Finanzgericht München Urteil, 26. Juli 2018 - 14 K 2036/16

published on 26/07/2018 00:00
Finanzgericht München Urteil, 26. Juli 2018 - 14 K 2036/16
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Subsequent court decisions
Bundesfinanzhof, XI B 89/18, 13/03/2019

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Sie betreibt unter anderem Fischbratereien in vier Biergärten (A, B, C, D) in München bzw. in deren unmittelbaren Nähe. Die sogenannten „Steckerlfische“ wurden von Mitarbeitern gewürzt und über Holzkohlefeuer gegrillt. Die Fische wurden den Kunden im Ganzen und nicht filetiert in Alufolie oder Packpapier verpackt übergeben. An den jeweiligen Fischständen waren nur Bretter zur Ablage und Übergabe der Fische angebracht; Verzehrvorrichtungen sind dort nicht vorhanden. Entsprechend der Tradition durften die Gäste in die Biergärten eigene Brotzeiten, d.h. in der Regel kalte und einfache Speisen, nicht jedoch eigene Getränke mitbringen (vgl. 2.1. der Begründung zur Bayerischen Biergartenverordnung vom 20. April 1999, Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl. - 1999, 142).

Die Klägerin pachtete jeweils einen festen Standplatz.

Die Verträge hinsichtlich des Biergartens A schloss sie mit dem Eigentümer der Immobilie, der nicht der Betreiber war. Die Pacht erstreckte sich jeweils auf die Dauer des „Gartenbetriebs“ (§ 1). Der Pachtzins betrug für diesen Zeitraum 12.000 EUR zuzüglich Umsatzsteuer (§ 2). Vereinbarungen hinsichtlich des Stroms, des Wasserverbrauchs etc. sollten zwischen dem Betreiber und der Klägerin eigenständig verhandelt werden (§ 5). Mit dem Betreiber des Biergartens verständigte sich die Klägerin mündlich darauf, dass wegen des geringen Strom- und Wasserverbrauchs keine Abrechnung erfolge.

In den Verträgen bezüglich des Standes in dem Biergarten B mit dem Betreiber einigte man sich jeweils auf den Pachtzeitraum vom 1. März bis 31. Oktober; der Pachtzins betrug jährlich netto 3.000 EUR (Nr. 3 des Vertrages). Vereinbart war u.a., dass der monatliche Pachtzins vollständig und unabhängig davon zu erbringen sei, ob der Betrieb des “Steckerlfisch-Standes“ aufgrund Wetterbedingungen nicht oder nur teilweise stattfinde (Nr. 6). Die Klägerin hätte die Pacht u. a. dann mindern können, wenn aufgrund von Naturkatastrophen der Betrieb der Gaststätte nicht nur vorübergehend eingestellt worden wäre (Nr. 7).

Mit dem Betreiber C schloss die Klägerin einen mündlichen Vertrag über einen Standplatz für die jeweilige Saison.

Nach den Vereinbarungen mit dem Betreiber des Biergartens D dauerte die Pacht von April bis einschließlich September; hierfür waren 1.500 EUR netto monatlich zu entrichten. In den Pachtzinsen war der Strom, das Wasser, die Abfallentsorgung, die Holzkohlelagerung im Geräteschuppen, die Tiefkühlwarenlagerung im großen Tiefkühlhaus, die Spülmöglichkeit für die Mitarbeiter und die Benutzung der Mitarbeitertoilette enthalten; ferner war ein Weiterverkauf von Brezeln ohne Provision mit täglicher Abrechnung vereinbart.

Die jeweiligen Vereinbarungen mit den Vermietern und Betreibern waren in allen Streitjahren und danach gleich.

Die Biergärten A, B und D warben in den Streitjahren auf ihrem jeweiligen Internetauftritt damit, dass in ihrem Biergarten „Steckerlfisch“ angeboten werde. Der Biergarten C warb ab 2014 damit.

In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre (2009 bis 2013) erklärte die Klägerin die Erlöse aus dem Verkauf der gegrillten Fische in den vier Biergärten als ermäßigt zu besteuernde Umsätze. Die Erklärungen führten zu Festsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Rahmen einer Außenprüfung für die Streitjahre, welche im Jahr 2014 begann, vertrat der Prüfer die Auffassung, dass auf 90% der Umsätze der Regelsteuersatz anzuwenden sei; die nicht in den Biergärten verzehrten, sondern mitgenommen Fische schätzte der Prüfer auf 10% (Bericht vom 11. Juni 2015).

