Ergebnis führen, dass sich ein Betriebsratsmitglied kurz vor dem Ende einer Amtsperiode selbst die gravierendsten Amtspflichtverstöße erlauben könnte, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen.
21In der Sache wirft die Arbeitgeberin dem Beteiligten zu 2) vor, bereits im Rahmen der ver.di-Versammlung am 17.02.2014 und sodann auf der Betriebsversammlung am 20.02.2014 vertrauliche Informationen über den geplanten Anteilsverkauf, die ihm auf der Betriebsratssitzung am 29.01.2014 zur Kenntnis gelangt sind, öffentlich bekannt gemacht zu haben. So habe er die Belegschaft auf der Betriebsversammlung darüber informiert, dass 30% der Anteile verkauft werden sollen, habe eine eigene Analyse der Interessenlage sowohl des Verkäufers RWE als auch eines namentlich genannten potentiellen Käufers abgegeben und so ein Schreckensszenario an die Wand gemalt. Dabei habe er die Verschwiegenheitspflicht im Eigeninteresse, nämlich zum Zwecke der Wahlwerbung, verletzt. Anschließend sei - unstreitig - in der Presse über die geplanten Anteilsverkäufe berichtet worden. Dies sei auf die Indiskretion des Beteiligten zu 2) zurückzuführen. Der Verhandlungsprozess sei durch das Bekanntwerden erheblich gestört worden.
22Die Arbeitgeberin hat beantragt,
23den Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat der RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft mbH auszuschließen.
24Der Beteiligte zu 2) hat beantragt,
25den Antrag zurückzuweisen.
26Der Beteiligte zu 2) hat die Ansicht vertreten, der Antrag der Arbeitgeberin sei unzulässig geworden. Da nach Einleitung des Verfahrens eine Neuwahl des Betriebsrats stattgefunden habe, fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Er hat zudem bestritten, gegen die Geheimhaltungspflicht verstoßen zu haben.
27Der Beteiligte zu 3) hat keinen eigenen Antrag gestellt.
28Das Arbeitsgericht Oberhausen hat den Antrag der Arbeitgeberin mit Beschluss vom 03.07.2014 zurückgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
29Unter Zugrundelegung eines Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts vom 29.04.1969 - AZ: 1 ABR 19/68 - fehle es an dem Rechtsschutzbedürfnis für das vorliegende Verfahren. Ebenso wie ein Betriebsrat, dessen Amtszeit geendet habe, nicht mehr aufgelöst werden könne, sei auch der Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds nach Ablauf der Amtszeit nicht möglich. Der Gesetzgeber habe bewusst keine Regelung über den Verlust oder die Entziehung der Wählbarkeit aufgenommen. Diese gesetzliche Wertung würde missachtet, wenn das wiedergewählte Betriebsratsmitglied wegen einer Pflichtverletzung aus der vorangegangenen Amtszeit ausgeschlossen werden könnte.
30Gegen diesen der Arbeitgeberin am 16.07.2014 zugestellten Beschluss hat sie mit einem am 08.08.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese - nach einer Fristverlängerung bis zum 02.10.2014 - mit einem am 02.10.2014 eingegangenen Schriftsatz begründet.
31Die Beteiligte zu 1) rügt, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts im Beschluss vom 29.04.1969 gefolgt, dass das Rechtsschutzbedürfnis für ein Ausschlussverfahren entfalle, wenn die Amtszeit des betroffenen Betriebsratsmitglieds während des Verfahrens ende und es für die sich anschließende Amtsperiode wiedergewählt worden sei. Wenn die Pflichtverletzung eines einzelnen Betriebsratsmitglieds so gravierend sei, dass sie in die neue Amtszeit fortwirke, rechtfertige dies den Ausschluss des Betriebsratsmitglieds aus dem neu gewählten Betriebsrat. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Die massiven Verstöße des Beteiligten zu 2) gegen die Verschwiegenheitspflicht zum Zwecke der eigenen Wahlwerbung wögen so schwer, dass sie sich auf die neue Amtszeit belastend auswirkten. Die Vertrauensbeziehung sei zerstört. Die Arbeitgeberin müsse damit rechnen, dass der Beteiligte zu 2) in Zukunft wieder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihm in seiner Eigenschaft als Betriebsratsmitglied anvertraut würden, preisgeben werde.
32Die Beteiligte zu 1) beantragt,
33den Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 03.07.2014 - AZ: 4 BV 12/14 - abzuändern und den Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat der RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft auszuschließen.
34Der Beteiligte zu 2) beantragt,
35die Beschwerde zurückzuweisen.
36Der Beteiligte zu 2) verteidigt den angefochtenen Beschluss. Eine etwaige Pflichtverletzung in der vorangegangenen Amtsperiode könne nicht zum Ausschluss aus dem Betriebsrat in der laufenden Amtsperiode führen.
37Darüber hinaus bestreitet er, eine Pflichtverletzung begangen zu haben. Er verweist darauf, dass der Geschäftsführer Dr. T. auf der Betriebsversammlung im Herbst 2013 selbst eingeräumt habe, ein Verkauf könne nicht ausgeschlossen werden. Es sei klar gewesen, dass im Falle eines Verkaufs die Firma H. wieder als Käufer in Betracht kommen würde, da sie bereits in der Vergangenheit Interesse am Erwerb von Anteilen gezeigt habe.
38Der Beteiligte zu 3) stellt keinen eigenen Antrag.
39Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschriften vom 03.07.2014 und vom 23.01.2015, auf die Feststellungen unter Ziffer I. des angefochtenen Beschlusses sowie ergänzend auf sämtliche Schriftsätze nebst Anlagen sowie sonstige von den Beteiligten überreichte Unterlagen Bezug genommen.
40II.
41Die Beschwerde der Arbeitgeberin hat Erfolg. Der Beteiligte zu 2) ist aus dem Betriebsrat auszuschließen.
421.Gegen die Zulässigkeit der Beschwerde bestehen keine Bedenken.
43Die Beschwerde ist statthaft gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht im Sinne von § 87 Abs. 2 i. V. m. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
442.Die Beschwerde ist begründet.
45a)Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
46aa)Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, dass ein Ausschlussverfahren nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG mit Ablauf der Amtszeit, in der das Betriebsratsmitglied seine Pflichten grob verletzt haben soll, gegenstandslos wird und deshalb das Rechtsschutzbedürfnis für den Ausschlussantrag selbst dann wegfällt, wenn das Betriebsratsmitglied für die neue Amtsperiode wieder in den Betriebsrat gewählt worden ist (BAG v. 29.04.1969 - 1 ABR 19/68 - AP Nr. 9 zu § 23 BetrVG; ebenso LAG Hamm v. 20.03.2009 - 10 TaBV 149/08 - Rn. 64, juris, und v. 09.02.2007 - 10 TaBV 54/06 - Rn. 71, juris; LAG München v. 12.08.2008 - 6 TaBV 133/07 - Rn. 20, juris). Dem kann nur für den Fall zugestimmt werden, dass sich der Antrag unverändert auf den Ausschluss aus dem bisherigen Betriebsrat bezieht. Wird hingegen der Ausschluss aus dem neugewählten Betriebsrat beantragt, so ist das Rechtsschutzbedürfnis gegeben (ebenso LAG München v. 28.04.2014 - 2 TaBV 44/13 - Rn. 130, juris). Da das Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses dazu dient, die Gerichte vor einer unberechtigten Inanspruchnahme zu schützen (vgl. Musielak, ZPO, 11. Auflage 2014, vor § 253 ZPO Rn. 7), entfällt es nur bei objektiv sinnlosen Anträgen, d. h. wenn der Klagende kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann (Greger in Zöller, ZPO, 30. Auflage 2014, Vorbemerkung zu § 253 ZPO Rn. 18).
47Da der Ausschluss aus einem bereits beendeten Amt unmöglich ist, ist bei einer derartigen Konstellation das Festhalten an dem Antrag offensichtlich unsinnig. Soll das Betriebsratsmitglied hingegen aus dem neugewählten Betriebsrat ausgeschlossen werden, so gibt es für den Arbeitgeber keinen anderen Weg, als das Verfahren gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG durchzuführen. Ob dieses Begehren auf einen Pflichtverstoß gestützt werden kann, der in der vorherigen Amtszeit begangen wurde, ist allein eine Frage der Begründetheit des Antrags (LAG München v. 28.04.2014 a. a. O.).
48bb) Im Streitfall war der zum Schluss der mündlichen Anhörung erster Instanz gestellte Antrag der Arbeitgeberin nicht (mehr) auf einen Ausschluss aus dem bisherigen, sondern auf den Ausschluss aus dem am 15./16.04.2014 neu gewählten Betriebsrat gerichtet. Dies ergibt die erforderliche Auslegung des Antrags. Zwar ist der Antrag vom Wortlaut her unverändert geblieben, der Begründung lässt sich jedoch entnehmen, dass es der Arbeitgeberin nicht um eine reine Sanktion für die vergangene - vermeintliche - Pflichtverletzung ging. Sie hat vielmehr nach der Neuwahl ausgeführt, dass sich das Verhalten auf die derzeitige Amtsführung des Beteiligten zu 2) belastend auswirke. Hierdurch wird ihr Begehren eines Ausschlusses aus dem aktuellen Betriebsrat deutlich. Die Richtigkeit dieses Verständnisses hat sie zudem auf Nachfrage der Kammer ausdrücklich bestätigt.
49cc)Damit lag bereits erstinstanzlich eine (verdeckte) Antragsänderung vor, denn bei dem ursprünglich begehrten Ausschluss aus dem bis April 2014 amtierenden Betriebsrat und dem Antrag auf Ausschluss aus dem neugewählten Betriebsrat handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände. Diese Antragsänderung war zulässig.
50Gemäß § 81 Abs. 3 S. 1 ArbGG ist eine Antragsänderung im Beschlussverfahren u.a. dann zulässig, wenn das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Eine Sachdienlichkeit liegt vor, wenn der bisherige Streitstoff und das Ergebnis des bisherigen Verfahrens auch für die Entscheidung über den geänderten Antrag nutzbar gemacht werden können und wenn der Streit der Beteiligten mit einer Entscheidung über den geänderten Antrag endgültig oder besser beigelegt werden kann und ein weiteres Verfahren vermieden wird (Matthes/Spinner in Germelmann/Matthes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, 8. Auflage 2013, § 81 Rn. 91). Entscheidend ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit (BAG v. 06.12.2001 - 2 AZR 733/00 - AP Nr. 3 zu § 263 ZPO).
51Danach war die Antragsänderung hier sachdienlich. Da das Begehren des Ausschlusses aus dem aktuellen Betriebsrat nicht auf neue Vorwürfe gestützt wird, kann der bisherige Streitstoff vollumfänglich verwertet werden. Würde man die Antragsänderung nicht zulassen, wäre die Arbeitgeberin gezwungen, ein neues Ausschlussverfahren einzuleiten, was zu unnötigen Verzögerungen und zusätzlichen Kosten führen würde.
52b)Der Antrag ist begründet. Der Beteiligte zu 2) ist aus dem Betriebsrat auszuschließen. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 S.1 BetrVG liegen vor.
53aa)Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann ein Betriebsratsmitglied auf den Antrag des Arbeitgebers aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden, wenn es seine gesetzlichen Pflichten grob verletzt. Mit den gesetzlichen Pflichten sind die Amtspflichten des Betriebsratsmitglieds gemeint, d. h. diejenigen Pflichten, die sich aus dem Betriebsverfassungsrecht ergeben, denn es steht insoweit das Amt des Betriebsrates in Rede (BAG 05.09.1967 - 1 ABR 1/67, AP Nr. 8 zu § 23 BetrVG Rn. 33, 45; LAG Düsseldorf v. 09.01.2013 - 12 TaBV 93/12 - Rn. 40, juris). Die Pflichtverletzung muss "grob", nämlich objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend sein (vgl. BAG 22.06.1993 - 1 ABR 62/92 -, AP Nr. 22 zu § 23 BetrVG 1972; BAG 21.02.1978 - 1 ABR 54/76, BB 1978, 1116 Rn. 85; LAG Düsseldorf v. 09.01.2013 a. a. O.). Dies kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der betrieblichen Gegebenheiten und des Anlasses der Pflichtverletzung beurteilt werden (BAG 22.06.1993 a.a.O.; BAG 21.02.1978 a.a.O.; LAG Düsseldorf v. 09.01.2013 a. a. O). Die weitere Amtsausübung muss untragbar sein (BAG v. 22.06.1993 a.a.O.; LAG Düsseldorf v. 09.01.2013 aaO; LAG Berlin-Brandenburg v. 12.11.2012 - 17 TaBV 1318/12 - Rn. 26, NZA-RR 2013, 293).
54Ob die Pflichtverletzung stets schuldhaft, gegebenenfalls sogar vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen sein muss, ist streitig (verneinend BAG v. 05.09.1967 - 1 ABR 1/67 -; Oetker in Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz [GK-BetrVG], 10. Auflage 2014, § 23 BetrVG Rn. 47; bejahend Hess/Worzalla/Glock/Nicolai/Rose/Huke [HWGNRH] - Huke, BetrVG Kommentar, 9. Auflage 2014, § 23 BetrVG Rn. 17; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, Betriebsverfassungsgesetz, 27. Auflage 2014, § 23 BetrVG Rn. 16; für das Erfordernis einfaches Verschuldens: Thüsing in Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 14. Auflage 2014, § 23 BetrVG Rn. 28 ). Jedenfalls muss das Verhalten des Betriebsratsmitglieds aber das Vertrauen des Betriebsrats zur Belegschaft oder aber zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber (vgl. BAG v. 05.09.1967 a.a.O.) oder aber innerhalb des Gremiums in hohem Maße erschüttern. Auf dieses Vertrauen ist der Betriebsrat angewiesen, um seine gesetzlichen Aufgaben zum Wohle der Gemeinschaft erfüllen zu können (vgl. wiederum BAG v. 05.09.1967 a.a.O.).
55bb)Die dargestellten Voraussetzungen zum Ausschluss aus dem Betriebsrat sind gegeben. Der Beteiligte zu 2) hat in grober Weise gegen seine Verschwiegenheitspflicht verstoßen.
56aaa)Gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats verpflichtet, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekannt geworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten.
57(1)Bei den am 21.01.2014 seitens der Geschäftsführung gegebenen Informationen handelte es sich um Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse.
58Unter den Begriff des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsachen, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem Willen des Betriebsinhabers aufgrund eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses geheim gehalten werden sollen (BAG v. 10.03.2009 - 1 ABR 87/07 - Rn. 25, AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972; BAG v. 13.02.2007 - 1 ABR 14/06 - Rn. 32, AP Nr. 81 zu § 118 BetrVG 1972; BAG v. 26.02.1987 - 6 ABR 46/84 - AP Nr. 2 zu § 79 BetrVG 1972; BAG v. 16.03.1982 - 3 AZR 83/79 - AP Nr. 1 zu § 611 BGB Betriebsgeheimnis).
59Bei der Information, dass der Gesellschafter RWE u.a. mit der Firma H. Verhandlungen über einen Verkauf von Teilen der Gesellschaftsanteile führt, handelte es sich im Januar/Februar 2014 um ein derartiges Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnis. Es betraf eine Tatsache, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betrieb der Beteiligten zu 1) steht. Sie war nicht offenkundig, sondern zum damaligen Zeitpunkt nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt. Dem steht nicht entgegen, dass der Geschäftsführer Dr. T. bereits auf der Betriebsversammlung am 17.10.2013 auf Nachfrage des Beteiligten zu 2) erklärt hat, ein Verkauf von Anteilen könne nicht ausgeschlossen werden. Die Führung konkreter Verhandlungen gerade zum damaligen Zeitpunkt hat er mit der Einräumung der abstrakten Möglichkeit eines Anteilsverkaufs nicht eingeräumt. Zudem hat er unstreitig keinen potentiellen Verkäufer genannt. Allein daraus, dass H. in der Vergangenheit als Kaufinteressent in Erscheinung getreten ist, folgt nicht, dass konkrete Verkaufsverhandlungen mit diesem Unternehmen im Januar/Februar 2014 mehr als nur dem an den Verkaufsverhandlungen beteiligten Personenkreis bekannt waren. Schließlich handelte es sich um Tatsachen, die nach dem berechtigten wirtschaftlichen Interesse des Betriebsinhabers geheim zu halten waren. Zum einen liegt es auf der Hand, dass die vorzeitige Bekanntgabe aufgrund der öffentlichen Reaktionen, insbesondere des zu erwartenden Medienechos, zu Störungen der Verkaufsverhandlungen hätte führen können - und wohl auch geführt hat -, zum anderen stand zu befürchten, dass der Betriebsablauf durch die bei Bekanntgabe der Nachricht entstehende Unruhe innerhalb der Belegschaft gestört werden würde.
60(2)Die Arbeitgeberin hat diese Informationen ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet.
61bbb)Gegen diese Geheimhaltungspflicht hat der Beteiligte zu 2) jedenfalls am 20.02.2014 verstoßen, als er die Informationen im Rahmen der Betriebsversammlung an die Belegschaft weitergegeben hat.
62Zunächst einmal hat er die Belegschaft darüber informiert, dass RWE zum damaligen Zeitpunkt konkret die Absicht hatte, Anteile zu verkaufen. Dass er dies mit der unzutreffenden Behauptung verknüpft hat, es handle sich um eine Information aus der letzten Betriebsversammlung, vermag den darin liegenden Geheimnisverrat nicht zu kaschieren. Darüber hinaus hat er ausdrücklich den Interessenten H. benannt.
63ccc)Es handelte sich um einen groben Pflichtenverstoß.
64Der Beteiligte zu 2) hat vorsätzlich gegen die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht verstoßen. Dies lässt sich aus dem zeitlichen Ablauf ersehen. Schon am 03.07.2013 hat er vergeblich versucht, einen - unwirksamen - Betriebsratsbeschluss über die Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht zu den von Dr. T. am 22.05.2013 gegebenen Informationen herbeizuführen. Sodann hat er am 17.02.2014 das Forum einer Mitgliederversammlung/Vertrauensleutesitzung genutzt, um das Thema Anteilsverkauf zu erörtern. Ob er bereits zum damaligen Zeitpunkt Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse weitergegeben hat, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist er in diesem Zusammenhang ausdrücklich vom Betriebsratsvorsitzenden auf seine Verschwiegenheitspflicht hingewiesen worden. Auch dies hat beim Beteiligten zu 2) jedoch kein Umdenken in seiner Einstellung zur Verschwiegenheitspflicht bewirkt. Stattdessen hat er am 20.02.2014 zunächst die konkreten Verkaufsverhandlungen offenbart und dann - trotz des erneuten Hinweises des Betriebsratsvorsitzenden auf die Schweigepflicht - sogar einen an den Verhandlungen beteiligten potentiellen Käufer benannt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beteiligte zu 2) am 20.02.2014 aus egoistischen Motiven, nämlich zum Zwecke der eigenen Wahlwerbung gehandelt hat. Zugleich hat er seine Pflichtverstöße mit der Ankündigung verbunden, sich auch in Zukunft nicht an die Verschwiegenheitspflicht halten zu wollen, wie er gegen Ende seiner Rede zum Ausdruck gebracht hat: "Ich wünsche mir einen Betriebsrat, der vor dem Verkauf des Wasserwerkes aktiv wird und nicht erst dann, wenn das Kind im Brunnen liegt. Anstatt sich in Verschwiegenheit zu üben, sollte der Vorgang transparent sein." Mit anderen Worten: Der Beteiligte zu 2) kritisiert die anderen Betriebsratsmitglieder dafür, dass sie sich an ihre gesetzlichen Pflichten zur Verschwiegenheit halten, und wirbt dafür, ihn zu wählen, weil er dies anders handhabt.
65ddd)Der Beteiligte zu 2) ist aus dem aktuellen Betriebsrat auszuschließen, obwohl der Verstoß aus der vorangegangenen Amtszeit stammt.
66(1)Ob eine Amtspflichtverletzung in der vorangegangenen Amtszeit in der folgenden Amtsperiode zu dem Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds führen kann, ist umstritten.
67Eine Auffassung lehnt dies grundsätzlich ab (BAG v. 29.04.1969 - 1 ABR 19/68 - AP Nr. 9 zu § 23 BetrVG; LAG München v. 28.04.2014 - 2 TaBV 44/13 - Rn. 131 ff., juris; LAG München v. 12.08.2008 - 6 TaBV 133/07 - Rn. 20, juris; Hess. LAG v. 03.09.2009 - 9 TaBVGa 159/09 - Rn. 19, NZA-RR 2010, 246; Fitting u.a., § 23 BetrVG Rn. 25; Trittin in Däubler/Kittner/Klebe/Wedde [DKKW], Betriebsverfassungsgesetz, 14. Auflage 2014). Zur Begründung wird auf die Gesetzessystematik verwiesen. § 23 Abs. 1 BetrVG regele nicht nur den Ausschluss eines einzelnen Betriebsratsmitglieds, sondern auch die Auflösung des gesamten Betriebsrats. Letzteres sei aber nach Ablauf der Amtszeit selbst dann nicht mehr möglich, wenn der neue mit dem alten Betriebsrat personenidentisch sei. § 24 BetrVG lasse für den Verlust des Amtes u.a. den Ablauf der Amtszeit maßgebend sein. Nach § 21 BetrVG beginne die Amtszeit mit der Wahl bzw., wenn zu dieser Zeit noch ein Betriebsrat bestehe, mit Ablauf von dessen Amtszeit. In gleicher Weise unterscheide das Gesetz in § 22 BetrVG für die Fälle der vorzeitigen Neuwahl zwischen dem alten und dem neuen Betriebsrat. Diese von der Gesetzessystematik gebotene Auslegung müsse auch im Falle der Wiederwahl gelten, denn der Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds stehe seiner Wiederwahl nicht entgegen. Die Wiederwahl stelle einen Vertrauensbeweis für das betreffende Betriebsratsmitglied dar. Die durch die Neuwahl geschaffene Vertrauenslage würde zerstört, wenn das auf die alten Vorkommnisse zurückgehende Ausschlussverfahren jetzt noch zum Ausschluss führen könnte. Überdies würde die Mitgliedschaft eines solchen Arbeitnehmers in dem neuen Betriebsrat während der gesamten Amtszeit und damit in gewissem Sinne auch seine Wählbarkeit von dem Zufall abhängen, ob das Ausschlussverfahren noch in der alten oder erst in der neuen Amtszeit rechtskräftig beendet wird. Würde man den Ausschluss auch für die neue Amtszeit für zulässig erachten, so würde die Entscheidung des Gerichts das neue Amt beenden, obwohl dem Arbeitnehmer aus seiner Mitgliedschaft in dem neuen Betriebsrat keine Vorwürfe im Sinne des § 23 BetrVG gemacht werden könnten (BAG v. 29.04.1969, unter II. 2. e) der Gründe, a. a. O.).
68Die Gegenansicht hält einen Ausschluss für möglich, sofern sich die vorangegangene Pflichtverletzung auf die Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds belastend fortwirke (GK-Oetker, § 23 BetrVG Rn. 55; Richardi - Thüsing, Betriebsverfassungsgesetz, 14. Auflage 2014, § 23 BetrVG Rn. 26; HWGNRH - Huke, § 23 BetrVG Rn. 19; offen gelassen vom LAG Hamm im Beschuss v. 09.02.2007 - 10 TaBV 54/06 - Rn. 72).
69(2)Jedenfalls für die vorliegende Fallkonstellation, in der eine unmittelbar vor der Neuwahl des Betriebsrats begangene Pflichtverletzung konkrete Auswirkungen auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen neuem Betriebsrat und Arbeitgeber hat, folgt die Kammer der letztgenannten Ansicht.
70Dem Wortlaut des § 23 Abs.1 BetrVG lässt sich nicht entnehmen, ob nur Pflichtverletzungen während der gerade laufenden Amtszeit zum Ausschluss führen können oder ob auch eine Pflichtverletzung in der vorausgegangenen Amtsperiode genügt (ebenso BAG v. 29.04.1969 - 1 ABR 19/68 -, unter Ziffer II. 2. a) der Gründe, a. a. O.).
71Aus der vom Bundesarbeitsgericht im Beschluss v. 29.04.1969 aufgeführten Gesetzessystematik lässt sich lediglich schließen, dass sich ein auf den Ausschluss aus dem bisherigen Betriebsrat gerichteter Antrag mit der Neuwahl eines Betriebsrats erledigt, da die bisherige Amtszeit endet und eine neue Amtszeit beginnt. Diesbezüglich gibt es keinerlei Unterschied zu der zweiten in § 23 Abs. 1 BetrVG geregelten Fallgestaltung, der Auflösung eines Betriebsrats. Hingegen enthalten weder § 21 noch § 22 oder § 24 BetrVG Anhaltspunkte dafür, inwieweit eine vorangegangene Pflichtverletzung in einem Verfahren nach § 23 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BetrVG von Relevanz sein kann, sofern ein Ausschluss aus dem neugewählten Betriebsrat beantragt wird.
72Aus der Tatsache, dass das Gesetz die Wiederwahl eines wirksam ausgeschlossenen Betriebsratsmitglieds nicht ausschließt, können keinerlei Rückschlüsse gezogen werden. Es geht hier nicht um die Wiederwahl eines bereits ausgeschlossenen Betriebsratsmitglieds, sondern um die Berechtigung eines solchen Ausschlusses. Aber auch aus der Wählbarkeit eines Arbeitnehmers, der bereits zum Zeitpunkt der Wahl durch eine grobe Pflichtwidrigkeit einen Ausschlussgrund gesetzt hat, können keine Rückschlüsse auf die Begründetheit eines Antrags nach § 23 Abs. 1 BetrVG gezogen werden. Eine etwaige Regelung, die bereits im Falle des Vorliegens eines Ausschlussgrundes die Wählbarkeit entfallen ließe, fehlt aus gutem Grunde. Sie wäre nämlich systemwidrig. Ein Ausschlussgrund müsste nämlich dann vom Wahlvorstand von Amts wegen berücksichtigt werden, während der Ausschluss gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG eines Antrags der dort genannten Antragsberechtigten bedarf. Zudem hätte der Entfall der Wählbarkeit viel gravierende Folgen, denn sie würde ohne vorherige gerichtliche Prüfung des Vorliegens eines Ausschlussgrundes mit sofortiger Wirkung greifen, während der Ausschluss nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG erst ab Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung Wirkung entfaltet.
73Nicht überzeugend ist das Argument, in der Wiederwahl liege ein Vertrauensbeweis für das Betriebsratsmitglied und diese durch die Neuwahl geschaffene Vertrauensgrundlage würde zerstört, wenn das auf die alten Vorkommnisse zurückgehende Ausschlussverfahren jetzt noch zum Ausschluss führen könnte. Zum einen kann durch die Neuwahl allenfalls eine etwaig zerstörte Vertrauensgrundlage zwischen Betriebsratsmitglied und Belegschaft, nicht aber zerstörtes Vertrauen zwischen Betriebsratsmitglied und Arbeitgeber und/oder Betriebsrat wiederhergestellt werden. Zum anderen würde ein solcher "Vertrauensbeweis" voraussetzen, dass die gesamte Wählerschaft sowohl Kenntnis von einem laufenden Ausschlussverfahren als auch von den darin erhobenen Vorwürfen hat. Das lässt sich jedenfalls im vorliegenden Fall nicht feststellen.
74Auch die vom Arbeitsgericht vorgebrachte Begründung, es dürfe nicht von der Zufälligkeit des Zeitpunkts des rechtskräftigen Abschlusses eines Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG abhängen, ob der Ausschluss für die alte oder die neue Amtszeit greife, vermag nicht zu überzeugen. Das Bundesarbeitsgericht hat mit diesem Argument lediglich aufgezeigt, dass man zu unbefriedigenden Ergebnissen kommen würde, wenn man annähme, dass ein Ausschlussverfahren sich (automatisch) auf den neuen Betriebsrat erstrecken würde. Mit der Frage, was im Falle einer Antragsänderung gilt, musste und konnte sich das Bundesarbeitsgericht in dem Beschluss vom 29.04.1969 nicht auseinandersetzen, da Antragsänderungen im Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unzulässig sind (vgl. BAG v. 15.04.2014 - 1 ABR 80/12 - Rn. 18, NZA 2015, 62; grundlegend BAG v. 27.04.1962 - 1 ABR 1/59 - AP Nr. 2 zu § 80 ArbGG 1953).
75Der Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 S. 1 Alt.1 BetrVG spricht dafür, zumindest in den Fällen, in denen sich eine Pflichtverletzung in der vorangegangenen Amtsperiode konkret auf die Amtsführung in der laufenden Amtszeit auswirkt, einen Ausschluss zuzulassen. § 23 BetrVG dient insgesamt der Durchführung der Betriebsverfassung (Richardi-Thüsing, § 23 BetrVG Rn. 1). Mittelbar dient die Norm damit der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats und des gesetzmäßigen Verhaltens der Betriebspartner (Fitting § 23 Rn. 1; DKKW - Trittin, § 23 BetrVG Rn. 5). Durch § 23 Abs. 1 BetrVG soll zugleich ein Mindestmaß der gesetzlichen Amtsausübung des Betriebsrats sichergestellt werden (vgl. GK-BetrVG/Oetker, § 23 BetrVG Rn. 15; Richardi - Thüsing, § 23 BetrVG Rn. 3). Dabei soll durch die Vorschrift auch die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern einerseits und dem Arbeitgeber andererseits abgesichert werden (GK-BetrVG/Oetker, § 23 Rn. 54). Das lässt sich daraus ersehen, dass nicht nur dem Betriebsrat, sondern auch dem Arbeitgeber ein Antragsrecht zusteht.
76Für die Beantwortung der Frage, ob eine grobe Pflichtverletzung zu Beeinträchtigungen bei der Durchführung der Betriebsverfassung führt, ist aber nicht der Zeitpunkt der Pflichtverletzung, sondern allein deren Auswirkung entscheidend. Führt daher eine vorangegangene Pflichtverletzung konkret zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des aktuellen Betriebsrats oder der vertrauensvollen Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat in der laufenden Amtszeit, so wäre es mit dem in § 23 BetrVG zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Anliegen nicht vereinbar, wenn ein Ausschluss des die Störung verursachenden Betriebsratsmitglieds nicht möglich wäre.
77(3)Die grobe Pflichtwidrigkeit des Beteiligten zu 2) wirkt sich auf die Durchführung der Betriebsverfassung im Betrieb der Arbeitgeberin aus.
78Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Betriebsparteien ist in der laufenden Amtsperiode ausgeschlossen, solange der Beteiligte zu 2) Mitglied des Betriebsrats ist. Wenn nicht sichergestellt ist, dass jedes Betriebsratsmitglied sich an seine Verschwiegenheitspflicht hält, steht nicht zu erwarten, dass die Arbeitgeberin dem Betriebsrat geheimhaltungsbedürftige oder aber sonstige vertrauliche Informationen gibt. Insoweit wirkt sich das Verhalten des Beteiligten zu 2) deshalb konkret auf die laufende Zusammenarbeit der Betriebsparteien aus, da er in seiner Rede am 20.02.2014 nicht nur ihm in seiner Eigenschaft als Betriebsratsmitglied anvertraute geheimhaltungsbedürftige Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse offenbart, sondern zugleich zum Ausdruck gebracht hat, dies auch zukünftig zu tun. Nicht anders lässt sich seine Äußerung "Ich wünsche mir einen Betriebsrat, der vor dem Verkauf des Wasserwerkes aktiv wird und nicht erst dann, wenn das Kind im Brunnen liegt. Anstatt sich in Verschwiegenheit zu üben, sollte der Vorgang transparent sein." verstehen. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine Ankündigung, sondern - schlimmer noch - um ein seinen Wählern gegebenes Versprechen. Es kann dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, dem Betriebsrat in Kenntnis dieser Ankündigung Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse anzuvertrauen und erst nach einem erneuten Verstoß des Beteiligten zu 2) ein Ausschlussverfahren einzuleiten.
79III.
80Die Rechtsbeschwerde war gem. § 92 Abs. 1 S.2 i. V. m. § 72 Abs.2 Nr.1 u. 2 ArbGG zuzulassen.
81RECHTSMITTELBELEHRUNG
82Gegen diesen Beschluss kann von den Beteiligten zu 2) und 3)
83R E C H T S B E S C H W E R D E
84eingelegt werden.
85Für die Beteiligte zu 1) ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
86Die Rechtsbeschwerde muss
87innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
88nach der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses schriftlich oder in elektronischer Form beim
89Bundesarbeitsgericht
90Hugo-Preuß-Platz 1
9199084 Erfurt
92Fax: 0361-2636 2000
93eingelegt werden.
94Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
95Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
961.Rechtsanwälte,
972.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
983.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
99In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Rechtsbeschwerdeschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
100Beteiligte, die als Bevollmächtigte zugelassen sind, können sich selbst vertreten.
101Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Rechtsbeschwerde wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
102* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
103BarthDr. FülbierAlaeddin
Tenor
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Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 2. Juli 2013 - 1 TaBV 35/12 - unter Zurückweisung der Rechtsbeschwerde im Übrigen teilweise aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
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Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 22. November 2012 - 8 BV 802/12 - abgeändert.
-
Die Anträge des Betriebsrats werden abgewiesen.
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Auf den Antrag des Beteiligten zu 3. wird die Arbeitgeberin verpflichtet, die dem Beteiligten zu 3. mit Schreiben vom 14. Dezember 2011 ausgesprochene Abmahnung als Betriebsrat aus dessen Personalakte zu entfernen.
Gründe
- 1
-
A. Die Beteiligten streiten über die Berechtigung einer dem Betriebsratsvorsitzenden erteilten Abmahnung.
- 2
-
Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin ist im Land Bremen mit der Müllentsorgung und der Stadtreinigung betraut. In ihrem Betrieb ist der zu 1. beteiligte Betriebsrat gebildet, dessen Vorsitzender der Beteiligte zu 3. ist. Die Arbeitgeberin gehört zum N-Konzern, in dem ein Konzernbetriebsrat gebildet ist, dessen Mitglied der Beteiligte zu 3. ist.
- 3
-
Im Mai 2011 schloss die Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über den Einsatz von Leiharbeitnehmern in einem ihrer Bereiche ab. Diese Betriebsvereinbarung versandte der Betriebsratsvorsitzende im Dateianhang einer E-Mail vom 9. Dezember 2011 an alle Arbeitnehmer des Konzerns und schrieb dazu auszugsweise, die angehängte Betriebsvereinbarung solle eine mögliche Hilfestellung für alle Betriebsräte des Konzerns sein, er werde auch zukünftig Mails mit Anregungen und Anhängen verschicken.
- 4
-
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2011 erteilte die Arbeitgeberin dem Betriebsratsvorsitzenden daraufhin eine „Abmahnung als Betriebsrat“, die zu dessen Personalakte genommen wurde. Darin heißt es:
-
„Sehr geehrter Herr A,
am 09.12.2011 haben Sie sich mit einer E-Mail an alle Mitarbeiter des N Konzerns gewandt. Hierbei haben Sie die BV Leiharbeit der E versandt.
Ihr Verhalten stellt einen Verstoß gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit dar. Aufgrund ihrer Position sind Sie lediglich berechtigt, sich an Mitarbeiter der E zu wenden. Ferner sind Sie nicht berechtigt, Betriebsvereinbarungen der E an Mitarbeiter außerhalb der E zu versenden. Hierbei handelt es sich um externe Dritte, selbst wenn sie dem N Konzern angehören.
