Finanzgericht München Urteil, 25. Apr. 2019 - 10 K 1057/18
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
den Bescheid vom 28. Februar 2018 und die Einspruchsentscheidung vom 26. März 2018 aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Einkommensteuer 2012 abweichend dahingehend festzusetzen, dass die Einkünfte der Klägerin aus ihrer nichtselbständigen Tätigkeit von September bis Dezember 2012 i.H.v. 14.996 € von der Besteuerung freigestellt werden und nur dem Progressionsvorbehalt unterworfen werden.
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
II.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht München Urteil, 25. Apr. 2019 - 10 K 1057/18
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht München Urteil, 25. Apr. 2019 - 10 K 1057/18
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenFinanzgericht München Urteil, 25. Apr. 2019 - 10 K 1057/18 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Ein Steuerbescheid darf, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nur aufgehoben oder geändert werden,
- 1.
wenn er Verbrauchsteuern betrifft, - 2.
wenn er andere Steuern als Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union oder Verbrauchsteuern betrifft, - a)
soweit der Steuerpflichtige zustimmt oder seinem Antrag der Sache nach entsprochen wird; dies gilt jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen nur, soweit er vor Ablauf der Einspruchsfrist zugestimmt oder den Antrag gestellt hat oder soweit die Finanzbehörde einem Einspruch oder einer Klage abhilft, - b)
soweit er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist, - c)
soweit er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist, - d)
soweit dies sonst gesetzlich zugelassen ist; die §§ 130 und 131 gelten nicht.
(2) Absatz 1 gilt auch für einen Verwaltungsakt, durch den ein Antrag auf Erlass, Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids ganz oder teilweise abgelehnt wird.
(3) Anhängige, außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellte Anträge auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung, die eine vom Gerichtshof der Europäischen Union, vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht entsprochen werden kann, können durch Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden. § 367 Abs. 2b Satz 2 bis 6 gilt entsprechend.
(1) Eine teilweise Freistellung von Abzugsteuern nach § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes bei Arbeitslöhnen kommt bei Abwanderern so lange nicht in Betracht, wie Artikel 4 Absatz 4 des Abkommens anzuwenden ist.
(2) Die Regelung des Artikels 4 Absatz 4 des Abkommens ist nicht anzuwenden, wenn der Wegzug in die Schweiz wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt.
(3) Für die Anrechnung schweizerischer Steuern im Lohnsteuerabzugsverfahren gilt: In entsprechender Anwendung des § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes rechnet der Arbeitgeber auf Grund einer Anrechnungsbescheinigung des Betriebstättenfinanzamts einen bestimmten Betrag als schweizerische Steuer vorläufig auf die 4,5 Prozent des Bruttobetrages der Vergütungen übersteigende deutsche Lohnsteuer an. Der Grenzgänger-Abwanderer hat die Anrechnungsbescheinigung beim Betriebstättenfinanzamt zu beantragen. Dem Antrag hat er seinen letzten schweizerischen Steuer- oder Vorauszahlungsbescheid beizufügen. Nach Ablauf des Kalenderjahrs wird zur endgültigen Anrechnung der schweizerischen Steuer auf Antrag des Grenzgänger-Abwanderers eine Veranlagung durchgeführt. Der Antrag auf Durchführung der Veranlagung ist gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung der Anrechnungsbescheinigung zu stellen.
(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.
(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.
(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie
- 1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist, - 2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder - 3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.
(1) Eine teilweise Freistellung von Abzugsteuern nach § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes bei Arbeitslöhnen kommt bei Abwanderern so lange nicht in Betracht, wie Artikel 4 Absatz 4 des Abkommens anzuwenden ist.
(2) Die Regelung des Artikels 4 Absatz 4 des Abkommens ist nicht anzuwenden, wenn der Wegzug in die Schweiz wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt.
(3) Für die Anrechnung schweizerischer Steuern im Lohnsteuerabzugsverfahren gilt: In entsprechender Anwendung des § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes rechnet der Arbeitgeber auf Grund einer Anrechnungsbescheinigung des Betriebstättenfinanzamts einen bestimmten Betrag als schweizerische Steuer vorläufig auf die 4,5 Prozent des Bruttobetrages der Vergütungen übersteigende deutsche Lohnsteuer an. Der Grenzgänger-Abwanderer hat die Anrechnungsbescheinigung beim Betriebstättenfinanzamt zu beantragen. Dem Antrag hat er seinen letzten schweizerischen Steuer- oder Vorauszahlungsbescheid beizufügen. Nach Ablauf des Kalenderjahrs wird zur endgültigen Anrechnung der schweizerischen Steuer auf Antrag des Grenzgänger-Abwanderers eine Veranlagung durchgeführt. Der Antrag auf Durchführung der Veranlagung ist gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung der Anrechnungsbescheinigung zu stellen.
(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.
(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.
(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie
- 1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist, - 2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder - 3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.
(1) Eine teilweise Freistellung von Abzugsteuern nach § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes bei Arbeitslöhnen kommt bei Abwanderern so lange nicht in Betracht, wie Artikel 4 Absatz 4 des Abkommens anzuwenden ist.
(2) Die Regelung des Artikels 4 Absatz 4 des Abkommens ist nicht anzuwenden, wenn der Wegzug in die Schweiz wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt.
(3) Für die Anrechnung schweizerischer Steuern im Lohnsteuerabzugsverfahren gilt: In entsprechender Anwendung des § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes rechnet der Arbeitgeber auf Grund einer Anrechnungsbescheinigung des Betriebstättenfinanzamts einen bestimmten Betrag als schweizerische Steuer vorläufig auf die 4,5 Prozent des Bruttobetrages der Vergütungen übersteigende deutsche Lohnsteuer an. Der Grenzgänger-Abwanderer hat die Anrechnungsbescheinigung beim Betriebstättenfinanzamt zu beantragen. Dem Antrag hat er seinen letzten schweizerischen Steuer- oder Vorauszahlungsbescheid beizufügen. Nach Ablauf des Kalenderjahrs wird zur endgültigen Anrechnung der schweizerischen Steuer auf Antrag des Grenzgänger-Abwanderers eine Veranlagung durchgeführt. Der Antrag auf Durchführung der Veranlagung ist gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung der Anrechnungsbescheinigung zu stellen.
(1) Verträge mit anderen Staaten im Sinne des Artikels 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes über die Besteuerung gehen, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, den Steuergesetzen vor.
(2) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung oder doppelten Nichtbesteuerung mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zu erlassen. Konsultationsvereinbarungen nach Satz 1 sind einvernehmliche Vereinbarungen der zuständigen Behörden der Vertragsstaaten eines Doppelbesteuerungsabkommens mit dem Ziel, Einzelheiten der Durchführung eines solchen Abkommens zu regeln, insbesondere Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung des jeweiligen Abkommens bestehen, zu beseitigen.
(3) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften zu erlassen, die
- 1.
Einkünfte oder Vermögen oder Teile davon bestimmen, für die die Bundesrepublik Deutschland in Anwendung der Bestimmung eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf Grund einer auf diplomatischem Weg erfolgten Notifizierung eine Steueranrechnung vornimmt, und - 2.
in den Anwendungsbereich der Bestimmungen über den öffentlichen Dienst eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung diejenigen Körperschaften und Einrichtungen einbeziehen, die auf Grund einer in diesem Abkommen vorgesehenen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden bestimmt worden sind.
Tenor
-
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 8. Oktober 2013 10 K 2176/11 aufgehoben, soweit dieses wegen Feststellung der Steuerermäßigung nach § 10a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes ergangen ist. Die Klage wird insoweit als unzulässig abgewiesen.
-
Im Übrigen wird die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
-
Die Kosten des gesamten Rechtsstreits fallen dem Beklagten zur Last.
Tatbestand
- 1
-
A. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wohnte im Streitjahr 2010 bis zum 30. April im Inland und übte hier eine nichtselbständige Tätigkeit aus. Am 1. Mai verzog er in die Schweiz, wo er eine neue nichtselbständige Tätigkeit aufnahm.
- 2
-
Das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und seinem seinerzeitigen inländischen Arbeitgeber wurde mit Vertrag vom 16./29. Dezember 2009 aus dringenden betrieblichen Gründen einvernehmlich zum 31. Juli 2010 beendet. Der Kläger wurde unter Fortzahlung der regulären Bezüge sowie unter Zahlung von Boni für 2009 und 2010 zum 1. Januar 2010 unwiderruflich freigestellt. Er konnte seinerseits das Arbeitsverhältnis mit 14-tägiger Kündigungsfrist auch vor dem 31. Juli 2010 beenden. Als Entschädigung für den Verlust des Anstellungsverhältnisses und zum Ausgleich bereits entstandener und der damit in Zukunft verbundenen beruflichen und finanziellen Nachteile vereinbarten die Vertragspartner eine Abfindung in Höhe eines Einmalbetrages von 780.500 €. Für den Fall einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Erklärung des Klägers sollte sich der Abfindungsbetrag um das ansonsten zwischen dem Beendigungsdatum und dem am 31. Juli 2010 fällige Grundgehalt erhöhen. Die Versteuerung sollte durch den Arbeitgeber erfolgen.
- 3
-
Die Abfindung wurde im September 2010 gezahlt. Der ehemalige Arbeitgeber behielt darauf 337.990 € an Lohnsteuer und 18.589,45 € an Solidaritätszuschlag ein. Zuvor war eine vom Kläger angestrebte lohnsteuerliche Freistellung der Abfindung durch das zuständige Betriebsstättenfinanzamt gescheitert.
- 4
-
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2010 behandelte der Kläger einen Betrag von 785.194 € als nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) --DBA-Schweiz 1971-- steuerfreien Arbeitslohn. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) behandelte den Betrag demgegenüber als Entschädigung für mehrere Jahre, die in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) als Arbeitslohn nach § 19 i.V.m. § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2009) ermäßigt zu versteuern sei. Das Besteuerungsrecht Deutschlands ergebe sich aus Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 und der dazu ergangenen (ergänzenden) deutsch-schweizerischen Konsultationsvereinbarung zur Besteuerung von Abfindungszahlungen vom 17. März 2010, bekanntgegeben durch das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 25. März 2010 (BStBl I 2010, 268), Letztere i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 2 und § 25 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft --Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarungsverordnung (KonsVerCHEV)-- vom 20. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 2187, BStBl I 2010, 146). Die in der Schweiz erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wurden gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 2009 beim sog. Progressionsvorbehalt berücksichtigt.
- 5
-
Die Klage gegen die hiernach ergangenen Bescheide über Einkommensteuer und Feststellung der Steuermäßigung nach § 10a Abs. 4 EStG 2009 war erfolgreich. Das Hessische Finanzgericht (FG) gab ihr durch Urteil vom 8. Oktober 2013 10 K 2176/11, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 288 statt.
- 6
-
Das FA stützt seine Revision auf Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 7
-
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
- 8
-
Dem Revisionsverfahren ist das BMF beigetreten. Es schließt sich in der Sache dem FA an, ohne eigene Anträge zu stellen.
Entscheidungsgründe
- 9
-
B. Die Revision ist nur im Hinblick auf die Feststellung der Steuerermäßigung nach § 10a Abs. 4 Satz 1 EStG 2009 begründet, weil die Klage insoweit unzulässig ist. Im Übrigen aber ist sie unbegründet.
- 10
-
I. Die Anfechtung des Feststellungsbescheids gemäß § 10a Abs. 4 Satz 1 EStG 2009 ist unzulässig. Es handelt sich bei diesem Bescheid bezogen auf den angefochtenen Einkommensteuerbescheid um einen Folgebescheid (vgl. § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung --AO--). Das ergibt sich aus § 10a Abs. 4 Satz 1 letzter Halbsatz EStG 2009, wonach § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG 2009 auf die Feststellung entsprechend anzuwenden ist, und in jener Vorschrift ist die Grundlagenwirkung des Einkommensteuerbescheids justiert (s. dazu z.B. Schmidt/Heinicke, EStG, 34. Aufl., § 10d Rz 41; Schmidt/Weber-Grellet, ebenda, § 10a Rz 30, m.w.N.).
- 11
-
II. Im eigentlichen Streitpunkt ist die Revision jedoch unbegründet. Das Deutschland nach innerstaatlichem Recht zustehende Besteuerungsrecht für die Abfindung wurde durch das DBA-Schweiz 1971 beschränkt; das Besteuerungsrecht steht nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 der Schweiz als dem (nunmehrigen) Wohnsitzstaat des Klägers zu.
- 12
-
1. Der Kläger hat seinen Wohnsitz seit dem 1. Mai des Streitjahres in der Schweiz und ist seitdem in Deutschland nicht mehr --wie zuvor-- unbeschränkt (vgl. § 1 Abs. 1 EStG 2009), sondern beschränkt (vgl. § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 EStG 2009) steuerpflichtig. Letzteres betrifft nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG 2009 auch seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG 2009), die im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder --und insofern hier bezogen auf die in Rede stehende Abfindungszahlung allein einschlägig-- "worden ist". Es betrifft nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG 2009 zudem Einkünfte, die als Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG 2009 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, soweit die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte --wie vorliegend-- der inländischen Besteuerung unterlegen haben. Die Vorinstanz geht übereinstimmend mit den Beteiligten davon aus, dass es sich bei der an den Kläger geleisteten Abfindungszahlung um eine derartige Entschädigung handelt, nicht aber um nachträglichen Arbeitslohn. Auch der Senat hat keinen Anlass, diese Sachverhaltswürdigung in Frage zu stellen.
- 13
-
2. Deutschland steht infolge des mit der Schweiz geschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung jedoch das Besteuerungsrecht an der Zahlung nicht zu: Art. 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 DBA-Schweiz 1971 bestimmt, dass Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden können, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden. Daraus folgt nach ständiger Spruchpraxis des Senats (z.B. Urteile vom 2. September 2009 I R 111/08, BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387; I R 90/08, BFHE 226, 267, BStBl II 2010, 394; vom 24. Juli 2013 I R 8/13, BFHE 245, 291, BStBl II 2014, 929, jeweils m.w.N.), dass Abfindungen anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses nicht im Tätigkeitsstaat, sondern im Ansässigkeitsstaat zu besteuern sind. Denn bei Abfindungen handelt es sich unbeschadet dessen, dass sie nach dem insoweit maßgebenden innerstaatlichen Recht (vgl. Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971) Arbeitslohn (§ 19 EStG 2009) sind, nicht um ein zusätzliches Entgelt für eine frühere Tätigkeit i.S. des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971. Sie werden nicht für eine konkrete im Inland oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt, sondern gerade für den Verlust des Arbeitsplatzes. Ein bloßer Anlasszusammenhang zwischen Zahlung und Tätigkeit genügt nach dem Abkommenswortlaut ("dafür") indes nicht. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Spruchpraxis, an welcher festzuhalten ist, prinzipiell angeschlossen (BMF-Schreiben vom 14. September 2006, BStBl I 2006, 532, dort Tz. 6.3 Rz 121, und --nunmehr mit Wirkung ab 1. Januar 2015-- vom 12. November 2014, BStBl I 2014, 1467, dort Tz. 5.5.4 Rz 178 ff.).
- 14
-
3. Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387 weiter entschieden hat, ändert sich an dieser Rechtsauffassung infolge der ursprünglichen (vgl. BMF-Schreiben vom 20. Mai 1997, BStBl I 1997, 560), durch das BMF-Schreiben vom 13. Oktober 1992 (Recht der Internationalen Wirtschaft 1993, 82; vgl. auch BStBl I 1997, 560) bekanntgegebenen Verständigungsvereinbarung der deutschen und eidgenössischen Finanzbehörden zur Besteuerung von Abfindungen nichts. Dabei verbleibt es auch vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich ergangenen ergänzenden Konsultationsvereinbarung vom 17. März 2010.
- 15
-
a) Das BMF und die Eidgenössische Steuerverwaltung haben sich in jenen Vereinbarungen auf der Basis von Konsultationsverhandlungen nach Maßgabe des Art. 26 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 darauf verständigt, das Besteuerungsrecht der beiden Vertragsstaaten danach zuzuteilen, ob der Abfindung Versorgungscharakter beizumessen ist oder ob es sich um eine Nachzahlung von Lohn, Gehalt oder Tantiemen aus dem früheren Arbeitsverhältnis handelt oder die Abfindung allgemein für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst gewährt wird. In dem ersten Fall kann --nach Satz 2 der Vereinbarungen-- die Abfindung danach gemäß Art. 18 DBA-Schweiz 1971 nur im Wohnsitzstaat des Empfängers besteuert werden, im zweiten Fall soll nach Satz 3 der Vereinbarungen gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 das sog. Tätigkeitsortsprinzip gelten. Hintergrund dieser Vereinbarung ist der Umstand, dass andernfalls aufgrund der unterschiedlichen Verwaltungspraxis in Deutschland und in der Schweiz über die Besteuerungszuordnung die Gefahr sog. weißer Einkünfte, also der doppelten Nichtbesteuerung, bestand.
- 16
-
b) Der Senat misst einer derartigen zwischenstaatlichen Konsultationsvereinbarung --in Einklang mit den Grundsätzen zur Auslegung von Verträgen nach Art. 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 --WÜRV-- (BGBl II 1985, 927), in innerstaatliches Recht transformiert seit Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 3. August 1985 (BGBl II 1985, 926) am 20. August 1987 (BGBl II 1987, 757)-- zwar Bedeutung für die Auslegung der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei. Er hat jedoch wiederholt klar zum Ausdruck gebracht, dass die "Grenzmarke" für das richtige Abkommensverständnis immer nur der Abkommenswortlaut sein kann. Wird das in der Konsultationsvereinbarung gefundene Abkommensverständnis durch den Wortlaut nicht gedeckt, kann die Vereinbarung die Abkommensauslegung durch die Gerichte nicht beeinflussen oder die Gerichte gar binden. Auch daran ist uneingeschränkt festzuhalten und auf das zitierte Urteil in BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387 ist deswegen zu verweisen.
- 17
-
4. Allerdings haben sich die Vereinbarungsgrundlagen zwischenzeitlich geändert. Der Gesetzgeber hat vermittels des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010) mit § 2 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO n.F.-- (erstmals) eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen, wonach --so Satz 1 der Vorschrift-- das BMF ermächtigt wird, zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung oder doppelten Nichtbesteuerung mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zu erlassen. Konsultationsvereinbarungen in diesem Sinne sind nach Satz 2 der Vorschrift einvernehmliche Vereinbarungen der zu-ständigen Behörden der Vertragsstaaten eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mit dem Ziel, Einzelheiten der Durchführung eines solchen Abkommens zu regeln, insbesondere Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung des jeweiligen Abkommens bestehen, zu beseitigen. Mit diesem tatbestandlich umschriebenen Inhalt zielt die Neuregelung darauf ab, zwischenstaatlichen behördlichen Konsultationsvereinbarungen i.S. von Art. 25 Abs. 3 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-MustAbk) den Rang einer Rechtsverordnung zu verleihen. In § 24 Abs. 1 KonsVerCHEV ist das für die im Streitfall in Rede stehenden Arbeitnehmer-Abfindungen geschehen; die Deutsch-Schweizerische Konsultationsverbindung vom 17. März 2010 ist darin textlich übernommen worden.
- 18
-
5. Es ist im Schrifttum kontrovers, ob die neugeschaffene Ermächtigungsgrundlage den dafür gebotenen Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) genügt und im Ergebnis geeignet ist, die seitens der Finanzverwaltung beanspruchte (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 1467, dort Tz. 5.5.4.2 Rz 183 ff.) Verbindlichkeit der zwischenstaatlich gefundenen Abkommensauslegung herbeizuführen. Überwiegend wird das verneint und dem schließt sich der Senat an. Die Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarung vom 17. März 2010 genügt trotz ihrer unilateralen "Anhebung" in eine Rechtsverordnung den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts nach Art. 20 Abs. 3 GG nicht. Sie fußt mit § 2 Abs. 2 AO n.F. nicht auf einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, in welcher Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung jedenfalls bezogen auf die Frage nach der Besteuerung von Abfindungszahlungen an einen (ehemals) nichtselbständig tätigen Arbeitnehmer hinreichend bestimmt werden. Dessen aber hätte es nach Art. 80 Abs. 1 GG bedurft.
- 19
-
a) Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG können durch Gesetz die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen dabei Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Das ist hier nicht gelungen.
- 20
-
aa) Zwar gilt gewissermaßen "natürlich" der Grundsatz, dass ein Gesetz nicht durch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift außer Kraft gesetzt oder abgeändert werden kann, ebenso wie seine Durchbrechung durch einen Verwaltungsakt und seine Verdrängung durch eine Rechtsnorm, die im Vergleich zum Gesetz von niedrigerem Range ist, also eine Rechtsverordnung, eine Gemeindesatzung, ausgeschlossen ist. Das ergibt sich unmittelbar aus dem "Vorrang des Gesetzes" (Art. 20 Abs. 3 GG): "Der in der Form des Gesetzes geäußerte Staatswille geht rechtlich jeder anderen staatlichen Willensäußerung vor", so das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 6. Mai 1958 2 BvL 37/56, 2 BvL 11/57 (BVerfGE 8, 155). Dieser Vorrang des Gesetzes --also die dem Gesetz kraft Verfassungsrechts innewohnende Eigenschaft, staatliche Willensäußerungen niedrigeren Ranges rechtlich zu hindern oder zu zerstören-- kann sich aber naturgemäß nur auswirken, wo ein Widerspruch zwischen dem Gesetz und der Willensäußerung niederen Ranges besteht. Es bedarf keiner Ausführung, dass eine staatliche Willensäußerung, die das Gesetz befolgt und in Einklang mit ihm steht, nicht am Vorrang des Gesetzes scheitern kann. Im Einzelnen ist dazu beispielhaft auf den besagten Beschluss des BVerfG in BVerfGE 8, 155 hinzuweisen. So gesehen mag es auch möglich sein, kraft Verordnung eine Abkommensregelung zu spezifizieren und umzusetzen. Es mag prinzipiell ebenso ausreichen, die gesetzliche Ermächtigung dabei weit zu fassen, solange und soweit die "wesentlichen Konturen" in dem Referenzgesetz --hier also das bilaterale Abkommen in der Umsetzung des "einfachen" Zustimmungsgesetzes-- vom Gesetzgeber vorgegeben werden (s. z.B. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 2 AO Rz 43e, m.w.N.; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 2 AO Rz 327, 332; Oellerich in Beermann/Gosch, AO, § 2 Rz 102; s.a. den vom beigetretenen BMF herangezogenen, allerdings in anderem Zusammenhang des Steuerberatungsgesetzes ergangenen BVerfG-Beschluss vom 3. November 1982 2 BvL 28/81, BVerfGE 62, 203; demgegenüber zweifelnd z.B. Gosch in Mellinghoff/Schön/Viskorf [Hrsg.], Steuerrecht im Rechtsstaat, Festschrift Spindler, 2011, S. 379, 421; derselbe in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 49 Rz 72; anders z.B. Nacke, Der Betrieb --DB-- 2010, 1149; Lehner, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2011, 739 und Finanz-Rundschau --FR-- 2011, 1091). Und es lässt sich schließlich auch hören, wenn argumentiert wird, der Gesetzgeber habe mit seiner Zustimmung zu dem Gesetz zur Überleitung des völkerrechtlichen Vertrages in nationales (einfaches) Recht die Möglichkeit von Konsultationsvereinbarungen auf Basis des Art. 25 Abs. 3 OECD-MustAbk antizipiert und akzeptiert (z.B. Hummel, IStR 2011, 399 ff.; Lehner, IStR 2011, 733, 737, jeweils m.w.N.; insoweit anders Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 2 AO Rz 43f, m.w.N., insbesondere auch aus dem staatsrechtlichen Schrifttum). Doch ist es auch vermittels einer derart gefassten Ermächtigungsregelung ausgeschlossen, den Abkommenstext und damit die besagte Besteuerungszuordnung für die betreffenden Einkünfte zu verändern (s. zu alledem z.B. FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 19. Dezember 2013 3 K 1189/13, Betriebs-Berater --BB-- 2014, 2071; sowie z.B. Hummel, IStR 2011, 397, 399 ff.; Lehner, IStR 2011, 733, und derselbe in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl., Grundlagen Rz 136; Schönfeld/Häck in Schönfeld/ Ditz, DBA, Systematik Rz 100; Dremel, daselbst, Art. 1 Rz 23 ff.; Flüchter, daselbst, Art. 25 Rz 218 ff.; Eilers in Wassermeyer, MA Art. 25 Rz 67; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, MA Art. 15 Rz 79; Kempermann in Flick/ Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 15 Rz 7, s.a. Art. 15a Rz 42; Kubaile, Internationale Wirtschafts-Briefe --IWB-- 2012, 1; Heger, Steuer Wirtschaft International 2011, 95; Micker, IWB 2011, 61; Gosch, BFH/PR 2011, 241; s.a. Musil in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, a.a.O., § 2 AO Rz 234; anders Neyer/Schlepper, FR 2011, 648).
- 21
-
bb) Das aber ist hier der Fall. Der Abkommenstext belässt aus den unter I.2. beschriebenen Gründen für die Frage der Besteuerungszuordnung von Abfindungen an ehemals nichtselbständig tätige Arbeitnehmer keine Spielräume. Und daran ändert auch das in § 2 Abs. 2 Satz 1 AO n.F. qualifizierte zusätzliche Ermächtigungsziel nichts, doppelte Nichtbesteuerungen zu vermeiden. Das mag --in Einklang mit "neuerem Abkommensdenken" der OECD-- das eine oder andere neuere Doppelbesteuerungsabkommen bezwecken, und das findet sich jetzt denn auch in der (ministeriellen) "Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen", BMF-Schreiben vom 17. April 2013, Stand: 22. August 2013 (abgedruckt in IStR, Beihefter 10/2013 unter II. und berichtigt in IStR 2013, 440) wieder. Dieser Paradigmenwechsel aber hat im DBA-Schweiz 1971, das allein die Freistellungsmethode anwendet und damit vorbehaltlos auf eine virtuelle Doppelbesteuerung abhebt (ständige Spruchpraxis, deutlich z.B. Senatsurteil vom 24. August 2011 I R 46/10, BFHE 234, 339, BStBl II 2014, 764), (noch) keinen Niederschlag gefunden. Durch § 24 Abs. 1 KonsVerCHEV wird indessen genau das sinn- und zweckverändert. Der Regelung käme der Charakter einer Rückfallklausel zu, die im Abkommen nicht angelegt ist, diesem vielmehr widerspricht (Lehner, IStR 2011, 733, 736, dort auch spezifisch für die Situation der Abfindungszahlung an ehemalige Arbeitnehmer). § 2 Abs. 2 AO n.F. ermächtigt jedoch nicht zu Ergänzungen vereinbarter Abkommen; hierzu bedarf es vielmehr der abermaligen Zustimmung des nationalen Parlaments (Lehner, IStR 2011, 733, 735). Solange diese Zustimmung fehlt, bleibt "die Grenzziehung zwischen Auslegung und einer an den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG scheiternden Lückenschließung (...)", darin ist Lehner (IStR 2011, 733, 739) uneingeschränkt beizupflichten, "Aufgabe der Judikative".
- 22
-
b) Lassen sich die vorbenannten Mängel nicht ausräumen, ist die Rechtsverordnung zu verwerfen. Dazu sind die Fachgerichte und damit der Senat befugt (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 12. Dezember 1984 1 BvR 1249/83, 1 BvR 1745/83, 1 BvR 1746/83, 1 BvR 1752/83, 1 BvR 1753/83, 1 BvR 1757/83, 1 BvR 1769/83, 1 BvR 1719/83, 1 BvR 1720/83, BVerfGE 68, 319, BVerfGE 68, 319, 325; BVerfG-Urteil vom 18. Dezember 1985 2 BvR 1167/84, 2 BvR 1185/84, 2 BvR 1636/84, 2 BvR 308/85, 2 BvQ 18/84, BVerfGE 71, 305, 337; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 2 AO Rz 43g, m.w.N.), und so geschieht es denn auch im Streitfall.
- 23
-
6. Unabhängig von diesen Erwägungen scheitert die erstrebte Verbindlichkeit für das Streitjahr auch daran, dass die verwaltungsseitig vorgegebene Auslegung nach § 26 KonsVerCHEV erstmals mit Wirkung vom 23. Dezember 2010 gilt, nicht aber für den bis dahin abgelaufenen Teil des Jahres 2010.
- 24
-
a) Der Senat legt seiner Auslegung von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in ebenfalls ständiger Spruchpraxis aus zeitlicher Sicht einen sog. statischen, keinen sog. dynamischen Auslegungsmodus zugrunde (vgl. z.B. Senatsurteile vom 16. Januar 2014 I R 30/12, BFHE 244, 354, BStBl II 2014, 721; vom 9. Februar 2011 I R 54, 55/10, BFHE 232, 476, BStBl II 2012, 106; vom 25. Mai 2011 I R 95/10, BFHE 234, 63; vom 8. Dezember 2010 I R 92/09, BFHE 232, 137, BStBl II 2011, 488; vom 23. September 2008 I R 57/07, BFH/NV 2009, 390; Senatsbeschluss vom 19. Mai 2010 I B 191/09, BFHE 229, 322, BStBl II 2011, 156, jeweils m.w.N.). Eine Verwaltungspraxis, welche sich erst nach Inkrafttreten eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bildet, wirkt auf die Auslegung des Abkommens prinzipiell nicht zurück. Das gilt in erster Linie für Verwaltungsverlautbarungen, wie beispielsweise die Musterkommentierung der OECD zu deren Musterabkommen. Das gilt aber auch für bilaterale Konsultationsvereinbarungen. Abermals hindert Art. 31 WÜRV ein solches Verständnis nicht: Ein Vertrag ist danach nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seiner Bestimmung in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Außer dem bei der Auslegung zu berücksichtigenden und in Art. 31 Abs. 2 WÜRV näher beschriebenen systematischen "Zusammenhang" sind nach Art. 31 Abs. 3 WÜRV in gleicher Weise zu berücksichtigen: a) jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrages oder die Anwendung seiner Bestimmungen sowie b) jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrages, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht. So gesehen kann ein übereinstimmendes Abkommensverständnis und eine gemeinsame "Übung" der beteiligten Finanzverwaltungen für eine Abkommensauslegung bedeutsam sein (s. z.B. Senatsurteile vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFHE 215, 237, BStBl II 2010, 778, sowie I R 18/04, BFH/NV 2007, 875, beide zu leitenden Angestellten als sog. Grenzgänger i.S. von Art. 15 Abs. 4, Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992), das aber immer nur insofern, als sie nicht dem Wortlaut des Abkommens zuwiderläuft (vgl. Senatsurteil vom 27. August 2008 I R 64/07, BFHE 222, 553, BStBl II 2009, 97). Abgesehen davon, dass das Wiener Übereinkommen (nach dessen Art. 4) ohnehin nur auf Verträge Anwendung findet, die von Staaten geschlossen werden, nachdem das Übereinkommen für sie in Kraft getreten ist --und damit, ohne dass dem weiter nachzugehen wäre, nach Lage der Dinge nicht für das DBA-Schweiz 1971--, erzwingen auch diese Grundsätze eine Regelungsauslegung also immer nur nach Maßgabe jenes Wortlauts.
- 25
-
b) Und das gilt auch hier. Dass die neuerliche Konsultationsvereinbarung inhaltlich im Kern bloß auf der vorangegangenen Verständigungsvereinbarung aus dem Jahre 1992 aufsetzt, ist unbeachtlich. Denn jene Vereinbarung erfüllte die nötigen rechtsstaatlichen Anforderungen einer Auslegungsverbindlichkeit, wie beschrieben, von vornherein nicht. Auch ist es unbeachtlich, dass die Einkommensteuer für das Streitjahr erst am 31. Dezember 2010 entsteht (vgl. § 25 Abs. 1 EStG 2009), mithin nach dem in § 25 KonsVerCHEV bestimmten Anwendungszeitpunkt für die deutsch-schweizerische Konsultationsverordnung am 1. Januar 2010, welcher wiederum seinerseits in Einklang mit Art. 97 § 1 Abs. 9 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (EGAO n.F.) steht; Rechtsverordnungen aufgrund des § 2 Abs. 2 AO n.F. können danach mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum 2010 erlassen werden, sofern die dem Bundesrat zugeleitete Rechtsverordnung vor dem 1. Januar 2011 als Bundesratsdrucksache veröffentlicht worden ist, was hier der Fall ist (s. Bundesrats-Drucksache 716/10 vom 5. November 2010). Das alles mag vor dem Hintergrund des gängigen Verfassungsverständnisses in Deutschland jedenfalls nicht unbedingt einen Verstoß gegen das grundgesetzliche Rückwirkungsverbot auslösen (vgl. grundlegend z.B. BVerfG-Beschluss vom 10. Oktober 2012 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302, BStBl II 2012, 932, m.w.N.; s.a. --bezogen auf Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und deren Überleitung in nationales Recht-- BVerfG-Beschluss vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, BStBl II 1986, 628; insoweit konkret bezogen auf § 2 Abs. 2 AO n.F. einerseits Bisle, IWB 2010, 794; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 2 AO Rz 337; andererseits Nacke, DB 2010, 1149; s. eingehend zum Problem auch Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 2 AO Rz 43d, m.w.N.). Für die Rechtsauslegung des Abkommenstextes bleibt das aber ohne Bedeutung, weil sich die Abkommensauslegung einem einseitigen vertragsstaatlichen Zugriff entzieht, wenn dieser Zugriff zeitlich nach dem zu beurteilenden tatsächlichen Lebenssachverhalt liegt. So liegt es hier, weil die in Rede stehende deutsch-schweizerische Konsultationsvereinbarung als solche in Gestalt der Konsultationsverordnung erst am 23. Dezember 2010 in Kraft getreten ist. Maßgebender Anwendungszeitpunkt für die abkommensüberschreibende Konsultationsvereinbarung kann immer nur der Zeitpunkt sein, in welchem eine solche Vereinbarung tatsächlich in der verfassungsrechtlich gebotenen Form in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist. Rückwirkende Anwendungsanordnungen vertragen sich damit nicht und scheiden aus. Insofern gilt nichts anderes als für das Abkommen als solches, für das Art. 32 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971 den Anwendungszeitpunkt für das Jahr bestimmt, das dem Jahr folgt, in welchem das Abkommen infolge Austauschs der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten ist (oder neuerlich auch in der bereits zitierten ministeriellen "Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen" vom 17. April 2013, nach deren Art. 31 Abs. 1 und 2 der Anwendungszeitpunkt des ratifizierten Abkommens auf den 1. Januar desjenigen Kalenderjahres justiert wird, das dem Jahr folgt, in welchem das Abkommen infolge Austauschs der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten ist). Nur so kann sichergestellt werden, dass das bilateral Vereinbarte in beiden Vertragsstaaten zu ein- und demselben Zeitpunkt anzuwenden ist und genau diejenige Gefahr einer doppelten Besteuerung, ggf. auch doppelten Nichtbesteuerung, vermieden wird, der es nach den Absichten der vereinbarungsbeteiligten Vertragsstaaten (auch) bei einer abkommensverändernden Konsultationsvereinbarung entgegenzutreten gilt (s. zu alledem auch Gosch in Kaeser [Hrsg.], Festgabe für F. Wassermeyer, 2015, Stichwort 29, dort unter III.).
