Landesarbeitsgericht Hamburg Beschluss, 20. Feb. 2014 - 1 TaBV 4/13

bei uns veröffentlicht am20.02.2014

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 10. April 2013, 20 BV 15/12, abgeändert und festgestellt,

dass der Einigungsstellenspruch „Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement“ vom 20. September 2012

unwirksam ist.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin verlangt die Feststellung, dass die Entscheidung einer Einigungsstelle zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (im Folgenden: BEM) unwirksam ist.

2

Die antragstellende Arbeitgeberin ist ein Logistikunternehmen, das in ihrem Betrieb in Hamburg-1 mehr als 1.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt. Der Beteiligte zu 2 ist der dort gebildete Betriebsrat.

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Forderungen des Betriebsrats zu Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung zum Thema BEM lehnte die Antragstellerin ab, weil ihrer Meinung nach der Betriebsrat kein Initiativrecht zur Einführung von generellen Regelungen zum BEM hat. Die Beteiligten einigten sich auf eine Einigungsstelle zu diesem Thema, wobei die Antragstellerin ihren Standpunkt aufrechterhielt.

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Zur ersten Sitzung der Einigungsstelle am 21. Februar 2012 legte der Betriebsrat den Entwurf einer Betriebsvereinbarung (Anlage AG 3 zur Antragsschrift, Bl. 55 ff d. A.) vor, über den in der Folgezeit verhandelt wurde, u.a. in einer Sitzung am 29. März 2012 (vgl. Protokoll der Einigungsstellensitzung vom 29. März 2012, Anlage AG 5 zur Antragsschrift, Bl. 73 ff d. A.). In dieser Sitzung vertrat die Antragstellerin erneut die Auffassung, dass nur sie die Entscheidungskompetenz über die BEM-Maßnahmen habe. In einem neuen Entwurf des Betriebsrats (Anlage AG 6 zur Antragsschrift, Bl. 78 ff d. A.) war nicht mehr die Regelung enthalten, dass ein in der Betriebsvereinbarung vorgesehenes „Integrationsteam“ über die Durchführung der BEM-Maßnahmen entscheiden solle. In einer Sitzung der Einigungsstelle am 18. Mai 2012 vereinbarten die Beteiligten, die noch streitigen Punkte intern weiter erörtern zu wollen. Ein neuer Termin für die Fortsetzung der Einigungsstelle wurde auf den 25. September 2012 festgelegt. Am Freitag, dem 21. September 2012, übermittelte der Betriebsrat um 19:19 Uhr der Arbeitgeberin einen neuen Entwurf der Betriebsvereinbarung (Anlage AG 8 zur Antragsschrift, Bl. 89 ff d. A.). Dieser Entwurf enthält unter § 3.4 folgende Regelung:

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„Vorschlagsrecht

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Über die Maßnahmen des BEM entscheidet der Arbeitgeber. Das Integrationsteam unterbreitet dem Arbeitgeber Vorschläge für Maßnahmen des BEM. Kommt das Integrationsteam nicht zu einvernehmlichen Vorschlägen zu Maßnahmen des BEM, hat jede Betriebspartei das Recht, dem Arbeitgeber Vorschläge zu Maßnahmen des BEM zu unterbreiten.

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Sofern von Vertretern des Integrationsteams arbeitsplatzbezogene Maßnahmen im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagement vorgeschlagen werden, ist die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich. Kommt keine Einigung zwischen den Betriebsparteien zustande, entscheidet über diese einzelne Maßnahme die E-Stelle nach §§ 87 Abs. 1 Nr. 7, 87 Abs. 2, 76 BetrVG.“

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Der anwaltliche Berater der Antragstellerin hatte keine Gelegenheit, vor der Einigungsstellensitzung mit der Antragstellerin über diese Regelung zu beraten.

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In der Sitzung der Einigungsstelle am 25. September 2012 von 10:00 Uhr bis 16:30 Uhr verhandelten die Beteiligten u.a. über den zweiten Absatz von § 3.4 des neuen Betriebsvereinbarungsentwurfs (Anlage AG 8, Bl. 89 bis 93 d. A.). Nach einer Unterbrechung der Sitzung beantragte die Antragstellerin wegen der Neufassung des § 3.4 die Vertagung der Einigungsstelle. Diesen Antrag lehnte die Einigungsstelle in einer Abstimmung mit der Stimme des Vorsitzenden ab. Einen weiteren Antrag der Arbeitgeberin, die Einigungsstelle möge sich für unzuständig erklären, lehnte die Einigungsstelle in zweiter Abstimmungsrunde ebenfalls mit der Stimme des Vorsitzenden ab. Nach einer Unterbrechung der Sitzung stellte die Arbeitgeberin einen von ihr erstellten Entwurf einer Betriebsvereinbarung (Anlage 1 zum Protokoll der Einigungsstellensitzung vom 25. September 2012 in Anlage AG 2 zur Antragsschrift, Bl 39 ff d.A.) zur Abstimmung. Die Einigungsstelle wies diesen Antrag in zweiter Abstimmungsrunde mit der Stimme des Vorsitzenden ab. Sodann stimmte die Einigungsstelle über einen vom Betriebsrat erstellten Entwurf einer Betriebsvereinbarung (Anlage 2 zum Protokoll der Einigungsstellensitzung vom 25. September 2012 in der Anlage AG 2 zur Antragsschrift, Bl. 46 ff d. A.) ab. Diesen Antrag nahm die Einigungsstelle in zweiter Abstimmungsrunde mit der Stimme des Vorsitzenden an. Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Sitzung und des Abstimmungsverfahrens im Einzelnen wird auf das Sitzungsprotokoll vom 25. September 2012 (Anlage AG 2 zur Antragsschrift, Bl. 35 ff d.A.), hinsichtlich des Inhalts der Entscheidung im Einzelnen (im Folgenden: BV BEM) auf die Anlage AG 1 zur Antragsschrift (Bl. 29 ff d. A.) verwiesen.

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Die Entscheidung der Einigungsstelle nebst schriftlicher Begründung wurde der Antragstellerin (Anlage AG 1 zur Antragsschrift, Bl. 20 ff d. A.) am 5. Oktober 2012 über ihren anwaltlichen Vertreter zugestellt.

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Per Fax am 19. Oktober 2012 und per Post am 25. Oktober 2012 ging beim Arbeitsgericht Hamburg ein Antrag der Arbeitgeberin auf Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs ein.

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In dem Verfahren 27 BV 7/13 Arbeitsgericht Hamburg verlangte der Betriebsrat die Einsetzung einer Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand „Arbeitsplatzbezogene Maßnahmen im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX für den Arbeitnehmer R.O“. Dieser Antrag wurde vom Arbeitsgericht durch Beschluss vom 22. März 2013 zurückgewiesen. Eine dagegen vom Betriebsrat eingelegte Beschwerde wurde dadurch erledigt, dass die Beteiligten sich auf eine Maßnahme für den betroffenen Beschäftigten einigten.

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Im Betrieb ist eine Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand „Gefährdungsbeurteilungen“ gebildet worden.

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Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, der Spruch der Einigungsstelle sei unwirksam. Die Einigungsstelle sei nicht zuständig gewesen und habe im Übrigen das ihr zustehende Ermessen überschritten. Dem Betriebsrat stehe für generalisierende Regelungen des BEM kein Initiativrecht zu. Außerdem werde mit dem in § 3 vorgesehenen Integrationsteam ein Gremium geschaffen, das vom Gesetz nicht vorgesehen sei. Das Gesetz lege aber abschließend fest, wer am BEM zu beteiligen sei. Die in § 3.2 des Spruchs vorgesehenen Aufgaben des Integrationsteams hätten mit der gesetzlichen Funktion des BEM nichts zu tun. Ferner habe die Einigungsstelle durch die Regelung in § 3.4, 2. Absatz, ihre Zuständigkeit überschritten. Diese Regelung sei schon unklar, weil nicht verständlich sei, was „arbeitsplatzbezogene Maßnahmen“ seien. Nicht ausreichend sei die Erklärung, dass dieser Begriff in Abgrenzung zu verhaltens- oder personenbedingten Maßnahmen zu verstehen sei. Ferner ergebe sich das Erfordernis eines kollektiven Bezuges nicht aus der Entscheidung der Einigungsstelle. Nicht hinreichend klar sei auch, wozu die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich sei, zu dem Vorschlag der arbeitsplatzbezogenen Maßnahme oder zu deren Festlegung. Die Umgestaltung des Arbeitsplatzes sei nicht Bestandteil des BEM, sondern der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG. Das Mitbestimmungsrecht bei der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen sei durch die dazu gebildete Einigungsstelle verbraucht. Schließlich ermögliche der Spruch der Einigungsstelle kein BEM ohne Beteiligung des Betriebsrats, das nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung möglich sein müsse.

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Die Entscheidung der Einigungsstelle sei zudem ermessensfehlerhaft, weil der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt sei. Die Antragstellerin habe keine ausreichende Gelegenheit gehabt, auf die überraschende Änderung des § 3.4 BV BEM Stellung zu nehmen. Die unklare Regelung sei vom Betriebsrat erst in der Sitzung der Einigungsstelle erläutert worden. Auch sei die in § 2.1 BV BEM vorgesehene Unterrichtungspflicht aller Beschäftigten gesetzlich nicht vorgesehen. Sie sei wegen der damit entstehenden Kosten unverhältnismäßig. Ferner seien die in § 3.2 BV BEM enthaltenen Aufgaben wegen der Kosten und des Zeitaufwands unverhältnismäßig. Das gelte auch für die Verpflichtung zur Erstellung eines Tätigkeitsberichts. Schließlich hätte die Einigungsstelle in der Anlage 2 der BV BEM eine zeitliche Begrenzung für die Rückantwort des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin vorsehen müssen.

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Die Antragstellerin hat beantragt,

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festzustellen, dass der Einigungsstellenspruch „Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement“ für das Distribution-Center der Arbeitgeberin in Hamburg-1 vom 25. September 2012 unwirksam ist.

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Der Beteiligte zu 2 hat beantragt,

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den Antrag zurückzuweisen.

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Er hat die Auffassung vertreten, dass die Entscheidung der Einigungsstelle wirksam sei.

21

Das Arbeitsgericht Hamburg hat den Antrag der Antragstellerin durch Beschluss vom 10. April 2013 zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten des Beschlusses wird auf die 162 ff d.A. verwiesen. Gegen diesen Beschluss, der der Antragstellerin am 24. April 2013 zugestellt worden ist, hat sie mit Schriftsatz vom 17. Mai 2013, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tage, Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz vom 24. Juni 2013, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tage, hat die Antragstellerin die Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung um einen Monat beantragt. Das Landesarbeitsgericht hat die Frist durch Beschluss vom 25. Juni 2013 bis zum 24. Juli 2013 verlängert. Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2013, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tage, hat die Antragstellerin die Beschwerde begründet.

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Die Antragstellerin hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für unrichtig. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass der Betriebsrat ein Initiativrecht für Regelungen zum BEM habe. Die für den Betriebsrat in § 87 Abs. 2 Satz 7 SGB IX vorgesehene Überwachungsaufgabe sei nur sinnvoll, wenn dadurch zusätzlich andere Initiativrechte aufgeschlossen würden. Im Übrigen erfordere der Gesetzeszweck des BEM, eine Formalisierung zu vermeiden. Ein Initiativrecht fördere aber generelle und damit formalisierte Verfahren. Die Einigungsstelle sei nicht berechtigt gewesen, ein Integrationsteam zu installieren, weil das Gesetz abschließend festlege, wer beim BEM zu beteiligen sei. Ein Gestaltungsspielraum für Regelungen mit dem Betriebsrat sei nicht gegeben. Rechtlich unzulässig sei ferner, dass der Spruch vorsähe, dass das Integrationsteam das Erstgespräch führe. Auf Wunsch des oder der Beschäftigten müsse ein BEM-Gespräch auch ohne Beteiligung des Betriebsrats möglich sein. Soweit das Arbeitsgericht angenommen habe, dass ein BEM-Gespräch ohne Beteiligung des Betriebsrats nicht verboten, nur nicht von der Betriebsvereinbarung geregelt sei, könne dem nicht gefolgt werden. Eine solche Auslegung sei lebensfremd und widerspreche der Entstehungsgeschichte der Regelung. Der Betriebsrat habe in den Verhandlungen ausdrücklich erklärt, dass die Durchführung eines BEM nicht von einem Wahlrecht des Arbeitnehmers abhängig gemacht werden dürfe, ob eine Beteiligung des Betriebsrats gewünscht werde. Die Betriebsvereinbarung hätte mindestens einen Hinweis darauf enthalten müssen, dass ein BEM auch ohne Beteiligung des Betriebsrats gewünscht werden könne. Die Anlage 1 zur Betriebsvereinbarung unterrichtet die Beschäftigten gerade darüber, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, zusammen mit dem Betriebsrat Möglichkeiten zur Überwindung der Arbeitsunfähigkeit und Vorbeugung weiterer Arbeitsunfähigkeit zu suchen. Danach bestehe die Möglichkeit eines BEM ohne Beteiligung des Betriebsrats gerade nicht. Ferner habe die Einigungsstelle keine Aufgaben des Integrationsteams definieren dürfen, die über die gesetzliche Regelung hinausgingen, insbesondere nicht vorsehen dürfen, dass das Integrationsteam alle Informationen aus Begehungen und Untersuchungen der Arbeitsplätze sowie die Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen habe und eine jährliche Dokumentation erstellen müsse. Schließlich überschreite es die Regelungszuständigkeit der Einigungsstelle, für arbeitsplatzbezogene Maßnahmen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats vorzusehen. Es sei schon nicht klar, wie der Begriff der arbeitsplatzbezogenen Maßnahmen zu verstehen sei. Die Annahme des Arbeitsgerichts, dass es sich um eine Abgrenzung zu verhaltens- und personenbedingten Maßnahmen ohne kollektiven Bezug handele und aufgrund der Vielschichtigkeit der Lebenssachverhalte eine genauere Bezeichnung nicht möglich sei, sei nicht überzeugend. Schon die Benutzung des Begriffs „arbeitsplatzbezogene Maßnahme mit kollektiven Bezug“ wäre genauer gewesen. Ersichtlich sei auch nicht, um die Zustimmung des Betriebsrats zu dem Vorschlag einer Maßnahme oder der Maßnahme selbst erforderlich sei. Das Verfahren 27 BV 7/13 zeige, dass der Betriebsrat selbst nicht wisse, was „arbeitsplatzbezogene Maßnahmen“ seien. Für vom Arbeitsplatz ausgehende Gefahren gelte das Verfahren der Gefährdungsbeurteilung, nicht des BEM. Schließlich habe das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass der Antragstellerin von der Einigungsstelle nicht in ausreichender Weise rechtliches Gehör gewährt worden sein. Da es sich bei § 3.4 um eine rechtlich komplizierte und unverständliche Regelung handele, hätte die Antragstellerin mehr Zeit benötigt, um dazu Stellung nehmen zu können. Unverhältnismäßig sei, dass die Antragstellerin allen Beschäftigten eine Information zu BEM aushändigen müsse, weil dadurch mehr als die erforderlichen Kosten entstünden. Eine Unterrichtung aller Beschäftigten sei im Gesetz nicht vorgesehen. Schließlich sei es ermessensfehlerhaft, wenn die Betriebsvereinbarung keine Frist für eine Rückäußerung des oder der Beschäftigten vorsehe. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts reiche es nicht aus, dass in dem als Anlage zur Betriebsvereinbarung vorgesehenen formularmäßigen Antwortschreiben vorgesehen ist, dass sich der oder die Beschäftigte spätestens innerhalb von drei Monaten melden werde. Es sei schon gar nicht klar, dass der oder die Beschäftigte diese Frist in der Anlage wahrnehme. Außerdem sei die Frist nur für den Fall vorgesehen, dass dem oder der Beschäftigten noch nicht klar sei, ob er ein BEM durchführen wolle.