Für Ihr Fehlverhalten mahnen wir Sie hiermit ab. Sollten Sie erneut gegen das Prinzip der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen und sich in entsprechender Art und Weise pflichtwidrig verhalten, müssen Sie damit rechnen, dass wir Ihren Ausschluss als Betriebsratsmitglied beim Arbeitsgericht beantragen werden (§ 23 BetrVG). Gegebenenfalls könnte sogar eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommen.
…“
- 5
-
In dem vom Betriebsrat am 11. Januar 2012 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren kündigte dieser einen Abmahnungsentfernungsantrag an. Mit einem am 7. September 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz wurden sowohl für den Betriebsrat als auch für den Betriebsratsvorsitzenden Abmahnungsentfernungsanträge angekündigt, die mit weiterem Schriftsatz vom 8. November 2012 um einen auf die Unwirksamkeit der Abmahnung gerichteten (Hilfs-)Feststellungsantrag ergänzt wurden. In der Anhörung vor dem Arbeitsgericht stellte ausweislich der Sitzungsniederschrift allein der Betriebsrat den Feststellungs- und den Abmahnungsentfernungsantrag. Im Beschwerdeverfahren stellte auch der Betriebsratsvorsitzende einen Abmahnungsentfernungsantrag.
- 6
-
Der Betriebsrat und der Betriebsratsvorsitzende haben die Auffassung vertreten, die Abmahnung behindere sie in unzulässiger Weise iSv. § 78 Satz 1 BetrVG. Eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung sei grundsätzlich nicht zulässig. Sie dürfe jedenfalls nicht zur Personalakte genommen werden. Ein Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten sei nicht zugleich eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, weshalb allein die Kündigungsandrohung in der Abmahnung zu deren Unwirksamkeit führe. Die Abmahnung sei zudem unbestimmt und auch inhaltlich unberechtigt.
- 7
-
Der Betriebsrat hat beantragt
-
1.
festzustellen, dass die dem Beteiligten zu 3. mit Schreiben vom 14. Dezember 2011 ausgesprochene Abmahnung als Betriebsrat unwirksam ist,
2.
die Beteiligte zu 2. zu verpflichten, die dem Beteiligten zu 3. mit Schreiben vom 14. Dezember 2011 ausgesprochene Abmahnung als Betriebsrat aus dessen Personalakte zu entfernen.
- 8
-
Der Beteiligte zu 3. hat beim Landesarbeitsgericht beantragt,
-
die Beteiligte zu 2. zu verpflichten, die ihm mit Schreiben vom 14. Dezember 2011 ausgesprochene Abmahnung als Betriebsrat aus seiner Personalakte zu entfernen.
- 9
-
Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, dem Betriebsrat fehle die Aktivlegitimation, da nicht er, sondern der Betriebsratsvorsitzende eine Abmahnung erhalten habe. Die Abmahnung sei wirksam. Der Betriebsratsvorsitzende habe seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verletzt, indem er sich pflichtwidrig an alle Mitarbeiter des Konzerns und damit auch an externe Dritte gewandt und die Betriebsvereinbarung an diese versandt habe. Der Betriebsratsvorsitzende habe erstinstanzlich keinen Antrag gestellt und könne dies auch nicht im Beschlussverfahren, sondern nur im Urteilsverfahren. Dessen erstmalige Antragstellung im Beschwerdeverfahren sei unzulässig.
- 10
-
Das Arbeitsgericht hat den erstinstanzlich in der Anhörung gestellten Anträgen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen und dabei sowohl dem Feststellungsantrag als auch dem Abmahnungsentfernungsantrag des Betriebsrats und des Betriebsratsvorsitzenden entsprochen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin die Abweisung der Anträge. Der Betriebsrat und der Betriebsratsvorsitzende beantragen die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde. Der Betriebsratsvorsitzende hat in der Anhörung vor dem Senat erklärt, er erstrebe die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte, nicht jedoch die Feststellung, dass die Abmahnung unwirksam ist.
- 11
-
B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hat Erfolg, soweit das Landesarbeitsgericht den Anträgen des Betriebsrats und einem Feststellungsantrag des Betriebsratsvorsitzenden entsprochen hat. Im Übrigen ist sie unbegründet. Die Anträge des Betriebsrats sind abzuweisen. Der Betriebsratsvorsitzende hatte keinen Feststellungsantrag gestellt; insoweit ist die angefochtene Entscheidung gegenstandslos. Der Abmahnungsentfernungsantrag des Betriebsratsvorsitzenden ist - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat - begründet.
- 12
-
I. Die Vorinstanzen haben den Anträgen des Betriebsrats zu Unrecht stattgegeben. Der vom Betriebsrat gestellte Feststellungsantrag ist unzulässig, sein Abmahnungsentfernungsantrag ist unbegründet.
- 13
-
1. Der Betriebsrat verfolgt die von ihm gestellten Anträge in der zutreffenden Verfahrensart des Beschlussverfahrens. Bei den erhobenen Ansprüchen des Betriebsrats handelt es sich um „Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz“ iSv. § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, bei denen nach § 2a Abs. 2, § 80 Abs. 1 ArbGG das Beschlussverfahren stattfindet. Der Betriebsrat beruft sich auf seine Rechte als Träger der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung. Es geht ihm um die Feststellung der Rechtsbeziehungen zwischen den Betriebsparteien und um einen seiner Auffassung nach betriebsverfassungsrechtlichen Leistungsanspruch. Eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit entfällt nicht schon deshalb, weil es in diesem Zusammenhang um eine dem Betriebsratsvorsitzenden ggf. auch als Arbeitnehmer erteilte Abmahnung geht. Entscheidend ist, ob sich das Verfahren auf das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis der Betriebspartner bezieht. Das ist hier der Fall. Ein Urteilsverfahren könnte der Betriebsrat mangels Parteifähigkeit gar nicht betreiben. Nur im Beschlussverfahren ist er nach § 10 Satz 1 Halbs. 2 ArbGG beteiligtenfähig (vgl. BAG 4. Dezember 2013 - 7 ABR 7/12 - Rn. 12).
- 14
-
2. Der vom Betriebsrat gestellte Feststellungsantrag ist unzulässig.
- 15
-
a) Allerdings fehlt dem Betriebsrat für diesen Antrag nicht die erforderliche Antragsbefugnis iSv. § 81 Abs. 1 ArbGG.
- 16
-
aa) Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist ein Beteiligter antragsbefugt iSv. § 81 Abs. 1 ArbGG, wenn er eigene Rechte geltend macht. Ebenso wie die Prozessführungsbefugnis im Urteilsverfahren dient die Antragsbefugnis im Beschlussverfahren dazu, Popularklagen auszuschließen. Im Beschlussverfahren ist die Antragsbefugnis gegeben, wenn der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in seiner kollektivrechtlichen Rechtsposition betroffen sein kann. Das ist regelmäßig der Fall, wenn er eigene Rechte geltend macht und dies nicht von vornherein als aussichtslos erscheint (BAG 4. Dezember 2013 - 7 ABR 7/12 - Rn. 15; 5. März 2013 - 1 ABR 75/11 - Rn. 17).
- 17
-
bb) Danach ist der Betriebsrat für die begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der dem Betriebsratsvorsitzenden erteilten Abmahnung antragsbefugt. Er stützt das Feststellungsbegehren auf eine (behauptete) Behinderung seiner Amtsführung. Nach seinem Vorbringen in der Antragsbegründung nimmt er Bezug auf die Schutzbestimmung des § 78 Satz 1 BetrVG, der er - jedenfalls auch - eine gremienschutzbezogene Intention beimisst. Damit macht er ein eigenes Recht geltend. Es erscheint nicht „auf der Hand liegend“ ausgeschlossen, die begehrte Feststellung auf § 78 Satz 1 BetrVG zu stützen(vgl. BAG 4. Dezember 2013 - 7 ABR 7/12 - Rn. 16).
- 18
-
b) Der Feststellungsantrag des Betriebsrats ist aber unzulässig, weil er nicht die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO erfüllt.
- 19
-
aa) Nach dem im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren § 256 Abs. 1 ZPO kann die gerichtliche Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses beantragt werden, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an einer entsprechenden alsbaldigen richterlichen Entscheidung hat(vgl. zB BAG 24. April 2007 - 1 ABR 27/06 - Rn. 15, BAGE 122, 121). Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Dabei sind einzelne Rechte und Pflichten ebenso Rechtsverhältnisse wie die Gesamtheit eines einheitlichen Schuldverhältnisses. Kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO sind dagegen abstrakte Rechtsfragen, bloße Elemente eines Rechtsverhältnisses oder rechtliche Vorfragen. Die Klärung solcher Fragen liefe darauf hinaus, ein Rechtsgutachten zu erstellen. Das ist den Gerichten verwehrt (vgl. BAG 4. Dezember 2013 - 7 ABR 7/12 - Rn. 18; 18. Januar 2012 - 7 ABR 73/10 - Rn. 35 mwN, BAGE 140, 277). So ist etwa die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts kein zulässiger Gegenstand einer Feststellungsklage (vgl. BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 21 mwN, BAGE 131, 176).
- 20
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bb) Die begehrte Feststellung, dass die Abmahnung vom 14. Dezember 2011 unwirksam ist, betrifft kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Der Antrag ist auf die Feststellung der Unwirksamkeit einer Erklärung gerichtet. Der Sache nach erstrebt der Betriebsrat mit ihm die rechtliche Begutachtung einer Vorfrage für einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte (vgl. zu einem auf die Feststellung der Unwirksamkeit einer Abmahnung gerichteten Antrag bereits BAG 4. Dezember 2013 - 7 ABR 7/12 - Rn. 18 f.).
- 21
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3. Der Abmahnungsentfernungsantrag des Betriebsrats ist unbegründet.
- 22
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a) Der Antrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt. Der Betriebsrat ist auch antragsbefugt iSv. § 81 Abs. 1 ArbGG. Er macht den Abmahnungsentfernungsanspruch als - nach seiner Auffassung aus § 78 Satz 1 BetrVG folgendes - eigenes Recht geltend. Es erscheint nicht von vornherein als aussichtslos, den streitbefangenen Anspruch auf diese kollektivrechtliche Schutzbestimmung zu stützen. Ob das vom Betriebsrat verfolgte Recht tatsächlich besteht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BAG 4. Dezember 2013 - 7 ABR 7/12 - Rn. 31).
- 23
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b) Der Antrag ist unbegründet. Der vom Betriebsrat geltend gemachte Anspruch kann nicht auf § 78 Satz 1 BetrVG gestützt werden. Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Insoweit kann dahinstehen, ob die Abmahnung vom 14. Dezember 2011 dem Betriebsratsvorsitzenden zu Unrecht erteilt worden ist und der Betriebsrat damit in der Ausübung seiner Tätigkeit entgegen § 78 Satz 1 BetrVG gestört oder behindert worden ist. Jedenfalls trägt § 78 Satz 1 BetrVG die vom Betriebsrat erstrebte Rechtsfolge nicht.
- 24
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aa) Zwar ist der Betriebsrat vom Schutz des § 78 Satz 1 BetrVG erfasst. Auch ist der Begriff der Behinderung in § 78 Satz 1 BetrVG umfassend zu verstehen. Er betrifft jede unzulässige Erschwerung, Störung oder gar Verhinderung der Betriebsratsarbeit. Ein Verschulden oder eine Behinderungsabsicht des Störers ist nicht erforderlich (vgl. BAG 4. Dezember 2013 - 7 ABR 7/12 - Rn. 34, 36; 20. Oktober 1999 - 7 ABR 37/98 - zu B I 2 b bb der Gründe mwN).
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bb) Aus § 78 Satz 1 BetrVG folgt aber kein Anspruch des Betriebsrats auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte eines seiner Mitglieder. Hierbei handelt es sich um ein höchstpersönliches Recht des betroffenen Betriebsratsmitglieds, das diesem und nicht einem dritten Gremium zusteht. Dem Betriebsrat kommt kein - im Wege der Rechtsfortbildung anzunehmendes - kollektivrechtlich begründetes Recht zu, hinter dem die Individualrechte der Betriebsratsmitglieder zurückzutreten hätten. Der Betriebsrat ist im Fall einer Störung oder Behinderung seiner Tätigkeit verfahrensrechtlich nicht rechtlos gestellt. Er kann dem mit Unterlassungsbegehren - ggf. auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes - begegnen (ausführlich BAG 4. Dezember 2013 - 7 ABR 7/12 - Rn. 38 f.).
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II. Soweit das Landesarbeitsgericht einem Feststellungsantrag des Betriebsratsvorsitzenden entsprochen hat, ist die Entscheidung aufzuheben, weil dieser einen solchen Antrag nicht gestellt hat (§ 308 ZPO).
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1. Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was sie nicht beantragt hat. Die Bestimmung gilt auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren (BAG 9. Dezember 2009 - 7 ABR 46/08 - Rn. 10, BAGE 132, 357). Der gestellte Antrag begrenzt und bestimmt den Gegenstand des Beschlussverfahrens (BAG 13. November 1991 - 7 ABR 18/91 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 69, 49). Das Abweichen von den gestellten Sachanträgen ist im dritten Rechtszug von Amts wegen zu beachten (BAG 9. Dezember 2009 - 7 ABR 46/08 - Rn. 10, aaO; 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - zu B I der Gründe, BAGE 106, 111). Eine Entscheidung, die gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstößt, ist insoweit gegenstandslos(vgl. zu dieser Rechtsfolge: BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 238/10 - Rn. 54; 21. Juli 2009 - 9 AZR 378/08 - Rn. 18; 28. Februar 2006 - 1 ABR 1/05 - Rn. 29, BAGE 117, 123).
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2. Das Landesarbeitsgericht hat dadurch, dass es einem Feststellungsantrag des Betriebsratsvorsitzenden stattgegeben hat, diesem „mehr“ zugesprochen, als er beantragt hat. Dieser hat weder erstinstanzlich noch in der Beschwerdeinstanz einen auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Abmahnung gerichteten Antrag gestellt. Das über die mündliche Anhörung vor dem Arbeitsgericht gefertigte Sitzungsprotokoll beweist gemäß § 80 Abs. 2 ArbGG, § 165 Satz 1 iVm. §§ 297, 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, dass der Betriebsrat, nicht aber der Betriebsratsvorsitzende die zu Protokoll erklärten Anträge gestellt hat. Die vom Betriebsratsvorsitzenden beim Arbeitsgericht schriftsätzlich angekündigten Anträge wurden nicht protokolliert. Aus dem erstinstanzlichen Beschluss ergibt sich nichts anderes. In dessen Tatbestandsteil ist - in Übereinstimmung mit dem Sitzungsprotokoll - aufgenommen, dass (nur) der Betriebsrat beide Anträge gestellt hat. Auch in den Gründen führt das Arbeitsgericht aus, mit dem Beschlussverfahren sei die richtige Verfahrensart „durch Antragstellung des Betriebsrats“ gewählt worden. Dass es in der Entscheidungsbegründung an anderer Stelle heißt, „(nur) der Bet. zu 1.“ sei antragsbefugt, ist für die Frage, ob eine eigene Antragstellung des Beteiligten zu 3. vorlag, ohne Aussagewert. Der Feststellungsantrag ist vom Betriebsratsvorsitzenden auch im Beschwerdeverfahren nicht gestellt worden. Sowohl seine Antragstellung als auch die inhaltlichen Ausführungen in der Beschwerdeinstanz beschränken sich auf den Abmahnungsentfernungsantrag. Der Betriebsratsvorsitzende hat in der mündlichen Anhörung vor dem Senat bestätigt, er erstrebe nicht die Feststellung, dass die Abmahnung unwirksam ist, sondern nur die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte.
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III. Soweit das Landesarbeitsgericht dem Abmahnungsentfernungsantrag des Betriebsratsvorsitzenden stattgegeben hat, ist die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin unbegründet. Der Betriebsratsvorsitzende hat einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 14. Dezember 2011 aus seiner Personalakte. Diesen Anspruch hat er in zulässiger Weise im Rahmen des vorliegenden Beschlussverfahrens in der Beschwerdeinstanz geltend gemacht.
- 30
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1. Der Betriebsratsvorsitzende verfolgt diesen Antrag in der zulässigen Verfahrensart des Beschlussverfahrens. Dem steht nicht entgegen, dass neben der kollektivrechtlichen Rechtsposition als Betriebsratsvorsitzender auch seine individualrechtliche Rechtsposition als Arbeitnehmer von der Abmahnung betroffen ist.
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a) Nach § 48 Abs. 1 ArbGG gelten ua. für die Zulässigkeit der Verfahrensart die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) - mit bestimmten Maßgaben - entsprechend. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. In entsprechender Geltung des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG kommt damit den Gerichten für Arbeitssachen ggf. eine verfahrensüberschreitende Sachentscheidungskompetenz zu. Diese setzt voraus, dass Gegenstand des Verfahrens ein einheitlicher Streitgegenstand im Sinne eines einheitlichen prozessualen Anspruchs ist. Liegt hingegen eine Mehrheit prozessualer Ansprüche vor, ist für jeden dieser Ansprüche die Verfahrensart gesondert zu prüfen (BAG 4. Dezember 2013 - 7 ABR 7/12 - Rn. 47; vgl. zur Rechtswegzuständigkeit BGH 27. November 2013 - III ZB 59/13 - Rn. 14 mwN, BGHZ 199, 159).
- 32
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b) Bei der kollektivrechtlichen und der individualrechtlichen Rechtsposition des mit dem Abmahnungsentfernungsantrag verfolgten Verlangens handelt es sich nicht um zwei Streit- oder Verfahrensgegenstände. Nach dem für den Zivil- und Arbeitsgerichtsprozess einschließlich des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens geltenden sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den konkret gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt (vgl. etwa BAG 8. Dezember 2010 - 7 ABR 69/09 - Rn. 16 mwN). Vorliegend verlangt der Betriebsratsvorsitzende von der Arbeitgeberin, die Abmahnung vom 14. Dezember 2011 aus seiner Personalakte zu entfernen. Ausgehend von seinem Tatsachenvortrag kommen als Anspruchsgrundlagen kollektiv- oder individualrechtliche Regelungen in Frage. Es liegt damit eine Anspruchskonkurrenz - und keine objektive Anspruchshäufung - vor (vgl. zu einer vergleichbaren Fallgestaltung BAG 4. Dezember 2013 - 7 ABR 7/12 - Rn. 48).
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2. Der Abmahnungsentfernungsantrag des Betriebsratsvorsitzenden ist zulässig.
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a) Der Betriebsratsvorsitzende ist antragsbefugt iSv. § 81 Abs. 1 ArbGG. Er berühmt sich in seiner Funktion als Betriebsratsmitglied eines eigenen Rechts, dessen Bestehen nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint.
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b) Der Betriebsratsvorsitzende hat seinen Abmahnungsentfernungsantrag (erst) im zweiten Rechtszug im Wege einer zulässigen - subjektiven - Antragserweiterung in das Verfahren eingeführt.
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aa) Der Betriebsratsvorsitzende hatte erstinstanzlich keine Anträge und damit auch den zunächst angekündigten Abmahnungsentfernungsantrag nicht gestellt. Die Protokollierung dieses Antrages erfolgte erstmals im Beschwerderechtszug.
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bb) Die Zulässigkeit der darin liegenden - subjektiven - Antragserweiterung im Beschwerdeverfahren bestimmt sich nach § 81 Abs. 3 ArbGG iVm. § 533 ZPO(vgl. BAG 4. Dezember 2013 - 7 ABR 7/12 - Rn. 55; 17. Mai 2011 - 1 ABR 121/09 - Rn. 11; 9. November 2010 - 1 ABR 76/09 - Rn. 16). Sie setzt damit voraus, dass die anderen Beteiligten der Antragsänderung zustimmen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Die Arbeitgeberin hat zwar der Antragserweiterung widersprochen. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch über den Abmahnungsentfernungsantrag entschieden und ausdrücklich die Sachdienlichkeit der Antragserweiterung bejaht. Daran ist der Senat gemäß § 87 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2, § 81 Abs. 3 Satz 3 ArbGG gebunden(BAG 17. Mai 2011 - 1 ABR 121/09 - Rn. 11; 22. März 2000 - 7 ABR 34/98 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 94, 144).
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3. Der Abmahnungsentfernungsantrag des Betriebsratsvorsitzenden ist begründet. Der Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte folgt aus einer entsprechenden Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine Prüfung dieses - individualrechtlichen - Anspruchs kann im vorliegenden Beschlussverfahren erfolgen. Nach § 48 Abs. 1 ArbGG iVm. § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG ist die Sache in der zulässigen Verfahrensart des Beschlussverfahrens unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden.
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a) Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, und auch dann, wenn selbst bei einer zu Recht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht (BAG 4. Dezember 2013 - 7 ABR 7/12 - Rn. 58; 19. Juli 2012 - 2 AZR 782/11 - Rn. 13 mwN, BAGE 142, 331).
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b) Es kann dahinstehen, ob der Betriebsratsvorsitzende durch das Versenden der E-Mail vom 9. Dezember 2011 gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten verstoßen hat. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Abmahnung vom 14. Dezember 2011 bereits deswegen aus der Personalakte des Betriebsratsvorsitzenden zu entfernen ist, weil die Arbeitgeberin den Vorwurf einer Amtspflichtverletzung mit der Androhung einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses sanktioniert hat. Da mit der Abmahnung eine Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht nicht gerügt wird, liegt in der Kündigungsandrohung eine unzutreffende rechtliche Bewertung des Verhaltens des Betriebsratsvorsitzenden durch die Arbeitgeberin.
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aa) Verletzt ein Betriebsratsmitglied ausschließlich betriebsverfassungsrechtliche Amtspflichten, sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BAG 26. Januar 1994 - 7 AZR 640/92 - zu A II 2 der Gründe mwN; 10. November 1993 - 7 AZR 682/92 - zu 5 a der Gründe; 15. Juli 1992 - 7 AZR 466/91 - zu 2 b aa der Gründe, BAGE 71, 14) vertragsrechtliche Sanktionen wie der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung oder einer individualrechtlichen Abmahnung, mit der kündigungsrechtliche Konsequenzen in Aussicht gestellt werden, ausgeschlossen.
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bb) Danach ist die Abmahnung vom 14. Dezember 2011 aus der Personalakte des Betriebsratsvorsitzenden zu entfernen.
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(1) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Arbeitgeberin dem Betriebsratsvorsitzenden im Abmahnungsschreiben vom 14. Dezember 2011 für den Fall eines erneuten Verstoßes gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit eine individualrechtliche Sanktion, nämlich die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, in Aussicht gestellt hat. Die insoweit vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Die Arbeitgeberin hat insoweit im Rechtsbeschwerdeverfahren auch keine Einwendungen erhoben.
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Mit dem letzten Satz des Schreibens, „gegebenenfalls könnte sogar eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommen“, hat die Arbeitgeberin - entgegen ihrer Auffassung - nicht lediglich allgemein auf die Möglichkeiten hingewiesen, bei gleichzeitiger Amtspflicht- und Vertragsverletzung komme auch eine Kündigung in Betracht. Das Wort „gegebenenfalls“ stellt den Bezug der Kündigungsandrohung zu dem im Satz davor angesprochenen Fall her, dass der Betriebsratsvorsitzende erneut gegen das Prinzip der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen und sich in entsprechender Art und Weise pflichtwidrig verhalten würde. Damit hat die Arbeitgeberin für den konkreten Wiederholungsfall eines Verstoßes gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit eine Kündigung in Aussicht gestellt.
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(2) Dies war im Streitfall nicht zulässig, weil die Arbeitgeberin lediglich die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Amtspflichten gerügt hat. Sie hat dem Betriebsratsvorsitzenden im Schreiben vom 14. Dezember 2011 vorgeworfen, er habe sich am 9. Dezember 2011 mit einer E-Mail an alle Mitarbeiter des N-Konzerns gewandt und gleichzeitig die Betriebsvereinbarung an diese versandt. Sie hat ausdrücklich einen Verstoß gegen das Prinzip der vertrauensvollen Zusammenarbeit gerügt und dies damit begründet, der Betriebsratsvorsitzende sei „aufgrund seiner Position“ lediglich berechtigt, sich an Mitarbeiter der Arbeitgeberin zu wenden und er sei nicht befugt, Betriebsvereinbarungen an Mitarbeiter außerhalb des Betriebs zu versenden. Die angedrohte betriebsverfassungsrechtliche Sanktion des Ausschlussverfahrens nach § 23 BetrVG ist für den Fall in Aussicht gestellt worden, dass der Betriebsratsvorsitzende „erneut gegen das Prinzip der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen“ sollte. Auch aus der Überschrift des Schreibens „Abmahnung als Betriebsrat“ wird deutlich, dass die Arbeitgeberin Amtspflichtverletzungen und nicht arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen gerügt hat. Die Arbeitgeberin hat auch im vorliegenden Verfahren nicht dargelegt, welche Vertragspflichtverletzung der Betriebsratsvorsitzende begangen haben soll.
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Gräfl
M. Rennpferdt
Waskow
Peter Klenter
Donath
Tenor
I.
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 03.07.2014 - AZ: 4 BV 12/14 - abgeändert.
Der Beteiligte zu 2) wird aus dem Betriebsrat der RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft mbH ausgeschlossen.
II.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Die Beteiligen streiten über den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat.
4Antragstellerin und Beteiligte zu 1) ist die Arbeitgeberin. Sie betreibt ein Unternehmen der Wasserversorgung- und dienstleistung. Der Beteiligte zu 3) ist der im Betrieb der Antragsstellerin im April 2014 gewählte Betriebsrat. Der Beteiligte zu 2) ist Mitglied dieses Betriebsrats. Auch in der vorangegangenen Amtszeit war er bereits Betriebsratsmitglied.
580% der Gesellschaftsanteile der Arbeitgeberin gehören dem RWE-Konzern (im Folgenden: RWE). Bereits in den Jahren 2002 und 2007 gab es Überlegungen zu einem Anteilsverkauf. Zu den Interessenten im Jahr 2002 gehörte u. a. die Firma H.. In einer Betriebsratsinformation an die Mitarbeiter vom 25.05.2007 wurden unter der Überschrift "Gerüchte um den RWE-Verkauf" Ausführungen zu Medienberichten über einen etwaigen Verkauf von RWE-Anteilen getätigt. Weiter wurden als die "üblichen Verdächtigen" u. a. "H., S., ..." genannt.
6Im Rahmen einer Klausurtagung am 22.05.2013 informierte ein Geschäftsführer der Arbeitgeberin, Herr Dr. T., den Betriebsrat über einen etwaigen Verkauf von Anteilen durch RWE. In der Folge stellte der Beteiligte zu 2) innerhalb des Betriebsrats den Antrag, einen Beschluss zur Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht bezüglich der Ausführungen von Herrn Dr. T. auf der Klausurtagung vom 22.05.2013. Der Betriebsrat fasste hierüber einen Beschluss, mit dem der Antrag abgelehnt wurde.
7Im Rahmen einer Betriebsversammlung am 17.10.2013, auf der Herr Dr. T. die Situation im Gesamtkonzern als kritisch bezeichnete, gab dieser auf Nachfrage des Beteiligten zu 2) die Erklärung ab, ein Verkauf von Anteilen könne nicht ausgeschlossen werden.
8Am 21.01.2014 fand ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer Dr. T. auf der einen sowie dem Betriebsratsvorsitzenden C. C. und dem damaligen stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden H. S. auf der anderen Seite statt. In diesem Gespräch informierte Dr. T. die beiden Betriebsratsmitglieder über Planungen der RWE, Anteile zu verkaufen. Als Kaufinteressent wurde u. a. die Firma H. genannt. Dr. T. wies auf die absolute Vertraulichkeit dieser Information hin.
9In der Betriebsratssitzung vom 29.01.2014, an der auch der Beteiligte zu 2) teilnahm, informierte der Betriebsratsvorsitzende die übrigen Betriebsratsmitglieder über den geplanten Verkauf von Anteilen und wies darauf hin, dass es sich hierbei um streng vertrauliche Informationen handele.
10Im Rahmen einer Mitgliederversammlung/Vertrauensleutesitzung der ver.di - Betriebsgruppe am 17.02.2014 brachte der Beteiligte zu 2) einen möglichen Verkauf der RWE-Anteile zur Sprache. Der ebenfalls anwesende Betriebsratsvorsitzende C. C. wies ihn dabei auf seine Verschwiegenheitspflicht hin. Über den Verlauf der Sitzung wurde ein Ergebnisprotokoll gefertigt, wegen dessen Einzelheiten auf die von der Arbeitgeberin überreichte Anlage AST 1, Bl. 8 - 11 d. A., Bezug genommen wird.
11Am 20.02.2014 fand eine Betriebsversammlung statt, in der sich die Kandidaten für die Betriebsratswahl, u. a. auch der Beteiligte zu 2), vorstellten. Der Beteiligte zu 2) brachte in seiner Rede einen möglichen Verkauf von RWE - Anteilen an H. zur Sprache. Seine Rede enthielt u. a. nachfolgende Passagen:
12"Liebe Kolleginnen und Kollegen,
13die anstehende Wahl hat sehr viel mit der Zukunft unserer RWW zu tun Dr. T. hat bei der letzten Betriebsversammlung bekanntgegeben, dass ein Teil der RWW verkauft werden soll. ...
14Verkauf: eine Beteiligung von weniger als 30% an der RWW - so wie Dr. T. es angekündigt hat, ergibt keinen Sinn, weil der Einfluss damit zu gering ist. Bei dieser Konstellation könnte ein möglicher Käufer vom RWE-Konzern überstimmt und von den Gemeinden mit ihrer Sperrminorität blockiert werden.
15... Aber angenommen, die 30% stimmen, dann wären mit H. als Käufer die meisten Überschneidungen. ...
16Wir brauchen einen intakten und starken Betriebsrat, der sich für die Be-legschaft einsetzt und einbringt. Ich wünsche mir einen Betriebsrat, der vor dem Verkauf des Wasserwerkes aktiv wird und nicht erst dann, wenn das Kind im Brunnen liegt. Anstatt sich in Verschwiegenheit zu üben, sollte der Vorgang transparent sein.
17... Deshalb bewerbe ich mich für den Betriebsrat. ..."
18Wegen der Einzelheiten wird auf die vom Beteiligten zu 2) in der mündlichen Anhörung am 23.01.2015 überreichte Kopie seines Redemanuskripts, Bl. 145 - 147 d. A. verwiesen. Zu Beginn der Rede hatte der Betriebsratsvorsitzende den Beteiligten zu 2) auf die Verschwiegenheitspflicht hingewiesen. Der Beteiligte zu 2) setzte die Rede jedoch entsprechend seinem Manuskript fort.
19Mit einem am 25.03.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen, den anderen Beteiligten jeweils am 31.03.2014 zugestellten Schriftsatz hat die Arbeitgeberin den Ausschluss des Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat beantragt. Am 15./16.04.2014 wurde turnusmäßig ein neuer Betriebsrat gewählt. Der Beteiligte zu 2) wurde mit einem deutlich erhöhten Stimmenanteil wiedergewählt.
20Die Arbeitgeberin hat erklärt, sie halte auch nach der Neuwahl an ihrem Begehren zum Ausschluss des Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat fest. Wenn ein Betriebsrat vor Abschluss des Ausschlussverfahrens neugewählt und das auszuschließende Betriebsratsmitglied auch in der neuen Amtsperiode in den Betriebsrat gewählt worden sei, bleibe das Rechtsschutzbedürfnis bestehen. Eine mit dem Wechsel der Amtszeit automatisch verbundene Generalabsolution stoße auf erhebliche rechtspolitische Bedenken. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 23 Abs.1 BetrVG sei die Gewährleistung der gesetzmäßigen Amtsausübung des Betriebsrats sowie die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern einerseits und dem Arbeitgeber andererseits. War die Amtspflichtverletzung so gravierend, dass die Vertrauensbeziehung zum Arbeitgeber nachhaltig gestört bleibe, so müsse ein Ausschluss aus dem neugewählten Betriebsrat möglich bleiben. Die gegenteilige Auffassung würde zu dem absurden Ergebnis führen, dass sich ein Betriebsratsmitglied kurz vor dem Ende einer Amtsperiode selbst die gravierendsten Amtspflichtverstöße erlauben könnte, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen.
21In der Sache wirft die Arbeitgeberin dem Beteiligten zu 2) vor, bereits im Rahmen der ver.di-Versammlung am 17.02.2014 und sodann auf der Betriebsversammlung am 20.02.2014 vertrauliche Informationen über den geplanten Anteilsverkauf, die ihm auf der Betriebsratssitzung am 29.01.2014 zur Kenntnis gelangt sind, öffentlich bekannt gemacht zu haben. So habe er die Belegschaft auf der Betriebsversammlung darüber informiert, dass 30% der Anteile verkauft werden sollen, habe eine eigene Analyse der Interessenlage sowohl des Verkäufers RWE als auch eines namentlich genannten potentiellen Käufers abgegeben und so ein Schreckensszenario an die Wand gemalt. Dabei habe er die Verschwiegenheitspflicht im Eigeninteresse, nämlich zum Zwecke der Wahlwerbung, verletzt. Anschließend sei - unstreitig - in der Presse über die geplanten Anteilsverkäufe berichtet worden. Dies sei auf die Indiskretion des Beteiligten zu 2) zurückzuführen. Der Verhandlungsprozess sei durch das Bekanntwerden erheblich gestört worden.
22Die Arbeitgeberin hat beantragt,
23den Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat der RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft mbH auszuschließen.
24Der Beteiligte zu 2) hat beantragt,
25den Antrag zurückzuweisen.
26Der Beteiligte zu 2) hat die Ansicht vertreten, der Antrag der Arbeitgeberin sei unzulässig geworden. Da nach Einleitung des Verfahrens eine Neuwahl des Betriebsrats stattgefunden habe, fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Er hat zudem bestritten, gegen die Geheimhaltungspflicht verstoßen zu haben.
27Der Beteiligte zu 3) hat keinen eigenen Antrag gestellt.
28Das Arbeitsgericht Oberhausen hat den Antrag der Arbeitgeberin mit Beschluss vom 03.07.2014 zurückgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
29Unter Zugrundelegung eines Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts vom 29.04.1969 - AZ: 1 ABR 19/68 - fehle es an dem Rechtsschutzbedürfnis für das vorliegende Verfahren. Ebenso wie ein Betriebsrat, dessen Amtszeit geendet habe, nicht mehr aufgelöst werden könne, sei auch der Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds nach Ablauf der Amtszeit nicht möglich. Der Gesetzgeber habe bewusst keine Regelung über den Verlust oder die Entziehung der Wählbarkeit aufgenommen. Diese gesetzliche Wertung würde missachtet, wenn das wiedergewählte Betriebsratsmitglied wegen einer Pflichtverletzung aus der vorangegangenen Amtszeit ausgeschlossen werden könnte.
30Gegen diesen der Arbeitgeberin am 16.07.2014 zugestellten Beschluss hat sie mit einem am 08.08.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese - nach einer Fristverlängerung bis zum 02.10.2014 - mit einem am 02.10.2014 eingegangenen Schriftsatz begründet.
