Finanzgericht Nürnberg Urteil, 29. Jan. 2014 - 3 K 647/13

bei uns veröffentlicht am29.01.2014

Gericht

Finanzgericht Nürnberg

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Streitig ist das Kindergeld für die Kinder H (geb.: xx.xx.2000) und I (geb.: xx.xx.1999).

Die Klägerin übersiedelte mit ihrem Ehemann und den Kindern im Juli 2007 von Portugal nach Deutschland. Die Familienkasse setzte mit Bescheid vom 31.07.2007 Kindergeld für I und H fest. Die Klägerin und ihre Familie waren seit dem 13.11.2007 unter der Adresse J gemeldet. Die Kinder wurden in die Waldorfschule J aufgenommen.

Die Klägerin und ihre Familie wurde am 12.02.2010 zum 01.01.2010 von Amts wegen von der Gemeinde J nach unbekannt abgemeldet. Ein Schreiben der Familienkasse an die Klägerin vom 03.02.2011 unter der Adresse J kam mit dem Vermerk „Empfänger unbekannt“ zurück.

Daraufhin hob die Familienkasse mit Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 03.03.2011 die Festsetzung von Kindergeld gegenüber der Klägerin ab Januar 2010 auf und forderte das in der Zeit von Januar 2010 bis Januar 2011 ausbezahlte Kindergeld zurück. Der Bescheid wurde nach § 10 Verwaltungszustellungsgesetz öffentlich zugestellt.

Der Waldorfschulverein J teilte der Familienkasse mit Schreiben vom 10.12.2012 mit, dass die Kinder H und I der Klägerin die dortige Schule vom 01.08.2007 bis zum 31.07.2009 besucht hätten, jedoch von den Eltern mit Schreiben vom 21.04.2009 und 31.07.2009 wegen der beabsichtigten Umsiedlung nach Paraguay abgemeldet worden seien.

Mit Bescheid vom 06.03.2013 hob die Familienkasse die Festsetzung von Kindergeld gegenüber der Klägerin ab August 2009 auf und forderte das in der Zeit von August 2009 bis Dezember 2009 ausbezahlte Kindergeld in Höhe von 1.640 € zurück (bezeichnet als 2. Rückforderung).

Die Entscheidung wurde damit begründet, dass die Klägerin ab August 2009 weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe und auch nicht unbeschränkt ein-kommensteuerpflichtig in Deutschland sei oder so behandelt werde. Der Bescheid wurde nach § 10 Verwaltungszustellungsgesetz öffentlich zugestellt.

Mit Fax vom 20.03.2013 erhob die Klägerin Einspruch. Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 28.03.2013 zurückgewiesen.

Die Klägerin erhob Klage gegen den Bescheid der Familienkasse vom 06.03.2013 und gegen die Einspruchsentscheidung vom 28.03.2013.

Zur Begründung trägt sie vor, dass ihr widerrechtlich Kindergeld für den Zeitraum August 2009 bis Januar 2011 vorenthalten werde. Sie werde beim Finanzamt K als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig geführt und verweist hierzu auf eine „NV-Mitteilung über Einkommensteuer 2011“ des Finanzamts K für das Jahr 2011 vom 07.02.2013. Weiter legt sie eine Bescheinigung der LM vom 11.05.2013 vor, wonach der Klägerin (geborene M) und ihrer Familie im Haus in O ganzjährig 3 Zimmer zur Verfügung stehen. Daher verfüge sie über eine Unterkunft, die ihr und ihrer Familie ganzjährig zur Verfügung stehe.

Die Familienkasse beantragt Klageabweisung.

Zur Begründung wird vorgetragen, dass die Klägerin und ihre Kinder weder einen Wohn-sitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, haben. Soweit die Klage den Zeitraum Januar 2010 bis Januar 2011 betrifft, sei die Klage mangels Durchführung eines Vorverfahrens (§ 44 Abs. 1 FGO) bereits unzulässig. Die habe mit Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 03.03.2011 die Festsetzung von Kindergeld gegenüber der Klägerin ab Januar 2010 aufgehoben und das Kindergeld zurückgefordert.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 23.12.2013 A, der mit Schreiben vom 08.09.2013 für die Klägerin auftrat, als Bevollmächtigten zurückgewiesen.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung ist in der Sitzung vom Präsidenten das Urteil verkündet worden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 23.12.2013, die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und die dem Gericht vorliegende Kindergeldakte mit der Nr. xxxxx verwiesen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

I.

1. Das Gericht legt das Klagebegehren dahin aus, dass die Klägerin begehrt, den Bescheid der Familienkasse vom 06.03.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung der beklagten Familienkasse vom 28.03.2013 aufzuheben und ihr Kindergeld für den Zeitraum August 2009 bis Januar 2011 zuzusprechen. Dem Schreiben des A vom 08.09.2013 kann kein weitergehender Antrag entnommen werden, zumal er ausführt, dass er sich der Klage der B anschließt.

