Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 27. Sept. 2012 - 6 K 1824/11

ECLI: ECLI:DE:FGRLP:2012:0927.6K1824.11.0A
published on 27/09/2012 00:00
Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 27. Sept. 2012 - 6 K 1824/11
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Gericht

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Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 02. Februar 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01. Juni 2011 wird aufgehoben.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

III. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.

IV. Das Urteil ist wegen der von der Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Beklagte zu Recht ab Januar 2011 den Kindergeldanspruch des Klägers für das Kind P abgezweigt hat.

2

Das Kind P. B., geboren am 06. November 1992, ist zu 100 % schwerbehindert und lebt im Haushalt des Klägers und dessen Ehefrau. Die Kindesmutter, Frau B. B., ist mit Bestellungsurkunde das Amtsgerichts P zur Betreuerin bestellt worden, der Kläger zum Ersatzbetreuer.

3

Nach vorheriger Anhörung und diversem Schriftverkehr gab die Beklagte mit Bescheid vom 02. Februar 2011 dem Antrag der Beigeladenen, der Stadt P, auf Abzweigung des Kindergeldes i.H.v. 184,00 € monatlich ab dem Zeitraum Januar 2011 statt. Mit Bescheid vom selben Datum gegenüber dem Kläger wurde die Abzweigung diesem gegenüber angezeigt und zur Begründung ausgeführt, dass nach den Feststellungen der Familienkasse von Seiten des Klägers dem Kind P gegenüber kein Unterhalt gewährt werde. Die Abzweigung i.H.v. 184,00 € monatlich sei in dieser Höhe angemessen, weil das Kindergeld insoweit für den Kindesunterhalt bestimmt sei. Der gesamte Unterhaltsbedarf des Kindes werde durch die finanziellen Leistungen des Sozialamtes gedeckt.

4

Mit seinem hiergegen form- und fristgerecht eingelegten Einspruch brachte der Kläger vor, dass allein die Aufwendungen zur Betreuung, Pflege und Aufsicht, die der Kläger neben der Gewährleistung eines zusätzlichen Krankenversicherungsschutzes sowie der Versorgung mit notwendigen Zusatzmedikamenten, deren Kaufpreis von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erstattet werde, die Höhe des beanspruchten Kindergeldes um ein Vielfaches übersteige. Die vom Kläger erbrachten anderen Unterhaltsleistungen seien offensichtlich im angefochtenen Bescheid vom 02. Februar 2011 nicht berücksichtigt. Sollte ein weiterer Nachweis insoweit erforderlich sein, werde um einen entsprechenden Hinweis gebeten. Mit weiterer Einspruchsbegründung führte der Kläger sodann aus, die Aufwendungen allein für die Schuhe des Kindes außerordentlich hoch seien. Aufgrund der Behinderung schleife P mit seinen Füßen über den Boden, wodurch die Schuhe in erheblichem Maße in Mitleidenschaft gezogen würden. Im Übrigen seien nur Schuhe mit Klettverschluss geeignet, da ein selbständiges Anziehen und Binden infolge der Behinderung nicht möglich sei. Hinsichtlich der Bekleidung für P sei darauf hinzuweisen, dass nur Hosen mit Klettverschluss geeignet seien. Infolge der Behinderung sei das Öffnen von Gürteln bzw. Knöpfen nicht möglich. Bettwäsche, Steppdecken, etc. müssten häufig ausgetauscht werden, da P häufig einnässe. Entsprechende Belege für Schuhe, Bettwäsche und Kleidung seien in Kopie beigefügt. Wegen häufigem Einnässen seien auch des Öfteren Teppichläufer seines Zimmers auszutauschen. Auch diesbezüglich werde auf den beigefügten Beleg verwiesen. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass für P monatlich 30,00 € an Essensgeld sowie für seine Klassenkasse entrichtet werden müsse. Für das Medikament Melantonin müsse der Kläger monatlich ca. 72,10 € aufwenden, da die Kosten für dieses Medikament von der gesetzlichen Krankenkasse nicht übernommen würden. Andererseits sei dieses Medikament unverzichtbar, unverzichtbar, um wenigstens einigermaßen die Nachtruhe von P (und damit der Betreuungsperson) sicherzustellen.