- 26
-
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2, § 136 Abs. 1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung.
(1) Ist einer Abfindung Versorgungscharakter beizumessen, steht das Besteuerungsrecht entsprechend Artikel 18 des Abkommens dem Wohnsitzstaat zu. Dagegen hat der (frühere) Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht, sofern es sich bei der Abfindung um Lohn- oder Gehaltsnachzahlungen oder Tantiemen aus dem früheren Arbeitsverhältnis handelt oder die Abfindung allgemein für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst gewährt wird. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer in der Zeit vor dem Ausscheiden aus dem Dienst auch teils in dem Staat, in dem er ansässig ist, tätig war, ist die Abfindung zeitanteilig entsprechend der Besteuerungszuordnung der Vergütungen aufzuteilen.
(2) Werden die Abfindungszahlungen aus Anlass der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, die eine in einem Vertragsstaat wohnende Person nach Wegzug aus dem Tätigkeitsstaat von ihrem ehemaligen, im anderen Vertragsstaat ansässigen Arbeitgeber erhält, nicht im ehemaligen Tätigkeitsstaat besteuert, können diese Abfindungszahlungen im Wohnsitzstaat der Person besteuert werden.
(1) Eine teilweise Freistellung von Abzugsteuern nach § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes bei Arbeitslöhnen kommt bei Abwanderern so lange nicht in Betracht, wie Artikel 4 Absatz 4 des Abkommens anzuwenden ist.
(2) Die Regelung des Artikels 4 Absatz 4 des Abkommens ist nicht anzuwenden, wenn der Wegzug in die Schweiz wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt.
(3) Für die Anrechnung schweizerischer Steuern im Lohnsteuerabzugsverfahren gilt: In entsprechender Anwendung des § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes rechnet der Arbeitgeber auf Grund einer Anrechnungsbescheinigung des Betriebstättenfinanzamts einen bestimmten Betrag als schweizerische Steuer vorläufig auf die 4,5 Prozent des Bruttobetrages der Vergütungen übersteigende deutsche Lohnsteuer an. Der Grenzgänger-Abwanderer hat die Anrechnungsbescheinigung beim Betriebstättenfinanzamt zu beantragen. Dem Antrag hat er seinen letzten schweizerischen Steuer- oder Vorauszahlungsbescheid beizufügen. Nach Ablauf des Kalenderjahrs wird zur endgültigen Anrechnung der schweizerischen Steuer auf Antrag des Grenzgänger-Abwanderers eine Veranlagung durchgeführt. Der Antrag auf Durchführung der Veranlagung ist gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung der Anrechnungsbescheinigung zu stellen.
(1) Ist einer Abfindung Versorgungscharakter beizumessen, steht das Besteuerungsrecht entsprechend Artikel 18 des Abkommens dem Wohnsitzstaat zu. Dagegen hat der (frühere) Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht, sofern es sich bei der Abfindung um Lohn- oder Gehaltsnachzahlungen oder Tantiemen aus dem früheren Arbeitsverhältnis handelt oder die Abfindung allgemein für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst gewährt wird. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer in der Zeit vor dem Ausscheiden aus dem Dienst auch teils in dem Staat, in dem er ansässig ist, tätig war, ist die Abfindung zeitanteilig entsprechend der Besteuerungszuordnung der Vergütungen aufzuteilen.
(2) Werden die Abfindungszahlungen aus Anlass der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, die eine in einem Vertragsstaat wohnende Person nach Wegzug aus dem Tätigkeitsstaat von ihrem ehemaligen, im anderen Vertragsstaat ansässigen Arbeitgeber erhält, nicht im ehemaligen Tätigkeitsstaat besteuert, können diese Abfindungszahlungen im Wohnsitzstaat der Person besteuert werden.
(1) Eine teilweise Freistellung von Abzugsteuern nach § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes bei Arbeitslöhnen kommt bei Abwanderern so lange nicht in Betracht, wie Artikel 4 Absatz 4 des Abkommens anzuwenden ist.
(2) Die Regelung des Artikels 4 Absatz 4 des Abkommens ist nicht anzuwenden, wenn der Wegzug in die Schweiz wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt.
(3) Für die Anrechnung schweizerischer Steuern im Lohnsteuerabzugsverfahren gilt: In entsprechender Anwendung des § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes rechnet der Arbeitgeber auf Grund einer Anrechnungsbescheinigung des Betriebstättenfinanzamts einen bestimmten Betrag als schweizerische Steuer vorläufig auf die 4,5 Prozent des Bruttobetrages der Vergütungen übersteigende deutsche Lohnsteuer an. Der Grenzgänger-Abwanderer hat die Anrechnungsbescheinigung beim Betriebstättenfinanzamt zu beantragen. Dem Antrag hat er seinen letzten schweizerischen Steuer- oder Vorauszahlungsbescheid beizufügen. Nach Ablauf des Kalenderjahrs wird zur endgültigen Anrechnung der schweizerischen Steuer auf Antrag des Grenzgänger-Abwanderers eine Veranlagung durchgeführt. Der Antrag auf Durchführung der Veranlagung ist gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung der Anrechnungsbescheinigung zu stellen.
Tatbestand
- 1
-
I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer ablehnenden Billigkeitsentscheidung (Antrag auf Erlass der Einkommensteuer des Streitjahres 2004).
- 2
-
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein deutscher Staatsangehöriger, verzog im April 2004 von X in die Schweiz. Dort hatte er einen gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Lebenspartnerin, einer Schweizer Staatsangehörigen; die Partner heirateten im Januar 2008.
- 3
-
Zum 31. März 2004 gab der Kläger seine bisherige Berufstätigkeit in X auf; seit 15. April 2004 arbeitete er wieder in Deutschland. Seither ist er Grenzgänger aus der Schweiz. Neben Einkünften aus der nichtselbständigen Tätigkeit erzielte der Kläger im Streitjahr aus Deutschland außerdem (negative) Einkünfte aus der Vermietung eines Grundstücks sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen.
- 4
-
Am 30. Januar 2006 gab der Kläger eine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als beschränkt Steuerpflichtiger ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) wies den Kläger darauf hin, dass eine Veranlagung nach Maßgabe der unbeschränkten Steuerpflicht durchzuführen sei. Das FA bat um Einreichung einer entsprechenden Erklärung unter Angabe der nach dem Wegzug erzielten deutschen und schweizerischen Einkünfte und um Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) --DBA-Schweiz 1971--.
- 5
-
Im Rahmen des Verfahrens zur Festsetzung der Einkommensteuer des Streitjahres trug der Kläger u.a. vor, dass er wegen Heirat in die Schweiz verzogen sei. Aufgrund der Billigkeitsregelung in Tz. 41 des gemeinsamen Einführungsschreibens zur Neuregelung der Grenzgängerbesteuerung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 19. September 1994, BStBl I 1994, 683 [für Besteuerungssachverhalte ab 1. Januar 2010: § 18 Abs. 2 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20. Dezember 2010, BGBl I 2010, 2187, BStBl I 2011, 146], sowie Schreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung --EStV-- vom 6. September 1994, abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland, A 3.3.10) habe er einen Anspruch auf Erlass der Einkommensteuer. Das FA setzte die Einkommensteuer unter Anwendung des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 fest und verwies den Kläger auf die Möglichkeit, sein Erlassbegehren in einem gesonderten Verfahren zu verfolgen. Die Steuerfestsetzung ist bestandskräftig. Einen Erlass der Einkommensteuer lehnte das FA später ab. Die anschließende Klage blieb erfolglos (Finanzgericht --FG-- Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 6. Mai 2010 3 K 3043/09, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2010, 1980).
- 6
-
Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung materiellen und formellen Rechts; er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids in der Fassung der Einspruchsentscheidung die festgesetzte deutsche Einkommensteuer zu erlassen, hilfsweise, das FA zu verpflichten, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) neu zu bescheiden.
- 7
-
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 8
-
II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
- 9
-
Die Ablehnung des FA, die Einkommensteuer zu erlassen, ist nicht rechtswidrig. Der Kläger hat daher weder einen Anspruch auf Erlass der Einkommensteuer noch auf Neubescheidung seines Erlassantrags.
- 10
-
1. Nach § 163 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) kann eine Steuer u.a. niedriger festgesetzt werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falles unbillig ist; § 227 Halbsatz 1 AO sieht vor, dass die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen können, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig ist. Die Unbilligkeit der Erhebung einer Steuer, an die §§ 163, 227 AO die Möglichkeit einer abweichenden Steuerfestsetzung oder eines Erlasses knüpfen, kann sich aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen ergeben, wobei die Beteiligten des Streitfalles zu Recht nur um die erste Variante streiten. Sachlich unbillig ist die Erhebung vor allem dann, wenn sie im Einzelfall nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft. Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestandes einer Vorschrift bewusst in Kauf genommen hat, stehen jedoch dem Erlass entgegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 19. März 2009 V R 48/07, BFHE 225, 215, BStBl II 2010, 92).
- 11
-
Abweichende Steuerfestsetzung und Erlass sind Maßnahmen der finanzbehördlichen Billigkeit im Steuerschuldverhältnis, über die in einem vom Steuerfestsetzungsverfahren gesonderten Verfahren durch eigenständigen Verwaltungsakt zu entscheiden ist. Dieser Verwaltungsakt unterliegt, wenn die begehrte Billigkeitsmaßnahme abgelehnt wurde, nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung (§ 102 FGO); diese beschränkt sich darauf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht beachtet wurden oder Ermessen fehlerhaft ausgeübt wurde.
- 12
-
Ist eine Finanzbehörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 5 AO). Vorgesetzte Dienststellen können dazu ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften erlassen, die unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung und damit der Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) von Bedeutung sein können; das gilt aber nur, wenn sich die in ihnen getroffenen Regelungen innerhalb der Grenzen halten, die das Grundgesetz und die Gesetze der Ausübung des Ermessens setzen. Deshalb muss bei einer Billigkeitsrichtlinie die getroffene Regelung Recht und Billigkeit entsprechen (z.B. BFH-Urteil in BFHE 225, 215, BStBl II 2010, 92). Dabei ist für die Auslegung einer ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift nicht maßgeblich, wie das Gericht eine solche Verwaltungsanweisung versteht, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte. Das Gericht darf daher solche Verwaltungsanweisungen nicht selbst auslegen, sondern nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist (z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460).
- 13
-
2. Das FA hat --wie das FG zutreffend entschieden hat-- weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens unbeachtet gelassen noch sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Der Ablehnungsbescheid ist daher nicht rechtswidrig.
- 14
-
a) Nach Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 darf unter bestimmten Voraussetzungen eine von Deutschland in die Schweiz verzogene Person u.a. im Jahr des Wegzugs mit ihren aus Deutschland stammenden Einkünften in Deutschland besteuert werden. Darum geht es im Streitfall, da der Kläger im Streitjahr von Deutschland in die Schweiz verzogen ist und in der Folgezeit weiterhin Einkünfte aus einer in Deutschland und für einen deutschen Arbeitgeber ausgeübten Tätigkeit (und weitere aus Deutschland stammende Einkünfte) erzielt hat. Inhalt der Regelung ist eine Verzögerung der Gewährung der Abkommensvorteile für den sog. Wegzüger, um einer "Steuerflucht" entgegenzuwirken (s. Senatsurteil vom 2. September 2009 I R 111/08, BFHE 226, 276, 282, BStBl II 2010, 387, 390). Dass die aus dem Wortlaut dieser Norm ableitbaren Voraussetzungen erfüllt bzw. die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung in Satz 4 des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 nicht erfüllt sind und dass das FA das daraus erwachsene deutsche Besteuerungsrecht dem Grunde und der Höhe nach zutreffend in der Steuerfestsetzung umgesetzt hat, steht nicht im Streit.
- 15
-
b) Das BMF hat in seinem Einführungsschreiben zur Neuregelung der sog. Grenzgängerbesteuerung (in BStBl I 1994, 683) allerdings bestimmt, dass Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 nicht anzuwenden ist, "wenn der Wegzug in die Schweiz wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt" (Tz. 41). Dies geht auf eine Verständigungsvereinbarung des BMF mit der EStV "betr. Wegzüger-Grenzgänger" zurück (Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 21. April 1977/Schreiben der EStV vom 10. August 1977, abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 4.4 Nr. 13). Diese Regelung kam rückwirkend zum Inkrafttreten des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (ab dem Jahr 1972) zur Anwendung (z.B. Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 12. Oktober 1977, abgedruckt in Locher/Meier/ von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 4.4 Nr. 14). Motive für diese Vereinbarung aus deutscher Sicht sind nicht veröffentlicht. Grundgedanke der Regelung ist aus schweizerischer Sicht, "der Familienzusammenführung einen höheren Stellenwert einzuräumen als der vom Gesetz als Regelfall vermuteten 'Steuerflucht'"; diese "familiären Gründe" könnten jedenfalls durch einen Zeitablauf von 10 Monaten zwischen Wegzug und Heirat (Hinweis auf "für diesen Anlass üblicherweise zu treffende Vorbereitungen") noch nicht entfallen sein (so die EStV in einer Niederschrift zu einer [gescheiterten] Verständigungsregelung vom 7. April 2005, abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 4.4 Nr. 26). Die deutschen Finanzbehörden der Länder haben zu dieser Verständigungsvereinbarung zwischen BMF und EStV Verwaltungsanweisungen erlassen (u.a. die Oberfinanzdirektion Karlsruhe in Fach A Teil 4 Nr. 1 des sog. Grenzgängerhandbuchs), nach der ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Wegzug und Heirat erforderlich ist; dieser sei "als noch gegeben anzusehen, wenn die Heirat in einem Zeitraum von sechs Monaten vor und sechs Monaten nach dem Wegzug erfolgt".
- 16
-
c) Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 19. November 2003 I R 64/02 (BFH/NV 2004, 765) entschieden, dass die genannte Regelung über den klaren Wortlaut des Abkommens hinausgeht und deshalb nur als Billigkeitsregelung gewertet werden kann. Eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung liegt darin nicht, weil der Wortlaut des Abkommens für diese Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 keinen Anhalt gibt (so auch die dortige Vorinstanz --FG Baden-Württemberg-- im Urteil vom 5. August 2002 12 K 297/01, EFG 2003, 913; zustimmend Hahn, juris-Praxisreport Steuerrecht 1/2004 Anm. 4; Wilke in Gosch/Kroppen/ Grotherr, DBA-Kommentar, Art. 4 DBA-Schweiz Rz 69; Brandis in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 15a Schweiz Rz 35; wohl auch Walter, Internationale Wirtschaftsbriefe 2007, 661 [Fach 5, Gruppe 2, S. 633, 636 f.]; s.a. --bezogen auf Tz. 14 des BMF-Schreibens in BStBl I 1994, 683-- Senatsurteil vom 11. November 2009 I R 15/09, BFHE 227, 419, BStBl II 2010, 602). Es geht damit entgegen der Ansicht der Revision bei der Frage, ob der Kläger die Voraussetzungen der Billigkeitsregelung ("Wegzug wegen Heirat") erfüllt, nicht darum, einen unbestimmten Rechtsbegriff --als (negative) Tatbestandsvoraussetzung einer Eingriffsnorm-- auszulegen; insoweit ist die Lage mit dem auf Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz 1971 bezogenen Senatsurteil in BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387 nicht vergleichbar. Vielmehr geht es um das Maß der (behördlichen) Billigkeitsregelung, die nicht eigenständig Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle im Rahmen des § 102 FGO ist.
- 17
-
d) Der Kläger hält die Billigkeitsregelung im gerichtlichen Verfahren für beachtlich. Denn die darin aufgenommene Zeitregel sei als "willkürliche" Einschränkung der Begünstigung anzusehen; nach der Grundregel "Wegzug wegen Heirat" sei deshalb in seinem Sinne zu entscheiden. Dem ist nicht beizupflichten. Richtigerweise geht es darum, ob die Billigkeitsregelung in der Ausgestaltung, die sie tatsächlich gefunden hat --hier: Begünstigung einer Familienzusammenführung, aber nur bei einer Heirat und nur im zeitlichen Zusammenhang mit dem Wegzug--, in Einklang mit dem Wortlaut und dem Regelungszweck des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 noch als sachgerechte Beschreibung einer sachlichen Unbilligkeit der gesetzlichen Regelung verstanden werden kann. Wäre dies nicht der Fall, könnte sich der Kläger im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der ablehnenden Ermessensentscheidung der Behörde schon von daher nicht zu seinen Gunsten auf Tz. 41 des BMF-Schreibens in BStBl I 1994, 683 berufen. Der Senat folgt indessen der --unter den Beteiligten nicht streitigen-- Einschätzung des FG, dass der Dispens von der Anwendung der Abwandererregelung im Falle einer Familienzusammenführung durch Heirat eine sachliche Unbilligkeit vermeidet und dass --insoweit vom FG ausdrücklich festgestellt-- die Zeitregel der 6-monatigen Frist vor oder nach dem Wegzug als willkürfreie Indizienregel für den sachlichen Zusammenhang zwischen Wegzug und Heirat anzusehen ist.
- 18
-
Dazu hat das FG zur Zeitgrenze ausgeführt, dass der Wortlaut "wegen Heirat" die von der Verwaltung vertretene Auslegung zulasse. Damit werde für Rechtssicherheit gesorgt: Die Frage, wann der definitive Entschluss zur Eheschließung gefallen sei (und ob er ggf. zwischenzeitlich weggefallen und später wieder neu gefasst worden sei), sei eine innere Tatsache. Sie könne letztlich nur jeder Ehegatte für sich selbst zweifelsfrei beantworten; dieses Wissen gehöre außerdem zur engsten Privatsphäre eines Menschen. Jegliche Sachverhaltsaufklärung durch Finanzbehörden oder Gerichte erfordere ein Eindringen in diese Sphäre; zudem seien die Überprüfungsmöglichkeiten der Angaben naturgemäß eingeschränkt. Daher könne die Finanzverwaltung --letztlich wohl aus Zweckmäßigkeitserwägungen-- in die Formulierung "wegen Heirat" auch ein Zeitmoment hineinlesen, um dem Rechnung zu tragen. Eine zeitliche Grenze schaffe zudem Planungssicherheit für Heiratswillige, vermittele Steuerpflichtigen über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung Vertrauensschutz und setze sie insoweit nicht den möglichen Unwägbarkeiten einer späteren Tatsachen- und Beweiswürdigung durch Dritte aus. Diesen Erwägungen des FG, die die von den Finanzbehörden gezogene Zeitgrenze als jedenfalls willkürfrei beschreiben, stimmt der Senat zu. Im Übrigen wird man auch der Stellungnahme der EStV in der Niederschrift vom 7. April 2005 (a.a.O.) eine Zeitgrenze entnehmen können.
(1) Eine teilweise Freistellung von Abzugsteuern nach § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes bei Arbeitslöhnen kommt bei Abwanderern so lange nicht in Betracht, wie Artikel 4 Absatz 4 des Abkommens anzuwenden ist.
(2) Die Regelung des Artikels 4 Absatz 4 des Abkommens ist nicht anzuwenden, wenn der Wegzug in die Schweiz wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt.
(3) Für die Anrechnung schweizerischer Steuern im Lohnsteuerabzugsverfahren gilt: In entsprechender Anwendung des § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes rechnet der Arbeitgeber auf Grund einer Anrechnungsbescheinigung des Betriebstättenfinanzamts einen bestimmten Betrag als schweizerische Steuer vorläufig auf die 4,5 Prozent des Bruttobetrages der Vergütungen übersteigende deutsche Lohnsteuer an. Der Grenzgänger-Abwanderer hat die Anrechnungsbescheinigung beim Betriebstättenfinanzamt zu beantragen. Dem Antrag hat er seinen letzten schweizerischen Steuer- oder Vorauszahlungsbescheid beizufügen. Nach Ablauf des Kalenderjahrs wird zur endgültigen Anrechnung der schweizerischen Steuer auf Antrag des Grenzgänger-Abwanderers eine Veranlagung durchgeführt. Der Antrag auf Durchführung der Veranlagung ist gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung der Anrechnungsbescheinigung zu stellen.
Tatbestand
- 1
-
I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer ablehnenden Billigkeitsentscheidung (Antrag auf Erlass der Einkommensteuer des Streitjahres 2004).
- 2
-
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein deutscher Staatsangehöriger, verzog im April 2004 von X in die Schweiz. Dort hatte er einen gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Lebenspartnerin, einer Schweizer Staatsangehörigen; die Partner heirateten im Januar 2008.
- 3
-
Zum 31. März 2004 gab der Kläger seine bisherige Berufstätigkeit in X auf; seit 15. April 2004 arbeitete er wieder in Deutschland. Seither ist er Grenzgänger aus der Schweiz. Neben Einkünften aus der nichtselbständigen Tätigkeit erzielte der Kläger im Streitjahr aus Deutschland außerdem (negative) Einkünfte aus der Vermietung eines Grundstücks sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen.
- 4
-
Am 30. Januar 2006 gab der Kläger eine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als beschränkt Steuerpflichtiger ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) wies den Kläger darauf hin, dass eine Veranlagung nach Maßgabe der unbeschränkten Steuerpflicht durchzuführen sei. Das FA bat um Einreichung einer entsprechenden Erklärung unter Angabe der nach dem Wegzug erzielten deutschen und schweizerischen Einkünfte und um Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) --DBA-Schweiz 1971--.
- 5
-
Im Rahmen des Verfahrens zur Festsetzung der Einkommensteuer des Streitjahres trug der Kläger u.a. vor, dass er wegen Heirat in die Schweiz verzogen sei. Aufgrund der Billigkeitsregelung in Tz. 41 des gemeinsamen Einführungsschreibens zur Neuregelung der Grenzgängerbesteuerung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 19. September 1994, BStBl I 1994, 683 [für Besteuerungssachverhalte ab 1. Januar 2010: § 18 Abs. 2 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20. Dezember 2010, BGBl I 2010, 2187, BStBl I 2011, 146], sowie Schreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung --EStV-- vom 6. September 1994, abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland, A 3.3.10) habe er einen Anspruch auf Erlass der Einkommensteuer. Das FA setzte die Einkommensteuer unter Anwendung des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 fest und verwies den Kläger auf die Möglichkeit, sein Erlassbegehren in einem gesonderten Verfahren zu verfolgen. Die Steuerfestsetzung ist bestandskräftig. Einen Erlass der Einkommensteuer lehnte das FA später ab. Die anschließende Klage blieb erfolglos (Finanzgericht --FG-- Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 6. Mai 2010 3 K 3043/09, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2010, 1980).
- 6
-
Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung materiellen und formellen Rechts; er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids in der Fassung der Einspruchsentscheidung die festgesetzte deutsche Einkommensteuer zu erlassen, hilfsweise, das FA zu verpflichten, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) neu zu bescheiden.
- 7
-
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 8
-
II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
- 9
-
Die Ablehnung des FA, die Einkommensteuer zu erlassen, ist nicht rechtswidrig. Der Kläger hat daher weder einen Anspruch auf Erlass der Einkommensteuer noch auf Neubescheidung seines Erlassantrags.
- 10
-
1. Nach § 163 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) kann eine Steuer u.a. niedriger festgesetzt werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falles unbillig ist; § 227 Halbsatz 1 AO sieht vor, dass die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen können, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig ist. Die Unbilligkeit der Erhebung einer Steuer, an die §§ 163, 227 AO die Möglichkeit einer abweichenden Steuerfestsetzung oder eines Erlasses knüpfen, kann sich aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen ergeben, wobei die Beteiligten des Streitfalles zu Recht nur um die erste Variante streiten. Sachlich unbillig ist die Erhebung vor allem dann, wenn sie im Einzelfall nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft. Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestandes einer Vorschrift bewusst in Kauf genommen hat, stehen jedoch dem Erlass entgegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 19. März 2009 V R 48/07, BFHE 225, 215, BStBl II 2010, 92).
- 11
-
Abweichende Steuerfestsetzung und Erlass sind Maßnahmen der finanzbehördlichen Billigkeit im Steuerschuldverhältnis, über die in einem vom Steuerfestsetzungsverfahren gesonderten Verfahren durch eigenständigen Verwaltungsakt zu entscheiden ist. Dieser Verwaltungsakt unterliegt, wenn die begehrte Billigkeitsmaßnahme abgelehnt wurde, nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung (§ 102 FGO); diese beschränkt sich darauf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht beachtet wurden oder Ermessen fehlerhaft ausgeübt wurde.
- 12
-
Ist eine Finanzbehörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 5 AO). Vorgesetzte Dienststellen können dazu ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften erlassen, die unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung und damit der Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) von Bedeutung sein können; das gilt aber nur, wenn sich die in ihnen getroffenen Regelungen innerhalb der Grenzen halten, die das Grundgesetz und die Gesetze der Ausübung des Ermessens setzen. Deshalb muss bei einer Billigkeitsrichtlinie die getroffene Regelung Recht und Billigkeit entsprechen (z.B. BFH-Urteil in BFHE 225, 215, BStBl II 2010, 92). Dabei ist für die Auslegung einer ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift nicht maßgeblich, wie das Gericht eine solche Verwaltungsanweisung versteht, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte. Das Gericht darf daher solche Verwaltungsanweisungen nicht selbst auslegen, sondern nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist (z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460).
- 13
-
2. Das FA hat --wie das FG zutreffend entschieden hat-- weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens unbeachtet gelassen noch sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Der Ablehnungsbescheid ist daher nicht rechtswidrig.
- 14
-
a) Nach Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 darf unter bestimmten Voraussetzungen eine von Deutschland in die Schweiz verzogene Person u.a. im Jahr des Wegzugs mit ihren aus Deutschland stammenden Einkünften in Deutschland besteuert werden. Darum geht es im Streitfall, da der Kläger im Streitjahr von Deutschland in die Schweiz verzogen ist und in der Folgezeit weiterhin Einkünfte aus einer in Deutschland und für einen deutschen Arbeitgeber ausgeübten Tätigkeit (und weitere aus Deutschland stammende Einkünfte) erzielt hat. Inhalt der Regelung ist eine Verzögerung der Gewährung der Abkommensvorteile für den sog. Wegzüger, um einer "Steuerflucht" entgegenzuwirken (s. Senatsurteil vom 2. September 2009 I R 111/08, BFHE 226, 276, 282, BStBl II 2010, 387, 390). Dass die aus dem Wortlaut dieser Norm ableitbaren Voraussetzungen erfüllt bzw. die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung in Satz 4 des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 nicht erfüllt sind und dass das FA das daraus erwachsene deutsche Besteuerungsrecht dem Grunde und der Höhe nach zutreffend in der Steuerfestsetzung umgesetzt hat, steht nicht im Streit.
- 15
-
b) Das BMF hat in seinem Einführungsschreiben zur Neuregelung der sog. Grenzgängerbesteuerung (in BStBl I 1994, 683) allerdings bestimmt, dass Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 nicht anzuwenden ist, "wenn der Wegzug in die Schweiz wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt" (Tz. 41). Dies geht auf eine Verständigungsvereinbarung des BMF mit der EStV "betr. Wegzüger-Grenzgänger" zurück (Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 21. April 1977/Schreiben der EStV vom 10. August 1977, abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 4.4 Nr. 13). Diese Regelung kam rückwirkend zum Inkrafttreten des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (ab dem Jahr 1972) zur Anwendung (z.B. Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 12. Oktober 1977, abgedruckt in Locher/Meier/ von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 4.4 Nr. 14). Motive für diese Vereinbarung aus deutscher Sicht sind nicht veröffentlicht. Grundgedanke der Regelung ist aus schweizerischer Sicht, "der Familienzusammenführung einen höheren Stellenwert einzuräumen als der vom Gesetz als Regelfall vermuteten 'Steuerflucht'"; diese "familiären Gründe" könnten jedenfalls durch einen Zeitablauf von 10 Monaten zwischen Wegzug und Heirat (Hinweis auf "für diesen Anlass üblicherweise zu treffende Vorbereitungen") noch nicht entfallen sein (so die EStV in einer Niederschrift zu einer [gescheiterten] Verständigungsregelung vom 7. April 2005, abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 4.4 Nr. 26). Die deutschen Finanzbehörden der Länder haben zu dieser Verständigungsvereinbarung zwischen BMF und EStV Verwaltungsanweisungen erlassen (u.a. die Oberfinanzdirektion Karlsruhe in Fach A Teil 4 Nr. 1 des sog. Grenzgängerhandbuchs), nach der ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Wegzug und Heirat erforderlich ist; dieser sei "als noch gegeben anzusehen, wenn die Heirat in einem Zeitraum von sechs Monaten vor und sechs Monaten nach dem Wegzug erfolgt".
- 16
-
c) Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 19. November 2003 I R 64/02 (BFH/NV 2004, 765) entschieden, dass die genannte Regelung über den klaren Wortlaut des Abkommens hinausgeht und deshalb nur als Billigkeitsregelung gewertet werden kann. Eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung liegt darin nicht, weil der Wortlaut des Abkommens für diese Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 keinen Anhalt gibt (so auch die dortige Vorinstanz --FG Baden-Württemberg-- im Urteil vom 5. August 2002 12 K 297/01, EFG 2003, 913; zustimmend Hahn, juris-Praxisreport Steuerrecht 1/2004 Anm. 4; Wilke in Gosch/Kroppen/ Grotherr, DBA-Kommentar, Art. 4 DBA-Schweiz Rz 69; Brandis in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 15a Schweiz Rz 35; wohl auch Walter, Internationale Wirtschaftsbriefe 2007, 661 [Fach 5, Gruppe 2, S. 633, 636 f.]; s.a. --bezogen auf Tz. 14 des BMF-Schreibens in BStBl I 1994, 683-- Senatsurteil vom 11. November 2009 I R 15/09, BFHE 227, 419, BStBl II 2010, 602). Es geht damit entgegen der Ansicht der Revision bei der Frage, ob der Kläger die Voraussetzungen der Billigkeitsregelung ("Wegzug wegen Heirat") erfüllt, nicht darum, einen unbestimmten Rechtsbegriff --als (negative) Tatbestandsvoraussetzung einer Eingriffsnorm-- auszulegen; insoweit ist die Lage mit dem auf Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz 1971 bezogenen Senatsurteil in BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387 nicht vergleichbar. Vielmehr geht es um das Maß der (behördlichen) Billigkeitsregelung, die nicht eigenständig Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle im Rahmen des § 102 FGO ist.
- 17
-
d) Der Kläger hält die Billigkeitsregelung im gerichtlichen Verfahren für beachtlich. Denn die darin aufgenommene Zeitregel sei als "willkürliche" Einschränkung der Begünstigung anzusehen; nach der Grundregel "Wegzug wegen Heirat" sei deshalb in seinem Sinne zu entscheiden. Dem ist nicht beizupflichten. Richtigerweise geht es darum, ob die Billigkeitsregelung in der Ausgestaltung, die sie tatsächlich gefunden hat --hier: Begünstigung einer Familienzusammenführung, aber nur bei einer Heirat und nur im zeitlichen Zusammenhang mit dem Wegzug--, in Einklang mit dem Wortlaut und dem Regelungszweck des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 noch als sachgerechte Beschreibung einer sachlichen Unbilligkeit der gesetzlichen Regelung verstanden werden kann. Wäre dies nicht der Fall, könnte sich der Kläger im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der ablehnenden Ermessensentscheidung der Behörde schon von daher nicht zu seinen Gunsten auf Tz. 41 des BMF-Schreibens in BStBl I 1994, 683 berufen. Der Senat folgt indessen der --unter den Beteiligten nicht streitigen-- Einschätzung des FG, dass der Dispens von der Anwendung der Abwandererregelung im Falle einer Familienzusammenführung durch Heirat eine sachliche Unbilligkeit vermeidet und dass --insoweit vom FG ausdrücklich festgestellt-- die Zeitregel der 6-monatigen Frist vor oder nach dem Wegzug als willkürfreie Indizienregel für den sachlichen Zusammenhang zwischen Wegzug und Heirat anzusehen ist.