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) erließ am 7. August 2015 entsprechend geänderte Bescheide und setzte die Umsatzsteuer für das Jahr 2009 auf …, für 2010 auf …, für 2011 auf …, für 2012 auf … und für 2013 … fest.

Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2016). Das FA führte aus, der Standbetreiber halte zwar selbst keine Verzehreinrichtungen bereit. Die in den Biergärten vorhanden Vorrichtungen seien jedoch als von der Klägerin bereitgehaltene Infrastruktur zu beurteilen. Auch wenn zwischen der Klägerin und den Betreibern keine besonderen Absprachen hinsichtlich der Nutzung der Biergarteneinrichtungen getroffen worden sein sollten, hätten die Betreiber die Nutzung aus eigenem Interesse zumindest geduldet. Dass die Nutzungsmöglichkeit des Biergartens zum Verzehr der verkauften Fische auch im Interesse der Klägerin sei, ergebe sich insbesondere aus dem Vertrag mit dem Betreiber des Biergartens B. Sie müsse sich die Infrastruktur des Betreibers zurechnen lassen. Aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers seien die Verkaufsstände im Erscheinungsbild ein Teil des Biergartens gewesen. Die Klägerin verschaffe dem Kunden jedenfalls aus dessen Sicht nicht nur den Fisch als solchen, sondern auch die Möglichkeit, diesen im Biergarten zu verzehren.