2. Der zuständige 3. Senat des Gerichts entscheidet in seiner geschäftsplanmäßigen Zusammensetzung. Anträge in den Schreiben des A bzw. der P, die nach dem Beschluss des Gerichts vom 23.12.2013 bei Gericht eingingen, bleiben unbeachtet, denn mit dem Beschluss wurde A als Bevollmächtigter zurückgewiesen. Im Anschreiben des Gerichts vom 30.12.2013 zu dem Beschluss vom 23.12.2013 ist ausgeführt, dass ab dem Zeitpunkt der Zurückweisung der zurückgewiesene Bevollmächtigte keine wirksamen Prozesshandlungen mehr vornehmen darf. Dies gilt nicht nur für Schreiben in deren Briefkopf allein A angeführt wird, sondern auch für Schreiben der P. Von der P wurde weder eine Vollmacht der Klägerin vorgelegt noch wird dargelegt, im Auftrag oder mit Vollmacht der Klägerin tätig zu werden. Die P tritt vielmehr in den Schreiben vom 31.12.2013 und 08./09.01.2014 im Auftrag und Namen des zurückgewiesenen A auf. So wird A als Beschwerdeführer bezeichnet und eine Verletzung von Art. 12 Grundgesetz geltend gemacht. Der Briefkopf der Schreiben der P führt zudem A als Rechtsberater auf. Den Schreiben der P ist weiter eine „Aufstellung Kindergeld und Kinderzuschlag für Kinder in meinem Haushalt (Stichtag 30. Juni 2013)“ beigefügt, in denen Kinder mit dem Namen „A“ angeführt sind. Der zurückgewiesene Bevollmächtigte A kann nicht dadurch wieder zum Bevollmächtigten werden, wenn er nunmehr unter dem Briefkopf P tätig wird. Überdies kann ein zurückgewiesener Bevollmächtigter keinen Vertreter beauftragen, der die Klägerin vertritt.

3. Selbst wenn die Schreiben des A bzw. der P, die nach dem Beschluss des Gerichts vom 23.12.2013 bei Gericht eingingen, zu beachten wären, wäre über einen Antrag auf Ablehnung des Präsidenten des Finanzgerichts wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr zu entscheiden. Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 43 ZPO). Ein "Einlassen" in eine Verhandlung bedeutet jedes prozessuale und der Erledigung eines Streitpunktes dienende Handeln unter Mitwirkung des Richters. Hierzu gehört auch das Einreichen eines Schriftsatzes (vgl. BFH-Beschlüsse vom 06.07.2005 II R 28/02, BFH/NV 2005, 2027; vom 12. Juli 1988 IX B 188/87, BFH/NV 1989, 237; vom 21. Juli 1993 IX B 50/93, BFH/NV 1994, 50; vom 29.03.2000 I B 90/99, BFH/NV 2000, 1221) oder die Stellung der Klageanträge (BFH-Beschluss in BFH/NV 1989, 237; Gräber/Stapperfend, FGO, 7. Auflage, § 51 Rz. 42).

Mit per Fax übersandten Schreiben vom 12.01.2014 (Eingang bei Gericht: 25.01.2014, 10.15 Uhr) und 25.01.2014 (Eingang bei Gericht: 25.01.2014, 10.47 Uhr) wurde zum strittigen Sachverhalt vorgetragen und die Gewährung von Kindergeld beantragt ohne sich auf den früher gestellten Befangenheitsantrag zu berufen. In den beiden Fax Schreiben ist sogar ausdrücklich ausgeführt: „Bitte teilen Sie kurzfristig mit, ob die bisherigen Ausführungen ausreichend sind.“ Durch das rügelose Einlassen wäre eine Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr möglich.

II.

Die Klage ist unzulässig soweit sie den Zeitraum Januar 2010 bis Januar 2011 betrifft.

In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist nach § 44 Abs. 1 FGO die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

Soweit die Klage den Zeitraum Januar 2010 bis Januar 2011 betrifft, ist die Klage mangels Durchführung eines Vorverfahrens unzulässig. Die beklagte Familienkasse hatte mit Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 03.03.2011 die Festsetzung von Kindergeld gegenüber der Klägerin ab Januar 2010 aufgehoben und das in der Zeit von Januar 2010 bis Januar 2011 ausbezahlte Kindergeld zurückgefordert. Der Bescheid wurde ordnungsgemäß nach § 10 Verwaltungszustellungsgesetz öffentlich zugestellt. Da nicht vorgetragen wird, dass gegen diesen Bescheid ein außergerichtlicher Rechtsbehelf erhoben wurde, ein solcher sich auch nicht den Akten, die dem Gericht vorliegen, entnehmen lässt, wäre auch eine Untätigkeitsklage (§ 46 Abs. 1 FGO) unzulässig.

III.

Die Klage hat hinsichtlich des Klagezeitraums von August 2009 bis Dezember 2009 in der Sache keinen Erfolg. Dies gilt hilfsweise auch für den Klagezeitraum Januar 2010 bis Januar 2011.

1. Nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG werden Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, haben, für Zwecke der Kindergeldfestsetzung nicht berücksichtigt, es sei denn, sie leben im Haushalt eines Berechtigten im Sinne des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a) EStG. Berechtigt nach dieser Vorschrift ist danach eine Person, die nach § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt steuerpflichtig ist. Kinder im Haushalt einer Person, die nach § 1 Abs. 3 auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird, berechtigen nicht zum Bezug von Kindergeld.

2. Die Frage, ob eine natürliche Person im Inland einen Wohnsitz hat, beurteilt sich auch für den Kindergeldanspruch nach § 8 Abgabenordnung –AO–. Danach kommt es darauf an, ob die betreffende Person im Inland eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken oder ein Aufenthalt, der nur Besuchscharakter hat, reicht nicht aus (BFH-Urteil vom 23.11.2000 VI R 107/99, BStBl II 2001, 294 m.w.N; BFH-Beschluss vom 17.12.2010 III B 141/10, BFH/NV 2011, 576). Die gesetzliche Regelung geht dahin, aus äußeren objektiven Tatsachen Schlüsse auf das zukünftige Verhalten zu ziehen. Es handelt sich dabei um eine Prognoseentscheidung (BFH-Urteil vom 23.11.2000 VI R 107/99 a.a.O.). Die Beurteilung der Umstände des Einzelfalles obliegt dabei dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz (vgl. BFH-Beschluss vom 17.12.2010 III B 141/10, BFH/NV 2011, 576). Im Zweifel trägt der Kindergeldberechtigte die Feststellungslast für die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes (BFH-Urteil vom 23.11.2000 VI R 107/99, BStBl. II 2001, 294; Hildesheim in Bordewin/Brandt, EStG, § 62 Rz. 30; Felix in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 62 Rz. B 52). Gegen die grundsätzliche Abhängigkeit der Kindergeldberechtigung vom Wohnsitz des Kindes bestehen im Übrigen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BFH-Urteil vom 23.11.2000 VI R 165/99, BStBl II 2001, 279; BFH-Urteil vom 07.04.2011 III R 77/09, BFH/NV 2011, 1351). Einen gewöhnlichen Aufenthalt hat nach § 9 Satz 1 AO jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