- 18
-
Dazu hat das FG zur Zeitgrenze ausgeführt, dass der Wortlaut "wegen Heirat" die von der Verwaltung vertretene Auslegung zulasse. Damit werde für Rechtssicherheit gesorgt: Die Frage, wann der definitive Entschluss zur Eheschließung gefallen sei (und ob er ggf. zwischenzeitlich weggefallen und später wieder neu gefasst worden sei), sei eine innere Tatsache. Sie könne letztlich nur jeder Ehegatte für sich selbst zweifelsfrei beantworten; dieses Wissen gehöre außerdem zur engsten Privatsphäre eines Menschen. Jegliche Sachverhaltsaufklärung durch Finanzbehörden oder Gerichte erfordere ein Eindringen in diese Sphäre; zudem seien die Überprüfungsmöglichkeiten der Angaben naturgemäß eingeschränkt. Daher könne die Finanzverwaltung --letztlich wohl aus Zweckmäßigkeitserwägungen-- in die Formulierung "wegen Heirat" auch ein Zeitmoment hineinlesen, um dem Rechnung zu tragen. Eine zeitliche Grenze schaffe zudem Planungssicherheit für Heiratswillige, vermittele Steuerpflichtigen über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung Vertrauensschutz und setze sie insoweit nicht den möglichen Unwägbarkeiten einer späteren Tatsachen- und Beweiswürdigung durch Dritte aus. Diesen Erwägungen des FG, die die von den Finanzbehörden gezogene Zeitgrenze als jedenfalls willkürfrei beschreiben, stimmt der Senat zu. Im Übrigen wird man auch der Stellungnahme der EStV in der Niederschrift vom 7. April 2005 (a.a.O.) eine Zeitgrenze entnehmen können.
(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.
(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.
(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie
- 1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist, - 2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder - 3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.
Tenor
-
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 8. Oktober 2013 10 K 2176/11 aufgehoben, soweit dieses wegen Feststellung der Steuerermäßigung nach § 10a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes ergangen ist. Die Klage wird insoweit als unzulässig abgewiesen.
-
Im Übrigen wird die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
-
Die Kosten des gesamten Rechtsstreits fallen dem Beklagten zur Last.
Tatbestand
- 1
-
A. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wohnte im Streitjahr 2010 bis zum 30. April im Inland und übte hier eine nichtselbständige Tätigkeit aus. Am 1. Mai verzog er in die Schweiz, wo er eine neue nichtselbständige Tätigkeit aufnahm.
- 2
-
Das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und seinem seinerzeitigen inländischen Arbeitgeber wurde mit Vertrag vom 16./29. Dezember 2009 aus dringenden betrieblichen Gründen einvernehmlich zum 31. Juli 2010 beendet. Der Kläger wurde unter Fortzahlung der regulären Bezüge sowie unter Zahlung von Boni für 2009 und 2010 zum 1. Januar 2010 unwiderruflich freigestellt. Er konnte seinerseits das Arbeitsverhältnis mit 14-tägiger Kündigungsfrist auch vor dem 31. Juli 2010 beenden. Als Entschädigung für den Verlust des Anstellungsverhältnisses und zum Ausgleich bereits entstandener und der damit in Zukunft verbundenen beruflichen und finanziellen Nachteile vereinbarten die Vertragspartner eine Abfindung in Höhe eines Einmalbetrages von 780.500 €. Für den Fall einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Erklärung des Klägers sollte sich der Abfindungsbetrag um das ansonsten zwischen dem Beendigungsdatum und dem am 31. Juli 2010 fällige Grundgehalt erhöhen. Die Versteuerung sollte durch den Arbeitgeber erfolgen.
- 3
-
Die Abfindung wurde im September 2010 gezahlt. Der ehemalige Arbeitgeber behielt darauf 337.990 € an Lohnsteuer und 18.589,45 € an Solidaritätszuschlag ein. Zuvor war eine vom Kläger angestrebte lohnsteuerliche Freistellung der Abfindung durch das zuständige Betriebsstättenfinanzamt gescheitert.
- 4
-
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2010 behandelte der Kläger einen Betrag von 785.194 € als nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) --DBA-Schweiz 1971-- steuerfreien Arbeitslohn. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) behandelte den Betrag demgegenüber als Entschädigung für mehrere Jahre, die in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) als Arbeitslohn nach § 19 i.V.m. § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2009) ermäßigt zu versteuern sei. Das Besteuerungsrecht Deutschlands ergebe sich aus Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 und der dazu ergangenen (ergänzenden) deutsch-schweizerischen Konsultationsvereinbarung zur Besteuerung von Abfindungszahlungen vom 17. März 2010, bekanntgegeben durch das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 25. März 2010 (BStBl I 2010, 268), Letztere i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 2 und § 25 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft --Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarungsverordnung (KonsVerCHEV)-- vom 20. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 2187, BStBl I 2010, 146). Die in der Schweiz erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wurden gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 2009 beim sog. Progressionsvorbehalt berücksichtigt.
- 5
-
Die Klage gegen die hiernach ergangenen Bescheide über Einkommensteuer und Feststellung der Steuermäßigung nach § 10a Abs. 4 EStG 2009 war erfolgreich. Das Hessische Finanzgericht (FG) gab ihr durch Urteil vom 8. Oktober 2013 10 K 2176/11, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 288 statt.
- 6
-
Das FA stützt seine Revision auf Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 7
-
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
- 8
-
Dem Revisionsverfahren ist das BMF beigetreten. Es schließt sich in der Sache dem FA an, ohne eigene Anträge zu stellen.
Entscheidungsgründe
- 9
-
B. Die Revision ist nur im Hinblick auf die Feststellung der Steuerermäßigung nach § 10a Abs. 4 Satz 1 EStG 2009 begründet, weil die Klage insoweit unzulässig ist. Im Übrigen aber ist sie unbegründet.
- 10
-
I. Die Anfechtung des Feststellungsbescheids gemäß § 10a Abs. 4 Satz 1 EStG 2009 ist unzulässig. Es handelt sich bei diesem Bescheid bezogen auf den angefochtenen Einkommensteuerbescheid um einen Folgebescheid (vgl. § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung --AO--). Das ergibt sich aus § 10a Abs. 4 Satz 1 letzter Halbsatz EStG 2009, wonach § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG 2009 auf die Feststellung entsprechend anzuwenden ist, und in jener Vorschrift ist die Grundlagenwirkung des Einkommensteuerbescheids justiert (s. dazu z.B. Schmidt/Heinicke, EStG, 34. Aufl., § 10d Rz 41; Schmidt/Weber-Grellet, ebenda, § 10a Rz 30, m.w.N.).
- 11
-
II. Im eigentlichen Streitpunkt ist die Revision jedoch unbegründet. Das Deutschland nach innerstaatlichem Recht zustehende Besteuerungsrecht für die Abfindung wurde durch das DBA-Schweiz 1971 beschränkt; das Besteuerungsrecht steht nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 der Schweiz als dem (nunmehrigen) Wohnsitzstaat des Klägers zu.
- 12
-
1. Der Kläger hat seinen Wohnsitz seit dem 1. Mai des Streitjahres in der Schweiz und ist seitdem in Deutschland nicht mehr --wie zuvor-- unbeschränkt (vgl. § 1 Abs. 1 EStG 2009), sondern beschränkt (vgl. § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 EStG 2009) steuerpflichtig. Letzteres betrifft nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG 2009 auch seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG 2009), die im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder --und insofern hier bezogen auf die in Rede stehende Abfindungszahlung allein einschlägig-- "worden ist". Es betrifft nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG 2009 zudem Einkünfte, die als Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG 2009 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, soweit die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte --wie vorliegend-- der inländischen Besteuerung unterlegen haben. Die Vorinstanz geht übereinstimmend mit den Beteiligten davon aus, dass es sich bei der an den Kläger geleisteten Abfindungszahlung um eine derartige Entschädigung handelt, nicht aber um nachträglichen Arbeitslohn. Auch der Senat hat keinen Anlass, diese Sachverhaltswürdigung in Frage zu stellen.
- 13
-
2. Deutschland steht infolge des mit der Schweiz geschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung jedoch das Besteuerungsrecht an der Zahlung nicht zu: Art. 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 DBA-Schweiz 1971 bestimmt, dass Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden können, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden. Daraus folgt nach ständiger Spruchpraxis des Senats (z.B. Urteile vom 2. September 2009 I R 111/08, BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387; I R 90/08, BFHE 226, 267, BStBl II 2010, 394; vom 24. Juli 2013 I R 8/13, BFHE 245, 291, BStBl II 2014, 929, jeweils m.w.N.), dass Abfindungen anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses nicht im Tätigkeitsstaat, sondern im Ansässigkeitsstaat zu besteuern sind. Denn bei Abfindungen handelt es sich unbeschadet dessen, dass sie nach dem insoweit maßgebenden innerstaatlichen Recht (vgl. Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971) Arbeitslohn (§ 19 EStG 2009) sind, nicht um ein zusätzliches Entgelt für eine frühere Tätigkeit i.S. des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971. Sie werden nicht für eine konkrete im Inland oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt, sondern gerade für den Verlust des Arbeitsplatzes. Ein bloßer Anlasszusammenhang zwischen Zahlung und Tätigkeit genügt nach dem Abkommenswortlaut ("dafür") indes nicht. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Spruchpraxis, an welcher festzuhalten ist, prinzipiell angeschlossen (BMF-Schreiben vom 14. September 2006, BStBl I 2006, 532, dort Tz. 6.3 Rz 121, und --nunmehr mit Wirkung ab 1. Januar 2015-- vom 12. November 2014, BStBl I 2014, 1467, dort Tz. 5.5.4 Rz 178 ff.).
- 14
-
3. Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387 weiter entschieden hat, ändert sich an dieser Rechtsauffassung infolge der ursprünglichen (vgl. BMF-Schreiben vom 20. Mai 1997, BStBl I 1997, 560), durch das BMF-Schreiben vom 13. Oktober 1992 (Recht der Internationalen Wirtschaft 1993, 82; vgl. auch BStBl I 1997, 560) bekanntgegebenen Verständigungsvereinbarung der deutschen und eidgenössischen Finanzbehörden zur Besteuerung von Abfindungen nichts. Dabei verbleibt es auch vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich ergangenen ergänzenden Konsultationsvereinbarung vom 17. März 2010.
- 15
-
a) Das BMF und die Eidgenössische Steuerverwaltung haben sich in jenen Vereinbarungen auf der Basis von Konsultationsverhandlungen nach Maßgabe des Art. 26 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 darauf verständigt, das Besteuerungsrecht der beiden Vertragsstaaten danach zuzuteilen, ob der Abfindung Versorgungscharakter beizumessen ist oder ob es sich um eine Nachzahlung von Lohn, Gehalt oder Tantiemen aus dem früheren Arbeitsverhältnis handelt oder die Abfindung allgemein für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst gewährt wird. In dem ersten Fall kann --nach Satz 2 der Vereinbarungen-- die Abfindung danach gemäß Art. 18 DBA-Schweiz 1971 nur im Wohnsitzstaat des Empfängers besteuert werden, im zweiten Fall soll nach Satz 3 der Vereinbarungen gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 das sog. Tätigkeitsortsprinzip gelten. Hintergrund dieser Vereinbarung ist der Umstand, dass andernfalls aufgrund der unterschiedlichen Verwaltungspraxis in Deutschland und in der Schweiz über die Besteuerungszuordnung die Gefahr sog. weißer Einkünfte, also der doppelten Nichtbesteuerung, bestand.
- 16
-
b) Der Senat misst einer derartigen zwischenstaatlichen Konsultationsvereinbarung --in Einklang mit den Grundsätzen zur Auslegung von Verträgen nach Art. 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 --WÜRV-- (BGBl II 1985, 927), in innerstaatliches Recht transformiert seit Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 3. August 1985 (BGBl II 1985, 926) am 20. August 1987 (BGBl II 1987, 757)-- zwar Bedeutung für die Auslegung der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei. Er hat jedoch wiederholt klar zum Ausdruck gebracht, dass die "Grenzmarke" für das richtige Abkommensverständnis immer nur der Abkommenswortlaut sein kann. Wird das in der Konsultationsvereinbarung gefundene Abkommensverständnis durch den Wortlaut nicht gedeckt, kann die Vereinbarung die Abkommensauslegung durch die Gerichte nicht beeinflussen oder die Gerichte gar binden. Auch daran ist uneingeschränkt festzuhalten und auf das zitierte Urteil in BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387 ist deswegen zu verweisen.
- 17
-
4. Allerdings haben sich die Vereinbarungsgrundlagen zwischenzeitlich geändert. Der Gesetzgeber hat vermittels des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010) mit § 2 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO n.F.-- (erstmals) eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen, wonach --so Satz 1 der Vorschrift-- das BMF ermächtigt wird, zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung oder doppelten Nichtbesteuerung mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zu erlassen. Konsultationsvereinbarungen in diesem Sinne sind nach Satz 2 der Vorschrift einvernehmliche Vereinbarungen der zu-ständigen Behörden der Vertragsstaaten eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mit dem Ziel, Einzelheiten der Durchführung eines solchen Abkommens zu regeln, insbesondere Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung des jeweiligen Abkommens bestehen, zu beseitigen. Mit diesem tatbestandlich umschriebenen Inhalt zielt die Neuregelung darauf ab, zwischenstaatlichen behördlichen Konsultationsvereinbarungen i.S. von Art. 25 Abs. 3 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-MustAbk) den Rang einer Rechtsverordnung zu verleihen. In § 24 Abs. 1 KonsVerCHEV ist das für die im Streitfall in Rede stehenden Arbeitnehmer-Abfindungen geschehen; die Deutsch-Schweizerische Konsultationsverbindung vom 17. März 2010 ist darin textlich übernommen worden.
- 18
-
5. Es ist im Schrifttum kontrovers, ob die neugeschaffene Ermächtigungsgrundlage den dafür gebotenen Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) genügt und im Ergebnis geeignet ist, die seitens der Finanzverwaltung beanspruchte (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 1467, dort Tz. 5.5.4.2 Rz 183 ff.) Verbindlichkeit der zwischenstaatlich gefundenen Abkommensauslegung herbeizuführen. Überwiegend wird das verneint und dem schließt sich der Senat an. Die Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarung vom 17. März 2010 genügt trotz ihrer unilateralen "Anhebung" in eine Rechtsverordnung den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts nach Art. 20 Abs. 3 GG nicht. Sie fußt mit § 2 Abs. 2 AO n.F. nicht auf einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, in welcher Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung jedenfalls bezogen auf die Frage nach der Besteuerung von Abfindungszahlungen an einen (ehemals) nichtselbständig tätigen Arbeitnehmer hinreichend bestimmt werden. Dessen aber hätte es nach Art. 80 Abs. 1 GG bedurft.
- 19
-
a) Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG können durch Gesetz die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen dabei Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Das ist hier nicht gelungen.
- 20
-
aa) Zwar gilt gewissermaßen "natürlich" der Grundsatz, dass ein Gesetz nicht durch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift außer Kraft gesetzt oder abgeändert werden kann, ebenso wie seine Durchbrechung durch einen Verwaltungsakt und seine Verdrängung durch eine Rechtsnorm, die im Vergleich zum Gesetz von niedrigerem Range ist, also eine Rechtsverordnung, eine Gemeindesatzung, ausgeschlossen ist. Das ergibt sich unmittelbar aus dem "Vorrang des Gesetzes" (Art. 20 Abs. 3 GG): "Der in der Form des Gesetzes geäußerte Staatswille geht rechtlich jeder anderen staatlichen Willensäußerung vor", so das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 6. Mai 1958 2 BvL 37/56, 2 BvL 11/57 (BVerfGE 8, 155). Dieser Vorrang des Gesetzes --also die dem Gesetz kraft Verfassungsrechts innewohnende Eigenschaft, staatliche Willensäußerungen niedrigeren Ranges rechtlich zu hindern oder zu zerstören-- kann sich aber naturgemäß nur auswirken, wo ein Widerspruch zwischen dem Gesetz und der Willensäußerung niederen Ranges besteht. Es bedarf keiner Ausführung, dass eine staatliche Willensäußerung, die das Gesetz befolgt und in Einklang mit ihm steht, nicht am Vorrang des Gesetzes scheitern kann. Im Einzelnen ist dazu beispielhaft auf den besagten Beschluss des BVerfG in BVerfGE 8, 155 hinzuweisen. So gesehen mag es auch möglich sein, kraft Verordnung eine Abkommensregelung zu spezifizieren und umzusetzen. Es mag prinzipiell ebenso ausreichen, die gesetzliche Ermächtigung dabei weit zu fassen, solange und soweit die "wesentlichen Konturen" in dem Referenzgesetz --hier also das bilaterale Abkommen in der Umsetzung des "einfachen" Zustimmungsgesetzes-- vom Gesetzgeber vorgegeben werden (s. z.B. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 2 AO Rz 43e, m.w.N.; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 2 AO Rz 327, 332; Oellerich in Beermann/Gosch, AO, § 2 Rz 102; s.a. den vom beigetretenen BMF herangezogenen, allerdings in anderem Zusammenhang des Steuerberatungsgesetzes ergangenen BVerfG-Beschluss vom 3. November 1982 2 BvL 28/81, BVerfGE 62, 203; demgegenüber zweifelnd z.B. Gosch in Mellinghoff/Schön/Viskorf [Hrsg.], Steuerrecht im Rechtsstaat, Festschrift Spindler, 2011, S. 379, 421; derselbe in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 49 Rz 72; anders z.B. Nacke, Der Betrieb --DB-- 2010, 1149; Lehner, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2011, 739 und Finanz-Rundschau --FR-- 2011, 1091). Und es lässt sich schließlich auch hören, wenn argumentiert wird, der Gesetzgeber habe mit seiner Zustimmung zu dem Gesetz zur Überleitung des völkerrechtlichen Vertrages in nationales (einfaches) Recht die Möglichkeit von Konsultationsvereinbarungen auf Basis des Art. 25 Abs. 3 OECD-MustAbk antizipiert und akzeptiert (z.B. Hummel, IStR 2011, 399 ff.; Lehner, IStR 2011, 733, 737, jeweils m.w.N.; insoweit anders Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 2 AO Rz 43f, m.w.N., insbesondere auch aus dem staatsrechtlichen Schrifttum). Doch ist es auch vermittels einer derart gefassten Ermächtigungsregelung ausgeschlossen, den Abkommenstext und damit die besagte Besteuerungszuordnung für die betreffenden Einkünfte zu verändern (s. zu alledem z.B. FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 19. Dezember 2013 3 K 1189/13, Betriebs-Berater --BB-- 2014, 2071; sowie z.B. Hummel, IStR 2011, 397, 399 ff.; Lehner, IStR 2011, 733, und derselbe in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl., Grundlagen Rz 136; Schönfeld/Häck in Schönfeld/ Ditz, DBA, Systematik Rz 100; Dremel, daselbst, Art. 1 Rz 23 ff.; Flüchter, daselbst, Art. 25 Rz 218 ff.; Eilers in Wassermeyer, MA Art. 25 Rz 67; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, MA Art. 15 Rz 79; Kempermann in Flick/ Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 15 Rz 7, s.a. Art. 15a Rz 42; Kubaile, Internationale Wirtschafts-Briefe --IWB-- 2012, 1; Heger, Steuer Wirtschaft International 2011, 95; Micker, IWB 2011, 61; Gosch, BFH/PR 2011, 241; s.a. Musil in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, a.a.O., § 2 AO Rz 234; anders Neyer/Schlepper, FR 2011, 648).
- 21
-
bb) Das aber ist hier der Fall. Der Abkommenstext belässt aus den unter I.2. beschriebenen Gründen für die Frage der Besteuerungszuordnung von Abfindungen an ehemals nichtselbständig tätige Arbeitnehmer keine Spielräume. Und daran ändert auch das in § 2 Abs. 2 Satz 1 AO n.F. qualifizierte zusätzliche Ermächtigungsziel nichts, doppelte Nichtbesteuerungen zu vermeiden. Das mag --in Einklang mit "neuerem Abkommensdenken" der OECD-- das eine oder andere neuere Doppelbesteuerungsabkommen bezwecken, und das findet sich jetzt denn auch in der (ministeriellen) "Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen", BMF-Schreiben vom 17. April 2013, Stand: 22. August 2013 (abgedruckt in IStR, Beihefter 10/2013 unter II. und berichtigt in IStR 2013, 440) wieder. Dieser Paradigmenwechsel aber hat im DBA-Schweiz 1971, das allein die Freistellungsmethode anwendet und damit vorbehaltlos auf eine virtuelle Doppelbesteuerung abhebt (ständige Spruchpraxis, deutlich z.B. Senatsurteil vom 24. August 2011 I R 46/10, BFHE 234, 339, BStBl II 2014, 764), (noch) keinen Niederschlag gefunden. Durch § 24 Abs. 1 KonsVerCHEV wird indessen genau das sinn- und zweckverändert. Der Regelung käme der Charakter einer Rückfallklausel zu, die im Abkommen nicht angelegt ist, diesem vielmehr widerspricht (Lehner, IStR 2011, 733, 736, dort auch spezifisch für die Situation der Abfindungszahlung an ehemalige Arbeitnehmer). § 2 Abs. 2 AO n.F. ermächtigt jedoch nicht zu Ergänzungen vereinbarter Abkommen; hierzu bedarf es vielmehr der abermaligen Zustimmung des nationalen Parlaments (Lehner, IStR 2011, 733, 735). Solange diese Zustimmung fehlt, bleibt "die Grenzziehung zwischen Auslegung und einer an den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG scheiternden Lückenschließung (...)", darin ist Lehner (IStR 2011, 733, 739) uneingeschränkt beizupflichten, "Aufgabe der Judikative".
- 22
-
b) Lassen sich die vorbenannten Mängel nicht ausräumen, ist die Rechtsverordnung zu verwerfen. Dazu sind die Fachgerichte und damit der Senat befugt (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 12. Dezember 1984 1 BvR 1249/83, 1 BvR 1745/83, 1 BvR 1746/83, 1 BvR 1752/83, 1 BvR 1753/83, 1 BvR 1757/83, 1 BvR 1769/83, 1 BvR 1719/83, 1 BvR 1720/83, BVerfGE 68, 319, BVerfGE 68, 319, 325; BVerfG-Urteil vom 18. Dezember 1985 2 BvR 1167/84, 2 BvR 1185/84, 2 BvR 1636/84, 2 BvR 308/85, 2 BvQ 18/84, BVerfGE 71, 305, 337; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 2 AO Rz 43g, m.w.N.), und so geschieht es denn auch im Streitfall.
- 23
-
6. Unabhängig von diesen Erwägungen scheitert die erstrebte Verbindlichkeit für das Streitjahr auch daran, dass die verwaltungsseitig vorgegebene Auslegung nach § 26 KonsVerCHEV erstmals mit Wirkung vom 23. Dezember 2010 gilt, nicht aber für den bis dahin abgelaufenen Teil des Jahres 2010.
- 24
-
a) Der Senat legt seiner Auslegung von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in ebenfalls ständiger Spruchpraxis aus zeitlicher Sicht einen sog. statischen, keinen sog. dynamischen Auslegungsmodus zugrunde (vgl. z.B. Senatsurteile vom 16. Januar 2014 I R 30/12, BFHE 244, 354, BStBl II 2014, 721; vom 9. Februar 2011 I R 54, 55/10, BFHE 232, 476, BStBl II 2012, 106; vom 25. Mai 2011 I R 95/10, BFHE 234, 63; vom 8. Dezember 2010 I R 92/09, BFHE 232, 137, BStBl II 2011, 488; vom 23. September 2008 I R 57/07, BFH/NV 2009, 390; Senatsbeschluss vom 19. Mai 2010 I B 191/09, BFHE 229, 322, BStBl II 2011, 156, jeweils m.w.N.). Eine Verwaltungspraxis, welche sich erst nach Inkrafttreten eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bildet, wirkt auf die Auslegung des Abkommens prinzipiell nicht zurück. Das gilt in erster Linie für Verwaltungsverlautbarungen, wie beispielsweise die Musterkommentierung der OECD zu deren Musterabkommen. Das gilt aber auch für bilaterale Konsultationsvereinbarungen. Abermals hindert Art. 31 WÜRV ein solches Verständnis nicht: Ein Vertrag ist danach nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seiner Bestimmung in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Außer dem bei der Auslegung zu berücksichtigenden und in Art. 31 Abs. 2 WÜRV näher beschriebenen systematischen "Zusammenhang" sind nach Art. 31 Abs. 3 WÜRV in gleicher Weise zu berücksichtigen: a) jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrages oder die Anwendung seiner Bestimmungen sowie b) jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrages, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht. So gesehen kann ein übereinstimmendes Abkommensverständnis und eine gemeinsame "Übung" der beteiligten Finanzverwaltungen für eine Abkommensauslegung bedeutsam sein (s. z.B. Senatsurteile vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFHE 215, 237, BStBl II 2010, 778, sowie I R 18/04, BFH/NV 2007, 875, beide zu leitenden Angestellten als sog. Grenzgänger i.S. von Art. 15 Abs. 4, Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992), das aber immer nur insofern, als sie nicht dem Wortlaut des Abkommens zuwiderläuft (vgl. Senatsurteil vom 27. August 2008 I R 64/07, BFHE 222, 553, BStBl II 2009, 97). Abgesehen davon, dass das Wiener Übereinkommen (nach dessen Art. 4) ohnehin nur auf Verträge Anwendung findet, die von Staaten geschlossen werden, nachdem das Übereinkommen für sie in Kraft getreten ist --und damit, ohne dass dem weiter nachzugehen wäre, nach Lage der Dinge nicht für das DBA-Schweiz 1971--, erzwingen auch diese Grundsätze eine Regelungsauslegung also immer nur nach Maßgabe jenes Wortlauts.
- 25
-
b) Und das gilt auch hier. Dass die neuerliche Konsultationsvereinbarung inhaltlich im Kern bloß auf der vorangegangenen Verständigungsvereinbarung aus dem Jahre 1992 aufsetzt, ist unbeachtlich. Denn jene Vereinbarung erfüllte die nötigen rechtsstaatlichen Anforderungen einer Auslegungsverbindlichkeit, wie beschrieben, von vornherein nicht. Auch ist es unbeachtlich, dass die Einkommensteuer für das Streitjahr erst am 31. Dezember 2010 entsteht (vgl. § 25 Abs. 1 EStG 2009), mithin nach dem in § 25 KonsVerCHEV bestimmten Anwendungszeitpunkt für die deutsch-schweizerische Konsultationsverordnung am 1. Januar 2010, welcher wiederum seinerseits in Einklang mit Art. 97 § 1 Abs. 9 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (EGAO n.F.) steht; Rechtsverordnungen aufgrund des § 2 Abs. 2 AO n.F. können danach mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum 2010 erlassen werden, sofern die dem Bundesrat zugeleitete Rechtsverordnung vor dem 1. Januar 2011 als Bundesratsdrucksache veröffentlicht worden ist, was hier der Fall ist (s. Bundesrats-Drucksache 716/10 vom 5. November 2010). Das alles mag vor dem Hintergrund des gängigen Verfassungsverständnisses in Deutschland jedenfalls nicht unbedingt einen Verstoß gegen das grundgesetzliche Rückwirkungsverbot auslösen (vgl. grundlegend z.B. BVerfG-Beschluss vom 10. Oktober 2012 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302, BStBl II 2012, 932, m.w.N.; s.a. --bezogen auf Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und deren Überleitung in nationales Recht-- BVerfG-Beschluss vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, BStBl II 1986, 628; insoweit konkret bezogen auf § 2 Abs. 2 AO n.F. einerseits Bisle, IWB 2010, 794; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 2 AO Rz 337; andererseits Nacke, DB 2010, 1149; s. eingehend zum Problem auch Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 2 AO Rz 43d, m.w.N.). Für die Rechtsauslegung des Abkommenstextes bleibt das aber ohne Bedeutung, weil sich die Abkommensauslegung einem einseitigen vertragsstaatlichen Zugriff entzieht, wenn dieser Zugriff zeitlich nach dem zu beurteilenden tatsächlichen Lebenssachverhalt liegt. So liegt es hier, weil die in Rede stehende deutsch-schweizerische Konsultationsvereinbarung als solche in Gestalt der Konsultationsverordnung erst am 23. Dezember 2010 in Kraft getreten ist. Maßgebender Anwendungszeitpunkt für die abkommensüberschreibende Konsultationsvereinbarung kann immer nur der Zeitpunkt sein, in welchem eine solche Vereinbarung tatsächlich in der verfassungsrechtlich gebotenen Form in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist. Rückwirkende Anwendungsanordnungen vertragen sich damit nicht und scheiden aus. Insofern gilt nichts anderes als für das Abkommen als solches, für das Art. 32 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971 den Anwendungszeitpunkt für das Jahr bestimmt, das dem Jahr folgt, in welchem das Abkommen infolge Austauschs der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten ist (oder neuerlich auch in der bereits zitierten ministeriellen "Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen" vom 17. April 2013, nach deren Art. 31 Abs. 1 und 2 der Anwendungszeitpunkt des ratifizierten Abkommens auf den 1. Januar desjenigen Kalenderjahres justiert wird, das dem Jahr folgt, in welchem das Abkommen infolge Austauschs der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten ist). Nur so kann sichergestellt werden, dass das bilateral Vereinbarte in beiden Vertragsstaaten zu ein- und demselben Zeitpunkt anzuwenden ist und genau diejenige Gefahr einer doppelten Besteuerung, ggf. auch doppelten Nichtbesteuerung, vermieden wird, der es nach den Absichten der vereinbarungsbeteiligten Vertragsstaaten (auch) bei einer abkommensverändernden Konsultationsvereinbarung entgegenzutreten gilt (s. zu alledem auch Gosch in Kaeser [Hrsg.], Festgabe für F. Wassermeyer, 2015, Stichwort 29, dort unter III.).
- 26
-
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2, § 136 Abs. 1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung.
(1) Ist einer Abfindung Versorgungscharakter beizumessen, steht das Besteuerungsrecht entsprechend Artikel 18 des Abkommens dem Wohnsitzstaat zu. Dagegen hat der (frühere) Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht, sofern es sich bei der Abfindung um Lohn- oder Gehaltsnachzahlungen oder Tantiemen aus dem früheren Arbeitsverhältnis handelt oder die Abfindung allgemein für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst gewährt wird. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer in der Zeit vor dem Ausscheiden aus dem Dienst auch teils in dem Staat, in dem er ansässig ist, tätig war, ist die Abfindung zeitanteilig entsprechend der Besteuerungszuordnung der Vergütungen aufzuteilen.
(2) Werden die Abfindungszahlungen aus Anlass der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, die eine in einem Vertragsstaat wohnende Person nach Wegzug aus dem Tätigkeitsstaat von ihrem ehemaligen, im anderen Vertragsstaat ansässigen Arbeitgeber erhält, nicht im ehemaligen Tätigkeitsstaat besteuert, können diese Abfindungszahlungen im Wohnsitzstaat der Person besteuert werden.
(1) Eine teilweise Freistellung von Abzugsteuern nach § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes bei Arbeitslöhnen kommt bei Abwanderern so lange nicht in Betracht, wie Artikel 4 Absatz 4 des Abkommens anzuwenden ist.
(2) Die Regelung des Artikels 4 Absatz 4 des Abkommens ist nicht anzuwenden, wenn der Wegzug in die Schweiz wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt.
(3) Für die Anrechnung schweizerischer Steuern im Lohnsteuerabzugsverfahren gilt: In entsprechender Anwendung des § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes rechnet der Arbeitgeber auf Grund einer Anrechnungsbescheinigung des Betriebstättenfinanzamts einen bestimmten Betrag als schweizerische Steuer vorläufig auf die 4,5 Prozent des Bruttobetrages der Vergütungen übersteigende deutsche Lohnsteuer an. Der Grenzgänger-Abwanderer hat die Anrechnungsbescheinigung beim Betriebstättenfinanzamt zu beantragen. Dem Antrag hat er seinen letzten schweizerischen Steuer- oder Vorauszahlungsbescheid beizufügen. Nach Ablauf des Kalenderjahrs wird zur endgültigen Anrechnung der schweizerischen Steuer auf Antrag des Grenzgänger-Abwanderers eine Veranlagung durchgeführt. Der Antrag auf Durchführung der Veranlagung ist gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung der Anrechnungsbescheinigung zu stellen.
Tatbestand
- 1
-
I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer ablehnenden Billigkeitsentscheidung (Antrag auf Erlass der Einkommensteuer des Streitjahres 2004).
- 2
-
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein deutscher Staatsangehöriger, verzog im April 2004 von X in die Schweiz. Dort hatte er einen gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Lebenspartnerin, einer Schweizer Staatsangehörigen; die Partner heirateten im Januar 2008.
- 3
-
Zum 31. März 2004 gab der Kläger seine bisherige Berufstätigkeit in X auf; seit 15. April 2004 arbeitete er wieder in Deutschland. Seither ist er Grenzgänger aus der Schweiz. Neben Einkünften aus der nichtselbständigen Tätigkeit erzielte der Kläger im Streitjahr aus Deutschland außerdem (negative) Einkünfte aus der Vermietung eines Grundstücks sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen.