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Die Antragstellerin beantragt,

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den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 10. April 2013, Az. 20 BV 15/12, abzuändern und festzustellen, dass der Einigungsstellenspruch „Regelung betriebliches Eingliederungsmanagement“ für das Distribution Center der Arbeitgeberin Hamburg 1 vom 20. September 2012 unwirksam ist.

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Der Betriebsrat beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Er hält den Beschluss des Arbeitsgerichts für zutreffend. Es schade nicht, dass die Betriebsvereinbarung die anlassbezogene Zusammenkunft der Beteiligten am BEM als Integrationsteam bezeichne. Der gesetzliche Rahmen werde dadurch nicht verlassen. Weil das Gesetz nicht vorgäbe, wie Arbeitgeberin und Betriebsrat repräsentiert seien, bestehe ein Regelungsspielraum für die Betriebsparteien. Wenn selbst das Gesetz nicht erkennen lasse, dass ein BEM ohne Beteiligung der betrieblichen Interessenvertretung möglich sei, könne eine Betriebsvereinbarung, aus der sich dieses nicht ausdrücklich ergäbe, deshalb nicht unwirksam sein. „Arbeitsplatzbezogene Maßnahmen“ sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Verwendung nicht unzulässig sei. Etwaige Streitigkeiten über seinen Inhalt seien nicht weniger ausgeschlossen als bei einem anderen Begriff.

II.

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Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

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1) Gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG ist die Beschwerde statthaft. Sie ist im Sinne der §§ 87 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

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2) Die Beschwerde ist begründet, weil der Antrag der Antragstellerin zulässig und begründet ist.

31

a) Der Feststellungsantrag ist nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Der Antrag ist auf das Nichtbestehen eines betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen der Antragstellerin und dem Betriebsrat gerichtet, weil die Arbeitgeberin festgestellt haben möchte, dass für sie durch den Spruch der Einigungsstelle keine Rechte und Pflichten begründet worden sind. Dafür ist das Feststellungsbegehren die richtige Antragsart. Eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle hat feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung (BAG, Beschluss vom 8. Juni 2004, 1 ABR 4/03, Rn 14). Das erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. Im Verfahren nach § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG geht es um Rechtskontrolle. Es ist darüber zu befinden, ob ein Spruch der Einigungsstelle wirksam ist. An der Klärung dieser Frage haben Arbeitgeberin und Betriebsrat ein rechtliches Interesse unabhängig davon, ob sie selbst durch die betreffende Regelung beschwert sind oder nicht (BAG, Beschluss vom 8. Juni 2004, 1 ABR 4/03, Rn 15).

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b) Der Antrag ist begründet. Die Entscheidung der Einigungsstelle vom 25. September 2012 ist insgesamt unwirksam.

33

Die gerichtliche Überprüfung des Spruchs ist erforderlich, weil die Arbeitgeberin binnen der zweiwöchigen Ausschlussfrist beim Arbeitsgericht die Unwirksamkeit des Spruchs geltend gemacht hat. Der schriftlich abgefasste Spruch vom 25. September 2012 ist ihr am 05. Oktober 2012 zugestellt worden; ihr Antrag, gerichtet auf Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs, ist am 19. Oktober 2012 beim Arbeitsgericht eingegangen.

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aa) Es gelten folgende Grundsätze: Hat der Spruch einer Einigungsstelle eine Regelungsfrage zum Gegenstand, unterliegt er zum einen einer umfassenden und zeitlich unbefristeten Rechtskontrolle. Die von der Einigungsstelle zu beachtenden wesentlichen Verfahrensvorschriften und die Vereinbarkeit der Entscheidung mit höherrangigem Recht ist zu überprüfen. Die Rechtskontrolle umfasst darüber hinaus die Prüfung, ob sich die Einigungsstelle bei ihrer Entscheidung im Rahmen ihrer Zuständigkeit gehalten hat. Verkennt die Einigungsstelle die Grenzen eines Mitbestimmungsrechts oder geht sie zu Unrecht vom Bestehen eines Mitbestimmungsrechts aus, hat dies die Unwirksamkeit des Spruchs zur Folge (Fitting, § 76 Rn. 151). Ferner unterliegt die Entscheidung der Einigungsstelle einer Überprüfung des ausgeübten Ermessens. Maßgeblich ist, ob die Einigungsstelle die Grenzen des ihr zustehenden Ermessens überschritten hat. Eine unzulässige Ermessenausübung liegt etwa vor, wenn die Einigungsstelle von sachfremden Erwägungen ausgeht oder den ihr zustehenden Regelungsspielraum verkannt hat. Ferner liegt eine Ermessensüberschreitung vor, wenn die Einigungsstelle die Belange des Betriebs oder der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überhaupt nicht berücksichtigt hat (Fitting, § 76 Rn 152 ff). Eine solche Rechtswidrigkeit des Spruchs der Einigungsstelle wegen Ermessensfehlers muss mit einer Anfechtung geltend gemacht werden, die innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Spruches beim Arbeitsgericht eingegangen ist.

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Keine vollständige, sondern nur eine teilweise Unwirksamkeit der Entscheidung der Einigungsstelle soll gegeben sein, wenn die restliche Regelung noch ein sinnvolles Ganzes darstellt (Fitting, § 76 Rn 160).

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bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung der Einigungsstelle unwirksam.

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aaa) § 2 Ziffer 2.1 der Betriebsvereinbarung ist unwirksam. Mit dem Mitbestimmungsecht des Betriebsrats kann nicht die Verpflichtung der Arbeitgeberin erzwungen werden, alle gegenwärtigen und zukünftigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über das BEM-Verfahren zu unterrichten.

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Bei der Ausgestaltung des BEM ist für jede einzelne Regelung zu prüfen, ob ein Mitbestimmungsrecht besteht. Ein solches kann sich bei allgemeinen Verfahrensfragen aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, in Bezug auf die Nutzung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und hinsichtlich der Ausgestaltung des Gesundheitsschutzes aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ergeben, denn § 84 Abs. 2 SGB IX ist eine Rahmenvorschrift im Sinne dieser Vorschrift. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats setzt ein, wenn für den Arbeitgeber eine gesetzliche Handlungspflicht besteht und wegen des Fehlens zwingender Vorgaben betriebliche Regelungen erforderlich sind, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen (BAG, Beschluss vom 13. März 2012, 1 ABR 78/10, Rn 12).

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Von diesen Mitbestimmungsrechten ist die Verpflichtung der Arbeitgeberin, alle Beschäftigten über das BEM-Verfahren zu unterrichten, nicht umfasst. Unter Ordnung des Betriebs und Verhalten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Betrieb sind die Regelungsbefugnisse erfasst, mit denen die Arbeitgeberin aufgrund ihres Organisations- und arbeitsvertraglichen Direktionsrechts das Miteinander der Beschäftigten im Betrieb regelt (Fitting, BetrVG, § 87 Rn 63). Darum geht es bei der Verpflichtung der Arbeitgeberin, die Beschäftigten mit einem bestimmten Inhalt über ein bestimmtes Thema zu unterrichten, aber nicht. Es wird damit keine Regelung zum betrieblichen Miteinander getroffen, sondern der Arbeitgeberin allein eine Handlungspflicht auferlegt, die nicht das Verhalten der Beschäftigten im Betrieb betrifft.

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Anhaltspunkte dafür, dass das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Ziffer 6 BetrVG die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Information abdecken könnte, sind nicht gegeben. Es geht um eine standardisierte Unterrichtung über das BEM, die keinen besonderen Bezug zum Beschäftigtendatenschutz aufweist.

41

Schließlich handelt es sich bei der Verpflichtung zur Information der Beschäftigten nicht um die Ausgestaltung des Gesundheitsschutzes nach § 87 Abs. 1 Ziffer 7 BetrVG. Eine Rahmenregelung, die die Arbeitgeberin verpflichtete, die bei ihr Beschäftigten über das BEM-Verfahren zu unterrichten, gibt es nicht. Demgemäß kann es sich bei der Verpflichtung, alle gegenwärtigen und zukünftigen Beschäftigten zu einem bestimmten Zeitpunkt und mit einem bestimmten Inhalt über das BEM zu unterrichten, nicht um Ausgestaltung des Gesundheitsschutzes handeln.

42

bbb) Die Regelung des Integrationsteams in § 3 der Betriebsvereinbarung ist unwirksam. Es gibt kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, mit dem erzwungen werden kann, dass die Aufgaben des BEM einem festen, auf Dauer gebildeten Gremium übertragen werden.

43

Nach der Betriebsvereinbarung handelt es sich bei dem Integrationsteam um ein festes auf Dauer gebildetes Gremium. Dieses folgt daraus, dass § 3 Ziffer 3.1 der Betriebsvereinbarung vorsieht, dass Arbeitgeberin und Betriebsrat je einen Vertreter und mindestens zwei Stellvertreter für den Verhinderungsfall bestimmen. Einer solchen Regelung bedürfte es nicht, wenn Betriebsrat und Arbeitgeberin die Zuständigen für die Durchführung nur eines BEM festlegen wollten. Insbesondere bedürfte es dann nicht der Festlegung, dass jede Seite mindestens zwei Stellvertreterinnen oder Stellvertreter zu bestellen hat. Dass es sich bei dem Integrationsteam um ein Dauergremium handeln soll, folgt weiter aus § 3 Ziffer 3.2 vorsieht, dass sich das Integrationsteam anlassbezogen zusammensetzt. Einer solchen Regelung bedürfte es nicht, wenn für jedes BEM ein neues Integrationsteam gebildet werden sollte. Durch die Bildung des Integrationsteams für den Einzelfall wäre dann nämlich klar, dass es gerade nur um das betroffene BEM geht. Schließlich ergibt sich zwingend aus § 3 Ziffer 3.3 der Betriebsvereinbarung, dass das Integrationsteam ein auf Dauer gebildetes festes Gremium sein soll. Nur dann kann nämlich ein jährlicher Tätigkeitsbericht erstellt werden, wenn das Integrationsteam unabhängig vom einzelnen BEM besteht und in der Lage ist, über die jährliche Arbeit mit den dort genannten Inhalten zu berichten.

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Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats umfasst nicht die Bildung eines derartigen Dauergremiums. Mit der Regelung der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des § 87 Abs. 1 Ziffer 1 BetrVG hat dieses nichts zu tun. Ebenfalls handelt es sich dabei nicht um eine dem Arbeitnehmerdatenschutz nach § 87 Abs. 1 Ziffer 6 BetrVG unterfallende Maßnahme. Schließlich geht es dabei auch nicht um die Ausfüllung einer dem Gesundheitsschutz dienenden Rahmenregelung im Sinne des § 87 Abs. 1 Ziffer 7 BetrVG. Zwar handelt es sich bei § 84 Abs. 2 SGB IX um eine Rahmenregelung im Sinne des § 87 Abs. 1 Ziffer 7 BetrVG. Der dadurch geschaffene Rahmen beinhaltet aber nicht, dass die Pflichten der Arbeitgeberin zum Zusammenwirken mit der betrieblichen Interessenvertretung nach § 84 Abs. 2 SGB IX einem gesonderten Gremium zur jedenfalls teilweisen Erledigung übertragen werden können. Dieses geschieht nach der Betriebsvereinbarung in Bezug auf die Gespräche mit den betroffenen Beschäftigten, die Sammlung der Informationen und die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ihren möglichen Bezug zum Arbeitsplatz, die Beratung über zu ergreifende Maßnahmen, die Beschlussfassung über Vorschläge für BEM-Maßnahmen, die Durchführung von BEM-Maßnahmen, die Überprüfung ihrer Wirksamkeit und Qualität, die Begleitung der Beschäftigten bei einer stufenweisen Wiedereingliederung und die Erstellung der jährlichen BEM-Dokumentation. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Ziffer 7 BetrVG reicht nicht so weit, dass es die Installation eines derartigen Gremiums ermöglichte. § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX sieht nicht vor, dass die Arbeitgeberin und die zuständige Interessenvertretung (und ggf. die Schwerbehindertenvertretung) gemeinsam klären, wie die Arbeitsunfähigkeit eines oder einer Beschäftigten überwunden und weitere Arbeitsunfähigkeit vermieden werden können. Vielmehr ist dort vorgesehen, dass die Arbeitgeberin mit der zuständigen Interessenvertretung (und ggf. der Schwerbehindertenvertretung) solche Möglichkeiten klärt. Es handelt sich mithin nicht um eine gemeinsame Aufgabe von Arbeitgeberin und Interessenvertretung, für die diese gemeinsam zuständig wären, sondern um eine originäre Aufgabe der Arbeitgeberin, bei deren Erledigung die Interessenvertretung zu beteiligen ist. Diese gesetzliche Aufgabenzuweisung wird durch die Regelungen der Betriebsvereinbarung zum Integrationsteam verändert. Nicht mehr die Arbeitgeberin ist zuständig, sondern eine gemeinsame Einheit, die von ihr und dem Betriebsrat zu bilden ist. Das ist eine Verschiebung nicht nur von Aufgaben, sondern auch von Verantwortlichkeit, die dem gesetzlichen Regelungszweck nicht entspricht. Dieser weist der Arbeitgeberin Aufgabe und Verantwortlichkeit zu, weil sie sowohl die Organisation und Ausstattung des Betriebs bestimmt und zugleich Arbeitsvertragspartnerin des oder der betroffenen Beschäftigten ist. In diesem Rahmen weist § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX dem Betriebsrat eine Mitwirkungsrolle zu, ohne ihn dadurch hinsichtlich Aufgabe und Verantwortlichkeit mit der Arbeitgeberin gleichzustellen. Teile dieser Aufgabe und Verantwortlichkeit kann die Arbeitgeberin aufgrund der Regelungen der Betriebsvereinbarung nicht mehr wahrnehmen, weil das Integrationsteam durch seine Mitglieder die Gespräche führt, Tatsachen ermittelt, Maßnahmen erörtert und vorschlägt. Die Arbeitgeberin ist selbst angesichts der Weisungsgebundenheit des von ihr in das Integrationsteam entsandten Mitglieds auf einen dauernden Konsens mit dem Betriebsrat angewiesen, weil ihr von der Tatsachenfeststellung bis zu den vorzuschlagenden Maßnahmen keine eigene Entscheidungszuständigkeit mehr zusteht. Dieses entspricht nicht der von § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX vorgesehenen gesetzlichen Aufgabenverteilung, der die Verteilung der Verantwortlichkeit entspricht. Eine solche Befugnis zur Änderung gesetzlicher Vorgaben steht dem Betriebsrat nicht kraft des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Ziffer 7 BetrVG zu.