31Die Beteiligte zu 1) rügt, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts im Beschluss vom 29.04.1969 gefolgt, dass das Rechtsschutzbedürfnis für ein Ausschlussverfahren entfalle, wenn die Amtszeit des betroffenen Betriebsratsmitglieds während des Verfahrens ende und es für die sich anschließende Amtsperiode wiedergewählt worden sei. Wenn die Pflichtverletzung eines einzelnen Betriebsratsmitglieds so gravierend sei, dass sie in die neue Amtszeit fortwirke, rechtfertige dies den Ausschluss des Betriebsratsmitglieds aus dem neu gewählten Betriebsrat. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Die massiven Verstöße des Beteiligten zu 2) gegen die Verschwiegenheitspflicht zum Zwecke der eigenen Wahlwerbung wögen so schwer, dass sie sich auf die neue Amtszeit belastend auswirkten. Die Vertrauensbeziehung sei zerstört. Die Arbeitgeberin müsse damit rechnen, dass der Beteiligte zu 2) in Zukunft wieder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihm in seiner Eigenschaft als Betriebsratsmitglied anvertraut würden, preisgeben werde.
32Die Beteiligte zu 1) beantragt,
33den Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 03.07.2014 - AZ: 4 BV 12/14 - abzuändern und den Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat der RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft auszuschließen.
34Der Beteiligte zu 2) beantragt,
35die Beschwerde zurückzuweisen.
36Der Beteiligte zu 2) verteidigt den angefochtenen Beschluss. Eine etwaige Pflichtverletzung in der vorangegangenen Amtsperiode könne nicht zum Ausschluss aus dem Betriebsrat in der laufenden Amtsperiode führen.
37Darüber hinaus bestreitet er, eine Pflichtverletzung begangen zu haben. Er verweist darauf, dass der Geschäftsführer Dr. T. auf der Betriebsversammlung im Herbst 2013 selbst eingeräumt habe, ein Verkauf könne nicht ausgeschlossen werden. Es sei klar gewesen, dass im Falle eines Verkaufs die Firma H. wieder als Käufer in Betracht kommen würde, da sie bereits in der Vergangenheit Interesse am Erwerb von Anteilen gezeigt habe.
38Der Beteiligte zu 3) stellt keinen eigenen Antrag.
39Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschriften vom 03.07.2014 und vom 23.01.2015, auf die Feststellungen unter Ziffer I. des angefochtenen Beschlusses sowie ergänzend auf sämtliche Schriftsätze nebst Anlagen sowie sonstige von den Beteiligten überreichte Unterlagen Bezug genommen.
40II.
41Die Beschwerde der Arbeitgeberin hat Erfolg. Der Beteiligte zu 2) ist aus dem Betriebsrat auszuschließen.
421.Gegen die Zulässigkeit der Beschwerde bestehen keine Bedenken.
43Die Beschwerde ist statthaft gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht im Sinne von § 87 Abs. 2 i. V. m. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
442.Die Beschwerde ist begründet.
45a)Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
46aa)Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, dass ein Ausschlussverfahren nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG mit Ablauf der Amtszeit, in der das Betriebsratsmitglied seine Pflichten grob verletzt haben soll, gegenstandslos wird und deshalb das Rechtsschutzbedürfnis für den Ausschlussantrag selbst dann wegfällt, wenn das Betriebsratsmitglied für die neue Amtsperiode wieder in den Betriebsrat gewählt worden ist (BAG v. 29.04.1969 - 1 ABR 19/68 - AP Nr. 9 zu § 23 BetrVG; ebenso LAG Hamm v. 20.03.2009 - 10 TaBV 149/08 - Rn. 64, juris, und v. 09.02.2007 - 10 TaBV 54/06 - Rn. 71, juris; LAG München v. 12.08.2008 - 6 TaBV 133/07 - Rn. 20, juris). Dem kann nur für den Fall zugestimmt werden, dass sich der Antrag unverändert auf den Ausschluss aus dem bisherigen Betriebsrat bezieht. Wird hingegen der Ausschluss aus dem neugewählten Betriebsrat beantragt, so ist das Rechtsschutzbedürfnis gegeben (ebenso LAG München v. 28.04.2014 - 2 TaBV 44/13 - Rn. 130, juris). Da das Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses dazu dient, die Gerichte vor einer unberechtigten Inanspruchnahme zu schützen (vgl. Musielak, ZPO, 11. Auflage 2014, vor § 253 ZPO Rn. 7), entfällt es nur bei objektiv sinnlosen Anträgen, d. h. wenn der Klagende kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann (Greger in Zöller, ZPO, 30. Auflage 2014, Vorbemerkung zu § 253 ZPO Rn. 18).
47Da der Ausschluss aus einem bereits beendeten Amt unmöglich ist, ist bei einer derartigen Konstellation das Festhalten an dem Antrag offensichtlich unsinnig. Soll das Betriebsratsmitglied hingegen aus dem neugewählten Betriebsrat ausgeschlossen werden, so gibt es für den Arbeitgeber keinen anderen Weg, als das Verfahren gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG durchzuführen. Ob dieses Begehren auf einen Pflichtverstoß gestützt werden kann, der in der vorherigen Amtszeit begangen wurde, ist allein eine Frage der Begründetheit des Antrags (LAG München v. 28.04.2014 a. a. O.).
48bb) Im Streitfall war der zum Schluss der mündlichen Anhörung erster Instanz gestellte Antrag der Arbeitgeberin nicht (mehr) auf einen Ausschluss aus dem bisherigen, sondern auf den Ausschluss aus dem am 15./16.04.2014 neu gewählten Betriebsrat gerichtet. Dies ergibt die erforderliche Auslegung des Antrags. Zwar ist der Antrag vom Wortlaut her unverändert geblieben, der Begründung lässt sich jedoch entnehmen, dass es der Arbeitgeberin nicht um eine reine Sanktion für die vergangene - vermeintliche - Pflichtverletzung ging. Sie hat vielmehr nach der Neuwahl ausgeführt, dass sich das Verhalten auf die derzeitige Amtsführung des Beteiligten zu 2) belastend auswirke. Hierdurch wird ihr Begehren eines Ausschlusses aus dem aktuellen Betriebsrat deutlich. Die Richtigkeit dieses Verständnisses hat sie zudem auf Nachfrage der Kammer ausdrücklich bestätigt.
49cc)Damit lag bereits erstinstanzlich eine (verdeckte) Antragsänderung vor, denn bei dem ursprünglich begehrten Ausschluss aus dem bis April 2014 amtierenden Betriebsrat und dem Antrag auf Ausschluss aus dem neugewählten Betriebsrat handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände. Diese Antragsänderung war zulässig.
50Gemäß § 81 Abs. 3 S. 1 ArbGG ist eine Antragsänderung im Beschlussverfahren u.a. dann zulässig, wenn das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Eine Sachdienlichkeit liegt vor, wenn der bisherige Streitstoff und das Ergebnis des bisherigen Verfahrens auch für die Entscheidung über den geänderten Antrag nutzbar gemacht werden können und wenn der Streit der Beteiligten mit einer Entscheidung über den geänderten Antrag endgültig oder besser beigelegt werden kann und ein weiteres Verfahren vermieden wird (Matthes/Spinner in Germelmann/Matthes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, 8. Auflage 2013, § 81 Rn. 91). Entscheidend ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit (BAG v. 06.12.2001 - 2 AZR 733/00 - AP Nr. 3 zu § 263 ZPO).
51Danach war die Antragsänderung hier sachdienlich. Da das Begehren des Ausschlusses aus dem aktuellen Betriebsrat nicht auf neue Vorwürfe gestützt wird, kann der bisherige Streitstoff vollumfänglich verwertet werden. Würde man die Antragsänderung nicht zulassen, wäre die Arbeitgeberin gezwungen, ein neues Ausschlussverfahren einzuleiten, was zu unnötigen Verzögerungen und zusätzlichen Kosten führen würde.
52b)Der Antrag ist begründet. Der Beteiligte zu 2) ist aus dem Betriebsrat auszuschließen. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 S.1 BetrVG liegen vor.
53aa)Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann ein Betriebsratsmitglied auf den Antrag des Arbeitgebers aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden, wenn es seine gesetzlichen Pflichten grob verletzt. Mit den gesetzlichen Pflichten sind die Amtspflichten des Betriebsratsmitglieds gemeint, d. h. diejenigen Pflichten, die sich aus dem Betriebsverfassungsrecht ergeben, denn es steht insoweit das Amt des Betriebsrates in Rede (BAG 05.09.1967 - 1 ABR 1/67, AP Nr. 8 zu § 23 BetrVG Rn. 33, 45; LAG Düsseldorf v. 09.01.2013 - 12 TaBV 93/12 - Rn. 40, juris). Die Pflichtverletzung muss "grob", nämlich objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend sein (vgl. BAG 22.06.1993 - 1 ABR 62/92 -, AP Nr. 22 zu § 23 BetrVG 1972; BAG 21.02.1978 - 1 ABR 54/76, BB 1978, 1116 Rn. 85; LAG Düsseldorf v. 09.01.2013 a. a. O.). Dies kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der betrieblichen Gegebenheiten und des Anlasses der Pflichtverletzung beurteilt werden (BAG 22.06.1993 a.a.O.; BAG 21.02.1978 a.a.O.; LAG Düsseldorf v. 09.01.2013 a. a. O). Die weitere Amtsausübung muss untragbar sein (BAG v. 22.06.1993 a.a.O.; LAG Düsseldorf v. 09.01.2013 aaO; LAG Berlin-Brandenburg v. 12.11.2012 - 17 TaBV 1318/12 - Rn. 26, NZA-RR 2013, 293).
54Ob die Pflichtverletzung stets schuldhaft, gegebenenfalls sogar vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen sein muss, ist streitig (verneinend BAG v. 05.09.1967 - 1 ABR 1/67 -; Oetker in Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz [GK-BetrVG], 10. Auflage 2014, § 23 BetrVG Rn. 47; bejahend Hess/Worzalla/Glock/Nicolai/Rose/Huke [HWGNRH] - Huke, BetrVG Kommentar, 9. Auflage 2014, § 23 BetrVG Rn. 17; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, Betriebsverfassungsgesetz, 27. Auflage 2014, § 23 BetrVG Rn. 16; für das Erfordernis einfaches Verschuldens: Thüsing in Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 14. Auflage 2014, § 23 BetrVG Rn. 28 ). Jedenfalls muss das Verhalten des Betriebsratsmitglieds aber das Vertrauen des Betriebsrats zur Belegschaft oder aber zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber (vgl. BAG v. 05.09.1967 a.a.O.) oder aber innerhalb des Gremiums in hohem Maße erschüttern. Auf dieses Vertrauen ist der Betriebsrat angewiesen, um seine gesetzlichen Aufgaben zum Wohle der Gemeinschaft erfüllen zu können (vgl. wiederum BAG v. 05.09.1967 a.a.O.).
55bb)Die dargestellten Voraussetzungen zum Ausschluss aus dem Betriebsrat sind gegeben. Der Beteiligte zu 2) hat in grober Weise gegen seine Verschwiegenheitspflicht verstoßen.
56aaa)Gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats verpflichtet, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekannt geworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten.
57(1)Bei den am 21.01.2014 seitens der Geschäftsführung gegebenen Informationen handelte es sich um Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse.
58Unter den Begriff des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsachen, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem Willen des Betriebsinhabers aufgrund eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses geheim gehalten werden sollen (BAG v. 10.03.2009 - 1 ABR 87/07 - Rn. 25, AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972; BAG v. 13.02.2007 - 1 ABR 14/06 - Rn. 32, AP Nr. 81 zu § 118 BetrVG 1972; BAG v. 26.02.1987 - 6 ABR 46/84 - AP Nr. 2 zu § 79 BetrVG 1972; BAG v. 16.03.1982 - 3 AZR 83/79 - AP Nr. 1 zu § 611 BGB Betriebsgeheimnis).
59Bei der Information, dass der Gesellschafter RWE u.a. mit der Firma H. Verhandlungen über einen Verkauf von Teilen der Gesellschaftsanteile führt, handelte es sich im Januar/Februar 2014 um ein derartiges Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnis. Es betraf eine Tatsache, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betrieb der Beteiligten zu 1) steht. Sie war nicht offenkundig, sondern zum damaligen Zeitpunkt nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt. Dem steht nicht entgegen, dass der Geschäftsführer Dr. T. bereits auf der Betriebsversammlung am 17.10.2013 auf Nachfrage des Beteiligten zu 2) erklärt hat, ein Verkauf von Anteilen könne nicht ausgeschlossen werden. Die Führung konkreter Verhandlungen gerade zum damaligen Zeitpunkt hat er mit der Einräumung der abstrakten Möglichkeit eines Anteilsverkaufs nicht eingeräumt. Zudem hat er unstreitig keinen potentiellen Verkäufer genannt. Allein daraus, dass H. in der Vergangenheit als Kaufinteressent in Erscheinung getreten ist, folgt nicht, dass konkrete Verkaufsverhandlungen mit diesem Unternehmen im Januar/Februar 2014 mehr als nur dem an den Verkaufsverhandlungen beteiligten Personenkreis bekannt waren. Schließlich handelte es sich um Tatsachen, die nach dem berechtigten wirtschaftlichen Interesse des Betriebsinhabers geheim zu halten waren. Zum einen liegt es auf der Hand, dass die vorzeitige Bekanntgabe aufgrund der öffentlichen Reaktionen, insbesondere des zu erwartenden Medienechos, zu Störungen der Verkaufsverhandlungen hätte führen können - und wohl auch geführt hat -, zum anderen stand zu befürchten, dass der Betriebsablauf durch die bei Bekanntgabe der Nachricht entstehende Unruhe innerhalb der Belegschaft gestört werden würde.
60(2)Die Arbeitgeberin hat diese Informationen ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet.
61bbb)Gegen diese Geheimhaltungspflicht hat der Beteiligte zu 2) jedenfalls am 20.02.2014 verstoßen, als er die Informationen im Rahmen der Betriebsversammlung an die Belegschaft weitergegeben hat.
62Zunächst einmal hat er die Belegschaft darüber informiert, dass RWE zum damaligen Zeitpunkt konkret die Absicht hatte, Anteile zu verkaufen. Dass er dies mit der unzutreffenden Behauptung verknüpft hat, es handle sich um eine Information aus der letzten Betriebsversammlung, vermag den darin liegenden Geheimnisverrat nicht zu kaschieren. Darüber hinaus hat er ausdrücklich den Interessenten H. benannt.
63ccc)Es handelte sich um einen groben Pflichtenverstoß.
64Der Beteiligte zu 2) hat vorsätzlich gegen die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht verstoßen. Dies lässt sich aus dem zeitlichen Ablauf ersehen. Schon am 03.07.2013 hat er vergeblich versucht, einen - unwirksamen - Betriebsratsbeschluss über die Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht zu den von Dr. T. am 22.05.2013 gegebenen Informationen herbeizuführen. Sodann hat er am 17.02.2014 das Forum einer Mitgliederversammlung/Vertrauensleutesitzung genutzt, um das Thema Anteilsverkauf zu erörtern. Ob er bereits zum damaligen Zeitpunkt Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse weitergegeben hat, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist er in diesem Zusammenhang ausdrücklich vom Betriebsratsvorsitzenden auf seine Verschwiegenheitspflicht hingewiesen worden. Auch dies hat beim Beteiligten zu 2) jedoch kein Umdenken in seiner Einstellung zur Verschwiegenheitspflicht bewirkt. Stattdessen hat er am 20.02.2014 zunächst die konkreten Verkaufsverhandlungen offenbart und dann - trotz des erneuten Hinweises des Betriebsratsvorsitzenden auf die Schweigepflicht - sogar einen an den Verhandlungen beteiligten potentiellen Käufer benannt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beteiligte zu 2) am 20.02.2014 aus egoistischen Motiven, nämlich zum Zwecke der eigenen Wahlwerbung gehandelt hat. Zugleich hat er seine Pflichtverstöße mit der Ankündigung verbunden, sich auch in Zukunft nicht an die Verschwiegenheitspflicht halten zu wollen, wie er gegen Ende seiner Rede zum Ausdruck gebracht hat: "Ich wünsche mir einen Betriebsrat, der vor dem Verkauf des Wasserwerkes aktiv wird und nicht erst dann, wenn das Kind im Brunnen liegt. Anstatt sich in Verschwiegenheit zu üben, sollte der Vorgang transparent sein." Mit anderen Worten: Der Beteiligte zu 2) kritisiert die anderen Betriebsratsmitglieder dafür, dass sie sich an ihre gesetzlichen Pflichten zur Verschwiegenheit halten, und wirbt dafür, ihn zu wählen, weil er dies anders handhabt.
65ddd)Der Beteiligte zu 2) ist aus dem aktuellen Betriebsrat auszuschließen, obwohl der Verstoß aus der vorangegangenen Amtszeit stammt.
66(1)Ob eine Amtspflichtverletzung in der vorangegangenen Amtszeit in der folgenden Amtsperiode zu dem Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds führen kann, ist umstritten.
67Eine Auffassung lehnt dies grundsätzlich ab (BAG v. 29.04.1969 - 1 ABR 19/68 - AP Nr. 9 zu § 23 BetrVG; LAG München v. 28.04.2014 - 2 TaBV 44/13 - Rn. 131 ff., juris; LAG München v. 12.08.2008 - 6 TaBV 133/07 - Rn. 20, juris; Hess. LAG v. 03.09.2009 - 9 TaBVGa 159/09 - Rn. 19, NZA-RR 2010, 246; Fitting u.a., § 23 BetrVG Rn. 25; Trittin in Däubler/Kittner/Klebe/Wedde [DKKW], Betriebsverfassungsgesetz, 14. Auflage 2014). Zur Begründung wird auf die Gesetzessystematik verwiesen. § 23 Abs. 1 BetrVG regele nicht nur den Ausschluss eines einzelnen Betriebsratsmitglieds, sondern auch die Auflösung des gesamten Betriebsrats. Letzteres sei aber nach Ablauf der Amtszeit selbst dann nicht mehr möglich, wenn der neue mit dem alten Betriebsrat personenidentisch sei. § 24 BetrVG lasse für den Verlust des Amtes u.a. den Ablauf der Amtszeit maßgebend sein. Nach § 21 BetrVG beginne die Amtszeit mit der Wahl bzw., wenn zu dieser Zeit noch ein Betriebsrat bestehe, mit Ablauf von dessen Amtszeit. In gleicher Weise unterscheide das Gesetz in § 22 BetrVG für die Fälle der vorzeitigen Neuwahl zwischen dem alten und dem neuen Betriebsrat. Diese von der Gesetzessystematik gebotene Auslegung müsse auch im Falle der Wiederwahl gelten, denn der Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds stehe seiner Wiederwahl nicht entgegen. Die Wiederwahl stelle einen Vertrauensbeweis für das betreffende Betriebsratsmitglied dar. Die durch die Neuwahl geschaffene Vertrauenslage würde zerstört, wenn das auf die alten Vorkommnisse zurückgehende Ausschlussverfahren jetzt noch zum Ausschluss führen könnte. Überdies würde die Mitgliedschaft eines solchen Arbeitnehmers in dem neuen Betriebsrat während der gesamten Amtszeit und damit in gewissem Sinne auch seine Wählbarkeit von dem Zufall abhängen, ob das Ausschlussverfahren noch in der alten oder erst in der neuen Amtszeit rechtskräftig beendet wird. Würde man den Ausschluss auch für die neue Amtszeit für zulässig erachten, so würde die Entscheidung des Gerichts das neue Amt beenden, obwohl dem Arbeitnehmer aus seiner Mitgliedschaft in dem neuen Betriebsrat keine Vorwürfe im Sinne des § 23 BetrVG gemacht werden könnten (BAG v. 29.04.1969, unter II. 2. e) der Gründe, a. a. O.).
68Die Gegenansicht hält einen Ausschluss für möglich, sofern sich die vorangegangene Pflichtverletzung auf die Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds belastend fortwirke (GK-Oetker, § 23 BetrVG Rn. 55; Richardi - Thüsing, Betriebsverfassungsgesetz, 14. Auflage 2014, § 23 BetrVG Rn. 26; HWGNRH - Huke, § 23 BetrVG Rn. 19; offen gelassen vom LAG Hamm im Beschuss v. 09.02.2007 - 10 TaBV 54/06 - Rn. 72).
69(2)Jedenfalls für die vorliegende Fallkonstellation, in der eine unmittelbar vor der Neuwahl des Betriebsrats begangene Pflichtverletzung konkrete Auswirkungen auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen neuem Betriebsrat und Arbeitgeber hat, folgt die Kammer der letztgenannten Ansicht.
70Dem Wortlaut des § 23 Abs.1 BetrVG lässt sich nicht entnehmen, ob nur Pflichtverletzungen während der gerade laufenden Amtszeit zum Ausschluss führen können oder ob auch eine Pflichtverletzung in der vorausgegangenen Amtsperiode genügt (ebenso BAG v. 29.04.1969 - 1 ABR 19/68 -, unter Ziffer II. 2. a) der Gründe, a. a. O.).
71Aus der vom Bundesarbeitsgericht im Beschluss v. 29.04.1969 aufgeführten Gesetzessystematik lässt sich lediglich schließen, dass sich ein auf den Ausschluss aus dem bisherigen Betriebsrat gerichteter Antrag mit der Neuwahl eines Betriebsrats erledigt, da die bisherige Amtszeit endet und eine neue Amtszeit beginnt. Diesbezüglich gibt es keinerlei Unterschied zu der zweiten in § 23 Abs. 1 BetrVG geregelten Fallgestaltung, der Auflösung eines Betriebsrats. Hingegen enthalten weder § 21 noch § 22 oder § 24 BetrVG Anhaltspunkte dafür, inwieweit eine vorangegangene Pflichtverletzung in einem Verfahren nach § 23 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BetrVG von Relevanz sein kann, sofern ein Ausschluss aus dem neugewählten Betriebsrat beantragt wird.
72Aus der Tatsache, dass das Gesetz die Wiederwahl eines wirksam ausgeschlossenen Betriebsratsmitglieds nicht ausschließt, können keinerlei Rückschlüsse gezogen werden. Es geht hier nicht um die Wiederwahl eines bereits ausgeschlossenen Betriebsratsmitglieds, sondern um die Berechtigung eines solchen Ausschlusses. Aber auch aus der Wählbarkeit eines Arbeitnehmers, der bereits zum Zeitpunkt der Wahl durch eine grobe Pflichtwidrigkeit einen Ausschlussgrund gesetzt hat, können keine Rückschlüsse auf die Begründetheit eines Antrags nach § 23 Abs. 1 BetrVG gezogen werden. Eine etwaige Regelung, die bereits im Falle des Vorliegens eines Ausschlussgrundes die Wählbarkeit entfallen ließe, fehlt aus gutem Grunde. Sie wäre nämlich systemwidrig. Ein Ausschlussgrund müsste nämlich dann vom Wahlvorstand von Amts wegen berücksichtigt werden, während der Ausschluss gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG eines Antrags der dort genannten Antragsberechtigten bedarf. Zudem hätte der Entfall der Wählbarkeit viel gravierende Folgen, denn sie würde ohne vorherige gerichtliche Prüfung des Vorliegens eines Ausschlussgrundes mit sofortiger Wirkung greifen, während der Ausschluss nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG erst ab Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung Wirkung entfaltet.
73Nicht überzeugend ist das Argument, in der Wiederwahl liege ein Vertrauensbeweis für das Betriebsratsmitglied und diese durch die Neuwahl geschaffene Vertrauensgrundlage würde zerstört, wenn das auf die alten Vorkommnisse zurückgehende Ausschlussverfahren jetzt noch zum Ausschluss führen könnte. Zum einen kann durch die Neuwahl allenfalls eine etwaig zerstörte Vertrauensgrundlage zwischen Betriebsratsmitglied und Belegschaft, nicht aber zerstörtes Vertrauen zwischen Betriebsratsmitglied und Arbeitgeber und/oder Betriebsrat wiederhergestellt werden. Zum anderen würde ein solcher "Vertrauensbeweis" voraussetzen, dass die gesamte Wählerschaft sowohl Kenntnis von einem laufenden Ausschlussverfahren als auch von den darin erhobenen Vorwürfen hat. Das lässt sich jedenfalls im vorliegenden Fall nicht feststellen.
74Auch die vom Arbeitsgericht vorgebrachte Begründung, es dürfe nicht von der Zufälligkeit des Zeitpunkts des rechtskräftigen Abschlusses eines Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG abhängen, ob der Ausschluss für die alte oder die neue Amtszeit greife, vermag nicht zu überzeugen. Das Bundesarbeitsgericht hat mit diesem Argument lediglich aufgezeigt, dass man zu unbefriedigenden Ergebnissen kommen würde, wenn man annähme, dass ein Ausschlussverfahren sich (automatisch) auf den neuen Betriebsrat erstrecken würde. Mit der Frage, was im Falle einer Antragsänderung gilt, musste und konnte sich das Bundesarbeitsgericht in dem Beschluss vom 29.04.1969 nicht auseinandersetzen, da Antragsänderungen im Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unzulässig sind (vgl. BAG v. 15.04.2014 - 1 ABR 80/12 - Rn. 18, NZA 2015, 62; grundlegend BAG v. 27.04.1962 - 1 ABR 1/59 - AP Nr. 2 zu § 80 ArbGG 1953).
75Der Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 S. 1 Alt.1 BetrVG spricht dafür, zumindest in den Fällen, in denen sich eine Pflichtverletzung in der vorangegangenen Amtsperiode konkret auf die Amtsführung in der laufenden Amtszeit auswirkt, einen Ausschluss zuzulassen. § 23 BetrVG dient insgesamt der Durchführung der Betriebsverfassung (Richardi-Thüsing, § 23 BetrVG Rn. 1). Mittelbar dient die Norm damit der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats und des gesetzmäßigen Verhaltens der Betriebspartner (Fitting § 23 Rn. 1; DKKW - Trittin, § 23 BetrVG Rn. 5). Durch § 23 Abs. 1 BetrVG soll zugleich ein Mindestmaß der gesetzlichen Amtsausübung des Betriebsrats sichergestellt werden (vgl. GK-BetrVG/Oetker, § 23 BetrVG Rn. 15; Richardi - Thüsing, § 23 BetrVG Rn. 3). Dabei soll durch die Vorschrift auch die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern einerseits und dem Arbeitgeber andererseits abgesichert werden (GK-BetrVG/Oetker, § 23 Rn. 54). Das lässt sich daraus ersehen, dass nicht nur dem Betriebsrat, sondern auch dem Arbeitgeber ein Antragsrecht zusteht.
76Für die Beantwortung der Frage, ob eine grobe Pflichtverletzung zu Beeinträchtigungen bei der Durchführung der Betriebsverfassung führt, ist aber nicht der Zeitpunkt der Pflichtverletzung, sondern allein deren Auswirkung entscheidend. Führt daher eine vorangegangene Pflichtverletzung konkret zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des aktuellen Betriebsrats oder der vertrauensvollen Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat in der laufenden Amtszeit, so wäre es mit dem in § 23 BetrVG zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Anliegen nicht vereinbar, wenn ein Ausschluss des die Störung verursachenden Betriebsratsmitglieds nicht möglich wäre.
77(3)Die grobe Pflichtwidrigkeit des Beteiligten zu 2) wirkt sich auf die Durchführung der Betriebsverfassung im Betrieb der Arbeitgeberin aus.
78Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Betriebsparteien ist in der laufenden Amtsperiode ausgeschlossen, solange der Beteiligte zu 2) Mitglied des Betriebsrats ist. Wenn nicht sichergestellt ist, dass jedes Betriebsratsmitglied sich an seine Verschwiegenheitspflicht hält, steht nicht zu erwarten, dass die Arbeitgeberin dem Betriebsrat geheimhaltungsbedürftige oder aber sonstige vertrauliche Informationen gibt. Insoweit wirkt sich das Verhalten des Beteiligten zu 2) deshalb konkret auf die laufende Zusammenarbeit der Betriebsparteien aus, da er in seiner Rede am 20.02.2014 nicht nur ihm in seiner Eigenschaft als Betriebsratsmitglied anvertraute geheimhaltungsbedürftige Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse offenbart, sondern zugleich zum Ausdruck gebracht hat, dies auch zukünftig zu tun. Nicht anders lässt sich seine Äußerung "Ich wünsche mir einen Betriebsrat, der vor dem Verkauf des Wasserwerkes aktiv wird und nicht erst dann, wenn das Kind im Brunnen liegt. Anstatt sich in Verschwiegenheit zu üben, sollte der Vorgang transparent sein." verstehen. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine Ankündigung, sondern - schlimmer noch - um ein seinen Wählern gegebenes Versprechen. Es kann dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, dem Betriebsrat in Kenntnis dieser Ankündigung Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse anzuvertrauen und erst nach einem erneuten Verstoß des Beteiligten zu 2) ein Ausschlussverfahren einzuleiten.
79III.
80Die Rechtsbeschwerde war gem. § 92 Abs. 1 S.2 i. V. m. § 72 Abs.2 Nr.1 u. 2 ArbGG zuzulassen.
81RECHTSMITTELBELEHRUNG
82Gegen diesen Beschluss kann von den Beteiligten zu 2) und 3)
83R E C H T S B E S C H W E R D E
84eingelegt werden.
85Für die Beteiligte zu 1) ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
86Die Rechtsbeschwerde muss
87innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
88nach der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses schriftlich oder in elektronischer Form beim
89Bundesarbeitsgericht
90Hugo-Preuß-Platz 1
9199084 Erfurt
92Fax: 0361-2636 2000
93eingelegt werden.
94Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
95Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
961.Rechtsanwälte,
972.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
983.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
99In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Rechtsbeschwerdeschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
100Beteiligte, die als Bevollmächtigte zugelassen sind, können sich selbst vertreten.
101Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Rechtsbeschwerde wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
102* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
103BarthDr. FülbierAlaeddin
(1) Mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, der Arbeitgeber oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Der Ausschluss eines Mitglieds kann auch vom Betriebsrat beantragt werden.
(2) Wird der Betriebsrat aufgelöst, so setzt das Arbeitsgericht unverzüglich einen Wahlvorstand für die Neuwahl ein. § 16 Abs. 2 gilt entsprechend.
(3) Der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus diesem Gesetz beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Handelt der Arbeitgeber der ihm durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegten Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er auf Antrag vom Arbeitsgericht wegen einer jeden Zuwiderhandlung nach vorheriger Androhung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen. Führt der Arbeitgeber die ihm durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegte Handlung nicht durch, so ist auf Antrag vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass er zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld anzuhalten sei. Antragsberechtigt sind der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Das Höchstmaß des Ordnungsgeldes und Zwangsgeldes beträgt 10.000 Euro.
Tenor
I.
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 03.07.2014 - AZ: 4 BV 12/14 - abgeändert.
Der Beteiligte zu 2) wird aus dem Betriebsrat der RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft mbH ausgeschlossen.
II.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Die Beteiligen streiten über den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat.
4Antragstellerin und Beteiligte zu 1) ist die Arbeitgeberin. Sie betreibt ein Unternehmen der Wasserversorgung- und dienstleistung. Der Beteiligte zu 3) ist der im Betrieb der Antragsstellerin im April 2014 gewählte Betriebsrat. Der Beteiligte zu 2) ist Mitglied dieses Betriebsrats. Auch in der vorangegangenen Amtszeit war er bereits Betriebsratsmitglied.
580% der Gesellschaftsanteile der Arbeitgeberin gehören dem RWE-Konzern (im Folgenden: RWE). Bereits in den Jahren 2002 und 2007 gab es Überlegungen zu einem Anteilsverkauf. Zu den Interessenten im Jahr 2002 gehörte u. a. die Firma H.. In einer Betriebsratsinformation an die Mitarbeiter vom 25.05.2007 wurden unter der Überschrift "Gerüchte um den RWE-Verkauf" Ausführungen zu Medienberichten über einen etwaigen Verkauf von RWE-Anteilen getätigt. Weiter wurden als die "üblichen Verdächtigen" u. a. "H., S., ..." genannt.
6Im Rahmen einer Klausurtagung am 22.05.2013 informierte ein Geschäftsführer der Arbeitgeberin, Herr Dr. T., den Betriebsrat über einen etwaigen Verkauf von Anteilen durch RWE. In der Folge stellte der Beteiligte zu 2) innerhalb des Betriebsrats den Antrag, einen Beschluss zur Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht bezüglich der Ausführungen von Herrn Dr. T. auf der Klausurtagung vom 22.05.2013. Der Betriebsrat fasste hierüber einen Beschluss, mit dem der Antrag abgelehnt wurde.
7Im Rahmen einer Betriebsversammlung am 17.10.2013, auf der Herr Dr. T. die Situation im Gesamtkonzern als kritisch bezeichnete, gab dieser auf Nachfrage des Beteiligten zu 2) die Erklärung ab, ein Verkauf von Anteilen könne nicht ausgeschlossen werden.
8Am 21.01.2014 fand ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer Dr. T. auf der einen sowie dem Betriebsratsvorsitzenden C. C. und dem damaligen stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden H. S. auf der anderen Seite statt. In diesem Gespräch informierte Dr. T. die beiden Betriebsratsmitglieder über Planungen der RWE, Anteile zu verkaufen. Als Kaufinteressent wurde u. a. die Firma H. genannt. Dr. T. wies auf die absolute Vertraulichkeit dieser Information hin.
9In der Betriebsratssitzung vom 29.01.2014, an der auch der Beteiligte zu 2) teilnahm, informierte der Betriebsratsvorsitzende die übrigen Betriebsratsmitglieder über den geplanten Verkauf von Anteilen und wies darauf hin, dass es sich hierbei um streng vertrauliche Informationen handele.
10Im Rahmen einer Mitgliederversammlung/Vertrauensleutesitzung der ver.di - Betriebsgruppe am 17.02.2014 brachte der Beteiligte zu 2) einen möglichen Verkauf der RWE-Anteile zur Sprache. Der ebenfalls anwesende Betriebsratsvorsitzende C. C. wies ihn dabei auf seine Verschwiegenheitspflicht hin. Über den Verlauf der Sitzung wurde ein Ergebnisprotokoll gefertigt, wegen dessen Einzelheiten auf die von der Arbeitgeberin überreichte Anlage AST 1, Bl. 8 - 11 d. A., Bezug genommen wird.
11Am 20.02.2014 fand eine Betriebsversammlung statt, in der sich die Kandidaten für die Betriebsratswahl, u. a. auch der Beteiligte zu 2), vorstellten. Der Beteiligte zu 2) brachte in seiner Rede einen möglichen Verkauf von RWE - Anteilen an H. zur Sprache. Seine Rede enthielt u. a. nachfolgende Passagen:
12"Liebe Kolleginnen und Kollegen,
13die anstehende Wahl hat sehr viel mit der Zukunft unserer RWW zu tun Dr. T. hat bei der letzten Betriebsversammlung bekanntgegeben, dass ein Teil der RWW verkauft werden soll. ...
14Verkauf: eine Beteiligung von weniger als 30% an der RWW - so wie Dr. T. es angekündigt hat, ergibt keinen Sinn, weil der Einfluss damit zu gering ist. Bei dieser Konstellation könnte ein möglicher Käufer vom RWE-Konzern überstimmt und von den Gemeinden mit ihrer Sperrminorität blockiert werden.
15... Aber angenommen, die 30% stimmen, dann wären mit H. als Käufer die meisten Überschneidungen. ...
16Wir brauchen einen intakten und starken Betriebsrat, der sich für die Be-legschaft einsetzt und einbringt. Ich wünsche mir einen Betriebsrat, der vor dem Verkauf des Wasserwerkes aktiv wird und nicht erst dann, wenn das Kind im Brunnen liegt. Anstatt sich in Verschwiegenheit zu üben, sollte der Vorgang transparent sein.
17... Deshalb bewerbe ich mich für den Betriebsrat. ..."