Als gewöhnlichen Aufenthalt ist nach § 9 Satz 2 AO stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten anzusehen. Die Kindergeldberechtigte trägt die Feststellungslast für den gewöhnlichen Aufenthalt (BFH-Urteil vom 23.11.2000 VI R 107/99, BStBl. II 2001, 294; Hildesheim in Bordewin/Brandt, EStG, § 62 Rz. 48 a; Felix in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 62 Rz. B 52).

3. Im Streitfall hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass sie oder ihre Kinder einen Wohnsitz im Sinne des § 8 AO oder einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 9 AO im Inland, in einem Mitgliedsstaat der EU oder in einem Staat, auf den das Abkommen über die europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, haben. Die Klägerin ist nach ihren Angaben als Missionarin in Paraguay tätig. Zwar hat die Klägerin vorgetragen, dass ihr und ihrer Familie im Haus in O ganzjährig 3 Zimmer zur Verfügung stehen. Die Klägerin hat aber weder im Klagezeitraum noch sonst einen Termin oder Zeitraum benannt, in dem sie nach dem Umzug nach Paraguay wieder in Deutschland gewesen ist. Schon gleich gar nicht hat sie ausgeführt oder nachgewiesen, dass Aufenthalte im Inland gelegentliche Aufenthalte mit Besuchscharakter übersteigen. Zwar hat das Gericht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Der Amtsermittlungsgrundsatz wird aber durch die Mitwirkungspflichten der Beteiligten nach § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO begrenzt (z.B. BFH-Beschluss vom 28. Juni 2006 V B 199/05, BFH/NV 2006, 2098, m.w.N.; Gräber/Stapperfend, FGO, § 76 Rz. 37). Die Beteiligten trifft im finanzgerichtlichen Verfahren eine Mitverantwortung für die Sachaufklärung. Für die klagende Partei gilt dies in besonderer Weise bezüglich der ihrem Einflussbereich oder zumindest ihrem Wissensbereich zuzurechnenden Tatsachen. Da eine Person zu derselben Zeit nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann und die minderjährigen Kinder sich im Klagezeitraum weitgehend in Paraguay aufgehalten haben, ist ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland zu verneinen.

4. Ein Anspruch auf Kindergeld kann auch nicht mit der Argumentation begründet werden, dass die Kinder im Haushalt eines Berechtigten im Sinne des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a) EStG leben würden. Berechtigt nach dieser Vorschrift ist danach eine Person, die nach § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt steuerpflichtig ist. Unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind nach § 1 Abs. 2 EStG auch deutsche Staatsangehörige, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen, sowie zu ihrem Haushalt gehörende Angehörige, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder keine Einkünfte oder nur Einkünfte beziehen, die ausschließlich im Inland einkommensteuerpflichtig sind (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, 32. Auflage, § 1 Rz 35f). Kinder im Haushalt einer Person, die nach § 1 Abs. 3 auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird, berechtigen nicht zum Bezug von Kindergeld nach §§ 63 Abs. 1 Satz 3, 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a) EStG. Im Streitfall ist die Klägerin nicht nach § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt steuerpflichtig. Die Klägerin steht nicht zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis und bezieht dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse. Die Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig nach § 1 Abs. 3 EStG auf Antrag reicht zum Bezug des Kindergeldes nicht aus, auch wenn das Kind im Haushalt eines solchen Berechtigten wohnt.

5. Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung ist § 70 Abs. 2 EStG. Hiernach ist die Festsetzung des Kindergeldes aufzuheben, soweit in den Verhältnissen, die für die Zahlung des Kindergeldes erheblich sind, Änderungen eingetreten sind. Die Aufhebung hat mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, also ggf. auch rückwirkend zu erfolgen (BFH-Urteile vom 24.10.2000 VI R 21/99, BFH/NV 2001, 444; vom 14.10.2003 VIII R 56/01, BFHE 203, 472, BStBl II 2004, 123; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 32. Auflage, § 70 Rz. 5). Ein Ermessensspielraum steht der im Rahmen des § 70 Abs. 2 EStG nicht zu. Die Änderung der Verhältnisse liegt im Aufenthalt in Paraguay. Da die Kindergeldfestsetzungen für die streitbefangenen Monate gemäß § 70 Abs. 2 EStG aufgehoben wurden, hat die Klägerin das Kindergeld ohne rechtlichen Grund erhalten und es deshalb gemäß § 37 Abs. 2 AO zu erstatten.

Damit ist die Klägerin nach den gesetzlichen Vorschriften des Einkommensteuerrechts für ihre in Paraguay lebenden Kinder nicht kindergeldberechtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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(1) In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

(2) Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat.

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten §§ 41 bis 49 der Zivilprozessordnung sinngemäß. Gerichtspersonen können auch abgelehnt werden, wenn von ihrer Mitwirkung die Verletzung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses oder Schaden für die geschäftliche Tätigkeit eines Beteiligten zu besorgen ist.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter, als ehrenamtlicher Richter oder als Urkundsbeamter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.

(3) Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozessordnung ist stets dann begründet, wenn der Richter oder ehrenamtliche Richter der Vertretung einer Körperschaft angehört oder angehört hat, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden.

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(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.