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ccc) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats umfasst unbeschadet der Unwirksamkeit der Regelungen zum Integrationsteam nicht die Durchführung von im BEM-Verfahrens beschlossenen Maßnahmen, die Überprüfung ihrer Wirksamkeit und Qualität, die Begleitung der Beschäftigten bei einer stufenweisen Wiedereingliederung und die Erstellung der jährlichen BEM-Dokumentation. Die insoweit unter § 3 Ziffer 3.2 getroffenen Regelungen sind auch aus diesem Grunde unwirksam.

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Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, nach dem er bei der Durchführung von Maßnahmen zu beteiligen ist, ist nicht ersichtlich. § 87 Abs. 1 Ziffer 1, 6 und 7 BetrVG umfasst das Recht zur Regelung von Sachverhalten und sieht nicht vor, dass der Betriebsrat selbst an der Durchführung der Maßnahmen beteiligt ist. Die Durchführung von Maßnahme ist vielmehr nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG Sache der Arbeitgeberin, wenn nichts anderes vereinbart ist. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Ziffer 7 BetrVG umfasst nicht die Zuständigkeit der Einigungsstelle, hiervon abweichend die Durchführungspflicht auf ein gemeinsames Gremium zu übertragen.

47

Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, mit dem er verlangen könnte, die Wirksamkeit und Qualität von BEM-Maßnahmen in einem gemeinsamen Gremium mit der Arbeitgeberin zu überprüfen, besteht nicht. Insbesondere ist § 84 Abs. 2 SGB IX keine Rahmenregelung, aus der sich das Mitbestimmungsrecht ergeben könnte. § 84 Abs. 2 SGB regelt nicht einmal, ob und wie die Entscheidung über mögliche BEM-Maßnahmen zu treffen ist. Erst recht ergibt sich damit aus ihm nicht, wie Qualität und Wirksamkeit zu überprüfen sind.

48

Ferner ist kein Mitbestimmungsrecht ersichtlich, mit dem der Betriebsrat erzwingen könnte, an der stufenweisen Wiedereingliederung von Beschäftigten in einem gemeinsamen Gremium mit der Arbeitgeberin in Form einer Begleitung beteiligt zu werden.

49

ddd) Die Betriebsvereinbarung ist unwirksam, soweit sie in § 3 Ziffer 3.4 vorsieht, dass ein ggf. durch Entscheidung der Einigungsstelle erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei arbeitsplatzbezogenen Maßnahmen erforderlich ist, die vom Integrationsteam vorgeschlagen werden.

50

Durch eine Entscheidung der Einigungsstelle kann kein über die gesetzlich oder tariflich vorgesehenen Rechte des Betriebsrats hinausgehendes Mitbestimmungsrecht geschaffen werden. Die Einigungsstelle kann sich nur im Rahmen des ihr durch einen Mitbestimmungstatbestand zugewiesenen Zuständigkeitsbereich halten und diesen nicht durch Schaffung neuer und weiterer Mitbestimmungstatbestände erweitern. Das in § 3 Ziffer 3.4 der Betriebsvereinbarung geregelte Mitbestimmungsrecht geht über die gesetzlich vorgesehenen Mitbestimmungsrechte hinaus. Es ist kein gesetzliches Mitbestimmungsrecht ersichtlich, dass für alle arbeitsplatzbezogenen Maßnahmen die Zustimmung des Betriebsrats vorsieht. Das gilt insbesondere für solche arbeitsplatzbezogenen Maßnahmen, die eine Änderung des Arbeitsvertrages erforderlich machen. Wenn Beschäftigte arbeitsvertraglich nur zur Arbeit in bestimmten Schichten berechtigt und verpflichtet sind, die ihrer Gesundheit abträglich sind, kann nicht über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats eine Änderung des Arbeitsvertrages erzwungen oder verhindert werden. Das gleiche gilt, wenn arbeitsvertraglich ein bestimmtes Schichtsystem, eine bestimmte Dauer der Arbeitszeit oder eine bestimmte Lage der Arbeitszeit vorgesehen ist. Sind die dadurch festgesetzten Faktoren für die Gesundheit der Beschäftigten abträglich und gefährden damit die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit oder die Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit, bleibt gleichwohl ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausgeschlossen, weil sich dieses nicht auf arbeitsvertragliche Festlegungen erstreckt. Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, woraus sich bei allen arbeitsplatzbezogenen Maßnahmen ein gesetzliches Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ergeben soll.

51

Weil das Mitbestimmungsrecht bei arbeitsplatzbezogenen Maßnahmen nach § 3 Ziffer 3.4 der Betriebsvereinbarung über die gesetzlich oder tariflich vorgesehenen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats hinausgeht, kann es dahingestellt bleiben, ob die Regelung auch dann unwirksam wäre, wenn sie nur deklaratorisch auf außerhalb der Betriebsvereinbarung bestehende Mitbestimmungsrechte verwiese.

52

eee) Die Betriebsvereinbarung ist unwirksam, weil sie kein betriebliches Eingliederungsmanagement ohne Beteiligung des Betriebsrats zulässt.

53

Ein betriebliches Eingliederungsmanagement dient der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und der Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit. Im Gesetzgebungsverfahren ist ausdrücklich die Auffassung vertreten worden, dass die Interessenvertretung nur mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person einzuschalten ist. Das betriebliche Eingliederungsmanagement ist deshalb auch durchzuführen, wenn der oder die Beschäftigte eine Beteiligung der Interessenvertretung im Sinne des § 84 Abs. 2 SGB IX nicht wünscht (BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 2010, 6 P 8/09, Rn 55 ff). Damit ist es nicht vereinbar, dass die Betriebsvereinbarung kein betriebliches Eingliederungsmanagement ohne Beteiligung des Betriebsrats vorsieht. Die Betriebsvereinbarung ist eine abschließende Regelung zum BEM-Verfahren in dem Betrieb. Es kann nicht davon ausgegangen, dass neben dem in der Betriebsvereinbarung geregelten BEM-Verfahren ein BEM-Verfahren ohne Beteiligung des Betriebsrats und ohne kollektivrechtliche Regelung durchgeführt werden können soll. Hiergegen spricht § 1 Ziffer 1.2, wonach alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mindestens 42 Tage in zwölf Monaten arbeitsunfähig erkrankt waren, erfasst werden. Die Annahme, dass dieses nur für solche Beschäftigte gelten soll, die mit der Beteiligung des Betriebsrats einverstanden sind, findet keine Stütze im Wortlaut der Regelung. Gegen ein derartiges Verständnis des Geltungsbereichs der Betriebsvereinbarung, nach dem nur das betriebliche Eingliederungsmanagement unter Beteiligung des Betriebsrats geregelt ist, nicht aber ein solches, bei dem der die oder der Beschäftigte keine Beteiligung des Betriebsrats wünscht, spricht außerdem, dass regelmäßig schon aus Gründen der Rechtsklarheit solche Ausnahmen vom Geltungsbereich ausdrücklich genannt sind. Schließlich spricht gegen die Annahme, dass neben dem in der Betriebsvereinbarung geregelten Verfahren noch ein weiteres ungeregeltes BEM-Verfahren ohne Beteiligung des Betriebsrats möglich sein kann, dass der Betriebsrat in der Verhandlungen vor der Einigungsstelle ausdrücklich die Forderung aufgestellt hat, dass die Beteiligung des Betriebsrats am betrieblichen Eingliederungsmanagement nicht unter einem Wahlrecht des oder der Beschäftigten stehen dürfe. Damit hat der Betriebsrat zum Ausdruck gebracht, dass er kein betriebliches Eingliederungsmanagement ohne seine Beteiligung zulassen wolle. Die Betriebsvereinbarung verstößt demgemäß gegen § 84 Abs. 2 SGB IX, weil sie ein betriebliches Eingliederungsmanagement ohne Beteiligung des Betriebsrats nicht zulässt.

54

fff) Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Betriebsvereinbarung keine abschließende kollektivrechtliche Regelung zum BEM darstellen sollte, wäre sie unwirksam, weil sie keine Regelungen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement ohne Beteiligung des Betriebsrats enthält. Das Fehlen solcher Regelungen ist ein Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung der Beschäftigten nach § 75 Abs. 1 BetrVG.

55

Es liegt eine Ungleichbehandlung der Beschäftigten vor, weil dann für Beschäftigte, die keine Beteiligung des Betriebsrats wünschten, keine mitbestimmte Regelung des BEM vereinbart worden wäre, wohl aber für Beschäftigte, die mit der Beteiligung des Betriebsrats einverstanden sind. Damit kann die Arbeitgeberin das betriebliche Eingliederungsmanagement für die Beschäftigten, die keine Beteiligung des Betriebsrats wünschen, allein regeln. Den Beschäftigten kommt damit nicht die in der Beteiligung des Betriebsrats an den Verfahrensregeln liegende Schutzwirkung zu.

56

Für diese Ungleichbehandlung fehlt ein sachlicher Grund. Er ergibt sich nicht daraus, dass diese Beschäftigten auf eine Beteiligung des Betriebsrats am BEM-Verfahren verzichten. Der Verzicht auf eine solche Beteiligung ist kein sachlicher Grund dafür, diese Beschäftigten von einer kollektiven Regelung zum BEM-Verfahren auszunehmen. Er muss nämlich nicht Ausdruck des Willens sein, die Anwendung betriebsverfassungsrechtlicher Vorschriften nicht zu wollen oder die Betriebsverfassung generell abzulehnen. Vielmehr kann Grund für den Wunsch, keine Beteiligung des Betriebsrats zu wünschen, auch sein, dass der oder die Beschäftigte die Art und das Ausmaß ihrer Erkrankung möglichst nur einem kleinen Personenkreis bekannt machen möchte. Dieses spräche dafür, nur die Arbeitgeberin zu unterrichten, deren Information für etwaige BEM-Maßnahmen im Gegensatz zur Information des Betriebsrats unverzichtbar ist. Die Arbeitgeberin und nicht der Betriebsrat müsste solche BEM-Maßnahmen nämlich ergreifen. Außerdem ist ohne weiteres denkbar, dass der oder die betroffene Beschäftigte zu dem betriebsrätlichen Mitglied des Integrationsteams ein gespanntes oder schlechtes Verhältnis hat, so dass er oder sie zwar generell nichts gegen eine Beteiligung des Betriebsrats an der Betriebsverfassung einzuwenden hat, aber diese im Falle eines ihn oder sie betreffenden betrieblichen Eingliederungsmanagement nicht wünscht. In beiden denkbaren Fallkonstellationen ist es nicht angezeigt, den oder die betroffene Beschäftigte den Schutz einer mitbestimmten Regelung zum BEM zu versagen, nur weil er oder sie die Beteiligung des Betriebsrats an dem konkreten BEM nicht wünscht. Überdies wäre ein Verzicht auf den Schutz der Betriebsverfassung unwirksam. Dieser Schutz steht nicht zur Disposition der Beschäftigten.

57

ggg) Die zuvor genannten Unwirksamkeitsgründe führen dazu, dass die Entscheidung der Einigungsstelle insgesamt unwirksam ist.

58

Die von der Unwirksamkeit der Regelungen nicht betroffenen Bereiche stellen für sich genommen kein sinnvolles Ganzes mehr dar, das wirksam weiterbestehen könnte. Im Kern der Regelung steht das Integrationsteam, das umfassend das BEM durchführen und sogar noch über dessen Abschluss hinaus im Rahmen einer Wirksamkeitskontrolle begleiten soll. Mit dem Wegfall der unwirksamen Regelungen zum Integrationsteam ist unklar, wer das BEM durchführen soll und wie der Betriebsrat daran zu beteiligen ist. Mit dem Wegfall des Integrationsteams wäre die Betriebsvereinbarung ihres kennzeichnenden Kerns beraubt.

59

Ferner fehlt es an einem sinnvollen Ganzen, soweit eine Regelung zum BEM ohne Beteiligung des Betriebsrats nicht vorgesehen ist. Wie eine derartige Lücke im Rahmen einer Betriebsvereinbarung geschlossen werden soll, die darauf basiert, dass ein paritätisch besetzten Gremium das BEM einleitet, durchführt und die Ergebnisse vorbereitet, lässt sich nicht erkennen.

60

3) Es besteht kein Anlass, über die Kosten zu entscheiden. Gerichtskosten fallen nach § 2 Abs. 2 GKG nicht an. Für die außergerichtlichen Kosten sind die §§ 91 ff ZPO nicht anwendbar, weil die Verpflichtung der Antragstellerin, die außergerichtlichen Kosten des Betriebsrats zu tragen, nach § 40 BetrVG zu beurteilen ist. Einen Kostenerstattungsanspruch der Arbeitgeberin gegen den Betriebsrat gibt es nicht, weil der Betriebsrat nicht vermögensfähig ist.

61

Gegen diesen Beschluss ist nach § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil die Entscheidung grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG hat. Ob und wie eine Zusammenarbeit von Arbeitgeberin und Betriebsrat beim betrieblichen Eingliederungsmanagement dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegt und ob dieses Mitbestimmungsrecht für diese Zusammenarbeit ein gemeinsames Gremium mit eigenen Entscheidungsbefugnissen erzwingbar macht, ist eine Frage von allgemeiner Bedeutung für eine Vielzahl von Fällen. In gleicher Weise von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage, ob auch für den Bereich der Betriebsverfassung gilt, dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement ohne Beteiligung des Betriebsrats möglich sein muss.

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Bundesarbeitsgericht Beschluss, 13. März 2012 - 1 ABR 78/10

bei uns veröffentlicht am 13.03.2012

Tenor 1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. September 2010 - 25 TaBV 1155/10 - aufgehoben.

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 23. Juni 2010 - 6 P 8/09

bei uns veröffentlicht am 23.06.2010

Tatbestand 1 In der Zeit ab April 2006 schrieb der Beteiligte unter Bezugnahme auf § 84 Abs. 2 SGB IX Beschäftigte seiner Dienststelle an, die innerhalb des zurückliegen

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(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.

(2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.

(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch

1.
die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
2.
physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
3.
die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
4.
die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
5.
unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten,
6.
psychische Belastungen bei der Arbeit.

Der Beirat für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen wählt aus den ihm angehörenden Mitgliedern von Seiten der Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Organisationen behinderter Menschen jeweils für die Dauer eines Jahres eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter. Im Übrigen gilt § 189 entsprechend.

(1) Gegen die das Verfahren beendenden Beschlüsse der Arbeitsgerichte findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht statt.