5

Nach erfolgter Hinzuziehung der Stadt P zum Einspruchsverfahren gab diese unter dem 24. März 2011 folgende Stellungnahme ab:

6

„Der Sozialleistungsträger erbringt bei Herrn B die Aufwendungen für die anteiligen Kosten der Unterkunft, sowie den gesetzlich vorgeschriebenen Regelsatz und einen Mehrbedarf nach dem SGB XII. Damit sind die nach dem Gesetz vorgesehenen Bedarfe gedeckt.

Nach der derzeitigen Rechtslage sind die vom Kindergeldberechtigten geltend gemachten Aufwendungen leider nicht als abzugsfähige Aufwendungen anzuerkennen.

Die aufgeführten Aufwendungen für Schuhe und Bekleidung mit Klettverschluss sind durch den Regelsatz des SGB XII gedeckt, ein Mehrbedarf ist auch nicht anzuerkennen.

Ob für das häufigere Tauschen/Waschen der Bettwäsche ein Mehrbedarf gerechtfertigt ist, müsste im Rahmen der Leistungsgewährung beim Sozialleistungsträger geprüft werden.

Werden Medikamente von der Krankenkasse nicht übernommen, ist auch eine Übernahme im Rahmen des SGB XII nicht möglich.

Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofes sind die Voraussetzungen für die Abzweigung des Kindergeldes nach § 74 Abs. 1 EStG auch dann erfüllt, wenn der Kindergeldberechtigte nicht zum Unterhalt seines volljährigen, behinderten Kindes verpflichtet ist, weil es Grundsicherungsleistungen nach § 41 ff. SGB XII, wie in diesem Fall, erhält.

Wir bitten daher den Einspruch zurückzuweisen und die Abzweigung des Kindergeldes an den Sozialleistungsträger weiterhin beizubehalten.“

7

Mit Einspruchsentscheidung vom 01. Juni 2011 wies die Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück und führte zur Begründung wörtlich aus:

8

„Kindergeld kann an ein Kind bzw. an die für seinen Unterhalt aufkommende Stelle ausgezahlt (abgezweigt) werden, wenn der Berechtigte seine gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind verletzt (§ 74 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 Einkommensteuergesetz – EStG -). Eine Unterhaltspflicht setzt einen ungedeckten Unterhaltsbedarf des Kindes (§ 1602 Bürgerliches GesetzbuchBGB -) und die Leistungsfähigkeit des Kindergeldberechtigten Elternteils (§ 1603 BGB) voraus.

Kindergeld kann auch abgezweigt werden, wenn der Berechtigte mangels Leistungsfähigkeit gegenüber dem Kind nicht unterhaltsverpflichtet ist (§ 1603 BGB) oder wenn er mit einem Betrag, der geringer als das auf das Kind entfallende Kindergeld ist, seine Unterhaltspflicht erfüllt (§ 74 Abs. 1 Satz 3 EStG).

Die Vorschrift des § 74 Abs. 1 EStG dient dem Zweck, im konkreten Bedarfsfall schnelle und unbürokratische Hilfe zu leisten und das Kindergeld an die Personen oder Stellen auszuzahlen, denen es letztendlich zugutekommen soll.

Die Abzweigung steht grundsätzlich im Ermessen der Familienkasse. Im Hinblick auf die Zweckbestimmung des Kindergeldes können die geltend gemachten Ausgaben des Klägers nicht als Unterhaltsleistungen berücksichtigt werden. Die geltend gemachten Aufwendungen werden von den Grundsicherungsleistungen, die das Kind erhält, abgedeckt. Die Kosten für ein Medikament, für das die Krankenkasse keine Leistung erbringt, können nicht als Unterhaltsleistungen anerkannt werden.