(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

(1)1Als Kinder werden berücksichtigt

1.
Kinder im Sinne des § 32 Absatz 1,
2.
vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten,
3.
vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Enkel.
2§ 32 Absatz 3 bis 5 gilt entsprechend.3Voraussetzung für die Berücksichtigung ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).4Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.5Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 vorliegen.6Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, haben, werden nicht berücksichtigt, es sei denn, sie leben im Haushalt eines Berechtigten im Sinne des § 62 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a.7Kinder im Sinne von § 2 Absatz 4 Satz 2 des Bundeskindergeldgesetzes werden nicht berücksichtigt.

(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu bestimmen, dass einem Berechtigten, der im Inland erwerbstätig ist oder sonst seine hauptsächlichen Einkünfte erzielt, für seine in Absatz 1 Satz 3 erster Halbsatz bezeichneten Kinder Kindergeld ganz oder teilweise zu leisten ist, soweit dies mit Rücksicht auf die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten für Kinder in deren Wohnsitzstaat und auf die dort gewährten dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen geboten ist.

(1)1Natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.2Zum Inland im Sinne dieses Gesetzes gehört auch der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Anteil

1.
an der ausschließlichen Wirtschaftszone, soweit dort
a)
die lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen der Gewässer über dem Meeresboden, des Meeresbodens und seines Untergrunds erforscht, ausgebeutet, erhalten oder bewirtschaftet werden,
b)
andere Tätigkeiten zur wirtschaftlichen Erforschung oder Ausbeutung der ausschließlichen Wirtschaftszone ausgeübt werden, wie beispielsweise die Energieerzeugung aus Wasser, Strömung und Wind oder
c)
künstliche Inseln errichtet oder genutzt werden und Anlagen und Bauwerke für die in den Buchstaben a und b genannten Zwecke errichtet oder genutzt werden, und
2.
am Festlandsockel, soweit dort
a)
dessen natürliche Ressourcen erforscht oder ausgebeutet werden; natürliche Ressourcen in diesem Sinne sind die mineralischen und sonstigen nicht lebenden Ressourcen des Meeresbodens und seines Untergrunds sowie die zu den sesshaften Arten gehörenden Lebewesen, die im nutzbaren Stadium entweder unbeweglich auf oder unter dem Meeresboden verbleiben oder sich nur in ständigem körperlichen Kontakt mit dem Meeresboden oder seinem Untergrund fortbewegen können; oder
b)
künstliche Inseln errichtet oder genutzt werden und Anlagen und Bauwerke für die in Buchstabe a genannten Zwecke errichtet oder genutzt werden.

(2)1Unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind auch deutsche Staatsangehörige, die

1.
im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und
2.
zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen,
sowie zu ihrem Haushalt gehörende Angehörige, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder keine Einkünfte oder nur Einkünfte beziehen, die ausschließlich im Inland einkommensteuerpflichtig sind.2Dies gilt nur für natürliche Personen, die in dem Staat, in dem sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, lediglich in einem der beschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen herangezogen werden.

(3)1Auf Antrag werden auch natürliche Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 haben.2Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 Prozent der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 nicht übersteigen; dieser Betrag ist zu kürzen, soweit es nach den Verhältnissen im Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen notwendig und angemessen ist.3Inländische Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, gelten hierbei als nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegend.4Unberücksichtigt bleiben bei der Ermittlung der Einkünfte nach Satz 2 nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende Einkünfte, die im Ausland nicht besteuert werden, soweit vergleichbare Einkünfte im Inland steuerfrei sind.5Weitere Voraussetzung ist, dass die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen wird.6Der Steuerabzug nach § 50a ist ungeachtet der Sätze 1 bis 4 vorzunehmen.

(4) Natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 und des § 1a beschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 haben.

Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beantragte für seine im Jahr 1998 geborene Tochter Z mit Schreiben vom 14. August 2008 Kindergeld. Der Kläger hatte der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) bereits im Oktober 2005 mitgeteilt, dass sich Z seit Oktober 2005 zum Zweck eines Schulbesuchs in der Türkei aufhielt. Die Familienkasse lehnte den Kindergeldantrag mit Bescheid vom 13. November 2008 ab. Der Einspruch blieb erfolglos.

2

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 27. Mai 2010 ab. Es entschied, dass die während der Schulferien erfolgten Aufenthalte der Z in der Doppelhaushälfte des Klägers, auch wenn dort ausreichend Wohnraum zur Verfügung stehe, keine Aufenthalte mit Wohncharakter seien und daher nicht zur Aufrechterhaltung eines Inlandswohnsitzes ausreichen würden.

3

Mit seiner Beschwerde macht der Kläger die Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend. Die grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ergebe sich daraus, dass Kinder, die sich zum Zweck einer zeitlich begrenzten Schulausbildung im Ausland aufhalten würden, ihren Wohnsitz im Inland beibehielten. Für die Annahme eines inländischen Wohnsitzes könne nicht verlangt werden, dass sich die betreffende Person während einer Mindestanzahl von Tagen oder Wochen im Jahr in der inländischen Wohnung aufhalten müsse; diese Fragen seien für eine Vielzahl von Fällen bedeutsam. Zudem weiche das FG in seinem Urteil von den in der Beschwerdebegründung zitierten Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH), Bundessozialgerichts (BSG) sowie des Niedersächsischen und Hessischen FG ab.

Entscheidungsgründe

4

II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Soweit ihre Begründung den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht, rechtfertigen die vorgebrachten Gründe nicht die Zulassung der Revision.