Am 22. Juli 2016 erhob die Klägerin Klage. Außer der Zubereitung und der Verpackung der Fische erbringe sie keine Dienstleistungen. Laut den Pachtverträgen dürfe sie den Stand ausschließlich zum Betrieb des Fischverkaufes nutzen. Auch habe sie keinen Einfluss darauf, wo die Kunden die Fische verzehrten. Ob dies zu Hause, in der Arbeit, in Parks oder in fremden Biergärten stattfinde, sei nicht nachvollziehbar und könne nicht ausschlaggebend für den Steuersatz seien. Die bayerische Biergartenverordnung erlaube jedem Besucher, sein eigenes Essen mitzubringen und im Biergarten zu verzehren. Diese Erlaubnis habe nicht zur Folge, dass mitgebrachte Speisen durch den Biergartenbesuch dem allgemeinen Steuersatz zu unterwerfen seien. Die in den Biergärten vorhanden Biertische würden vom Gaststättenbetreiber nur dann aufgestellt, wenn dieser den Biergarten für seine Zwecke öffne. Diese würden nicht von der Klägerin zur Verfügung gestellt, sondern dienten lediglich dem Eigeninteresse der Gaststätte. Die Klägerin beteilige sich nicht an den Aufwendungen des Wirtes für dessen Infrastruktur und habe auch gegenüber dem Verpächter keinerlei Recht auf die Zurverfügungstellung einer solchen. In den Pachtverträgen sei direkt nur der Anspruch auf eine Stellfläche geregelt, im Pachtvertrag hinsichtlich des Biergartens A sei der Verpächter der Eigentümer und nicht der Betreiber. Nur die Möglichkeit, die Pacht zu mindern, wenn der Verpächter seine Hauptleistungspflicht, dem Pächter den Pachtgegenstand ordnungsgemäß zur Nutzung zu überlassen, nicht oder nicht genügend nachkomme, sei schon in §§ 581 Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt und könne nicht zu einem höheren Steuersatz führen. Ferner sei nicht von Bedeutung, dass drei der Betreiber im Internet auf den Fischstand hinwiesen. Die Klägerin ist der Auffassung, dass aufgrund des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. August 2017 V R 15/17 (BFH/NV 2017, 1572), bei dem es um den Verkauf von Brezeln durch selbständige Verkäufer in Festzelten des Oktoberfestes gehe, in den wesentlichen Punkten die strittigen Rechtsfragen betreffe. Bei dem gebratenen Fisch handle es sich wie bei den Brezeln um eine einfach zubereitete Speise. Der Sachverhalt unterscheide sich von dem dem Urteil des Finanzgerichts (FG) München vom 9. Februar 2017 14 K 2081/15 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2017, 94) zugrundeliegenden. Denn anders als dort gebe es im Streitfall keinerlei Vorgaben des Betreibers der Gaststätte bezüglich des Speisenangebots und der Öffnungszeiten. Darüber hinaus zahle die Klägerin nur für die reine Stellfläche. Zahlungen - wie im Urteilsfall -, welche einen zusätzlichen Anspruch auf Nutzung der Infrastruktur des Verpächters auslösten (für Reinigung der Biertische, Müllbeseitigung, Toiletten usw.) seien nicht in der Pacht enthalten und würden auch nicht bezahlt. Dieser Punkt entspreche vielmehr genau dem BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1572. Nach dem Sachverhalt des FG-Urteils in EFG 2017, 94 habe der Verpächter lediglich Getränke verkauft, während hier die Betreiber auch Speisen im eigenen Namen angeboten hätten. Dabei hätten sie ein eigenes Interesse daran gehabt, die Biertischgarnituren für ihre Gäste aufzustellen.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide vom 7. August 2015 und die Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2016 dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer für 2009 um …, für 2010 um …, für 2011 um …, für 2012 um … und für 2013 um … verringert wird.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung. Das BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1572 sei nicht mit dem Sachverhalt hier vergleichbar. Der Festzeltbetreiber auf dem Oktoberfest werde es nicht dulden, wenn die Gäste an den Bierzeltgarnituren ausschließlich die Brezeln des selbständigen Verkäufers verzehren würden; die Festzelte seien insoweit vergleichbar mit Restaurants. In Biergärten sei die Situation dagegen anders; hier entspreche es der Kultur, dass die Gäste ihr Essen selbst mitbringen dürften und nicht beim Biergartenbetreiber kaufen müssten. Brezeln seien auch nicht mit „Steckerlfisch“ vergleichbar, weil es sich bei Ersteren um eine Standardspeise einfachster Art handele, die keinerlei über den bloßen Herstellungsvorgang hinausgehendes Zubereitungselement wie etwa ein Warmhalten für den Verzehr enthalte. Grundsätzlich wolle der durchschnittliche Besucher, der in einem Biergarten Essen kaufe, dieses auch dort vor Ort verzehren. Das FG München habe durch sein Urteil in EFG 2017, 94 entschieden, dass der Essensverkauf durch einen selbständigen Grillstand in einem traditionellen bayerischen Biergarten eine Dienstleistung sei, die dem allgemeinen Steuersatz unterliege. Die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde habe der BFH mit Beschluss vom 24. Juli 2017 XI B 37/17 (BFH/NV 2017, 1635) zurückgewiesen.

II.

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.

1. Auf die streitigen Leistungen ist der allgemeine Steuersatz anzuwenden.

a) Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung der Streitjahre (UStG) ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. für die „Lieferung“ der in der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände. Dazu gehören u.a. „Zubereitungen von Fleisch, Fisch …“ (Nr. 28), „Zubereitungen von Gemüse …“ (Nr. 32) und „verschiedene Lebensmittelzubereitungen“ (Nr. 33). Nicht begünstigt sind sonstige Leistungen (BFH-Urteil vom 30. Juni 2011 V R 18/10, BStBl II 2013, 246).

Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die der Unternehmer den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Sonstige Leistungen sind nach § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG Leistungen, die keine Lieferungen sind.

Unionsrechtlich beruhen diese Vorschriften auf Art. 14 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Als Lieferung von Gegenständen gilt danach die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, als Dienstleistung gilt jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist.