- 4
-
Am 30. Januar 2006 gab der Kläger eine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als beschränkt Steuerpflichtiger ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) wies den Kläger darauf hin, dass eine Veranlagung nach Maßgabe der unbeschränkten Steuerpflicht durchzuführen sei. Das FA bat um Einreichung einer entsprechenden Erklärung unter Angabe der nach dem Wegzug erzielten deutschen und schweizerischen Einkünfte und um Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) --DBA-Schweiz 1971--.
- 5
-
Im Rahmen des Verfahrens zur Festsetzung der Einkommensteuer des Streitjahres trug der Kläger u.a. vor, dass er wegen Heirat in die Schweiz verzogen sei. Aufgrund der Billigkeitsregelung in Tz. 41 des gemeinsamen Einführungsschreibens zur Neuregelung der Grenzgängerbesteuerung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 19. September 1994, BStBl I 1994, 683 [für Besteuerungssachverhalte ab 1. Januar 2010: § 18 Abs. 2 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20. Dezember 2010, BGBl I 2010, 2187, BStBl I 2011, 146], sowie Schreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung --EStV-- vom 6. September 1994, abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland, A 3.3.10) habe er einen Anspruch auf Erlass der Einkommensteuer. Das FA setzte die Einkommensteuer unter Anwendung des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 fest und verwies den Kläger auf die Möglichkeit, sein Erlassbegehren in einem gesonderten Verfahren zu verfolgen. Die Steuerfestsetzung ist bestandskräftig. Einen Erlass der Einkommensteuer lehnte das FA später ab. Die anschließende Klage blieb erfolglos (Finanzgericht --FG-- Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 6. Mai 2010 3 K 3043/09, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2010, 1980).
- 6
-
Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung materiellen und formellen Rechts; er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids in der Fassung der Einspruchsentscheidung die festgesetzte deutsche Einkommensteuer zu erlassen, hilfsweise, das FA zu verpflichten, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) neu zu bescheiden.
- 7
-
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 8
-
II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
- 9
-
Die Ablehnung des FA, die Einkommensteuer zu erlassen, ist nicht rechtswidrig. Der Kläger hat daher weder einen Anspruch auf Erlass der Einkommensteuer noch auf Neubescheidung seines Erlassantrags.
- 10
-
1. Nach § 163 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) kann eine Steuer u.a. niedriger festgesetzt werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falles unbillig ist; § 227 Halbsatz 1 AO sieht vor, dass die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen können, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig ist. Die Unbilligkeit der Erhebung einer Steuer, an die §§ 163, 227 AO die Möglichkeit einer abweichenden Steuerfestsetzung oder eines Erlasses knüpfen, kann sich aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen ergeben, wobei die Beteiligten des Streitfalles zu Recht nur um die erste Variante streiten. Sachlich unbillig ist die Erhebung vor allem dann, wenn sie im Einzelfall nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft. Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestandes einer Vorschrift bewusst in Kauf genommen hat, stehen jedoch dem Erlass entgegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 19. März 2009 V R 48/07, BFHE 225, 215, BStBl II 2010, 92).
- 11
-
Abweichende Steuerfestsetzung und Erlass sind Maßnahmen der finanzbehördlichen Billigkeit im Steuerschuldverhältnis, über die in einem vom Steuerfestsetzungsverfahren gesonderten Verfahren durch eigenständigen Verwaltungsakt zu entscheiden ist. Dieser Verwaltungsakt unterliegt, wenn die begehrte Billigkeitsmaßnahme abgelehnt wurde, nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung (§ 102 FGO); diese beschränkt sich darauf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht beachtet wurden oder Ermessen fehlerhaft ausgeübt wurde.
- 12
-
Ist eine Finanzbehörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 5 AO). Vorgesetzte Dienststellen können dazu ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften erlassen, die unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung und damit der Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) von Bedeutung sein können; das gilt aber nur, wenn sich die in ihnen getroffenen Regelungen innerhalb der Grenzen halten, die das Grundgesetz und die Gesetze der Ausübung des Ermessens setzen. Deshalb muss bei einer Billigkeitsrichtlinie die getroffene Regelung Recht und Billigkeit entsprechen (z.B. BFH-Urteil in BFHE 225, 215, BStBl II 2010, 92). Dabei ist für die Auslegung einer ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift nicht maßgeblich, wie das Gericht eine solche Verwaltungsanweisung versteht, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte. Das Gericht darf daher solche Verwaltungsanweisungen nicht selbst auslegen, sondern nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist (z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460).
- 13
-
2. Das FA hat --wie das FG zutreffend entschieden hat-- weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens unbeachtet gelassen noch sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Der Ablehnungsbescheid ist daher nicht rechtswidrig.
- 14
-
a) Nach Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 darf unter bestimmten Voraussetzungen eine von Deutschland in die Schweiz verzogene Person u.a. im Jahr des Wegzugs mit ihren aus Deutschland stammenden Einkünften in Deutschland besteuert werden. Darum geht es im Streitfall, da der Kläger im Streitjahr von Deutschland in die Schweiz verzogen ist und in der Folgezeit weiterhin Einkünfte aus einer in Deutschland und für einen deutschen Arbeitgeber ausgeübten Tätigkeit (und weitere aus Deutschland stammende Einkünfte) erzielt hat. Inhalt der Regelung ist eine Verzögerung der Gewährung der Abkommensvorteile für den sog. Wegzüger, um einer "Steuerflucht" entgegenzuwirken (s. Senatsurteil vom 2. September 2009 I R 111/08, BFHE 226, 276, 282, BStBl II 2010, 387, 390). Dass die aus dem Wortlaut dieser Norm ableitbaren Voraussetzungen erfüllt bzw. die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung in Satz 4 des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 nicht erfüllt sind und dass das FA das daraus erwachsene deutsche Besteuerungsrecht dem Grunde und der Höhe nach zutreffend in der Steuerfestsetzung umgesetzt hat, steht nicht im Streit.
- 15
-
b) Das BMF hat in seinem Einführungsschreiben zur Neuregelung der sog. Grenzgängerbesteuerung (in BStBl I 1994, 683) allerdings bestimmt, dass Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 nicht anzuwenden ist, "wenn der Wegzug in die Schweiz wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt" (Tz. 41). Dies geht auf eine Verständigungsvereinbarung des BMF mit der EStV "betr. Wegzüger-Grenzgänger" zurück (Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 21. April 1977/Schreiben der EStV vom 10. August 1977, abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 4.4 Nr. 13). Diese Regelung kam rückwirkend zum Inkrafttreten des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (ab dem Jahr 1972) zur Anwendung (z.B. Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 12. Oktober 1977, abgedruckt in Locher/Meier/ von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 4.4 Nr. 14). Motive für diese Vereinbarung aus deutscher Sicht sind nicht veröffentlicht. Grundgedanke der Regelung ist aus schweizerischer Sicht, "der Familienzusammenführung einen höheren Stellenwert einzuräumen als der vom Gesetz als Regelfall vermuteten 'Steuerflucht'"; diese "familiären Gründe" könnten jedenfalls durch einen Zeitablauf von 10 Monaten zwischen Wegzug und Heirat (Hinweis auf "für diesen Anlass üblicherweise zu treffende Vorbereitungen") noch nicht entfallen sein (so die EStV in einer Niederschrift zu einer [gescheiterten] Verständigungsregelung vom 7. April 2005, abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 4.4 Nr. 26). Die deutschen Finanzbehörden der Länder haben zu dieser Verständigungsvereinbarung zwischen BMF und EStV Verwaltungsanweisungen erlassen (u.a. die Oberfinanzdirektion Karlsruhe in Fach A Teil 4 Nr. 1 des sog. Grenzgängerhandbuchs), nach der ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Wegzug und Heirat erforderlich ist; dieser sei "als noch gegeben anzusehen, wenn die Heirat in einem Zeitraum von sechs Monaten vor und sechs Monaten nach dem Wegzug erfolgt".
- 16
-
c) Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 19. November 2003 I R 64/02 (BFH/NV 2004, 765) entschieden, dass die genannte Regelung über den klaren Wortlaut des Abkommens hinausgeht und deshalb nur als Billigkeitsregelung gewertet werden kann. Eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung liegt darin nicht, weil der Wortlaut des Abkommens für diese Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 keinen Anhalt gibt (so auch die dortige Vorinstanz --FG Baden-Württemberg-- im Urteil vom 5. August 2002 12 K 297/01, EFG 2003, 913; zustimmend Hahn, juris-Praxisreport Steuerrecht 1/2004 Anm. 4; Wilke in Gosch/Kroppen/ Grotherr, DBA-Kommentar, Art. 4 DBA-Schweiz Rz 69; Brandis in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 15a Schweiz Rz 35; wohl auch Walter, Internationale Wirtschaftsbriefe 2007, 661 [Fach 5, Gruppe 2, S. 633, 636 f.]; s.a. --bezogen auf Tz. 14 des BMF-Schreibens in BStBl I 1994, 683-- Senatsurteil vom 11. November 2009 I R 15/09, BFHE 227, 419, BStBl II 2010, 602). Es geht damit entgegen der Ansicht der Revision bei der Frage, ob der Kläger die Voraussetzungen der Billigkeitsregelung ("Wegzug wegen Heirat") erfüllt, nicht darum, einen unbestimmten Rechtsbegriff --als (negative) Tatbestandsvoraussetzung einer Eingriffsnorm-- auszulegen; insoweit ist die Lage mit dem auf Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz 1971 bezogenen Senatsurteil in BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387 nicht vergleichbar. Vielmehr geht es um das Maß der (behördlichen) Billigkeitsregelung, die nicht eigenständig Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle im Rahmen des § 102 FGO ist.
- 17
-
d) Der Kläger hält die Billigkeitsregelung im gerichtlichen Verfahren für beachtlich. Denn die darin aufgenommene Zeitregel sei als "willkürliche" Einschränkung der Begünstigung anzusehen; nach der Grundregel "Wegzug wegen Heirat" sei deshalb in seinem Sinne zu entscheiden. Dem ist nicht beizupflichten. Richtigerweise geht es darum, ob die Billigkeitsregelung in der Ausgestaltung, die sie tatsächlich gefunden hat --hier: Begünstigung einer Familienzusammenführung, aber nur bei einer Heirat und nur im zeitlichen Zusammenhang mit dem Wegzug--, in Einklang mit dem Wortlaut und dem Regelungszweck des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 noch als sachgerechte Beschreibung einer sachlichen Unbilligkeit der gesetzlichen Regelung verstanden werden kann. Wäre dies nicht der Fall, könnte sich der Kläger im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der ablehnenden Ermessensentscheidung der Behörde schon von daher nicht zu seinen Gunsten auf Tz. 41 des BMF-Schreibens in BStBl I 1994, 683 berufen. Der Senat folgt indessen der --unter den Beteiligten nicht streitigen-- Einschätzung des FG, dass der Dispens von der Anwendung der Abwandererregelung im Falle einer Familienzusammenführung durch Heirat eine sachliche Unbilligkeit vermeidet und dass --insoweit vom FG ausdrücklich festgestellt-- die Zeitregel der 6-monatigen Frist vor oder nach dem Wegzug als willkürfreie Indizienregel für den sachlichen Zusammenhang zwischen Wegzug und Heirat anzusehen ist.
- 18
-
Dazu hat das FG zur Zeitgrenze ausgeführt, dass der Wortlaut "wegen Heirat" die von der Verwaltung vertretene Auslegung zulasse. Damit werde für Rechtssicherheit gesorgt: Die Frage, wann der definitive Entschluss zur Eheschließung gefallen sei (und ob er ggf. zwischenzeitlich weggefallen und später wieder neu gefasst worden sei), sei eine innere Tatsache. Sie könne letztlich nur jeder Ehegatte für sich selbst zweifelsfrei beantworten; dieses Wissen gehöre außerdem zur engsten Privatsphäre eines Menschen. Jegliche Sachverhaltsaufklärung durch Finanzbehörden oder Gerichte erfordere ein Eindringen in diese Sphäre; zudem seien die Überprüfungsmöglichkeiten der Angaben naturgemäß eingeschränkt. Daher könne die Finanzverwaltung --letztlich wohl aus Zweckmäßigkeitserwägungen-- in die Formulierung "wegen Heirat" auch ein Zeitmoment hineinlesen, um dem Rechnung zu tragen. Eine zeitliche Grenze schaffe zudem Planungssicherheit für Heiratswillige, vermittele Steuerpflichtigen über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung Vertrauensschutz und setze sie insoweit nicht den möglichen Unwägbarkeiten einer späteren Tatsachen- und Beweiswürdigung durch Dritte aus. Diesen Erwägungen des FG, die die von den Finanzbehörden gezogene Zeitgrenze als jedenfalls willkürfrei beschreiben, stimmt der Senat zu. Im Übrigen wird man auch der Stellungnahme der EStV in der Niederschrift vom 7. April 2005 (a.a.O.) eine Zeitgrenze entnehmen können.
(1) Eine teilweise Freistellung von Abzugsteuern nach § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes bei Arbeitslöhnen kommt bei Abwanderern so lange nicht in Betracht, wie Artikel 4 Absatz 4 des Abkommens anzuwenden ist.
(2) Die Regelung des Artikels 4 Absatz 4 des Abkommens ist nicht anzuwenden, wenn der Wegzug in die Schweiz wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt.
(3) Für die Anrechnung schweizerischer Steuern im Lohnsteuerabzugsverfahren gilt: In entsprechender Anwendung des § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes rechnet der Arbeitgeber auf Grund einer Anrechnungsbescheinigung des Betriebstättenfinanzamts einen bestimmten Betrag als schweizerische Steuer vorläufig auf die 4,5 Prozent des Bruttobetrages der Vergütungen übersteigende deutsche Lohnsteuer an. Der Grenzgänger-Abwanderer hat die Anrechnungsbescheinigung beim Betriebstättenfinanzamt zu beantragen. Dem Antrag hat er seinen letzten schweizerischen Steuer- oder Vorauszahlungsbescheid beizufügen. Nach Ablauf des Kalenderjahrs wird zur endgültigen Anrechnung der schweizerischen Steuer auf Antrag des Grenzgänger-Abwanderers eine Veranlagung durchgeführt. Der Antrag auf Durchführung der Veranlagung ist gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung der Anrechnungsbescheinigung zu stellen.
(1) Ist einer Abfindung Versorgungscharakter beizumessen, steht das Besteuerungsrecht entsprechend Artikel 18 des Abkommens dem Wohnsitzstaat zu. Dagegen hat der (frühere) Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht, sofern es sich bei der Abfindung um Lohn- oder Gehaltsnachzahlungen oder Tantiemen aus dem früheren Arbeitsverhältnis handelt oder die Abfindung allgemein für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst gewährt wird. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer in der Zeit vor dem Ausscheiden aus dem Dienst auch teils in dem Staat, in dem er ansässig ist, tätig war, ist die Abfindung zeitanteilig entsprechend der Besteuerungszuordnung der Vergütungen aufzuteilen.
(2) Werden die Abfindungszahlungen aus Anlass der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, die eine in einem Vertragsstaat wohnende Person nach Wegzug aus dem Tätigkeitsstaat von ihrem ehemaligen, im anderen Vertragsstaat ansässigen Arbeitgeber erhält, nicht im ehemaligen Tätigkeitsstaat besteuert, können diese Abfindungszahlungen im Wohnsitzstaat der Person besteuert werden.
(1) Eine teilweise Freistellung von Abzugsteuern nach § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes bei Arbeitslöhnen kommt bei Abwanderern so lange nicht in Betracht, wie Artikel 4 Absatz 4 des Abkommens anzuwenden ist.
(2) Die Regelung des Artikels 4 Absatz 4 des Abkommens ist nicht anzuwenden, wenn der Wegzug in die Schweiz wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt.
(3) Für die Anrechnung schweizerischer Steuern im Lohnsteuerabzugsverfahren gilt: In entsprechender Anwendung des § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes rechnet der Arbeitgeber auf Grund einer Anrechnungsbescheinigung des Betriebstättenfinanzamts einen bestimmten Betrag als schweizerische Steuer vorläufig auf die 4,5 Prozent des Bruttobetrages der Vergütungen übersteigende deutsche Lohnsteuer an. Der Grenzgänger-Abwanderer hat die Anrechnungsbescheinigung beim Betriebstättenfinanzamt zu beantragen. Dem Antrag hat er seinen letzten schweizerischen Steuer- oder Vorauszahlungsbescheid beizufügen. Nach Ablauf des Kalenderjahrs wird zur endgültigen Anrechnung der schweizerischen Steuer auf Antrag des Grenzgänger-Abwanderers eine Veranlagung durchgeführt. Der Antrag auf Durchführung der Veranlagung ist gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung der Anrechnungsbescheinigung zu stellen.
Tatbestand
- 1
-
I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer ablehnenden Billigkeitsentscheidung (Antrag auf Erlass der Einkommensteuer des Streitjahres 2004).
- 2
-
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein deutscher Staatsangehöriger, verzog im April 2004 von X in die Schweiz. Dort hatte er einen gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Lebenspartnerin, einer Schweizer Staatsangehörigen; die Partner heirateten im Januar 2008.
- 3
-
Zum 31. März 2004 gab der Kläger seine bisherige Berufstätigkeit in X auf; seit 15. April 2004 arbeitete er wieder in Deutschland. Seither ist er Grenzgänger aus der Schweiz. Neben Einkünften aus der nichtselbständigen Tätigkeit erzielte der Kläger im Streitjahr aus Deutschland außerdem (negative) Einkünfte aus der Vermietung eines Grundstücks sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen.
- 4
-
Am 30. Januar 2006 gab der Kläger eine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als beschränkt Steuerpflichtiger ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) wies den Kläger darauf hin, dass eine Veranlagung nach Maßgabe der unbeschränkten Steuerpflicht durchzuführen sei. Das FA bat um Einreichung einer entsprechenden Erklärung unter Angabe der nach dem Wegzug erzielten deutschen und schweizerischen Einkünfte und um Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) --DBA-Schweiz 1971--.
- 5
-
Im Rahmen des Verfahrens zur Festsetzung der Einkommensteuer des Streitjahres trug der Kläger u.a. vor, dass er wegen Heirat in die Schweiz verzogen sei. Aufgrund der Billigkeitsregelung in Tz. 41 des gemeinsamen Einführungsschreibens zur Neuregelung der Grenzgängerbesteuerung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 19. September 1994, BStBl I 1994, 683 [für Besteuerungssachverhalte ab 1. Januar 2010: § 18 Abs. 2 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20. Dezember 2010, BGBl I 2010, 2187, BStBl I 2011, 146], sowie Schreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung --EStV-- vom 6. September 1994, abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland, A 3.3.10) habe er einen Anspruch auf Erlass der Einkommensteuer. Das FA setzte die Einkommensteuer unter Anwendung des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 fest und verwies den Kläger auf die Möglichkeit, sein Erlassbegehren in einem gesonderten Verfahren zu verfolgen. Die Steuerfestsetzung ist bestandskräftig. Einen Erlass der Einkommensteuer lehnte das FA später ab. Die anschließende Klage blieb erfolglos (Finanzgericht --FG-- Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 6. Mai 2010 3 K 3043/09, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2010, 1980).
- 6
-
Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung materiellen und formellen Rechts; er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids in der Fassung der Einspruchsentscheidung die festgesetzte deutsche Einkommensteuer zu erlassen, hilfsweise, das FA zu verpflichten, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) neu zu bescheiden.
- 7
-
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 8
-
II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
- 9
-
Die Ablehnung des FA, die Einkommensteuer zu erlassen, ist nicht rechtswidrig. Der Kläger hat daher weder einen Anspruch auf Erlass der Einkommensteuer noch auf Neubescheidung seines Erlassantrags.
- 10
-
1. Nach § 163 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) kann eine Steuer u.a. niedriger festgesetzt werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falles unbillig ist; § 227 Halbsatz 1 AO sieht vor, dass die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen können, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig ist. Die Unbilligkeit der Erhebung einer Steuer, an die §§ 163, 227 AO die Möglichkeit einer abweichenden Steuerfestsetzung oder eines Erlasses knüpfen, kann sich aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen ergeben, wobei die Beteiligten des Streitfalles zu Recht nur um die erste Variante streiten. Sachlich unbillig ist die Erhebung vor allem dann, wenn sie im Einzelfall nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft. Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestandes einer Vorschrift bewusst in Kauf genommen hat, stehen jedoch dem Erlass entgegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 19. März 2009 V R 48/07, BFHE 225, 215, BStBl II 2010, 92).
- 11
-
Abweichende Steuerfestsetzung und Erlass sind Maßnahmen der finanzbehördlichen Billigkeit im Steuerschuldverhältnis, über die in einem vom Steuerfestsetzungsverfahren gesonderten Verfahren durch eigenständigen Verwaltungsakt zu entscheiden ist. Dieser Verwaltungsakt unterliegt, wenn die begehrte Billigkeitsmaßnahme abgelehnt wurde, nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung (§ 102 FGO); diese beschränkt sich darauf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht beachtet wurden oder Ermessen fehlerhaft ausgeübt wurde.
- 12
-
Ist eine Finanzbehörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 5 AO). Vorgesetzte Dienststellen können dazu ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften erlassen, die unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung und damit der Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) von Bedeutung sein können; das gilt aber nur, wenn sich die in ihnen getroffenen Regelungen innerhalb der Grenzen halten, die das Grundgesetz und die Gesetze der Ausübung des Ermessens setzen. Deshalb muss bei einer Billigkeitsrichtlinie die getroffene Regelung Recht und Billigkeit entsprechen (z.B. BFH-Urteil in BFHE 225, 215, BStBl II 2010, 92). Dabei ist für die Auslegung einer ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift nicht maßgeblich, wie das Gericht eine solche Verwaltungsanweisung versteht, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte. Das Gericht darf daher solche Verwaltungsanweisungen nicht selbst auslegen, sondern nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist (z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460).
- 13
-
2. Das FA hat --wie das FG zutreffend entschieden hat-- weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens unbeachtet gelassen noch sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Der Ablehnungsbescheid ist daher nicht rechtswidrig.
- 14
-
a) Nach Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 darf unter bestimmten Voraussetzungen eine von Deutschland in die Schweiz verzogene Person u.a. im Jahr des Wegzugs mit ihren aus Deutschland stammenden Einkünften in Deutschland besteuert werden. Darum geht es im Streitfall, da der Kläger im Streitjahr von Deutschland in die Schweiz verzogen ist und in der Folgezeit weiterhin Einkünfte aus einer in Deutschland und für einen deutschen Arbeitgeber ausgeübten Tätigkeit (und weitere aus Deutschland stammende Einkünfte) erzielt hat. Inhalt der Regelung ist eine Verzögerung der Gewährung der Abkommensvorteile für den sog. Wegzüger, um einer "Steuerflucht" entgegenzuwirken (s. Senatsurteil vom 2. September 2009 I R 111/08, BFHE 226, 276, 282, BStBl II 2010, 387, 390). Dass die aus dem Wortlaut dieser Norm ableitbaren Voraussetzungen erfüllt bzw. die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung in Satz 4 des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 nicht erfüllt sind und dass das FA das daraus erwachsene deutsche Besteuerungsrecht dem Grunde und der Höhe nach zutreffend in der Steuerfestsetzung umgesetzt hat, steht nicht im Streit.
- 15
-
b) Das BMF hat in seinem Einführungsschreiben zur Neuregelung der sog. Grenzgängerbesteuerung (in BStBl I 1994, 683) allerdings bestimmt, dass Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 nicht anzuwenden ist, "wenn der Wegzug in die Schweiz wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt" (Tz. 41). Dies geht auf eine Verständigungsvereinbarung des BMF mit der EStV "betr. Wegzüger-Grenzgänger" zurück (Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 21. April 1977/Schreiben der EStV vom 10. August 1977, abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 4.4 Nr. 13). Diese Regelung kam rückwirkend zum Inkrafttreten des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (ab dem Jahr 1972) zur Anwendung (z.B. Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 12. Oktober 1977, abgedruckt in Locher/Meier/ von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 4.4 Nr. 14). Motive für diese Vereinbarung aus deutscher Sicht sind nicht veröffentlicht. Grundgedanke der Regelung ist aus schweizerischer Sicht, "der Familienzusammenführung einen höheren Stellenwert einzuräumen als der vom Gesetz als Regelfall vermuteten 'Steuerflucht'"; diese "familiären Gründe" könnten jedenfalls durch einen Zeitablauf von 10 Monaten zwischen Wegzug und Heirat (Hinweis auf "für diesen Anlass üblicherweise zu treffende Vorbereitungen") noch nicht entfallen sein (so die EStV in einer Niederschrift zu einer [gescheiterten] Verständigungsregelung vom 7. April 2005, abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 4.4 Nr. 26). Die deutschen Finanzbehörden der Länder haben zu dieser Verständigungsvereinbarung zwischen BMF und EStV Verwaltungsanweisungen erlassen (u.a. die Oberfinanzdirektion Karlsruhe in Fach A Teil 4 Nr. 1 des sog. Grenzgängerhandbuchs), nach der ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Wegzug und Heirat erforderlich ist; dieser sei "als noch gegeben anzusehen, wenn die Heirat in einem Zeitraum von sechs Monaten vor und sechs Monaten nach dem Wegzug erfolgt".
- 16
-
c) Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 19. November 2003 I R 64/02 (BFH/NV 2004, 765) entschieden, dass die genannte Regelung über den klaren Wortlaut des Abkommens hinausgeht und deshalb nur als Billigkeitsregelung gewertet werden kann. Eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung liegt darin nicht, weil der Wortlaut des Abkommens für diese Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 keinen Anhalt gibt (so auch die dortige Vorinstanz --FG Baden-Württemberg-- im Urteil vom 5. August 2002 12 K 297/01, EFG 2003, 913; zustimmend Hahn, juris-Praxisreport Steuerrecht 1/2004 Anm. 4; Wilke in Gosch/Kroppen/ Grotherr, DBA-Kommentar, Art. 4 DBA-Schweiz Rz 69; Brandis in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 15a Schweiz Rz 35; wohl auch Walter, Internationale Wirtschaftsbriefe 2007, 661 [Fach 5, Gruppe 2, S. 633, 636 f.]; s.a. --bezogen auf Tz. 14 des BMF-Schreibens in BStBl I 1994, 683-- Senatsurteil vom 11. November 2009 I R 15/09, BFHE 227, 419, BStBl II 2010, 602). Es geht damit entgegen der Ansicht der Revision bei der Frage, ob der Kläger die Voraussetzungen der Billigkeitsregelung ("Wegzug wegen Heirat") erfüllt, nicht darum, einen unbestimmten Rechtsbegriff --als (negative) Tatbestandsvoraussetzung einer Eingriffsnorm-- auszulegen; insoweit ist die Lage mit dem auf Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz 1971 bezogenen Senatsurteil in BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387 nicht vergleichbar. Vielmehr geht es um das Maß der (behördlichen) Billigkeitsregelung, die nicht eigenständig Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle im Rahmen des § 102 FGO ist.
- 17
-
d) Der Kläger hält die Billigkeitsregelung im gerichtlichen Verfahren für beachtlich. Denn die darin aufgenommene Zeitregel sei als "willkürliche" Einschränkung der Begünstigung anzusehen; nach der Grundregel "Wegzug wegen Heirat" sei deshalb in seinem Sinne zu entscheiden. Dem ist nicht beizupflichten. Richtigerweise geht es darum, ob die Billigkeitsregelung in der Ausgestaltung, die sie tatsächlich gefunden hat --hier: Begünstigung einer Familienzusammenführung, aber nur bei einer Heirat und nur im zeitlichen Zusammenhang mit dem Wegzug--, in Einklang mit dem Wortlaut und dem Regelungszweck des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 noch als sachgerechte Beschreibung einer sachlichen Unbilligkeit der gesetzlichen Regelung verstanden werden kann. Wäre dies nicht der Fall, könnte sich der Kläger im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der ablehnenden Ermessensentscheidung der Behörde schon von daher nicht zu seinen Gunsten auf Tz. 41 des BMF-Schreibens in BStBl I 1994, 683 berufen. Der Senat folgt indessen der --unter den Beteiligten nicht streitigen-- Einschätzung des FG, dass der Dispens von der Anwendung der Abwandererregelung im Falle einer Familienzusammenführung durch Heirat eine sachliche Unbilligkeit vermeidet und dass --insoweit vom FG ausdrücklich festgestellt-- die Zeitregel der 6-monatigen Frist vor oder nach dem Wegzug als willkürfreie Indizienregel für den sachlichen Zusammenhang zwischen Wegzug und Heirat anzusehen ist.
- 18
-
Dazu hat das FG zur Zeitgrenze ausgeführt, dass der Wortlaut "wegen Heirat" die von der Verwaltung vertretene Auslegung zulasse. Damit werde für Rechtssicherheit gesorgt: Die Frage, wann der definitive Entschluss zur Eheschließung gefallen sei (und ob er ggf. zwischenzeitlich weggefallen und später wieder neu gefasst worden sei), sei eine innere Tatsache. Sie könne letztlich nur jeder Ehegatte für sich selbst zweifelsfrei beantworten; dieses Wissen gehöre außerdem zur engsten Privatsphäre eines Menschen. Jegliche Sachverhaltsaufklärung durch Finanzbehörden oder Gerichte erfordere ein Eindringen in diese Sphäre; zudem seien die Überprüfungsmöglichkeiten der Angaben naturgemäß eingeschränkt. Daher könne die Finanzverwaltung --letztlich wohl aus Zweckmäßigkeitserwägungen-- in die Formulierung "wegen Heirat" auch ein Zeitmoment hineinlesen, um dem Rechnung zu tragen. Eine zeitliche Grenze schaffe zudem Planungssicherheit für Heiratswillige, vermittele Steuerpflichtigen über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung Vertrauensschutz und setze sie insoweit nicht den möglichen Unwägbarkeiten einer späteren Tatsachen- und Beweiswürdigung durch Dritte aus. Diesen Erwägungen des FG, die die von den Finanzbehörden gezogene Zeitgrenze als jedenfalls willkürfrei beschreiben, stimmt der Senat zu. Im Übrigen wird man auch der Stellungnahme der EStV in der Niederschrift vom 7. April 2005 (a.a.O.) eine Zeitgrenze entnehmen können.
(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.
(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.
(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie
- 1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist, - 2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder - 3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.
Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.
Ist die Finanzbehörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.
(1) Eine teilweise Freistellung von Abzugsteuern nach § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes bei Arbeitslöhnen kommt bei Abwanderern so lange nicht in Betracht, wie Artikel 4 Absatz 4 des Abkommens anzuwenden ist.
(2) Die Regelung des Artikels 4 Absatz 4 des Abkommens ist nicht anzuwenden, wenn der Wegzug in die Schweiz wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt.
(3) Für die Anrechnung schweizerischer Steuern im Lohnsteuerabzugsverfahren gilt: In entsprechender Anwendung des § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes rechnet der Arbeitgeber auf Grund einer Anrechnungsbescheinigung des Betriebstättenfinanzamts einen bestimmten Betrag als schweizerische Steuer vorläufig auf die 4,5 Prozent des Bruttobetrages der Vergütungen übersteigende deutsche Lohnsteuer an. Der Grenzgänger-Abwanderer hat die Anrechnungsbescheinigung beim Betriebstättenfinanzamt zu beantragen. Dem Antrag hat er seinen letzten schweizerischen Steuer- oder Vorauszahlungsbescheid beizufügen. Nach Ablauf des Kalenderjahrs wird zur endgültigen Anrechnung der schweizerischen Steuer auf Antrag des Grenzgänger-Abwanderers eine Veranlagung durchgeführt. Der Antrag auf Durchführung der Veranlagung ist gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung der Anrechnungsbescheinigung zu stellen.
(1) Verträge mit anderen Staaten im Sinne des Artikels 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes über die Besteuerung gehen, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, den Steuergesetzen vor.
(2) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung oder doppelten Nichtbesteuerung mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zu erlassen. Konsultationsvereinbarungen nach Satz 1 sind einvernehmliche Vereinbarungen der zuständigen Behörden der Vertragsstaaten eines Doppelbesteuerungsabkommens mit dem Ziel, Einzelheiten der Durchführung eines solchen Abkommens zu regeln, insbesondere Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung des jeweiligen Abkommens bestehen, zu beseitigen.
(3) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften zu erlassen, die
- 1.
Einkünfte oder Vermögen oder Teile davon bestimmen, für die die Bundesrepublik Deutschland in Anwendung der Bestimmung eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf Grund einer auf diplomatischem Weg erfolgten Notifizierung eine Steueranrechnung vornimmt, und - 2.
in den Anwendungsbereich der Bestimmungen über den öffentlichen Dienst eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung diejenigen Körperschaften und Einrichtungen einbeziehen, die auf Grund einer in diesem Abkommen vorgesehenen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden bestimmt worden sind.
Tenor
-
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 8. Oktober 2013 10 K 2176/11 aufgehoben, soweit dieses wegen Feststellung der Steuerermäßigung nach § 10a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes ergangen ist. Die Klage wird insoweit als unzulässig abgewiesen.
-
Im Übrigen wird die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
-
Die Kosten des gesamten Rechtsstreits fallen dem Beklagten zur Last.
Tatbestand
- 1
-
A. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wohnte im Streitjahr 2010 bis zum 30. April im Inland und übte hier eine nichtselbständige Tätigkeit aus. Am 1. Mai verzog er in die Schweiz, wo er eine neue nichtselbständige Tätigkeit aufnahm.