Die Ermessensentscheidung wurde unter Abwägung der von der Stadtverwaltung P und des Klägers geltend gemachten Einwände getroffen. Die Voraussetzungen für eine Abzweigung liegen vor. Der Kläger erfüllt seine gesetzliche Unterhaltspflicht nicht bzw. ist nicht unterhaltsverpflichtet. Die Stadtverwaltung P stellt durch die Grundsicherungsleistungen den Unterhalt des Kindes sicher.

Im vorliegenden Fall wird ab Januar 2011 das monatlich anteilige Kindergeld an die Stadtverwaltung P abgezweigt.

Der Einspruch konnte nach der festgestellten Sach- und Rechtslage keinen Erfolg haben.“

9

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 05. Juli 2011 bei Gericht eingegangenen Klage. Er trägt zur Begründung seiner Klage vor, dass dem Sohn im Haushalt des Klägers ein ca. 20 qm großes Zimmer zur Verfügung stehe, das entsprechend den Behinderungen des Kindes ausgestattet sei. Allein der Aufwand für das zur Verfügung gestellte Zimmer sei einschließlich sämtlicher Nebenkosten, die anteilig auf das Zimmer entfielen, monatlich mit mind. 100,00 € in Ansatz zu bringen. Das Kind werde vollumfänglich im Haushalt des Klägers verpflegt und versorgt. Behinderungsbedingt seien insoweit täglich mindestens zwei Stunden zu veranschlagen. Für den zusätzlichen Betreuungsaufwand seien monatlich unter Zugrundelegung eines niedrig gegriffenen Stundensatzes von 8,00 € ein Betrag von 480,00 € monatlich zu veranschlagen. Dies fließe dem behinderungsbedingt häufigen Wechsel der Kleidung mit ein.

10

Fahrtkosten i.H.v. monatlich mindestens 25,00 € im Rahmen therapeutischer und medizinischer Maßnahmen müssten ebenfalls zusätzlich aufgewandt werden. Für das Medikament Melantonin seien monatlich 72,10 € aufzuwenden. Auch der erhöhte Aufwand für  Kleidung und Bettwäsche sei bereits im Rahmen des Einspruchsverfahrens vorgetragen worden. Allein der Umstand, dass das Kind neben dem Besuch der P Förderschule in P täglich die Betreuung, Versorgung, aber auch die Zuwendung seiner Familie erfahren könne, stehe die Annahme, das Kind erhalte vom Berechtigten nur unzureichend oder gar keine Unterhaltsleistung, augenfällig entgegen.

11

Dass der Kläger und seine Ehefrau ihr Kind P regelmäßig in ihrem Haushalt unter erheblichem Aufwand betreuten und der dargelegte Gesamtumfang weit über die Höhe des Kindergeldes hinaus zu beziffern sei, führe im Rahmen einer Entscheidung nach § 74 EStG zwingend zu einer Ermessensreduzierung auf Null (Hinweis auf Thüringer Finanzgericht vom 13. Februar 2008 3 K 177/07, Juris.doc).

12

Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 02. Februar 2011 und die Einspruchsentscheidung vom 01. Juni 2011 aufzuheben.

13

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

14

Die beigeladene Stadt P hat keinen Antrag gestellt.

15

Die Beklagte tritt der Klage entgegen und führt aus, dass aus der Stellungnahme der Stadtverwaltung P zum Einspruch hervorgehe, dass der Sozialleistungsträger die Aufwendungen der anteiligen Kosten der Unterkunft, den gesetzlich vorgeschriebenen Regelsatz sowie einen Mehrbedarf nach dem SGB XII erbringe. Außerdem werde dem Kind ein monatliches Pflegegeld i.H.v. 430,00 € gezahlt.

16

Der Kläger hat im Klageverfahren den Berechnungsbogen für den Monat November 2011 zu SGB XII – Kapitel 4 (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) als Anlage zum Bescheid vom 05. Oktober 2011 vorgelegt (Bl. 38 der Prozessakte sowie die Bestätigung der DAK Hamburg vom 21. November 2011 über die Erbringung von Leistungen zur Pflegeversicherung (Pflegegeld i.H.v. 430,00 € monatlich).