Zudem ist ab 1. Juli 2011 Art. 6 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStVO) zu berücksichtigen. Nach Abs. 1 gilt die Abgabe zubereiteter oder nicht zubereiteter Speisen und/oder von Getränken, zusammen mit ausreichenden unterstützenden Dienstleistungen, die deren sofortigen Verzehr ermöglichen, als Restaurant- und Verpflegungsdienstleistung. Die Abgabe von Speisen und/oder Getränken ist dabei nur eine Komponente der gesamten Leistung, bei der der Dienstleistungsanteil überwiegt. Restaurantdienstleistungen sind die Erbringung solcher Dienstleistungen in den Räumlichkeiten des Dienstleistungserbringers und Verpflegungsdienstleistungen sind die Erbringung solcher Dienstleistungen an einem anderen Ort als den Räumlichkeiten des Dienstleistungserbringers. Nach Abs. 2 gilt die Abgabe von zubereiteten oder nicht zubereiteten Speisen und/oder Getränken mit oder ohne Beförderung, jedoch ohne andere unterstützende Dienstleistungen, nicht als Restaurant- oder Verpflegungsdienstleistung.

Bei der Abgrenzung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und BFH auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Maßgebend ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände, unter denen der Umsatz erfolgt. Im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung ist die qualitative und nicht nur die quantitative Bedeutung der Dienstleistungselemente im Vergleich zu den Elementen einer Lieferung zu bestimmen (BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1572, Rz 15, m.w.N.). Beim Bereitstellen von Bierzeltgarnituren, deren Auf- und Abbau sowie deren Reinigung einen gewissen personellen Einsatz erfordern, wird regelmäßig die Schwelle zum Restaurationsumsatz und damit zur Dienstleistung überschritten (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juni 2011 V R 18/10, BStBl II 2013, 246, Rz 38).

Soweit für den Verzehr Mobiliar wie Sitz- und Tischeinrichtungen zur Verfügung steht, ist zu berücksichtigen, dass das bloße Vorhandensein von Mobiliar, das nicht ausschließlich dazu bestimmt ist, den Verzehr von Lebensmitteln möglicherweise zu erleichtern, nicht als Dienstleistungselement angesehen werden kann, das geeignet wäre, dem Umsatz insgesamt die Eigenschaft einer Dienstleistung zu verleihen. Es sind nur die Verzehrvorrichtungen zu berücksichtigen, die vom Leistenden ausschließlich dazu bestimmt werden, den Verzehr von Lebensmitteln möglicherweise zu erleichtern. Verzehrvorrichtungen eines Dritten können grundsätzlich nicht berücksichtigt werden, selbst wenn diese auch im Interesse des leistenden Unternehmers zur Verfügung gestellt waren. Etwas anderes gilt aber, wenn dem Leistenden durch den Dritten der Art nach ein Mitbenutzungsrecht an dessen Verzehrvorrichtungen zugestanden hat (BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1572, Rz 16, 17, 21).

An diesen Grundsätzen hat sich durch den ab 1. Juli 2011 geltenden Art. 6 MwStVO nichts geändert. Soweit es danach für die Annahme einer Dienstleistung (sonstigen Leistung) auf ausreichende unterstützende Dienstleistungen ankommt, die zu einem überwiegenden Dienstleistungsanteil führen, entspricht dies der qualitativen Betrachtungsweise der bisherigen Rechtsprechung (BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1572, Rz 18).

b) Danach liegt hier eine sonstige Leistung vor.

aa) Denn die Klägerin hatte das Recht, ihren Kunden die Infrastruktur der Biergärten zur Verfügung zu stellen, was dann auch - entsprechend der Erwartung der Verbraucher - geschah.

Ausdrücklich ist das Mitbenutzungsrecht zwar, insbesondere in den Pachtverträgen, nicht geregelt, weil dort nur die Verpachtung einer bestimmten Verkaufsfläche genannt ist und der Pachtvertrag hinsichtlich des Biergartens A nicht mit dem Betreiber, sondern mit dem Eigentümer geschlossen wurde.

Ein jedenfalls konkludent vereinbartes Recht (vgl. §§ 133, 157 BGB) zur Mitbenutzung der Infrastruktur ergibt sich aber daraus, dass ohne dieses Recht, das Konzept des Betriebs des „Steckerlfisch“-Standes im Biergarten, das im Interesse sowohl der Klägerin als auch der Betreiber lag, nicht hätte verwirklicht werden können.