- 2
-
Das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und seinem seinerzeitigen inländischen Arbeitgeber wurde mit Vertrag vom 16./29. Dezember 2009 aus dringenden betrieblichen Gründen einvernehmlich zum 31. Juli 2010 beendet. Der Kläger wurde unter Fortzahlung der regulären Bezüge sowie unter Zahlung von Boni für 2009 und 2010 zum 1. Januar 2010 unwiderruflich freigestellt. Er konnte seinerseits das Arbeitsverhältnis mit 14-tägiger Kündigungsfrist auch vor dem 31. Juli 2010 beenden. Als Entschädigung für den Verlust des Anstellungsverhältnisses und zum Ausgleich bereits entstandener und der damit in Zukunft verbundenen beruflichen und finanziellen Nachteile vereinbarten die Vertragspartner eine Abfindung in Höhe eines Einmalbetrages von 780.500 €. Für den Fall einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Erklärung des Klägers sollte sich der Abfindungsbetrag um das ansonsten zwischen dem Beendigungsdatum und dem am 31. Juli 2010 fällige Grundgehalt erhöhen. Die Versteuerung sollte durch den Arbeitgeber erfolgen.
- 3
-
Die Abfindung wurde im September 2010 gezahlt. Der ehemalige Arbeitgeber behielt darauf 337.990 € an Lohnsteuer und 18.589,45 € an Solidaritätszuschlag ein. Zuvor war eine vom Kläger angestrebte lohnsteuerliche Freistellung der Abfindung durch das zuständige Betriebsstättenfinanzamt gescheitert.
- 4
-
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2010 behandelte der Kläger einen Betrag von 785.194 € als nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) --DBA-Schweiz 1971-- steuerfreien Arbeitslohn. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) behandelte den Betrag demgegenüber als Entschädigung für mehrere Jahre, die in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) als Arbeitslohn nach § 19 i.V.m. § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2009) ermäßigt zu versteuern sei. Das Besteuerungsrecht Deutschlands ergebe sich aus Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 und der dazu ergangenen (ergänzenden) deutsch-schweizerischen Konsultationsvereinbarung zur Besteuerung von Abfindungszahlungen vom 17. März 2010, bekanntgegeben durch das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 25. März 2010 (BStBl I 2010, 268), Letztere i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 2 und § 25 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft --Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarungsverordnung (KonsVerCHEV)-- vom 20. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 2187, BStBl I 2010, 146). Die in der Schweiz erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wurden gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 2009 beim sog. Progressionsvorbehalt berücksichtigt.
- 5
-
Die Klage gegen die hiernach ergangenen Bescheide über Einkommensteuer und Feststellung der Steuermäßigung nach § 10a Abs. 4 EStG 2009 war erfolgreich. Das Hessische Finanzgericht (FG) gab ihr durch Urteil vom 8. Oktober 2013 10 K 2176/11, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 288 statt.
- 6
-
Das FA stützt seine Revision auf Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 7
-
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
- 8
-
Dem Revisionsverfahren ist das BMF beigetreten. Es schließt sich in der Sache dem FA an, ohne eigene Anträge zu stellen.
Entscheidungsgründe
- 9
-
B. Die Revision ist nur im Hinblick auf die Feststellung der Steuerermäßigung nach § 10a Abs. 4 Satz 1 EStG 2009 begründet, weil die Klage insoweit unzulässig ist. Im Übrigen aber ist sie unbegründet.
- 10
-
I. Die Anfechtung des Feststellungsbescheids gemäß § 10a Abs. 4 Satz 1 EStG 2009 ist unzulässig. Es handelt sich bei diesem Bescheid bezogen auf den angefochtenen Einkommensteuerbescheid um einen Folgebescheid (vgl. § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung --AO--). Das ergibt sich aus § 10a Abs. 4 Satz 1 letzter Halbsatz EStG 2009, wonach § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG 2009 auf die Feststellung entsprechend anzuwenden ist, und in jener Vorschrift ist die Grundlagenwirkung des Einkommensteuerbescheids justiert (s. dazu z.B. Schmidt/Heinicke, EStG, 34. Aufl., § 10d Rz 41; Schmidt/Weber-Grellet, ebenda, § 10a Rz 30, m.w.N.).
- 11
-
II. Im eigentlichen Streitpunkt ist die Revision jedoch unbegründet. Das Deutschland nach innerstaatlichem Recht zustehende Besteuerungsrecht für die Abfindung wurde durch das DBA-Schweiz 1971 beschränkt; das Besteuerungsrecht steht nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 der Schweiz als dem (nunmehrigen) Wohnsitzstaat des Klägers zu.
- 12
-
1. Der Kläger hat seinen Wohnsitz seit dem 1. Mai des Streitjahres in der Schweiz und ist seitdem in Deutschland nicht mehr --wie zuvor-- unbeschränkt (vgl. § 1 Abs. 1 EStG 2009), sondern beschränkt (vgl. § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 EStG 2009) steuerpflichtig. Letzteres betrifft nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG 2009 auch seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG 2009), die im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder --und insofern hier bezogen auf die in Rede stehende Abfindungszahlung allein einschlägig-- "worden ist". Es betrifft nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG 2009 zudem Einkünfte, die als Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG 2009 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, soweit die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte --wie vorliegend-- der inländischen Besteuerung unterlegen haben. Die Vorinstanz geht übereinstimmend mit den Beteiligten davon aus, dass es sich bei der an den Kläger geleisteten Abfindungszahlung um eine derartige Entschädigung handelt, nicht aber um nachträglichen Arbeitslohn. Auch der Senat hat keinen Anlass, diese Sachverhaltswürdigung in Frage zu stellen.
- 13
-
2. Deutschland steht infolge des mit der Schweiz geschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung jedoch das Besteuerungsrecht an der Zahlung nicht zu: Art. 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 DBA-Schweiz 1971 bestimmt, dass Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden können, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden. Daraus folgt nach ständiger Spruchpraxis des Senats (z.B. Urteile vom 2. September 2009 I R 111/08, BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387; I R 90/08, BFHE 226, 267, BStBl II 2010, 394; vom 24. Juli 2013 I R 8/13, BFHE 245, 291, BStBl II 2014, 929, jeweils m.w.N.), dass Abfindungen anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses nicht im Tätigkeitsstaat, sondern im Ansässigkeitsstaat zu besteuern sind. Denn bei Abfindungen handelt es sich unbeschadet dessen, dass sie nach dem insoweit maßgebenden innerstaatlichen Recht (vgl. Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971) Arbeitslohn (§ 19 EStG 2009) sind, nicht um ein zusätzliches Entgelt für eine frühere Tätigkeit i.S. des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971. Sie werden nicht für eine konkrete im Inland oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt, sondern gerade für den Verlust des Arbeitsplatzes. Ein bloßer Anlasszusammenhang zwischen Zahlung und Tätigkeit genügt nach dem Abkommenswortlaut ("dafür") indes nicht. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Spruchpraxis, an welcher festzuhalten ist, prinzipiell angeschlossen (BMF-Schreiben vom 14. September 2006, BStBl I 2006, 532, dort Tz. 6.3 Rz 121, und --nunmehr mit Wirkung ab 1. Januar 2015-- vom 12. November 2014, BStBl I 2014, 1467, dort Tz. 5.5.4 Rz 178 ff.).
- 14
-
3. Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387 weiter entschieden hat, ändert sich an dieser Rechtsauffassung infolge der ursprünglichen (vgl. BMF-Schreiben vom 20. Mai 1997, BStBl I 1997, 560), durch das BMF-Schreiben vom 13. Oktober 1992 (Recht der Internationalen Wirtschaft 1993, 82; vgl. auch BStBl I 1997, 560) bekanntgegebenen Verständigungsvereinbarung der deutschen und eidgenössischen Finanzbehörden zur Besteuerung von Abfindungen nichts. Dabei verbleibt es auch vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich ergangenen ergänzenden Konsultationsvereinbarung vom 17. März 2010.
- 15
-
a) Das BMF und die Eidgenössische Steuerverwaltung haben sich in jenen Vereinbarungen auf der Basis von Konsultationsverhandlungen nach Maßgabe des Art. 26 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 darauf verständigt, das Besteuerungsrecht der beiden Vertragsstaaten danach zuzuteilen, ob der Abfindung Versorgungscharakter beizumessen ist oder ob es sich um eine Nachzahlung von Lohn, Gehalt oder Tantiemen aus dem früheren Arbeitsverhältnis handelt oder die Abfindung allgemein für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst gewährt wird. In dem ersten Fall kann --nach Satz 2 der Vereinbarungen-- die Abfindung danach gemäß Art. 18 DBA-Schweiz 1971 nur im Wohnsitzstaat des Empfängers besteuert werden, im zweiten Fall soll nach Satz 3 der Vereinbarungen gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 das sog. Tätigkeitsortsprinzip gelten. Hintergrund dieser Vereinbarung ist der Umstand, dass andernfalls aufgrund der unterschiedlichen Verwaltungspraxis in Deutschland und in der Schweiz über die Besteuerungszuordnung die Gefahr sog. weißer Einkünfte, also der doppelten Nichtbesteuerung, bestand.
- 16
-
b) Der Senat misst einer derartigen zwischenstaatlichen Konsultationsvereinbarung --in Einklang mit den Grundsätzen zur Auslegung von Verträgen nach Art. 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 --WÜRV-- (BGBl II 1985, 927), in innerstaatliches Recht transformiert seit Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 3. August 1985 (BGBl II 1985, 926) am 20. August 1987 (BGBl II 1987, 757)-- zwar Bedeutung für die Auslegung der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei. Er hat jedoch wiederholt klar zum Ausdruck gebracht, dass die "Grenzmarke" für das richtige Abkommensverständnis immer nur der Abkommenswortlaut sein kann. Wird das in der Konsultationsvereinbarung gefundene Abkommensverständnis durch den Wortlaut nicht gedeckt, kann die Vereinbarung die Abkommensauslegung durch die Gerichte nicht beeinflussen oder die Gerichte gar binden. Auch daran ist uneingeschränkt festzuhalten und auf das zitierte Urteil in BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387 ist deswegen zu verweisen.
- 17
-
4. Allerdings haben sich die Vereinbarungsgrundlagen zwischenzeitlich geändert. Der Gesetzgeber hat vermittels des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010) mit § 2 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO n.F.-- (erstmals) eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen, wonach --so Satz 1 der Vorschrift-- das BMF ermächtigt wird, zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung oder doppelten Nichtbesteuerung mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zu erlassen. Konsultationsvereinbarungen in diesem Sinne sind nach Satz 2 der Vorschrift einvernehmliche Vereinbarungen der zu-ständigen Behörden der Vertragsstaaten eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mit dem Ziel, Einzelheiten der Durchführung eines solchen Abkommens zu regeln, insbesondere Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung des jeweiligen Abkommens bestehen, zu beseitigen. Mit diesem tatbestandlich umschriebenen Inhalt zielt die Neuregelung darauf ab, zwischenstaatlichen behördlichen Konsultationsvereinbarungen i.S. von Art. 25 Abs. 3 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-MustAbk) den Rang einer Rechtsverordnung zu verleihen. In § 24 Abs. 1 KonsVerCHEV ist das für die im Streitfall in Rede stehenden Arbeitnehmer-Abfindungen geschehen; die Deutsch-Schweizerische Konsultationsverbindung vom 17. März 2010 ist darin textlich übernommen worden.
- 18
-
5. Es ist im Schrifttum kontrovers, ob die neugeschaffene Ermächtigungsgrundlage den dafür gebotenen Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) genügt und im Ergebnis geeignet ist, die seitens der Finanzverwaltung beanspruchte (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 1467, dort Tz. 5.5.4.2 Rz 183 ff.) Verbindlichkeit der zwischenstaatlich gefundenen Abkommensauslegung herbeizuführen. Überwiegend wird das verneint und dem schließt sich der Senat an. Die Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarung vom 17. März 2010 genügt trotz ihrer unilateralen "Anhebung" in eine Rechtsverordnung den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts nach Art. 20 Abs. 3 GG nicht. Sie fußt mit § 2 Abs. 2 AO n.F. nicht auf einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, in welcher Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung jedenfalls bezogen auf die Frage nach der Besteuerung von Abfindungszahlungen an einen (ehemals) nichtselbständig tätigen Arbeitnehmer hinreichend bestimmt werden. Dessen aber hätte es nach Art. 80 Abs. 1 GG bedurft.
- 19
-
a) Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG können durch Gesetz die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen dabei Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Das ist hier nicht gelungen.
- 20
-
aa) Zwar gilt gewissermaßen "natürlich" der Grundsatz, dass ein Gesetz nicht durch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift außer Kraft gesetzt oder abgeändert werden kann, ebenso wie seine Durchbrechung durch einen Verwaltungsakt und seine Verdrängung durch eine Rechtsnorm, die im Vergleich zum Gesetz von niedrigerem Range ist, also eine Rechtsverordnung, eine Gemeindesatzung, ausgeschlossen ist. Das ergibt sich unmittelbar aus dem "Vorrang des Gesetzes" (Art. 20 Abs. 3 GG): "Der in der Form des Gesetzes geäußerte Staatswille geht rechtlich jeder anderen staatlichen Willensäußerung vor", so das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 6. Mai 1958 2 BvL 37/56, 2 BvL 11/57 (BVerfGE 8, 155). Dieser Vorrang des Gesetzes --also die dem Gesetz kraft Verfassungsrechts innewohnende Eigenschaft, staatliche Willensäußerungen niedrigeren Ranges rechtlich zu hindern oder zu zerstören-- kann sich aber naturgemäß nur auswirken, wo ein Widerspruch zwischen dem Gesetz und der Willensäußerung niederen Ranges besteht. Es bedarf keiner Ausführung, dass eine staatliche Willensäußerung, die das Gesetz befolgt und in Einklang mit ihm steht, nicht am Vorrang des Gesetzes scheitern kann. Im Einzelnen ist dazu beispielhaft auf den besagten Beschluss des BVerfG in BVerfGE 8, 155 hinzuweisen. So gesehen mag es auch möglich sein, kraft Verordnung eine Abkommensregelung zu spezifizieren und umzusetzen. Es mag prinzipiell ebenso ausreichen, die gesetzliche Ermächtigung dabei weit zu fassen, solange und soweit die "wesentlichen Konturen" in dem Referenzgesetz --hier also das bilaterale Abkommen in der Umsetzung des "einfachen" Zustimmungsgesetzes-- vom Gesetzgeber vorgegeben werden (s. z.B. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 2 AO Rz 43e, m.w.N.; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 2 AO Rz 327, 332; Oellerich in Beermann/Gosch, AO, § 2 Rz 102; s.a. den vom beigetretenen BMF herangezogenen, allerdings in anderem Zusammenhang des Steuerberatungsgesetzes ergangenen BVerfG-Beschluss vom 3. November 1982 2 BvL 28/81, BVerfGE 62, 203; demgegenüber zweifelnd z.B. Gosch in Mellinghoff/Schön/Viskorf [Hrsg.], Steuerrecht im Rechtsstaat, Festschrift Spindler, 2011, S. 379, 421; derselbe in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 49 Rz 72; anders z.B. Nacke, Der Betrieb --DB-- 2010, 1149; Lehner, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2011, 739 und Finanz-Rundschau --FR-- 2011, 1091). Und es lässt sich schließlich auch hören, wenn argumentiert wird, der Gesetzgeber habe mit seiner Zustimmung zu dem Gesetz zur Überleitung des völkerrechtlichen Vertrages in nationales (einfaches) Recht die Möglichkeit von Konsultationsvereinbarungen auf Basis des Art. 25 Abs. 3 OECD-MustAbk antizipiert und akzeptiert (z.B. Hummel, IStR 2011, 399 ff.; Lehner, IStR 2011, 733, 737, jeweils m.w.N.; insoweit anders Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 2 AO Rz 43f, m.w.N., insbesondere auch aus dem staatsrechtlichen Schrifttum). Doch ist es auch vermittels einer derart gefassten Ermächtigungsregelung ausgeschlossen, den Abkommenstext und damit die besagte Besteuerungszuordnung für die betreffenden Einkünfte zu verändern (s. zu alledem z.B. FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 19. Dezember 2013 3 K 1189/13, Betriebs-Berater --BB-- 2014, 2071; sowie z.B. Hummel, IStR 2011, 397, 399 ff.; Lehner, IStR 2011, 733, und derselbe in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl., Grundlagen Rz 136; Schönfeld/Häck in Schönfeld/ Ditz, DBA, Systematik Rz 100; Dremel, daselbst, Art. 1 Rz 23 ff.; Flüchter, daselbst, Art. 25 Rz 218 ff.; Eilers in Wassermeyer, MA Art. 25 Rz 67; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, MA Art. 15 Rz 79; Kempermann in Flick/ Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 15 Rz 7, s.a. Art. 15a Rz 42; Kubaile, Internationale Wirtschafts-Briefe --IWB-- 2012, 1; Heger, Steuer Wirtschaft International 2011, 95; Micker, IWB 2011, 61; Gosch, BFH/PR 2011, 241; s.a. Musil in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, a.a.O., § 2 AO Rz 234; anders Neyer/Schlepper, FR 2011, 648).
- 21
-
bb) Das aber ist hier der Fall. Der Abkommenstext belässt aus den unter I.2. beschriebenen Gründen für die Frage der Besteuerungszuordnung von Abfindungen an ehemals nichtselbständig tätige Arbeitnehmer keine Spielräume. Und daran ändert auch das in § 2 Abs. 2 Satz 1 AO n.F. qualifizierte zusätzliche Ermächtigungsziel nichts, doppelte Nichtbesteuerungen zu vermeiden. Das mag --in Einklang mit "neuerem Abkommensdenken" der OECD-- das eine oder andere neuere Doppelbesteuerungsabkommen bezwecken, und das findet sich jetzt denn auch in der (ministeriellen) "Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen", BMF-Schreiben vom 17. April 2013, Stand: 22. August 2013 (abgedruckt in IStR, Beihefter 10/2013 unter II. und berichtigt in IStR 2013, 440) wieder. Dieser Paradigmenwechsel aber hat im DBA-Schweiz 1971, das allein die Freistellungsmethode anwendet und damit vorbehaltlos auf eine virtuelle Doppelbesteuerung abhebt (ständige Spruchpraxis, deutlich z.B. Senatsurteil vom 24. August 2011 I R 46/10, BFHE 234, 339, BStBl II 2014, 764), (noch) keinen Niederschlag gefunden. Durch § 24 Abs. 1 KonsVerCHEV wird indessen genau das sinn- und zweckverändert. Der Regelung käme der Charakter einer Rückfallklausel zu, die im Abkommen nicht angelegt ist, diesem vielmehr widerspricht (Lehner, IStR 2011, 733, 736, dort auch spezifisch für die Situation der Abfindungszahlung an ehemalige Arbeitnehmer). § 2 Abs. 2 AO n.F. ermächtigt jedoch nicht zu Ergänzungen vereinbarter Abkommen; hierzu bedarf es vielmehr der abermaligen Zustimmung des nationalen Parlaments (Lehner, IStR 2011, 733, 735). Solange diese Zustimmung fehlt, bleibt "die Grenzziehung zwischen Auslegung und einer an den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG scheiternden Lückenschließung (...)", darin ist Lehner (IStR 2011, 733, 739) uneingeschränkt beizupflichten, "Aufgabe der Judikative".
- 22
-
b) Lassen sich die vorbenannten Mängel nicht ausräumen, ist die Rechtsverordnung zu verwerfen. Dazu sind die Fachgerichte und damit der Senat befugt (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 12. Dezember 1984 1 BvR 1249/83, 1 BvR 1745/83, 1 BvR 1746/83, 1 BvR 1752/83, 1 BvR 1753/83, 1 BvR 1757/83, 1 BvR 1769/83, 1 BvR 1719/83, 1 BvR 1720/83, BVerfGE 68, 319, BVerfGE 68, 319, 325; BVerfG-Urteil vom 18. Dezember 1985 2 BvR 1167/84, 2 BvR 1185/84, 2 BvR 1636/84, 2 BvR 308/85, 2 BvQ 18/84, BVerfGE 71, 305, 337; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 2 AO Rz 43g, m.w.N.), und so geschieht es denn auch im Streitfall.
- 23
-
6. Unabhängig von diesen Erwägungen scheitert die erstrebte Verbindlichkeit für das Streitjahr auch daran, dass die verwaltungsseitig vorgegebene Auslegung nach § 26 KonsVerCHEV erstmals mit Wirkung vom 23. Dezember 2010 gilt, nicht aber für den bis dahin abgelaufenen Teil des Jahres 2010.
- 24
-
a) Der Senat legt seiner Auslegung von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in ebenfalls ständiger Spruchpraxis aus zeitlicher Sicht einen sog. statischen, keinen sog. dynamischen Auslegungsmodus zugrunde (vgl. z.B. Senatsurteile vom 16. Januar 2014 I R 30/12, BFHE 244, 354, BStBl II 2014, 721; vom 9. Februar 2011 I R 54, 55/10, BFHE 232, 476, BStBl II 2012, 106; vom 25. Mai 2011 I R 95/10, BFHE 234, 63; vom 8. Dezember 2010 I R 92/09, BFHE 232, 137, BStBl II 2011, 488; vom 23. September 2008 I R 57/07, BFH/NV 2009, 390; Senatsbeschluss vom 19. Mai 2010 I B 191/09, BFHE 229, 322, BStBl II 2011, 156, jeweils m.w.N.). Eine Verwaltungspraxis, welche sich erst nach Inkrafttreten eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bildet, wirkt auf die Auslegung des Abkommens prinzipiell nicht zurück. Das gilt in erster Linie für Verwaltungsverlautbarungen, wie beispielsweise die Musterkommentierung der OECD zu deren Musterabkommen. Das gilt aber auch für bilaterale Konsultationsvereinbarungen. Abermals hindert Art. 31 WÜRV ein solches Verständnis nicht: Ein Vertrag ist danach nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seiner Bestimmung in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Außer dem bei der Auslegung zu berücksichtigenden und in Art. 31 Abs. 2 WÜRV näher beschriebenen systematischen "Zusammenhang" sind nach Art. 31 Abs. 3 WÜRV in gleicher Weise zu berücksichtigen: a) jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrages oder die Anwendung seiner Bestimmungen sowie b) jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrages, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht. So gesehen kann ein übereinstimmendes Abkommensverständnis und eine gemeinsame "Übung" der beteiligten Finanzverwaltungen für eine Abkommensauslegung bedeutsam sein (s. z.B. Senatsurteile vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFHE 215, 237, BStBl II 2010, 778, sowie I R 18/04, BFH/NV 2007, 875, beide zu leitenden Angestellten als sog. Grenzgänger i.S. von Art. 15 Abs. 4, Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992), das aber immer nur insofern, als sie nicht dem Wortlaut des Abkommens zuwiderläuft (vgl. Senatsurteil vom 27. August 2008 I R 64/07, BFHE 222, 553, BStBl II 2009, 97). Abgesehen davon, dass das Wiener Übereinkommen (nach dessen Art. 4) ohnehin nur auf Verträge Anwendung findet, die von Staaten geschlossen werden, nachdem das Übereinkommen für sie in Kraft getreten ist --und damit, ohne dass dem weiter nachzugehen wäre, nach Lage der Dinge nicht für das DBA-Schweiz 1971--, erzwingen auch diese Grundsätze eine Regelungsauslegung also immer nur nach Maßgabe jenes Wortlauts.
- 25
-
b) Und das gilt auch hier. Dass die neuerliche Konsultationsvereinbarung inhaltlich im Kern bloß auf der vorangegangenen Verständigungsvereinbarung aus dem Jahre 1992 aufsetzt, ist unbeachtlich. Denn jene Vereinbarung erfüllte die nötigen rechtsstaatlichen Anforderungen einer Auslegungsverbindlichkeit, wie beschrieben, von vornherein nicht. Auch ist es unbeachtlich, dass die Einkommensteuer für das Streitjahr erst am 31. Dezember 2010 entsteht (vgl. § 25 Abs. 1 EStG 2009), mithin nach dem in § 25 KonsVerCHEV bestimmten Anwendungszeitpunkt für die deutsch-schweizerische Konsultationsverordnung am 1. Januar 2010, welcher wiederum seinerseits in Einklang mit Art. 97 § 1 Abs. 9 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (EGAO n.F.) steht; Rechtsverordnungen aufgrund des § 2 Abs. 2 AO n.F. können danach mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum 2010 erlassen werden, sofern die dem Bundesrat zugeleitete Rechtsverordnung vor dem 1. Januar 2011 als Bundesratsdrucksache veröffentlicht worden ist, was hier der Fall ist (s. Bundesrats-Drucksache 716/10 vom 5. November 2010). Das alles mag vor dem Hintergrund des gängigen Verfassungsverständnisses in Deutschland jedenfalls nicht unbedingt einen Verstoß gegen das grundgesetzliche Rückwirkungsverbot auslösen (vgl. grundlegend z.B. BVerfG-Beschluss vom 10. Oktober 2012 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302, BStBl II 2012, 932, m.w.N.; s.a. --bezogen auf Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und deren Überleitung in nationales Recht-- BVerfG-Beschluss vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, BStBl II 1986, 628; insoweit konkret bezogen auf § 2 Abs. 2 AO n.F. einerseits Bisle, IWB 2010, 794; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 2 AO Rz 337; andererseits Nacke, DB 2010, 1149; s. eingehend zum Problem auch Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 2 AO Rz 43d, m.w.N.). Für die Rechtsauslegung des Abkommenstextes bleibt das aber ohne Bedeutung, weil sich die Abkommensauslegung einem einseitigen vertragsstaatlichen Zugriff entzieht, wenn dieser Zugriff zeitlich nach dem zu beurteilenden tatsächlichen Lebenssachverhalt liegt. So liegt es hier, weil die in Rede stehende deutsch-schweizerische Konsultationsvereinbarung als solche in Gestalt der Konsultationsverordnung erst am 23. Dezember 2010 in Kraft getreten ist. Maßgebender Anwendungszeitpunkt für die abkommensüberschreibende Konsultationsvereinbarung kann immer nur der Zeitpunkt sein, in welchem eine solche Vereinbarung tatsächlich in der verfassungsrechtlich gebotenen Form in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist. Rückwirkende Anwendungsanordnungen vertragen sich damit nicht und scheiden aus. Insofern gilt nichts anderes als für das Abkommen als solches, für das Art. 32 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971 den Anwendungszeitpunkt für das Jahr bestimmt, das dem Jahr folgt, in welchem das Abkommen infolge Austauschs der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten ist (oder neuerlich auch in der bereits zitierten ministeriellen "Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen" vom 17. April 2013, nach deren Art. 31 Abs. 1 und 2 der Anwendungszeitpunkt des ratifizierten Abkommens auf den 1. Januar desjenigen Kalenderjahres justiert wird, das dem Jahr folgt, in welchem das Abkommen infolge Austauschs der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten ist). Nur so kann sichergestellt werden, dass das bilateral Vereinbarte in beiden Vertragsstaaten zu ein- und demselben Zeitpunkt anzuwenden ist und genau diejenige Gefahr einer doppelten Besteuerung, ggf. auch doppelten Nichtbesteuerung, vermieden wird, der es nach den Absichten der vereinbarungsbeteiligten Vertragsstaaten (auch) bei einer abkommensverändernden Konsultationsvereinbarung entgegenzutreten gilt (s. zu alledem auch Gosch in Kaeser [Hrsg.], Festgabe für F. Wassermeyer, 2015, Stichwort 29, dort unter III.).
- 26
-
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2, § 136 Abs. 1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung.
(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.
(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.
(3) Der Bundesrat kann der Bundesregierung Vorlagen für den Erlaß von Rechtsverordnungen zuleiten, die seiner Zustimmung bedürfen.
(4) Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt.
Tenor
-
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 8. Oktober 2013 10 K 2176/11 aufgehoben, soweit dieses wegen Feststellung der Steuerermäßigung nach § 10a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes ergangen ist. Die Klage wird insoweit als unzulässig abgewiesen.
-
Im Übrigen wird die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
-
Die Kosten des gesamten Rechtsstreits fallen dem Beklagten zur Last.
Tatbestand
- 1
-
A. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wohnte im Streitjahr 2010 bis zum 30. April im Inland und übte hier eine nichtselbständige Tätigkeit aus. Am 1. Mai verzog er in die Schweiz, wo er eine neue nichtselbständige Tätigkeit aufnahm.
- 2
-
Das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und seinem seinerzeitigen inländischen Arbeitgeber wurde mit Vertrag vom 16./29. Dezember 2009 aus dringenden betrieblichen Gründen einvernehmlich zum 31. Juli 2010 beendet. Der Kläger wurde unter Fortzahlung der regulären Bezüge sowie unter Zahlung von Boni für 2009 und 2010 zum 1. Januar 2010 unwiderruflich freigestellt. Er konnte seinerseits das Arbeitsverhältnis mit 14-tägiger Kündigungsfrist auch vor dem 31. Juli 2010 beenden. Als Entschädigung für den Verlust des Anstellungsverhältnisses und zum Ausgleich bereits entstandener und der damit in Zukunft verbundenen beruflichen und finanziellen Nachteile vereinbarten die Vertragspartner eine Abfindung in Höhe eines Einmalbetrages von 780.500 €. Für den Fall einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Erklärung des Klägers sollte sich der Abfindungsbetrag um das ansonsten zwischen dem Beendigungsdatum und dem am 31. Juli 2010 fällige Grundgehalt erhöhen. Die Versteuerung sollte durch den Arbeitgeber erfolgen.
- 3
-
Die Abfindung wurde im September 2010 gezahlt. Der ehemalige Arbeitgeber behielt darauf 337.990 € an Lohnsteuer und 18.589,45 € an Solidaritätszuschlag ein. Zuvor war eine vom Kläger angestrebte lohnsteuerliche Freistellung der Abfindung durch das zuständige Betriebsstättenfinanzamt gescheitert.
- 4
-
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2010 behandelte der Kläger einen Betrag von 785.194 € als nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) --DBA-Schweiz 1971-- steuerfreien Arbeitslohn. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) behandelte den Betrag demgegenüber als Entschädigung für mehrere Jahre, die in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) als Arbeitslohn nach § 19 i.V.m. § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2009) ermäßigt zu versteuern sei. Das Besteuerungsrecht Deutschlands ergebe sich aus Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 und der dazu ergangenen (ergänzenden) deutsch-schweizerischen Konsultationsvereinbarung zur Besteuerung von Abfindungszahlungen vom 17. März 2010, bekanntgegeben durch das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 25. März 2010 (BStBl I 2010, 268), Letztere i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 2 und § 25 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft --Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarungsverordnung (KonsVerCHEV)-- vom 20. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 2187, BStBl I 2010, 146). Die in der Schweiz erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wurden gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 2009 beim sog. Progressionsvorbehalt berücksichtigt.
- 5
-
Die Klage gegen die hiernach ergangenen Bescheide über Einkommensteuer und Feststellung der Steuermäßigung nach § 10a Abs. 4 EStG 2009 war erfolgreich. Das Hessische Finanzgericht (FG) gab ihr durch Urteil vom 8. Oktober 2013 10 K 2176/11, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 288 statt.
- 6
-
Das FA stützt seine Revision auf Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 7
-
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
- 8
-
Dem Revisionsverfahren ist das BMF beigetreten. Es schließt sich in der Sache dem FA an, ohne eigene Anträge zu stellen.
Entscheidungsgründe
- 9
-
B. Die Revision ist nur im Hinblick auf die Feststellung der Steuerermäßigung nach § 10a Abs. 4 Satz 1 EStG 2009 begründet, weil die Klage insoweit unzulässig ist. Im Übrigen aber ist sie unbegründet.
- 10
-
I. Die Anfechtung des Feststellungsbescheids gemäß § 10a Abs. 4 Satz 1 EStG 2009 ist unzulässig. Es handelt sich bei diesem Bescheid bezogen auf den angefochtenen Einkommensteuerbescheid um einen Folgebescheid (vgl. § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung --AO--). Das ergibt sich aus § 10a Abs. 4 Satz 1 letzter Halbsatz EStG 2009, wonach § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG 2009 auf die Feststellung entsprechend anzuwenden ist, und in jener Vorschrift ist die Grundlagenwirkung des Einkommensteuerbescheids justiert (s. dazu z.B. Schmidt/Heinicke, EStG, 34. Aufl., § 10d Rz 41; Schmidt/Weber-Grellet, ebenda, § 10a Rz 30, m.w.N.).
- 11
-
II. Im eigentlichen Streitpunkt ist die Revision jedoch unbegründet. Das Deutschland nach innerstaatlichem Recht zustehende Besteuerungsrecht für die Abfindung wurde durch das DBA-Schweiz 1971 beschränkt; das Besteuerungsrecht steht nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 der Schweiz als dem (nunmehrigen) Wohnsitzstaat des Klägers zu.
- 12
-
1. Der Kläger hat seinen Wohnsitz seit dem 1. Mai des Streitjahres in der Schweiz und ist seitdem in Deutschland nicht mehr --wie zuvor-- unbeschränkt (vgl. § 1 Abs. 1 EStG 2009), sondern beschränkt (vgl. § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 EStG 2009) steuerpflichtig. Letzteres betrifft nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG 2009 auch seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG 2009), die im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder --und insofern hier bezogen auf die in Rede stehende Abfindungszahlung allein einschlägig-- "worden ist". Es betrifft nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG 2009 zudem Einkünfte, die als Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG 2009 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, soweit die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte --wie vorliegend-- der inländischen Besteuerung unterlegen haben. Die Vorinstanz geht übereinstimmend mit den Beteiligten davon aus, dass es sich bei der an den Kläger geleisteten Abfindungszahlung um eine derartige Entschädigung handelt, nicht aber um nachträglichen Arbeitslohn. Auch der Senat hat keinen Anlass, diese Sachverhaltswürdigung in Frage zu stellen.