18Wegen der Einzelheiten wird auf die vom Beteiligten zu 2) in der mündlichen Anhörung am 23.01.2015 überreichte Kopie seines Redemanuskripts, Bl. 145 - 147 d. A. verwiesen. Zu Beginn der Rede hatte der Betriebsratsvorsitzende den Beteiligten zu 2) auf die Verschwiegenheitspflicht hingewiesen. Der Beteiligte zu 2) setzte die Rede jedoch entsprechend seinem Manuskript fort.
19Mit einem am 25.03.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen, den anderen Beteiligten jeweils am 31.03.2014 zugestellten Schriftsatz hat die Arbeitgeberin den Ausschluss des Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat beantragt. Am 15./16.04.2014 wurde turnusmäßig ein neuer Betriebsrat gewählt. Der Beteiligte zu 2) wurde mit einem deutlich erhöhten Stimmenanteil wiedergewählt.
20Die Arbeitgeberin hat erklärt, sie halte auch nach der Neuwahl an ihrem Begehren zum Ausschluss des Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat fest. Wenn ein Betriebsrat vor Abschluss des Ausschlussverfahrens neugewählt und das auszuschließende Betriebsratsmitglied auch in der neuen Amtsperiode in den Betriebsrat gewählt worden sei, bleibe das Rechtsschutzbedürfnis bestehen. Eine mit dem Wechsel der Amtszeit automatisch verbundene Generalabsolution stoße auf erhebliche rechtspolitische Bedenken. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 23 Abs.1 BetrVG sei die Gewährleistung der gesetzmäßigen Amtsausübung des Betriebsrats sowie die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern einerseits und dem Arbeitgeber andererseits. War die Amtspflichtverletzung so gravierend, dass die Vertrauensbeziehung zum Arbeitgeber nachhaltig gestört bleibe, so müsse ein Ausschluss aus dem neugewählten Betriebsrat möglich bleiben. Die gegenteilige Auffassung würde zu dem absurden Ergebnis führen, dass sich ein Betriebsratsmitglied kurz vor dem Ende einer Amtsperiode selbst die gravierendsten Amtspflichtverstöße erlauben könnte, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen.
21In der Sache wirft die Arbeitgeberin dem Beteiligten zu 2) vor, bereits im Rahmen der ver.di-Versammlung am 17.02.2014 und sodann auf der Betriebsversammlung am 20.02.2014 vertrauliche Informationen über den geplanten Anteilsverkauf, die ihm auf der Betriebsratssitzung am 29.01.2014 zur Kenntnis gelangt sind, öffentlich bekannt gemacht zu haben. So habe er die Belegschaft auf der Betriebsversammlung darüber informiert, dass 30% der Anteile verkauft werden sollen, habe eine eigene Analyse der Interessenlage sowohl des Verkäufers RWE als auch eines namentlich genannten potentiellen Käufers abgegeben und so ein Schreckensszenario an die Wand gemalt. Dabei habe er die Verschwiegenheitspflicht im Eigeninteresse, nämlich zum Zwecke der Wahlwerbung, verletzt. Anschließend sei - unstreitig - in der Presse über die geplanten Anteilsverkäufe berichtet worden. Dies sei auf die Indiskretion des Beteiligten zu 2) zurückzuführen. Der Verhandlungsprozess sei durch das Bekanntwerden erheblich gestört worden.
22Die Arbeitgeberin hat beantragt,
23den Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat der RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft mbH auszuschließen.
24Der Beteiligte zu 2) hat beantragt,
25den Antrag zurückzuweisen.
26Der Beteiligte zu 2) hat die Ansicht vertreten, der Antrag der Arbeitgeberin sei unzulässig geworden. Da nach Einleitung des Verfahrens eine Neuwahl des Betriebsrats stattgefunden habe, fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Er hat zudem bestritten, gegen die Geheimhaltungspflicht verstoßen zu haben.
27Der Beteiligte zu 3) hat keinen eigenen Antrag gestellt.
28Das Arbeitsgericht Oberhausen hat den Antrag der Arbeitgeberin mit Beschluss vom 03.07.2014 zurückgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
29Unter Zugrundelegung eines Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts vom 29.04.1969 - AZ: 1 ABR 19/68 - fehle es an dem Rechtsschutzbedürfnis für das vorliegende Verfahren. Ebenso wie ein Betriebsrat, dessen Amtszeit geendet habe, nicht mehr aufgelöst werden könne, sei auch der Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds nach Ablauf der Amtszeit nicht möglich. Der Gesetzgeber habe bewusst keine Regelung über den Verlust oder die Entziehung der Wählbarkeit aufgenommen. Diese gesetzliche Wertung würde missachtet, wenn das wiedergewählte Betriebsratsmitglied wegen einer Pflichtverletzung aus der vorangegangenen Amtszeit ausgeschlossen werden könnte.
30Gegen diesen der Arbeitgeberin am 16.07.2014 zugestellten Beschluss hat sie mit einem am 08.08.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese - nach einer Fristverlängerung bis zum 02.10.2014 - mit einem am 02.10.2014 eingegangenen Schriftsatz begründet.
31Die Beteiligte zu 1) rügt, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts im Beschluss vom 29.04.1969 gefolgt, dass das Rechtsschutzbedürfnis für ein Ausschlussverfahren entfalle, wenn die Amtszeit des betroffenen Betriebsratsmitglieds während des Verfahrens ende und es für die sich anschließende Amtsperiode wiedergewählt worden sei. Wenn die Pflichtverletzung eines einzelnen Betriebsratsmitglieds so gravierend sei, dass sie in die neue Amtszeit fortwirke, rechtfertige dies den Ausschluss des Betriebsratsmitglieds aus dem neu gewählten Betriebsrat. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Die massiven Verstöße des Beteiligten zu 2) gegen die Verschwiegenheitspflicht zum Zwecke der eigenen Wahlwerbung wögen so schwer, dass sie sich auf die neue Amtszeit belastend auswirkten. Die Vertrauensbeziehung sei zerstört. Die Arbeitgeberin müsse damit rechnen, dass der Beteiligte zu 2) in Zukunft wieder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihm in seiner Eigenschaft als Betriebsratsmitglied anvertraut würden, preisgeben werde.
32Die Beteiligte zu 1) beantragt,
33den Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 03.07.2014 - AZ: 4 BV 12/14 - abzuändern und den Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat der RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft auszuschließen.
34Der Beteiligte zu 2) beantragt,
35die Beschwerde zurückzuweisen.
36Der Beteiligte zu 2) verteidigt den angefochtenen Beschluss. Eine etwaige Pflichtverletzung in der vorangegangenen Amtsperiode könne nicht zum Ausschluss aus dem Betriebsrat in der laufenden Amtsperiode führen.
37Darüber hinaus bestreitet er, eine Pflichtverletzung begangen zu haben. Er verweist darauf, dass der Geschäftsführer Dr. T. auf der Betriebsversammlung im Herbst 2013 selbst eingeräumt habe, ein Verkauf könne nicht ausgeschlossen werden. Es sei klar gewesen, dass im Falle eines Verkaufs die Firma H. wieder als Käufer in Betracht kommen würde, da sie bereits in der Vergangenheit Interesse am Erwerb von Anteilen gezeigt habe.
38Der Beteiligte zu 3) stellt keinen eigenen Antrag.
39Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschriften vom 03.07.2014 und vom 23.01.2015, auf die Feststellungen unter Ziffer I. des angefochtenen Beschlusses sowie ergänzend auf sämtliche Schriftsätze nebst Anlagen sowie sonstige von den Beteiligten überreichte Unterlagen Bezug genommen.
40II.
41Die Beschwerde der Arbeitgeberin hat Erfolg. Der Beteiligte zu 2) ist aus dem Betriebsrat auszuschließen.
421.Gegen die Zulässigkeit der Beschwerde bestehen keine Bedenken.
43Die Beschwerde ist statthaft gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht im Sinne von § 87 Abs. 2 i. V. m. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
442.Die Beschwerde ist begründet.
45a)Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
46aa)Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, dass ein Ausschlussverfahren nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG mit Ablauf der Amtszeit, in der das Betriebsratsmitglied seine Pflichten grob verletzt haben soll, gegenstandslos wird und deshalb das Rechtsschutzbedürfnis für den Ausschlussantrag selbst dann wegfällt, wenn das Betriebsratsmitglied für die neue Amtsperiode wieder in den Betriebsrat gewählt worden ist (BAG v. 29.04.1969 - 1 ABR 19/68 - AP Nr. 9 zu § 23 BetrVG; ebenso LAG Hamm v. 20.03.2009 - 10 TaBV 149/08 - Rn. 64, juris, und v. 09.02.2007 - 10 TaBV 54/06 - Rn. 71, juris; LAG München v. 12.08.2008 - 6 TaBV 133/07 - Rn. 20, juris). Dem kann nur für den Fall zugestimmt werden, dass sich der Antrag unverändert auf den Ausschluss aus dem bisherigen Betriebsrat bezieht. Wird hingegen der Ausschluss aus dem neugewählten Betriebsrat beantragt, so ist das Rechtsschutzbedürfnis gegeben (ebenso LAG München v. 28.04.2014 - 2 TaBV 44/13 - Rn. 130, juris). Da das Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses dazu dient, die Gerichte vor einer unberechtigten Inanspruchnahme zu schützen (vgl. Musielak, ZPO, 11. Auflage 2014, vor § 253 ZPO Rn. 7), entfällt es nur bei objektiv sinnlosen Anträgen, d. h. wenn der Klagende kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann (Greger in Zöller, ZPO, 30. Auflage 2014, Vorbemerkung zu § 253 ZPO Rn. 18).
47Da der Ausschluss aus einem bereits beendeten Amt unmöglich ist, ist bei einer derartigen Konstellation das Festhalten an dem Antrag offensichtlich unsinnig. Soll das Betriebsratsmitglied hingegen aus dem neugewählten Betriebsrat ausgeschlossen werden, so gibt es für den Arbeitgeber keinen anderen Weg, als das Verfahren gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG durchzuführen. Ob dieses Begehren auf einen Pflichtverstoß gestützt werden kann, der in der vorherigen Amtszeit begangen wurde, ist allein eine Frage der Begründetheit des Antrags (LAG München v. 28.04.2014 a. a. O.).
48bb) Im Streitfall war der zum Schluss der mündlichen Anhörung erster Instanz gestellte Antrag der Arbeitgeberin nicht (mehr) auf einen Ausschluss aus dem bisherigen, sondern auf den Ausschluss aus dem am 15./16.04.2014 neu gewählten Betriebsrat gerichtet. Dies ergibt die erforderliche Auslegung des Antrags. Zwar ist der Antrag vom Wortlaut her unverändert geblieben, der Begründung lässt sich jedoch entnehmen, dass es der Arbeitgeberin nicht um eine reine Sanktion für die vergangene - vermeintliche - Pflichtverletzung ging. Sie hat vielmehr nach der Neuwahl ausgeführt, dass sich das Verhalten auf die derzeitige Amtsführung des Beteiligten zu 2) belastend auswirke. Hierdurch wird ihr Begehren eines Ausschlusses aus dem aktuellen Betriebsrat deutlich. Die Richtigkeit dieses Verständnisses hat sie zudem auf Nachfrage der Kammer ausdrücklich bestätigt.
49cc)Damit lag bereits erstinstanzlich eine (verdeckte) Antragsänderung vor, denn bei dem ursprünglich begehrten Ausschluss aus dem bis April 2014 amtierenden Betriebsrat und dem Antrag auf Ausschluss aus dem neugewählten Betriebsrat handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände. Diese Antragsänderung war zulässig.
50Gemäß § 81 Abs. 3 S. 1 ArbGG ist eine Antragsänderung im Beschlussverfahren u.a. dann zulässig, wenn das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Eine Sachdienlichkeit liegt vor, wenn der bisherige Streitstoff und das Ergebnis des bisherigen Verfahrens auch für die Entscheidung über den geänderten Antrag nutzbar gemacht werden können und wenn der Streit der Beteiligten mit einer Entscheidung über den geänderten Antrag endgültig oder besser beigelegt werden kann und ein weiteres Verfahren vermieden wird (Matthes/Spinner in Germelmann/Matthes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, 8. Auflage 2013, § 81 Rn. 91). Entscheidend ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit (BAG v. 06.12.2001 - 2 AZR 733/00 - AP Nr. 3 zu § 263 ZPO).
51Danach war die Antragsänderung hier sachdienlich. Da das Begehren des Ausschlusses aus dem aktuellen Betriebsrat nicht auf neue Vorwürfe gestützt wird, kann der bisherige Streitstoff vollumfänglich verwertet werden. Würde man die Antragsänderung nicht zulassen, wäre die Arbeitgeberin gezwungen, ein neues Ausschlussverfahren einzuleiten, was zu unnötigen Verzögerungen und zusätzlichen Kosten führen würde.
52b)Der Antrag ist begründet. Der Beteiligte zu 2) ist aus dem Betriebsrat auszuschließen. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 S.1 BetrVG liegen vor.
53aa)Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann ein Betriebsratsmitglied auf den Antrag des Arbeitgebers aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden, wenn es seine gesetzlichen Pflichten grob verletzt. Mit den gesetzlichen Pflichten sind die Amtspflichten des Betriebsratsmitglieds gemeint, d. h. diejenigen Pflichten, die sich aus dem Betriebsverfassungsrecht ergeben, denn es steht insoweit das Amt des Betriebsrates in Rede (BAG 05.09.1967 - 1 ABR 1/67, AP Nr. 8 zu § 23 BetrVG Rn. 33, 45; LAG Düsseldorf v. 09.01.2013 - 12 TaBV 93/12 - Rn. 40, juris). Die Pflichtverletzung muss "grob", nämlich objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend sein (vgl. BAG 22.06.1993 - 1 ABR 62/92 -, AP Nr. 22 zu § 23 BetrVG 1972; BAG 21.02.1978 - 1 ABR 54/76, BB 1978, 1116 Rn. 85; LAG Düsseldorf v. 09.01.2013 a. a. O.). Dies kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der betrieblichen Gegebenheiten und des Anlasses der Pflichtverletzung beurteilt werden (BAG 22.06.1993 a.a.O.; BAG 21.02.1978 a.a.O.; LAG Düsseldorf v. 09.01.2013 a. a. O). Die weitere Amtsausübung muss untragbar sein (BAG v. 22.06.1993 a.a.O.; LAG Düsseldorf v. 09.01.2013 aaO; LAG Berlin-Brandenburg v. 12.11.2012 - 17 TaBV 1318/12 - Rn. 26, NZA-RR 2013, 293).
54Ob die Pflichtverletzung stets schuldhaft, gegebenenfalls sogar vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen sein muss, ist streitig (verneinend BAG v. 05.09.1967 - 1 ABR 1/67 -; Oetker in Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz [GK-BetrVG], 10. Auflage 2014, § 23 BetrVG Rn. 47; bejahend Hess/Worzalla/Glock/Nicolai/Rose/Huke [HWGNRH] - Huke, BetrVG Kommentar, 9. Auflage 2014, § 23 BetrVG Rn. 17; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, Betriebsverfassungsgesetz, 27. Auflage 2014, § 23 BetrVG Rn. 16; für das Erfordernis einfaches Verschuldens: Thüsing in Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 14. Auflage 2014, § 23 BetrVG Rn. 28 ). Jedenfalls muss das Verhalten des Betriebsratsmitglieds aber das Vertrauen des Betriebsrats zur Belegschaft oder aber zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber (vgl. BAG v. 05.09.1967 a.a.O.) oder aber innerhalb des Gremiums in hohem Maße erschüttern. Auf dieses Vertrauen ist der Betriebsrat angewiesen, um seine gesetzlichen Aufgaben zum Wohle der Gemeinschaft erfüllen zu können (vgl. wiederum BAG v. 05.09.1967 a.a.O.).
55bb)Die dargestellten Voraussetzungen zum Ausschluss aus dem Betriebsrat sind gegeben. Der Beteiligte zu 2) hat in grober Weise gegen seine Verschwiegenheitspflicht verstoßen.
56aaa)Gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats verpflichtet, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekannt geworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten.
57(1)Bei den am 21.01.2014 seitens der Geschäftsführung gegebenen Informationen handelte es sich um Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse.
58Unter den Begriff des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsachen, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem Willen des Betriebsinhabers aufgrund eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses geheim gehalten werden sollen (BAG v. 10.03.2009 - 1 ABR 87/07 - Rn. 25, AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972; BAG v. 13.02.2007 - 1 ABR 14/06 - Rn. 32, AP Nr. 81 zu § 118 BetrVG 1972; BAG v. 26.02.1987 - 6 ABR 46/84 - AP Nr. 2 zu § 79 BetrVG 1972; BAG v. 16.03.1982 - 3 AZR 83/79 - AP Nr. 1 zu § 611 BGB Betriebsgeheimnis).
59Bei der Information, dass der Gesellschafter RWE u.a. mit der Firma H. Verhandlungen über einen Verkauf von Teilen der Gesellschaftsanteile führt, handelte es sich im Januar/Februar 2014 um ein derartiges Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnis. Es betraf eine Tatsache, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betrieb der Beteiligten zu 1) steht. Sie war nicht offenkundig, sondern zum damaligen Zeitpunkt nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt. Dem steht nicht entgegen, dass der Geschäftsführer Dr. T. bereits auf der Betriebsversammlung am 17.10.2013 auf Nachfrage des Beteiligten zu 2) erklärt hat, ein Verkauf von Anteilen könne nicht ausgeschlossen werden. Die Führung konkreter Verhandlungen gerade zum damaligen Zeitpunkt hat er mit der Einräumung der abstrakten Möglichkeit eines Anteilsverkaufs nicht eingeräumt. Zudem hat er unstreitig keinen potentiellen Verkäufer genannt. Allein daraus, dass H. in der Vergangenheit als Kaufinteressent in Erscheinung getreten ist, folgt nicht, dass konkrete Verkaufsverhandlungen mit diesem Unternehmen im Januar/Februar 2014 mehr als nur dem an den Verkaufsverhandlungen beteiligten Personenkreis bekannt waren. Schließlich handelte es sich um Tatsachen, die nach dem berechtigten wirtschaftlichen Interesse des Betriebsinhabers geheim zu halten waren. Zum einen liegt es auf der Hand, dass die vorzeitige Bekanntgabe aufgrund der öffentlichen Reaktionen, insbesondere des zu erwartenden Medienechos, zu Störungen der Verkaufsverhandlungen hätte führen können - und wohl auch geführt hat -, zum anderen stand zu befürchten, dass der Betriebsablauf durch die bei Bekanntgabe der Nachricht entstehende Unruhe innerhalb der Belegschaft gestört werden würde.
60(2)Die Arbeitgeberin hat diese Informationen ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet.
61bbb)Gegen diese Geheimhaltungspflicht hat der Beteiligte zu 2) jedenfalls am 20.02.2014 verstoßen, als er die Informationen im Rahmen der Betriebsversammlung an die Belegschaft weitergegeben hat.
62Zunächst einmal hat er die Belegschaft darüber informiert, dass RWE zum damaligen Zeitpunkt konkret die Absicht hatte, Anteile zu verkaufen. Dass er dies mit der unzutreffenden Behauptung verknüpft hat, es handle sich um eine Information aus der letzten Betriebsversammlung, vermag den darin liegenden Geheimnisverrat nicht zu kaschieren. Darüber hinaus hat er ausdrücklich den Interessenten H. benannt.
63ccc)Es handelte sich um einen groben Pflichtenverstoß.
64Der Beteiligte zu 2) hat vorsätzlich gegen die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht verstoßen. Dies lässt sich aus dem zeitlichen Ablauf ersehen. Schon am 03.07.2013 hat er vergeblich versucht, einen - unwirksamen - Betriebsratsbeschluss über die Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht zu den von Dr. T. am 22.05.2013 gegebenen Informationen herbeizuführen. Sodann hat er am 17.02.2014 das Forum einer Mitgliederversammlung/Vertrauensleutesitzung genutzt, um das Thema Anteilsverkauf zu erörtern. Ob er bereits zum damaligen Zeitpunkt Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse weitergegeben hat, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist er in diesem Zusammenhang ausdrücklich vom Betriebsratsvorsitzenden auf seine Verschwiegenheitspflicht hingewiesen worden. Auch dies hat beim Beteiligten zu 2) jedoch kein Umdenken in seiner Einstellung zur Verschwiegenheitspflicht bewirkt. Stattdessen hat er am 20.02.2014 zunächst die konkreten Verkaufsverhandlungen offenbart und dann - trotz des erneuten Hinweises des Betriebsratsvorsitzenden auf die Schweigepflicht - sogar einen an den Verhandlungen beteiligten potentiellen Käufer benannt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beteiligte zu 2) am 20.02.2014 aus egoistischen Motiven, nämlich zum Zwecke der eigenen Wahlwerbung gehandelt hat. Zugleich hat er seine Pflichtverstöße mit der Ankündigung verbunden, sich auch in Zukunft nicht an die Verschwiegenheitspflicht halten zu wollen, wie er gegen Ende seiner Rede zum Ausdruck gebracht hat: "Ich wünsche mir einen Betriebsrat, der vor dem Verkauf des Wasserwerkes aktiv wird und nicht erst dann, wenn das Kind im Brunnen liegt. Anstatt sich in Verschwiegenheit zu üben, sollte der Vorgang transparent sein." Mit anderen Worten: Der Beteiligte zu 2) kritisiert die anderen Betriebsratsmitglieder dafür, dass sie sich an ihre gesetzlichen Pflichten zur Verschwiegenheit halten, und wirbt dafür, ihn zu wählen, weil er dies anders handhabt.
65ddd)Der Beteiligte zu 2) ist aus dem aktuellen Betriebsrat auszuschließen, obwohl der Verstoß aus der vorangegangenen Amtszeit stammt.
66(1)Ob eine Amtspflichtverletzung in der vorangegangenen Amtszeit in der folgenden Amtsperiode zu dem Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds führen kann, ist umstritten.
67Eine Auffassung lehnt dies grundsätzlich ab (BAG v. 29.04.1969 - 1 ABR 19/68 - AP Nr. 9 zu § 23 BetrVG; LAG München v. 28.04.2014 - 2 TaBV 44/13 - Rn. 131 ff., juris; LAG München v. 12.08.2008 - 6 TaBV 133/07 - Rn. 20, juris; Hess. LAG v. 03.09.2009 - 9 TaBVGa 159/09 - Rn. 19, NZA-RR 2010, 246; Fitting u.a., § 23 BetrVG Rn. 25; Trittin in Däubler/Kittner/Klebe/Wedde [DKKW], Betriebsverfassungsgesetz, 14. Auflage 2014). Zur Begründung wird auf die Gesetzessystematik verwiesen. § 23 Abs. 1 BetrVG regele nicht nur den Ausschluss eines einzelnen Betriebsratsmitglieds, sondern auch die Auflösung des gesamten Betriebsrats. Letzteres sei aber nach Ablauf der Amtszeit selbst dann nicht mehr möglich, wenn der neue mit dem alten Betriebsrat personenidentisch sei. § 24 BetrVG lasse für den Verlust des Amtes u.a. den Ablauf der Amtszeit maßgebend sein. Nach § 21 BetrVG beginne die Amtszeit mit der Wahl bzw., wenn zu dieser Zeit noch ein Betriebsrat bestehe, mit Ablauf von dessen Amtszeit. In gleicher Weise unterscheide das Gesetz in § 22 BetrVG für die Fälle der vorzeitigen Neuwahl zwischen dem alten und dem neuen Betriebsrat. Diese von der Gesetzessystematik gebotene Auslegung müsse auch im Falle der Wiederwahl gelten, denn der Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds stehe seiner Wiederwahl nicht entgegen. Die Wiederwahl stelle einen Vertrauensbeweis für das betreffende Betriebsratsmitglied dar. Die durch die Neuwahl geschaffene Vertrauenslage würde zerstört, wenn das auf die alten Vorkommnisse zurückgehende Ausschlussverfahren jetzt noch zum Ausschluss führen könnte. Überdies würde die Mitgliedschaft eines solchen Arbeitnehmers in dem neuen Betriebsrat während der gesamten Amtszeit und damit in gewissem Sinne auch seine Wählbarkeit von dem Zufall abhängen, ob das Ausschlussverfahren noch in der alten oder erst in der neuen Amtszeit rechtskräftig beendet wird. Würde man den Ausschluss auch für die neue Amtszeit für zulässig erachten, so würde die Entscheidung des Gerichts das neue Amt beenden, obwohl dem Arbeitnehmer aus seiner Mitgliedschaft in dem neuen Betriebsrat keine Vorwürfe im Sinne des § 23 BetrVG gemacht werden könnten (BAG v. 29.04.1969, unter II. 2. e) der Gründe, a. a. O.).
68Die Gegenansicht hält einen Ausschluss für möglich, sofern sich die vorangegangene Pflichtverletzung auf die Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds belastend fortwirke (GK-Oetker, § 23 BetrVG Rn. 55; Richardi - Thüsing, Betriebsverfassungsgesetz, 14. Auflage 2014, § 23 BetrVG Rn. 26; HWGNRH - Huke, § 23 BetrVG Rn. 19; offen gelassen vom LAG Hamm im Beschuss v. 09.02.2007 - 10 TaBV 54/06 - Rn. 72).
69(2)Jedenfalls für die vorliegende Fallkonstellation, in der eine unmittelbar vor der Neuwahl des Betriebsrats begangene Pflichtverletzung konkrete Auswirkungen auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen neuem Betriebsrat und Arbeitgeber hat, folgt die Kammer der letztgenannten Ansicht.
70Dem Wortlaut des § 23 Abs.1 BetrVG lässt sich nicht entnehmen, ob nur Pflichtverletzungen während der gerade laufenden Amtszeit zum Ausschluss führen können oder ob auch eine Pflichtverletzung in der vorausgegangenen Amtsperiode genügt (ebenso BAG v. 29.04.1969 - 1 ABR 19/68 -, unter Ziffer II. 2. a) der Gründe, a. a. O.).
71Aus der vom Bundesarbeitsgericht im Beschluss v. 29.04.1969 aufgeführten Gesetzessystematik lässt sich lediglich schließen, dass sich ein auf den Ausschluss aus dem bisherigen Betriebsrat gerichteter Antrag mit der Neuwahl eines Betriebsrats erledigt, da die bisherige Amtszeit endet und eine neue Amtszeit beginnt. Diesbezüglich gibt es keinerlei Unterschied zu der zweiten in § 23 Abs. 1 BetrVG geregelten Fallgestaltung, der Auflösung eines Betriebsrats. Hingegen enthalten weder § 21 noch § 22 oder § 24 BetrVG Anhaltspunkte dafür, inwieweit eine vorangegangene Pflichtverletzung in einem Verfahren nach § 23 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BetrVG von Relevanz sein kann, sofern ein Ausschluss aus dem neugewählten Betriebsrat beantragt wird.
72Aus der Tatsache, dass das Gesetz die Wiederwahl eines wirksam ausgeschlossenen Betriebsratsmitglieds nicht ausschließt, können keinerlei Rückschlüsse gezogen werden. Es geht hier nicht um die Wiederwahl eines bereits ausgeschlossenen Betriebsratsmitglieds, sondern um die Berechtigung eines solchen Ausschlusses. Aber auch aus der Wählbarkeit eines Arbeitnehmers, der bereits zum Zeitpunkt der Wahl durch eine grobe Pflichtwidrigkeit einen Ausschlussgrund gesetzt hat, können keine Rückschlüsse auf die Begründetheit eines Antrags nach § 23 Abs. 1 BetrVG gezogen werden. Eine etwaige Regelung, die bereits im Falle des Vorliegens eines Ausschlussgrundes die Wählbarkeit entfallen ließe, fehlt aus gutem Grunde. Sie wäre nämlich systemwidrig. Ein Ausschlussgrund müsste nämlich dann vom Wahlvorstand von Amts wegen berücksichtigt werden, während der Ausschluss gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG eines Antrags der dort genannten Antragsberechtigten bedarf. Zudem hätte der Entfall der Wählbarkeit viel gravierende Folgen, denn sie würde ohne vorherige gerichtliche Prüfung des Vorliegens eines Ausschlussgrundes mit sofortiger Wirkung greifen, während der Ausschluss nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG erst ab Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung Wirkung entfaltet.
73Nicht überzeugend ist das Argument, in der Wiederwahl liege ein Vertrauensbeweis für das Betriebsratsmitglied und diese durch die Neuwahl geschaffene Vertrauensgrundlage würde zerstört, wenn das auf die alten Vorkommnisse zurückgehende Ausschlussverfahren jetzt noch zum Ausschluss führen könnte. Zum einen kann durch die Neuwahl allenfalls eine etwaig zerstörte Vertrauensgrundlage zwischen Betriebsratsmitglied und Belegschaft, nicht aber zerstörtes Vertrauen zwischen Betriebsratsmitglied und Arbeitgeber und/oder Betriebsrat wiederhergestellt werden. Zum anderen würde ein solcher "Vertrauensbeweis" voraussetzen, dass die gesamte Wählerschaft sowohl Kenntnis von einem laufenden Ausschlussverfahren als auch von den darin erhobenen Vorwürfen hat. Das lässt sich jedenfalls im vorliegenden Fall nicht feststellen.
74Auch die vom Arbeitsgericht vorgebrachte Begründung, es dürfe nicht von der Zufälligkeit des Zeitpunkts des rechtskräftigen Abschlusses eines Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG abhängen, ob der Ausschluss für die alte oder die neue Amtszeit greife, vermag nicht zu überzeugen. Das Bundesarbeitsgericht hat mit diesem Argument lediglich aufgezeigt, dass man zu unbefriedigenden Ergebnissen kommen würde, wenn man annähme, dass ein Ausschlussverfahren sich (automatisch) auf den neuen Betriebsrat erstrecken würde. Mit der Frage, was im Falle einer Antragsänderung gilt, musste und konnte sich das Bundesarbeitsgericht in dem Beschluss vom 29.04.1969 nicht auseinandersetzen, da Antragsänderungen im Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unzulässig sind (vgl. BAG v. 15.04.2014 - 1 ABR 80/12 - Rn. 18, NZA 2015, 62; grundlegend BAG v. 27.04.1962 - 1 ABR 1/59 - AP Nr. 2 zu § 80 ArbGG 1953).
75Der Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 S. 1 Alt.1 BetrVG spricht dafür, zumindest in den Fällen, in denen sich eine Pflichtverletzung in der vorangegangenen Amtsperiode konkret auf die Amtsführung in der laufenden Amtszeit auswirkt, einen Ausschluss zuzulassen. § 23 BetrVG dient insgesamt der Durchführung der Betriebsverfassung (Richardi-Thüsing, § 23 BetrVG Rn. 1). Mittelbar dient die Norm damit der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats und des gesetzmäßigen Verhaltens der Betriebspartner (Fitting § 23 Rn. 1; DKKW - Trittin, § 23 BetrVG Rn. 5). Durch § 23 Abs. 1 BetrVG soll zugleich ein Mindestmaß der gesetzlichen Amtsausübung des Betriebsrats sichergestellt werden (vgl. GK-BetrVG/Oetker, § 23 BetrVG Rn. 15; Richardi - Thüsing, § 23 BetrVG Rn. 3). Dabei soll durch die Vorschrift auch die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern einerseits und dem Arbeitgeber andererseits abgesichert werden (GK-BetrVG/Oetker, § 23 Rn. 54). Das lässt sich daraus ersehen, dass nicht nur dem Betriebsrat, sondern auch dem Arbeitgeber ein Antragsrecht zusteht.
76Für die Beantwortung der Frage, ob eine grobe Pflichtverletzung zu Beeinträchtigungen bei der Durchführung der Betriebsverfassung führt, ist aber nicht der Zeitpunkt der Pflichtverletzung, sondern allein deren Auswirkung entscheidend. Führt daher eine vorangegangene Pflichtverletzung konkret zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des aktuellen Betriebsrats oder der vertrauensvollen Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat in der laufenden Amtszeit, so wäre es mit dem in § 23 BetrVG zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Anliegen nicht vereinbar, wenn ein Ausschluss des die Störung verursachenden Betriebsratsmitglieds nicht möglich wäre.
77(3)Die grobe Pflichtwidrigkeit des Beteiligten zu 2) wirkt sich auf die Durchführung der Betriebsverfassung im Betrieb der Arbeitgeberin aus.
78Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Betriebsparteien ist in der laufenden Amtsperiode ausgeschlossen, solange der Beteiligte zu 2) Mitglied des Betriebsrats ist. Wenn nicht sichergestellt ist, dass jedes Betriebsratsmitglied sich an seine Verschwiegenheitspflicht hält, steht nicht zu erwarten, dass die Arbeitgeberin dem Betriebsrat geheimhaltungsbedürftige oder aber sonstige vertrauliche Informationen gibt. Insoweit wirkt sich das Verhalten des Beteiligten zu 2) deshalb konkret auf die laufende Zusammenarbeit der Betriebsparteien aus, da er in seiner Rede am 20.02.2014 nicht nur ihm in seiner Eigenschaft als Betriebsratsmitglied anvertraute geheimhaltungsbedürftige Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse offenbart, sondern zugleich zum Ausdruck gebracht hat, dies auch zukünftig zu tun. Nicht anders lässt sich seine Äußerung "Ich wünsche mir einen Betriebsrat, der vor dem Verkauf des Wasserwerkes aktiv wird und nicht erst dann, wenn das Kind im Brunnen liegt. Anstatt sich in Verschwiegenheit zu üben, sollte der Vorgang transparent sein." verstehen. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine Ankündigung, sondern - schlimmer noch - um ein seinen Wählern gegebenes Versprechen. Es kann dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, dem Betriebsrat in Kenntnis dieser Ankündigung Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse anzuvertrauen und erst nach einem erneuten Verstoß des Beteiligten zu 2) ein Ausschlussverfahren einzuleiten.
79III.
80Die Rechtsbeschwerde war gem. § 92 Abs. 1 S.2 i. V. m. § 72 Abs.2 Nr.1 u. 2 ArbGG zuzulassen.
81RECHTSMITTELBELEHRUNG
82Gegen diesen Beschluss kann von den Beteiligten zu 2) und 3)
83R E C H T S B E S C H W E R D E
84eingelegt werden.
85Für die Beteiligte zu 1) ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
86Die Rechtsbeschwerde muss
87innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
88nach der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses schriftlich oder in elektronischer Form beim
89Bundesarbeitsgericht
90Hugo-Preuß-Platz 1
9199084 Erfurt
92Fax: 0361-2636 2000
93eingelegt werden.
94Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
95Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
961.Rechtsanwälte,
972.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
983.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
99In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Rechtsbeschwerdeschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
100Beteiligte, die als Bevollmächtigte zugelassen sind, können sich selbst vertreten.
101Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Rechtsbeschwerde wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
102* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
103BarthDr. FülbierAlaeddin
(1) Die Sitzungen des Betriebsrats finden in der Regel während der Arbeitszeit statt. Der Betriebsrat hat bei der Ansetzung von Betriebsratssitzungen auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht zu nehmen. Der Arbeitgeber ist vom Zeitpunkt der Sitzung vorher zu verständigen. Die Sitzungen des Betriebsrats sind nicht öffentlich. Sie finden als Präsenzsitzung statt.
(2) Abweichend von Absatz 1 Satz 5 kann die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn
- 1.
die Voraussetzungen für eine solche Teilnahme in der Geschäftsordnung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sind, - 2.
nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist diesem gegenüber widerspricht und - 3.
sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.
(3) Erfolgt die Betriebsratssitzung mit der zusätzlichen Möglichkeit der Teilnahme mittels Video- und Telefonkonferenz, gilt auch eine Teilnahme vor Ort als erforderlich.