5

1. Der Kläger beruft sich zu Unrecht auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

6

Der BFH hat bereits mehrfach die Rechtsgrundsätze dargelegt, nach denen zu entscheiden ist, ob ein Kind, das sich zum Zweck des Schulbesuchs mehrere Jahre im Ausland aufhält, seinen inländischen Wohnsitz (§ 8 der Abgabenordnung --AO--) beibehält (z.B. BFH-Urteile vom 22. April 1994 III R 22/92, BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887; vom 27. April 1995 III R 57/93, BFH/NV 1995, 967; vom 23. November 2000 VI R 165/99, BFHE 193, 569, BStBl II 2001, 279, und VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294; Senatsbeschluss vom 31. Mai 2007 III B 50/07, BFH/NV 2007, 1907). Ob im Einzelfall bei Anwendung dieser Grundsätze davon auszugehen ist, dass ein Kind seinen Wohnsitz im Inland hat, muss das FG unter Berücksichtigung der Umstände des Falles im Wege der Tatsachenwürdigung beurteilen. Der Entscheidung des FG als Tatsacheninstanz kommt insoweit keine grundsätzliche Bedeutung bei (vgl. Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2007, 1907; vom 15. Mai 2009 III B 135/08, juris). Dass sich die Rechtsfragen in einer Vielzahl gleich liegender Fälle ebenfalls stellen, ändert hieran nichts (Lange in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 93).

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2. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).

8

a) Die vom Kläger behauptete Divergenz ist schon deshalb nicht gegeben, weil den von ihm zitierten Entscheidungen keine dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalte zugrunde lagen (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Juni 2006 III B 119/05, BFH/NV 2006, 1844). Im Streitfall geht es darum, ob ein minderjähriges Kind ausländischer Herkunft mit deutscher Staatsangehörigkeit, das sich zum Zweck des Schulbesuchs mehrere Jahre im Heimatland seiner Eltern befindet, seinen inländischen Wohnsitz in der Wohnung des Vaters beibehält. Die vom Kläger genannten Urteile des BFH vom 19. März 1997 I R 69/96 (BFHE 182, 296, BStBl II 1997, 447) und des Niedersächsischen FG vom 23. Juli 1992 XI 187/88 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1993, 135) betrafen hingegen keine Sachverhalte, bei denen Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung die Wohnsitzfrage eines Kindes war, das sich zum Zweck des Schulbesuchs mehrere Jahre im Ausland aufhielt. Die angeführten Urteile des BSG vom 25. April 1984  10 RKg 2/83 (SozR 5870 § 2 Nr. 32) und vom 22. März 1988  8/5a RKn 11/87 (SozR 2200 § 205 Nr. 65) sowie des Hessischen FG vom 10. Dezember 1997  9 K 726/97 (EFG 1998, 882) beschäftigten sich zwar mit der Frage, ob Kinder, die mehrjährige Auslandaufenthalte zu Schul- bzw. Studienzwecken durchführten, ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland beibehielten. Die Sachverhalte wiesen aber die Besonderheit auf, dass es sich um volljährige Schüler bzw. Studenten deutscher Herkunft handelte.

9

b) Im Übrigen wird aus dem Vorbringen des Klägers nicht deutlich, weshalb das FG von den zitierten Entscheidungen abgewichen sein soll. Der BFH hat in dem Urteil in BFHE 182, 296, BStBl II 1997, 447 zwar ausgeführt, es sei für die Annahme eines Wohnsitzes nicht erforderlich, dass sich der Steuerpflichtige während einer Mindestzahl von Tagen oder Wochen im Jahr in der Wohnung aufhalte. Das FG hat aber --entgegen der Ansicht des Klägers-- im Streitfall nicht einen hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Weiterhin lässt sich aus den vom Kläger zitierten Entscheidungen für den Streitfall auch nicht entnehmen, dass es für die Beibehaltung eines Inlandswohnsitzes gemäß § 8 AO in der elterlichen Wohnung ausreicht, wenn zum dauerhaften Wohnen geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stehen und regelmäßig genutzt werden. Mit seinen Einwänden gegen die Überzeugungsbildung des FG kann der Kläger nicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz begründen. Die Beurteilung der Begleitumstände des Innehabens einer Wohnung liegt weitgehend auf tatsächlichem Gebiet (s.o. II.1.). Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigung sowie Schlussfolgerungen tatsächlicher Art sind einer Nachprüfung durch den BFH entzogen, sofern nicht Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze zu beanstanden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 30, m.w.N.). Solche Verstöße sind im Streitfall weder vorgetragen noch erkennbar. Vielmehr ist das FG bei der Beurteilung der Wohnsitzfrage zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der BFH in den Urteilen in BFHE 193, 569, BStBl II 2001, 279 und in BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294 wiedergegeben hat. Es hat die tatsächlichen Umstände dahingehend gewürdigt, dass die Aufenthalte der Z in der elterlichen Wohnung nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen.

10

3. Letztlich wendet sich der Kläger mit seinen Ausführungen gegen die materielle Rechtmäßigkeit des FG-Urteils. Dies rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) heiratete im Dezember 2004 in der Ukraine seine Ehefrau (E), eine ukrainische Staatsangehörige, die seit Mai 2004 in der Wohnung des Klägers in Deutschland gemeldet ist. Nachdem E im August 2004 in die Ukraine gereist war, brachte sie dort am 10. Januar 2005 den gemeinsamen Sohn S zur Welt. Bis zu ihrer Rückkehr nach Deutschland im Januar 2006 hielt E sich zusammen mit S ausschließlich in der Ukraine auf. Seit dem Tag der Einreise am 25. Januar 2006 ist auch S in Deutschland gemeldet.

2

Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) setzte auf den Antrag des Klägers für S Kindergeld erst ab Januar 2006 fest, da S erst ab diesem Monat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe. Der hiergegen gerichtete Einspruch des Klägers blieb erfolglos.