- 13
-
2. Deutschland steht infolge des mit der Schweiz geschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung jedoch das Besteuerungsrecht an der Zahlung nicht zu: Art. 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 DBA-Schweiz 1971 bestimmt, dass Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden können, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden. Daraus folgt nach ständiger Spruchpraxis des Senats (z.B. Urteile vom 2. September 2009 I R 111/08, BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387; I R 90/08, BFHE 226, 267, BStBl II 2010, 394; vom 24. Juli 2013 I R 8/13, BFHE 245, 291, BStBl II 2014, 929, jeweils m.w.N.), dass Abfindungen anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses nicht im Tätigkeitsstaat, sondern im Ansässigkeitsstaat zu besteuern sind. Denn bei Abfindungen handelt es sich unbeschadet dessen, dass sie nach dem insoweit maßgebenden innerstaatlichen Recht (vgl. Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971) Arbeitslohn (§ 19 EStG 2009) sind, nicht um ein zusätzliches Entgelt für eine frühere Tätigkeit i.S. des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971. Sie werden nicht für eine konkrete im Inland oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt, sondern gerade für den Verlust des Arbeitsplatzes. Ein bloßer Anlasszusammenhang zwischen Zahlung und Tätigkeit genügt nach dem Abkommenswortlaut ("dafür") indes nicht. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Spruchpraxis, an welcher festzuhalten ist, prinzipiell angeschlossen (BMF-Schreiben vom 14. September 2006, BStBl I 2006, 532, dort Tz. 6.3 Rz 121, und --nunmehr mit Wirkung ab 1. Januar 2015-- vom 12. November 2014, BStBl I 2014, 1467, dort Tz. 5.5.4 Rz 178 ff.).
- 14
-
3. Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387 weiter entschieden hat, ändert sich an dieser Rechtsauffassung infolge der ursprünglichen (vgl. BMF-Schreiben vom 20. Mai 1997, BStBl I 1997, 560), durch das BMF-Schreiben vom 13. Oktober 1992 (Recht der Internationalen Wirtschaft 1993, 82; vgl. auch BStBl I 1997, 560) bekanntgegebenen Verständigungsvereinbarung der deutschen und eidgenössischen Finanzbehörden zur Besteuerung von Abfindungen nichts. Dabei verbleibt es auch vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich ergangenen ergänzenden Konsultationsvereinbarung vom 17. März 2010.
- 15
-
a) Das BMF und die Eidgenössische Steuerverwaltung haben sich in jenen Vereinbarungen auf der Basis von Konsultationsverhandlungen nach Maßgabe des Art. 26 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 darauf verständigt, das Besteuerungsrecht der beiden Vertragsstaaten danach zuzuteilen, ob der Abfindung Versorgungscharakter beizumessen ist oder ob es sich um eine Nachzahlung von Lohn, Gehalt oder Tantiemen aus dem früheren Arbeitsverhältnis handelt oder die Abfindung allgemein für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst gewährt wird. In dem ersten Fall kann --nach Satz 2 der Vereinbarungen-- die Abfindung danach gemäß Art. 18 DBA-Schweiz 1971 nur im Wohnsitzstaat des Empfängers besteuert werden, im zweiten Fall soll nach Satz 3 der Vereinbarungen gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 das sog. Tätigkeitsortsprinzip gelten. Hintergrund dieser Vereinbarung ist der Umstand, dass andernfalls aufgrund der unterschiedlichen Verwaltungspraxis in Deutschland und in der Schweiz über die Besteuerungszuordnung die Gefahr sog. weißer Einkünfte, also der doppelten Nichtbesteuerung, bestand.
- 16
-
b) Der Senat misst einer derartigen zwischenstaatlichen Konsultationsvereinbarung --in Einklang mit den Grundsätzen zur Auslegung von Verträgen nach Art. 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 --WÜRV-- (BGBl II 1985, 927), in innerstaatliches Recht transformiert seit Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 3. August 1985 (BGBl II 1985, 926) am 20. August 1987 (BGBl II 1987, 757)-- zwar Bedeutung für die Auslegung der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei. Er hat jedoch wiederholt klar zum Ausdruck gebracht, dass die "Grenzmarke" für das richtige Abkommensverständnis immer nur der Abkommenswortlaut sein kann. Wird das in der Konsultationsvereinbarung gefundene Abkommensverständnis durch den Wortlaut nicht gedeckt, kann die Vereinbarung die Abkommensauslegung durch die Gerichte nicht beeinflussen oder die Gerichte gar binden. Auch daran ist uneingeschränkt festzuhalten und auf das zitierte Urteil in BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387 ist deswegen zu verweisen.
- 17
-
4. Allerdings haben sich die Vereinbarungsgrundlagen zwischenzeitlich geändert. Der Gesetzgeber hat vermittels des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010) mit § 2 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO n.F.-- (erstmals) eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen, wonach --so Satz 1 der Vorschrift-- das BMF ermächtigt wird, zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung oder doppelten Nichtbesteuerung mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zu erlassen. Konsultationsvereinbarungen in diesem Sinne sind nach Satz 2 der Vorschrift einvernehmliche Vereinbarungen der zu-ständigen Behörden der Vertragsstaaten eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mit dem Ziel, Einzelheiten der Durchführung eines solchen Abkommens zu regeln, insbesondere Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung des jeweiligen Abkommens bestehen, zu beseitigen. Mit diesem tatbestandlich umschriebenen Inhalt zielt die Neuregelung darauf ab, zwischenstaatlichen behördlichen Konsultationsvereinbarungen i.S. von Art. 25 Abs. 3 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-MustAbk) den Rang einer Rechtsverordnung zu verleihen. In § 24 Abs. 1 KonsVerCHEV ist das für die im Streitfall in Rede stehenden Arbeitnehmer-Abfindungen geschehen; die Deutsch-Schweizerische Konsultationsverbindung vom 17. März 2010 ist darin textlich übernommen worden.
- 18
-
5. Es ist im Schrifttum kontrovers, ob die neugeschaffene Ermächtigungsgrundlage den dafür gebotenen Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) genügt und im Ergebnis geeignet ist, die seitens der Finanzverwaltung beanspruchte (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 1467, dort Tz. 5.5.4.2 Rz 183 ff.) Verbindlichkeit der zwischenstaatlich gefundenen Abkommensauslegung herbeizuführen. Überwiegend wird das verneint und dem schließt sich der Senat an. Die Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarung vom 17. März 2010 genügt trotz ihrer unilateralen "Anhebung" in eine Rechtsverordnung den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts nach Art. 20 Abs. 3 GG nicht. Sie fußt mit § 2 Abs. 2 AO n.F. nicht auf einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, in welcher Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung jedenfalls bezogen auf die Frage nach der Besteuerung von Abfindungszahlungen an einen (ehemals) nichtselbständig tätigen Arbeitnehmer hinreichend bestimmt werden. Dessen aber hätte es nach Art. 80 Abs. 1 GG bedurft.
- 19
-
a) Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG können durch Gesetz die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen dabei Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Das ist hier nicht gelungen.
- 20
-
aa) Zwar gilt gewissermaßen "natürlich" der Grundsatz, dass ein Gesetz nicht durch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift außer Kraft gesetzt oder abgeändert werden kann, ebenso wie seine Durchbrechung durch einen Verwaltungsakt und seine Verdrängung durch eine Rechtsnorm, die im Vergleich zum Gesetz von niedrigerem Range ist, also eine Rechtsverordnung, eine Gemeindesatzung, ausgeschlossen ist. Das ergibt sich unmittelbar aus dem "Vorrang des Gesetzes" (Art. 20 Abs. 3 GG): "Der in der Form des Gesetzes geäußerte Staatswille geht rechtlich jeder anderen staatlichen Willensäußerung vor", so das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 6. Mai 1958 2 BvL 37/56, 2 BvL 11/57 (BVerfGE 8, 155). Dieser Vorrang des Gesetzes --also die dem Gesetz kraft Verfassungsrechts innewohnende Eigenschaft, staatliche Willensäußerungen niedrigeren Ranges rechtlich zu hindern oder zu zerstören-- kann sich aber naturgemäß nur auswirken, wo ein Widerspruch zwischen dem Gesetz und der Willensäußerung niederen Ranges besteht. Es bedarf keiner Ausführung, dass eine staatliche Willensäußerung, die das Gesetz befolgt und in Einklang mit ihm steht, nicht am Vorrang des Gesetzes scheitern kann. Im Einzelnen ist dazu beispielhaft auf den besagten Beschluss des BVerfG in BVerfGE 8, 155 hinzuweisen. So gesehen mag es auch möglich sein, kraft Verordnung eine Abkommensregelung zu spezifizieren und umzusetzen. Es mag prinzipiell ebenso ausreichen, die gesetzliche Ermächtigung dabei weit zu fassen, solange und soweit die "wesentlichen Konturen" in dem Referenzgesetz --hier also das bilaterale Abkommen in der Umsetzung des "einfachen" Zustimmungsgesetzes-- vom Gesetzgeber vorgegeben werden (s. z.B. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 2 AO Rz 43e, m.w.N.; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 2 AO Rz 327, 332; Oellerich in Beermann/Gosch, AO, § 2 Rz 102; s.a. den vom beigetretenen BMF herangezogenen, allerdings in anderem Zusammenhang des Steuerberatungsgesetzes ergangenen BVerfG-Beschluss vom 3. November 1982 2 BvL 28/81, BVerfGE 62, 203; demgegenüber zweifelnd z.B. Gosch in Mellinghoff/Schön/Viskorf [Hrsg.], Steuerrecht im Rechtsstaat, Festschrift Spindler, 2011, S. 379, 421; derselbe in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 49 Rz 72; anders z.B. Nacke, Der Betrieb --DB-- 2010, 1149; Lehner, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2011, 739 und Finanz-Rundschau --FR-- 2011, 1091). Und es lässt sich schließlich auch hören, wenn argumentiert wird, der Gesetzgeber habe mit seiner Zustimmung zu dem Gesetz zur Überleitung des völkerrechtlichen Vertrages in nationales (einfaches) Recht die Möglichkeit von Konsultationsvereinbarungen auf Basis des Art. 25 Abs. 3 OECD-MustAbk antizipiert und akzeptiert (z.B. Hummel, IStR 2011, 399 ff.; Lehner, IStR 2011, 733, 737, jeweils m.w.N.; insoweit anders Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 2 AO Rz 43f, m.w.N., insbesondere auch aus dem staatsrechtlichen Schrifttum). Doch ist es auch vermittels einer derart gefassten Ermächtigungsregelung ausgeschlossen, den Abkommenstext und damit die besagte Besteuerungszuordnung für die betreffenden Einkünfte zu verändern (s. zu alledem z.B. FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 19. Dezember 2013 3 K 1189/13, Betriebs-Berater --BB-- 2014, 2071; sowie z.B. Hummel, IStR 2011, 397, 399 ff.; Lehner, IStR 2011, 733, und derselbe in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl., Grundlagen Rz 136; Schönfeld/Häck in Schönfeld/ Ditz, DBA, Systematik Rz 100; Dremel, daselbst, Art. 1 Rz 23 ff.; Flüchter, daselbst, Art. 25 Rz 218 ff.; Eilers in Wassermeyer, MA Art. 25 Rz 67; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, MA Art. 15 Rz 79; Kempermann in Flick/ Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 15 Rz 7, s.a. Art. 15a Rz 42; Kubaile, Internationale Wirtschafts-Briefe --IWB-- 2012, 1; Heger, Steuer Wirtschaft International 2011, 95; Micker, IWB 2011, 61; Gosch, BFH/PR 2011, 241; s.a. Musil in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, a.a.O., § 2 AO Rz 234; anders Neyer/Schlepper, FR 2011, 648).
- 21
-
bb) Das aber ist hier der Fall. Der Abkommenstext belässt aus den unter I.2. beschriebenen Gründen für die Frage der Besteuerungszuordnung von Abfindungen an ehemals nichtselbständig tätige Arbeitnehmer keine Spielräume. Und daran ändert auch das in § 2 Abs. 2 Satz 1 AO n.F. qualifizierte zusätzliche Ermächtigungsziel nichts, doppelte Nichtbesteuerungen zu vermeiden. Das mag --in Einklang mit "neuerem Abkommensdenken" der OECD-- das eine oder andere neuere Doppelbesteuerungsabkommen bezwecken, und das findet sich jetzt denn auch in der (ministeriellen) "Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen", BMF-Schreiben vom 17. April 2013, Stand: 22. August 2013 (abgedruckt in IStR, Beihefter 10/2013 unter II. und berichtigt in IStR 2013, 440) wieder. Dieser Paradigmenwechsel aber hat im DBA-Schweiz 1971, das allein die Freistellungsmethode anwendet und damit vorbehaltlos auf eine virtuelle Doppelbesteuerung abhebt (ständige Spruchpraxis, deutlich z.B. Senatsurteil vom 24. August 2011 I R 46/10, BFHE 234, 339, BStBl II 2014, 764), (noch) keinen Niederschlag gefunden. Durch § 24 Abs. 1 KonsVerCHEV wird indessen genau das sinn- und zweckverändert. Der Regelung käme der Charakter einer Rückfallklausel zu, die im Abkommen nicht angelegt ist, diesem vielmehr widerspricht (Lehner, IStR 2011, 733, 736, dort auch spezifisch für die Situation der Abfindungszahlung an ehemalige Arbeitnehmer). § 2 Abs. 2 AO n.F. ermächtigt jedoch nicht zu Ergänzungen vereinbarter Abkommen; hierzu bedarf es vielmehr der abermaligen Zustimmung des nationalen Parlaments (Lehner, IStR 2011, 733, 735). Solange diese Zustimmung fehlt, bleibt "die Grenzziehung zwischen Auslegung und einer an den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG scheiternden Lückenschließung (...)", darin ist Lehner (IStR 2011, 733, 739) uneingeschränkt beizupflichten, "Aufgabe der Judikative".
- 22
-
b) Lassen sich die vorbenannten Mängel nicht ausräumen, ist die Rechtsverordnung zu verwerfen. Dazu sind die Fachgerichte und damit der Senat befugt (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 12. Dezember 1984 1 BvR 1249/83, 1 BvR 1745/83, 1 BvR 1746/83, 1 BvR 1752/83, 1 BvR 1753/83, 1 BvR 1757/83, 1 BvR 1769/83, 1 BvR 1719/83, 1 BvR 1720/83, BVerfGE 68, 319, BVerfGE 68, 319, 325; BVerfG-Urteil vom 18. Dezember 1985 2 BvR 1167/84, 2 BvR 1185/84, 2 BvR 1636/84, 2 BvR 308/85, 2 BvQ 18/84, BVerfGE 71, 305, 337; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 2 AO Rz 43g, m.w.N.), und so geschieht es denn auch im Streitfall.
- 23
-
6. Unabhängig von diesen Erwägungen scheitert die erstrebte Verbindlichkeit für das Streitjahr auch daran, dass die verwaltungsseitig vorgegebene Auslegung nach § 26 KonsVerCHEV erstmals mit Wirkung vom 23. Dezember 2010 gilt, nicht aber für den bis dahin abgelaufenen Teil des Jahres 2010.
- 24
-
a) Der Senat legt seiner Auslegung von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in ebenfalls ständiger Spruchpraxis aus zeitlicher Sicht einen sog. statischen, keinen sog. dynamischen Auslegungsmodus zugrunde (vgl. z.B. Senatsurteile vom 16. Januar 2014 I R 30/12, BFHE 244, 354, BStBl II 2014, 721; vom 9. Februar 2011 I R 54, 55/10, BFHE 232, 476, BStBl II 2012, 106; vom 25. Mai 2011 I R 95/10, BFHE 234, 63; vom 8. Dezember 2010 I R 92/09, BFHE 232, 137, BStBl II 2011, 488; vom 23. September 2008 I R 57/07, BFH/NV 2009, 390; Senatsbeschluss vom 19. Mai 2010 I B 191/09, BFHE 229, 322, BStBl II 2011, 156, jeweils m.w.N.). Eine Verwaltungspraxis, welche sich erst nach Inkrafttreten eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bildet, wirkt auf die Auslegung des Abkommens prinzipiell nicht zurück. Das gilt in erster Linie für Verwaltungsverlautbarungen, wie beispielsweise die Musterkommentierung der OECD zu deren Musterabkommen. Das gilt aber auch für bilaterale Konsultationsvereinbarungen. Abermals hindert Art. 31 WÜRV ein solches Verständnis nicht: Ein Vertrag ist danach nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seiner Bestimmung in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Außer dem bei der Auslegung zu berücksichtigenden und in Art. 31 Abs. 2 WÜRV näher beschriebenen systematischen "Zusammenhang" sind nach Art. 31 Abs. 3 WÜRV in gleicher Weise zu berücksichtigen: a) jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrages oder die Anwendung seiner Bestimmungen sowie b) jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrages, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht. So gesehen kann ein übereinstimmendes Abkommensverständnis und eine gemeinsame "Übung" der beteiligten Finanzverwaltungen für eine Abkommensauslegung bedeutsam sein (s. z.B. Senatsurteile vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFHE 215, 237, BStBl II 2010, 778, sowie I R 18/04, BFH/NV 2007, 875, beide zu leitenden Angestellten als sog. Grenzgänger i.S. von Art. 15 Abs. 4, Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992), das aber immer nur insofern, als sie nicht dem Wortlaut des Abkommens zuwiderläuft (vgl. Senatsurteil vom 27. August 2008 I R 64/07, BFHE 222, 553, BStBl II 2009, 97). Abgesehen davon, dass das Wiener Übereinkommen (nach dessen Art. 4) ohnehin nur auf Verträge Anwendung findet, die von Staaten geschlossen werden, nachdem das Übereinkommen für sie in Kraft getreten ist --und damit, ohne dass dem weiter nachzugehen wäre, nach Lage der Dinge nicht für das DBA-Schweiz 1971--, erzwingen auch diese Grundsätze eine Regelungsauslegung also immer nur nach Maßgabe jenes Wortlauts.
- 25
-
b) Und das gilt auch hier. Dass die neuerliche Konsultationsvereinbarung inhaltlich im Kern bloß auf der vorangegangenen Verständigungsvereinbarung aus dem Jahre 1992 aufsetzt, ist unbeachtlich. Denn jene Vereinbarung erfüllte die nötigen rechtsstaatlichen Anforderungen einer Auslegungsverbindlichkeit, wie beschrieben, von vornherein nicht. Auch ist es unbeachtlich, dass die Einkommensteuer für das Streitjahr erst am 31. Dezember 2010 entsteht (vgl. § 25 Abs. 1 EStG 2009), mithin nach dem in § 25 KonsVerCHEV bestimmten Anwendungszeitpunkt für die deutsch-schweizerische Konsultationsverordnung am 1. Januar 2010, welcher wiederum seinerseits in Einklang mit Art. 97 § 1 Abs. 9 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (EGAO n.F.) steht; Rechtsverordnungen aufgrund des § 2 Abs. 2 AO n.F. können danach mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum 2010 erlassen werden, sofern die dem Bundesrat zugeleitete Rechtsverordnung vor dem 1. Januar 2011 als Bundesratsdrucksache veröffentlicht worden ist, was hier der Fall ist (s. Bundesrats-Drucksache 716/10 vom 5. November 2010). Das alles mag vor dem Hintergrund des gängigen Verfassungsverständnisses in Deutschland jedenfalls nicht unbedingt einen Verstoß gegen das grundgesetzliche Rückwirkungsverbot auslösen (vgl. grundlegend z.B. BVerfG-Beschluss vom 10. Oktober 2012 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302, BStBl II 2012, 932, m.w.N.; s.a. --bezogen auf Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und deren Überleitung in nationales Recht-- BVerfG-Beschluss vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, BStBl II 1986, 628; insoweit konkret bezogen auf § 2 Abs. 2 AO n.F. einerseits Bisle, IWB 2010, 794; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 2 AO Rz 337; andererseits Nacke, DB 2010, 1149; s. eingehend zum Problem auch Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 2 AO Rz 43d, m.w.N.). Für die Rechtsauslegung des Abkommenstextes bleibt das aber ohne Bedeutung, weil sich die Abkommensauslegung einem einseitigen vertragsstaatlichen Zugriff entzieht, wenn dieser Zugriff zeitlich nach dem zu beurteilenden tatsächlichen Lebenssachverhalt liegt. So liegt es hier, weil die in Rede stehende deutsch-schweizerische Konsultationsvereinbarung als solche in Gestalt der Konsultationsverordnung erst am 23. Dezember 2010 in Kraft getreten ist. Maßgebender Anwendungszeitpunkt für die abkommensüberschreibende Konsultationsvereinbarung kann immer nur der Zeitpunkt sein, in welchem eine solche Vereinbarung tatsächlich in der verfassungsrechtlich gebotenen Form in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist. Rückwirkende Anwendungsanordnungen vertragen sich damit nicht und scheiden aus. Insofern gilt nichts anderes als für das Abkommen als solches, für das Art. 32 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971 den Anwendungszeitpunkt für das Jahr bestimmt, das dem Jahr folgt, in welchem das Abkommen infolge Austauschs der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten ist (oder neuerlich auch in der bereits zitierten ministeriellen "Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen" vom 17. April 2013, nach deren Art. 31 Abs. 1 und 2 der Anwendungszeitpunkt des ratifizierten Abkommens auf den 1. Januar desjenigen Kalenderjahres justiert wird, das dem Jahr folgt, in welchem das Abkommen infolge Austauschs der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten ist). Nur so kann sichergestellt werden, dass das bilateral Vereinbarte in beiden Vertragsstaaten zu ein- und demselben Zeitpunkt anzuwenden ist und genau diejenige Gefahr einer doppelten Besteuerung, ggf. auch doppelten Nichtbesteuerung, vermieden wird, der es nach den Absichten der vereinbarungsbeteiligten Vertragsstaaten (auch) bei einer abkommensverändernden Konsultationsvereinbarung entgegenzutreten gilt (s. zu alledem auch Gosch in Kaeser [Hrsg.], Festgabe für F. Wassermeyer, 2015, Stichwort 29, dort unter III.).
- 26
-
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2, § 136 Abs. 1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung.
(1) Ist einer Abfindung Versorgungscharakter beizumessen, steht das Besteuerungsrecht entsprechend Artikel 18 des Abkommens dem Wohnsitzstaat zu. Dagegen hat der (frühere) Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht, sofern es sich bei der Abfindung um Lohn- oder Gehaltsnachzahlungen oder Tantiemen aus dem früheren Arbeitsverhältnis handelt oder die Abfindung allgemein für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst gewährt wird. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer in der Zeit vor dem Ausscheiden aus dem Dienst auch teils in dem Staat, in dem er ansässig ist, tätig war, ist die Abfindung zeitanteilig entsprechend der Besteuerungszuordnung der Vergütungen aufzuteilen.
(2) Werden die Abfindungszahlungen aus Anlass der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, die eine in einem Vertragsstaat wohnende Person nach Wegzug aus dem Tätigkeitsstaat von ihrem ehemaligen, im anderen Vertragsstaat ansässigen Arbeitgeber erhält, nicht im ehemaligen Tätigkeitsstaat besteuert, können diese Abfindungszahlungen im Wohnsitzstaat der Person besteuert werden.
(1) (weggefallen)
(2) Bei Teilzeitbeschäftigten, die nur tageweise im anderen Staat beschäftigt sind, ist die Anzahl von 60 unschädlichen Tagen durch proportionale Kürzung herabzusetzen. Bezugsgrößen sind hierbei die im jeweiligen Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitstage zu den bei Vollzeitbeschäftigung betriebsüblichen Arbeitstagen. Bei einer 5-Tage-Woche ist von 250 betriebsüblichen Arbeitstagen, bei einer 6-Tage-Woche von 300 betriebsüblichen Arbeitstagen auszugehen. Urlaubstage sind bei beiden Rechengrößen aus Vereinfachungsgründen nicht abzuziehen.
(3) Die Berechnung der 60 Tage ist ebenso bei Arbeitnehmern, die im anderen Vertragsstaat bei mehreren Arbeitgebern angestellt sind, vorzunehmen.
Tenor
-
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 8. Oktober 2013 10 K 2176/11 aufgehoben, soweit dieses wegen Feststellung der Steuerermäßigung nach § 10a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes ergangen ist. Die Klage wird insoweit als unzulässig abgewiesen.
-
Im Übrigen wird die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
-
Die Kosten des gesamten Rechtsstreits fallen dem Beklagten zur Last.
Tatbestand
- 1
-
A. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wohnte im Streitjahr 2010 bis zum 30. April im Inland und übte hier eine nichtselbständige Tätigkeit aus. Am 1. Mai verzog er in die Schweiz, wo er eine neue nichtselbständige Tätigkeit aufnahm.
- 2
-
Das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und seinem seinerzeitigen inländischen Arbeitgeber wurde mit Vertrag vom 16./29. Dezember 2009 aus dringenden betrieblichen Gründen einvernehmlich zum 31. Juli 2010 beendet. Der Kläger wurde unter Fortzahlung der regulären Bezüge sowie unter Zahlung von Boni für 2009 und 2010 zum 1. Januar 2010 unwiderruflich freigestellt. Er konnte seinerseits das Arbeitsverhältnis mit 14-tägiger Kündigungsfrist auch vor dem 31. Juli 2010 beenden. Als Entschädigung für den Verlust des Anstellungsverhältnisses und zum Ausgleich bereits entstandener und der damit in Zukunft verbundenen beruflichen und finanziellen Nachteile vereinbarten die Vertragspartner eine Abfindung in Höhe eines Einmalbetrages von 780.500 €. Für den Fall einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Erklärung des Klägers sollte sich der Abfindungsbetrag um das ansonsten zwischen dem Beendigungsdatum und dem am 31. Juli 2010 fällige Grundgehalt erhöhen. Die Versteuerung sollte durch den Arbeitgeber erfolgen.
- 3
-
Die Abfindung wurde im September 2010 gezahlt. Der ehemalige Arbeitgeber behielt darauf 337.990 € an Lohnsteuer und 18.589,45 € an Solidaritätszuschlag ein. Zuvor war eine vom Kläger angestrebte lohnsteuerliche Freistellung der Abfindung durch das zuständige Betriebsstättenfinanzamt gescheitert.
- 4
-
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2010 behandelte der Kläger einen Betrag von 785.194 € als nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) --DBA-Schweiz 1971-- steuerfreien Arbeitslohn. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) behandelte den Betrag demgegenüber als Entschädigung für mehrere Jahre, die in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) als Arbeitslohn nach § 19 i.V.m. § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2009) ermäßigt zu versteuern sei. Das Besteuerungsrecht Deutschlands ergebe sich aus Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 und der dazu ergangenen (ergänzenden) deutsch-schweizerischen Konsultationsvereinbarung zur Besteuerung von Abfindungszahlungen vom 17. März 2010, bekanntgegeben durch das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 25. März 2010 (BStBl I 2010, 268), Letztere i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 2 und § 25 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft --Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarungsverordnung (KonsVerCHEV)-- vom 20. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 2187, BStBl I 2010, 146). Die in der Schweiz erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wurden gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 2009 beim sog. Progressionsvorbehalt berücksichtigt.
- 5
-
Die Klage gegen die hiernach ergangenen Bescheide über Einkommensteuer und Feststellung der Steuermäßigung nach § 10a Abs. 4 EStG 2009 war erfolgreich. Das Hessische Finanzgericht (FG) gab ihr durch Urteil vom 8. Oktober 2013 10 K 2176/11, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 288 statt.
- 6
-
Das FA stützt seine Revision auf Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 7
-
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
- 8
-
Dem Revisionsverfahren ist das BMF beigetreten. Es schließt sich in der Sache dem FA an, ohne eigene Anträge zu stellen.
Entscheidungsgründe
- 9
-
B. Die Revision ist nur im Hinblick auf die Feststellung der Steuerermäßigung nach § 10a Abs. 4 Satz 1 EStG 2009 begründet, weil die Klage insoweit unzulässig ist. Im Übrigen aber ist sie unbegründet.
- 10
-
I. Die Anfechtung des Feststellungsbescheids gemäß § 10a Abs. 4 Satz 1 EStG 2009 ist unzulässig. Es handelt sich bei diesem Bescheid bezogen auf den angefochtenen Einkommensteuerbescheid um einen Folgebescheid (vgl. § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung --AO--). Das ergibt sich aus § 10a Abs. 4 Satz 1 letzter Halbsatz EStG 2009, wonach § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG 2009 auf die Feststellung entsprechend anzuwenden ist, und in jener Vorschrift ist die Grundlagenwirkung des Einkommensteuerbescheids justiert (s. dazu z.B. Schmidt/Heinicke, EStG, 34. Aufl., § 10d Rz 41; Schmidt/Weber-Grellet, ebenda, § 10a Rz 30, m.w.N.).
- 11
-
II. Im eigentlichen Streitpunkt ist die Revision jedoch unbegründet. Das Deutschland nach innerstaatlichem Recht zustehende Besteuerungsrecht für die Abfindung wurde durch das DBA-Schweiz 1971 beschränkt; das Besteuerungsrecht steht nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 der Schweiz als dem (nunmehrigen) Wohnsitzstaat des Klägers zu.
- 12
-
1. Der Kläger hat seinen Wohnsitz seit dem 1. Mai des Streitjahres in der Schweiz und ist seitdem in Deutschland nicht mehr --wie zuvor-- unbeschränkt (vgl. § 1 Abs. 1 EStG 2009), sondern beschränkt (vgl. § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 EStG 2009) steuerpflichtig. Letzteres betrifft nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG 2009 auch seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG 2009), die im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder --und insofern hier bezogen auf die in Rede stehende Abfindungszahlung allein einschlägig-- "worden ist". Es betrifft nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG 2009 zudem Einkünfte, die als Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG 2009 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, soweit die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte --wie vorliegend-- der inländischen Besteuerung unterlegen haben. Die Vorinstanz geht übereinstimmend mit den Beteiligten davon aus, dass es sich bei der an den Kläger geleisteten Abfindungszahlung um eine derartige Entschädigung handelt, nicht aber um nachträglichen Arbeitslohn. Auch der Senat hat keinen Anlass, diese Sachverhaltswürdigung in Frage zu stellen.
- 13
-
2. Deutschland steht infolge des mit der Schweiz geschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung jedoch das Besteuerungsrecht an der Zahlung nicht zu: Art. 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 DBA-Schweiz 1971 bestimmt, dass Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden können, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden. Daraus folgt nach ständiger Spruchpraxis des Senats (z.B. Urteile vom 2. September 2009 I R 111/08, BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387; I R 90/08, BFHE 226, 267, BStBl II 2010, 394; vom 24. Juli 2013 I R 8/13, BFHE 245, 291, BStBl II 2014, 929, jeweils m.w.N.), dass Abfindungen anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses nicht im Tätigkeitsstaat, sondern im Ansässigkeitsstaat zu besteuern sind. Denn bei Abfindungen handelt es sich unbeschadet dessen, dass sie nach dem insoweit maßgebenden innerstaatlichen Recht (vgl. Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971) Arbeitslohn (§ 19 EStG 2009) sind, nicht um ein zusätzliches Entgelt für eine frühere Tätigkeit i.S. des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971. Sie werden nicht für eine konkrete im Inland oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt, sondern gerade für den Verlust des Arbeitsplatzes. Ein bloßer Anlasszusammenhang zwischen Zahlung und Tätigkeit genügt nach dem Abkommenswortlaut ("dafür") indes nicht. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Spruchpraxis, an welcher festzuhalten ist, prinzipiell angeschlossen (BMF-Schreiben vom 14. September 2006, BStBl I 2006, 532, dort Tz. 6.3 Rz 121, und --nunmehr mit Wirkung ab 1. Januar 2015-- vom 12. November 2014, BStBl I 2014, 1467, dort Tz. 5.5.4 Rz 178 ff.).
- 14
-
3. Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387 weiter entschieden hat, ändert sich an dieser Rechtsauffassung infolge der ursprünglichen (vgl. BMF-Schreiben vom 20. Mai 1997, BStBl I 1997, 560), durch das BMF-Schreiben vom 13. Oktober 1992 (Recht der Internationalen Wirtschaft 1993, 82; vgl. auch BStBl I 1997, 560) bekanntgegebenen Verständigungsvereinbarung der deutschen und eidgenössischen Finanzbehörden zur Besteuerung von Abfindungen nichts. Dabei verbleibt es auch vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich ergangenen ergänzenden Konsultationsvereinbarung vom 17. März 2010.
- 15
-
a) Das BMF und die Eidgenössische Steuerverwaltung haben sich in jenen Vereinbarungen auf der Basis von Konsultationsverhandlungen nach Maßgabe des Art. 26 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 darauf verständigt, das Besteuerungsrecht der beiden Vertragsstaaten danach zuzuteilen, ob der Abfindung Versorgungscharakter beizumessen ist oder ob es sich um eine Nachzahlung von Lohn, Gehalt oder Tantiemen aus dem früheren Arbeitsverhältnis handelt oder die Abfindung allgemein für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst gewährt wird. In dem ersten Fall kann --nach Satz 2 der Vereinbarungen-- die Abfindung danach gemäß Art. 18 DBA-Schweiz 1971 nur im Wohnsitzstaat des Empfängers besteuert werden, im zweiten Fall soll nach Satz 3 der Vereinbarungen gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 das sog. Tätigkeitsortsprinzip gelten. Hintergrund dieser Vereinbarung ist der Umstand, dass andernfalls aufgrund der unterschiedlichen Verwaltungspraxis in Deutschland und in der Schweiz über die Besteuerungszuordnung die Gefahr sog. weißer Einkünfte, also der doppelten Nichtbesteuerung, bestand.