(1) Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt.
(2) Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.
(3) Zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Betriebsbedingte Gründe liegen auch vor, wenn die Betriebsratstätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit erfolgen kann. Die Arbeitsbefreiung ist vor Ablauf eines Monats zu gewähren; ist dies aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich, so ist die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten.
(4) Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers.
(5) Soweit nicht zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen, dürfen Mitglieder des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten der in Absatz 4 genannten Arbeitnehmer gleichwertig sind.
(6) Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Betriebsbedingte Gründe im Sinne des Absatzes 3 liegen auch vor, wenn wegen Besonderheiten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung die Schulung des Betriebsratsmitglieds außerhalb seiner Arbeitszeit erfolgt; in diesem Fall ist der Umfang des Ausgleichsanspruchs unter Einbeziehung der Arbeitsbefreiung nach Absatz 2 pro Schulungstag begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Der Betriebsrat hat bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Er hat dem Arbeitgeber die Teilnahme und die zeitliche Lage der Schulungs- und Bildungsveranstaltungen rechtzeitig bekannt zu geben. Hält der Arbeitgeber die betrieblichen Notwendigkeiten für nicht ausreichend berücksichtigt, so kann er die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(7) Unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 6 hat jedes Mitglied des Betriebsrats während seiner regelmäßigen Amtszeit Anspruch auf bezahlte Freistellung für insgesamt drei Wochen zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die von der zuständigen obersten Arbeitsbehörde des Landes nach Beratung mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände als geeignet anerkannt sind. Der Anspruch nach Satz 1 erhöht sich für Arbeitnehmer, die erstmals das Amt eines Betriebsratsmitglieds übernehmen und auch nicht zuvor Jugend- und Auszubildendenvertreter waren, auf vier Wochen. Absatz 6 Satz 2 bis 6 findet Anwendung.
(1) Von ihrer beruflichen Tätigkeit sind mindestens freizustellen in Betrieben mit in der Regel
200 bis 500 | Arbeitnehmern ein Betriebsratsmitglied, |
501 bis 900 | Arbeitnehmern 2 Betriebsratsmitglieder, |
901 bis 1.500 | Arbeitnehmern 3 Betriebsratsmitglieder, |
1.501 bis 2.000 | Arbeitnehmern 4 Betriebsratsmitglieder, |
2.001 bis 3.000 | Arbeitnehmern 5 Betriebsratsmitglieder, |
3.001 bis 4.000 | Arbeitnehmern 6 Betriebsratsmitglieder, |
4.001 bis 5.000 | Arbeitnehmern 7 Betriebsratsmitglieder, |
5.001 bis 6.000 | Arbeitnehmern 8 Betriebsratsmitglieder, |
6.001 bis 7.000 | Arbeitnehmern 9 Betriebsratsmitglieder, |
7.001 bis 8.000 | Arbeitnehmern 10 Betriebsratsmitglieder, |
8.001 bis 9.000 | Arbeitnehmern 11 Betriebsratsmitglieder, |
9.001 bis 10.000 | Arbeitnehmern 12 Betriebsratsmitglieder. |
In Betrieben mit über 10.000 Arbeitnehmern ist für je angefangene weitere 2.000 Arbeitnehmer ein weiteres Betriebsratsmitglied freizustellen. Freistellungen können auch in Form von Teilfreistellungen erfolgen. Diese dürfen zusammengenommen nicht den Umfang der Freistellungen nach den Sätzen 1 und 2 überschreiten. Durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung können anderweitige Regelungen über die Freistellung vereinbart werden.
(2) Die freizustellenden Betriebsratsmitglieder werden nach Beratung mit dem Arbeitgeber vom Betriebsrat aus seiner Mitte in geheimer Wahl und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Wird nur ein Wahlvorschlag gemacht, so erfolgt die Wahl nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl; ist nur ein Betriebsratsmitglied freizustellen, so wird dieses mit einfacher Stimmenmehrheit gewählt. Der Betriebsrat hat die Namen der Freizustellenden dem Arbeitgeber bekannt zu geben. Hält der Arbeitgeber eine Freistellung für sachlich nicht vertretbar, so kann er innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach der Bekanntgabe die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Bestätigt die Einigungsstelle die Bedenken des Arbeitgebers, so hat sie bei der Bestimmung eines anderen freizustellenden Betriebsratsmitglieds auch den Minderheitenschutz im Sinne des Satzes 1 zu beachten. Ruft der Arbeitgeber die Einigungsstelle nicht an, so gilt sein Einverständnis mit den Freistellungen nach Ablauf der zweiwöchigen Frist als erteilt. Für die Abberufung gilt § 27 Abs. 1 Satz 5 entsprechend.
(3) Der Zeitraum für die Weiterzahlung des nach § 37 Abs. 4 zu bemessenden Arbeitsentgelts und für die Beschäftigung nach § 37 Abs. 5 erhöht sich für Mitglieder des Betriebsrats, die drei volle aufeinanderfolgende Amtszeiten freigestellt waren, auf zwei Jahre nach Ablauf der Amtszeit.
(4) Freigestellte Betriebsratsmitglieder dürfen von inner- und außerbetrieblichen Maßnahmen der Berufsbildung nicht ausgeschlossen werden. Innerhalb eines Jahres nach Beendigung der Freistellung eines Betriebsratsmitglieds ist diesem im Rahmen der Möglichkeiten des Betriebs Gelegenheit zu geben, eine wegen der Freistellung unterbliebene betriebsübliche berufliche Entwicklung nachzuholen. Für Mitglieder des Betriebsrats, die drei volle aufeinanderfolgende Amtszeiten freigestellt waren, erhöht sich der Zeitraum nach Satz 2 auf zwei Jahre.
(1) Die in den §§ 14a, 17 und 43 Abs. 1 bezeichneten und die auf Wunsch des Arbeitgebers einberufenen Versammlungen finden während der Arbeitszeit statt, soweit nicht die Eigenart des Betriebs eine andere Regelung zwingend erfordert. Die Zeit der Teilnahme an diesen Versammlungen einschließlich der zusätzlichen Wegezeiten ist den Arbeitnehmern wie Arbeitszeit zu vergüten. Dies gilt auch dann, wenn die Versammlungen wegen der Eigenart des Betriebs außerhalb der Arbeitszeit stattfinden; Fahrkosten, die den Arbeitnehmern durch die Teilnahme an diesen Versammlungen entstehen, sind vom Arbeitgeber zu erstatten.
(2) Sonstige Betriebs- oder Abteilungsversammlungen finden außerhalb der Arbeitszeit statt. Hiervon kann im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber abgewichen werden; im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber während der Arbeitszeit durchgeführte Versammlungen berechtigen den Arbeitgeber nicht, das Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer zu mindern.
(1) Der Betriebsrat hat einmal in jedem Kalendervierteljahr eine Betriebsversammlung einzuberufen und in ihr einen Tätigkeitsbericht zu erstatten. Liegen die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 Satz 1 vor, so hat der Betriebsrat in jedem Kalenderjahr zwei der in Satz 1 genannten Betriebsversammlungen als Abteilungsversammlungen durchzuführen. Die Abteilungsversammlungen sollen möglichst gleichzeitig stattfinden. Der Betriebsrat kann in jedem Kalenderhalbjahr eine weitere Betriebsversammlung oder, wenn die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 Satz 1 vorliegen, einmal weitere Abteilungsversammlungen durchführen, wenn dies aus besonderen Gründen zweckmäßig erscheint.
(2) Der Arbeitgeber ist zu den Betriebs- und Abteilungsversammlungen unter Mitteilung der Tagesordnung einzuladen. Er ist berechtigt, in den Versammlungen zu sprechen. Der Arbeitgeber oder sein Vertreter hat mindestens einmal in jedem Kalenderjahr in einer Betriebsversammlung über das Personal- und Sozialwesen einschließlich des Stands der Gleichstellung von Frauen und Männern im Betrieb sowie der Integration der im Betrieb beschäftigten ausländischen Arbeitnehmer, über die wirtschaftliche Lage und Entwicklung des Betriebs sowie über den betrieblichen Umweltschutz zu berichten, soweit dadurch nicht Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse gefährdet werden.
(3) Der Betriebsrat ist berechtigt und auf Wunsch des Arbeitgebers oder von mindestens einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer verpflichtet, eine Betriebsversammlung einzuberufen und den beantragten Beratungsgegenstand auf die Tagesordnung zu setzen. Vom Zeitpunkt der Versammlungen, die auf Wunsch des Arbeitgebers stattfinden, ist dieser rechtzeitig zu verständigen.
(4) Auf Antrag einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft muss der Betriebsrat vor Ablauf von zwei Wochen nach Eingang des Antrags eine Betriebsversammlung nach Absatz 1 Satz 1 einberufen, wenn im vorhergegangenen Kalenderhalbjahr keine Betriebsversammlung und keine Abteilungsversammlungen durchgeführt worden sind.
(1) Die in den §§ 14a, 17 und 43 Abs. 1 bezeichneten und die auf Wunsch des Arbeitgebers einberufenen Versammlungen finden während der Arbeitszeit statt, soweit nicht die Eigenart des Betriebs eine andere Regelung zwingend erfordert. Die Zeit der Teilnahme an diesen Versammlungen einschließlich der zusätzlichen Wegezeiten ist den Arbeitnehmern wie Arbeitszeit zu vergüten. Dies gilt auch dann, wenn die Versammlungen wegen der Eigenart des Betriebs außerhalb der Arbeitszeit stattfinden; Fahrkosten, die den Arbeitnehmern durch die Teilnahme an diesen Versammlungen entstehen, sind vom Arbeitgeber zu erstatten.
(2) Sonstige Betriebs- oder Abteilungsversammlungen finden außerhalb der Arbeitszeit statt. Hiervon kann im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber abgewichen werden; im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber während der Arbeitszeit durchgeführte Versammlungen berechtigen den Arbeitgeber nicht, das Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer zu mindern.
(1) Arbeitgeber und Betriebsrat sollen mindestens einmal im Monat zu einer Besprechung zusammentreten. Sie haben über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu machen.
(2) Maßnahmen des Arbeitskampfes zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sind unzulässig; Arbeitskämpfe tariffähiger Parteien werden hierdurch nicht berührt. Arbeitgeber und Betriebsrat haben Betätigungen zu unterlassen, durch die der Arbeitsablauf oder der Frieden des Betriebs beeinträchtigt werden. Sie haben jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen; die Behandlung von Angelegenheiten tarifpolitischer, sozialpolitischer, umweltpolitischer und wirtschaftlicher Art, die den Betrieb oder seine Arbeitnehmer unmittelbar betreffen, wird hierdurch nicht berührt.
(3) Arbeitnehmer, die im Rahmen dieses Gesetzes Aufgaben übernehmen, werden hierdurch in der Betätigung für ihre Gewerkschaft auch im Betrieb nicht beschränkt.
(1) Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat ist bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden. Durch Betriebsvereinbarung kann eine ständige Einigungsstelle errichtet werden.
(2) Die Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen müssen. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, so bestellt ihn das Arbeitsgericht. Dieses entscheidet auch, wenn kein Einverständnis über die Zahl der Beisitzer erzielt wird.
(3) Die Einigungsstelle hat unverzüglich tätig zu werden. Sie fasst ihre Beschlüsse nach mündlicher Beratung mit Stimmenmehrheit. Bei der Beschlussfassung hat sich der Vorsitzende zunächst der Stimme zu enthalten; kommt eine Stimmenmehrheit nicht zustande, so nimmt der Vorsitzende nach weiterer Beratung an der erneuten Beschlussfassung teil. Die Beschlüsse der Einigungsstelle sind schriftlich niederzulegen und vom Vorsitzenden zu unterschreiben oder in elektronischer Form niederzulegen und vom Vorsitzenden mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen sowie Arbeitgeber und Betriebsrat zuzuleiten.
(4) Durch Betriebsvereinbarung können weitere Einzelheiten des Verfahrens vor der Einigungsstelle geregelt werden.
(5) In den Fällen, in denen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt, wird die Einigungsstelle auf Antrag einer Seite tätig. Benennt eine Seite keine Mitglieder oder bleiben die von einer Seite genannten Mitglieder trotz rechtzeitiger Einladung der Sitzung fern, so entscheiden der Vorsitzende und die erschienenen Mitglieder nach Maßgabe des Absatzes 3 allein. Die Einigungsstelle fasst ihre Beschlüsse unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen. Die Überschreitung der Grenzen des Ermessens kann durch den Arbeitgeber oder den Betriebsrat nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Zuleitung des Beschlusses an gerechnet, beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden.
(6) Im übrigen wird die Einigungsstelle nur tätig, wenn beide Seiten es beantragen oder mit ihrem Tätigwerden einverstanden sind. In diesen Fällen ersetzt ihr Spruch die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nur, wenn beide Seiten sich dem Spruch im voraus unterworfen oder ihn nachträglich angenommen haben.
(7) Soweit nach anderen Vorschriften der Rechtsweg gegeben ist, wird er durch den Spruch der Einigungsstelle nicht ausgeschlossen.
(8) Durch Tarifvertrag kann bestimmt werden, dass an die Stelle der in Absatz 1 bezeichneten Einigungsstelle eine tarifliche Schlichtungsstelle tritt.
(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.
(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.
(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.
(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.
(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.
(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
(1) Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen.
(2) Zur Wahrnehmung der in diesem Gesetz genannten Aufgaben und Befugnisse der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ist deren Beauftragten nach Unterrichtung des Arbeitgebers oder seines Vertreters Zugang zum Betrieb zu gewähren, soweit dem nicht unumgängliche Notwendigkeiten des Betriebsablaufs, zwingende Sicherheitsvorschriften oder der Schutz von Betriebsgeheimnissen entgegenstehen.
(3) Die Aufgaben der Gewerkschaften und der Vereinigungen der Arbeitgeber, insbesondere die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder, werden durch dieses Gesetz nicht berührt.
Tenor
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Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 15. November 2011 - 1 TaBV 5/11 - wird zurückgewiesen.
Gründe
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A. Die Arbeitgeberin und der Betriebsrat streiten darüber, ob der Betriebsrat berechtigt ist, Herrn B als Beisitzer in Einigungsstellen im Betrieb zu benennen und die Benennung aufrechtzuerhalten.
- 2
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Die Arbeitgeberin betreibt eine Spezialklinik mit mehr als 400 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Dem bei ihr gebildeten elfköpfigen Betriebsrat gehörte auch Herr B als stellvertretender Vorsitzender an. Er war zugleich Vorsitzender des Konzernbetriebsrats. Die Leitung der Arbeitgeberin besteht aus drei Personen: der Geschäftsführerin Frau Dr. O, dem ärztlichen Leiter Prof. Dr. R und der pflegerischen Zentrumsleitung Frau A. Zwischen den Beteiligten gab es wiederholt Auseinandersetzungen.
- 3
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Im Januar 2009 kam es zu einem Konflikt über angebliche Arbeitszeitverstöße im Herzkatheterlabor. Das nahm Herr B, der seinerzeit noch Betriebsratsmitglied war, zum Anlass, tätig zu werden. In diesem Zusammenhang schickte Herr Dr. T, der bei der Arbeitgeberin als Oberarzt mit Personalverantwortung tätig ist, eine E-Mail an Frau Dr. O und an Prof. Dr. R. Darin äußerte er, Schuld an möglichen Verstößen sei Frau K, eine Schwester, die dort leitend tätig war. Dr. T führte weiter aus, Frau K sei eine krasse Fehlbesetzung, weil sie wegen einer inhaltlichen und zu vermutenden persönlichen Nähe zu Herrn B die Voraussetzungen für eine Führungsposition nicht erfülle. Der Inhalt dieser E-Mail wurde Herrn B bekannt. Daraufhin kam es zu Äußerungen seinerseits gegenüber Frau A. Die Arbeitgeberin geht davon aus, dass Herr B am 27. Januar 2009 Folgendes geäußert hat:
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„Dr. T soll sich mal schön zurückhalten, denn Dr. T hat schon zehnmal den Schwanz von Prof. R gelutscht.“
- 4
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Die Geschäftsführerin Frau Dr. O erfuhr von den Äußerungen am 3. März 2009. In der Folgezeit erhielten auch Prof. Dr. R und Herr Dr. T Kenntnis davon. Mit E-Mail vom 31. März und 27. April 2009 bedauerte Herr B gegenüber Herrn Prof. Dr. R, Frau Dr. O und Frau A seine Äußerungen und entschuldigte sich. Eine Entschuldigung gegenüber Herrn Dr. T erfolgte nicht.
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Die Arbeitgeberin betrieb aufgrund der Äußerungen die außerordentliche Kündigung von Herrn B. Nachdem der Betriebsrat der Kündigung nicht zugestimmt hatte, leitete die Arbeitgeberin ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG beim Arbeitsgericht Hamburg ein. Dieses ersetzte nach Beweisaufnahme mit Beschluss vom 2. Dezember 2009 die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitglieds B. Es sah als erwiesen an, dass die Äußerung über Herrn Dr. T gefallen war.
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Gegen diesen Beschluss legte der Betriebsrat Beschwerde ein. Im Beschwerdeverfahren vor dem Landesarbeitsgericht schlossen die Beteiligten und Herr B am 30. September 2010 einen Vergleich. Danach sollte Herr B sein Betriebsratsamt bis zum 31. Dezember 2010 zum Zwecke der Amtsübergabe weiterführen. Mit Ablauf dieses Tages sollte er aus dem Betriebsrat ausscheiden. Gleichzeitig war vereinbart, dass Herr B nach diesem Zeitpunkt unwiderruflich freigestellt werden und sein Arbeitsverhältnis zur Arbeitgeberin mit Ablauf des 30. April 2011 enden sollte.
- 7
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Während des laufenden Zustimmungsersetzungsverfahrens arbeitete Herr B weiter bei der Arbeitgeberin und leistete auch Überstunden. Zudem war er in Einigungsstellen tätig, so ua. in einer Einigungsstelle zum System S, einer Krankenhausinformationssoftware, die zB der Führung einer elektronischen Patientenakte dient. Die Einigungsstelle, die sich mit dem endgültigen Abschluss einer Betriebsvereinbarung zu diesem System befasste, konstituierte sich am 4. Mai 2010.
- 8
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Am 14. Oktober 2010, also nach Abschluss des Vergleichs im Zustimmungsersetzungsverfahren, bestätigte der Betriebsrat, dass Herr B weiter Beisitzer der noch laufenden Einigungsstelle zum System S bleiben sollte. Zudem begehrte er die Bildung einer Einigungsstelle „Dienstkleidung“ und benannte auch insoweit Herrn B als Beisitzer. Diese Einigungsstelle hat ihre Arbeit zwischenzeitlich abgeschlossen. Mit weiterem Beschluss vom 11. November 2010 begehrte der Betriebsrat die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Gefährdungsanalyse bei Anwendung des Systems S und benannte auch für diese Einigungsstelle Herrn B als Beisitzer. Die Teilnahme von Herrn B als Beisitzer in Einigungsstellen wurde von der Arbeitgeberin erstmals am 8. oder 9. Dezember 2010 problematisiert.
- 9
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Herr B weigerte sich zunächst, zum 31. Dezember 2010 sein Mandat niederzulegen. Er vertrat die Auffassung, die im Vergleich getroffene Regelung über die Mandatsniederlegung zum Jahresende 2010 sei eine bloße Absichtserklärung. Seine Schlüssel und den Mitarbeiterausweis gab er am 30. Dezember 2010 ua. mit der Begründung nicht heraus, er sei Beisitzer in mehreren Einigungsstellen. Am 4. Januar 2011 übergab Herr B die Schlüssel zum Betriebsratsbüro der Geschäftsleitung und hielt sich anschließend ebenso wie am 5. Januar 2011 im Betriebsratsbüro auf. Am 6. Januar 2011 nahm er an einem arbeitsgerichtlichen Termin zum Thema „Auswahlrichtlinien“ teil. Nachdem die Beklagte am 5. Januar 2011 ein Zwangsvollstreckungsverfahren aus dem vor dem Landesarbeitsgericht geschlossenen Vergleich einleitete und am 7. Januar 2011 ein Schreiben zu einer Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung von Herrn B dem Betriebsrat überreichte, legte Herr B sein Betriebsratsamt nieder.
- 10
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Der Betriebsrat kündigte mit Schreiben vom 21. Dezember 2010, 4. Januar 2011, 7. Januar 2011 und 10. Januar 2011 der Arbeitgeberin weitere Einigungsstellenverfahren an. Die Versuche der Arbeitgeberin, durch einen Antrag in den bereits bestehenden Einigungsstellen das Verfahren auszusetzen, bis gerichtlich über die Beteiligung von Herrn B als Beisitzer entschieden ist, lehnten die Einigungsstellenvorsitzenden im März 2011 ab. Unter dem 18. März 2011 bekräftigte der Betriebsrat gegenüber der Arbeitgeberin, er wolle aus in dem Schreiben im Einzelnen genannten „sachlichen“ Gründen an der Beschlussfassung festhalten, Herrn B als Beisitzer zu benennen.
- 11
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Die Arbeitgeberin hat die Ansicht vertreten, der Betriebsrat sei nicht berechtigt, Herrn B als Beisitzer für Einigungsstellen zu benennen. Sie hat behauptet, sie habe mit dem im Vergleich vereinbarten Ende der Betriebsratstätigkeit von Herrn B erst mit Ende des Jahres 2010 dem Betriebsrat die Möglichkeit geben wollen, dass Herr B einen Funktionsnachfolger einarbeite. Die Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats habe nach Abschluss des Vergleichs der Geschäftsführerin der Arbeitgeberin im Hinblick auf diesen Vergleich eine deutliche Verschlechterung des Betriebsklimas prophezeit. Der Betriebsrat habe ausweislich eines Protokolls einer Klausurtagung vom 20. bis 21. Dezember 2010 Herrn B noch für Betriebsratsarbeit vorgesehen. Herr B sei am 26. Mai 2011 im Betriebsratsbüro anwesend gewesen und habe während eines Telefonats zwischen der Assistentin der Geschäftsführung und einem Mitglied des Betriebsrats im Hintergrund geäußert: „Was sollen sie machen? Noch mal kündigen geht nicht.“ Der Betriebsrat habe offensichtlich einen Plan gefasst, den Inhalt des Vergleichs zu umgehen und durch eine Steigerung der Zahl von Anrufungen der Einigungsstelle Herrn B weiterhin Einnahmen zu verschaffen. Dies müsse sie - die Arbeitgeberin - nicht hinnehmen. Im Hinblick auf die Äußerungen, die Herr B über Herrn Dr. T bezogen auf Prof. Dr. R getan habe, sei es ihr unzumutbar, mit Herrn B in einer Einigungsstelle zusammenzuarbeiten. Der Betriebsrat sei nicht berechtigt, Einigungsstellenbeisitzer zu benennen, die dem Arbeitgeber unzumutbar seien. Die Arbeitgeberin habe deshalb einen Anspruch auf eine entsprechende Unterlassung des Betriebsrats. Jedenfalls könne sie die Feststellung der Unzulässigkeit eines derartigen Vorgehens erwirken.
- 12
-
Die Arbeitgeberin hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - zuletzt beantragt
-
1.
dem Betriebsrat aufzugeben, es zu unterlassen, Herrn B als Beisitzer in Einigungsstellen im Betrieb der Arbeitgeberin zu benennen,
2.
festzustellen, dass der Betriebsrat nicht berechtigt ist, Herrn B als Beisitzer in Einigungsstellen im Betrieb der Arbeitgeberin zu bestellen,
hilfsweise
3.
festzustellen, dass der Betriebsrat nicht berechtigt ist, Herrn B als Beisitzer in Einigungsstellen im Betrieb der Arbeitgeberin zu bestellen, solange Herr Prof. Dr. R und/oder Frau Dr. O im Betrieb der Arbeitgeberin tätig sind,
hilfsweise für den Fall der Zurückweisung dieser Anträge
4.
festzustellen, dass der Betriebsrat nicht berechtigt ist, Herrn B weiterhin als Beisitzer der Einigungsstelle „S“ (Einigungsstelle wegen der Regelung der Einführung, des Betriebs, der Weiterentwicklung und der Sicherung der Betriebsbereitschaft des klinischen Arbeitsplatzsystems S) zu bestellen,
5.
festzustellen, dass der Betriebsrat nicht berechtigt ist, Herrn B als Beisitzer der Einigungsstelle „Gefährdungsanalyse“ (Einigungsstelle wegen der Regelung der Gefährdungsbeurteilung, Unterweisung und der erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen an Arbeitsplätzen, die von der Einführung von S betroffen sind) zu bestellen.
- 13
-
Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen.
- 14
-
Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, es gebe keine Rechtsgrundlage für einen Unterlassungsanspruch der Arbeitgeberin gegen Handlungen des Betriebsrats. Er sei auch nicht verpflichtet, die Benennung von Herrn B als Beisitzer in Einigungsstellen zu unterlassen. Das sei auch nicht Gegenstand des Vergleichs vom 30. September 2010 gewesen.
- 15
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Das Arbeitsgericht hat entsprechend den hilfsweise gestellten Anträgen zu 4. und 5. erkannt. Im Übrigen hat es die Anträge der Arbeitgeberin abgewiesen. Gegen diese Entscheidung haben beide Beteiligten Beschwerde eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen und auf die Beschwerde des Betriebsrats die Anträge insgesamt abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihre Anträge weiter. Der Betriebsrat begehrt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
- 16
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B. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht unter teilweiser Abänderung des arbeitsgerichtlichen Beschlusses die Anträge insgesamt abgewiesen. Der Hauptantrag zu 1. ist schon deshalb unbegründet, weil Arbeitgebern keine gerichtlich durchsetzbaren Unterlassungsansprüche gegen den Betriebsrat zustehen. Mit dem weiteren als Hauptantrag gestellten Feststellungsantrag dringt die Arbeitgeberin nicht durch, da der Betriebsrat nicht verpflichtet ist, es zu unterlassen, Herrn B als Beisitzer in Einigungsstellen zu benennen. Eine derartige Verpflichtung besteht auch nicht hinsichtlich der in den hilfsweise gestellten Anträgen zu 4. und 5. genannten Einigungsstellen.
- 17
-
I. Der Hauptantrag zu 1. ist schon deshalb unbegründet, weil Arbeitgeber gegen den Betriebsrat keinen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Unterlassung von betriebsverfassungswidrigem Verhalten haben.
- 18
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1. Der Senat hat dies im Beschluss vom 17. März 2010 (- 7 ABR 95/08 - Rn. 24 ff., BAGE 133, 342) zum in § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG normierten Verbot parteipolitischer Betätigung im Betrieb entschieden. Er hat dabei zum einen auf das Grundkonzept von § 23 BetrVG abgestellt. Diese gesetzliche Regelung sieht in ihrem Absatz 3 bei groben Verstößen gegen das Betriebsverfassungsgesetz einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber vor, nicht jedoch einen solchen des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat. Dafür weist sie dem Arbeitgeber nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Befugnis zu, unter den genannten Voraussetzungen die Auflösung des Betriebsrats zu beantragen. Der Senat hat aus dieser gesetzlichen Konzeption geschlossen, ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers könne auch nicht aus anderen betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen hergeleitet werden. Zudem hat er angenommen, wegen der Vermögenslosigkeit des Betriebsrats sei ein Unterlassungstitel ohnehin nicht vollstreckbar. Es reiche für den Rechtsschutz des Arbeitgebers aus, wenn diesem die Möglichkeit offenstehe, entsprechende Feststellungsanträge zu verfolgen.
- 19
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Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat sich im Beschluss vom 15. Oktober 2013 (- 1 ABR 31/12 - Rn. 26) diesen Argumenten auch für die Regelung in § 74 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BetrVG angeschlossen, wonach Maßnahmen des Arbeitskampfes zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat unzulässig sind.
- 20
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2. Diese von der Rechtsprechung entwickelte Konzeption gilt auch für andere in Betracht kommende betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften und greift auch ein, wenn sich Verpflichtungen des Betriebsrats aus Abreden zwischen ihm und dem Arbeitgeber ergeben. Die von der Arbeitgeberin dagegen angebrachten Argumente überzeugen nicht.
- 21
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a) Ohne Erfolg weist die Arbeitgeberin darauf hin, § 85 Abs. 2 ArbGG sehe die Möglichkeit vorläufigen Rechtsschutzes auch für den Arbeitgeber vor. Daraus folgt nicht notwendig, dass dem Arbeitgeber auch gerichtlich durchsetzbare Unterlassungsansprüche zur Seite stehen müssen. Wegen des aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Gebots effektiven Rechtsschutzes kann der Arbeitgeber allerdings im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren unter den Voraussetzungen von § 940 ZPO eine Feststellungsverfügung zur vorläufigen Regelung eines Sachverhalts erwirken, wenn Verstöße des Betriebsrats gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Verpflichtungen in Rede stehen. Dabei kann dahinstehen, inwieweit allgemein eine derartige Feststellungsverfügung zulässig ist (verneinend zB LAG München 1. Dezember 2004 - 5 Sa 913/04 -; einschränkend auch zB OLG Frankfurt 15. November 1996 - 24 W 37/96 -). Feststellungsverfahren des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat haben, entsprechend der Grundkonzeption von § 23 BetrVG, den Zweck, als Vorstufe einer möglichen Amtsenthebung des Betriebsrats zwischen den Betriebsparteien die Rechtslage zu klären. Der Arbeitgeber kann auf diese Weise ein dieser Rechtslage entsprechendes Verhalten des Betriebsrats herbeiführen. Soweit es gesetzliche Gründe dafür gibt, dass die Rechtslage zugunsten des Arbeitgebers nicht erst im Hauptsacheverfahren, sondern vorher geklärt wird, besteht gerade im Hinblick auf die Gründe, die einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat ausschließen, die Notwendigkeit und Möglichkeit auch von Feststellungsverfügungen. Die Besonderheit einer Feststellungsverfügung korrespondiert damit mit der Unmöglichkeit für den Arbeitgeber, ein betriebsverfassungswidriges Verhalten des Betriebsrats im Wege einer Unterlassungsverfügung zu unterbinden.
- 22
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b) Zu Unrecht beruft sich die Arbeitgeberin auch darauf, Titel gegen den Betriebsrat könnten im Wege der Zwangsvollstreckung gegen seine Mitglieder durchgesetzt werden. Der Betriebsrat ist als Organ der Betriebsverfassung im Rahmen seines betriebsverfassungsrechtlichen Wirkungskreises rechtsfähig (vgl. BGH 25. Oktober 2012 - III ZR 266/11 - BGHZ 195, 174 mit umfassenden Nachweisen) und damit rechtlich von seinen Einzelmitgliedern zu unterscheiden. Dementsprechend kann er auch Beteiligter im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren sein (§ 83 Abs. 3 ArbGG). Die gegen ihn ergehenden gerichtlichen Entscheidungen richten sich nicht gegen seine Mitglieder. Diese sind - anders als etwa Organmitglieder juristischer Personen - auch nicht in der Lage, die Handlungen des Betriebsrats so zu steuern, dass sie zwangsvollstreckungsrechtlich für die Erfüllung von titulierten Verpflichtungen gegen den Betriebsrat in Anspruch genommen werden könnten.
- 23
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3. Damit steht der Arbeitgeberin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch von vornherein nicht zu, auch nicht, soweit sie sich mit ihrem Anspruch darauf beruft, der Betriebsrat verstoße zumindest gegen den Geist des vor dem Landesarbeitsgericht im Zustimmungsersetzungsverfahren geschlossenen Vergleichs.
- 24
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II. Die Arbeitgeberin dringt auch mit ihrem als Hauptantrag zu 2. gestellten Feststellungsantrag nicht durch. Dieser ist zwar zulässig, aber unbegründet.
- 25
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1. Gegen die Zulässigkeit des Antrags bestehen keine Bedenken. Insbesondere sind die Voraussetzungen des auch im Beschlussverfahren anwendbaren § 256 Abs. 1 ZPO erfüllt. Der Antrag bezieht sich auf die Feststellung eines vom Betriebsrat bestrittenen Rechtsverhältnisses, nämlich der Verpflichtung zur Unterlassung der Benennung von Herrn B als Beisitzer in Einigungsstellen. Das Interesse an alsbaldiger gerichtlicher Feststellung ergibt sich daraus, dass der Betriebsrat seine Verpflichtung weiter leugnet.
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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Betriebsrat ist nicht verpflichtet, es zu unterlassen, Herrn B als Beisitzer für Einigungsstellen bei der Arbeitgeberin zu benennen.
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a) Entgegen der Ansicht des Betriebsrats ist der Feststellungsantrag nicht etwa deshalb bereits unbegründet, weil er auf die Feststellung zur Verpflichtung einer Unterlassung gerichtet ist. Der Umstand, dass der Arbeitgeber ein betriebsverfassungswidriges Verhalten des Betriebsrats nicht im Wege eines Unterlassungsantrags gerichtlich unterbinden kann, bedeutet nicht, dass dem Betriebsrat ein solches Verhalten erlaubt wäre. Die Unmöglichkeit des Unterlassungsantrags gebietet, wie ausgeführt, gerade die Möglichkeit eines entsprechenden Feststellungsantrags.
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b) Es fehlt jedoch an einer Rechtsgrundlage für die von der Arbeitgeberin geltend gemachte Pflicht des Betriebsrats, Herrn B nicht mehr als Beisitzer für Einigungsstellen zu benennen.
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aa) Eine derartige Pflicht folgt zunächst nicht aus dem zwischen den Beteiligten im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG am 30. September 2010 geschlossenen Vergleich. Das Beschwerdegericht hat diesen Vergleich nicht ausgelegt. Obwohl es sich um eine nichttypische Vereinbarung handelt (zu diesem Rechtscharakter auch bei gerichtlichem Vergleich: BAG 24. August 2006 - 8 AZR 574/05 - Rn. 17), kann der Senat als Rechtsbeschwerdegericht den Vergleich auslegen, da es weiterer Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht nicht bedarf (vgl. BAG 24. November 2005 - 2 AZR 614/04 - Rn. 33, BAGE 116, 254 für die vergleichbare Situation im Revisionsverfahren). Auch auf der Basis des Vortrags der Arbeitgeberin, die Tätigkeit von Herrn B in der Einigungsstelle sei bei Vergleichsschluss angesprochen worden, ergibt sich nicht, dass diese weitere Tätigkeit mit dem Ausscheiden von Herrn B aus dem Betriebsrat beendet sein sollte. Die Einigungsstelle ist ein besonders zu bildendes Organ der Betriebsverfassung. Die Benennung und Tätigkeit als Beisitzer einer Einigungsstelle hängt von der Mitgliedschaft im Betriebsrat nicht ab. Gerade wenn über die Tätigkeit von Herrn B in der Einigungsstelle gesprochen, jedoch keine Regelung über eine Tätigkeit in Einigungsstellen getroffen wurde, spricht dies dafür, dass die Betriebsparteien eine derartige Regelung auch nicht treffen wollten. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Betriebsrat sich so weitgehend rechtlich überhaupt hätte binden können.
- 30
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bb) Ein Anspruch folgt auch nicht etwa aus einer entsprechenden Anwendung der Regelungen der ZPO über die Befangenheit von Schiedsrichtern (§§ 1036 f. ZPO).