3

Zur Begründung seiner Klage trug der Kläger vor, E und er hätten im Oktober 2004 in Deutschland heiraten wollen. E sei dann im August 2004 aus privaten Gründen in die Ukraine gereist. Die für September/Oktober 2004 geplante Rückreise habe sie jedoch wegen Problemen in der Schwangerschaft nicht antreten können, weshalb sie im Dezember 2004 in der Ukraine hätten heiraten müssen. Nachdem E sich von der Geburt erholt gehabt habe, habe sie sich umgehend um die erforderlichen Papiere (ukrainischer Personalausweis, internationaler Reisepass, Geburtsurkunde nebst Übersetzung und Legalisation, Kinderausweis und Visum) gekümmert, was jedoch in der Ukraine gedauert habe. Im Ergebnis habe E deshalb erst im Januar 2006 zusammen mit S nach Deutschland einreisen können. Ihr Verbleib --und damit auch der des S-- in der Ukraine sei unfreiwillig gewesen.

4

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es entschied, S habe im Streitzeitraum im Inland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt. Einen Wohnsitz i.S. des § 8 der Abgabenordnung (AO) könne nur beibehalten, wer zuvor bereits einen Wohnsitz begründet habe. Dies setze --auch bei einem Kind-- die Anwesenheit im Inland voraus. Ein Wohnsitz werde jedoch grundsätzlich nicht allein durch die Absicht der Eltern, das Kind solle ab seiner Geburt in der gemeinsamen Wohnung im Inland leben, begründet. Allein dadurch, dass der Wohnsitz des Klägers und der E im strittigen Zeitraum im Inland weiterbestanden habe, hätten die Eltern dem S keinen inländischen Wohnsitz vermittelt, da dieser sich bis Januar 2006 nicht selbst in der Wohnung der Eltern im Inland aufgehalten, diese also nicht tatsächlich innegehabt habe. Ob ausnahmsweise etwas anderes gelte, wenn das Kind innerhalb angemessener Zeit nach der Geburt in das Inland gebracht werde, könne dahinstehen, da S im Streitfall jedenfalls nicht mehr innerhalb eines als angemessen zu beurteilenden Zeitraums eingereist sei.

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 63 Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG). Er ist der Ansicht, ihm stehe für S auch für den Streitzeitraum Januar bis Dezember 2005 Kindergeld zu, da er und E --und damit auch zugleich S-- ihren Wohnsitz während dieser Zeit in Deutschland gehabt hätten und der Aufenthalt von E und S in der Ukraine unfreiwillig gewesen sei. Allein aufgrund der besonderen Verhältnisse in der Ukraine sei eine sofortige Rückkehr nach der Geburt nicht möglich gewesen. Kinder teilten den Wohnsitz der Eltern, solange nach den äußerlich erkennbaren Umständen davon auszugehen sei, dass die elterliche Wohnung für das Kind bestimmt sei und von dem Kind auch als eigenes Heim angesehen werde. Bei einem Neugeborenen könne der Wohnsitz bei vernünftiger Betrachtung --jedenfalls dann, wenn es von den Eltern betreut werde-- ausschließlich von dem Willen der Eltern bestimmt werden.

6

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Familienkasse unter Aufhebung des Urteils des FG und der Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2006 zu verpflichten, den Bescheid vom 20. Juni 2006 zu ändern und Kindergeld für S auch für die Monate Januar 2005 bis Dezember 2005 zu gewähren.

7

Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Die Entscheidung des FG, S habe vor seiner Einreise nach Deutschland im Januar 2006 weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

10

1. Wer --wie der Kläger-- über einen Wohnsitz im Inland verfügt, hat gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG Anspruch auf Kindergeld für Kinder i.S. des § 63 EStG. Nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG werden indes Kinder nicht berücksichtigt, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat haben, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, und die auch nicht im Haushalt eines Berechtigten i.S. des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG leben. Das Existenzminimum dieser Kinder wird nur durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG von der Besteuerung freigestellt, die keine unbeschränkte Steuerpflicht des Kindes voraussetzen (vgl. § 32 Abs. 1 und 6 EStG).

11

a) Die Frage, ob eine natürliche Person im Inland einen Wohnsitz hat, beurteilt sich nach § 8 AO. Danach kommt es darauf an, ob die betreffende Person im Inland eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

12

Die Begründung eines Wohnsitzes erfolgt durch tatsächliches Handeln (Michel in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 1 Rz 79), der bloße Wille des Steuerpflichtigen ist dagegen nicht entscheidend (Kruse in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 8 AO Rz 12). Von ausschlaggebender Bedeutung ist vielmehr die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse (Klein/Gersch, AO, 10. Aufl., § 8 Rz 5, m.w.N.), d.h. der objektive Zustand (Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 8 AO Rz 11). Im Gegensatz zum bürgerlichen Recht, nach dem Begründung, Beibehaltung und Aufgabe des Wohnsitzes rechtsgeschäftliche Willenserklärungen darstellen (§§ 7, 8 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), genügt deshalb für den Bereich des Steuerrechts ein natürlicher Wille, den auch ein Geschäftsunfähiger haben kann; auf den Willen des gesetzlichen Vertreters kommt es nicht an (Senatsurteil vom 22. April 1994 III R 22/92, BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887).

13

b) Ob an einem bestimmten Ort ein Wohnsitz besteht oder nicht, ist für jede Person --insbesondere auch im Verhältnis zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern-- gesondert zu prüfen (Buciek in Beermann/Gosch, AO § 8 Rz 9). Deshalb ist auch die Frage, ob ein Kind einen Wohnsitz begründet --oder beibehalten-- hat, ausschließlich nach den tatsächlichen Gesichtspunkten zu beurteilen (Greite in Korn, § 63 EStG Rz 15). Auch ein Kind begründet deshalb erst dann einen Wohnsitz, wenn es eine Wohnung unter Umständen innehat, die auf das Beibehalten und Benutzen schließen lassen.