17

Mit Beschluss des Senats vom 31. Januar 2012 ist der Rechtsstreit gem. § 6 Abs. 1 FGO dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.

18

Mit Beschluss des Einzelrichters vom 17. Juli 2012 ist die Stadt P zum Verfahren beigeladen worden.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Klage führt in der Sache zu Erfolg. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Abzweigungsvoraussetzungen nach § 74 EStG vorgelegen haben.

I.

20

Gemäß § 74 Abs. 1 EStG hat die Familienkasse bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine Abzweigung des Kindergelds an eine andere Person als den Kindergeldberechtigten tatsächlich erfolgt (vgl. etwa BFH-Urteile vom 28. September 2008 III R 16/06, BFH/NV 2009, 164 und vom 9. Februar 2009 III R 37/07, BFHE 224, 290, BStBl II 2009, 928). Dabei hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten, §§ 5, 6 Abs. 2 Nr. 6 AO. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 Satz 1 FGO auf Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch) überprüfbar.

21

1. Im Streitfall kann dahingestellt bleiben, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abzweigung erfüllt sind.

22

Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Sätze 1 und 3 EStG kann eine Abzweigung des Kindergeldes an die Beigeladene nur dann erfolgen, wenn der Kläger seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt, mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrages zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld. Das Vorliegen dieser tatbestandlichen Voraussetzungen kann offen bleiben, wenn das Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt wurde (BFH-Urt. vom 11. März 2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579).

23

2. Die Ermessensentscheidung ist rechtswidrig, weil die Beklagte die eigene Verwaltungsrichtlinie in Abschnitt 74.1.2 Absatz 2 Sätze 2 und 3 DA-FamEStG DA-FamEStG außer Acht gelassen hat.

24

Ob und in welcher Höhe das Kindergeld an eine andere Person oder Stelle abgezweigt wird, steht nach § 74 Abs. 1 EStG im Ermessen der Familienkasse. Bei der Ausübung des Ermessens ist nach § 5 AO der Zweck des Kindergeldes zu berücksichtigen. Das Kindergeld dient der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums eines Kindes und, soweit es dafür nicht erforderlich ist, der Förderung der Familie (§ 31 Sätze 1 und 2 EStG).

25

Soweit die Behörden ermächtigt sind, nach ihrem Ermessen zu entscheiden, hat sich die gerichtliche Prüfung darauf zu beschränken, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 102 FGO). Hat die Verwaltung in Ausfüllung des ihr zustehenden Ermessensspielraums Richtlinien erlassen, so haben die Gerichte grundsätzlich nur zu prüfen, ob sich die Behörden an die Richtlinien gehalten haben („Selbstbindung der Verwaltung“ gemäß Art. 3 des Grundgesetzes) und ob die Richtlinien selbst einer sachgerechten Ermessensausübung entsprechen (BFH-Urteil vom 24. November 2005 V R 37/04, BStBl II 2006, 466 m.w.N.). Dabei ist für die Auslegung einer Verwaltungsvorschrift nicht maßgeblich, wie das FG eine solche Verwaltungsanweisung versteht, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte. Das FG darf daher Verwaltungsanweisungen nicht selbst auslegen, sondern nur darauf prüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist (BFH-Urteil vom 13. Januar 2005 V R 35/03, BStBl II 2005, 460 m.w.N.).

26

a. Nach Abschnitt 74.1.2 Absatz 2 Sätze 2 und 3 DA-FamEStG kommt eine Abzweigung nicht in Betracht, wenn der Berechtigte regelmäßig Unterhaltsleistungen erbringt, die den Betrag des anteiligen Kindergeldes übersteigen. Davon ist grundsätzlich auszugehen, wenn das Kind in den Haushalt des Berechtigten aufgenommen worden ist. Dies gilt nach dem Klammerzusatz nur dann nicht, wenn eine Sachverhaltsgestaltung vorliegt, die der BFH-Entscheidung vom 17. Dezember 2008 (III R 6/07, BFHE 224, 228, BStBl II 2009, 926) entspricht. Ausgenommen von der grundsätzlichen Vermutung sind damit diejenigen Fälle, in denen der Kindergeldberechtigte selbst von Arbeitslosengeld II (ALG II, §§ 19 ff des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - SGB II -) lebt, da auf dieses das Kindergeld als Einkommen angerechnet wird.