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Diese Regeln gelten entsprechend für den Vorsitzenden einer Einigungsstelle (vgl. BAG 11. September 2001 - 1 ABR 5/01 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 99, 42; vgl. auch BAG 17. November 2010 - 7 ABR 100/09 - Rn. 16 ff., BAGE 136, 207). Das ist jedoch auf die Beisitzer einer Einigungsstelle nicht zu übertragen. Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit kommt hier nicht in Betracht (vgl. Richardi in Richardi BetrVG 14. Aufl. § 76 Rn. 49 mit umfassenden Nachweisen). Das Erfordernis der Unparteilichkeit des Vorsitzenden einer Einigungsstelle nach § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG erstreckt sich nicht auf die Beisitzer. Das Gesetz sieht die Bestellung von Beisitzern durch die Betriebsparteien vor. Nur hinsichtlich der Person des Vorsitzenden und der Zahl der Beisitzer, nicht dagegen hinsichtlich deren Person entscheidet gemäß § 76 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BetrVG, § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG das Arbeitsgericht, soweit sich die Betriebsparteien nicht einigen können.
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Die Betriebsparteien dürfen sich dabei für Personen entscheiden, denen sie dahingehend vertrauen, dass sie als Beisitzer die Interessen der Arbeitnehmer oder des Arbeitgebers in Verhandlungen mit der anderen Seite wahren. Dies und das Vertrauen, durch das Erarbeiten von Kompromissen eine für beide Betriebsparteien annehmbare Konfliktlösung zu erreichen, ist der Maßstab, an dem sich die Betriebsparteien bei ihrer Benennungsentscheidung auszurichten haben. Ob ein solches Vertrauen gerechtfertigt ist, entzieht sich dabei jedoch der gerichtlichen Nachprüfung (vgl. BAG 24. April 1996 - 7 ABR 40/95 - zu B 3 c der Gründe). Es steht den Betriebsparteien dabei auch frei, externe Beisitzer zu benennen (vgl. BAG 31. Juli 1986 - 6 ABR 79/83 -). Ihre Befugnis zur Bestellung von Beisitzern ist nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt (BAG 14. Januar 1983 - 6 ABR 67/79 - zu II 2 der Gründe).
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Entgegen der Ansicht des Betriebsrats kann er deshalb im vorliegenden Fall auch nicht seinerseits etwas aus den in § 1037 Abs. 2 Satz 1 ZPO geregelten Fristen herleiten.
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cc) Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin folgt eine Verpflichtung des Betriebsrats, Herrn B nicht mehr als Einigungsstellenbeisitzer zu benennen, auch nicht aus § 2 Abs. 1 BetrVG.
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(1) Die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat werden durch die Rechte und Pflichten bestimmt, die dem Betriebsverfassungsrecht zugrunde liegen, sowie durch die wechselseitigen Rücksichtspflichten, die sich aus § 2 Abs. 1 BetrVG ergeben. Aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit folgt deshalb, dass sich aus der Wertung der im Gesetz vorgesehenen Rechte auch Nebenpflichten ergeben können (vgl. BAG 18. Mai 2010 - 1 ABR 6/09 - Rn. 23, BAGE 134, 249). Der Grundsatz ist Maßstab dafür, wie die Betriebsparteien ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten wahrzunehmen und auszuüben haben. Sie müssen dabei auch auf die Interessen anderer Betriebsparteien Rücksicht nehmen (vgl. BAG 14. März 1989 - 1 ABR 80/87 - zu B II 3 b cc der Gründe, BAGE 61, 189). Jedoch kann aus § 2 Abs. 1 BetrVG nicht unabhängig vom Bestehen konkreter betriebsverfassungsrechtlicher Rechtsvorschriften das Entstehen von Rechten und Pflichten des Arbeitgebers oder des Betriebsrats hergeleitet werden. Die Bestimmung betrifft lediglich die Art der Ausübung bestehender Rechte (BAG 23. August 1984 - 6 AZR 520/82 - zu I 4 der Gründe, BAGE 46, 282). Es geht letztlich um die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben auch in der Betriebsverfassung (vgl. BAG 14. Januar 1993 - 2 AZR 387/92 - zu C II 4 c der Gründe).
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(2) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist es den Betriebsparteien verwehrt, Personen als Beisitzer von Einigungsstellen zu benennen, die von ihrer Person her offensichtlich ungeeignet sind, entsprechend der Funktion der Einigungsstelle tätig zu werden. Das gilt dann, wenn sie hinsichtlich ihrer Kenntnisse und Erfahrungen offensichtlich ungeeignet sind, über die der Einigungsstelle zugrunde liegende Regelungsmaterie zu entscheiden (für diese Fallgestaltung: BAG 24. April 1996 - 7 ABR 40/95 - zu B 3 d der Gründe). Es gilt aber auch, wenn der benannten Person die mangelnde Eignung in sonstiger Weise anhaftet und sich daraus ergibt, dass sie in der Einigungsstelle ihre Funktion nicht ordnungsgemäß ausüben kann. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen; insbesondere geht es nicht darum, einzelne Verhaltensweisen der Person in der Vergangenheit zu sanktionieren. Maßstab ist auch nicht, ob Gründe für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses oder den Ausschluss aus dem Betriebsrat vorliegen. Eine Person scheidet als Beisitzer der Einigungsstelle vielmehr nur aus, wenn unter ihrer Mitwirkung eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Einigungsstelle nicht zu erwarten ist.
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(3) Danach kann die Arbeitgeberin wegen der Äußerung des Herrn B über Dr. T vom Betriebsrat nicht verlangen, dass er Herrn B nicht als Einigungsstellenbeisitzer benennt. Der in Rede stehende Vorfall, so wie er von der Arbeitgeberin zugrunde gelegt wird, stellt zwar eine grobe und schwerwiegende Entgleisung von Herrn B dar. Trotzdem lässt diese einmalige Entgleisung nicht den Schluss auf eine offensichtlich mangelnde persönliche Eignung zur Wahrnehmung des Amtes des Einigungsstellenbeisitzers zu. Das gilt umso mehr, als Herr B während des laufenden Zustimmungsersetzungsverfahrens an Einigungsstellensitzungen teilgenommen hat und die Arbeitgeberin keine Vorkommnisse vorgetragen hat, die auf einen grundsätzlichen Mangel an persönlicher Eignung schließen lassen.
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(4) Auch unter sonstigen Gesichtspunkten verstößt der Betriebsrat durch die Benennung von Herrn B als Einigungsstellenbeisitzer nicht gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit.
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Zugunsten der Arbeitgeberin kann nichts aus der Vielzahl von Einigungsstellen, deren Bildung der Betriebsrat ins Auge gefasst hat, geschlossen werden. Es steht jeder Betriebspartei zu, eine Entscheidung darüber zu treffen, auf welchem im Gesetz vorgesehenen Wege sie eine Regelung im Rahmen der Mitbestimmungsrechte des Betriebsverfassungsgesetzes herbeiführt. Dies unterliegt nicht gerichtlicher Kontrolle.
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Auch aus dem Abschluss des gerichtlichen Vergleichs im Zustimmungsersetzungsverfahren ergibt sich nichts anderes. Dieser Vergleich kann unter dem Gesichtspunkt der vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht in seiner Wirkung über seinen tatsächlichen Inhalt hinaus ausgedehnt werden. Aus dem Inhalt des Vergleichs ergibt sich gerade nicht, dass der Betriebsrat verpflichtet ist, Herrn B nicht mehr als Einigungsstellenbeisitzer zu benennen.
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dd) Gegenteiliges folgt entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin auch nicht aus § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Die personelle Zusammensetzung einer Einigungsstelle hat mit dem Betriebsfrieden nichts zu tun.
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III. Aus den unter II. genannten Gründen kann die Arbeitgeberin auch mit ihrem Hilfsantrag zu 3. nicht durchdringen.
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IV. Ebenso wenig sind die Hilfsanträge zu 4. und 5. begründet. Die Arbeitgeberin hat nicht geltend gemacht, dass es Hinweise auf die offensichtlich mangelnde Eignung von Herrn B gibt, gerade als Beisitzer in den im Antrag genannten Einigungsstellen tätig zu sein. Insbesondere hat sie nicht vorgetragen, das Verhalten des Herrn B in diesen Einigungsstellen habe deren ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung in irgendeiner Weise konkret beeinträchtigt.
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Linsenmaier
Rachor
Zwanziger
Schiller
Kley
(1) Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen.
(2) Zur Wahrnehmung der in diesem Gesetz genannten Aufgaben und Befugnisse der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ist deren Beauftragten nach Unterrichtung des Arbeitgebers oder seines Vertreters Zugang zum Betrieb zu gewähren, soweit dem nicht unumgängliche Notwendigkeiten des Betriebsablaufs, zwingende Sicherheitsvorschriften oder der Schutz von Betriebsgeheimnissen entgegenstehen.
(3) Die Aufgaben der Gewerkschaften und der Vereinigungen der Arbeitgeber, insbesondere die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder, werden durch dieses Gesetz nicht berührt.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Tenor
I.
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 03.07.2014 - AZ: 4 BV 12/14 - abgeändert.
Der Beteiligte zu 2) wird aus dem Betriebsrat der RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft mbH ausgeschlossen.
II.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Die Beteiligen streiten über den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat.
4Antragstellerin und Beteiligte zu 1) ist die Arbeitgeberin. Sie betreibt ein Unternehmen der Wasserversorgung- und dienstleistung. Der Beteiligte zu 3) ist der im Betrieb der Antragsstellerin im April 2014 gewählte Betriebsrat. Der Beteiligte zu 2) ist Mitglied dieses Betriebsrats. Auch in der vorangegangenen Amtszeit war er bereits Betriebsratsmitglied.
580% der Gesellschaftsanteile der Arbeitgeberin gehören dem RWE-Konzern (im Folgenden: RWE). Bereits in den Jahren 2002 und 2007 gab es Überlegungen zu einem Anteilsverkauf. Zu den Interessenten im Jahr 2002 gehörte u. a. die Firma H.. In einer Betriebsratsinformation an die Mitarbeiter vom 25.05.2007 wurden unter der Überschrift "Gerüchte um den RWE-Verkauf" Ausführungen zu Medienberichten über einen etwaigen Verkauf von RWE-Anteilen getätigt. Weiter wurden als die "üblichen Verdächtigen" u. a. "H., S., ..." genannt.
6Im Rahmen einer Klausurtagung am 22.05.2013 informierte ein Geschäftsführer der Arbeitgeberin, Herr Dr. T., den Betriebsrat über einen etwaigen Verkauf von Anteilen durch RWE. In der Folge stellte der Beteiligte zu 2) innerhalb des Betriebsrats den Antrag, einen Beschluss zur Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht bezüglich der Ausführungen von Herrn Dr. T. auf der Klausurtagung vom 22.05.2013. Der Betriebsrat fasste hierüber einen Beschluss, mit dem der Antrag abgelehnt wurde.
7Im Rahmen einer Betriebsversammlung am 17.10.2013, auf der Herr Dr. T. die Situation im Gesamtkonzern als kritisch bezeichnete, gab dieser auf Nachfrage des Beteiligten zu 2) die Erklärung ab, ein Verkauf von Anteilen könne nicht ausgeschlossen werden.
8Am 21.01.2014 fand ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer Dr. T. auf der einen sowie dem Betriebsratsvorsitzenden C. C. und dem damaligen stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden H. S. auf der anderen Seite statt. In diesem Gespräch informierte Dr. T. die beiden Betriebsratsmitglieder über Planungen der RWE, Anteile zu verkaufen. Als Kaufinteressent wurde u. a. die Firma H. genannt. Dr. T. wies auf die absolute Vertraulichkeit dieser Information hin.
9In der Betriebsratssitzung vom 29.01.2014, an der auch der Beteiligte zu 2) teilnahm, informierte der Betriebsratsvorsitzende die übrigen Betriebsratsmitglieder über den geplanten Verkauf von Anteilen und wies darauf hin, dass es sich hierbei um streng vertrauliche Informationen handele.
10Im Rahmen einer Mitgliederversammlung/Vertrauensleutesitzung der ver.di - Betriebsgruppe am 17.02.2014 brachte der Beteiligte zu 2) einen möglichen Verkauf der RWE-Anteile zur Sprache. Der ebenfalls anwesende Betriebsratsvorsitzende C. C. wies ihn dabei auf seine Verschwiegenheitspflicht hin. Über den Verlauf der Sitzung wurde ein Ergebnisprotokoll gefertigt, wegen dessen Einzelheiten auf die von der Arbeitgeberin überreichte Anlage AST 1, Bl. 8 - 11 d. A., Bezug genommen wird.
11Am 20.02.2014 fand eine Betriebsversammlung statt, in der sich die Kandidaten für die Betriebsratswahl, u. a. auch der Beteiligte zu 2), vorstellten. Der Beteiligte zu 2) brachte in seiner Rede einen möglichen Verkauf von RWE - Anteilen an H. zur Sprache. Seine Rede enthielt u. a. nachfolgende Passagen:
12"Liebe Kolleginnen und Kollegen,
13die anstehende Wahl hat sehr viel mit der Zukunft unserer RWW zu tun Dr. T. hat bei der letzten Betriebsversammlung bekanntgegeben, dass ein Teil der RWW verkauft werden soll. ...
14Verkauf: eine Beteiligung von weniger als 30% an der RWW - so wie Dr. T. es angekündigt hat, ergibt keinen Sinn, weil der Einfluss damit zu gering ist. Bei dieser Konstellation könnte ein möglicher Käufer vom RWE-Konzern überstimmt und von den Gemeinden mit ihrer Sperrminorität blockiert werden.
15... Aber angenommen, die 30% stimmen, dann wären mit H. als Käufer die meisten Überschneidungen. ...
16Wir brauchen einen intakten und starken Betriebsrat, der sich für die Be-legschaft einsetzt und einbringt. Ich wünsche mir einen Betriebsrat, der vor dem Verkauf des Wasserwerkes aktiv wird und nicht erst dann, wenn das Kind im Brunnen liegt. Anstatt sich in Verschwiegenheit zu üben, sollte der Vorgang transparent sein.
17... Deshalb bewerbe ich mich für den Betriebsrat. ..."
18Wegen der Einzelheiten wird auf die vom Beteiligten zu 2) in der mündlichen Anhörung am 23.01.2015 überreichte Kopie seines Redemanuskripts, Bl. 145 - 147 d. A. verwiesen. Zu Beginn der Rede hatte der Betriebsratsvorsitzende den Beteiligten zu 2) auf die Verschwiegenheitspflicht hingewiesen. Der Beteiligte zu 2) setzte die Rede jedoch entsprechend seinem Manuskript fort.
19Mit einem am 25.03.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen, den anderen Beteiligten jeweils am 31.03.2014 zugestellten Schriftsatz hat die Arbeitgeberin den Ausschluss des Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat beantragt. Am 15./16.04.2014 wurde turnusmäßig ein neuer Betriebsrat gewählt. Der Beteiligte zu 2) wurde mit einem deutlich erhöhten Stimmenanteil wiedergewählt.
20Die Arbeitgeberin hat erklärt, sie halte auch nach der Neuwahl an ihrem Begehren zum Ausschluss des Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat fest. Wenn ein Betriebsrat vor Abschluss des Ausschlussverfahrens neugewählt und das auszuschließende Betriebsratsmitglied auch in der neuen Amtsperiode in den Betriebsrat gewählt worden sei, bleibe das Rechtsschutzbedürfnis bestehen. Eine mit dem Wechsel der Amtszeit automatisch verbundene Generalabsolution stoße auf erhebliche rechtspolitische Bedenken. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 23 Abs.1 BetrVG sei die Gewährleistung der gesetzmäßigen Amtsausübung des Betriebsrats sowie die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern einerseits und dem Arbeitgeber andererseits. War die Amtspflichtverletzung so gravierend, dass die Vertrauensbeziehung zum Arbeitgeber nachhaltig gestört bleibe, so müsse ein Ausschluss aus dem neugewählten Betriebsrat möglich bleiben. Die gegenteilige Auffassung würde zu dem absurden Ergebnis führen, dass sich ein Betriebsratsmitglied kurz vor dem Ende einer Amtsperiode selbst die gravierendsten Amtspflichtverstöße erlauben könnte, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen.
21In der Sache wirft die Arbeitgeberin dem Beteiligten zu 2) vor, bereits im Rahmen der ver.di-Versammlung am 17.02.2014 und sodann auf der Betriebsversammlung am 20.02.2014 vertrauliche Informationen über den geplanten Anteilsverkauf, die ihm auf der Betriebsratssitzung am 29.01.2014 zur Kenntnis gelangt sind, öffentlich bekannt gemacht zu haben. So habe er die Belegschaft auf der Betriebsversammlung darüber informiert, dass 30% der Anteile verkauft werden sollen, habe eine eigene Analyse der Interessenlage sowohl des Verkäufers RWE als auch eines namentlich genannten potentiellen Käufers abgegeben und so ein Schreckensszenario an die Wand gemalt. Dabei habe er die Verschwiegenheitspflicht im Eigeninteresse, nämlich zum Zwecke der Wahlwerbung, verletzt. Anschließend sei - unstreitig - in der Presse über die geplanten Anteilsverkäufe berichtet worden. Dies sei auf die Indiskretion des Beteiligten zu 2) zurückzuführen. Der Verhandlungsprozess sei durch das Bekanntwerden erheblich gestört worden.
22Die Arbeitgeberin hat beantragt,
23den Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat der RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft mbH auszuschließen.
24Der Beteiligte zu 2) hat beantragt,
25den Antrag zurückzuweisen.
26Der Beteiligte zu 2) hat die Ansicht vertreten, der Antrag der Arbeitgeberin sei unzulässig geworden. Da nach Einleitung des Verfahrens eine Neuwahl des Betriebsrats stattgefunden habe, fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Er hat zudem bestritten, gegen die Geheimhaltungspflicht verstoßen zu haben.
27Der Beteiligte zu 3) hat keinen eigenen Antrag gestellt.
28Das Arbeitsgericht Oberhausen hat den Antrag der Arbeitgeberin mit Beschluss vom 03.07.2014 zurückgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
29Unter Zugrundelegung eines Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts vom 29.04.1969 - AZ: 1 ABR 19/68 - fehle es an dem Rechtsschutzbedürfnis für das vorliegende Verfahren. Ebenso wie ein Betriebsrat, dessen Amtszeit geendet habe, nicht mehr aufgelöst werden könne, sei auch der Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds nach Ablauf der Amtszeit nicht möglich. Der Gesetzgeber habe bewusst keine Regelung über den Verlust oder die Entziehung der Wählbarkeit aufgenommen. Diese gesetzliche Wertung würde missachtet, wenn das wiedergewählte Betriebsratsmitglied wegen einer Pflichtverletzung aus der vorangegangenen Amtszeit ausgeschlossen werden könnte.
30Gegen diesen der Arbeitgeberin am 16.07.2014 zugestellten Beschluss hat sie mit einem am 08.08.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese - nach einer Fristverlängerung bis zum 02.10.2014 - mit einem am 02.10.2014 eingegangenen Schriftsatz begründet.
31Die Beteiligte zu 1) rügt, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts im Beschluss vom 29.04.1969 gefolgt, dass das Rechtsschutzbedürfnis für ein Ausschlussverfahren entfalle, wenn die Amtszeit des betroffenen Betriebsratsmitglieds während des Verfahrens ende und es für die sich anschließende Amtsperiode wiedergewählt worden sei. Wenn die Pflichtverletzung eines einzelnen Betriebsratsmitglieds so gravierend sei, dass sie in die neue Amtszeit fortwirke, rechtfertige dies den Ausschluss des Betriebsratsmitglieds aus dem neu gewählten Betriebsrat. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Die massiven Verstöße des Beteiligten zu 2) gegen die Verschwiegenheitspflicht zum Zwecke der eigenen Wahlwerbung wögen so schwer, dass sie sich auf die neue Amtszeit belastend auswirkten. Die Vertrauensbeziehung sei zerstört. Die Arbeitgeberin müsse damit rechnen, dass der Beteiligte zu 2) in Zukunft wieder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihm in seiner Eigenschaft als Betriebsratsmitglied anvertraut würden, preisgeben werde.
32Die Beteiligte zu 1) beantragt,
33den Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 03.07.2014 - AZ: 4 BV 12/14 - abzuändern und den Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat der RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft auszuschließen.
34Der Beteiligte zu 2) beantragt,
35die Beschwerde zurückzuweisen.
36Der Beteiligte zu 2) verteidigt den angefochtenen Beschluss. Eine etwaige Pflichtverletzung in der vorangegangenen Amtsperiode könne nicht zum Ausschluss aus dem Betriebsrat in der laufenden Amtsperiode führen.
37Darüber hinaus bestreitet er, eine Pflichtverletzung begangen zu haben. Er verweist darauf, dass der Geschäftsführer Dr. T. auf der Betriebsversammlung im Herbst 2013 selbst eingeräumt habe, ein Verkauf könne nicht ausgeschlossen werden. Es sei klar gewesen, dass im Falle eines Verkaufs die Firma H. wieder als Käufer in Betracht kommen würde, da sie bereits in der Vergangenheit Interesse am Erwerb von Anteilen gezeigt habe.
38Der Beteiligte zu 3) stellt keinen eigenen Antrag.
39Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschriften vom 03.07.2014 und vom 23.01.2015, auf die Feststellungen unter Ziffer I. des angefochtenen Beschlusses sowie ergänzend auf sämtliche Schriftsätze nebst Anlagen sowie sonstige von den Beteiligten überreichte Unterlagen Bezug genommen.
40II.
41Die Beschwerde der Arbeitgeberin hat Erfolg. Der Beteiligte zu 2) ist aus dem Betriebsrat auszuschließen.
421.Gegen die Zulässigkeit der Beschwerde bestehen keine Bedenken.
43Die Beschwerde ist statthaft gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht im Sinne von § 87 Abs. 2 i. V. m. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
442.Die Beschwerde ist begründet.
45a)Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
46aa)Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, dass ein Ausschlussverfahren nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG mit Ablauf der Amtszeit, in der das Betriebsratsmitglied seine Pflichten grob verletzt haben soll, gegenstandslos wird und deshalb das Rechtsschutzbedürfnis für den Ausschlussantrag selbst dann wegfällt, wenn das Betriebsratsmitglied für die neue Amtsperiode wieder in den Betriebsrat gewählt worden ist (BAG v. 29.04.1969 - 1 ABR 19/68 - AP Nr. 9 zu § 23 BetrVG; ebenso LAG Hamm v. 20.03.2009 - 10 TaBV 149/08 - Rn. 64, juris, und v. 09.02.2007 - 10 TaBV 54/06 - Rn. 71, juris; LAG München v. 12.08.2008 - 6 TaBV 133/07 - Rn. 20, juris). Dem kann nur für den Fall zugestimmt werden, dass sich der Antrag unverändert auf den Ausschluss aus dem bisherigen Betriebsrat bezieht. Wird hingegen der Ausschluss aus dem neugewählten Betriebsrat beantragt, so ist das Rechtsschutzbedürfnis gegeben (ebenso LAG München v. 28.04.2014 - 2 TaBV 44/13 - Rn. 130, juris). Da das Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses dazu dient, die Gerichte vor einer unberechtigten Inanspruchnahme zu schützen (vgl. Musielak, ZPO, 11. Auflage 2014, vor § 253 ZPO Rn. 7), entfällt es nur bei objektiv sinnlosen Anträgen, d. h. wenn der Klagende kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann (Greger in Zöller, ZPO, 30. Auflage 2014, Vorbemerkung zu § 253 ZPO Rn. 18).
47Da der Ausschluss aus einem bereits beendeten Amt unmöglich ist, ist bei einer derartigen Konstellation das Festhalten an dem Antrag offensichtlich unsinnig. Soll das Betriebsratsmitglied hingegen aus dem neugewählten Betriebsrat ausgeschlossen werden, so gibt es für den Arbeitgeber keinen anderen Weg, als das Verfahren gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG durchzuführen. Ob dieses Begehren auf einen Pflichtverstoß gestützt werden kann, der in der vorherigen Amtszeit begangen wurde, ist allein eine Frage der Begründetheit des Antrags (LAG München v. 28.04.2014 a. a. O.).
48bb) Im Streitfall war der zum Schluss der mündlichen Anhörung erster Instanz gestellte Antrag der Arbeitgeberin nicht (mehr) auf einen Ausschluss aus dem bisherigen, sondern auf den Ausschluss aus dem am 15./16.04.2014 neu gewählten Betriebsrat gerichtet. Dies ergibt die erforderliche Auslegung des Antrags. Zwar ist der Antrag vom Wortlaut her unverändert geblieben, der Begründung lässt sich jedoch entnehmen, dass es der Arbeitgeberin nicht um eine reine Sanktion für die vergangene - vermeintliche - Pflichtverletzung ging. Sie hat vielmehr nach der Neuwahl ausgeführt, dass sich das Verhalten auf die derzeitige Amtsführung des Beteiligten zu 2) belastend auswirke. Hierdurch wird ihr Begehren eines Ausschlusses aus dem aktuellen Betriebsrat deutlich. Die Richtigkeit dieses Verständnisses hat sie zudem auf Nachfrage der Kammer ausdrücklich bestätigt.
49cc)Damit lag bereits erstinstanzlich eine (verdeckte) Antragsänderung vor, denn bei dem ursprünglich begehrten Ausschluss aus dem bis April 2014 amtierenden Betriebsrat und dem Antrag auf Ausschluss aus dem neugewählten Betriebsrat handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände. Diese Antragsänderung war zulässig.
50Gemäß § 81 Abs. 3 S. 1 ArbGG ist eine Antragsänderung im Beschlussverfahren u.a. dann zulässig, wenn das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Eine Sachdienlichkeit liegt vor, wenn der bisherige Streitstoff und das Ergebnis des bisherigen Verfahrens auch für die Entscheidung über den geänderten Antrag nutzbar gemacht werden können und wenn der Streit der Beteiligten mit einer Entscheidung über den geänderten Antrag endgültig oder besser beigelegt werden kann und ein weiteres Verfahren vermieden wird (Matthes/Spinner in Germelmann/Matthes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, 8. Auflage 2013, § 81 Rn. 91). Entscheidend ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit (BAG v. 06.12.2001 - 2 AZR 733/00 - AP Nr. 3 zu § 263 ZPO).
51Danach war die Antragsänderung hier sachdienlich. Da das Begehren des Ausschlusses aus dem aktuellen Betriebsrat nicht auf neue Vorwürfe gestützt wird, kann der bisherige Streitstoff vollumfänglich verwertet werden. Würde man die Antragsänderung nicht zulassen, wäre die Arbeitgeberin gezwungen, ein neues Ausschlussverfahren einzuleiten, was zu unnötigen Verzögerungen und zusätzlichen Kosten führen würde.
52b)Der Antrag ist begründet. Der Beteiligte zu 2) ist aus dem Betriebsrat auszuschließen. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 S.1 BetrVG liegen vor.
53aa)Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann ein Betriebsratsmitglied auf den Antrag des Arbeitgebers aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden, wenn es seine gesetzlichen Pflichten grob verletzt. Mit den gesetzlichen Pflichten sind die Amtspflichten des Betriebsratsmitglieds gemeint, d. h. diejenigen Pflichten, die sich aus dem Betriebsverfassungsrecht ergeben, denn es steht insoweit das Amt des Betriebsrates in Rede (BAG 05.09.1967 - 1 ABR 1/67, AP Nr. 8 zu § 23 BetrVG Rn. 33, 45; LAG Düsseldorf v. 09.01.2013 - 12 TaBV 93/12 - Rn. 40, juris). Die Pflichtverletzung muss "grob", nämlich objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend sein (vgl. BAG 22.06.1993 - 1 ABR 62/92 -, AP Nr. 22 zu § 23 BetrVG 1972; BAG 21.02.1978 - 1 ABR 54/76, BB 1978, 1116 Rn. 85; LAG Düsseldorf v. 09.01.2013 a. a. O.). Dies kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der betrieblichen Gegebenheiten und des Anlasses der Pflichtverletzung beurteilt werden (BAG 22.06.1993 a.a.O.; BAG 21.02.1978 a.a.O.; LAG Düsseldorf v. 09.01.2013 a. a. O). Die weitere Amtsausübung muss untragbar sein (BAG v. 22.06.1993 a.a.O.; LAG Düsseldorf v. 09.01.2013 aaO; LAG Berlin-Brandenburg v. 12.11.2012 - 17 TaBV 1318/12 - Rn. 26, NZA-RR 2013, 293).
54Ob die Pflichtverletzung stets schuldhaft, gegebenenfalls sogar vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen sein muss, ist streitig (verneinend BAG v. 05.09.1967 - 1 ABR 1/67 -; Oetker in Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz [GK-BetrVG], 10. Auflage 2014, § 23 BetrVG Rn. 47; bejahend Hess/Worzalla/Glock/Nicolai/Rose/Huke [HWGNRH] - Huke, BetrVG Kommentar, 9. Auflage 2014, § 23 BetrVG Rn. 17; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, Betriebsverfassungsgesetz, 27. Auflage 2014, § 23 BetrVG Rn. 16; für das Erfordernis einfaches Verschuldens: Thüsing in Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 14. Auflage 2014, § 23 BetrVG Rn. 28 ). Jedenfalls muss das Verhalten des Betriebsratsmitglieds aber das Vertrauen des Betriebsrats zur Belegschaft oder aber zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber (vgl. BAG v. 05.09.1967 a.a.O.) oder aber innerhalb des Gremiums in hohem Maße erschüttern. Auf dieses Vertrauen ist der Betriebsrat angewiesen, um seine gesetzlichen Aufgaben zum Wohle der Gemeinschaft erfüllen zu können (vgl. wiederum BAG v. 05.09.1967 a.a.O.).
55bb)Die dargestellten Voraussetzungen zum Ausschluss aus dem Betriebsrat sind gegeben. Der Beteiligte zu 2) hat in grober Weise gegen seine Verschwiegenheitspflicht verstoßen.
56aaa)Gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats verpflichtet, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekannt geworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten.
57(1)Bei den am 21.01.2014 seitens der Geschäftsführung gegebenen Informationen handelte es sich um Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse.
58Unter den Begriff des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsachen, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem Willen des Betriebsinhabers aufgrund eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses geheim gehalten werden sollen (BAG v. 10.03.2009 - 1 ABR 87/07 - Rn. 25, AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972; BAG v. 13.02.2007 - 1 ABR 14/06 - Rn. 32, AP Nr. 81 zu § 118 BetrVG 1972; BAG v. 26.02.1987 - 6 ABR 46/84 - AP Nr. 2 zu § 79 BetrVG 1972; BAG v. 16.03.1982 - 3 AZR 83/79 - AP Nr. 1 zu § 611 BGB Betriebsgeheimnis).
59Bei der Information, dass der Gesellschafter RWE u.a. mit der Firma H. Verhandlungen über einen Verkauf von Teilen der Gesellschaftsanteile führt, handelte es sich im Januar/Februar 2014 um ein derartiges Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnis. Es betraf eine Tatsache, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betrieb der Beteiligten zu 1) steht. Sie war nicht offenkundig, sondern zum damaligen Zeitpunkt nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt. Dem steht nicht entgegen, dass der Geschäftsführer Dr. T. bereits auf der Betriebsversammlung am 17.10.2013 auf Nachfrage des Beteiligten zu 2) erklärt hat, ein Verkauf von Anteilen könne nicht ausgeschlossen werden. Die Führung konkreter Verhandlungen gerade zum damaligen Zeitpunkt hat er mit der Einräumung der abstrakten Möglichkeit eines Anteilsverkaufs nicht eingeräumt. Zudem hat er unstreitig keinen potentiellen Verkäufer genannt. Allein daraus, dass H. in der Vergangenheit als Kaufinteressent in Erscheinung getreten ist, folgt nicht, dass konkrete Verkaufsverhandlungen mit diesem Unternehmen im Januar/Februar 2014 mehr als nur dem an den Verkaufsverhandlungen beteiligten Personenkreis bekannt waren. Schließlich handelte es sich um Tatsachen, die nach dem berechtigten wirtschaftlichen Interesse des Betriebsinhabers geheim zu halten waren. Zum einen liegt es auf der Hand, dass die vorzeitige Bekanntgabe aufgrund der öffentlichen Reaktionen, insbesondere des zu erwartenden Medienechos, zu Störungen der Verkaufsverhandlungen hätte führen können - und wohl auch geführt hat -, zum anderen stand zu befürchten, dass der Betriebsablauf durch die bei Bekanntgabe der Nachricht entstehende Unruhe innerhalb der Belegschaft gestört werden würde.
60(2)Die Arbeitgeberin hat diese Informationen ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet.
61bbb)Gegen diese Geheimhaltungspflicht hat der Beteiligte zu 2) jedenfalls am 20.02.2014 verstoßen, als er die Informationen im Rahmen der Betriebsversammlung an die Belegschaft weitergegeben hat.
62Zunächst einmal hat er die Belegschaft darüber informiert, dass RWE zum damaligen Zeitpunkt konkret die Absicht hatte, Anteile zu verkaufen. Dass er dies mit der unzutreffenden Behauptung verknüpft hat, es handle sich um eine Information aus der letzten Betriebsversammlung, vermag den darin liegenden Geheimnisverrat nicht zu kaschieren. Darüber hinaus hat er ausdrücklich den Interessenten H. benannt.
63ccc)Es handelte sich um einen groben Pflichtenverstoß.
64Der Beteiligte zu 2) hat vorsätzlich gegen die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht verstoßen. Dies lässt sich aus dem zeitlichen Ablauf ersehen. Schon am 03.07.2013 hat er vergeblich versucht, einen - unwirksamen - Betriebsratsbeschluss über die Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht zu den von Dr. T. am 22.05.2013 gegebenen Informationen herbeizuführen. Sodann hat er am 17.02.2014 das Forum einer Mitgliederversammlung/Vertrauensleutesitzung genutzt, um das Thema Anteilsverkauf zu erörtern. Ob er bereits zum damaligen Zeitpunkt Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse weitergegeben hat, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist er in diesem Zusammenhang ausdrücklich vom Betriebsratsvorsitzenden auf seine Verschwiegenheitspflicht hingewiesen worden. Auch dies hat beim Beteiligten zu 2) jedoch kein Umdenken in seiner Einstellung zur Verschwiegenheitspflicht bewirkt. Stattdessen hat er am 20.02.2014 zunächst die konkreten Verkaufsverhandlungen offenbart und dann - trotz des erneuten Hinweises des Betriebsratsvorsitzenden auf die Schweigepflicht - sogar einen an den Verhandlungen beteiligten potentiellen Käufer benannt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beteiligte zu 2) am 20.02.2014 aus egoistischen Motiven, nämlich zum Zwecke der eigenen Wahlwerbung gehandelt hat. Zugleich hat er seine Pflichtverstöße mit der Ankündigung verbunden, sich auch in Zukunft nicht an die Verschwiegenheitspflicht halten zu wollen, wie er gegen Ende seiner Rede zum Ausdruck gebracht hat: "Ich wünsche mir einen Betriebsrat, der vor dem Verkauf des Wasserwerkes aktiv wird und nicht erst dann, wenn das Kind im Brunnen liegt. Anstatt sich in Verschwiegenheit zu üben, sollte der Vorgang transparent sein." Mit anderen Worten: Der Beteiligte zu 2) kritisiert die anderen Betriebsratsmitglieder dafür, dass sie sich an ihre gesetzlichen Pflichten zur Verschwiegenheit halten, und wirbt dafür, ihn zu wählen, weil er dies anders handhabt.
65ddd)Der Beteiligte zu 2) ist aus dem aktuellen Betriebsrat auszuschließen, obwohl der Verstoß aus der vorangegangenen Amtszeit stammt.