14

c) Zwar teilen minderjährige Kinder grundsätzlich den Wohnsitz ihrer Eltern, weil sie über ihre Haushaltszugehörigkeit eine abgeleitete Nutzungsmöglichkeit besitzen und damit zugleich die elterliche Wohnung i.S. des § 8 AO innehaben (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Dezember 2001 VI B 123/00, juris; Buciek, a.a.O., AO § 8 Rz 21). Dies ist jedoch nicht zwingend der Fall, sondern hängt wiederum maßgeblich von den objektiven Umständen des Einzelfalls ab. So führt insbesondere ein mehrjähriger Schulbesuch im Ausland, für den das Kind vor Ort bei Verwandten untergebracht ist, regelmäßig dazu, dass das Kind die elterliche Wohnung im Inland nicht weiterhin unter Umständen innehat, die darauf hinweisen, dass die Wohnung beibehalten und als solche genutzt werden soll und wird (hierzu z.B. Senatsurteile in BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887, und vom 27. April 1995 III R 57/93, BFH/NV 1995, 967; BFH-Urteile vom 23. November 2000 VI R 165/99, BFHE 193, 569, BStBl II 2001, 279, und VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294). Auch teilen minderjährige Kinder nicht stets --gleichsam automatisch-- sämtliche Wohnsitze ihrer Eltern, wenn diese über mehrere Wohnsitze verfügen (Senatsbeschlüsse vom 15. Mai 2009 III B 209/08, BFH/NV 2009, 1630, und vom 27. August 2010 III B 30/09, BFH/NV 2010, 2272; a.A. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. November 2008  8 K 37/07, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2009, 420). Dies ergibt sich bereits aus der Unterscheidung im EStG zwischen dem Wohnsitz des Kindes (§ 63 Abs. 1 Satz 3 EStG) und dem des Kindergeldberechtigten (§ 62 Abs. 1 EStG) als Voraussetzung für den Kindergeldanspruch, so dass der Wohnsitz von Kind und Eltern durchaus auseinanderfallen kann.

15

d) Soweit Rechtsprechung (z.B. BFH-Urteil vom 11. April 1984 I R 230/80, juris, m.w.N.) und Literatur (z.B. Buciek, a.a.O., AO § 8 Rz 22 und 30) davon ausgehen, dass über das Rechtsinstitut des Familienwohnsitzes das "Innehaben einer Wohnung" durch einen Familienangehörigen vermittelt werden kann, so gilt dies uneingeschränkt nur für das "Beibehalten" eines bereits vorhandenen Wohnsitzes. Dagegen kann ein im Ausland lebender Angehöriger im Inland grundsätzlich keinen Wohnsitz begründen, ohne sich hier aufgehalten zu haben (BFH-Urteil vom 3. März 1978 VI R 195/75, BFHE 124, 530, BStBl II 1978, 372; FG Hamburg, Urteil vom 15. April 1994 V 61/92, EFG 1994, 730; Buciek, a.a.O., AO § 8 Rz 31, jeweils für Ehegatten).

16

aa) Wird ein Kind im Ausland geboren, so billigen Verwaltung (Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs --DA-FamEStG-- 63.6.1 Abs. 3 Satz 1, BStBl I 2009, 1033) sowie Teile der Literatur (Felix, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 63 Rz G 6; dies. in Kirchhof, EStG, 10. Aufl., § 63 Rz 4; Blümich/Treiber, § 63 EStG Rz 38; Buciek, a.a.O., AO § 8 Rz 33 Fn 10) dem Kind allerdings unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise einen Wohnsitz im Inland bereits ab seiner Geburt zu (zweifelnd Schmidt/ Heinicke, EStG, 30. Aufl., § 1 Rz 24), sofern sich die Mutter nur kurzfristig (Buciek, a.a.O.), lediglich vorübergehend zum Zeitpunkt der Geburt (Felix, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 63 Rz G 6; Treiber, a.a.O., § 63 EStG Rz 38) bzw. lediglich zur Entbindung vorübergehend (DA-FamEStG, a.a.O.; Felix in Kirchhof, a.a.O., § 63 Rz 4) im Ausland aufgehalten hat und das Kind alsbald (Buciek, a.a.O.) bzw. innerhalb angemessener Zeit (DA-FamEStG, Felix und Treiber, jeweils a.a.O.) nach Deutschland gebracht wird.

17

bb) Auch der Senat hält es unter solchen Umständen für möglich, dass ein im Ausland geborenes Kind bereits von Geburt an den inländischen (Familien-)Wohnsitz teilt. Kann das Kind den Wohnsitz der Eltern im Inland indes aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht nur kurzfristig nicht aufsuchen, kann es dort (zunächst) auch keinen eigenen Wohnsitz begründen (ebenso Buciek, a.a.O., AO § 8 Rz 49, "Kinder"; s. auch Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 1 Rz B 130; Musil in HHSp, § 8 AO Rz 39; Urteil des Bundessozialgerichts vom 14. April 1983 10 RKg 15/82, juris, zum wortgleichen § 30 Abs. 3 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch; a.A. FG Baden-Württemberg in EFG 2009, 420). Insgesamt muss die tatsächliche Gestaltung dafür sprechen, dass das Kind bereits mit seiner Geburt im Ausland seinen Wohnsitz in der elterlichen Wohnung im Inland begründet, weil es diese über seine Eltern innehat und Umstände vorliegen, die auf eine Nutzung der Wohnung auch durch das Kind schließen lassen. Dies ist letztlich eine Frage der tatrichterlichen Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalles (§ 96 Abs. 1 FGO), die einer revisionsrechtlichen Prüfung im Hinblick auf § 118 Abs. 2 FGO regelmäßig entzogen ist (z.B. BFH-Urteile vom 30. August 1989 I R 215/85, BFHE 158, 118, BStBl II 1989, 956; vom 9. Mai 2000 VIII R 77/97, BFHE 192, 445, BStBl II 2000, 660; Senatsurteil vom 20. November 2008 III R 53/05, BFH/NV 2009, 564).