27

Die Beklagte hat gegen diese Verwaltungsrichtlinie verstoßen, indem sie das Kindergeldes an die Beigeladene abgezweigt hat, obwohl keinerlei Hinweis darauf vorliegen, dass der Kläger, der seinen behinderten Sohn in  Haushalt aufgenommen hat, in den fraglichen Monaten nicht über eigene Erwerbseinkünfte verfügt und von ALG II gelebt hat. Die Beklagte hat sich mit der Fragestellung nicht einmal ansatzweise auseinandergesetzt.

28

b. Die Richtlinie entspricht auch einer sachgerechten Ermessensausübung. Der Anspruch auf Kindergeld für ein volljähriges behindertes Kind hängt davon ab, dass das Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG). Es wird typisierend davon ausgegangen, dass den Eltern Unterhaltsaufwendungen für das Kind entstehen, wenn dessen eigene finanzielle Mittel nicht seinen gesamten Lebensbedarf abdecken. Der Lebensbedarf eines behinderten Kindes besteht aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) in Höhe des Existenzminimums eines Erwachsenen, zu dem z.B. auch Kontakte zur Familie, Teilnahme am kulturellen Leben, und Erholung gehören, und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf, der auch ergänzende persönliche Betreuungsleistungen der Eltern und Fahrtkosten umfasst (vgl. BFH-Urt. vom 9. Februar 2009 III R 37/07, BFHE 224, 290, BStBl II 2009, 928).

29

Da das Kindergeld die finanzielle Belastung der Eltern durch den Unterhalt für das Kind ausgleichen soll, hängt die Entscheidung über die Abzweigung davon ab, ob und in welcher Höhe ihnen - den Grund- und den behinderungsbedingten Mehrbedarf betreffende -Aufwendungen für das Kind entstanden sind. Zu berücksichtigen sind nur die den Eltern im Zusammenhang mit der Betreuung und dem Umgang mit dem Kind tatsächlich entstandenen und glaubhaft gemachten Aufwendungen (BFH in BStBl II 2009, 928).

30

Bei der Aufnahme des Kindes in den Haushalt des Kindergeldberechtigten ist glaubhaft, dass Aufwendungen entstehen, die über das monatliche Kindergeld hinausgehen. Zu berücksichtigen sind die Ausgaben zur Deckung des gesamten Bedarfs, also Wohnen, Essen, Kleidung, Freizeit, Kultur und Erholung. Diese Ausgaben können nicht deshalb gänzlich unberücksichtigt bleiben, weil das Kind Leistungen der Grundsicherung erhält, die den Lebensbedarf abdecken. Die Höhe dieser Leistungen ist auf Sozialhilfeniveau begrenzt, den Eltern steht es aber frei, erheblich mehr für ihr Kind aufzuwenden, und sie werden dies - ihre eigene Leistungsfähigkeit vorausgesetzt - in der Regel auch tun. Diese über das Niveau der Grundsicherung hinausgehenden Aufwendungen des Kindergeldberechtigten sind im Rahmen des § 74 Abs. 1 EStG zu berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn sie den Bedarfsrubriken, für die Grundsicherung gewährt wird, angehören (ebenso Sächsisches FG, Urt. vom 5. März 2012 8 K 1698/11 (Kg), juris).