Das Betreiben des Grillfischstandes im Biergarten ermöglichte der Klägerin, den Umsatz zu erhöhen. Dies wird dadurch verdeutlicht, dass nach der von der Klägerin nicht substantiiert bestrittenen Schätzung des FA 90% der Fische im Biergarten verzehrt und nur 10% mitgenommen wurden. Dem entspricht, dass es sich bei dem sog. „Steckerlfisch“ um eine typische Speise handelt, die im Biergarten erworben und verzehrt wird. Für das Gesamtkonzept „Biergarten“ ist wesentlich, dass dem Besucher nicht nur Speisen und Getränke in Selbstbedienung, sondern eine angenehme Umgebung zum Verzehr im Freien geboten wird. Die Nähe zum Biergarten ist daher verkaufsfördernd. Dies verdeutlichen auch die verhältnismäßig hohen Pachtzahlungen, welche die Klägerin bereit war, zu entrichten.

Dieses Ziel kann aber nur dann erreicht werden, wenn der Käufer den Fisch an den Bierzeltgarnituren des Betreibers essen darf. Denn der im Ganzen verkaufte Fisch muss filetiert und kann daher grundsätzlich nur an einem Tisch verzehrt werden.

Anders als die Klägerin meint, ergibt sich das Recht, die Bierzeltgarnituren zu benutzen, nicht bereits daraus, dass Besucher nach der Bayerischen Biergartenverordnung vom 20. April 1999 generell mitgebrachte Speisen in Biergärten essen dürften, weil insoweit traditionell nur eigene Brotzeiten, d.h. für in der Regel kalte und einfache Speisen im Biergarten verzehrt werden dürfen. Die von der Klägerin verkauften Fische waren aber keine Brotzeiten, sondern erworbene, warme Speisen (vgl. Urteil des FG München in EFG 2017, 94).

Der jeweilige Biergartenbetreiber hat seinerseits ein Interesse daran, dass die Besucher den gekauften Fisch an den Bierzeltgarnituren verzehren, weil dadurch und durch das Verweilen der Besucher im Biergarten der Verkauf weiterer Waren (z. B. Getränke) begünstigt wird. Außerdem steigert ein Verkaufsstand für „Steckerlfisch“, einem traditionellen Biergartengericht, die Attraktivität des Biergartens als solchen. Dementsprechend haben die Biergartenbetreiber auf ihren Internetauftritten damit geworben, dass in ihren Biergärten „Steckerlfisch“ angeboten werde. Für den Biergarten C war das zwar erst nach dem Streitzeitraum im Jahr 2014 der Fall; allerdings blieben die Vereinbarungen im Jahr 2014 unverändert, so dass die Umstände dieses Jahres auch Rückschlüsse auf die Streitjahre zulassen. Darüber hinaus zeigt auch die Internetwerbung auf, dass die Betreiber den Verzehr der Grillfische in ihren Biergärten zuließen.

Für ein Mitbenutzungsrecht sprechen auch mehrere Vertragsregelungen: So war die Pachtzeit jeweils auf die typische Biergartenzeit begrenzt, nämlich auf die Dauer des „Gartenbetriebs“, auf den 1. März bis 31. Oktober, auf April bis einschließlich September oder die jeweilige Saison. Aus Nr. 6 des Vertrages mit dem Betreiber des Biergartens B, wonach die Pacht auch dann zu leisten war, wenn der Betrieb des “Steckelfisch-Standes“ aufgrund der Wetterbedingungen nicht oder nur teilweise stattfinden konnte, wird deutlich, dass die Vertragsparteien die Wetterverhältnisse für den Verkauf der Fische für wichtig und somit das Risiko dafür für regelungsbedürftig hielten; dies zeigt auf, dass der Biergartenbetrieb für den Fischverkauf als wesentlich angesehen wurde. Gleiches ergibt sich aus dem Minderungsrecht nach Nr. 7 dieses Vertrages; danach konnte die Pacht gemindert werden, wenn aufgrund von Naturkatastrophen der Betrieb der Gaststätte nicht nur vorübergehend eingestellt worden wäre. Entgegen der Auffassung der Klägerin bezieht sich diese Vereinbarung nicht auf die Nichtnutzbarkeit des Pachtobjekts, sondern - davon unabhängig - auf den Betrieb der Gaststätte und damit auf den Betrieb des Biergartens.