(2) Für das Beschwerdeverfahren gelten die für das Berufungsverfahren maßgebenden Vorschriften sowie die Vorschrift des § 85 über die Zwangsvollstreckung entsprechend, soweit sich aus den §§ 88 bis 91 nichts anderes ergibt. Für die Vertretung der Beteiligten gilt § 11 Abs. 1 bis 3 und 5 entsprechend. Der Antrag kann jederzeit mit Zustimmung der anderen Beteiligten zurückgenommen werden; § 81 Abs. 2 Satz 2 und 3 und Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.

(3) In erster Instanz zu Recht zurückgewiesenes Vorbringen bleibt ausgeschlossen. Neues Vorbringen, das im ersten Rechtszug entgegen einer hierfür nach § 83 Abs. 1a gesetzten Frist nicht vorgebracht wurde, kann zurückgewiesen werden, wenn seine Zulassung nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Beschlussverfahrens verzögern würde und der Beteiligte die Verzögerung nicht genügend entschuldigt. Soweit neues Vorbringen nach Satz 2 zulässig ist, muss es der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung, der Beschwerdegegner in der Beschwerdebeantwortung vortragen. Wird es später vorgebracht, kann es zurückgewiesen werden, wenn die Möglichkeit es vorzutragen vor der Beschwerdebegründung oder der Beschwerdebeantwortung entstanden ist und das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und auf dem Verschulden des Beteiligten beruht.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung; § 85 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat ist bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden. Durch Betriebsvereinbarung kann eine ständige Einigungsstelle errichtet werden.

(2) Die Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen müssen. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, so bestellt ihn das Arbeitsgericht. Dieses entscheidet auch, wenn kein Einverständnis über die Zahl der Beisitzer erzielt wird.

(3) Die Einigungsstelle hat unverzüglich tätig zu werden. Sie fasst ihre Beschlüsse nach mündlicher Beratung mit Stimmenmehrheit. Bei der Beschlussfassung hat sich der Vorsitzende zunächst der Stimme zu enthalten; kommt eine Stimmenmehrheit nicht zustande, so nimmt der Vorsitzende nach weiterer Beratung an der erneuten Beschlussfassung teil. Die Beschlüsse der Einigungsstelle sind schriftlich niederzulegen und vom Vorsitzenden zu unterschreiben oder in elektronischer Form niederzulegen und vom Vorsitzenden mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen sowie Arbeitgeber und Betriebsrat zuzuleiten.

(4) Durch Betriebsvereinbarung können weitere Einzelheiten des Verfahrens vor der Einigungsstelle geregelt werden.

(5) In den Fällen, in denen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt, wird die Einigungsstelle auf Antrag einer Seite tätig. Benennt eine Seite keine Mitglieder oder bleiben die von einer Seite genannten Mitglieder trotz rechtzeitiger Einladung der Sitzung fern, so entscheiden der Vorsitzende und die erschienenen Mitglieder nach Maßgabe des Absatzes 3 allein. Die Einigungsstelle fasst ihre Beschlüsse unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen. Die Überschreitung der Grenzen des Ermessens kann durch den Arbeitgeber oder den Betriebsrat nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Zuleitung des Beschlusses an gerechnet, beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden.

(6) Im übrigen wird die Einigungsstelle nur tätig, wenn beide Seiten es beantragen oder mit ihrem Tätigwerden einverstanden sind. In diesen Fällen ersetzt ihr Spruch die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nur, wenn beide Seiten sich dem Spruch im voraus unterworfen oder ihn nachträglich angenommen haben.

(7) Soweit nach anderen Vorschriften der Rechtsweg gegeben ist, wird er durch den Spruch der Einigungsstelle nicht ausgeschlossen.

(8) Durch Tarifvertrag kann bestimmt werden, dass an die Stelle der in Absatz 1 bezeichneten Einigungsstelle eine tarifliche Schlichtungsstelle tritt.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. September 2010 - 25 TaBV 1155/10 - aufgehoben.

2. Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. April 2010 - 42 BV 17459/09 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 20. August 2009 über die Betriebsvereinbarung Betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (bEM).

2

Die Arbeitgeberin führt bundesweit Geld- und Werttransporte durch. Antragsteller ist der im B Betrieb gebildete Betriebsrat.

3

Nachdem sich die Betriebsparteien nicht über eine Betriebsvereinbarung zum Regelungsgegenstand „Betriebliches Eingliederungsmanagement“ einigen konnten, fasste die Einigungsstelle am 20. August 2009 einen Spruch, in dem Folgendes bestimmt ist:

        

„...   

        

§ 2 Ziele und Abgrenzung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)

        

(1)     

Mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement wird das Ziel verfolgt, dass

                 

•       

chronische Krankheiten und Behinderungen bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern möglichst vermieden werden;

                 

•       

Arbeitsunfähigkeit, auch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien) nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V, überwunden bzw. erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt wird;

                 

•       

der Arbeitsplatz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von gesundheitlichen Beeinträchtigungen betroffen sind, möglichst erhalten bleibt und verhindert wird, dass sie aus dem Erwerbsleben ausscheiden.

        

…       

        
        

§ 3 Information der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

        

(1)     

Ist eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten länger als 6 Wochen arbeitsunfähig, so erhält diese Person zeitnah durch den Arbeitgeber zunächst eine erste Information über das BEM sowie über Art und Umfang der erhobenen Daten. Dabei ist das in der Anlage 1 zu dieser Betriebsvereinbarung geregelte Schreiben zu verwenden und eine Kopie dieser Betriebsvereinbarung beizufügen.

        

(2)     

Dazu wertet der Arbeitgeber jeweils zum ersten 15. eines Vierteljahres routinemäßig die ihm bekannten Daten zu den Arbeitsunfähigkeitszeiten pro Mitarbeiter aus.

        

…“    

        
4

Der Betriebsrat hatte in der Einigungsstelle vorgeschlagen, ein Verfahren zur Analyse der Arbeitsfähigkeit durch ein „Arbeitsfähigkeits-Coaching“ zu regeln. Danach sollten alle Arbeitnehmer zweimal jährlich einen „Check-up“ von ca. 60 Minuten Dauer durchlaufen und nach dem sog. Work-Ability-Index (WAI) klassifiziert werden. Bei einem WAI-Wert von 7 bis 27 Punkten wäre die Arbeitsfähigkeit mit „schlecht“, von 28 bis 36 Punkten mit „mittelmäßig“, von 37 bis 43 Punkten mit „gut“ und von 44 bis 49 Punkten mit „sehr gut“ einzustufen gewesen. Nach dem Vorschlag des Betriebsrats sollten alle Beschäftigten mit einem WAI-Wert zwischen 7 und 36 einen Anspruch auf ein bEM haben. Der Vorschlag des Betriebsrats fand in der Einigungsstelle keine Mehrheit. Der Einigungsstellenvorsitzende übersandte den von ihm unterzeichneten Spruch nebst Begründung dem Betriebsrat als pdf-Datei in der Anlage der E-Mail vom 13. September 2009.

5

Mit einem am 25. September 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Betriebsrat die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs begehrt. Er hat geltend gemacht, die Einigungsstelle habe ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt, weil sie es versäumt habe, den Begriff der Arbeitsunfähigkeit zu konkretisieren. Der Spruch genüge auch nicht dem Schriftformerfordernis des § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG.

6

Der Betriebsrat hat beantragt

        

festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 20. August 2009 über eine Betriebsvereinbarung „Betriebliches Eingliederungsmanagement“ unwirksam ist.

7

Die Arbeitgeberin hat Antragsabweisung beantragt.

8

Die Vorinstanzen haben den Antrag abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter.

9

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Vorinstanzen haben den Antrag zu Unrecht abgewiesen. Der Spruch ist allerdings nicht bereits deshalb unwirksam, weil die Einigungsstelle davon abgesehen hat, den Begriff der Arbeitsunfähigkeit näher zu bestimmen. Zur Unwirksamkeit des Spruchs führt jedoch, dass der Einigungsstellenvorsitzende dem Betriebsrat nicht den vom ihm eigenhändig unterschriebenen Spruch im Original zugeleitet hat, sondern nur als pdf-Datei in der Anlage zu einer E-Mail.

10

I. Der Antrag ist zulässig. Er ist zutreffend auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs gerichtet. Eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle hat feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung. Deshalb ist die Feststellung seiner Unwirksamkeit und nicht seine Aufhebung zu beantragen (BAG 11. Januar 2011 - 1 ABR 104/09 - Rn. 12 mwN, AP BetrVG 1972 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 17 = EzA BetrVG 2001 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 5).

11

II. Die Einigungsstelle hat zu Recht den in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX enthaltenen Begriff der Arbeitsunfähigkeit nicht nach dem sog. Work-Ability-Index konkretisiert.

12

1. Bei der Ausgestaltung des bEM ist für jede einzelne Regelung zu prüfen, ob ein Mitbestimmungsrecht besteht. Ein solches kann sich bei allgemeinen Verfahrensfragen aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, in Bezug auf die Nutzung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und hinsichtlich der Ausgestaltung des Gesundheitsschutzes aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ergeben, denn § 84 Abs. 2 SGB IX ist eine Rahmenvorschrift iSd. Bestimmung (Fitting BetrVG 26. Aufl. § 87 Rn. 310a; Richardi BetrVG 13. Aufl. § 87 Rn. 546). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats setzt ein, wenn für den Arbeitgeber eine gesetzliche Handlungspflicht besteht und wegen des Fehlens zwingender Vorgaben betriebliche Regelungen erforderlich sind, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen (BAG 8. Juni 2004 - 1 ABR 13/03 - zu B I 2 b aa der Gründe, BAGE 111, 36).

13

2. Der in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX enthaltene Begriff der Arbeitsunfähigkeit ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde einer Ausgestaltung durch die Betriebsparteien nicht zugänglich, sondern zwingend gesetzlich vorgegeben.

14

a) Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX führt der Arbeitgeber zusammen mit den zuständigen Interessenvertretungen und mit Zustimmung und Beteiligung des Arbeitnehmers ein bEM durch, wenn „Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind“. Zweck der Regelung ist nach der Gesetzesbegründung, durch die gemeinsame Anstrengung aller in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Beteiligten mit dem bEM ein Verfahren zu schaffen, das durch geeignete Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft sichert, weil viele Abgänge in die Arbeitslosigkeit aus Krankheitsgründen erfolgen und arbeitsplatzsichernde Hilfen der Integrationsämter vor der Beantragung einer Zustimmung zur Kündigung kaum in Anspruch genommen werden(BT-Drucks. 15/1783 S. 16). Die in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Maßnahmen dienen damit neben der Gesundheitsprävention auch der Vermeidung einer Kündigung und der Verhinderung von Arbeitslosigkeit erkrankter und kranker Menschen(BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 49 = EzA SGB IX § 84 Nr. 7). Da im Falle einer negativen Gesundheitsprognose eine krankheitsbedingte Kündigung bei zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen im Jahr vorbehaltlich einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung in Betracht kommt (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56; grundlegend 16. Februar 1989 - 2 AZR 299/88 - BAGE 61, 131), wird deutlich, dass der Gesetzgeber mit der Verwendung des Begriffs „arbeitsunfähig“ in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX auf die zu § 3 Abs. 1 EFZG ergangene Begriffsbestimmung Bezug genommen hat und keinen vom Entgeltfortzahlungsgesetz abweichenden eigenen Begriff mit anderen Merkmalen schaffen wollte(im Ergebnis ebenso Welti NZS 2006, 623, 625; FKS - SGB IX - Feldes 2. Aufl. § 84 Rn. 38). Für die Bemessung des Sechswochenzeitraums des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX sind deshalb die dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 EFZG angezeigten Arbeitsunfähigkeitszeiten maßgeblich. Dies gewährleistet auch eine praktikable und sichere Anwendung dieser Vorschrift. Ein der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zugänglicher Spielraum bei der Konkretisierung des Begriffs der Arbeitsunfähigkeit besteht nicht.

15

b) Nach diesen Grundsätzen ist der Einigungsstellenspruch nicht zu beanstanden, soweit darin zur Einleitung des bEM auf die dem Arbeitgeber bekannten Arbeitsunfähigkeitszeiten abgestellt wird. Solche liegen vor, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit infolge der Krankheit objektiv nicht ausüben kann oder wenn er die Arbeit objektiv nur unter der Gefahr fortsetzen könnte, in absehbar naher Zeit seinen Zustand zu verschlimmern (BAG 7. August 1991 - 5 AZR 410/90 - zu I der Gründe, BAGE 68, 196; MünchKommBGB/Müller-Glöge Bd. 4 5. Aufl. § 3 EFZG Rn. 6). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde unterscheidet sich diese Begriffsbestimmung nicht von der Definition in den nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V erlassenen Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien.

16

III. Der Einigungsstellenspruch ist jedoch unwirksam, weil er nicht den formalen Anforderungen des § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG entspricht. Er ist dem Betriebsrat nicht mit einer Originalunterschrift des Einigungsstellenvorsitzenden zugeleitet worden. Die Zuleitung eines Einigungsstellenspruchs als bloße Textdatei genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.

17

1. Nach § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG sind die Beschlüsse der Einigungsstelle schriftlich niederzulegen, vom Vorsitzenden zu unterschreiben und Arbeitgeber und Betriebsrat zuzuleiten.

18

a) Nach der Senatsrechtsprechung enthält § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG eine verbindliche Handlungsanleitung für den Vorsitzenden der Einigungsstelle. Bereits der Wortlaut dieser Bestimmung macht deutlich, dass ein Einigungsstellenspruch nur wirksam ist, wenn er schriftlich niedergelegt und mit der Unterschrift des Vorsitzenden versehen beiden Betriebsparteien zugeleitet wird. Das Formerfordernis des § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG dient in erster Linie der Rechtssicherheit. Die Unterschrift des Vorsitzenden beurkundet und dokumentiert den Willen der Einigungsstellenmitglieder. Für die Betriebsparteien und für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer wird damit rechtssicher bestätigt, dass das vom Vorsitzenden unterzeichnete Schriftstück das von der Einigungsstelle beschlossene Regelwerk enthält. Die Beurkundung und Dokumentation ist erforderlich, weil der Einigungsstellenspruch die fehlende Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt und ihm erst dann die gleiche normative Wirkung (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG)zukommt wie einer von den Betriebsparteien geschlossenen Betriebsvereinbarung (BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 31/09 - Rn. 16 f., EzA BetrVG 2001 § 76 Nr. 2; 14. September 2010 - 1 ABR 30/09 - Rn. 17 f., AP BetrVG 1972 § 76 Nr. 61 = EzA BetrVG 2001 § 76 Nr. 1). Die Unterzeichnung des Einigungsstellenspruchs durch den Vorsitzenden kann nach dem Rechtsgedanken des § 126 Abs. 3 BGB nicht durch die elektronische Form(§ 126a BGB) und auch nicht durch die Textform (§ 126b BGB)ersetzt werden. § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG ist eine auf dem Normcharakter des Einigungsstellenspruchs beruhende Sonderregelung(BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 31/09 - Rn. 18, aaO).