18

e) Die Anknüpfung an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes als Ausprägung des Territorialitätsprinzips ist sachgerecht und verfassungsgemäß (z.B. BFH-Urteile in BFHE 193, 569, BStBl II 2001, 279, und vom 26. Februar 2002 VIII R 85/98, BFH/NV 2002, 912). Auch die Differenzierung in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG ist nicht zu beanstanden. Sie unterscheidet in verfassungsrechtlich vertretbarer Weise danach, ob ein Kind, das weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland oder in einem EU/EWR-Staat hat, zum Haushalt eines erweitert unbeschränkt Steuerpflichtigen (§ 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 1 Abs. 2 EStG) gehört (Senatsbeschluss in BFH/NV 2009, 1630; Pust in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 63 Rz 72).

19

2. Danach ist die Entscheidung des FG, der in der Ukraine geborene S habe einen Wohnsitz im Inland nicht bereits mit seiner Geburt im Januar 2005, sondern erst mit seiner Einreise nach Deutschland im Januar 2006 begründet, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere auch für die Wertung, S sei jedenfalls nicht mehr innerhalb eines als angemessen zu beurteilenden Zeitraums ins Inland gebracht worden.

20

3. Da eine Person zu derselben Zeit immer nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann (Klein/Gersch, a.a.O., § 9 Rz 2) und S sich während des gesamten Streitzeitraums in der Ukraine aufgehalten hat, hat das FG den gewöhnlichen Aufenthalt des S im Inland ebenfalls zutreffend verneint. Ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland kann nicht bereits ab Geburt angenommen werden, wenn das Kind sich nicht in Deutschland aufhält. "Aufhalten" erfordert bereits nach dem Wortlaut die körperliche Anwesenheit an einem bestimmten Ort. Daraus folgt, dass die erstmalige Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts an einem bestimmten Ort stets die dortige körperliche Anwesenheit der natürlichen Person voraussetzt (BFH-Urteil vom 18. Juli 1990 I R 109/88, BFHE 161, 482).

Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. Satz 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert.

Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. Satz 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(3) Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.

(1)1Natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.2Zum Inland im Sinne dieses Gesetzes gehört auch der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Anteil

1.
an der ausschließlichen Wirtschaftszone, soweit dort
a)
die lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen der Gewässer über dem Meeresboden, des Meeresbodens und seines Untergrunds erforscht, ausgebeutet, erhalten oder bewirtschaftet werden,
b)
andere Tätigkeiten zur wirtschaftlichen Erforschung oder Ausbeutung der ausschließlichen Wirtschaftszone ausgeübt werden, wie beispielsweise die Energieerzeugung aus Wasser, Strömung und Wind oder
c)
künstliche Inseln errichtet oder genutzt werden und Anlagen und Bauwerke für die in den Buchstaben a und b genannten Zwecke errichtet oder genutzt werden, und
2.
am Festlandsockel, soweit dort
a)
dessen natürliche Ressourcen erforscht oder ausgebeutet werden; natürliche Ressourcen in diesem Sinne sind die mineralischen und sonstigen nicht lebenden Ressourcen des Meeresbodens und seines Untergrunds sowie die zu den sesshaften Arten gehörenden Lebewesen, die im nutzbaren Stadium entweder unbeweglich auf oder unter dem Meeresboden verbleiben oder sich nur in ständigem körperlichen Kontakt mit dem Meeresboden oder seinem Untergrund fortbewegen können; oder
b)
künstliche Inseln errichtet oder genutzt werden und Anlagen und Bauwerke für die in Buchstabe a genannten Zwecke errichtet oder genutzt werden.

(2)1Unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind auch deutsche Staatsangehörige, die

1.
im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und
2.
zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen,
sowie zu ihrem Haushalt gehörende Angehörige, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder keine Einkünfte oder nur Einkünfte beziehen, die ausschließlich im Inland einkommensteuerpflichtig sind.2Dies gilt nur für natürliche Personen, die in dem Staat, in dem sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, lediglich in einem der beschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen herangezogen werden.

(3)1Auf Antrag werden auch natürliche Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 haben.2Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 Prozent der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 nicht übersteigen; dieser Betrag ist zu kürzen, soweit es nach den Verhältnissen im Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen notwendig und angemessen ist.3Inländische Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, gelten hierbei als nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegend.4Unberücksichtigt bleiben bei der Ermittlung der Einkünfte nach Satz 2 nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende Einkünfte, die im Ausland nicht besteuert werden, soweit vergleichbare Einkünfte im Inland steuerfrei sind.5Weitere Voraussetzung ist, dass die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen wird.6Der Steuerabzug nach § 50a ist ungeachtet der Sätze 1 bis 4 vorzunehmen.

(4) Natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 und des § 1a beschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 haben.

(1)1Das Kindergeld nach § 62 wird von den Familienkassen durch Bescheid festgesetzt und ausgezahlt.2Die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld erfolgt rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist.3Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 bleibt von dieser Auszahlungsbeschränkung unberührt.

(2)1Soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, ist die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern.2Ist die Änderung einer Kindergeldfestsetzung nur wegen einer Anhebung der in § 66 Absatz 1 genannten Kindergeldbeträge erforderlich, kann von der Erteilung eines schriftlichen Änderungsbescheides abgesehen werden.

(3)1Materielle Fehler der letzten Festsetzung können durch Aufhebung oder Änderung der Festsetzung mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung folgenden Monat beseitigt werden.2Bei der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung nach Satz 1 ist § 176 der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden; dies gilt nicht für Monate, die nach der Verkündung der maßgeblichen Entscheidung eines obersten Bundesgerichts beginnen.

(4) (weggefallen)

(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.

(2) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.