Ein konkludentes Mitbenutzungsrecht ist auch für den Biergarten A vereinbart. Die Klägerin hat zwar ihren Pachtvertrag mit dem Eigentümer des Grundstücks geschlossen, welcher nicht der Betreiber war. Mit dem Betreiber traf sie aber eine mündliche Vereinbarung, nach der von der Klägerin verbrauchtes Wasser und Strom nicht abgerechnet werde. Ebenfalls hinsichtlich dieses Biergartens war das Konzept, einen Verkaufstand für „Steckerlfisch“ im Biergarten zu betreiben, im Interesse der Klägerin und des Betreibers. Zur Verwirklichung war - wie dargelegt - ein Mitbenutzungsrecht der Klägerin erforderlich.

bb) Die Biergartengarnituren dienten ausschließlich dazu, den Verzehr von Lebensmitteln zu erleichtern. Hierauf beruht das Konzept des Biergartens.

c) Das BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1572 steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Dort ging es um den Steuersatz für den Verkauf von sog. „Wiesnbrezn“ durch Dritte in Bierzelten. Der BFH führte unter Rz 22 aus, es sei nicht anzunehmen, dass Personen, die ausschließlich Brezeln von einem Dritten erwarben, zur Nutzung der Bierzeltgarnituren auch dann berechtigt seien, wenn sie keine zusätzlichen Leistungen des Festzeltbetreibers für den Erwerb von dessen Getränken und Speisen in Anspruch genommen hätten. Damit habe für den Dritten und ihre Kunden unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität im Festzelt nur die Möglichkeit einer bloßen Mitbenutzung der Sitzgelegenheiten mit Tisch im Rahmen eines Getränke- und Speisenbezugs vom Festzeltbetreiber bestanden. Die Leistung des Dritten sei nur als Abrundung eines gastronomischen Angebots der Festwirte durch einen vom Festwirt personenverschiedenen Unternehmer anzusehen. Im Streitfall ist indessen aus den dargelegten Gründen davon auszugehen, dass die Klägerin das Recht gehabt hat, ihren Kunden die Nutzung der Infrastruktur des Biergartens zu ermöglichen. Anders als bei Brezeln, die regelmäßig zusätzlich zu einer weiteren Speise verzehrt werden, handelt es sich bei den gegrillten Fischen um ein Hauptgericht, so dass der Kunde häufig keine weitere Speise erwirbt. Zudem ist ein Verzehr des Fisches ohne Tisch grundsätzlich nicht möglich, weil er filetiert werden muss; demgegenüber können Brezeln ohne Hilfsvorrichtungen gegessen werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1572, Rz 23).

2. Nicht zu beanstanden ist die Schätzung des FA, dass bei 10% der Umsätze die Fische nicht im Biergarten verzehrt, sondern mitgenommen wurden. Substantiierte Einwendungen hiergegen hat die Klägerin nicht erhoben.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

9 Referenzen - Gesetze

moreResultsText

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd
4 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 09/02/2017 00:00

Tatbestand I. Der Kläger betrieb in den Streitjahren (2006 bis 2010) u.a. einen Grillstand in einem Biergarten, in dem er gebratene Fische, Grillhähnchen, Spareribs und Pommes frites anbot. Er hatte vom Betreiber des Biergartens mit Ve
published on 03/08/2017 00:00

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 22. Februar 2017  3 K 2670/14 aufgehoben.
published on 24/07/2017 00:00

Tenor Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 9. Februar 2017  14 K 2081/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
published on 30/06/2011 00:00

Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob die Umsätze des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) aus dem Betrieb eines Imbissstandes dem Regelsteuersatz unterliegen.
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

(1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 Prozent der Bemessungsgrundlage (§§ 10, 11, 25 Abs. 3 und § 25a Abs. 3 und 4).