66(1)Ob eine Amtspflichtverletzung in der vorangegangenen Amtszeit in der folgenden Amtsperiode zu dem Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds führen kann, ist umstritten.
67Eine Auffassung lehnt dies grundsätzlich ab (BAG v. 29.04.1969 - 1 ABR 19/68 - AP Nr. 9 zu § 23 BetrVG; LAG München v. 28.04.2014 - 2 TaBV 44/13 - Rn. 131 ff., juris; LAG München v. 12.08.2008 - 6 TaBV 133/07 - Rn. 20, juris; Hess. LAG v. 03.09.2009 - 9 TaBVGa 159/09 - Rn. 19, NZA-RR 2010, 246; Fitting u.a., § 23 BetrVG Rn. 25; Trittin in Däubler/Kittner/Klebe/Wedde [DKKW], Betriebsverfassungsgesetz, 14. Auflage 2014). Zur Begründung wird auf die Gesetzessystematik verwiesen. § 23 Abs. 1 BetrVG regele nicht nur den Ausschluss eines einzelnen Betriebsratsmitglieds, sondern auch die Auflösung des gesamten Betriebsrats. Letzteres sei aber nach Ablauf der Amtszeit selbst dann nicht mehr möglich, wenn der neue mit dem alten Betriebsrat personenidentisch sei. § 24 BetrVG lasse für den Verlust des Amtes u.a. den Ablauf der Amtszeit maßgebend sein. Nach § 21 BetrVG beginne die Amtszeit mit der Wahl bzw., wenn zu dieser Zeit noch ein Betriebsrat bestehe, mit Ablauf von dessen Amtszeit. In gleicher Weise unterscheide das Gesetz in § 22 BetrVG für die Fälle der vorzeitigen Neuwahl zwischen dem alten und dem neuen Betriebsrat. Diese von der Gesetzessystematik gebotene Auslegung müsse auch im Falle der Wiederwahl gelten, denn der Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds stehe seiner Wiederwahl nicht entgegen. Die Wiederwahl stelle einen Vertrauensbeweis für das betreffende Betriebsratsmitglied dar. Die durch die Neuwahl geschaffene Vertrauenslage würde zerstört, wenn das auf die alten Vorkommnisse zurückgehende Ausschlussverfahren jetzt noch zum Ausschluss führen könnte. Überdies würde die Mitgliedschaft eines solchen Arbeitnehmers in dem neuen Betriebsrat während der gesamten Amtszeit und damit in gewissem Sinne auch seine Wählbarkeit von dem Zufall abhängen, ob das Ausschlussverfahren noch in der alten oder erst in der neuen Amtszeit rechtskräftig beendet wird. Würde man den Ausschluss auch für die neue Amtszeit für zulässig erachten, so würde die Entscheidung des Gerichts das neue Amt beenden, obwohl dem Arbeitnehmer aus seiner Mitgliedschaft in dem neuen Betriebsrat keine Vorwürfe im Sinne des § 23 BetrVG gemacht werden könnten (BAG v. 29.04.1969, unter II. 2. e) der Gründe, a. a. O.).
68Die Gegenansicht hält einen Ausschluss für möglich, sofern sich die vorangegangene Pflichtverletzung auf die Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds belastend fortwirke (GK-Oetker, § 23 BetrVG Rn. 55; Richardi - Thüsing, Betriebsverfassungsgesetz, 14. Auflage 2014, § 23 BetrVG Rn. 26; HWGNRH - Huke, § 23 BetrVG Rn. 19; offen gelassen vom LAG Hamm im Beschuss v. 09.02.2007 - 10 TaBV 54/06 - Rn. 72).
69(2)Jedenfalls für die vorliegende Fallkonstellation, in der eine unmittelbar vor der Neuwahl des Betriebsrats begangene Pflichtverletzung konkrete Auswirkungen auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen neuem Betriebsrat und Arbeitgeber hat, folgt die Kammer der letztgenannten Ansicht.
70Dem Wortlaut des § 23 Abs.1 BetrVG lässt sich nicht entnehmen, ob nur Pflichtverletzungen während der gerade laufenden Amtszeit zum Ausschluss führen können oder ob auch eine Pflichtverletzung in der vorausgegangenen Amtsperiode genügt (ebenso BAG v. 29.04.1969 - 1 ABR 19/68 -, unter Ziffer II. 2. a) der Gründe, a. a. O.).
71Aus der vom Bundesarbeitsgericht im Beschluss v. 29.04.1969 aufgeführten Gesetzessystematik lässt sich lediglich schließen, dass sich ein auf den Ausschluss aus dem bisherigen Betriebsrat gerichteter Antrag mit der Neuwahl eines Betriebsrats erledigt, da die bisherige Amtszeit endet und eine neue Amtszeit beginnt. Diesbezüglich gibt es keinerlei Unterschied zu der zweiten in § 23 Abs. 1 BetrVG geregelten Fallgestaltung, der Auflösung eines Betriebsrats. Hingegen enthalten weder § 21 noch § 22 oder § 24 BetrVG Anhaltspunkte dafür, inwieweit eine vorangegangene Pflichtverletzung in einem Verfahren nach § 23 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BetrVG von Relevanz sein kann, sofern ein Ausschluss aus dem neugewählten Betriebsrat beantragt wird.
72Aus der Tatsache, dass das Gesetz die Wiederwahl eines wirksam ausgeschlossenen Betriebsratsmitglieds nicht ausschließt, können keinerlei Rückschlüsse gezogen werden. Es geht hier nicht um die Wiederwahl eines bereits ausgeschlossenen Betriebsratsmitglieds, sondern um die Berechtigung eines solchen Ausschlusses. Aber auch aus der Wählbarkeit eines Arbeitnehmers, der bereits zum Zeitpunkt der Wahl durch eine grobe Pflichtwidrigkeit einen Ausschlussgrund gesetzt hat, können keine Rückschlüsse auf die Begründetheit eines Antrags nach § 23 Abs. 1 BetrVG gezogen werden. Eine etwaige Regelung, die bereits im Falle des Vorliegens eines Ausschlussgrundes die Wählbarkeit entfallen ließe, fehlt aus gutem Grunde. Sie wäre nämlich systemwidrig. Ein Ausschlussgrund müsste nämlich dann vom Wahlvorstand von Amts wegen berücksichtigt werden, während der Ausschluss gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG eines Antrags der dort genannten Antragsberechtigten bedarf. Zudem hätte der Entfall der Wählbarkeit viel gravierende Folgen, denn sie würde ohne vorherige gerichtliche Prüfung des Vorliegens eines Ausschlussgrundes mit sofortiger Wirkung greifen, während der Ausschluss nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG erst ab Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung Wirkung entfaltet.
73Nicht überzeugend ist das Argument, in der Wiederwahl liege ein Vertrauensbeweis für das Betriebsratsmitglied und diese durch die Neuwahl geschaffene Vertrauensgrundlage würde zerstört, wenn das auf die alten Vorkommnisse zurückgehende Ausschlussverfahren jetzt noch zum Ausschluss führen könnte. Zum einen kann durch die Neuwahl allenfalls eine etwaig zerstörte Vertrauensgrundlage zwischen Betriebsratsmitglied und Belegschaft, nicht aber zerstörtes Vertrauen zwischen Betriebsratsmitglied und Arbeitgeber und/oder Betriebsrat wiederhergestellt werden. Zum anderen würde ein solcher "Vertrauensbeweis" voraussetzen, dass die gesamte Wählerschaft sowohl Kenntnis von einem laufenden Ausschlussverfahren als auch von den darin erhobenen Vorwürfen hat. Das lässt sich jedenfalls im vorliegenden Fall nicht feststellen.
74Auch die vom Arbeitsgericht vorgebrachte Begründung, es dürfe nicht von der Zufälligkeit des Zeitpunkts des rechtskräftigen Abschlusses eines Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG abhängen, ob der Ausschluss für die alte oder die neue Amtszeit greife, vermag nicht zu überzeugen. Das Bundesarbeitsgericht hat mit diesem Argument lediglich aufgezeigt, dass man zu unbefriedigenden Ergebnissen kommen würde, wenn man annähme, dass ein Ausschlussverfahren sich (automatisch) auf den neuen Betriebsrat erstrecken würde. Mit der Frage, was im Falle einer Antragsänderung gilt, musste und konnte sich das Bundesarbeitsgericht in dem Beschluss vom 29.04.1969 nicht auseinandersetzen, da Antragsänderungen im Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unzulässig sind (vgl. BAG v. 15.04.2014 - 1 ABR 80/12 - Rn. 18, NZA 2015, 62; grundlegend BAG v. 27.04.1962 - 1 ABR 1/59 - AP Nr. 2 zu § 80 ArbGG 1953).
75Der Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 S. 1 Alt.1 BetrVG spricht dafür, zumindest in den Fällen, in denen sich eine Pflichtverletzung in der vorangegangenen Amtsperiode konkret auf die Amtsführung in der laufenden Amtszeit auswirkt, einen Ausschluss zuzulassen. § 23 BetrVG dient insgesamt der Durchführung der Betriebsverfassung (Richardi-Thüsing, § 23 BetrVG Rn. 1). Mittelbar dient die Norm damit der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats und des gesetzmäßigen Verhaltens der Betriebspartner (Fitting § 23 Rn. 1; DKKW - Trittin, § 23 BetrVG Rn. 5). Durch § 23 Abs. 1 BetrVG soll zugleich ein Mindestmaß der gesetzlichen Amtsausübung des Betriebsrats sichergestellt werden (vgl. GK-BetrVG/Oetker, § 23 BetrVG Rn. 15; Richardi - Thüsing, § 23 BetrVG Rn. 3). Dabei soll durch die Vorschrift auch die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern einerseits und dem Arbeitgeber andererseits abgesichert werden (GK-BetrVG/Oetker, § 23 Rn. 54). Das lässt sich daraus ersehen, dass nicht nur dem Betriebsrat, sondern auch dem Arbeitgeber ein Antragsrecht zusteht.
76Für die Beantwortung der Frage, ob eine grobe Pflichtverletzung zu Beeinträchtigungen bei der Durchführung der Betriebsverfassung führt, ist aber nicht der Zeitpunkt der Pflichtverletzung, sondern allein deren Auswirkung entscheidend. Führt daher eine vorangegangene Pflichtverletzung konkret zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des aktuellen Betriebsrats oder der vertrauensvollen Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat in der laufenden Amtszeit, so wäre es mit dem in § 23 BetrVG zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Anliegen nicht vereinbar, wenn ein Ausschluss des die Störung verursachenden Betriebsratsmitglieds nicht möglich wäre.
77(3)Die grobe Pflichtwidrigkeit des Beteiligten zu 2) wirkt sich auf die Durchführung der Betriebsverfassung im Betrieb der Arbeitgeberin aus.
78Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Betriebsparteien ist in der laufenden Amtsperiode ausgeschlossen, solange der Beteiligte zu 2) Mitglied des Betriebsrats ist. Wenn nicht sichergestellt ist, dass jedes Betriebsratsmitglied sich an seine Verschwiegenheitspflicht hält, steht nicht zu erwarten, dass die Arbeitgeberin dem Betriebsrat geheimhaltungsbedürftige oder aber sonstige vertrauliche Informationen gibt. Insoweit wirkt sich das Verhalten des Beteiligten zu 2) deshalb konkret auf die laufende Zusammenarbeit der Betriebsparteien aus, da er in seiner Rede am 20.02.2014 nicht nur ihm in seiner Eigenschaft als Betriebsratsmitglied anvertraute geheimhaltungsbedürftige Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse offenbart, sondern zugleich zum Ausdruck gebracht hat, dies auch zukünftig zu tun. Nicht anders lässt sich seine Äußerung "Ich wünsche mir einen Betriebsrat, der vor dem Verkauf des Wasserwerkes aktiv wird und nicht erst dann, wenn das Kind im Brunnen liegt. Anstatt sich in Verschwiegenheit zu üben, sollte der Vorgang transparent sein." verstehen. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine Ankündigung, sondern - schlimmer noch - um ein seinen Wählern gegebenes Versprechen. Es kann dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, dem Betriebsrat in Kenntnis dieser Ankündigung Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse anzuvertrauen und erst nach einem erneuten Verstoß des Beteiligten zu 2) ein Ausschlussverfahren einzuleiten.
79III.
80Die Rechtsbeschwerde war gem. § 92 Abs. 1 S.2 i. V. m. § 72 Abs.2 Nr.1 u. 2 ArbGG zuzulassen.
81RECHTSMITTELBELEHRUNG
82Gegen diesen Beschluss kann von den Beteiligten zu 2) und 3)
83R E C H T S B E S C H W E R D E
84eingelegt werden.
85Für die Beteiligte zu 1) ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
86Die Rechtsbeschwerde muss
87innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
88nach der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses schriftlich oder in elektronischer Form beim
89Bundesarbeitsgericht
90Hugo-Preuß-Platz 1
9199084 Erfurt
92Fax: 0361-2636 2000
93eingelegt werden.
94Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
95Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
961.Rechtsanwälte,
972.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
983.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
99In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Rechtsbeschwerdeschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
100Beteiligte, die als Bevollmächtigte zugelassen sind, können sich selbst vertreten.
101Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Rechtsbeschwerde wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
102* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
103BarthDr. FülbierAlaeddin
(1) Die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung und des Seebetriebsrats, des Wahlvorstands sowie von Wahlbewerbern bedarf der Zustimmung des Betriebsrats.
(2) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann das Arbeitsgericht sie auf Antrag des Arbeitgebers ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht ist der betroffene Arbeitnehmer Beteiligter.
(2a) Absatz 2 gilt entsprechend, wenn im Betrieb kein Betriebsrat besteht.
(3) Die Versetzung der in Absatz 1 genannten Personen, die zu einem Verlust des Amtes oder der Wählbarkeit führen würde, bedarf der Zustimmung des Betriebsrats; dies gilt nicht, wenn der betroffene Arbeitnehmer mit der Versetzung einverstanden ist. Absatz 2 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass das Arbeitsgericht die Zustimmung zu der Versetzung ersetzen kann, wenn diese auch unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des betroffenen Arbeitnehmers aus dringenden betrieblichen Gründen notwendig ist.
Tenor
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Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 6. September 2012 - 3 TaBV 2/12 - wird zurückgewiesen.
Gründe
- 1
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A. Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit der Bestellung von Kommunikationsbeauftragten.
- 2
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Die zu 9. beteiligte Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. Sie beschäftigt in ihrem Werk U ca. 22.000 Arbeitnehmer. Der dort errichtete, zu 8. beteiligte Betriebsrat besteht aus 45 Mitgliedern. Die Mehrheit seiner Mitglieder hatte auf der Liste der IG Metall kandidiert. Die Antragsteller gehören der Minderheitsfraktion im Betriebsrat an. Alle Betriebsratsmitglieder nehmen - mit oder ohne förmliche Freistellung - ausschließlich Betriebsratsaufgaben wahr.
- 3
-
Aufgrund der großen Anzahl zu betreuender Arbeitnehmer werden seit Jahren vom Betriebsrat sog. Kommunikationsbeauftragte bestellt. Eine Rechtsgrundlage hierzu wurde erstmals mit der „Betriebsvereinbarung zur Regelung der Kommunikationsmöglichkeiten des Betriebsrates im Werk U“ vom 9. September 1997 (im Folgenden Betriebsvereinbarung 1997) geschaffen. Diese Betriebsvereinbarung enthält, soweit hier von Interesse, die folgenden Regelungen:
-
„1. Kommunikationskonzept des Betriebsrats
1.1
Das Kommunikationskonzept findet nur für die Arbeiter/Arbeiterinnen des Werkes U Anwendung.
Die Anzahl der Beauftragten wird im Verhältnis: ein Beauftragte(r) pro 25 Arbeiter-innen jedoch max. 500 Beauftragte festgelegt.
Der Betriebsrat benennt die Beauftragten namentlich in den Centern, dabei muß sichergestellt sein, daß sie von den Vorgesetzten und den Gruppen akzeptiert werden.
1.2
Aufgaben der Beauftragten des Betriebsrates sind u. a.:
-
Unterstützung des Betriebsrates bei seiner Meinungsbildung
-
Verteilung von Informationsmaterial
-
Übernahme von konkreten Aufträgen, die der Betriebsrat erteilt
1.3
Das Zeitkontingent, das dem Betriebsrat für die Beauftragten zur Verfügung gestellt wird, beträgt 25.000 Stunden pro Jahr.
1.4
Das Kontingent der Beauftragten gliedert sich wie folgt:
-
regelmäßige Bereichssitzungen von ca. 1 Stunde pro 14 Tage (planbar mit rechtzeitiger Ankündigung beim Vorgesetzten); die Bereichssitzung findet unter Leitung der Bereichsbetriebsräte statt
-
Vorbereitung der Regelkommunikation
-
Informationsaustausch unter den Beauftragten
-
spezifische Qualifizierung
Die zeitweise Entbindung von der Arbeitspflicht erfolgt in Absprache zwischen dem jeweiligen Vorgesetzten und dem Beauftragten. Bei Komplikationen ist der Bereichsbetriebsrat hinzuzuziehen.
1.5
Die Werkleitung wird die Voraussetzungen für die zeitweise Entbindung von der Arbeitspflicht im geplanten Umfang schaffen. Der Betriebsrat sagt eine rechtzeitige Ankündigung für die einzelnen Umfänge zu, dabei werden Kapazitätsprobleme soweit als möglich vermieden.
…“
- 4
-
Am 27. April 1998 schlossen die Betriebsparteien die „Betriebsvereinbarung zur Regelung der Kommunikationsmöglichkeiten des Betriebsrates in GBP/E, Standort U“ (im Folgenden Betriebsvereinbarung 1998), durch die für den Bereich GBP/E am Standort U im Wesentlichen die gleichen Regelungen wie in der Betriebsvereinbarung 1997 getroffen wurden. Entsprechend der Größe des Bereichs GBP/E wurde für diesen Bereich die Zahl der Kommunikationsbeauftragten auf 80 begrenzt und ein Zeitkontingent von 5.000 Stunden pro Jahr festgelegt. Durch Protokollnotizen vom 13. Dezember 1999 zu den Betriebsvereinbarungen 1997 und 1998 wurde vereinbart, dass das Kommunikationskonzept ab dem 1. Januar 2000 auch im Angestelltenbereich Anwendung findet.
- 5
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Der Betriebsrat bestellt die Kommunikationsbeauftragten durch Mehrheitsbeschluss. Dabei bestellte er durch Beschluss vom 9. Juni 2011 ausschließlich solche Personen zu Kommunikationsbeauftragten, die Vertrauensleute der IG Metall waren. Die am 27. September 2012 bestellten Kommunikationsbeauftragten waren ganz überwiegend zugleich Vertrauensleute der IG Metall.
- 6
-
Die Kommunikationsbeauftragten nehmen an der sog. Regelkommunikation teil. Dabei handelt es sich um eine vierzehntägig stattfindende Informations- und Diskussionsrunde, in der die Kommunikationsbeauftragten Informationen vom Betriebsrat erhalten und über Probleme in ihren Bereichen sprechen können. An diesen Zusammenkünften zwischen Betriebsrat und Kommunikationsbeauftragten können alle Betriebsratsmitglieder teilnehmen. Den Betriebsratsmitgliedern steht die Kontaktaufnahme zur Belegschaft jederzeit frei. Die Arbeitnehmer können sich auch stets unmittelbar an ein beliebiges Betriebsratsmitglied wenden.
- 7
-
Mit Schreiben vom 4. November 2005 und vom 28. April 2008 luden die Vertrauenskörperleitung, der „IG Metall Betriebsrat“ und die IG Metall Verwaltungsstelle S und E Vertrauensleute der IG Metall zu Versammlungen im Betrieb ein. Die Vertrauensleute wurden aufgefordert, die Arbeitszeit über das Zeitkontingent der Kommunikationsbeauftragten abzurechnen. Mit Schreiben vom 3. Mai 2011 luden die Vertrauenskörperleitung, die Verwaltungsstelle S der IG-Metall und der „IG Metall Betriebsrat“ die Kommunikationsbeauftragten zur Sitzung der Vertrauenskörperleitung ein. Die Einladung weist als Tagesordnungspunkt 2 der Sitzung das Thema „Mitgliederentwicklung/Werbung“ aus.
- 8
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Die Antragsteller haben die Ansicht vertreten, die Bestellung von Kommunikationsbeauftragten auf der Grundlage der Betriebsvereinbarungen 1997 und 1998 sei unzulässig. Diese Betriebsvereinbarungen verstießen gegen zwingende Organisationsvorschriften des Betriebsverfassungsrechts. Bei den Kommunikationsbeauftragten handele es sich um eine zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Vertretung der Arbeitnehmer iSv. § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG, zu deren Schaffung die Betriebsparteien nicht befugt seien. Die Bestellung von Kommunikationsbeauftragten könne nicht auf § 40 Abs. 2 BetrVG gestützt werden. Die Kommunikationsbeauftragten gehörten nicht zum Büropersonal. Sie seien nicht für bürotechnische Hilfsaufgaben, sondern für die Kommunikation mit den Arbeitnehmern und die Mitwirkung bei der Meinungsbildung des Betriebsrats zuständig. Dies seien originäre Aufgaben des Betriebsrats, die nicht auf Dritte übertragen werden könnten. Mit der Vereinbarung des Zeitkontingents von 39.300 Stunden für Kommunikationsbeauftragte seien eine unzulässige „Überversorgung“ des Betriebsrats und eine Begünstigung seiner Mitglieder verbunden. Der Einsatz der Kommunikationsbeauftragten ziele darauf ab, die Mitglieder der Minderheitenfraktion aus der Kommunikation mit den Arbeitnehmern zu drängen. Die in §§ 9, 38 Abs. 1 BetrVG zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertungen zur erforderlichen Zahl der Betriebsratsmitglieder und der Anzahl der Freistellungen werde unterlaufen. Die Betriebsparteien seien nicht befugt, die entgeltliche Freistellung der Kommunikationsbeauftragten zu regeln. Es sei nicht gewährleistet, dass die Kommunikationsbeauftragten die ihnen gewährte Freistellung nicht für ihre Tätigkeit als gewerkschaftliche Vertrauensleute auch im betrieblichen Meinungsbildungsprozess einsetzten. Jedenfalls könnten die Kommunikationsbeauftragten nicht durch einen Mehrheitsbeschluss des Betriebsrats bestellt werden. Die Wertung des Gesetzgebers, bei repräsentativer Tätigkeit Minderheitenschutz in Form des Verhältniswahlrechts zu gewähren, müsse auch für die Bestellung von Kommunikationsbeauftragten gelten.
- 9
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Die Antragsteller haben - soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung - zuletzt beantragt
-
1.
festzustellen, dass die Betriebsvereinbarung zur Regelung der Kommunikationsmöglichkeiten des Betriebsrats im Werk U vom 9. September 1997 nebst Protokollnotizen vom 9. September 1997 und vom 13. Dezember 1999 unwirksam ist,
2.
festzustellen, dass die Betriebsvereinbarung zur Regelung der Kommunikationsmöglichkeiten des Betriebsrats in GBP/E Standort U vom 27. April 1998 mit Protokollnotizen vom 27. April 1998 und vom 13. Dezember 1999 unwirksam ist.
- 10
-
Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen.
- 11
-
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Bestellung der Kommunikationsbeauftragten durch Mehrheitsbeschluss sei zulässig. Die Kommunikationsbeauftragten seien Hilfspersonen, die den Betriebsrat bei der Umsetzung seines Informationskonzepts unterstützten.
- 12
-
Die Arbeitgeberin hat keinen Antrag gestellt.
- 13
-
Das Arbeitsgericht hat die - erstinstanzlich anders formulierten - Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgen die Antragsteller ihre zuletzt gestellten Anträge weiter. Ergänzend beantragen sie hilfsweise
-
festzustellen, dass die Bestellung von Kommunikationsbeauftragten nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung zur Regelung der Kommunikationsmöglichkeiten des Betriebsrats im Werk U vom 9. September 1997 in der Fassung der Protokollnotizen vom 9. September 1997 und vom 13. Dezember 1999 sowie der Betriebsvereinbarung zur Regelung der Kommunikationsmöglichkeiten des Betriebsrats in GBP/E Standort U vom 27. April 1998 in der Fassung der Protokollnotizen vom 27. April 1998 und vom 13. Dezember 1999 im Wege und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl und nicht im Wege und nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl durchzuführen ist.
- 14
-
Der Betriebsrat beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
- 15
-
B. Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge zu Recht abgewiesen. Die Anträge sind zulässig, aber unbegründet. Das gilt auch für den in der Rechtsbeschwerde gestellten Hilfsantrag.
- 16
-
I. Die Hauptanträge sind als ein auf die Unzulässigkeit der Bestellung von Kommunikationsbeauftragten auf der Grundlage der Betriebsvereinbarungen 1997 und 1998 gerichteter einheitlicher Hauptantrag zu verstehen. Dieser Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
- 17
-
1. Die Hauptanträge bedürfen der Auslegung.
- 18
-
Die Anträge sind zwar nach ihrem Wortlaut auf die Feststellung der Unwirksamkeit der im Betrieb U bestehenden Betriebsvereinbarungen zur Regelung der Kommunikationsmöglichkeiten des Betriebsrats gerichtet. Für einen solchen Feststellungsantrag würde den Antragstellern jedoch die Antragsbefugnis fehlen, da einzelne Betriebsratsmitglieder die Unwirksamkeit einer vom Betriebsrat abgeschlossenen Betriebsvereinbarung nicht unabhängig von einem Eingriff in eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechtspositionen geltend machen können. Weder das BetrVG noch das ArbGG sehen ein inhaltliches Normenkontrollrecht der Minder- und/oder Mehrheitsfraktionen innerhalb einer Arbeitnehmervertretung vor (vgl. BAG 5. März 2013 - 1 ABR 75/11 - Rn. 18 zum inhaltlichen Normenkontrollrecht der auf den unterschiedlichen Ebenen im Unternehmen und Konzern errichteten Arbeitnehmervertretungen). Aus dem Vorbringen der Antragsteller geht allerdings hervor, dass sie sich durch die Bestellung der Kommunikationsbeauftragten in ihren betriebsverfassungsrechtlichen Rechten beeinträchtigt sehen. Nach diesem Rechtsschutzziel sind die Anträge als einheitlicher Hauptantrag zu verstehen, der auf die Feststellung gerichtet ist, die Bestellung der Kommunikationsbeauftragten auf der Grundlage der im Betrieb U geltenden Bestimmungen zur Regelung der Kommunikationsmöglichkeiten des Betriebsrats sei unzulässig. Bei diesen Bestimmungen handelt es sich - wie sich aus dem Antrag ergibt - um die Betriebsvereinbarungen 1997 und 1998 mit den jeweiligen Protokollnotizen vom 13. Dezember 1999.
- 19
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2. Mit diesem Inhalt ist der Hauptantrag zulässig.
- 20
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a) Die Antragsteller sind antragsbefugt.
- 21
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aa) Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist ein Beteiligter antragsbefugt iSv. § 81 Abs. 1 ArbGG, wenn er eigene Rechte geltend macht. Ebenso wie die Prozessführungsbefugnis im Urteilsverfahren dient die Antragsbefugnis im Beschlussverfahren dazu, Popularklagen auszuschließen. Im Beschlussverfahren ist die Antragsbefugnis gegeben, wenn der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in seiner kollektivrechtlichen Rechtsposition betroffen sein kann. Das ist regelmäßig der Fall, wenn er eigene Rechte geltend macht und dies nicht von vornherein als aussichtslos erscheint (BAG 15. Oktober 2014 - 7 ABR 53/12 - Rn. 23; 22. Juli 2014 - 1 ABR 94/12 - Rn. 12).
- 22
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bb) Die Antragsteller tragen vor, die Bestellung von Kommunikationsbeauftragten greife in ihr Recht auf unmittelbare Kommunikation mit den Arbeitnehmern unzulässig ein und behindere ihre Betriebsratstätigkeit. Damit machen sie geltend, durch die Bestellung der Kommunikationsbeauftragten in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition als Betriebsratsmitglieder betroffen zu sein.
- 23
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b) Der Antrag genügt den Erfordernissen des § 256 Abs. 1 ZPO. Im Streit steht die Befugnis des Betriebsrats, Kommunikationsbeauftragte auf der Grundlage der Betriebsvereinbarungen 1997 und 1998 nebst Protokollnotizen zu bestellen. Für die begehrte Feststellung besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Mit dem Antrag kann auch für die Zukunft geklärt werden, ob der Betriebsrat berechtigt ist, weiterhin Kommunikationsbeauftragte auf der Grundlage der Betriebsvereinbarungen 1997 und 1998 zu bestellen.
- 24
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c) Der Zulässigkeit des Hauptantrags steht nicht entgegen, dass er erstmals in der Beschwerdeinstanz gestellt wurde. Die Antragsteller haben den Antrag in der Beschwerde im Wege der Antragserweiterung (§ 87 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2, § 81 Abs. 3 ArbGG, § 533 ZPO) in das Verfahren eingeführt. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag als sachdienlich zugelassen. Seine Entscheidung ist nach § 81 Abs. 3 Satz 3 ArbGG unanfechtbar und bindet das Rechtsbeschwerdegericht(BAG 9. November 2010 - 1 ABR 76/09 - Rn. 16; 26. Juli 2005 - 1 ABR 16/04 - zu B II 1 b der Gründe).
- 25
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3. Der Hauptantrag ist unbegründet. Der Betriebsrat ist befugt, Kommunikationsbeauftragte auf der Grundlage der Betriebsvereinbarungen 1997 und 1998 zu bestellen. Dies verstößt nicht gegen Organisationsvorschriften oder sonstige Bestimmungen des Betriebsverfassungsrechts. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
- 26
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a) Der Bestellung von Kommunikationsbeauftragten auf der Grundlage der Betriebsvereinbarungen 1997 und 1998 steht nicht § 3 BetrVG entgegen. Bei den Kommunikationsbeauftragten handelt es sich weder um eine Arbeitnehmervertretung nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG noch um eine andere, gesetzlich nicht vorgesehene Vertretung der Arbeitnehmer. Die Kommunikationsbeauftragten sind vielmehr Hilfspersonen des Betriebsrats.
- 27
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aa) Die Kommunikationsbeauftragten sind keine zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmervertretung iSv. § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG.
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(1) Der Gesetzgeber hat die organisatorischen Bestimmungen des BetrVG grundsätzlich zweiseitig-zwingend ausgestaltet (BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 27/08 - Rn. 15, BAGE 131, 277). Abweichungen von den Organisationsvorschriften sind nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen zulässig. Nach § 3 Abs. 1 BetrVG kann durch Tarifvertrag unter den dort bestimmten Voraussetzungen von den organisatorischen Vorschriften des BetrVG abgewichen werden. Mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG ermächtigt der Gesetzgeber die Tarifvertragsparteien, abweichende Regelungen über die Repräsentationsstruktur der Arbeitnehmer im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung zu schaffen, die an die Stelle des gesetzlichen Organisationsmodells treten. Die weiteren Tatbestände in § 3 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 BetrVG betreffen dagegen die Errichtung zusätzlicher betriebsverfassungsrechtlicher Gremien und Vertretungen, die nicht an die Stelle der gesetzlich vorgesehenen Arbeitnehmervertretungen treten. Nach § 3 Abs. 2 BetrVG kann in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2, 4 oder 5 eine Regelung durch Betriebsvereinbarung getroffen werden, wenn keine tarifliche Regelung besteht und auch kein anderer Tarifvertrag gilt.
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§ 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG ermöglicht Regelungen zur Bildung zusätzlicher betriebsverfassungsrechtlicher Vertretungen der Arbeitnehmer, die die Zusammenarbeit zwischen dem Betriebsrat und den Arbeitnehmern erleichtern. Die Bildung dieser Vertretungsorgane kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Kontakt zwischen dem Betriebsrat und den von ihm zu betreuenden Arbeitnehmern nicht oder nicht in ausreichendem Umfang besteht wie zB im Fall eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats eines bundesweit tätigen Unternehmens (BT-Drs. 14/5741 S. 34). Die zusätzlichen Arbeitnehmervertretungen haben gegenüber dem Arbeitgeber keine Vertretungs- oder Mitwirkungsbefugnisse (vgl. etwa Fitting 27. Aufl. § 3 Rn. 58; Franzen GK-BetrVG 10. Aufl. § 3 Rn. 57; DKKW-Trümner 14. Aufl. § 3 Rn. 135). Es handelt sich jedoch um Vertretungsorgane (Fitting 27. Aufl. § 3 Rn. 59), die nach demokratischen Grundsätzen zu wählen sind und nicht durch den Betriebsrat ernannt werden können (Fitting 27. Aufl. § 3 Rn. 63; Franzen GK-BetrVG 10. Aufl. § 3 Rn. 26; DKKW-Trümner 14. Aufl. § 3 Rn. 138). Eine Vertretung der Arbeitnehmer iSv. § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG erfordert eine Organstruktur(vgl. etwa ErfK/Koch 15. Aufl. § 3 BetrVG Rn. 8; Richardi in Richardi BetrVG 14. Aufl. § 3 Rn. 68; Teusch NZA 2007, 124, 129). Dafür spricht schon der Wortlaut von § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG. Unter einer „Vertretung der Arbeitnehmer“ ist eine Repräsentationseinheit zu verstehen. Diese setzt eine innere Organisation voraus.
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(2) Danach handelt es sich bei den Kommunikationsbeauftragten nicht um eine zusätzliche Arbeitnehmervertretung. Es fehlt an der erforderlichen Organstruktur.
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(a) Nach den Betriebsvereinbarungen sind die Kommunikationsbeauftragten nicht in einer Organstruktur zusammengefasst. Die Betriebsvereinbarungen enthalten keine Organisationsregelungen zur Konstituierung und Geschäftsführung der Kommunikationsbeauftragten. Sie sehen auch keine institutionalisierten Sitzungen der Kommunikationsbeauftragten vor. Nach Ziff. 1.4 der Betriebsvereinbarungen finden nur regelmäßige Diskussionsrunden der Kommunikationsbeauftragten mit den Betriebsratsmitgliedern des jeweiligen Bereichs statt, die durch den Betriebsrat geleitet werden. Sie dienen nicht der Meinungsbildung innerhalb der Kommunikationsbeauftragten, sondern dem Informationsaustausch zwischen dem Betriebsrat und den einzelnen Kommunikationsbeauftragten.
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(b) Das Bestehen der erforderlichen Organstruktur ist auch nicht im Hinblick auf die Strukturen der Vertrauenskörperleitung zu bejahen. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass durch die gelegentliche unzulässige Vermengung der Tätigkeiten der Vertrauensleute und der Kommunikationsbeauftragten in der Vergangenheit keine Organstruktur der Kommunikationsbeauftragten geschaffen wurde. Es hat festgestellt, dass die Vertrauenskörperleitung der Mehrheitsgewerkschaft nicht für sich beansprucht, als Leitung der Beauftragten auftreten zu können.
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bb) Die Kommunikationsbeauftragten sind auch keine andere vom Gesetz abweichende Arbeitnehmervertretung. Sie sind keine Arbeitnehmervertreter, sondern Hilfspersonen des Betriebsrats iSv. § 40 Abs. 2 BetrVG.