- 16
-
b) Der Senat misst einer derartigen zwischenstaatlichen Konsultationsvereinbarung --in Einklang mit den Grundsätzen zur Auslegung von Verträgen nach Art. 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 --WÜRV-- (BGBl II 1985, 927), in innerstaatliches Recht transformiert seit Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 3. August 1985 (BGBl II 1985, 926) am 20. August 1987 (BGBl II 1987, 757)-- zwar Bedeutung für die Auslegung der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei. Er hat jedoch wiederholt klar zum Ausdruck gebracht, dass die "Grenzmarke" für das richtige Abkommensverständnis immer nur der Abkommenswortlaut sein kann. Wird das in der Konsultationsvereinbarung gefundene Abkommensverständnis durch den Wortlaut nicht gedeckt, kann die Vereinbarung die Abkommensauslegung durch die Gerichte nicht beeinflussen oder die Gerichte gar binden. Auch daran ist uneingeschränkt festzuhalten und auf das zitierte Urteil in BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387 ist deswegen zu verweisen.
- 17
-
4. Allerdings haben sich die Vereinbarungsgrundlagen zwischenzeitlich geändert. Der Gesetzgeber hat vermittels des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010) mit § 2 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO n.F.-- (erstmals) eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen, wonach --so Satz 1 der Vorschrift-- das BMF ermächtigt wird, zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung oder doppelten Nichtbesteuerung mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zu erlassen. Konsultationsvereinbarungen in diesem Sinne sind nach Satz 2 der Vorschrift einvernehmliche Vereinbarungen der zu-ständigen Behörden der Vertragsstaaten eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mit dem Ziel, Einzelheiten der Durchführung eines solchen Abkommens zu regeln, insbesondere Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung des jeweiligen Abkommens bestehen, zu beseitigen. Mit diesem tatbestandlich umschriebenen Inhalt zielt die Neuregelung darauf ab, zwischenstaatlichen behördlichen Konsultationsvereinbarungen i.S. von Art. 25 Abs. 3 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-MustAbk) den Rang einer Rechtsverordnung zu verleihen. In § 24 Abs. 1 KonsVerCHEV ist das für die im Streitfall in Rede stehenden Arbeitnehmer-Abfindungen geschehen; die Deutsch-Schweizerische Konsultationsverbindung vom 17. März 2010 ist darin textlich übernommen worden.
- 18
-
5. Es ist im Schrifttum kontrovers, ob die neugeschaffene Ermächtigungsgrundlage den dafür gebotenen Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) genügt und im Ergebnis geeignet ist, die seitens der Finanzverwaltung beanspruchte (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 1467, dort Tz. 5.5.4.2 Rz 183 ff.) Verbindlichkeit der zwischenstaatlich gefundenen Abkommensauslegung herbeizuführen. Überwiegend wird das verneint und dem schließt sich der Senat an. Die Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarung vom 17. März 2010 genügt trotz ihrer unilateralen "Anhebung" in eine Rechtsverordnung den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts nach Art. 20 Abs. 3 GG nicht. Sie fußt mit § 2 Abs. 2 AO n.F. nicht auf einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, in welcher Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung jedenfalls bezogen auf die Frage nach der Besteuerung von Abfindungszahlungen an einen (ehemals) nichtselbständig tätigen Arbeitnehmer hinreichend bestimmt werden. Dessen aber hätte es nach Art. 80 Abs. 1 GG bedurft.
- 19
-
a) Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG können durch Gesetz die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen dabei Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Das ist hier nicht gelungen.
- 20
-
aa) Zwar gilt gewissermaßen "natürlich" der Grundsatz, dass ein Gesetz nicht durch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift außer Kraft gesetzt oder abgeändert werden kann, ebenso wie seine Durchbrechung durch einen Verwaltungsakt und seine Verdrängung durch eine Rechtsnorm, die im Vergleich zum Gesetz von niedrigerem Range ist, also eine Rechtsverordnung, eine Gemeindesatzung, ausgeschlossen ist. Das ergibt sich unmittelbar aus dem "Vorrang des Gesetzes" (Art. 20 Abs. 3 GG): "Der in der Form des Gesetzes geäußerte Staatswille geht rechtlich jeder anderen staatlichen Willensäußerung vor", so das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 6. Mai 1958 2 BvL 37/56, 2 BvL 11/57 (BVerfGE 8, 155). Dieser Vorrang des Gesetzes --also die dem Gesetz kraft Verfassungsrechts innewohnende Eigenschaft, staatliche Willensäußerungen niedrigeren Ranges rechtlich zu hindern oder zu zerstören-- kann sich aber naturgemäß nur auswirken, wo ein Widerspruch zwischen dem Gesetz und der Willensäußerung niederen Ranges besteht. Es bedarf keiner Ausführung, dass eine staatliche Willensäußerung, die das Gesetz befolgt und in Einklang mit ihm steht, nicht am Vorrang des Gesetzes scheitern kann. Im Einzelnen ist dazu beispielhaft auf den besagten Beschluss des BVerfG in BVerfGE 8, 155 hinzuweisen. So gesehen mag es auch möglich sein, kraft Verordnung eine Abkommensregelung zu spezifizieren und umzusetzen. Es mag prinzipiell ebenso ausreichen, die gesetzliche Ermächtigung dabei weit zu fassen, solange und soweit die "wesentlichen Konturen" in dem Referenzgesetz --hier also das bilaterale Abkommen in der Umsetzung des "einfachen" Zustimmungsgesetzes-- vom Gesetzgeber vorgegeben werden (s. z.B. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 2 AO Rz 43e, m.w.N.; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 2 AO Rz 327, 332; Oellerich in Beermann/Gosch, AO, § 2 Rz 102; s.a. den vom beigetretenen BMF herangezogenen, allerdings in anderem Zusammenhang des Steuerberatungsgesetzes ergangenen BVerfG-Beschluss vom 3. November 1982 2 BvL 28/81, BVerfGE 62, 203; demgegenüber zweifelnd z.B. Gosch in Mellinghoff/Schön/Viskorf [Hrsg.], Steuerrecht im Rechtsstaat, Festschrift Spindler, 2011, S. 379, 421; derselbe in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 49 Rz 72; anders z.B. Nacke, Der Betrieb --DB-- 2010, 1149; Lehner, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2011, 739 und Finanz-Rundschau --FR-- 2011, 1091). Und es lässt sich schließlich auch hören, wenn argumentiert wird, der Gesetzgeber habe mit seiner Zustimmung zu dem Gesetz zur Überleitung des völkerrechtlichen Vertrages in nationales (einfaches) Recht die Möglichkeit von Konsultationsvereinbarungen auf Basis des Art. 25 Abs. 3 OECD-MustAbk antizipiert und akzeptiert (z.B. Hummel, IStR 2011, 399 ff.; Lehner, IStR 2011, 733, 737, jeweils m.w.N.; insoweit anders Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 2 AO Rz 43f, m.w.N., insbesondere auch aus dem staatsrechtlichen Schrifttum). Doch ist es auch vermittels einer derart gefassten Ermächtigungsregelung ausgeschlossen, den Abkommenstext und damit die besagte Besteuerungszuordnung für die betreffenden Einkünfte zu verändern (s. zu alledem z.B. FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 19. Dezember 2013 3 K 1189/13, Betriebs-Berater --BB-- 2014, 2071; sowie z.B. Hummel, IStR 2011, 397, 399 ff.; Lehner, IStR 2011, 733, und derselbe in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl., Grundlagen Rz 136; Schönfeld/Häck in Schönfeld/ Ditz, DBA, Systematik Rz 100; Dremel, daselbst, Art. 1 Rz 23 ff.; Flüchter, daselbst, Art. 25 Rz 218 ff.; Eilers in Wassermeyer, MA Art. 25 Rz 67; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, MA Art. 15 Rz 79; Kempermann in Flick/ Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 15 Rz 7, s.a. Art. 15a Rz 42; Kubaile, Internationale Wirtschafts-Briefe --IWB-- 2012, 1; Heger, Steuer Wirtschaft International 2011, 95; Micker, IWB 2011, 61; Gosch, BFH/PR 2011, 241; s.a. Musil in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, a.a.O., § 2 AO Rz 234; anders Neyer/Schlepper, FR 2011, 648).
- 21
-
bb) Das aber ist hier der Fall. Der Abkommenstext belässt aus den unter I.2. beschriebenen Gründen für die Frage der Besteuerungszuordnung von Abfindungen an ehemals nichtselbständig tätige Arbeitnehmer keine Spielräume. Und daran ändert auch das in § 2 Abs. 2 Satz 1 AO n.F. qualifizierte zusätzliche Ermächtigungsziel nichts, doppelte Nichtbesteuerungen zu vermeiden. Das mag --in Einklang mit "neuerem Abkommensdenken" der OECD-- das eine oder andere neuere Doppelbesteuerungsabkommen bezwecken, und das findet sich jetzt denn auch in der (ministeriellen) "Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen", BMF-Schreiben vom 17. April 2013, Stand: 22. August 2013 (abgedruckt in IStR, Beihefter 10/2013 unter II. und berichtigt in IStR 2013, 440) wieder. Dieser Paradigmenwechsel aber hat im DBA-Schweiz 1971, das allein die Freistellungsmethode anwendet und damit vorbehaltlos auf eine virtuelle Doppelbesteuerung abhebt (ständige Spruchpraxis, deutlich z.B. Senatsurteil vom 24. August 2011 I R 46/10, BFHE 234, 339, BStBl II 2014, 764), (noch) keinen Niederschlag gefunden. Durch § 24 Abs. 1 KonsVerCHEV wird indessen genau das sinn- und zweckverändert. Der Regelung käme der Charakter einer Rückfallklausel zu, die im Abkommen nicht angelegt ist, diesem vielmehr widerspricht (Lehner, IStR 2011, 733, 736, dort auch spezifisch für die Situation der Abfindungszahlung an ehemalige Arbeitnehmer). § 2 Abs. 2 AO n.F. ermächtigt jedoch nicht zu Ergänzungen vereinbarter Abkommen; hierzu bedarf es vielmehr der abermaligen Zustimmung des nationalen Parlaments (Lehner, IStR 2011, 733, 735). Solange diese Zustimmung fehlt, bleibt "die Grenzziehung zwischen Auslegung und einer an den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG scheiternden Lückenschließung (...)", darin ist Lehner (IStR 2011, 733, 739) uneingeschränkt beizupflichten, "Aufgabe der Judikative".
- 22
-
b) Lassen sich die vorbenannten Mängel nicht ausräumen, ist die Rechtsverordnung zu verwerfen. Dazu sind die Fachgerichte und damit der Senat befugt (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 12. Dezember 1984 1 BvR 1249/83, 1 BvR 1745/83, 1 BvR 1746/83, 1 BvR 1752/83, 1 BvR 1753/83, 1 BvR 1757/83, 1 BvR 1769/83, 1 BvR 1719/83, 1 BvR 1720/83, BVerfGE 68, 319, BVerfGE 68, 319, 325; BVerfG-Urteil vom 18. Dezember 1985 2 BvR 1167/84, 2 BvR 1185/84, 2 BvR 1636/84, 2 BvR 308/85, 2 BvQ 18/84, BVerfGE 71, 305, 337; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 2 AO Rz 43g, m.w.N.), und so geschieht es denn auch im Streitfall.
- 23
-
6. Unabhängig von diesen Erwägungen scheitert die erstrebte Verbindlichkeit für das Streitjahr auch daran, dass die verwaltungsseitig vorgegebene Auslegung nach § 26 KonsVerCHEV erstmals mit Wirkung vom 23. Dezember 2010 gilt, nicht aber für den bis dahin abgelaufenen Teil des Jahres 2010.
- 24
-
a) Der Senat legt seiner Auslegung von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in ebenfalls ständiger Spruchpraxis aus zeitlicher Sicht einen sog. statischen, keinen sog. dynamischen Auslegungsmodus zugrunde (vgl. z.B. Senatsurteile vom 16. Januar 2014 I R 30/12, BFHE 244, 354, BStBl II 2014, 721; vom 9. Februar 2011 I R 54, 55/10, BFHE 232, 476, BStBl II 2012, 106; vom 25. Mai 2011 I R 95/10, BFHE 234, 63; vom 8. Dezember 2010 I R 92/09, BFHE 232, 137, BStBl II 2011, 488; vom 23. September 2008 I R 57/07, BFH/NV 2009, 390; Senatsbeschluss vom 19. Mai 2010 I B 191/09, BFHE 229, 322, BStBl II 2011, 156, jeweils m.w.N.). Eine Verwaltungspraxis, welche sich erst nach Inkrafttreten eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bildet, wirkt auf die Auslegung des Abkommens prinzipiell nicht zurück. Das gilt in erster Linie für Verwaltungsverlautbarungen, wie beispielsweise die Musterkommentierung der OECD zu deren Musterabkommen. Das gilt aber auch für bilaterale Konsultationsvereinbarungen. Abermals hindert Art. 31 WÜRV ein solches Verständnis nicht: Ein Vertrag ist danach nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seiner Bestimmung in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Außer dem bei der Auslegung zu berücksichtigenden und in Art. 31 Abs. 2 WÜRV näher beschriebenen systematischen "Zusammenhang" sind nach Art. 31 Abs. 3 WÜRV in gleicher Weise zu berücksichtigen: a) jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrages oder die Anwendung seiner Bestimmungen sowie b) jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrages, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht. So gesehen kann ein übereinstimmendes Abkommensverständnis und eine gemeinsame "Übung" der beteiligten Finanzverwaltungen für eine Abkommensauslegung bedeutsam sein (s. z.B. Senatsurteile vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFHE 215, 237, BStBl II 2010, 778, sowie I R 18/04, BFH/NV 2007, 875, beide zu leitenden Angestellten als sog. Grenzgänger i.S. von Art. 15 Abs. 4, Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992), das aber immer nur insofern, als sie nicht dem Wortlaut des Abkommens zuwiderläuft (vgl. Senatsurteil vom 27. August 2008 I R 64/07, BFHE 222, 553, BStBl II 2009, 97). Abgesehen davon, dass das Wiener Übereinkommen (nach dessen Art. 4) ohnehin nur auf Verträge Anwendung findet, die von Staaten geschlossen werden, nachdem das Übereinkommen für sie in Kraft getreten ist --und damit, ohne dass dem weiter nachzugehen wäre, nach Lage der Dinge nicht für das DBA-Schweiz 1971--, erzwingen auch diese Grundsätze eine Regelungsauslegung also immer nur nach Maßgabe jenes Wortlauts.
- 25
-
b) Und das gilt auch hier. Dass die neuerliche Konsultationsvereinbarung inhaltlich im Kern bloß auf der vorangegangenen Verständigungsvereinbarung aus dem Jahre 1992 aufsetzt, ist unbeachtlich. Denn jene Vereinbarung erfüllte die nötigen rechtsstaatlichen Anforderungen einer Auslegungsverbindlichkeit, wie beschrieben, von vornherein nicht. Auch ist es unbeachtlich, dass die Einkommensteuer für das Streitjahr erst am 31. Dezember 2010 entsteht (vgl. § 25 Abs. 1 EStG 2009), mithin nach dem in § 25 KonsVerCHEV bestimmten Anwendungszeitpunkt für die deutsch-schweizerische Konsultationsverordnung am 1. Januar 2010, welcher wiederum seinerseits in Einklang mit Art. 97 § 1 Abs. 9 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (EGAO n.F.) steht; Rechtsverordnungen aufgrund des § 2 Abs. 2 AO n.F. können danach mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum 2010 erlassen werden, sofern die dem Bundesrat zugeleitete Rechtsverordnung vor dem 1. Januar 2011 als Bundesratsdrucksache veröffentlicht worden ist, was hier der Fall ist (s. Bundesrats-Drucksache 716/10 vom 5. November 2010). Das alles mag vor dem Hintergrund des gängigen Verfassungsverständnisses in Deutschland jedenfalls nicht unbedingt einen Verstoß gegen das grundgesetzliche Rückwirkungsverbot auslösen (vgl. grundlegend z.B. BVerfG-Beschluss vom 10. Oktober 2012 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302, BStBl II 2012, 932, m.w.N.; s.a. --bezogen auf Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und deren Überleitung in nationales Recht-- BVerfG-Beschluss vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, BStBl II 1986, 628; insoweit konkret bezogen auf § 2 Abs. 2 AO n.F. einerseits Bisle, IWB 2010, 794; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 2 AO Rz 337; andererseits Nacke, DB 2010, 1149; s. eingehend zum Problem auch Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 2 AO Rz 43d, m.w.N.). Für die Rechtsauslegung des Abkommenstextes bleibt das aber ohne Bedeutung, weil sich die Abkommensauslegung einem einseitigen vertragsstaatlichen Zugriff entzieht, wenn dieser Zugriff zeitlich nach dem zu beurteilenden tatsächlichen Lebenssachverhalt liegt. So liegt es hier, weil die in Rede stehende deutsch-schweizerische Konsultationsvereinbarung als solche in Gestalt der Konsultationsverordnung erst am 23. Dezember 2010 in Kraft getreten ist. Maßgebender Anwendungszeitpunkt für die abkommensüberschreibende Konsultationsvereinbarung kann immer nur der Zeitpunkt sein, in welchem eine solche Vereinbarung tatsächlich in der verfassungsrechtlich gebotenen Form in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist. Rückwirkende Anwendungsanordnungen vertragen sich damit nicht und scheiden aus. Insofern gilt nichts anderes als für das Abkommen als solches, für das Art. 32 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971 den Anwendungszeitpunkt für das Jahr bestimmt, das dem Jahr folgt, in welchem das Abkommen infolge Austauschs der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten ist (oder neuerlich auch in der bereits zitierten ministeriellen "Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen" vom 17. April 2013, nach deren Art. 31 Abs. 1 und 2 der Anwendungszeitpunkt des ratifizierten Abkommens auf den 1. Januar desjenigen Kalenderjahres justiert wird, das dem Jahr folgt, in welchem das Abkommen infolge Austauschs der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten ist). Nur so kann sichergestellt werden, dass das bilateral Vereinbarte in beiden Vertragsstaaten zu ein- und demselben Zeitpunkt anzuwenden ist und genau diejenige Gefahr einer doppelten Besteuerung, ggf. auch doppelten Nichtbesteuerung, vermieden wird, der es nach den Absichten der vereinbarungsbeteiligten Vertragsstaaten (auch) bei einer abkommensverändernden Konsultationsvereinbarung entgegenzutreten gilt (s. zu alledem auch Gosch in Kaeser [Hrsg.], Festgabe für F. Wassermeyer, 2015, Stichwort 29, dort unter III.).
- 26
-
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2, § 136 Abs. 1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung.
(1) Eine teilweise Freistellung von Abzugsteuern nach § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes bei Arbeitslöhnen kommt bei Abwanderern so lange nicht in Betracht, wie Artikel 4 Absatz 4 des Abkommens anzuwenden ist.
(2) Die Regelung des Artikels 4 Absatz 4 des Abkommens ist nicht anzuwenden, wenn der Wegzug in die Schweiz wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt.
(3) Für die Anrechnung schweizerischer Steuern im Lohnsteuerabzugsverfahren gilt: In entsprechender Anwendung des § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes rechnet der Arbeitgeber auf Grund einer Anrechnungsbescheinigung des Betriebstättenfinanzamts einen bestimmten Betrag als schweizerische Steuer vorläufig auf die 4,5 Prozent des Bruttobetrages der Vergütungen übersteigende deutsche Lohnsteuer an. Der Grenzgänger-Abwanderer hat die Anrechnungsbescheinigung beim Betriebstättenfinanzamt zu beantragen. Dem Antrag hat er seinen letzten schweizerischen Steuer- oder Vorauszahlungsbescheid beizufügen. Nach Ablauf des Kalenderjahrs wird zur endgültigen Anrechnung der schweizerischen Steuer auf Antrag des Grenzgänger-Abwanderers eine Veranlagung durchgeführt. Der Antrag auf Durchführung der Veranlagung ist gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung der Anrechnungsbescheinigung zu stellen.
Tatbestand
- 1
-
I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer ablehnenden Billigkeitsentscheidung (Antrag auf Erlass der Einkommensteuer des Streitjahres 2004).
- 2
-
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein deutscher Staatsangehöriger, verzog im April 2004 von X in die Schweiz. Dort hatte er einen gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Lebenspartnerin, einer Schweizer Staatsangehörigen; die Partner heirateten im Januar 2008.
- 3
-
Zum 31. März 2004 gab der Kläger seine bisherige Berufstätigkeit in X auf; seit 15. April 2004 arbeitete er wieder in Deutschland. Seither ist er Grenzgänger aus der Schweiz. Neben Einkünften aus der nichtselbständigen Tätigkeit erzielte der Kläger im Streitjahr aus Deutschland außerdem (negative) Einkünfte aus der Vermietung eines Grundstücks sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen.
- 4
-
Am 30. Januar 2006 gab der Kläger eine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als beschränkt Steuerpflichtiger ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) wies den Kläger darauf hin, dass eine Veranlagung nach Maßgabe der unbeschränkten Steuerpflicht durchzuführen sei. Das FA bat um Einreichung einer entsprechenden Erklärung unter Angabe der nach dem Wegzug erzielten deutschen und schweizerischen Einkünfte und um Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) --DBA-Schweiz 1971--.
- 5
-
Im Rahmen des Verfahrens zur Festsetzung der Einkommensteuer des Streitjahres trug der Kläger u.a. vor, dass er wegen Heirat in die Schweiz verzogen sei. Aufgrund der Billigkeitsregelung in Tz. 41 des gemeinsamen Einführungsschreibens zur Neuregelung der Grenzgängerbesteuerung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 19. September 1994, BStBl I 1994, 683 [für Besteuerungssachverhalte ab 1. Januar 2010: § 18 Abs. 2 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20. Dezember 2010, BGBl I 2010, 2187, BStBl I 2011, 146], sowie Schreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung --EStV-- vom 6. September 1994, abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland, A 3.3.10) habe er einen Anspruch auf Erlass der Einkommensteuer. Das FA setzte die Einkommensteuer unter Anwendung des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 fest und verwies den Kläger auf die Möglichkeit, sein Erlassbegehren in einem gesonderten Verfahren zu verfolgen. Die Steuerfestsetzung ist bestandskräftig. Einen Erlass der Einkommensteuer lehnte das FA später ab. Die anschließende Klage blieb erfolglos (Finanzgericht --FG-- Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 6. Mai 2010 3 K 3043/09, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2010, 1980).
- 6
-
Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung materiellen und formellen Rechts; er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids in der Fassung der Einspruchsentscheidung die festgesetzte deutsche Einkommensteuer zu erlassen, hilfsweise, das FA zu verpflichten, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) neu zu bescheiden.
- 7
-
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 8
-
II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
- 9
-
Die Ablehnung des FA, die Einkommensteuer zu erlassen, ist nicht rechtswidrig. Der Kläger hat daher weder einen Anspruch auf Erlass der Einkommensteuer noch auf Neubescheidung seines Erlassantrags.
- 10
-
1. Nach § 163 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) kann eine Steuer u.a. niedriger festgesetzt werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falles unbillig ist; § 227 Halbsatz 1 AO sieht vor, dass die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen können, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig ist. Die Unbilligkeit der Erhebung einer Steuer, an die §§ 163, 227 AO die Möglichkeit einer abweichenden Steuerfestsetzung oder eines Erlasses knüpfen, kann sich aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen ergeben, wobei die Beteiligten des Streitfalles zu Recht nur um die erste Variante streiten. Sachlich unbillig ist die Erhebung vor allem dann, wenn sie im Einzelfall nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft. Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestandes einer Vorschrift bewusst in Kauf genommen hat, stehen jedoch dem Erlass entgegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 19. März 2009 V R 48/07, BFHE 225, 215, BStBl II 2010, 92).
- 11
-
Abweichende Steuerfestsetzung und Erlass sind Maßnahmen der finanzbehördlichen Billigkeit im Steuerschuldverhältnis, über die in einem vom Steuerfestsetzungsverfahren gesonderten Verfahren durch eigenständigen Verwaltungsakt zu entscheiden ist. Dieser Verwaltungsakt unterliegt, wenn die begehrte Billigkeitsmaßnahme abgelehnt wurde, nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung (§ 102 FGO); diese beschränkt sich darauf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht beachtet wurden oder Ermessen fehlerhaft ausgeübt wurde.
- 12
-
Ist eine Finanzbehörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 5 AO). Vorgesetzte Dienststellen können dazu ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften erlassen, die unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung und damit der Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) von Bedeutung sein können; das gilt aber nur, wenn sich die in ihnen getroffenen Regelungen innerhalb der Grenzen halten, die das Grundgesetz und die Gesetze der Ausübung des Ermessens setzen. Deshalb muss bei einer Billigkeitsrichtlinie die getroffene Regelung Recht und Billigkeit entsprechen (z.B. BFH-Urteil in BFHE 225, 215, BStBl II 2010, 92). Dabei ist für die Auslegung einer ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift nicht maßgeblich, wie das Gericht eine solche Verwaltungsanweisung versteht, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte. Das Gericht darf daher solche Verwaltungsanweisungen nicht selbst auslegen, sondern nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist (z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460).
- 13
-
2. Das FA hat --wie das FG zutreffend entschieden hat-- weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens unbeachtet gelassen noch sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Der Ablehnungsbescheid ist daher nicht rechtswidrig.
- 14
-
a) Nach Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 darf unter bestimmten Voraussetzungen eine von Deutschland in die Schweiz verzogene Person u.a. im Jahr des Wegzugs mit ihren aus Deutschland stammenden Einkünften in Deutschland besteuert werden. Darum geht es im Streitfall, da der Kläger im Streitjahr von Deutschland in die Schweiz verzogen ist und in der Folgezeit weiterhin Einkünfte aus einer in Deutschland und für einen deutschen Arbeitgeber ausgeübten Tätigkeit (und weitere aus Deutschland stammende Einkünfte) erzielt hat. Inhalt der Regelung ist eine Verzögerung der Gewährung der Abkommensvorteile für den sog. Wegzüger, um einer "Steuerflucht" entgegenzuwirken (s. Senatsurteil vom 2. September 2009 I R 111/08, BFHE 226, 276, 282, BStBl II 2010, 387, 390). Dass die aus dem Wortlaut dieser Norm ableitbaren Voraussetzungen erfüllt bzw. die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung in Satz 4 des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 nicht erfüllt sind und dass das FA das daraus erwachsene deutsche Besteuerungsrecht dem Grunde und der Höhe nach zutreffend in der Steuerfestsetzung umgesetzt hat, steht nicht im Streit.
- 15
-
b) Das BMF hat in seinem Einführungsschreiben zur Neuregelung der sog. Grenzgängerbesteuerung (in BStBl I 1994, 683) allerdings bestimmt, dass Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 nicht anzuwenden ist, "wenn der Wegzug in die Schweiz wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt" (Tz. 41). Dies geht auf eine Verständigungsvereinbarung des BMF mit der EStV "betr. Wegzüger-Grenzgänger" zurück (Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 21. April 1977/Schreiben der EStV vom 10. August 1977, abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 4.4 Nr. 13). Diese Regelung kam rückwirkend zum Inkrafttreten des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (ab dem Jahr 1972) zur Anwendung (z.B. Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 12. Oktober 1977, abgedruckt in Locher/Meier/ von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 4.4 Nr. 14). Motive für diese Vereinbarung aus deutscher Sicht sind nicht veröffentlicht. Grundgedanke der Regelung ist aus schweizerischer Sicht, "der Familienzusammenführung einen höheren Stellenwert einzuräumen als der vom Gesetz als Regelfall vermuteten 'Steuerflucht'"; diese "familiären Gründe" könnten jedenfalls durch einen Zeitablauf von 10 Monaten zwischen Wegzug und Heirat (Hinweis auf "für diesen Anlass üblicherweise zu treffende Vorbereitungen") noch nicht entfallen sein (so die EStV in einer Niederschrift zu einer [gescheiterten] Verständigungsregelung vom 7. April 2005, abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 4.4 Nr. 26). Die deutschen Finanzbehörden der Länder haben zu dieser Verständigungsvereinbarung zwischen BMF und EStV Verwaltungsanweisungen erlassen (u.a. die Oberfinanzdirektion Karlsruhe in Fach A Teil 4 Nr. 1 des sog. Grenzgängerhandbuchs), nach der ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Wegzug und Heirat erforderlich ist; dieser sei "als noch gegeben anzusehen, wenn die Heirat in einem Zeitraum von sechs Monaten vor und sechs Monaten nach dem Wegzug erfolgt".
- 16
-
c) Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 19. November 2003 I R 64/02 (BFH/NV 2004, 765) entschieden, dass die genannte Regelung über den klaren Wortlaut des Abkommens hinausgeht und deshalb nur als Billigkeitsregelung gewertet werden kann. Eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung liegt darin nicht, weil der Wortlaut des Abkommens für diese Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 keinen Anhalt gibt (so auch die dortige Vorinstanz --FG Baden-Württemberg-- im Urteil vom 5. August 2002 12 K 297/01, EFG 2003, 913; zustimmend Hahn, juris-Praxisreport Steuerrecht 1/2004 Anm. 4; Wilke in Gosch/Kroppen/ Grotherr, DBA-Kommentar, Art. 4 DBA-Schweiz Rz 69; Brandis in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 15a Schweiz Rz 35; wohl auch Walter, Internationale Wirtschaftsbriefe 2007, 661 [Fach 5, Gruppe 2, S. 633, 636 f.]; s.a. --bezogen auf Tz. 14 des BMF-Schreibens in BStBl I 1994, 683-- Senatsurteil vom 11. November 2009 I R 15/09, BFHE 227, 419, BStBl II 2010, 602). Es geht damit entgegen der Ansicht der Revision bei der Frage, ob der Kläger die Voraussetzungen der Billigkeitsregelung ("Wegzug wegen Heirat") erfüllt, nicht darum, einen unbestimmten Rechtsbegriff --als (negative) Tatbestandsvoraussetzung einer Eingriffsnorm-- auszulegen; insoweit ist die Lage mit dem auf Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz 1971 bezogenen Senatsurteil in BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387 nicht vergleichbar. Vielmehr geht es um das Maß der (behördlichen) Billigkeitsregelung, die nicht eigenständig Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle im Rahmen des § 102 FGO ist.
- 17
-
d) Der Kläger hält die Billigkeitsregelung im gerichtlichen Verfahren für beachtlich. Denn die darin aufgenommene Zeitregel sei als "willkürliche" Einschränkung der Begünstigung anzusehen; nach der Grundregel "Wegzug wegen Heirat" sei deshalb in seinem Sinne zu entscheiden. Dem ist nicht beizupflichten. Richtigerweise geht es darum, ob die Billigkeitsregelung in der Ausgestaltung, die sie tatsächlich gefunden hat --hier: Begünstigung einer Familienzusammenführung, aber nur bei einer Heirat und nur im zeitlichen Zusammenhang mit dem Wegzug--, in Einklang mit dem Wortlaut und dem Regelungszweck des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 noch als sachgerechte Beschreibung einer sachlichen Unbilligkeit der gesetzlichen Regelung verstanden werden kann. Wäre dies nicht der Fall, könnte sich der Kläger im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der ablehnenden Ermessensentscheidung der Behörde schon von daher nicht zu seinen Gunsten auf Tz. 41 des BMF-Schreibens in BStBl I 1994, 683 berufen. Der Senat folgt indessen der --unter den Beteiligten nicht streitigen-- Einschätzung des FG, dass der Dispens von der Anwendung der Abwandererregelung im Falle einer Familienzusammenführung durch Heirat eine sachliche Unbilligkeit vermeidet und dass --insoweit vom FG ausdrücklich festgestellt-- die Zeitregel der 6-monatigen Frist vor oder nach dem Wegzug als willkürfreie Indizienregel für den sachlichen Zusammenhang zwischen Wegzug und Heirat anzusehen ist.
- 18
-
Dazu hat das FG zur Zeitgrenze ausgeführt, dass der Wortlaut "wegen Heirat" die von der Verwaltung vertretene Auslegung zulasse. Damit werde für Rechtssicherheit gesorgt: Die Frage, wann der definitive Entschluss zur Eheschließung gefallen sei (und ob er ggf. zwischenzeitlich weggefallen und später wieder neu gefasst worden sei), sei eine innere Tatsache. Sie könne letztlich nur jeder Ehegatte für sich selbst zweifelsfrei beantworten; dieses Wissen gehöre außerdem zur engsten Privatsphäre eines Menschen. Jegliche Sachverhaltsaufklärung durch Finanzbehörden oder Gerichte erfordere ein Eindringen in diese Sphäre; zudem seien die Überprüfungsmöglichkeiten der Angaben naturgemäß eingeschränkt. Daher könne die Finanzverwaltung --letztlich wohl aus Zweckmäßigkeitserwägungen-- in die Formulierung "wegen Heirat" auch ein Zeitmoment hineinlesen, um dem Rechnung zu tragen. Eine zeitliche Grenze schaffe zudem Planungssicherheit für Heiratswillige, vermittele Steuerpflichtigen über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung Vertrauensschutz und setze sie insoweit nicht den möglichen Unwägbarkeiten einer späteren Tatsachen- und Beweiswürdigung durch Dritte aus. Diesen Erwägungen des FG, die die von den Finanzbehörden gezogene Zeitgrenze als jedenfalls willkürfrei beschreiben, stimmt der Senat zu. Im Übrigen wird man auch der Stellungnahme der EStV in der Niederschrift vom 7. April 2005 (a.a.O.) eine Zeitgrenze entnehmen können.