19

b) Die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform ist Wirksamkeitsvoraussetzung eines Einigungsstellenspruchs. Den Betriebsparteien muss ein vom Vorsitzenden unterzeichnetes Schriftstück, das den Spruch enthält, zugeleitet werden. Fehlt es hieran, ist der von der Einigungsstelle zuvor beschlossene Spruch wirkungslos. Maßgeblich für die Beurteilung der Formwirksamkeit ist der Zeitpunkt, in dem der Einigungsstellenvorsitzende den Betriebsparteien den Spruch mit der Absicht der Zuleitung iSd. § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG übermittelt hat. Eine nachträgliche, rückwirkende Heilung der Verletzung der in § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG bestimmten Formvorschriften ist nicht möglich(BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 31/09 - Rn. 19 f., EzA BetrVG 2001 § 76 Nr. 2).

20

2. Der Einigungsstellenspruch vom 20. August 2009 genügt diesen Anforderungen nicht und ist deshalb unwirksam. Er ist dem Betriebsrat nicht mit Originalunterschrift des Einigungsstellenvorsitzenden zugeleitet worden, sondern in Form einer pdf-Datei in der Anlage zu einer E-Mail. Unerheblich ist, dass sich die Unterschrift des Einigungsstellenvorsitzenden in der zugeleiteten pdf-Datei in eingescannter Form befindet. Dies wahrt ebenso wenig die gesetzliche Form wie selbst eine elektronische Form iSd. § 126a BGB mit elektronischer Signatur dem Erfordernis des § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG nicht genügen würde.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Klosterkemper    

        

    N. Schuster    

                 

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

Tatbestand

1

In der Zeit ab April 2006 schrieb der Beteiligte unter Bezugnahme auf § 84 Abs. 2 SGB IX Beschäftigte seiner Dienststelle an, die innerhalb des zurückliegenden Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig krank gewesen waren. Er unterrichtete sie über die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements und bat darum, auf der beiliegenden Kopie des Schreibens zu erklären, ob sie mit der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements einverstanden seien. Mit Schreiben vom 25. April 2006 rügte der Antragsteller seine unterbliebene Beteiligung und bat um Übergabe einer Liste aller angeschriebenen Beschäftigten. Dem trat der Beteiligte im Schreiben vom 8. Mai 2006 im Wesentlichen mit der Begründung entgegen, vor Zustimmung des betroffenen Beschäftigten sei für eine Einschaltung der Personalvertretung kein Raum. Mit Schreiben vom 17. Januar 2007 übersandte der Beteiligte dem Antragsteller eine Übersicht, welche die Namen der Beschäftigten mit krankheitsbedingten Fehlzeiten von über sechs Wochen sowie den Zeitraum der Erkrankung und die Anzahl der Krankheitstage enthielt. Mit Schreiben vom 16. März 2007 übersandte der Beteiligte dem Antragsteller eine Liste mit den Namen derjenigen Beschäftigten, welche der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements zugestimmt hatten.

2

Das vom Antragsteller angerufene Verwaltungsgericht hat festgestellt, 1. dass der Beteiligte dadurch das Beteiligungsrecht des Antragstellers gemäß § 84 Abs. 2, § 93 SGB IX verletzt hat, dass er Beschäftigte aufgefordert hat mitzuteilen, ob sie einem betrieblichen Eingliederungsmanagement zustimmen würden, ohne dass der Antragsteller vorher beteiligt worden ist, und 2. dass der Beteiligte verpflichtet ist, dem Antragsteller unverzüglich mitzuteilen, ohne vorherige Zustimmung des jeweils Betroffenen, welche Beschäftigten der Dienststelle innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren, und das Anschreiben an die Betroffenen und ggf. deren Antwort zur Kenntnis zu geben.

3

Der Beteiligte hat gegen die Feststellung zu 1 sowie gegen die Feststellung zu 2 hinsichtlich des Anschreibens an die Betroffenen und deren Antwort Beschwerde eingelegt. Das Oberverwaltungsgericht hat den erstinstanzlichen Beschluss geändert und den Feststellungsantrag zu 2 insoweit zurückgewiesen, als der Antragsteller die Feststellung der Verpflichtung des Beteiligten begehrt, dem Antragsteller ohne vorherige Zustimmung des Betroffenen eine Kopie des Anschreibens an die Betroffenen und ggf. deren Antwort zur Kenntnis zu geben. Im Übrigen hat es die Beschwerde des Beteiligten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Antragsteller könne nur beanspruchen, dass ihm der anonymisierte Mustertext des Schreibens an die Betroffenen zur Kenntnis gegeben werde. Nicht beanspruchen könne er dagegen, die jeweiligen individuellen Schreiben, aus denen Namen und Anschrift der Betroffenen hervorgingen, sowie die Antwortschreiben zur Kenntnis zu erhalten. Dem stehe das Geheimhaltungsinteresse der Beschäftigten entgegen, die sich zur Beteiligung der Personalvertretung am betrieblichen Eingliederungsmanagement noch nicht geäußert hätten. Nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit sei dem Beteiligten zuzutrauen, die Antwortschreiben zutreffend in "zugestimmt" und "nicht zugestimmt" unterscheiden zu können. Dem Betroffenen bleibe es unbenommen, ein etwaiges Missverständnis beim Beteiligten aufzuklären oder beim Antragsteller um Beteiligung in seinem Fall nachzusuchen, falls bei ihm entgegen seinem Wunsch kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt werde. Durch diese Einschränkung werde die Arbeit der Personalvertretung nicht unzumutbar erschwert. Es handele sich vielmehr um das Ergebnis der zu einem Ausgleich zu bringenden gegenläufigen Interessen der Beschäftigten, die einem betrieblichen Eingliederungsmanagement unter Beteiligung der Personalvertretung nicht zugestimmt hätten, einerseits und den Interessen der Personalvertretung an der Überwachung der Maßnahmen andererseits.

4

Soweit das Oberverwaltungsgericht den Feststellungsantrag zu 2 zurückgewiesen hat, hat der Senat die Rechtsbeschwerde des Antragstellers zugelassen. Dieser trägt vor: Gemäß § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX habe der Personalrat die Aufgabe, die Einhaltung der Verpflichtungen des Arbeitgebers zum betrieblichen Eingliederungsmanagement zu überwachen. Dazu gehöre die Verpflichtung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX, die Betroffenen auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Die Erfüllung dieser Verpflichtung könne der Personalrat nicht überwachen, wenn er die entsprechenden Schreiben der Dienststelle nicht in Kopie erhalte. Das Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten werde mit Rücksicht auf die Beteiligungsrechte der Personalvertretung eingeschränkt. So erhalte der Personalrat z.B. in jedem Einstellungs-, Eingruppierungs- oder Kündigungsfall die erforderlichen Informationen ohne Einverständnis des Betroffenen. Auch im vorliegenden Fall sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt. Die begehrte Unterrichtung sei geeignet, erforderlich und angemessen, damit der Personalrat seiner Überwachungspflicht nachkommen könne.

5

Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Beschluss abzuändern, soweit der Beschwerde des Beteiligten stattgegeben wurde, und auch diesen Teil der Beschwerde des Beteiligten zurückzuweisen.

6

Der Beteiligte beantragt, die Rechtsbeschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.

7

Er verteidigt ebenso wie der Vertreter des Bundesinteresses den angefochtenen Beschluss.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist nur teilweise begründet. Soweit es um das Anschreiben des Beteiligten an die betroffenen Beschäftigten geht, beruht der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts auf der unrichtigen Anwendung von Rechtsnormen (§ 91 Abs. 2 BlnPersVG vom 14. Juli 1994, GVBl S. 337, zuletzt geändert durch Art. III des Gesetzes vom 25. Januar 2010, GVBl S. 22, i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). In diesem Umfang ist er daher zu ändern; da der Sachverhalt geklärt ist, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO). Danach ist die Beschwerde des Beteiligten gegen den erstinstanzlichen Beschluss hinsichtlich des Anschreibens zurückzuweisen. Im Übrigen ist der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts zu bestätigen. Ohne Zustimmung des jeweils Betroffenen ist dem Antragsteller zwar das Anschreiben des Beteiligten an den Betroffenen, nicht aber dessen Antwortschreiben zur Kenntnis zu geben.

9

1. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist allein die Frage, ob der Antragsteller einen Anspruch darauf hat, dass ihm das Anschreiben an die Betroffenen und deren Antwort ohne deren vorherige Zustimmung zur Kenntnis gegeben werden. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht der Beschwerde des Beteiligten stattgegeben und das Feststellungsbegehren abgelehnt. Nur darauf erstreckt sich die vom Senat zugelassene Rechtsbeschwerde.

10

Soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, dass der Beteiligte mit der Einleitung des betrieblichen Eingliederungsmanagements das Beteiligungsrecht des Antragstellers verletzt hat und dass der Beteiligte verpflichtet ist, dem Antragsteller ohne vorherige Zustimmung des jeweils Betroffenen mitzuteilen, welche Beschäftigten innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren, sie diese Feststellungen rechtskräftig geworden und deshalb einer Überprüfung durch den Senat entzogen.

11

2. Rechtsgrundlage für das streitige Begehren ist § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 BlnPersVG i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX.

12

a) Der Geltungsbereich des Berliner Personalvertretungsgesetzes ist eröffnet. Er erstreckt sich gemäß § 1 Abs. 1 BlnPersVG auf die landesunmittelbaren Anstalten des öffentlichen Rechts des Landes Berlin. Um eine derartige Anstalt handelt es sich bei den Berliner Bäder-Betrieben (§ 28 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a des Gesetzes über die Zuständigkeiten in der Allgemeinen Berliner Verwaltung i.d.F. der Bekanntmachung vom 22. Juli 1996, GVBl S. 302, zuletzt geändert durch Art. II des Gesetzes vom 25. Januar 2010, GVBl S. 22, i.V.m. § 1 Abs. 1, § 17 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Anstalt öffentlichen Rechts Berliner Bäder-Betriebe vom 25. September 1995, GVBl S. 617, zuletzt geändert durch Art. I des Gesetzes vom 10. Mai 2007, GVBl S. 195).

13

b) Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 BlnPersVG ist die Personalvertretung zur Durchführung ihrer Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten; ihr sind sämtliche zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Die Pflicht des Dienststellenleiters zur Vorlage von Unterlagen ist somit Bestandteil seiner Informationspflicht gegenüber der Personalvertretung. Sie besteht nur in dem Umfang, in welchem die Personalvertretung zur Durchführung ihrer Aufgaben die Kenntnis der Unterlagen benötigt (vgl. Beschlüsse vom 23. Januar 2002 - BVerwG 6 P 5.01 - Buchholz 250 § 68 BPersVG Nr. 17 S. 1 = PersR 2002, 201 und vom 16. Februar 2010 - BVerwG 6 P 5.09 - juris Rn. 9). Als Aufgabe, aus welchen der geltend gemachte Anspruch des Personalrats auf Vorlage der Schreiben herzuleiten ist, kommen hier dessen Befugnis aus § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX in Betracht.

14

Nach § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX wachen u.a. die zuständigen Interessenvertretungen im Sinne des § 93 SGB IX, also auch der Personalrat, darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach § 84 SGB IX obliegenden Verpflichtungen erfüllt. Diese Verpflichtungen bestehen für alle Arbeitnehmer, nicht etwa nur mit Blick auf behinderte Menschen (vgl. BAG, Urteil vom 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - BAGE 123, 234 Rn. 35). Dem Arbeitgeber obliegt nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX die Verpflichtung, den Beschäftigten, der innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war, oder dessen gesetzlichen Vertreter auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements im Sinne des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Stimmt der Betroffene oder sein gesetzlicher Vertreter der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements zu, ist der Arbeitgeber nach Maßgabe des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet, die Möglichkeiten zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen und Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Soweit es für die Überwachung, ob der Arbeitgeber diese Verpflichtungen erfüllt, erforderlich ist, hat der Personalrat einen Informationsanspruch nach § 73 Abs. 1 BlnPersVG.

15

c) Rechtssystematische Bedenken, den Auskunftsanspruch des Personalrats nach § 73 Abs. 1 BlnPersVG auf die Aufgaben der Personalvertretung nach § 84 Abs. 2 SGB IX anzuwenden, bestehen nicht. Insbesondere kann § 84 Abs. 2 SBG IX nicht als Spezialregelung verstanden werden, die im Aufgabenbereich des betrieblichen Eingliederungsmanagements die Bestimmungen zum Auskunftsanspruch des Personalrats nach den einschlägigen Personalvertretungsgesetzen verdrängt (so aber VG Hamburg, Beschluss vom 10. November 2006 - 23 FB 17/06 - juris Rn. 19; Schulz, PersV 2008, 244 <247>; Koch, PersV 2008, 256 <257>).

16

§ 84 Abs. 2 Satz 1 und 6 SGB IX spricht die zuständige Interessenvertretung im Sinne des § 93 SGB IX an. § 93 SGB IX nennt an erster Stelle Betriebsrat und Personalrat. Diesen werden in § 84 Abs. 2 SGB IX spezielle Aufgaben zugewiesen. Sie nehmen am Klärungsprozess des Arbeitgebers teil, wie bei Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren, Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (§ 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Sie haben ein entsprechendes Initiativrecht, falls der Arbeitgeber untätig bleibt (§ 84 Abs. 2 Satz 6 SGB IX). Schließlich haben sie darüber zu wachen, dass der Arbeitgeber seine gesetzlichen Verpflichtungen im Bereich des betrieblichen Eingliederungsmanagements erfüllt (§ 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX). Regelungen zum Auskunftsanspruch der Interessenvertretungen hat der Gesetzgeber in § 84 Abs. 2 SGB IX nicht getroffen. Er brauchte dies auch nicht, weil er in dieser Hinsicht die Anwendung der speziellen Regelwerke zu den Interessenvertretungen vorausgesetzt hat.

17

§ 84 Abs. 2 SGB IX enthält - ebenso wie andere Vorschriften des SGB IX (vgl. z.B. § 93 SGB IX sowie die dort zitierten Bestimmungen) - punktuelle Regelungen zu Aufgaben der Interessenvertretungen. Soweit diese keine abschließende Aussage treffen, sind ergänzend die Regelwerke für die Interessenvertretungen heranzuziehen. Es sind dies das Betriebsverfassungsgesetz für die Betriebsräte in der Privatwirtschaft, das Bundespersonalvertretungsgesetz für die Personalräte in der Bundesverwaltung sowie die Länderpersonalvertretungsgesetze für die Personalräte in den Verwaltungen ihres Geltungsbereichs. Der aufgabenbezogene Auskunftsanspruch des Personalrats gehört zum Standardprogramm der Personalvertretungsgesetze in Bund und Ländern (vgl. § 68 Abs. 2 BPersVG). Er wird in § 84 Abs. 2 SGB IX als gegeben vorausgesetzt. Diese Aussage gilt unabhängig davon, ob die Rahmenvorschriften im zweiten Teil des Bundespersonalvertretungsgesetzes ihre Rechtswirksamkeit verloren haben oder demnächst verlieren werden (vgl. Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG).