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(1) Nach § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel, Büropersonal sowie Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. Zum Büropersonal iSv. § 40 Abs. 2 BetrVG gehören nicht nur Schreibkräfte, sondern auch andere Personen, die den Betriebsrat durch Hilfstätigkeiten bei der Wahrnehmung seiner Amtstätigkeit unterstützen(vgl. etwa Fitting 27. Aufl. § 40 Rn. 135; ErfK/Koch 15. Aufl. § 40 BetrVG Rn. 18; Thüsing in Richardi BetrVG 14. Aufl. § 40 Rn. 71; Weber GK-BetrVG 10. Aufl. § 40 Rn. 195; Bayreuther NZA 2013, 758, 761). Dazu sind Personen zu zählen, die für den Betriebsrat Vervielfältigungsaufgaben oder Botendienste erledigen. Darüber hinaus werden von dem Anspruch nach § 40 Abs. 2 BetrVG auch solche Hilfspersonen erfasst, die der Betriebsrat für die Vorbereitung und Abwicklung von Entscheidungen über die Wahrnehmung seiner Beteiligungsrechte benötigt(BAG 19. Juni 2012 - 1 ABR 19/11 - Rn. 27, BAGE 142, 87). Gleiches kann für Hilfspersonen gelten, die der Betriebsrat im Rahmen des Meinungs- und Informationsaustauschs mit der Belegschaft zur Informationsvermittlung heranzieht. Der Einsatz solcher Hilfspersonen ist dem Betriebsrat nicht grundsätzlich verwehrt. Der Kontakt zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern ist nach dem Betriebsverfassungsgesetz weder institutionalisiert noch in sonstiger Weise vorgegeben. Das Betriebsverfassungsgesetz verweist den Betriebsrat für den innerbetrieblichen Dialog mit der Belegschaft nicht auf die Durchführung von Betriebsversammlungen oder Sprechstunden (BAG 8. Februar 1977 - 1 ABR 82/74 - zu III 2 a der Gründe). Es verlangt von ihm auch nicht, sich auf Aushänge am Schwarzen Brett zu beschränken, die Belegschaft schriftlich zu informieren oder die Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplätzen persönlich aufzusuchen. Welche Informations- und Kommunikationswege der Betriebsrat für zweckmäßig hält, ist von ihm nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (BAG 9. Juni 1999 - 7 ABR 66/97 - zu B II 3 c aa der Gründe mwN, BAGE 92, 26).
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(2) Danach handelt es sich bei den Kommunikationsbeauftragten um Hilfspersonen iSv. § 40 Abs. 2 BetrVG. Sie unterstützen den Betriebsrat durch Hilfstätigkeiten bei der Wahrnehmung seiner Kommunikationsaufgabe.
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(a) Zu den Aufgaben des Betriebsrats gehört es, im Rahmen seiner Zuständigkeit die Belegschaft umfassend und grundlegend zu informieren. Die Einhaltung der allgemeinen Überwachungspflichten nach § 75 BetrVG und § 80 BetrVG verlangt zwingend, sich mit den von ihm zu vertretenden Arbeitnehmern auszutauschen. Auch die sachgerechte Wahrnehmung der Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte ist ohne einen Informations- und Meinungsaustausch zwischen Betriebsrat und Belegschaft nicht denkbar (BAG 9. Juni 1999 - 7 ABR 66/97 - zu B II 3 b der Gründe, BAGE 92, 26).
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(b) Die Kommunikationsbeauftragten haben beim Informations- und Meinungsaustausch des Betriebsrats mit der Belegschaft nur Hilfstätigkeiten in Form von Vorbereitungsarbeiten und Botendiensten zu erbringen. Nach Ziff. 1.2 der Betriebsvereinbarungen sollen die Kommunikationsbeauftragten den Betriebsrat in seiner Meinungsbildung unterstützen. Dazu haben sie die Anliegen der Arbeitnehmer und Stimmungen in der Arbeitnehmerschaft an den Betriebsrat heranzutragen. Durch die Weitergabe der Informationen an den Betriebsrat bereiten sie dessen Entscheidungen vor. Die Kommunikationsbeauftragten haben ferner die Aufgabe, Informationsmaterial des Betriebsrats an die Arbeitnehmer weiterzuleiten. Diese Tätigkeit ist auf einen Botendienst beschränkt. Die Kommunikationsbeauftragten bestimmen nicht den Inhalt der Kommunikation zwischen Betriebsrat und Belegschaft, sondern geben das Informationsmaterial des Betriebsrats weiter. Sie sollen weder initiativ werden, noch sind ihnen vom Betriebsrat Entscheidungsspielräume übertragen.
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(3) Die Bestellung von Kommunikationsbeauftragten bewirkt entgegen der Ansicht der Antragsteller keine „Überversorgung“ des Betriebsrats, die die Antragsteller nach § 40 Abs. 2 BetrVG für unzulässig halten. Zwar setzt der Anspruch des Betriebsrats auf Überlassung von sächlichen und personellen Mitteln nach § 40 Abs. 2 BetrVG voraus, dass er diese zur Durchführung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben für erforderlich halten darf. Die Vorschrift enthält jedoch entgegen der Ansicht der Antragsteller keinen Hinweis auf eine Standardausstattung (BAG 12. Mai 1999 - 7 ABR 36/97 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 91, 325). Es hängt vielmehr von den jeweiligen betrieblichen Verhältnissen und den sich dem Betriebsrat stellenden Aufgaben ab, welche Hilfsmittel er für erforderlich halten darf. Bei seiner Entscheidung, welche Hilfsmittel er benötigt, hat der Betriebsrat die berechtigten Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben und die Interessen des Arbeitgebers, insbesondere dessen Interesse an der Begrenzung seiner Kostenbelastung, angemessen zu berücksichtigen (vgl. etwa BAG 11. November 1998 - 7 ABR 57/97 - zu B 2 der Gründe; 12. Mai 1999 - 7 ABR 36/97 - zu B III 2 a der Gründe, aaO). Die Vorschrift regelt somit im Verhältnis des Betriebsrats zum Arbeitgeber, dass der Betriebsrat lediglich die Überlassung der erforderlichen Hilfsmittel verlangen kann. Daher kann sich grundsätzlich nur der Arbeitgeber auf die fehlende Erforderlichkeit eines verlangten Hilfsmittels berufen. Bei Streitigkeiten innerhalb des Betriebsrats findet § 40 Abs. 2 BetrVG dagegen keine Anwendung. Dem Schutz der inneren und äußeren Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder, die durch eine „Überversorgung“ gefährdet sein könnte, dient die Regelung des § 78 BetrVG(BAG 18. Februar 2014 - 3 AZR 568/12 - Rn. 28). Die Arbeitgeberin hat sich nicht auf die fehlende Erforderlichkeit der Bestellung von Kommunikationsbeauftragten berufen.
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b) Die Bestellung von Kommunikationsbeauftragten entsprechend den Betriebsvereinbarungen 1997 und 1998 ist auch nicht aus anderen Gründen unzulässig.
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aa) Die Bestellung von Kommunikationsbeauftragten auf der Grundlage der Betriebsvereinbarungen 1997 und 1998 verstößt nicht gegen § 78 BetrVG.
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(1) Die Antragsteller werden durch den Einsatz der Kommunikationsbeauftragten nicht entgegen § 78 Satz 1 BetrVG in ihrer Amtstätigkeit behindert. Die von den Antragstellern behauptete Ausgrenzung von dem für die Betriebsratstätigkeit unerlässlichen Informationsaustausch liegt nicht vor.
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(a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass alle Betriebsratsmitglieder, auch die Angehörigen der Minderheitsfraktion, an den regelmäßigen Diskussionsrunden zwischen dem Betriebsrat und den Kommunikationsbeauftragten teilnehmen und sich dadurch informieren können. Die Betriebsratsmitglieder sind in ihrer Informationsbeschaffung auch nicht auf die Kommunikationsbeauftragten beschränkt. Es ist ihnen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts unbenommen, direkt mit den Arbeitnehmern Kontakt aufzunehmen. Eine rechtlich erhebliche Einschränkung liegt nicht darin, dass bei den Arbeitnehmern, die sich mit ihren Belangen schon an die Kommunikationsbeauftragten gewandt haben, kein Gesprächsbedarf besteht, und sie sich deshalb nicht ihrerseits auch an ein Betriebsratsmitglied wenden. Zum einen werden die Betriebsratsmitglieder durch die Kommunikationsbeauftragten von den an sie herangetragenen Anliegen der Arbeitnehmer informiert, zum anderen ist es den Betriebsratsmitgliedern unbenommen, die Arbeitnehmer direkt selbst anzusprechen.
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(b) Die Antragsteller sind auch nicht in der Verbreitung von Informationen eingeschränkt. Die Kommunikationsbeauftragten sind Hilfspersonen des gesamten Betriebsrats, nicht Hilfspersonen eines „IG Metall Betriebsrats“ oder einer anderen Gruppierung innerhalb des Betriebsrats. Sie verteilen das Informationsmaterial des Betriebsrats an die Belegschaft, nicht das Informationsmaterial einzelner im Betriebsrat vertretener Gruppen. Die Mehrheitsfraktion darf die Kommunikationsbeauftragten daher nicht für die Weitergabe ihrer spezifischen Meinungen und Informationen und für ihre eigene Werbung einsetzen. Auf den Inhalt des Informationsmaterials des Betriebsrats können die Antragsteller als Mitglieder des Betriebsrats Einfluss nehmen. Sie sind auch nicht daran gehindert, sich selbst an die Belegschaft zu wenden, um den Standpunkt ihrer Minderheitsfraktion zu vertreten.
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(2) Die Betriebsratsmitglieder werden durch den Einsatz der Kommunikationsbeauftragten auch nicht entgegen § 78 Satz 2 BetrVG wegen ihrer Betriebsratstätigkeit begünstigt. Die Betriebsratsmitglieder selbst erhalten keine Vergünstigungen. In der mit dem Einsatz von Kommunikationsbeauftragten verbundenen Entlastung der Betriebsratsmitglieder von Hilfstätigkeiten liegt keine unzulässige Begünstigung. Sie führt nicht dazu, dass die Betriebsratsmitglieder Arbeitsentgelt erhalten, ohne Betriebsratsarbeit oder Arbeitsleistung erbringen zu müssen. Sollten die anfallenden Betriebsratsaufgaben nur einen Teil der Freistellungen rechtfertigen, haben die Betriebsratsmitglieder im Übrigen die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen.
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bb) Dem Einsatz der Kommunikationsbeauftragten steht nicht der Anspruch der Arbeitnehmer auf direkte Kommunikation mit dem Betriebsrat entgegen. Arbeitnehmer müssen zwar die Möglichkeit haben, sich direkt an die von ihnen gewählten Betriebsratsmitglieder mit ihren Beschwerden (§ 85 Abs. 1 BetrVG) und Anregungen (§ 80 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) sowie sonstigen Anliegen zu wenden. Das ist hier jedoch gewährleistet. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass jeder Arbeitnehmer sich jederzeit unmittelbar an ein beliebiges Betriebsratsmitglied wenden kann. Eine organisatorische Zwischenebene, die dies verhindert, ist nicht implementiert.
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cc) Durch den Einsatz der Kommunikationsbeauftragten werden die in den Staffeln der §§ 9, 38 Abs. 1 BetrVG zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertungen zur erforderlichen Zahl der Betriebsratsmitglieder und der Anzahl der Freistellungen nicht unterlaufen. Hilfspersonen sind keine Betriebsratsmitglieder und deshalb auf die vorgegebene Anzahl der Betriebsratsmitglieder und der Freistellungen nicht anzurechnen (vgl. BAG 12. Februar 1997 - 7 ABR 40/96 - zu B 3 der Gründe).
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dd) Der Bestellung von Kommunikationsbeauftragten auf der Grundlage der Betriebsvereinbarungen 1997 und 1998 steht entgegen der Ansicht der Antragsteller § 77 Abs. 3 BetrVG nicht entgegen.
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(1) Nach § 77 Abs. 3 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein, es sei denn, der Tarifvertrag lässt den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zu. Die Vorschrift gewährleistet die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie. Dazu räumt sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang zur Regelung von Arbeitsbedingungen ein. Diese Befugnis soll nicht durch ergänzende oder abweichende Regelungen der Betriebsparteien ausgehöhlt werden können. Eine gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist unwirksam(BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 45).
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(2) Die Betriebsvereinbarungen 1997 und 1998 regeln weder das Arbeitsentgelt noch andere Arbeitsbedingungen der Kommunikationsbeauftragten. Nach Ziff. 1.4 der Betriebsvereinbarungen 1997 und 1998 sollen die Kommunikationsbeauftragten zeitweise von ihrer Arbeitspflicht entbunden werden, um ihre Aufgaben als Kommunikationsbeauftragte wahrzunehmen. Dabei handelt es sich entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht um die Regelung einer bezahlten Freistellung. Den Kommunikationsbeauftragten ist vielmehr zeitweise eine andere Tätigkeit zugewiesen.
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ee) Die Bestellung von Kommunikationsbeauftragten auf der Grundlage der Betriebsvereinbarungen 1997 und 1998 ist entgegen der Auffassung der Antragsteller auch mit § 20 Abs. 2 BetrVG vereinbar.
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(1) Nach § 20 Abs. 2 BetrVG darf niemand die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung von Vorteilen beeinflussen. Danach ist auch die Begünstigung einer bestimmten Wahlvorschlagsliste mit dem Ziel der Wahlbeeinflussung verboten (BGH 13. September 2010 - 1 StR 220/09 - BGHSt 55, 288; BAG 4. Dezember 1986 - 6 ABR 48/85 - zu II 4 c der Gründe, BAGE 53, 385).
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(2) Mit der in den Betriebsvereinbarungen vorgesehenen Bestellung von Kommunikationsbeauftragten ist keine Begünstigung der Mehrheitskoalition verbunden. Die Kommunikationsbeauftragten sind nach der Konzeption der Betriebsvereinbarungen Hilfspersonen des gesamten Betriebsrats. Sie haben die Informationen des Betriebsratsgremiums weiterzugeben und nicht einseitig einzelne Fraktionen im Betriebsrat zu unterstützen. Eine Begünstigung besteht auch unter Berücksichtigung der - teilweisen - Personenidentität von Kommunikationsbeauftragten und Vertrauensleuten der Mehrheitsgewerkschaft nicht. Die Betriebsvereinbarungen 1997 und 1998 zielen nicht darauf ab, das vereinbarte Zeitkontingent der Mehrheitskoalition zur Verfügung zu stellen. Das Zeitkontingent steht nur für die Tätigkeit der Kommunikationsbeauftragten zur Verfügung. Es darf nicht für Tätigkeiten als Mitglieder des Vertrauenskörpers der Mehrheitsgewerkschaft genutzt werden. Die Funktion als Mitglied des Vertrauenskörpers der Mehrheitsgewerkschaft und die Stellung als Kommunikationsbeauftragter sind voneinander zu trennen. Dass die Funktionen in der Vergangenheit gelegentlich unzulässigerweise vermischt wurden, begründet noch nicht die Annahme einer Wahlbeeinflussung durch die Bestellung von Kommunikationsbeauftragten entsprechend den Vorgaben in den Betriebsvereinbarungen 1997 und 1998. Sollten die Kommunikationsbeauftragten im Einzelfall dazu eingesetzt werden, der Mehrheitsfraktion unberechtigterweise Vorteile zu verschaffen, könnten die Minderheitsfraktionen hiergegen mit den gesetzlich vorgesehenen Mitteln vorgehen. Dies führte jedoch nicht zur Unzulässigkeit der Bestellung von Kommunikationsbeauftragten.
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ff) Schließlich ist die Bestellung von Kommunikationsbeauftragten auf der Grundlage der Betriebsvereinbarungen 1997 und 1998 nicht wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot in § 75 BetrVG unzulässig.
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(1) Nach § 75 Abs. 1 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen ua. wegen ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit unterbleibt. Die Vorschrift enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden (BAG 9. Dezember 2014 - 1 AZR 102/13 - Rn. 19).
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(2) Die Bestellung von Kommunikationsbeauftragten auf der Grundlage der Betriebsvereinbarungen 1997 und 1998 benachteiligt die Antragsteller nicht wegen ihrer gewerkschaftlichen Betätigung. Vielmehr hat der Betriebsrat als Gremium die Möglichkeit, im Rahmen des Zeitkontingents Kommunikationsbeauftragte für die Informationsvermittlung einzusetzen.
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II. Der in der Rechtsbeschwerdeinstanz erstmals gestellte Hilfsantrag ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Der Hilfsantrag ist zulässig.
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a) Die mit dem Hilfsantrag verbundene Antragsänderung ist zulässig.
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aa) Antragsänderungen sind in der Rechtsbeschwerdeinstanz wegen § 559 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht mehr möglich. Der Schluss der Anhörung in zweiter Instanz bildet nicht nur bezüglich des tatsächlichen Vorbringens, sondern auch bezüglich der Anträge der Beteiligten die Entscheidungsgrundlage für das Rechtsbeschwerdegericht (BAG 14. Dezember 2010 - 1 ABR 93/09 - Rn. 19, BAGE 136, 334). Hiervon hat das Bundesarbeitsgericht insbesondere aus prozessökonomischen Gründen Ausnahmen in den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO zugelassen, sowie dann, wenn sich der geänderte Sachantrag auf einen in der Beschwerdeinstanz festgestellten oder von den Beteiligten übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der anderen Beteiligten durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden(vgl. etwa BAG 22. Oktober 2014 - 5 AZR 731/12 - Rn. 36).
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bb) Danach durfte der Hilfsantrag ausnahmsweise noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz in das Verfahren eingeführt werden. Die Antragsteller haben bereits in den Vorinstanzen geltend gemacht, dass die Bestellung der Kommunikationsbeauftragten nach den Grundsätzen der Verhältniswahl und nicht im Wege und nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl durchzuführen sei, soweit sie grundsätzlich zulässig sei. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit dieser Frage auch befasst und die erforderlichen Feststellungen getroffen, so dass sich durch die Stellung des Hilfsantrags das Prüfprogramm nicht wesentlich geändert hat und die berechtigten Interessen der anderen Beteiligten nicht beeinträchtigt sind.
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b) Die Antragsteller sind antragsbefugt. Sie machen geltend, durch die Bestellung der Kommunikationsbeauftragten im Wege der Mehrheitswahl in ihren Rechten als Mitglieder der Minderheitenfraktion verletzt zu sein.
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c) Für den Antrag besteht auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, da die Beteiligten über das Verfahren bei der Bestellung der Kommunikationsbeauftragten streiten und der Betriebsrat die Kommunikationsbeauftragten im Wege der Mehrheitswahl bestellt.
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2. Der Hilfsantrag ist unbegründet. Die Bestellung der Kommunikationsbeauftragten ist nicht im Wege der Verhältniswahl vorzunehmen.
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a) Ein Erfordernis der Verhältniswahl ergibt sich nicht aus den Betriebsvereinbarungen 1997 und 1998. Danach benennt der Betriebsrat die Kommunikationsbeauftragten. Die Betriebsvereinbarungen 1997 und 1998 enthalten keine Regelung zum Bestellungsverfahren. Sie setzen vielmehr einen nach den gesetzlichen Vorschriften ergangenen Beschluss des Betriebsrats voraus.
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b) Für den Beschluss über die Bestellung der Kommunikationsbeauftragten gilt das Mehrheitsprinzip.
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aa) Der Betriebsrat trifft seine Entscheidungen nach § 33 Abs. 1 BetrVG grundsätzlich mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder, soweit im Betriebsverfassungsgesetz nichts anderes bestimmt ist(BAG 25. Mai 2005 - 7 ABR 10/04 - zu B II 3 a der Gründe). Dies gilt auch für die Bestellung der Kommunikationsbeauftragten. Mit deren Bestellung entscheidet der Betriebsrat über die Auswahl seiner Hilfspersonen. Bei dieser Beschlussfassung gilt das Mehrheitsprinzip. Eine analoge Anwendung der Vorschriften, die eine Verhältniswahl für die Wahl der Ausschussmitglieder und der freizustellenden Betriebsratsmitglieder vorsehen (§ 27 Abs. 1 Satz 3, §§ 28, 38 Abs. 2 BetrVG), kommt im Hinblick auf die geschlossene Systematik des BetrVG nicht in Betracht. Es fehlt bereits an einer für eine analoge Anwendung erforderlichen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat in den Fällen, in denen er die Beachtung der Verhältniswahl für geboten hält, dies ausdrücklich in die betreffende Norm aufgenommen. In den übrigen Fällen soll das Mehrheitsprinzip gelten. Der in den genannten Normen enthaltene Minderheitenschutz ist kein allgemeines Prinzip des BetrVG (BAG 21. Juli 2004 - 7 ABR 58/03 - zu B II 4 der Gründe, BAGE 111, 269; 11. Juni 1997 - 7 ABR 5/96 - zu B II 2 der Gründe). Außerdem ist die Interessenlage bei der Bestellung der Kommunikationsbeauftragten nicht vergleichbar mit der Interessenlage bei der Wahl der Ausschussmitglieder und der freizustellenden Betriebsratsmitglieder. Anders als bei der Wahl von Ausschussmitgliedern und freigestellten Betriebsratsmitgliedern geht es bei der Bestellung von Kommunikationsbeauftragten nicht um die Wahl von Repräsentanten der Arbeitnehmer zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben.
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bb) Allerdings hat der Betriebsrat bei der Bestellung der Kommunikationsbeauftragten den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG zu beachten. Danach haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von im Betrieb tätigen Personen ua. wegen ihrer gewerkschaftlichen Betätigung unterbleibt. Für die Auswahl der Kommunikationsbeauftragten darf es daher nicht maßgebend sein, ob ein Arbeitnehmer gewerkschaftlich tätig ist und welcher Gewerkschaft er angehört.
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Gräfl
Kiel
M. Rennpferdt
Busch
Donath
Tenor
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1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 14. September 2011 - 3 Sa 597/11 - wird zurückgewiesen.
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2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten, von der Klägerin die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer schon von dem ersten Tag der Erkrankung an zu verlangen.
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Die Klägerin ist bei der beklagten Rundfunkanstalt als Redakteurin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag des Westdeutschen Rundfunks Köln vom 8. August 1979 idF vom 15. September 2006 (fortan: MTV) Anwendung, der in § 9 Abs. 2 bestimmt:
-
„Erkrankt ein Arbeitnehmer, so muss spätestens am vierten Tag ein ärztliches Attest beigebracht werden. Der WDR ist berechtigt, ein Attest des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu verlangen; die hierdurch entstehenden Kosten trägt der WDR.“
- 3
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Die Klägerin hatte für den 30. November 2010 einen Dienstreiseantrag gestellt, dem ihr Vorgesetzter nicht entsprach. Eine nochmalige Anfrage der Klägerin wegen der Dienstreisegenehmigung am 29. November 2010 wurde abschlägig beschieden. Am 30. November 2010 meldete sich die Klägerin krank und erschien am Folgetag wieder zur Arbeit. Daraufhin forderte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 10. Dezember 2010 auf, „bei zukünftigen Krankheitsfällen schon am ersten Tag der Krankmeldung einen Arzt aufzusuchen und ein entsprechendes Attest zu liefern“.
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Mit der am 30. März 2011 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat sich die Klägerin gegen diese Anweisung gewandt und die Auffassung vertreten, das Verlangen der Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits ab dem ersten Tag der Erkrankung bedürfe einer sachlichen Rechtfertigung. Zudem stehe § 9 Abs. 2 MTV einem derartigen Verlangen entgegen. Überdies würde im Hause der Beklagten von § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG nur Gebrauch gemacht, wenn auffällige Fehlzeiten vorlägen (wie zB jede zweite Woche, immer am Montag oder Freitag, immer an Brückentagen, immer zu bestimmten disponierten Diensten oder sonstigen disponierten Terminen, bei Suchtkranken).
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, ihre gegen die Klägerin gerichtete Anweisung vom 10. Dezember 2010, im Falle einer Erkrankung bereits ab dem ersten Tag ein ärztliches Attest einzuholen und vorzulegen, zu widerrufen.
- 6
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, das Verlangen nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG bedürfe weder einer Begründung noch eines Missbrauchsverdachts. Unabhängig davon hätten hinreichende Zweifel an einer Arbeitsunfähigkeit der Klägerin am 30. November 2010 bestanden. Eine abschließende Regelung zur Handhabung des § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG bestehe ebenso wenig wie eine betriebliche Übung.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.
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I. Ob und unter welchen Voraussetzungen der Arbeitnehmer über die Feststellung hinaus, nicht zur Befolgung einer Weisung des Arbeitgebers verpflichtet zu sein, den Widerruf einer Weisung des Arbeitgebers im Sinne einer - wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat - Aufhebung der Maßnahme für die Zukunft verlangen kann, bedarf keiner abschließenden Entscheidung des Senats (zum Widerruf unzutreffender oder abwertender Äußerungen, vgl. BAG 27. November 1985 - 5 AZR 101/84 - BAGE 50, 202). Denn das in dem Schreiben der Beklagten vom 10. Dezember 2010 geäußerte Verlangen nach Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schon für und ab dem ersten Tag einer Erkrankung ist von § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG gedeckt und verstößt weder gegen § 9 Abs. 2 MTV noch gegen eine betriebliche Übung.
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1. Dauert eine Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG ist der Arbeitgeber jedoch berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Die Regelung eröffnet dem Arbeitgeber nicht nur das Recht der zeitlich früheren Anforderung, sondern daneben das Recht, den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung auch für Zeiten zu verlangen, die nicht länger als drei Tage andauern, zB auch für eine eintägige Arbeitsunfähigkeit (allgemeine Ansicht, vgl. nur BAG 1. Oktober 1997 - 5 AZR 726/96 - zu II 2 e aa der Gründe, BAGE 86, 357; 25. Januar 2000 - 1 ABR 3/99 - zu B I 2 b aa der Gründe, BAGE 93, 276; ErfK/Dörner/Reinhard 13. Aufl. § 5 EFZG Rn. 12; HWK/Schliemann 5. Aufl. § 5 EFZG Rn. 36 - jeweils mwN).
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a) Das Verlangen nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG bedarf weder einer Begründung noch eines sachlichen Grundes oder gar besonderer Verdachtsmomente auf Vortäuschung einer Erkrankung in der Vergangenheit(so auch die ganz überwiegende Meinung im Schrifttum, vgl. etwa ErfK/Dörner/Reinhard 13. Aufl. § 5 EFZG Rn. 12; HWK/Schliemann 5. Aufl. § 5 EFZG Rn. 36; Schaub/Linck Arbeitsrechts-Handbuch 14. Aufl. § 98 Rn. 121; Schmitt EFZG 7. Aufl. § 5 Rn. 72 - jeweils mwN). Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG, der keinerlei einschränkende Voraussetzungen nennt, und wird bestätigt durch die Entstehungsgeschichte der Norm. Während im ursprünglichen Entwurf der Vorschrift noch vorgesehen war, dass alle Arbeitnehmer ein ärztliches Attest bereits vom ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit an vorzulegen hätten (vgl. BT-Drucks. 12/5263 S. 4 und S. 13 f.), geht die Gesetz gewordene Fassung auf eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zurück. Die Änderung sollte einer möglichen Kostensteigerung bei den Krankenkassen entgegenwirken, zugleich aber der Arbeitgeber „in jedem Fall“ die Möglichkeit haben, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem ersten Tag zu verlangen (BT-Drucks. 12/5798 S. 26).
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Entgegen der Auffassung der Revision ist § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG auch keine Ausnahmevorschrift zu Satz 2. Dass letzterer anzuwenden ist, wenn der Arbeitgeber von seinem Recht aus § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG keinen Gebrauch gemacht hat, lässt weder rechtlich noch tatsächlich den Schluss auf ein Regel-Ausnahmeverhältnis zu(vgl. BAG 1. Oktober 1997 - 5 AZR 726/96 - zu II 2 c bb der Gründe, BAGE 86, 357).
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Die Voraussetzungslosigkeit des Verlangens nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG bestätigt auch § 275 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b iVm. Abs. 1a SGB V. Danach kann der Arbeitgeber verlangen, dass die Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme des medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt, allerdings nur „zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit“. Eine derartige einschränkende Voraussetzung fehlt in § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG(vgl. HWK/Schliemann 5. Aufl. § 5 EFZG Rn. 36).
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b) Die Ausübung des dem Arbeitgeber nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG eingeräumten Rechts steht im nicht gebundenen Ermessen des Arbeitgebers. Das ergibt sich aus dem Fehlen von Ausübungsvoraussetzungen in der Norm selbst und wird wiederum bestätigt durch die Entstehungsgeschichte. Soll der Arbeitgeber „in jedem Fall“ die Möglichkeit haben, eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit ab dem ersten Tag der Erkrankung zu verlangen (Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks. 12/5798 S. 26; vgl. dazu auch BAG 25. Januar 2000 - 1 ABR 3/99 - zu B I 2 b dd (2) der Gründe, BAGE 93, 276; 1. Oktober 1997 - 5 AZR 726/96 - zu II 2 d der Gründe, BAGE 86, 357), verbietet es sich, das Verlangen des Arbeitgebers einer Billigkeitskontrolle zu unterwerfen (so aber HWK/Schliemann 5. Aufl. § 5 EFZG Rn. 36; Treber EFZG 2. Aufl. § 5 Rn. 36; Staudinger/Oetker BGB Bearbeitung 2002 § 616 Rn. 316; P. Feichtinger in Feichtinger/Malkmus 2. Aufl. § 5 EFZG Rn. 43, 45; Vogelsang EFZG Rn. 300; DFL/Vossen 5. Aufl. § 5 EFZG Rn. 13; Schoof in Kittner/Zwanziger/Deinert Arbeitsrecht 6. Aufl. § 39 Rn. 236; im Ergebnis wie hier ErfK/Dörner/Reinhard 13. Aufl. § 5 EFZG Rn. 12; Schaub/Linck Arbeitsrechts-Handbuch 14. Aufl. § 98 Rn. 121; AnwK-ArbR/Sievers 2. Aufl. § 5 EFZG Rn. 27). Anderenfalls wäre der Arbeitgeber für seine Maßnahme entgegen § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG einem Begründungszwang ausgesetzt.
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c) Ihre Grenze findet das Verlangen nach einer Vorlage der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schon ab dem ersten Tag einer Erkrankung an den allgemeinen Schranken jeder Rechtsausübung, insbesondere darf das Verlangen nicht schikanös oder willkürlich sein und weder gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen Diskriminierungsverbote verstoßen (vgl. Schmitt EFZG 7. Aufl. § 5 Rn. 87 mwN).
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aa) Die Anweisung der Beklagten vom 10. Dezember 2010 erfolgte nicht ohne jeden Anlass. Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der (nochmaligen) Ablehnung einer Dienstreise für den 30. November 2010 und der plötzlichen Erkrankung der Klägerin just an diesem Tag schließt Schikane oder Willkür aus, zumal die Klägerin die näheren Umstände der eintägigen Erkrankung nicht erläutert hat.
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bb) Der Vortrag der Klägerin rechtfertigt nicht die Annahme, die Beklagte habe gegen den gewohnheitsrechtlich anerkannten arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, der die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage verbietet, verstoßen. Die Klägerin hat keinen dem ihren vergleichbaren „Fall“ benannt, den die Beklagte anders als bei der Klägerin nicht zum Anlass genommen habe, von ihrem Recht aus § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG Gebrauch zu machen. Anhaltspunkte für eine Diskriminierung etwa wegen ihres Geschlechts oder ihres Alters hat die Klägerin nicht vorgebracht.
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2. § 9 Abs. 2 MTV schließt das Recht der Beklagten aus § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG nicht aus.
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a) Durch Tarifvertrag kann zugunsten des Arbeitnehmers eine von § 5 EFZG abweichende Regelung der Anzeige- und Nachweispflichten bei Arbeitsunfähigkeit getroffen werden, § 12 EFZG. Eine solche Abweichung bedarf aber einer klaren Regelung (vgl. BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 53/09 - Rn. 12, BAGE 133, 101).
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b) Dieser Anforderung genügt § 9 Abs. 2 MTV nicht.
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§ 9 Abs. 2 Satz 1 MTV entspricht in der Fassung vom 15. September 2006 der Ursprungsfassung vom 8. August 1979, die identisch ist mit der Fassung vom 15. Dezember 1969, die wiederum wörtlich zurückgeht auf § 20 Abs. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags des Nordwestdeutschen Rundfunks - dem Rechtsvorgänger der Beklagten - vom 9. Oktober 1954. Die Regelung zur Beibringung eines ärztlichen Attests besteht bei der Beklagten mithin seit diesem Zeitpunkt inhaltlich unverändert. Hätte durch Tarifvertrag eine abweichende Regelung zum Recht des Arbeitgebers aus dem weitaus später in Kraft getretenen § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG getroffen werden sollen, hätten die Tarifvertragsparteien auf die veränderte Gesetzeslage reagieren und eine ausdrückliche, das Verlangen des Arbeitgebers auf eine frühere Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausschließende Regelung treffen müssen. Das bloße „Schweigen“ des Tarifvertrags genügt hierfür nicht.
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3. Die Beklagte hat sich bei der Ausübung ihres Rechts aus § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG nicht durch eine betriebliche Übung gebunden.
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a) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, dass von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung über das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte (BAG 17. März 2010 - 5 AZR 317/09 - Rn. 20 mwN, BAGE 133, 337).
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b) Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Selbstbeschränkung des Arbeitgebers bei der Ausübung des Rechts aus § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG überhaupt einer betrieblichen Übung dergestalt zugänglich ist, dass sich der Arbeitgeber auf Dauer bindet und den Arbeitnehmern ein Anspruch erwächst, nicht bzw. nur in bestimmten Fallkonstellationen einer Verpflichtung nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG unterworfen zu werden. Denn die für das Bestehen einer ihr günstigen betrieblichen Übung darlegungspflichtige Klägerin (vgl. zur Darlegungslast BAG 29. August 2012 - 10 AZR 571/11 - Rn. 20, NZA 2013, 40) hat keine Mitteilung oder sonstige Verhaltensweise der Beklagten an bzw. gegenüber der Belegschaft vorgetragen, aus der die Beschäftigten nach Treu und Glauben schließen durften, die Beklagte wolle von dem Recht aus § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG nur unter bestimmten Voraussetzungen Gebrauch machen. Aus den vom Betriebsarzt der Klägerin beispielhaft mitgeteilten „Anlassfällen“ ergibt sich eine entsprechende Verlautbarung der Beklagten an die Belegschaft jedenfalls nicht.
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II. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
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Müller-Glöge
Biebl
Klose
Feldmeier
Reinders
(1) Die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekannt geworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten. Dies gilt auch nach dem Ausscheiden aus dem Betriebsrat. Die Verpflichtung gilt nicht gegenüber Mitgliedern des Betriebsrats. Sie gilt ferner nicht gegenüber dem Gesamtbetriebsrat, dem Konzernbetriebsrat, der Bordvertretung, dem Seebetriebsrat und den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat sowie im Verfahren vor der Einigungsstelle, der tariflichen Schlichtungsstelle (§ 76 Abs. 8) oder einer betrieblichen Beschwerdestelle (§ 86).
(2) Absatz 1 gilt sinngemäß für die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Gesamtbetriebsrats, des Konzernbetriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung, des Wirtschaftsausschusses, der Bordvertretung, des Seebetriebsrats, der gemäß § 3 Abs. 1 gebildeten Vertretungen der Arbeitnehmer, der Einigungsstelle, der tariflichen Schlichtungsstelle (§ 76 Abs. 8) und einer betrieblichen Beschwerdestelle (§ 86) sowie für die Vertreter von Gewerkschaften oder von Arbeitgebervereinigungen.