(1) Verträge mit anderen Staaten im Sinne des Artikels 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes über die Besteuerung gehen, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, den Steuergesetzen vor.
(2) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung oder doppelten Nichtbesteuerung mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zu erlassen. Konsultationsvereinbarungen nach Satz 1 sind einvernehmliche Vereinbarungen der zuständigen Behörden der Vertragsstaaten eines Doppelbesteuerungsabkommens mit dem Ziel, Einzelheiten der Durchführung eines solchen Abkommens zu regeln, insbesondere Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung des jeweiligen Abkommens bestehen, zu beseitigen.
(3) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften zu erlassen, die
- 1.
Einkünfte oder Vermögen oder Teile davon bestimmen, für die die Bundesrepublik Deutschland in Anwendung der Bestimmung eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf Grund einer auf diplomatischem Weg erfolgten Notifizierung eine Steueranrechnung vornimmt, und - 2.
in den Anwendungsbereich der Bestimmungen über den öffentlichen Dienst eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung diejenigen Körperschaften und Einrichtungen einbeziehen, die auf Grund einer in diesem Abkommen vorgesehenen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden bestimmt worden sind.
(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.
(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.
(3) Der Bundesrat kann der Bundesregierung Vorlagen für den Erlaß von Rechtsverordnungen zuleiten, die seiner Zustimmung bedürfen.
(4) Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt.
Tenor
-
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 8. Oktober 2013 10 K 2176/11 aufgehoben, soweit dieses wegen Feststellung der Steuerermäßigung nach § 10a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes ergangen ist. Die Klage wird insoweit als unzulässig abgewiesen.
-
Im Übrigen wird die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
-
Die Kosten des gesamten Rechtsstreits fallen dem Beklagten zur Last.
Tatbestand
- 1
-
A. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wohnte im Streitjahr 2010 bis zum 30. April im Inland und übte hier eine nichtselbständige Tätigkeit aus. Am 1. Mai verzog er in die Schweiz, wo er eine neue nichtselbständige Tätigkeit aufnahm.
- 2
-
Das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und seinem seinerzeitigen inländischen Arbeitgeber wurde mit Vertrag vom 16./29. Dezember 2009 aus dringenden betrieblichen Gründen einvernehmlich zum 31. Juli 2010 beendet. Der Kläger wurde unter Fortzahlung der regulären Bezüge sowie unter Zahlung von Boni für 2009 und 2010 zum 1. Januar 2010 unwiderruflich freigestellt. Er konnte seinerseits das Arbeitsverhältnis mit 14-tägiger Kündigungsfrist auch vor dem 31. Juli 2010 beenden. Als Entschädigung für den Verlust des Anstellungsverhältnisses und zum Ausgleich bereits entstandener und der damit in Zukunft verbundenen beruflichen und finanziellen Nachteile vereinbarten die Vertragspartner eine Abfindung in Höhe eines Einmalbetrages von 780.500 €. Für den Fall einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Erklärung des Klägers sollte sich der Abfindungsbetrag um das ansonsten zwischen dem Beendigungsdatum und dem am 31. Juli 2010 fällige Grundgehalt erhöhen. Die Versteuerung sollte durch den Arbeitgeber erfolgen.
- 3
-
Die Abfindung wurde im September 2010 gezahlt. Der ehemalige Arbeitgeber behielt darauf 337.990 € an Lohnsteuer und 18.589,45 € an Solidaritätszuschlag ein. Zuvor war eine vom Kläger angestrebte lohnsteuerliche Freistellung der Abfindung durch das zuständige Betriebsstättenfinanzamt gescheitert.
- 4
-
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2010 behandelte der Kläger einen Betrag von 785.194 € als nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) --DBA-Schweiz 1971-- steuerfreien Arbeitslohn. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) behandelte den Betrag demgegenüber als Entschädigung für mehrere Jahre, die in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) als Arbeitslohn nach § 19 i.V.m. § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2009) ermäßigt zu versteuern sei. Das Besteuerungsrecht Deutschlands ergebe sich aus Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 und der dazu ergangenen (ergänzenden) deutsch-schweizerischen Konsultationsvereinbarung zur Besteuerung von Abfindungszahlungen vom 17. März 2010, bekanntgegeben durch das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 25. März 2010 (BStBl I 2010, 268), Letztere i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 2 und § 25 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft --Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarungsverordnung (KonsVerCHEV)-- vom 20. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 2187, BStBl I 2010, 146). Die in der Schweiz erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wurden gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 2009 beim sog. Progressionsvorbehalt berücksichtigt.
- 5
-
Die Klage gegen die hiernach ergangenen Bescheide über Einkommensteuer und Feststellung der Steuermäßigung nach § 10a Abs. 4 EStG 2009 war erfolgreich. Das Hessische Finanzgericht (FG) gab ihr durch Urteil vom 8. Oktober 2013 10 K 2176/11, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 288 statt.
- 6
-
Das FA stützt seine Revision auf Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 7
-
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
- 8
-
Dem Revisionsverfahren ist das BMF beigetreten. Es schließt sich in der Sache dem FA an, ohne eigene Anträge zu stellen.
Entscheidungsgründe
- 9
-
B. Die Revision ist nur im Hinblick auf die Feststellung der Steuerermäßigung nach § 10a Abs. 4 Satz 1 EStG 2009 begründet, weil die Klage insoweit unzulässig ist. Im Übrigen aber ist sie unbegründet.
- 10
-
I. Die Anfechtung des Feststellungsbescheids gemäß § 10a Abs. 4 Satz 1 EStG 2009 ist unzulässig. Es handelt sich bei diesem Bescheid bezogen auf den angefochtenen Einkommensteuerbescheid um einen Folgebescheid (vgl. § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung --AO--). Das ergibt sich aus § 10a Abs. 4 Satz 1 letzter Halbsatz EStG 2009, wonach § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG 2009 auf die Feststellung entsprechend anzuwenden ist, und in jener Vorschrift ist die Grundlagenwirkung des Einkommensteuerbescheids justiert (s. dazu z.B. Schmidt/Heinicke, EStG, 34. Aufl., § 10d Rz 41; Schmidt/Weber-Grellet, ebenda, § 10a Rz 30, m.w.N.).
- 11
-
II. Im eigentlichen Streitpunkt ist die Revision jedoch unbegründet. Das Deutschland nach innerstaatlichem Recht zustehende Besteuerungsrecht für die Abfindung wurde durch das DBA-Schweiz 1971 beschränkt; das Besteuerungsrecht steht nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 der Schweiz als dem (nunmehrigen) Wohnsitzstaat des Klägers zu.
- 12
-
1. Der Kläger hat seinen Wohnsitz seit dem 1. Mai des Streitjahres in der Schweiz und ist seitdem in Deutschland nicht mehr --wie zuvor-- unbeschränkt (vgl. § 1 Abs. 1 EStG 2009), sondern beschränkt (vgl. § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 EStG 2009) steuerpflichtig. Letzteres betrifft nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG 2009 auch seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG 2009), die im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder --und insofern hier bezogen auf die in Rede stehende Abfindungszahlung allein einschlägig-- "worden ist". Es betrifft nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG 2009 zudem Einkünfte, die als Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG 2009 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, soweit die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte --wie vorliegend-- der inländischen Besteuerung unterlegen haben. Die Vorinstanz geht übereinstimmend mit den Beteiligten davon aus, dass es sich bei der an den Kläger geleisteten Abfindungszahlung um eine derartige Entschädigung handelt, nicht aber um nachträglichen Arbeitslohn. Auch der Senat hat keinen Anlass, diese Sachverhaltswürdigung in Frage zu stellen.
- 13
-
2. Deutschland steht infolge des mit der Schweiz geschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung jedoch das Besteuerungsrecht an der Zahlung nicht zu: Art. 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 DBA-Schweiz 1971 bestimmt, dass Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden können, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden. Daraus folgt nach ständiger Spruchpraxis des Senats (z.B. Urteile vom 2. September 2009 I R 111/08, BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387; I R 90/08, BFHE 226, 267, BStBl II 2010, 394; vom 24. Juli 2013 I R 8/13, BFHE 245, 291, BStBl II 2014, 929, jeweils m.w.N.), dass Abfindungen anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses nicht im Tätigkeitsstaat, sondern im Ansässigkeitsstaat zu besteuern sind. Denn bei Abfindungen handelt es sich unbeschadet dessen, dass sie nach dem insoweit maßgebenden innerstaatlichen Recht (vgl. Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971) Arbeitslohn (§ 19 EStG 2009) sind, nicht um ein zusätzliches Entgelt für eine frühere Tätigkeit i.S. des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971. Sie werden nicht für eine konkrete im Inland oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt, sondern gerade für den Verlust des Arbeitsplatzes. Ein bloßer Anlasszusammenhang zwischen Zahlung und Tätigkeit genügt nach dem Abkommenswortlaut ("dafür") indes nicht. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Spruchpraxis, an welcher festzuhalten ist, prinzipiell angeschlossen (BMF-Schreiben vom 14. September 2006, BStBl I 2006, 532, dort Tz. 6.3 Rz 121, und --nunmehr mit Wirkung ab 1. Januar 2015-- vom 12. November 2014, BStBl I 2014, 1467, dort Tz. 5.5.4 Rz 178 ff.).
- 14
-
3. Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387 weiter entschieden hat, ändert sich an dieser Rechtsauffassung infolge der ursprünglichen (vgl. BMF-Schreiben vom 20. Mai 1997, BStBl I 1997, 560), durch das BMF-Schreiben vom 13. Oktober 1992 (Recht der Internationalen Wirtschaft 1993, 82; vgl. auch BStBl I 1997, 560) bekanntgegebenen Verständigungsvereinbarung der deutschen und eidgenössischen Finanzbehörden zur Besteuerung von Abfindungen nichts. Dabei verbleibt es auch vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich ergangenen ergänzenden Konsultationsvereinbarung vom 17. März 2010.
- 15
-
a) Das BMF und die Eidgenössische Steuerverwaltung haben sich in jenen Vereinbarungen auf der Basis von Konsultationsverhandlungen nach Maßgabe des Art. 26 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 darauf verständigt, das Besteuerungsrecht der beiden Vertragsstaaten danach zuzuteilen, ob der Abfindung Versorgungscharakter beizumessen ist oder ob es sich um eine Nachzahlung von Lohn, Gehalt oder Tantiemen aus dem früheren Arbeitsverhältnis handelt oder die Abfindung allgemein für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst gewährt wird. In dem ersten Fall kann --nach Satz 2 der Vereinbarungen-- die Abfindung danach gemäß Art. 18 DBA-Schweiz 1971 nur im Wohnsitzstaat des Empfängers besteuert werden, im zweiten Fall soll nach Satz 3 der Vereinbarungen gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 das sog. Tätigkeitsortsprinzip gelten. Hintergrund dieser Vereinbarung ist der Umstand, dass andernfalls aufgrund der unterschiedlichen Verwaltungspraxis in Deutschland und in der Schweiz über die Besteuerungszuordnung die Gefahr sog. weißer Einkünfte, also der doppelten Nichtbesteuerung, bestand.
- 16
-
b) Der Senat misst einer derartigen zwischenstaatlichen Konsultationsvereinbarung --in Einklang mit den Grundsätzen zur Auslegung von Verträgen nach Art. 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 --WÜRV-- (BGBl II 1985, 927), in innerstaatliches Recht transformiert seit Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 3. August 1985 (BGBl II 1985, 926) am 20. August 1987 (BGBl II 1987, 757)-- zwar Bedeutung für die Auslegung der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei. Er hat jedoch wiederholt klar zum Ausdruck gebracht, dass die "Grenzmarke" für das richtige Abkommensverständnis immer nur der Abkommenswortlaut sein kann. Wird das in der Konsultationsvereinbarung gefundene Abkommensverständnis durch den Wortlaut nicht gedeckt, kann die Vereinbarung die Abkommensauslegung durch die Gerichte nicht beeinflussen oder die Gerichte gar binden. Auch daran ist uneingeschränkt festzuhalten und auf das zitierte Urteil in BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387 ist deswegen zu verweisen.
- 17
-
4. Allerdings haben sich die Vereinbarungsgrundlagen zwischenzeitlich geändert. Der Gesetzgeber hat vermittels des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010) mit § 2 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO n.F.-- (erstmals) eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen, wonach --so Satz 1 der Vorschrift-- das BMF ermächtigt wird, zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung oder doppelten Nichtbesteuerung mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zu erlassen. Konsultationsvereinbarungen in diesem Sinne sind nach Satz 2 der Vorschrift einvernehmliche Vereinbarungen der zu-ständigen Behörden der Vertragsstaaten eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mit dem Ziel, Einzelheiten der Durchführung eines solchen Abkommens zu regeln, insbesondere Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung des jeweiligen Abkommens bestehen, zu beseitigen. Mit diesem tatbestandlich umschriebenen Inhalt zielt die Neuregelung darauf ab, zwischenstaatlichen behördlichen Konsultationsvereinbarungen i.S. von Art. 25 Abs. 3 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-MustAbk) den Rang einer Rechtsverordnung zu verleihen. In § 24 Abs. 1 KonsVerCHEV ist das für die im Streitfall in Rede stehenden Arbeitnehmer-Abfindungen geschehen; die Deutsch-Schweizerische Konsultationsverbindung vom 17. März 2010 ist darin textlich übernommen worden.
- 18
-
5. Es ist im Schrifttum kontrovers, ob die neugeschaffene Ermächtigungsgrundlage den dafür gebotenen Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) genügt und im Ergebnis geeignet ist, die seitens der Finanzverwaltung beanspruchte (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 1467, dort Tz. 5.5.4.2 Rz 183 ff.) Verbindlichkeit der zwischenstaatlich gefundenen Abkommensauslegung herbeizuführen. Überwiegend wird das verneint und dem schließt sich der Senat an. Die Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarung vom 17. März 2010 genügt trotz ihrer unilateralen "Anhebung" in eine Rechtsverordnung den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts nach Art. 20 Abs. 3 GG nicht. Sie fußt mit § 2 Abs. 2 AO n.F. nicht auf einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, in welcher Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung jedenfalls bezogen auf die Frage nach der Besteuerung von Abfindungszahlungen an einen (ehemals) nichtselbständig tätigen Arbeitnehmer hinreichend bestimmt werden. Dessen aber hätte es nach Art. 80 Abs. 1 GG bedurft.
- 19
-
a) Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG können durch Gesetz die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen dabei Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Das ist hier nicht gelungen.
- 20
-
aa) Zwar gilt gewissermaßen "natürlich" der Grundsatz, dass ein Gesetz nicht durch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift außer Kraft gesetzt oder abgeändert werden kann, ebenso wie seine Durchbrechung durch einen Verwaltungsakt und seine Verdrängung durch eine Rechtsnorm, die im Vergleich zum Gesetz von niedrigerem Range ist, also eine Rechtsverordnung, eine Gemeindesatzung, ausgeschlossen ist. Das ergibt sich unmittelbar aus dem "Vorrang des Gesetzes" (Art. 20 Abs. 3 GG): "Der in der Form des Gesetzes geäußerte Staatswille geht rechtlich jeder anderen staatlichen Willensäußerung vor", so das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 6. Mai 1958 2 BvL 37/56, 2 BvL 11/57 (BVerfGE 8, 155). Dieser Vorrang des Gesetzes --also die dem Gesetz kraft Verfassungsrechts innewohnende Eigenschaft, staatliche Willensäußerungen niedrigeren Ranges rechtlich zu hindern oder zu zerstören-- kann sich aber naturgemäß nur auswirken, wo ein Widerspruch zwischen dem Gesetz und der Willensäußerung niederen Ranges besteht. Es bedarf keiner Ausführung, dass eine staatliche Willensäußerung, die das Gesetz befolgt und in Einklang mit ihm steht, nicht am Vorrang des Gesetzes scheitern kann. Im Einzelnen ist dazu beispielhaft auf den besagten Beschluss des BVerfG in BVerfGE 8, 155 hinzuweisen. So gesehen mag es auch möglich sein, kraft Verordnung eine Abkommensregelung zu spezifizieren und umzusetzen. Es mag prinzipiell ebenso ausreichen, die gesetzliche Ermächtigung dabei weit zu fassen, solange und soweit die "wesentlichen Konturen" in dem Referenzgesetz --hier also das bilaterale Abkommen in der Umsetzung des "einfachen" Zustimmungsgesetzes-- vom Gesetzgeber vorgegeben werden (s. z.B. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 2 AO Rz 43e, m.w.N.; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 2 AO Rz 327, 332; Oellerich in Beermann/Gosch, AO, § 2 Rz 102; s.a. den vom beigetretenen BMF herangezogenen, allerdings in anderem Zusammenhang des Steuerberatungsgesetzes ergangenen BVerfG-Beschluss vom 3. November 1982 2 BvL 28/81, BVerfGE 62, 203; demgegenüber zweifelnd z.B. Gosch in Mellinghoff/Schön/Viskorf [Hrsg.], Steuerrecht im Rechtsstaat, Festschrift Spindler, 2011, S. 379, 421; derselbe in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 49 Rz 72; anders z.B. Nacke, Der Betrieb --DB-- 2010, 1149; Lehner, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2011, 739 und Finanz-Rundschau --FR-- 2011, 1091). Und es lässt sich schließlich auch hören, wenn argumentiert wird, der Gesetzgeber habe mit seiner Zustimmung zu dem Gesetz zur Überleitung des völkerrechtlichen Vertrages in nationales (einfaches) Recht die Möglichkeit von Konsultationsvereinbarungen auf Basis des Art. 25 Abs. 3 OECD-MustAbk antizipiert und akzeptiert (z.B. Hummel, IStR 2011, 399 ff.; Lehner, IStR 2011, 733, 737, jeweils m.w.N.; insoweit anders Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 2 AO Rz 43f, m.w.N., insbesondere auch aus dem staatsrechtlichen Schrifttum). Doch ist es auch vermittels einer derart gefassten Ermächtigungsregelung ausgeschlossen, den Abkommenstext und damit die besagte Besteuerungszuordnung für die betreffenden Einkünfte zu verändern (s. zu alledem z.B. FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 19. Dezember 2013 3 K 1189/13, Betriebs-Berater --BB-- 2014, 2071; sowie z.B. Hummel, IStR 2011, 397, 399 ff.; Lehner, IStR 2011, 733, und derselbe in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl., Grundlagen Rz 136; Schönfeld/Häck in Schönfeld/ Ditz, DBA, Systematik Rz 100; Dremel, daselbst, Art. 1 Rz 23 ff.; Flüchter, daselbst, Art. 25 Rz 218 ff.; Eilers in Wassermeyer, MA Art. 25 Rz 67; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, MA Art. 15 Rz 79; Kempermann in Flick/ Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 15 Rz 7, s.a. Art. 15a Rz 42; Kubaile, Internationale Wirtschafts-Briefe --IWB-- 2012, 1; Heger, Steuer Wirtschaft International 2011, 95; Micker, IWB 2011, 61; Gosch, BFH/PR 2011, 241; s.a. Musil in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, a.a.O., § 2 AO Rz 234; anders Neyer/Schlepper, FR 2011, 648).
- 21
-
bb) Das aber ist hier der Fall. Der Abkommenstext belässt aus den unter I.2. beschriebenen Gründen für die Frage der Besteuerungszuordnung von Abfindungen an ehemals nichtselbständig tätige Arbeitnehmer keine Spielräume. Und daran ändert auch das in § 2 Abs. 2 Satz 1 AO n.F. qualifizierte zusätzliche Ermächtigungsziel nichts, doppelte Nichtbesteuerungen zu vermeiden. Das mag --in Einklang mit "neuerem Abkommensdenken" der OECD-- das eine oder andere neuere Doppelbesteuerungsabkommen bezwecken, und das findet sich jetzt denn auch in der (ministeriellen) "Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen", BMF-Schreiben vom 17. April 2013, Stand: 22. August 2013 (abgedruckt in IStR, Beihefter 10/2013 unter II. und berichtigt in IStR 2013, 440) wieder. Dieser Paradigmenwechsel aber hat im DBA-Schweiz 1971, das allein die Freistellungsmethode anwendet und damit vorbehaltlos auf eine virtuelle Doppelbesteuerung abhebt (ständige Spruchpraxis, deutlich z.B. Senatsurteil vom 24. August 2011 I R 46/10, BFHE 234, 339, BStBl II 2014, 764), (noch) keinen Niederschlag gefunden. Durch § 24 Abs. 1 KonsVerCHEV wird indessen genau das sinn- und zweckverändert. Der Regelung käme der Charakter einer Rückfallklausel zu, die im Abkommen nicht angelegt ist, diesem vielmehr widerspricht (Lehner, IStR 2011, 733, 736, dort auch spezifisch für die Situation der Abfindungszahlung an ehemalige Arbeitnehmer). § 2 Abs. 2 AO n.F. ermächtigt jedoch nicht zu Ergänzungen vereinbarter Abkommen; hierzu bedarf es vielmehr der abermaligen Zustimmung des nationalen Parlaments (Lehner, IStR 2011, 733, 735). Solange diese Zustimmung fehlt, bleibt "die Grenzziehung zwischen Auslegung und einer an den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG scheiternden Lückenschließung (...)", darin ist Lehner (IStR 2011, 733, 739) uneingeschränkt beizupflichten, "Aufgabe der Judikative".
- 22
-
b) Lassen sich die vorbenannten Mängel nicht ausräumen, ist die Rechtsverordnung zu verwerfen. Dazu sind die Fachgerichte und damit der Senat befugt (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 12. Dezember 1984 1 BvR 1249/83, 1 BvR 1745/83, 1 BvR 1746/83, 1 BvR 1752/83, 1 BvR 1753/83, 1 BvR 1757/83, 1 BvR 1769/83, 1 BvR 1719/83, 1 BvR 1720/83, BVerfGE 68, 319, BVerfGE 68, 319, 325; BVerfG-Urteil vom 18. Dezember 1985 2 BvR 1167/84, 2 BvR 1185/84, 2 BvR 1636/84, 2 BvR 308/85, 2 BvQ 18/84, BVerfGE 71, 305, 337; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 2 AO Rz 43g, m.w.N.), und so geschieht es denn auch im Streitfall.
- 23
-
6. Unabhängig von diesen Erwägungen scheitert die erstrebte Verbindlichkeit für das Streitjahr auch daran, dass die verwaltungsseitig vorgegebene Auslegung nach § 26 KonsVerCHEV erstmals mit Wirkung vom 23. Dezember 2010 gilt, nicht aber für den bis dahin abgelaufenen Teil des Jahres 2010.
- 24
-
a) Der Senat legt seiner Auslegung von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in ebenfalls ständiger Spruchpraxis aus zeitlicher Sicht einen sog. statischen, keinen sog. dynamischen Auslegungsmodus zugrunde (vgl. z.B. Senatsurteile vom 16. Januar 2014 I R 30/12, BFHE 244, 354, BStBl II 2014, 721; vom 9. Februar 2011 I R 54, 55/10, BFHE 232, 476, BStBl II 2012, 106; vom 25. Mai 2011 I R 95/10, BFHE 234, 63; vom 8. Dezember 2010 I R 92/09, BFHE 232, 137, BStBl II 2011, 488; vom 23. September 2008 I R 57/07, BFH/NV 2009, 390; Senatsbeschluss vom 19. Mai 2010 I B 191/09, BFHE 229, 322, BStBl II 2011, 156, jeweils m.w.N.). Eine Verwaltungspraxis, welche sich erst nach Inkrafttreten eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bildet, wirkt auf die Auslegung des Abkommens prinzipiell nicht zurück. Das gilt in erster Linie für Verwaltungsverlautbarungen, wie beispielsweise die Musterkommentierung der OECD zu deren Musterabkommen. Das gilt aber auch für bilaterale Konsultationsvereinbarungen. Abermals hindert Art. 31 WÜRV ein solches Verständnis nicht: Ein Vertrag ist danach nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seiner Bestimmung in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Außer dem bei der Auslegung zu berücksichtigenden und in Art. 31 Abs. 2 WÜRV näher beschriebenen systematischen "Zusammenhang" sind nach Art. 31 Abs. 3 WÜRV in gleicher Weise zu berücksichtigen: a) jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrages oder die Anwendung seiner Bestimmungen sowie b) jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrages, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht. So gesehen kann ein übereinstimmendes Abkommensverständnis und eine gemeinsame "Übung" der beteiligten Finanzverwaltungen für eine Abkommensauslegung bedeutsam sein (s. z.B. Senatsurteile vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFHE 215, 237, BStBl II 2010, 778, sowie I R 18/04, BFH/NV 2007, 875, beide zu leitenden Angestellten als sog. Grenzgänger i.S. von Art. 15 Abs. 4, Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992), das aber immer nur insofern, als sie nicht dem Wortlaut des Abkommens zuwiderläuft (vgl. Senatsurteil vom 27. August 2008 I R 64/07, BFHE 222, 553, BStBl II 2009, 97). Abgesehen davon, dass das Wiener Übereinkommen (nach dessen Art. 4) ohnehin nur auf Verträge Anwendung findet, die von Staaten geschlossen werden, nachdem das Übereinkommen für sie in Kraft getreten ist --und damit, ohne dass dem weiter nachzugehen wäre, nach Lage der Dinge nicht für das DBA-Schweiz 1971--, erzwingen auch diese Grundsätze eine Regelungsauslegung also immer nur nach Maßgabe jenes Wortlauts.
- 25
-
b) Und das gilt auch hier. Dass die neuerliche Konsultationsvereinbarung inhaltlich im Kern bloß auf der vorangegangenen Verständigungsvereinbarung aus dem Jahre 1992 aufsetzt, ist unbeachtlich. Denn jene Vereinbarung erfüllte die nötigen rechtsstaatlichen Anforderungen einer Auslegungsverbindlichkeit, wie beschrieben, von vornherein nicht. Auch ist es unbeachtlich, dass die Einkommensteuer für das Streitjahr erst am 31. Dezember 2010 entsteht (vgl. § 25 Abs. 1 EStG 2009), mithin nach dem in § 25 KonsVerCHEV bestimmten Anwendungszeitpunkt für die deutsch-schweizerische Konsultationsverordnung am 1. Januar 2010, welcher wiederum seinerseits in Einklang mit Art. 97 § 1 Abs. 9 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (EGAO n.F.) steht; Rechtsverordnungen aufgrund des § 2 Abs. 2 AO n.F. können danach mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum 2010 erlassen werden, sofern die dem Bundesrat zugeleitete Rechtsverordnung vor dem 1. Januar 2011 als Bundesratsdrucksache veröffentlicht worden ist, was hier der Fall ist (s. Bundesrats-Drucksache 716/10 vom 5. November 2010). Das alles mag vor dem Hintergrund des gängigen Verfassungsverständnisses in Deutschland jedenfalls nicht unbedingt einen Verstoß gegen das grundgesetzliche Rückwirkungsverbot auslösen (vgl. grundlegend z.B. BVerfG-Beschluss vom 10. Oktober 2012 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302, BStBl II 2012, 932, m.w.N.; s.a. --bezogen auf Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und deren Überleitung in nationales Recht-- BVerfG-Beschluss vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, BStBl II 1986, 628; insoweit konkret bezogen auf § 2 Abs. 2 AO n.F. einerseits Bisle, IWB 2010, 794; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 2 AO Rz 337; andererseits Nacke, DB 2010, 1149; s. eingehend zum Problem auch Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 2 AO Rz 43d, m.w.N.). Für die Rechtsauslegung des Abkommenstextes bleibt das aber ohne Bedeutung, weil sich die Abkommensauslegung einem einseitigen vertragsstaatlichen Zugriff entzieht, wenn dieser Zugriff zeitlich nach dem zu beurteilenden tatsächlichen Lebenssachverhalt liegt. So liegt es hier, weil die in Rede stehende deutsch-schweizerische Konsultationsvereinbarung als solche in Gestalt der Konsultationsverordnung erst am 23. Dezember 2010 in Kraft getreten ist. Maßgebender Anwendungszeitpunkt für die abkommensüberschreibende Konsultationsvereinbarung kann immer nur der Zeitpunkt sein, in welchem eine solche Vereinbarung tatsächlich in der verfassungsrechtlich gebotenen Form in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist. Rückwirkende Anwendungsanordnungen vertragen sich damit nicht und scheiden aus. Insofern gilt nichts anderes als für das Abkommen als solches, für das Art. 32 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971 den Anwendungszeitpunkt für das Jahr bestimmt, das dem Jahr folgt, in welchem das Abkommen infolge Austauschs der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten ist (oder neuerlich auch in der bereits zitierten ministeriellen "Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen" vom 17. April 2013, nach deren Art. 31 Abs. 1 und 2 der Anwendungszeitpunkt des ratifizierten Abkommens auf den 1. Januar desjenigen Kalenderjahres justiert wird, das dem Jahr folgt, in welchem das Abkommen infolge Austauschs der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten ist). Nur so kann sichergestellt werden, dass das bilateral Vereinbarte in beiden Vertragsstaaten zu ein- und demselben Zeitpunkt anzuwenden ist und genau diejenige Gefahr einer doppelten Besteuerung, ggf. auch doppelten Nichtbesteuerung, vermieden wird, der es nach den Absichten der vereinbarungsbeteiligten Vertragsstaaten (auch) bei einer abkommensverändernden Konsultationsvereinbarung entgegenzutreten gilt (s. zu alledem auch Gosch in Kaeser [Hrsg.], Festgabe für F. Wassermeyer, 2015, Stichwort 29, dort unter III.).
- 26
-
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2, § 136 Abs. 1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung.
(1) Ist einer Abfindung Versorgungscharakter beizumessen, steht das Besteuerungsrecht entsprechend Artikel 18 des Abkommens dem Wohnsitzstaat zu. Dagegen hat der (frühere) Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht, sofern es sich bei der Abfindung um Lohn- oder Gehaltsnachzahlungen oder Tantiemen aus dem früheren Arbeitsverhältnis handelt oder die Abfindung allgemein für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst gewährt wird. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer in der Zeit vor dem Ausscheiden aus dem Dienst auch teils in dem Staat, in dem er ansässig ist, tätig war, ist die Abfindung zeitanteilig entsprechend der Besteuerungszuordnung der Vergütungen aufzuteilen.
(2) Werden die Abfindungszahlungen aus Anlass der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, die eine in einem Vertragsstaat wohnende Person nach Wegzug aus dem Tätigkeitsstaat von ihrem ehemaligen, im anderen Vertragsstaat ansässigen Arbeitgeber erhält, nicht im ehemaligen Tätigkeitsstaat besteuert, können diese Abfindungszahlungen im Wohnsitzstaat der Person besteuert werden.
(1) (weggefallen)
(2) Bei Teilzeitbeschäftigten, die nur tageweise im anderen Staat beschäftigt sind, ist die Anzahl von 60 unschädlichen Tagen durch proportionale Kürzung herabzusetzen. Bezugsgrößen sind hierbei die im jeweiligen Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitstage zu den bei Vollzeitbeschäftigung betriebsüblichen Arbeitstagen. Bei einer 5-Tage-Woche ist von 250 betriebsüblichen Arbeitstagen, bei einer 6-Tage-Woche von 300 betriebsüblichen Arbeitstagen auszugehen. Urlaubstage sind bei beiden Rechengrößen aus Vereinfachungsgründen nicht abzuziehen.
(3) Die Berechnung der 60 Tage ist ebenso bei Arbeitnehmern, die im anderen Vertragsstaat bei mehreren Arbeitgebern angestellt sind, vorzunehmen.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Eine teilweise Freistellung von Abzugsteuern nach § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes bei Arbeitslöhnen kommt bei Abwanderern so lange nicht in Betracht, wie Artikel 4 Absatz 4 des Abkommens anzuwenden ist.
(2) Die Regelung des Artikels 4 Absatz 4 des Abkommens ist nicht anzuwenden, wenn der Wegzug in die Schweiz wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt.
(3) Für die Anrechnung schweizerischer Steuern im Lohnsteuerabzugsverfahren gilt: In entsprechender Anwendung des § 39b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes rechnet der Arbeitgeber auf Grund einer Anrechnungsbescheinigung des Betriebstättenfinanzamts einen bestimmten Betrag als schweizerische Steuer vorläufig auf die 4,5 Prozent des Bruttobetrages der Vergütungen übersteigende deutsche Lohnsteuer an. Der Grenzgänger-Abwanderer hat die Anrechnungsbescheinigung beim Betriebstättenfinanzamt zu beantragen. Dem Antrag hat er seinen letzten schweizerischen Steuer- oder Vorauszahlungsbescheid beizufügen. Nach Ablauf des Kalenderjahrs wird zur endgültigen Anrechnung der schweizerischen Steuer auf Antrag des Grenzgänger-Abwanderers eine Veranlagung durchgeführt. Der Antrag auf Durchführung der Veranlagung ist gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung der Anrechnungsbescheinigung zu stellen.
Tatbestand
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
|
Entscheidungsgründe
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
|
Gründe
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
|
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung.
(2) Ein Ehegatte ist nicht verpflichtet, dem Verlangen des anderen Ehegatten nach Herstellung der Gemeinschaft Folge zu leisten, wenn sich das Verlangen als Missbrauch seines Rechts darstellt oder wenn die Ehe gescheitert ist.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.