18

d) § 73 Abs. 1 BlnPersVG i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX scheidet auch nicht deshalb als Rechtsgrundlage für das Begehren des Antragstellers aus, weil der Bundesgesetzgeber aus Gründen der verfassungsrechtlichen Gesetzgebungskompetenzen gehindert gewesen wäre, den nach den Personalvertretungsgesetzen der Länder gebildeten Personalvertretungen Aufgaben zuzuweisen (a.A. VG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Oktober 2008 - 34 K 3001/08.PVL - juris Rn. 20).

19

aa) Diese Problematik entfällt freilich nicht bereits wegen § 96 BlnPersVG. Durch diese Vorschrift wird § 84 Abs. 2 SGB IX nicht in Berliner Landesrecht transformiert.

20

aaa) Nach § 96 BlnPersVG gelten, soweit in anderen Gesetzen für die in § 1 Abs. 1 BlnPersVG genannten Bereiche den Betriebsräten Aufgaben oder Befugnisse übertragen sind, diese als Aufgaben und Befugnisse der nach dem Berliner Personalvertretungsgesetz zu bildenden Personalvertretungen. Nach ihrem Wortlaut ist die Vorschrift hier nicht einschlägig. Durch § 84 Abs. 2, § 93 SGB IX werden den Betriebsräten keine Aufgaben und Befugnisse für die Verwaltungen des Landes Berlin und die anderen in § 1 Abs. 1 BlnPersVG genannten Bereiche übertragen, in denen Personalvertretungen gebildet werden. Soweit § 84 Abs. 2, § 93 SGB IX die Betriebsräte ansprechen, sind damit ausschließlich die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft nach dem Betriebsverfassungsgesetz gemeint.

21

bbb) Die Entstehungsgeschichte des § 96 BlnPersVG spricht für eine restriktive Auslegung.

22

Eine § 96 BlnPersVG vergleichbare Vorschrift war bereits § 80 BlnPersVG vom 21. März 1957, GVBl S. 296. Danach galten Vorschriften in anderen Gesetzen, die den Betriebsräten Befugnisse oder Pflichten übertrugen, entsprechend für die nach dem Berliner Personalvertretungsgesetz zu errichtenden Personalvertretungen; dies galt nicht für Vorschriften, welche die Betriebsverfassung oder die Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten regelten. Die damaligen Gesetzesmaterialien enthalten zu dieser Vorschrift keine Begründung (vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucks. 2/756 S. 14 f.).

23

An die Stelle dieser Vorschrift trat später § 81 BlnPersVG vom 22. Juli 1968, GVBl S. 1004, dessen Wortlaut mit demjenigen des heutigen § 96 BlnPersVG identisch war. In der Gesetzesbegründung hieß es: " § 81 entspricht dem § 80 PersVG, ist aber lediglich etwas klarer gefasst. Die vor dem Inkrafttreten des Personalvertretungsgesetzes bestehenden Gesetze stellen auf bestimmte Aufgaben und Funktionen der 'Betriebsräte' ab (vgl. z.B. § 2 des Kündigungsschutzgesetzes). Für die in § 1 Abs. 1 genannten Bereiche gelten diese nunmehr als Aufgaben und Befugnisse der Personalvertretungen" (Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucks. 5/388 S. 14).

24

Welche Bedeutung die in Rede stehende Übergangsvorschrift hat, lässt sich anhand des in den Gesetzesmaterialien zitierten Beispielfalles illustrieren. Bei Inkrafttreten des Berliner Personalvertretungsgesetzes vom 22. Juli 1968 galt das Kündigungsschutzgesetz vom 10. August 1951 (KSchG 1951), BGBl I S. 499, in der Fassung von Art. VIII des Änderungsgesetzes vom 7. Dezember 1959, BGBl I S. 705. § 2 KSchG 1951 regelte Aufgaben und Befugnisse des Betriebsrates im Falle der Kündigung eines Arbeitnehmers. Der Geltungsbereich dieser Vorschrift erstreckte sich auf "Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts" (§ 21 Abs. 1 Satz 1 KSchG 1951). Aus § 81 BlnPersVG 1968 ergab sich somit, dass die Aufgaben und Befugnisse nach § 2 KSchG 1951 im Bereich der Berliner Verwaltung von den Personalräten wahrzunehmen waren. Allgemein gesprochen sollen diese zuständig sein, soweit Gesetze, die vor Inkrafttreten der Personalvertretungsgesetze erlassen wurden und noch in der Terminologie des Betriebsrätegesetzes von 1920 und des Kontrollratsgesetzes Nr. 22 vom 10. April 1946 befangen waren (vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucks. 2/756 S. 10), den Betriebsräten für den Bereich der Berliner Verwaltung Kompetenzen zuwiesen. Nur diese Bedeutung hat auch § 96 BlnPersVG.

25

ccc) Angesichts dessen verbietet es sich, den Anwendungsbereich von § 96 BlnPersVG im Wege teleologischer Extension oder der Analogie auf alle Bundesgesetze zu erstrecken, die Aufgaben für die Personalvertretungen nach den Personalvertretungsgesetzen der Länder begründen. Dies würde den Charakter der Vorschrift als Übergangsbestimmung sprengen.

26

bb) Der Bund hatte die Gesetzgebungskompetenz für die Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX auch, soweit dort Aufgaben und Befugnisse für die Personalvertretungen im Bereich der Länder normiert werden.

27

aaa) § 84 Abs. 2 SGB IX hat seine hier anzuwendende Fassung durch Art. 1 des Gesetzes vom 23. April 2004, BGBl I S. 606, erhalten. In diesem Zeitpunkt galt das Grundgesetz in der Fassung, welches es im Zeitraum vom 1. August 2002 bis 31. August 2006 hatte (GG a.F.). Der Bund konnte sich, soweit er in § 84 Abs. 2 SGB IX dem Arbeitgeber materiellrechtliche Verpflichtungen zugunsten kranker bzw. erkrankter Arbeitnehmer auferlegt hat, auf den Kompetenztitel nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG a.F. stützen. Diese Bestimmung begründet eine umfassende Kompetenz für die Regelung der Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und erstreckt sich sowohl auf privatrechtliche als auch auf öffentlich-rechtliche Bestimmungen über abhängige Arbeitsverhältnisse (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Oktober 2002 - 2 BvF 1/01 - BVerfGE 106, 62 <132 f.>). Auf das Arbeitsverhältnis tatsächlich einzuwirken - nämlich im Sinne seiner Erhaltung - ist ausdrücklich erklärtes Ziel der Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zum betrieblichen Eingliederungsmanagement hat ferner rechtliche Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis. Kommt der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen aus § 84 Abs. 2 SGB IX nicht oder nicht ordnungsgemäß nach, so kann dies für ihn im Kündigungsschutzprozess zu Rechtsnachteilen führen (vgl. BAG, Urteile vom 12. Juli 2007 a.a.O. Rn. 44, vom 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - juris Rn. 26 und 29 sowie vom 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - juris Rn. 19 ff.).

28

bbb) Soweit der Bund in § 84 Abs. 2 SGB IX den Personalvertretungen im Bereich der Länder Aufgaben und Befugnisse zugewiesen hat, konnte er sich auf Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GG a.F. stützen. Danach hatte der Bund das Recht, unter den Voraussetzungen des Art. 72 GG a.F. Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder zu erlassen über die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen. Die bundesrechtliche Regelung musste als Ganzes auf Ausfüllung durch die Landesgesetzgebung hin angelegt sein. Dem Landesgesetzgeber musste in der sachlichen Rechtsgestaltung Raum für eigene Willensentschließung von substantiellem Gehalt bleiben (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27. März 1979 - 1 BvL 2/77 - BVerfGE 51, 43 <54> und vom 16. Oktober 1984 - 2 BvL 1/83 - BVerfGE 67, 382 <387>).

29

Der zweite Teil des Bundespersonalvertretungsgesetzes regelte in seinen in den Ländern unmittelbar geltenden §§ 107 bis 109 lediglich einige Einzelfragen. Auch die Rahmenvorschriften der §§ 94 bis 106 BPersVG enthielten - etwa in § 98 Abs. 2 und § 102 Abs. 2 BPersVG - einige punktuelle Vollregelungen mit unmittelbarer Wirkung. Insgesamt verblieben dem Landesgesetzgeber jedoch auf dem Gebiet des Personalvertretungsrechts Regelungen von substantiellem Gewicht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27. März 1979 - 2 BvL 2/77 - a.a.O. und - 2 BvR 1011/78 - BVerfGE 51, 77 <95> sowie vom 16. Oktober 1984 a.a.O. S. 388).

30

Auch in § 84 Abs. 2 SGB IX handelt es sich um eine punktuelle Vollregelung für einen speziellen Regelungsbereich, nämlich denjenigen des betrieblichen Eingliederungsmanagements zugunsten kranker bzw. erkrankter Beschäftigter. Durch die dort den Personalvertretungen im Bereich der Länder verbindlich übertragenen Aufgaben wurde der Gestaltungsspielraum der Länder nicht substantiell infrage gestellt. Der formale Aspekt, dass die Aufgabenübertragung hier in einem Spezialgesetz außerhalb des zweiten Teils des Bundespersonalvertretungsgesetzes über die Personalvertretungen in den Ländern vorgenommen worden ist, ist in dieser Hinsicht belanglos.

31

ccc) Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 GG a.F. lagen hier ebenfalls vor. Die Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX zur Beteiligung des Personalrats beim betrieblichen Eingliederungsmanagement war zur Wahrung der Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich. Die Wahrung der Wirtschaftseinheit liegt im gesamtstaatlichen Interesse, wenn es um die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsraums der Bundesrepublik durch bundeseinheitliche Rechtsetzung geht, wenn also Landesregelungen oder das Untätigbleiben der Länder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft mit sich brächten (vgl. BVerfG, Urteile vom 24. Oktober 2002 a.a.O. S. 146 f. und vom 26. Januar 2005 - 2 BvF 1/03 - BVerfGE 112, 226 <248 f.>).

32

Es würde zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen, wenn der Schutz kranker Beschäftigter vor drohender Arbeitslosigkeit zur Disposition der Bundesländer gestellt wäre (vgl. auch die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, BTDrucks 15/1783 S. 11). Ein Minimum an Schutzniveau wäre mit wirtschaftlichen Vorteilen verbunden. Das im Sozialstaatsgedanken wurzelnde Konzept des betrieblichen Eingliederungsmanagements wäre zum Scheitern verurteilt. Diese Erwägung erstreckt sich auf die Beteiligung der zuständigen Interessenvertretung, die zur effektiven Durchsetzung des Instruments grundsätzlich unentbehrlich ist. Zur Gewährleistung eines einheitlichen Schutzniveaus ist daher das aktive Engagement der Personalräte im Bereich der Länder in gleicher Weise geboten wie dasjenige der Betriebsräte in den Unternehmen der Privatwirtschaft und der Personalräte im Bereich der Bundesverwaltung.

33

cc) Soweit § 84 Abs. 2 SGB IX die Beteiligung von Personalvertretungen im Bereich der Länder regelt, könnte er wegen Aufhebung des Art. 75 GG a.F. zum 1. September 2006 nicht mehr erlassen werden; er gilt jedoch einstweilen als Bundesrecht fort (Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG n.F.). Zwar kann die Bestimmung im beschriebenen Umfang durch Landesrecht ersetzt werden (Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG n.F.). In Berlin ist solches bisher jedoch nicht geschehen.

34

Zwar hat der Berliner Landesgesetzgeber sein Personalvertretungsgesetz durch das Siebente Änderungsgesetz vom 17. Juli 2008, GVBl S. 206, umfangreich reformiert; zwei Gesetzesänderungen geringeren Umfangs aus letzter Zeit kommen hinzu. Keine dieser Änderungen betrifft jedoch die Beteiligung der Personalräte am betrieblichen Eingliederungsmanagement oder enthält unmittelbare oder mittelbare Aussagen, die im Widerspruch zur Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX stehen.

35

Das Änderungsgesetz vom 17. Juli 2008 betraf in seinem Schwerpunkt die Anpassung des Berliner Personalvertretungsrechts an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum demokratischen Prinzip (vgl. Beschluss vom 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 - BVerfGE 93, 37), ferner die Beteiligung der Personalräte bei Beschäftigungen im Rahmen von "Ein-Euro-Jobs" sowie im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik und bei befristeten Einstellungen an Schulen; in weiteren Regelungen wurden geringfügige Änderungen und Aktualisierungen vorgenommen (vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucks. 16/1108 S. 1 f., 14 ff.; Drucks. 16/1644). Art. XII Nr. 22 des Dienstrechtsänderungsgesetzes vom 19. März 2009, GVBl S. 70, 112, enthielt lediglich Folgeänderungen und die Berichtigung hinsichtlich einer Behördenbezeichnung (Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucks. 16/2049 S. 100 f., 159; Drucks. 16/2194). Art. III des Änderungsgesetzes vom 25. Januar 2010, GVBl S. 22, betraf lediglich die Anlage zum Berliner Personalvertretungsgesetz, in welcher die Dienststellen aufgezählt sind.

36

Die vorbezeichneten Gesetzesänderungen einschließlich der dazu zitierten Gesetzesmaterialien geben noch nicht einmal eine Absicht des Berliner Landesgesetzgebers zu erkennen, die Bestimmungen im zweiten Teil des Bundespersonalvertretungsgesetzes abzulösen. Selbst wenn dieses konkludent geschehen sein sollte, so wird die hier in Rede stehende Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX davon nicht erfasst. Der Landesgesetzgeber ist nach Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG n.F. befugt, die Ersetzung des Bundesrechts auf den abgrenzbaren Teilbereich einer Materie zu beschränken, soweit dabei eine unübersichtliche Gemengelage von Bundes- und Landesrecht vermieden wird (vgl. Stettner, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2007, Art. 125a Rn. 9; Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 125a Rn. 6; Seiler, in: Epping/Hillgruber, Grundgesetz, 2009, Art. 125a Rn. 4; Maiwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Grundgesetz, 11. Aufl. 2008, Art. 125a Rn. 7; zu Art. 125a Abs. 2 Satz 2 GG a.F.: BVerfG, Urteil vom 9. Juni 2004 - 1 BvR 636/02 - BVerfGE 111, 10 <30>). Demnach darf der Berliner Landesgesetzgeber die Rahmenvorschriften des Bundespersonalvertretungsgesetzes ablösen und zugleich die Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX unberührt lassen. Die Beteiligung des Personalrats am betrieblichen Eingliederungsmanagement ist ein Sonderfall, der sich von den Beteiligungstatbeständen des Berliner Personalvertretungsgesetzes klar abgrenzen lässt.