31

Es entspricht auch einer sachgerechten Ermessensausübung, von einem Einzelnachweis der getätigten Aufwendungen durch die Eltern abzusehen, sondern eine Vermutung dahingehend aufzustellen, dass monatliche Aufwendungen getätigt wurden, die die Höhe des Kindergeldes übersteigen. Die Eltern sind nicht verpflichtet, genaue Aufzeichnungen darüber zu führen, welche Ausgaben sie für ihr Kind getätigt haben (vgl. Thüringer FG, Urt. vom 23. November 2011 3 K 481/10, EFG 2012, 423, unter 2.d) der Entscheidungsgründe; FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urt. vom 10. November 2011 5 K 454/11, EFG 2012, 629, unter II. 2. der Entscheidungsgründe). Hinzu kommt, dass der Kindergeldberechtigte und das in seinem Haushalt lebende behinderte Kind im Regelfall „aus einem Topf“ wirtschaften, so dass eine eindeutige Trennung zwischen dem Aufwand für das Kind und demjenigen für die übrigen Haushaltsmitglieder praktisch kaum durchführbar ist. Insbesondere ist eine Aufteilung nach Köpfen nicht immer sachgerecht, da dabei unberücksichtigt bliebe, dass gerade wegen der Behinderung Kosten entstehen, die für andere Haushaltsmitglieder nicht anfallen. In Abzweigungsfällen bei Haushaltsaufnahme des Kindes liegt regelmäßig ein nicht vollständig aufgeklärter Sachverhalt vor (vgl. Thüringer FG in EFG 2012, 423; FG Sachsen-Anhalt in EFG 2012, 629). In dieser Situation entspricht es jedenfalls pflichtgemäßem Ermessen, eine generelle Vermutung aufzustellen, wie es in Abschnitt 74.1.2 Abs. 2 Satz 3 DA-FamEStG erfolgt ist. Schließlich spricht auch der in      § 31 Satz 2 EStG gesetzlich vorgegebene Zweck, über die Freistellung des Existenzminimums hinaus die Familie durch die Gewährung des Kindergeldes zu fördern, für die Ermessensrichtlinie (zum Ganzen FG München, Urteil vom 2. Juli 2012 7 K 2320/11, StE 2012, - 584 red. Leitsatz und JurisDok).

II.

32

Der Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO stattzugeben. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet, § 139 Abs. 4 FGO; die Beigeladene hat keinen Sachantrag gestellt (vgl. dazu nur Stapperfend in Gräber, FGO, § 139 FGO Rz. 136 m.w.N.). Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 151 Abs. 3, 155 FGO, §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Annotations

(1)1Das für ein Kind festgesetzte Kindergeld nach § 66 Absatz 1 kann an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt.2Kindergeld kann an Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigt werden, bis zur Höhe des Betrags, der sich bei entsprechender Anwendung des § 76 ergibt, ausgezahlt werden.3Dies gilt auch, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrags zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld.4Die Auszahlung kann auch an die Person oder Stelle erfolgen, die dem Kind Unterhalt gewährt.

(2) Für Erstattungsansprüche der Träger von Sozialleistungen gegen die Familienkasse gelten die §§ 102 bis 109 und 111 bis 113 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Unterhaltsberechtigt ist nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

(2) Ein minderjähriges Kind kann von seinen Eltern, auch wenn es Vermögen hat, die Gewährung des Unterhalts insoweit verlangen, als die Einkünfte seines Vermögens und der Ertrag seiner Arbeit zum Unterhalt nicht ausreichen.

(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.

(1)1Das für ein Kind festgesetzte Kindergeld nach § 66 Absatz 1 kann an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt.2Kindergeld kann an Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigt werden, bis zur Höhe des Betrags, der sich bei entsprechender Anwendung des § 76 ergibt, ausgezahlt werden.3Dies gilt auch, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrags zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld.4Die Auszahlung kann auch an die Person oder Stelle erfolgen, die dem Kind Unterhalt gewährt.

(2) Für Erstattungsansprüche der Träger von Sozialleistungen gegen die Familienkasse gelten die §§ 102 bis 109 und 111 bis 113 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Der Senat kann den Rechtsstreit einem seiner Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn

1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor dem Senat mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf den Senat zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann die Revision nicht gestützt werden.