(2) Die Steuer ermäßigt sich auf sieben Prozent für die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen, die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände mit Ausnahme der in der Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 bezeichneten Gegenstände;
2.
die Vermietung der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände mit Ausnahme der in der Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 bezeichneten Gegenstände;
3.
die Aufzucht und das Halten von Vieh, die Anzucht von Pflanzen und die Teilnahme an Leistungsprüfungen für Tiere;
4.
die Leistungen, die unmittelbar der Vatertierhaltung, der Förderung der Tierzucht, der künstlichen Tierbesamung oder der Leistungs- und Qualitätsprüfung in der Tierzucht und in der Milchwirtschaft dienen;
5.
(weggefallen);
6.
die Leistungen aus der Tätigkeit als Zahntechniker sowie die in § 4 Nr. 14 Buchstabe a Satz 2 bezeichneten Leistungen der Zahnärzte;
7.
a)
die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen, sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler
b)
die Überlassung von Filmen zur Auswertung und Vorführung sowie die Filmvorführungen, soweit die Filme nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit oder nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 des Jugendschutzgesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730, 2003 I S. 476) in der jeweils geltenden Fassung gekennzeichnet sind oder vor dem 1. Januar 1970 erstaufgeführt wurden,
c)
die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben,
d)
die Zirkusvorführungen, die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller sowie die unmittelbar mit dem Betrieb der zoologischen Gärten verbundenen Umsätze;
8.
a)
die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 der Abgabenordnung). Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, gilt Satz 1 nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 der Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht,
b)
die Leistungen der nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen und Gemeinschaften der in Buchstabe a Satz 1 bezeichneten Körperschaften, wenn diese Leistungen, falls die Körperschaften sie anteilig selbst ausführten, insgesamt nach Buchstabe a ermäßigt besteuert würden;
9.
die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze sowie die Verabreichung von Heilbädern. Das Gleiche gilt für die Bereitstellung von Kureinrichtungen, soweit als Entgelt eine Kurtaxe zu entrichten ist;
10.
die Beförderungen von Personen
a)
im Schienenbahnverkehr,
b)
im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen, mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art und im genehmigten Linienverkehr mit Schiffen sowie die Beförderungen im Fährverkehr
aa)
innerhalb einer Gemeinde oder
bb)
wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt;
11.
die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen. Satz 1 gilt nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind;
12.
die Einfuhr der in Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände;
13.
die Lieferungen und der innergemeinschaftliche Erwerb der in Nummer 53 der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände, wenn die Lieferungen
a)
vom Urheber der Gegenstände oder dessen Rechtsnachfolger bewirkt werden oder
b)
von einem Unternehmer bewirkt werden, der kein Wiederverkäufer (§ 25a Absatz 1 Nummer 1 Satz 2) ist, und die Gegenstände
aa)
vom Unternehmer in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt wurden,
bb)
von ihrem Urheber oder dessen Rechtsnachfolger an den Unternehmer geliefert wurden oder
cc)
den Unternehmer zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt haben;
14.
die Überlassung der in Nummer 49 Buchstabe a bis e und Nummer 50 der Anlage 2 bezeichneten Erzeugnisse in elektronischer Form, unabhängig davon, ob das Erzeugnis auch auf einem physischen Träger angeboten wird, mit Ausnahme der Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen aus Videoinhalten oder hörbarer Musik bestehen. Ebenfalls ausgenommen sind Erzeugnisse, für die Beschränkungen als jugendgefährdende Trägermedien oder Hinweispflichten nach § 15 Absatz 1 bis 3 und 6 des Jugendschutzgesetzes in der jeweils geltenden Fassung bestehen, sowie Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken, einschließlich Reisewerbung, dienen. Begünstigt ist auch die Bereitstellung eines Zugangs zu Datenbanken, die eine Vielzahl von elektronischen Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften oder Teile von diesen enthalten;
15.
die nach dem 30. Juni 2020 und vor dem 1. Januar 2024 erbrachten Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen, mit Ausnahme der Abgabe von Getränken.
-----
*)
§ 12 Abs. 2 Nr. 10: Gilt gem. § 28 Abs. 4 idF d. Art. 8 Nr. 9 G v. 20.12.2007 I 3150 bis zum 31. Dezember 2011 in folgender Fassung:
"10.
a)
die Beförderungen von Personen mit Schiffen,
b)
die Beförderungen von Personen im Schienenbahnverkehr, im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen, mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art und die Beförderungen im Fährverkehr
aa)
innerhalb einer Gemeinde oder
bb)
wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt."