37

3. Mit Blick auf die Umstände des vorliegenden Einzelfalles ist die Zuleitung aller Anschreiben des Beteiligten an die betroffenen Beschäftigten nach § 73 Abs. 1 Satz 1 BlnPersVG erforderlich, um die Erfüllung der Aufgaben durch den Arbeitgeber im Sinne des § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX zu überwachen. Gegenstand der Überwachung ist die Bestimmung in § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX, wonach die betroffene Person zuvor - also vor Beginn des Klärungsprozesses nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX - auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen ist.

38

a) Dass das Unterrichtungsschreiben des Dienststellenleiters gemäß § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX nur mit Zustimmung der betroffenen Person dem Personalrat zur Kenntnis gebracht werden kann, ist von Gesetzes oder Verfassungs wegen nicht zwingend vorgegeben.

39

aa) Aus dem Wortlaut der Regelung in § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ergibt sich eine derartige Aussage nicht. Sie folgt auch nicht aus dem rechtssystematischen Zusammenhang mit § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, wonach der dort beschriebene Klärungsprozess "mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person" stattfindet. Das Hinweisschreiben nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ist dem Klärungsprozess nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zeitlich vorgelagert. Die Abhängigkeit des Klärungsprozesses selbst von der Zustimmung des Betroffenen besagt für sich gesehen noch nichts darüber, ob die dem Dienststellenleiter aufgegebene Belehrung über die Ziele und Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements dem Personalrat zugeleitet werden kann.

40

bb) Sinn und Zweck des Zustimmungserfordernisses nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX schließt die Weiterleitung des Hinweisschreibens ohne Zustimmung des Betroffenen nicht von vornherein aus. Es liegt auf der Hand, dass die vom Gesetzgeber gewünschte Wiedereingliederung des Betroffenen in den Arbeitsprozess nur gelingen kann, wenn der Betroffene dies selbst will und sich aktiv in den Klärungsprozess einbringt. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement ohne oder gar gegen den Willen des Betroffenen ist daher von vornherein zum Scheitern verurteilt. Dessen Erfolg ist aber nicht schon dann ausgeschlossen, wenn vor dessen Durchführung das in generalisierter Form abgefasste Hinweisschreiben nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ohne Zustimmung des Betroffenen dem Personalrat zu Kontrollzwecken zugeleitet wird.

41

cc) Letzteres verbietet sich nicht stets wegen des Grundrechts des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG). Das Persönlichkeitsrecht umfasst die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu bestimmen, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Dieses Recht ist nicht schrankenlos gewährleistet, sondern muss sich Einschränkungen im überwiegenden Allgemeininteresse gefallen lassen. Diese Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Einzelnen erkennbar ergeben (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <42, 44>).

42

Das Hinweisschreiben des Dienststellenleiters nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX enthält zwingend die Information, dass der angeschriebene Beschäftigte zum Kreis derjenigen zählt, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren (§ 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Die Weitergabe dieses Schreibens an den Personalrat stellt daher einen gewichtigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Doch ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass dieser Eingriff im zu entscheidenden Einzelfall durch überwiegende gegenläufige Interessen gerechtfertigt wird. Als solches kommt das Überwachungsrecht nach § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX in Betracht, das letztlich dazu dient, kranken Beschäftigten den Arbeitsplatz und damit die wirtschaftliche Existenz zu erhalten. Hinzu kommt, dass das Gewicht des Eingriffs aufgrund besonderer Umstände des zu beurteilenden Sachverhalts relativiert sein kann. Für diese Fälle enthält die Regelung zum Informationsrecht des Personalrats in § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 BlnPersVG eine strikt aufgabengebundene, in ihrer Reichweite durch das Erforderlichkeitsprinzip begrenzte bereichsspezifische Rechtsgrundlage, die dem Gebot der Normenklarheit entspricht (vgl. Beschluss vom 23. Januar 2002 a.a.O. S. 5 bzw. S. 204 m.w.N.).

43

b) Der Antragsteller kann hier nur bei Kenntnis von jedem Anschreiben vollständig überprüfen, ob der jeweils betroffene Beschäftigte überhaupt und ob er nach Maßgabe von § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ordnungsgemäß unterrichtet wurde. Die Mitteilung eines anonymisierten Mustertextes reicht nicht aus. Aus ihm kann der Antragsteller zwar ersehen, ob die gesetzlichen Vorgaben beachtet und die betroffenen Beschäftigten in allgemein verständlicher Form angesprochen werden. Er erlangt jedoch auf diese Weise keine hinreichende Gewissheit darüber, dass alle betroffenen Beschäftigten über das gesetzliche Angebot des betrieblichen Eingliederungsmanagements tatsächlich informiert werden.

44

c) Die Vorlagepflicht des Beteiligten ist von der Darlegung eines besonderen Anlasses, namentlich einer zu besorgenden Rechtsverletzung unabhängig. Nur die Kenntnis von jedem Anschreiben versetzt den Antragsteller in die Lage, etwaigen Verstößen des Beteiligten gegen § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX bereits im Vorfeld effektiv entgegenwirken zu können (vgl. Beschlüsse vom 23. Januar 2002 - BVerwG 6 P 5.01 - PersR 2002, 201 <202>, insoweit bei Buchholz a.a.O. nicht abgedruckt, vom 24. Februar 2006 - BVerwG 6 P 4.05 - Buchholz 251.91 § 77 SächsPersVG Nr. 1 Rn. 17 und vom 16. Februar 2010 a.a.O. Rn. 23).

45

d) § 73 Abs. 1 Satz 3 BlnPersVG, wonach Personalakten nur mit Einwilligung des Betroffenen vorgelegt werden dürfen, ist hier weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. Personalakten sind eine Sammlung von Schriftstücken, die in Bezug zur Person des Beschäftigten von dienstlichem Interesse sind. Sie sollen ein umfassendes, möglichst lückenloses Bild über Herkunft, Ausbildung, beruflichen Bildungsgang, sonstige dienstliche relevante Daten (z.B. über Befähigung und Leistungen) sowie über das dienstliche und ggf. außerdienstliche Verhalten des Beschäftigten geben. Das Unterrichtungsschreiben des Beteiligten an den jeweils betroffenen Beschäftigten gemäß § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ist weit davon entfernt, jenes vollständige Bild über die Persönlichkeit des Beschäftigten zu liefern, welches für Personalakten typisch ist (vgl. Beschlüsse vom 23. Januar 2002 - BVerwG 6 P 5.01 - Buchholz 250 § 68 BPersVG Nr. 17 S. 4 f. = PersR 2002, 201 <204> und vom 16. Februar 2010 a.a.O. Rn. 25).

46

Die entsprechende Anwendung von § 73 Abs. 1 Satz 3 BlnPersVG auf Schriftstücke, die personenbezogene Angaben über Beschäftigte enthalten, scheidet aus. Würde man in allen diesen Fällen den Informationsanspruch des Personalrats an die Zustimmung des betroffenen Beschäftigten knüpfen, so wäre die Mitbestimmung des Personalrats insbesondere in personellen Angelegenheiten weitgehend entwertet (vgl. Beschluss vom 23. Januar 2002 a.a.O. S. 5 bzw. S. 204 m.w.N.).

47

e) Das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Beschäftigten, insbesondere sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches die Auslegung und Anwendung des Erforderlichkeitsmerkmals in § 73 Abs. 1 Satz 2 BlnPersVG im zu entscheidenden Einzelfall steuert, rechtfertigt hier keine abweichende Beurteilung.

48

aa) Soweit es um die Dauer der Arbeitsunfähigkeit geht, liegt nach den Umständen des vorliegenden Falls ein zusätzlicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat rechtskräftig festgestellt, dass der Beteiligte verpflichtet ist, dem Antragsteller ohne vorherige Zustimmung des jeweils Betroffenen mitzuteilen, welche Beschäftigten der Dienststelle innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren. Damit hat es diese in Rechtsprechung und Schrifttum umstrittene Frage im Sinne des Antragstellers beantwortet (vgl. zum Meinungsstand: VG Hamburg, Beschluss vom 10. November 2006 a.a.O.; Seel, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 84 Rn. 83; Klaesberg, PersR 2008, 391 <394>; Schulz, a.a.O. S. 247; Richter/Gamisch, RiA 2009, 241 <245> einerseits; VGH München, Beschluss vom 30. April 2009 - 17 P 08.3389 - juris; VG Aachen, Beschluss vom 25. September 2008 - 16 K 836/08.PVL - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Oktober 2008 a.a.O.; Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 11. Aufl. 2005, § 84 Rn. 9; Koch, PersV 2008, 256; Baßlsperger, PersV 2010, 129 <131> andererseits).

49

Der Senat ist an die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Die Begründung, mit welcher das Verwaltungsgericht die Verpflichtung des Beteiligten zur Mitteilung des von § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX erfassten Personenkreises bejaht hat, entfaltet keine präjudizielle Wirkung für den Streitgegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens, in welchem es um die Weitergabe der Anschreiben an die Betroffenen und deren Antworten geht.

50

Doch kann der Senat die tatsächlichen Auswirkungen der rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Rahmen der Abwägung nach § 73 Abs. 1 Satz 2 BlnPersVG nicht unberücksichtigt lassen. Diese gehen dahin, dass der Beteiligte, der der rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Folge zu leisten hat, dem Antragsteller die Namen der im Sinne von § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX betroffenen Personen mitteilt. Aufgrund dieser Mitteilung ist der Antragsteller bereits davon unterrichtet, welcher Beschäftigte der Dienststelle innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist. Hinsichtlich dieses Gesundheitsdatums erfährt der Antragsteller aus dem Hinweisschreiben des Beteiligten nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX nichts, was er nicht bereits aufgrund der Mitteilung über den betroffenen Personenkreis weiß.

51

bb) Freilich erfährt der Antragsteller durch die Anschreiben die Privatanschriften der betroffenen Beschäftigten. Ein ins Gewicht fallender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist damit aber nicht verbunden. Zum Einen werden die Adressen dem Antragsteller jedenfalls teilweise bereits aus anderen Zusammenhängen bekannt sein oder lassen sich in der Regel auch ohne Einschaltung des Beteiligten auf einfachem Wege ermitteln. Zum Anderen ist der mit der Wiedergabe der Anschriften verbundene moderate Eingriff in das Persönlichkeitsrecht gerechtfertigt. Insbesondere ist er verhältnismäßig. Wenn der Antragsteller darüber wacht, dass jeder betroffene Beschäftigte ordnungsgemäß über die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements unterrichtet wird, so dient dies dem Schutz des Betroffenen vor dem drohenden Verlust seines Arbeitsplatzes. Die korrekte Belehrung eines jeden Betroffenen ist wesentliche Voraussetzung dafür, dass das Angebot des betrieblichen Eingliederungsmanagements vom Beschäftigten positiv aufgegriffen wird und die vom Gesetzgeber intendierte Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess gelingen kann.

52

cc) Der Beteiligte ist gehalten, den Inhalt seines Anschreibens auf diejenigen Gesichtspunkte zu begrenzen, die für eine ordnungsgemäße Belehrung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX unumgänglich sind. In dieser Hinsicht genügt eine abstrakte Bezeichnung der Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements, wie sie in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX definiert sind. Die zu den Gerichtsakten gereichten Anschreiben des Beteiligten vom 20. April und 1. Juni 2006 tragen diesen Anforderungen Rechnung. Freilich ist die Information der Beschäftigten noch um die Angaben zur Datenerhebung und -verwendung zu ergänzen. Auch in dieser Hinsicht ist ein genereller Hinweis ausreichend. Die Verpflichtung des Beteiligten, den Inhalt des Anschreibens auf das unumgänglich Notwendige zu beschränken, besteht nicht nur gegenüber dem betroffenen Beschäftigten, sondern auch gegenüber dem Antragsteller. Nur auf diese Weise können der Schutz des Beschäftigten vor einer Weitergabe seiner Daten und die effektive Erfüllung der Personalratsaufgaben zu einem schonenden Ausgleich gebracht werden. Die Dienststelle ist nicht befugt, in das Anschreiben individuelle, auf die Art der Erkrankung hinweisende Angaben aufzunehmen und sodann unter Hinweis auf den Datenschutz das Kontrollrecht der Personalvertretung auszuschalten.

53

f) Der Beteiligte hat die Anschreiben dem Vorsitzenden des Antragstellers oder einem vom Antragsteller zu bestimmenden Personalratsmitglied zur Kenntnis zu geben. Die Beschränkung von Mitteilungen des Dienststellenleiters an den Personalrat auf einzelne Personalratsmitglieder ist ein in der Verwaltungsrechtsprechung anerkanntes Mittel, um dem Schutz besonders sensibler personenbezogener Daten der Beschäftigten Rechnung zu tragen (vgl. Beschlüsse vom 22. April 1998 - BVerwG 6 P 4.97 - Buchholz 251.91 § 73 SächsPersVG Nr. 1 S. 5, vom 23. Januar 2002 a.a.O. S. 6 bzw. S. 205 und vom 16. Februar 2010 a.a.O. Rn. 1). Es liegt nahe, darauf zurückzugreifen, wenn es wie im vorliegenden Fall um Gesundheitsdaten geht.

54

4. Dagegen kann der Antragsteller nicht verlangen, dass der Beteiligte ihm die Antwortschreiben der Beschäftigten ohne deren Zustimmung zur Kenntnis bringt. Er benötigt nicht die Kenntnis aller Antwortschreiben, um sein Überwachungsrecht nach § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX wahrnehmen zu können. Gegenstand der Überwachung ist hier die Regelung in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX. Danach klärt der Arbeitgeber bei Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, mit der zuständigen Interessenvertretung mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Die Kenntnis aller Antwortschreiben ist, wie sich aus der Abwägung der betroffenen Belange ergibt, zur Wahrung des Beteiligungsrechts der Personalvertretung aus § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nicht erforderlich im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 BlnPersVG. Auch ohne Kenntnis aller Antwortschreiben erlangt der Antragsteller hinreichende Gewissheit darüber, dass das betriebliche Eingliederungsmanagement unter seiner Beteiligung in allen Fällen stattfindet, in denen der betroffene Beschäftigte dazu seine Zustimmung erteilt hat.

55

a) Als Reaktion auf das Hinweisschreiben des Dienststellenleiters nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ergeben sich mit Blick auf die Regelung in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX im Ergebnis drei mögliche Antwortalternativen des Beschäftigten. Dieser kann erklären, dass er mit der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht einverstanden ist. Er kann erklären, dass er mit der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements unter Beteiligung der Personalvertretung einverstanden ist. Schließlich kann er erklären, dass er der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements durch die Dienststelle zustimmt, die Beteiligung des Personalrats daran aber ablehnt. Von einem derartigen modifizierten Zustimmungsrecht des betroffenen Beschäftigten ist das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht ausgegangen (ebenso VGH München a.a.O. Rn. 26).