(1)1Das für ein Kind festgesetzte Kindergeld nach § 66 Absatz 1 kann an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt.2Kindergeld kann an Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigt werden, bis zur Höhe des Betrags, der sich bei entsprechender Anwendung des § 76 ergibt, ausgezahlt werden.3Dies gilt auch, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrags zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld.4Die Auszahlung kann auch an die Person oder Stelle erfolgen, die dem Kind Unterhalt gewährt.

(2) Für Erstattungsansprüche der Träger von Sozialleistungen gegen die Familienkasse gelten die §§ 102 bis 109 und 111 bis 113 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

Ist die Finanzbehörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.

(1) Behörde ist jede öffentliche Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.

(1a) Öffentliche Stellen des Bundes sind die Behörden, die Organe der Rechtspflege und andere öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, der Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie deren Vereinigungen ungeachtet ihrer Rechtsform.

(1b) Öffentliche Stellen der Länder sind die Behörden, die Organe der Rechtspflege und andere öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen eines Landes, einer Gemeinde, eines Gemeindeverbandes oder sonstiger der Aufsicht des Landes unterstehender juristischer Personen des öffentlichen Rechts sowie deren Vereinigungen ungeachtet ihrer Rechtsform.

(1c) Vereinigungen des privaten Rechts von öffentlichen Stellen des Bundes und der Länder, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, gelten ungeachtet der Beteiligung nicht-öffentlicher Stellen als öffentliche Stellen des Bundes, wenn

1.
sie über den Bereich eines Landes hinaus tätig werden oder
2.
dem Bund die absolute Mehrheit der Anteile gehört oder die absolute Mehrheit der Stimmen zusteht.
Anderenfalls gelten sie als öffentliche Stellen der Länder.

(1d) Nicht-öffentliche Stellen sind natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, soweit sie nicht unter die Absätze 1a bis 1c fallen. Nimmt eine nicht-öffentliche Stelle hoheitliche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr, ist sie insoweit öffentliche Stelle im Sinne dieses Gesetzes.

(1e) Öffentliche Stellen des Bundes oder der Länder gelten als nicht-öffentliche Stellen im Sinne dieses Gesetzes, soweit sie als öffentlich-rechtliche Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen.

(2) Finanzbehörden im Sinne dieses Gesetzes sind die folgenden im Gesetz über die Finanzverwaltung genannten Bundes- und Landesfinanzbehörden:

1.
das Bundesministerium der Finanzen und die für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörden als oberste Behörden,
2.
das Bundeszentralamt für Steuern, das Informationstechnikzentrum Bund und die Generalzolldirektion als Bundesoberbehörden,
3.
Rechenzentren sowie Landesfinanzbehörden, denen durch eine Rechtsverordnung nach § 17 Absatz 2 Satz 3 Nummer 3 des Finanzverwaltungsgesetzes die landesweite Zuständigkeit für Kassengeschäfte und das Erhebungsverfahren einschließlich der Vollstreckung übertragen worden ist, als Landesoberbehörden,
4.
die Oberfinanzdirektionen als Mittelbehörden,
4a.
die nach dem Finanzverwaltungsgesetz oder nach Landesrecht an Stelle einer Oberfinanzdirektion eingerichteten Landesfinanzbehörden,
5.
die Hauptzollämter einschließlich ihrer Dienststellen, die Zollfahndungsämter, die Finanzämter und die besonderen Landesfinanzbehörden als örtliche Behörden,
6.
Familienkassen,
7.
die zentrale Stelle im Sinne des § 81 des Einkommensteuergesetzes und
8.
die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (§ 40a Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes).

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

(1)1Das für ein Kind festgesetzte Kindergeld nach § 66 Absatz 1 kann an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt.2Kindergeld kann an Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigt werden, bis zur Höhe des Betrags, der sich bei entsprechender Anwendung des § 76 ergibt, ausgezahlt werden.3Dies gilt auch, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrags zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld.4Die Auszahlung kann auch an die Person oder Stelle erfolgen, die dem Kind Unterhalt gewährt.

(2) Für Erstattungsansprüche der Träger von Sozialleistungen gegen die Familienkasse gelten die §§ 102 bis 109 und 111 bis 113 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

Ist die Finanzbehörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.