(3) Die Steuer ermäßigt sich auf 0 Prozent für die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen von Solarmodulen an den Betreiber einer Photovoltaikanlage, einschließlich der für den Betrieb einer Photovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Photovoltaikanlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Die Voraussetzungen des Satzes 1 gelten als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage laut Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 Kilowatt (peak) beträgt oder betragen wird;
2.
den innergemeinschaftlichen Erwerb der in Nummer 1 bezeichneten Gegenstände, die die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllen;
3.
die Einfuhr der in Nummer 1 bezeichneten Gegenstände, die die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllen;
4.
die Installation von Photovoltaikanlagen sowie der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Lieferung der installierten Komponenten die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllt.

(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

(1a) Als Lieferung gegen Entgelt gilt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen des § 6b.

(1b) Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen;
2.
die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
3.
jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.
Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

(2) (weggefallen)

(3) Beim Kommissionsgeschäft (§ 383 des Handelsgesetzbuchs) liegt zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär eine Lieferung vor. Bei der Verkaufskommission gilt der Kommissionär, bei der Einkaufskommission der Kommittent als Abnehmer.

(3a) Ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 unterstützt, wird behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt. Eine elektronische Schnittstelle im Sinne der Sätze 1 und 2 ist ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Ein Fernverkauf im Sinne des Satzes 2 ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Erwerber im Sinne des Satzes 4 ist ein in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichneter Empfänger oder eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend. Satz 2 gilt nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge und eines Gegenstandes, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird.

(4) Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

(5) Hat ein Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen, zurückzugeben, so beschränkt sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben. Das gilt auch dann, wenn der Abnehmer an Stelle der bei der Bearbeitung oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse oder Abfälle Gegenstände gleicher Art zurückgibt, wie sie in seinem Unternehmen regelmäßig anfallen.

(5a) Der Ort der Lieferung richtet sich vorbehaltlich der §§ 3c, 3e und 3g nach den Absätzen 6 bis 8.

(6) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten.

(6a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und verwendet der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Gelangt der Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde. Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Namen des Zwischenhändlers oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung (Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1) für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.

(6b) Wird ein Unternehmer gemäß Absatz 3a behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte, wird die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung durch diesen Unternehmer zugeschrieben.

(7) Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. In den Fällen der Absätze 6a und 6b gilt Folgendes:

1.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt.
2.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet.

(8) Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, gilt der Ort der Lieferung dieses Gegenstands als im Inland gelegen, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist.

(8a) (weggefallen)

(9) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.

(9a) Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; dies gilt nicht, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b ausgeschlossen oder wenn eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Absatz 6a durchzuführen ist;
2.
die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.

(10) Überlässt ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung eines Gegenstands übergeben hat, an Stelle des herzustellenden Gegenstands einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt, so gilt die Leistung des Unternehmers als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffs und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird.

(11) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.

(11a) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung, die über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal erbracht wird, eingeschaltet, gilt er im Sinne von Absatz 11 als im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelnd. Dies gilt nicht, wenn der Anbieter dieser sonstigen Leistung von dem Unternehmer als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn

1.
in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;
2.
in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.
Die Sätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Erbringung der sonstigen Leistung im Sinne des Satzes 2
1.
die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert,
2.
die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder
3.
die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.
Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Unternehmer lediglich Zahlungen in Bezug auf die erbrachte sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 abwickelt und nicht an der Erbringung dieser sonstigen Leistung beteiligt ist.

(12) Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht.

(13) Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ist ein Instrument, bei dem

1.
die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
2.
der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.
Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, sind keine Gutscheine im Sinne des Satzes 1.

(14) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen, ist ein Einzweck-Gutschein. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im Namen eines anderen Unternehmers, gilt diese Übertragung als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den Unternehmer, in dessen Namen die Übertragung des Gutscheins erfolgt. Wird die im Einzweck-Gutschein bezeichnete Leistung von einem anderen Unternehmer erbracht als dem, der den Gutschein im eigenen Namen ausgestellt hat, wird der leistende Unternehmer so behandelt, als habe er die im Gutschein bezeichnete Leistung an den Aussteller erbracht. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die ein Einzweck-Gutschein als Gegenleistung angenommen wird, gilt in den Fällen der Sätze 2 bis 4 nicht als unabhängiger Umsatz.

(15) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt, ist ein Mehrzweck-Gutschein. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teilweise Gegenleistung annimmt, unterliegt der Umsatzsteuer nach § 1 Absatz 1, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.