56

aa) Der Wortlaut der Regelung in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX geht allerdings eher in die entgegengesetzte Richtung. Er kann ohne Weiteres in der Weise gelesen werden, dass sich die "Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person" auf den Klärungsprozess bezieht, den "der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung" vornimmt. Bei diesem sprachlichen Verständnis kann der im Wege der Kooperation von Arbeitgeber und Interessenvertretung durchzuführende Klärungsprozess vom Beschäftigten nur als solcher angenommen oder abgelehnt werden. Freilich ist der Wortlaut der Vorschrift für ein abweichendes Verständnis offen, sofern die übrigen Auslegungsmethoden oder verfassungsrechtliche Erwägungen dies gebieten.

57

bb) Auch die Rechtssystematik spricht eher dafür, dass die Beteiligung der Personalvertretung am betrieblichen Eingliederungsmanagement unverzichtbar ist.

58

Wie bereits oben erörtert, sind die in § 84 Abs. 2 SGB IX angesprochenen Aufgaben der zuständigen Interessenvertretungen eingebettet in die speziellen Regelwerke für diese Interessenvertretungen. Es ist anzunehmen, dass der Bundesgesetzgeber bei der Verabschiedung der Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX vor allem die Bestimmungen im Bundespersonalvertretungsgesetz über die Personalvertretungen im Bundesdienst im Auge hatte. Aus ihnen ergibt sich, dass die Beteiligung des Personalrats grundsätzlich nicht von der Zustimmung des jeweils betroffenen Beschäftigten abhängig ist. Ausnahmen bestehen nur in einzelnen, ausdrücklich geregelten Angelegenheiten: Gewährung von Zuwendungen (§ 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 BPersVG), Geltendmachung von Ersatzansprüchen (§ 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9, Satz 2 BPersVG), Personalangelegenheiten des Dienststellenleiters und vergleichbarer Personen, der Beamten auf Zeit sowie der Beschäftigten mit überwiegend wissenschaftlicher oder künstlerischer Tätigkeit (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG) sowie Erhebung der Disziplinarklage, Entlassung von Beamten auf Probe oder auf Widerruf und vorzeitige Versetzung in den Ruhestand (§ 78 Abs. 1 Nr. 3 bis 5, Abs. 2 Satz 2 BPersVG). Dagegen ist die Beteiligung des Personalrats selbst in solchen Angelegenheiten nicht zustimmungsbedürftig, in denen ausschließlich einzelne Beschäftigte betroffen sind, z.B. bei Übertragung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit und Rückgruppierung (§ 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG), bei Versagung oder Widerruf einer Nebentätigkeitsgenehmigung (§ 75 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG) oder bei Kündigung (§ 79 BPersVG). Der Beschäftigte kann zwar den Auskunftsanspruch des Personalrats für Personalakten und dienstliche Beurteilungen begrenzen (§ 68 Abs. 2 Satz 3 und 4 BPersVG), nicht aber das Beteiligungsrecht selbst. Der Gesetzgeber will von vornherein ausschließen, dass der Beschäftigte unter Druck gesetzt wird, auf die Beteiligung der Personalvertretung zu verzichten. Diese ist zudem auch bei personellen Einzelmaßnahmen geeignet, auf eine gleichmäßige Behandlung der Beschäftigten hinzuwirken.

59

cc) Im Gegensatz dazu enthält die Entstehungsgeschichte der Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber die Einschaltung der zuständigen Interessenvertretung beim betrieblichen Eingliederungsmanagement von der Zustimmung des betroffenen Beschäftigten abhängig machen wollte.

60

Die Begründung zum Gesetzentwurf der damaligen Koalitionsfraktionen äußert sich nicht zu der hier in Rede stehenden Frage (vgl. BTDrucks 15/1783 S. 16). Der Bundesrat hat indes in seiner Stellungnahme die Befürchtung geäußert, dass der Arbeitgeber die Interessenvertretung ohne Einverständnis des Betroffenen einschaltet (BTDrucks 15/2318 S. 16). In ihrer Gegenäußerung hat die Bundesregierung erwidert, der Arbeitgeber könne die Interessenvertretung nach dem ausdrücklichen Wortlaut der vorgesehenen Regelung nur mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person einschalten (BTDrucks 15/2318 S. 22 zu Nr. 15). Der Ausschuss für Gesundheit und soziale Sicherung ist in seiner Beschlussempfehlung auf die Meinungsäußerung der Bundesregierung nicht zurückgekommen, hat ihr aber auch nicht widersprochen (BTDrucks 15/2357 S. 9 f. und S. 24 jeweils zu Nr. 20).

61

dd) Sinn und Zweck der Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX gebieten es, dass das betriebliche Eingliederungsmanagement ohne Beteiligung der Interessenvertretung möglich sein muss.

62

Durch die dem Arbeitgeber von § 84 Abs. 2 SGB IX auferlegten besonderen Verhaltenspflichten soll möglichst frühzeitig einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines kranken Menschen begegnet und die dauerhafte Fortsetzung der Beschäftigung erreicht werden. Ziel des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist die frühzeitige Klärung, ob und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu fördern. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Maßnahmen dienen damit letztlich der Vermeidung der Kündigung und der Verhinderung von Arbeitslosigkeit erkrankter und kranker Menschen (vgl. BTDrucks 15/1783 S. 16; 15/2318 S. 22 zu Nr. 15; BAG, Urteil vom 12. Juli 2007 a.a.O. Rn. 40; Baßlsperger, a.a.O. S. 129; Seel, a.a.O. § 84 Rn. 61).

63

Die aktive Beteiligung der zuständigen Interessenvertretung ist ein nützliches Element des betrieblichen Eingliederungsmanagements. Sie ist geeignet, das nötige Vertrauen beim Beschäftigten zu wecken, ohne dessen Eigeninitiative das Konzept zum Scheitern verurteilt ist. Sie kann wesentlich dazu beitragen, dass die Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers zur Erhaltung des Arbeitsplatzes und zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit genutzt werden (vgl. Richter/Gamisch, a.a.O. S. 244).

64

Es ist gleichwohl immer denkbar, dass einzelne Beschäftigte - aus welchen Gründen auch immer - kein Vertrauen zum Personalrat haben. Ist die Zustimmung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement stets mit der Beteiligung des Personalrats verbunden, so führt dies bei einem derartigen Beschäftigten zu folgender Entscheidungsalternative: Entweder lehnt er die Einschaltung des Personalrats ab; damit verliert er zugleich die Chance auf Wiedereingliederung, welche die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements verspricht. Oder er stimmt diesem Instrument zu; dann muss er die - mit der Unterrichtung über sensible Daten verbundene - Beteiligung des Personalrats hinnehmen, zu welchem er kein Vertrauen hat; das sind keine günstigen Voraussetzungen für den Erfolg des Klärungsprozesses, der ohne die aktive, motivierte Mitwirkung des Betroffenen selbst nicht gelingen kann. Den Beschäftigten einer derartigen Zwangslage auszusetzen, ist unverhältnismäßig und mit Blick auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements kontraproduktiv. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dem Beschäftigten auch ohne Beteiligung der Personalvertretung bei der Erhaltung seines Arbeitsplatzes im Sinne von § 84 Abs. 2 SGB IX effektiv geholfen wird. Diese Chance muss gewahrt bleiben. Die dahingehende Auslegung der Vorschrift respektiert das Selbstbestimmungsrecht des Beschäftigten und steht damit im Einklang mit Vorstellungen, welche dem Persönlichkeitsrecht der Verfassung nach Art. 2 Abs. 1 GG zugrunde liegen.

65

b) Die Mitteilung sämtlicher Antwortschreiben ist - wie sich aus einer Abwägung der widerstreitenden Belange ergibt - nicht erforderlich im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 BlnPersVG.

66

Der Antragsteller benötigt weder die Antworten derjenigen Beschäftigten, die das betriebliche Eingliederungsmanagement für sich überhaupt ablehnen, noch die Antworten derjenigen, die das betriebliche Eingliederungsmanagement ohne Beteiligung der Personalvertretung wünschen. Das Gewicht des Überwachungsrechts des Personalrats nach § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX ist insoweit äußert gering. In keiner dieser beiden Fallgruppen ist das Beteiligungsrecht des Personalrats nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX gegeben, so dass es insoweit für den Regelfall an der Grundlage für das Überwachungsrecht und das darauf bezogene Informationsrecht nach § 73 Abs. 1 Satz 1 BlnPersVG fehlt. Dem Überwachungsrecht kommt auch nicht deshalb eine ins Gewicht fallende Bedeutung zu, weil - wie der Antragsteller meint - es bei dem Beteiligten zu Fehlern bei der Zuordnung derjenigen Antworten kommen kann, welche die Zustimmung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement unter Beteiligung der Personalvertretung zum Ausdruck gebracht haben, und dieser durch Übersendung aller Antwortschreiben die Möglichkeit eröffnet wird, solche Mängel aufzudecken.

67

Die richtige Zuordnung der drei verschiedenen Antwortvarianten auf Seiten der Dienststelle ist eine einfach zu lösende Aufgabe. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Dienststellenleiter wie hier in den Anlassfällen mit seinem Anschreiben zugleich die Antwortvarianten nach der Ankreuzmethode formularmäßig vorgibt. Nicht völlig auszuschließende Fehler ("Ausreißer") bleiben typischerweise nicht unbemerkt. Beschäftigte, die dem betrieblichen Eingliederungsmanagement unter Beteiligung der Personalvertretung zugestimmt haben, werden sich beim Antragsteller oder beim Beteiligten oder bei beiden in Erinnerung bringen, wenn der Klärungsprozess im Widerspruch zu ihrem Antwortschreiben nicht oder nicht mit Beteiligung des Antragstellers stattfindet. Dieser Gesichtspunkt ist hier im Rahmen der Abwägung nach § 73 Abs. 1 Satz 2 BlnPersVG zu berücksichtigen, auch wenn das Informationsrecht des Antragstellers in seinem Bestand grundsätzlich nicht von Initiativen einzelner Beschäftigter abhängig gemacht werden kann.

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Das verbleibende, nach alledem gering zu veranschlagende "Restrisiko" rechtfertigt es nicht, dem Antragsteller die Antwortschreiben all derjenigen zu überlassen, die dem betrieblichen Eingliederungsmanagement nicht oder nur ohne seine Beteiligung zugestimmt haben. Den Persönlichkeitsrechten kommt insoweit bedeutend größeres Gewicht zu.

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Werden dem Antragsteller die Antwortschreiben derjenigen Beschäftigten zur Kenntnis gebracht, die der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht zugestimmt haben, so erfährt er ohne Zustimmung der Betroffenen, welche Haltung diese zum gesetzlichen Angebot nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX haben. Es handelt sich um eine Äußerung, welche die Gesundheit der Beschäftigten mit Bezug zu ihrem Arbeitsplatz und zu ihrer beruflichen Existenz betrifft.

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Werden dem Antragsteller die Antwortschreiben derjenigen zur Kenntnis gebracht, die dem betrieblichen Eingliederungsmanagement nur ohne Einschaltung der Personalvertretung zugestimmt haben, so erfährt er, welche Beschäftigten ihm kein hinreichendes Vertrauen entgegenbringen.

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Die Mitteilung der Antwortschreiben in den beiden vorbezeichneten Fallgruppen bringt einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von erheblicher Intensität mit sich. So liegt es insbesondere bei den Beschäftigten, die die Beteiligung der Personalvertretung ablehnen. Im Fall der Mitteilung auch dieser Antwortschreiben an den Antragsteller würde dieser davon in Kenntnis gesetzt, dass der jeweilige Beschäftigte ihm (im Zusammenhang mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement) kein Vertrauen entgegenbringt. Die Persönlichkeitsrelevanz dieser Information ist hoch zu gewichten. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nicht verhältnismäßig, weil zu seiner Rechtfertigung nennenswerte Gefahren für gleich- oder höherrangige Rechtsgüter nicht in Rede stehen. Das Risiko, dass gerade die Nichtweiterleitung aller Antwortschreiben der Betroffenen an den Antragsteller zum Arbeitsplatzverlust bei einem einzelnen Beschäftigten führt, ist nach den beschriebenen typischen Geschehensabläufen rein theoretischer Natur. Hinzu kommt, dass in den Fällen der Ablehnung einer Personalratsbeteiligung nicht ausgeschlossen werden kann, dass einzelne Beschäftigte bei zu erwartender Weiterleitung ihrer Antwort an den Personalrat auf die Teilnahme am betrieblichen Eingliederungsmanagement verzichten und deswegen ihren Arbeitsplatz gefährden. Dies stünde im Widerspruch zu den Zielen, die der Gesetzgeber mit der Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX verfolgt.

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.

(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.

(1) In Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und den Gerichten der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit sind von der Zahlung der Kosten befreit der Bund und die Länder sowie die nach Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlichen Anstalten und Kassen. In Verfahren der Zwangsvollstreckung wegen öffentlich-rechtlicher Geldforderungen ist maßgebend, wer ohne Berücksichtigung des § 252 der Abgabenordnung oder entsprechender Vorschriften Gläubiger der Forderung ist.

(2) Für Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen nach § 2a Absatz 1, § 103 Absatz 3, § 108 Absatz 3 und § 109 des Arbeitsgerichtsgesetzes sowie nach den §§ 122 und 126 der Insolvenzordnung werden Kosten nicht erhoben.

(3) Sonstige bundesrechtliche Vorschriften, durch die für Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und den Gerichten der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit eine sachliche oder persönliche Befreiung von Kosten gewährt ist, bleiben unberührt. Landesrechtliche Vorschriften, die für diese Verfahren in weiteren Fällen eine sachliche oder persönliche Befreiung von Kosten gewähren, bleiben unberührt.

(4) Vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit und den Gerichten für Arbeitssachen finden bundesrechtliche oder landesrechtliche Vorschriften über persönliche Kostenfreiheit keine Anwendung. Vorschriften über sachliche Kostenfreiheit bleiben unberührt.

(5) Soweit jemandem, der von Kosten befreit ist, Kosten des Verfahrens auferlegt werden, sind Kosten nicht zu erheben; bereits erhobene Kosten sind zurückzuzahlen. Das Gleiche gilt, soweit eine von der Zahlung der Kosten befreite Partei Kosten des Verfahrens übernimmt.

(1) Die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten trägt der Arbeitgeber.

(2) Für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung hat der Arbeitgeber in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal zur Verfügung zu stellen.

(1) Gegen den das Verfahren beendenden Beschluß eines Landesarbeitsgerichts findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Beschluß des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 92a Satz 2 zugelassen wird. § 72 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 85 Abs. 2 findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(2) Für das Rechtsbeschwerdeverfahren gelten die für das Revisionsverfahren maßgebenden Vorschriften sowie die Vorschrift des § 85 über die Zwangsvollstreckung entsprechend, soweit sich aus den §§ 93 bis 96 nichts anderes ergibt. Für die Vertretung der Beteiligten gilt § 11 Abs. 1 bis 3 und 5 entsprechend. Der Antrag kann jederzeit mit Zustimmung der anderen Beteiligten zurückgenommen werden; § 81 Abs. 2 Satz 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Einlegung der Rechtsbeschwerde hat aufschiebende Wirkung. § 85 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.