1Die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung wird im gesamten Veranlagungszeitraum entweder durch die Freibeträge nach § 32 Absatz 6 oder durch Kindergeld nach Abschnitt X bewirkt.2Soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie.3Im laufenden Kalenderjahr wird Kindergeld als Steuervergütung monatlich gezahlt.4Bewirkt der Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum die nach Satz 1 gebotene steuerliche Freistellung nicht vollständig und werden deshalb bei der Veranlagung zur Einkommensteuer die Freibeträge nach § 32 Absatz 6 vom Einkommen abgezogen, erhöht sich die unter Abzug dieser Freibeträge ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum; bei nicht zusammenveranlagten Eltern wird der Kindergeldanspruch im Umfang des Kinderfreibetrags angesetzt.5Bei der Prüfung der Steuerfreistellung und der Hinzurechnung nach Satz 4 bleibt der Anspruch auf Kindergeld für Kalendermonate unberücksichtigt, in denen durch Bescheid der Familienkasse ein Anspruch auf Kindergeld festgesetzt, aber wegen § 70 Absatz 1 Satz 2 nicht ausgezahlt wurde.6Satz 4 gilt entsprechend für mit dem Kindergeld vergleichbare Leistungen nach § 65.7Besteht nach ausländischem Recht Anspruch auf Leistungen für Kinder, wird dieser insoweit nicht berücksichtigt, als er das inländische Kindergeld übersteigt.

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

(1)1Das für ein Kind festgesetzte Kindergeld nach § 66 Absatz 1 kann an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt.2Kindergeld kann an Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigt werden, bis zur Höhe des Betrags, der sich bei entsprechender Anwendung des § 76 ergibt, ausgezahlt werden.3Dies gilt auch, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrags zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld.4Die Auszahlung kann auch an die Person oder Stelle erfolgen, die dem Kind Unterhalt gewährt.

(2) Für Erstattungsansprüche der Träger von Sozialleistungen gegen die Familienkasse gelten die §§ 102 bis 109 und 111 bis 113 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

1Die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung wird im gesamten Veranlagungszeitraum entweder durch die Freibeträge nach § 32 Absatz 6 oder durch Kindergeld nach Abschnitt X bewirkt.2Soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie.3Im laufenden Kalenderjahr wird Kindergeld als Steuervergütung monatlich gezahlt.4Bewirkt der Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum die nach Satz 1 gebotene steuerliche Freistellung nicht vollständig und werden deshalb bei der Veranlagung zur Einkommensteuer die Freibeträge nach § 32 Absatz 6 vom Einkommen abgezogen, erhöht sich die unter Abzug dieser Freibeträge ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum; bei nicht zusammenveranlagten Eltern wird der Kindergeldanspruch im Umfang des Kinderfreibetrags angesetzt.5Bei der Prüfung der Steuerfreistellung und der Hinzurechnung nach Satz 4 bleibt der Anspruch auf Kindergeld für Kalendermonate unberücksichtigt, in denen durch Bescheid der Familienkasse ein Anspruch auf Kindergeld festgesetzt, aber wegen § 70 Absatz 1 Satz 2 nicht ausgezahlt wurde.6Satz 4 gilt entsprechend für mit dem Kindergeld vergleichbare Leistungen nach § 65.7Besteht nach ausländischem Recht Anspruch auf Leistungen für Kinder, wird dieser insoweit nicht berücksichtigt, als er das inländische Kindergeld übersteigt.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Aufwendungen der Finanzbehörden sind nicht zu erstatten.

(3) Gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistands, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind stets erstattungsfähig. Aufwendungen für einen Bevollmächtigten oder Beistand, für den Gebühren und Auslagen gesetzlich nicht vorgesehen sind, können bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte erstattet werden. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind die Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Steht der Bevollmächtigte oder Beistand in einem Angestelltenverhältnis zu einem Beteiligten, so werden die durch seine Zuziehung entstandenen Gebühren nicht erstattet.

(4) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.