Finanzgericht Hamburg Urteil, 18. Aug. 2016 - 4 K 99/15

published on 18/08/2016 00:00
Finanzgericht Hamburg Urteil, 18. Aug. 2016 - 4 K 99/15
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Gericht

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Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Erstattung von Einfuhrabgaben für von der Klägerin von Australien nach Deutschland überführten Hausrat.

2

Die seit 1982 bis heute in A gemeldete Klägerin ist von Beruf Malerin. Im Jahr 2000 erteilten die australischen Behörden ihr und ihrem Ehemann auf 10 Jahre befristete Visa. Sie mieteten in Australien ein nicht möbliertes Haus an und richteten dieses ein. Der Mietvertrag war, wie es in Australien üblich ist, befristet und wurde jeweils um ein Jahr verlängert. Fortan verbrachten die Eheleute die Wintermonate ab in der Regel September bzw. Oktober in Australien und flogen regelmäßig im April oder Mai zurück nach A. Aus den Ein- und Ausreisestempeln der australischen Grenzbehörde in ihren Reisepässen folgt, dass die Klägerin im Zeitraum vom ...08.2000 bis zum ...03.2012 ihre Zeit zu (aufgerundet) 58 % in Australien und zu 42 % in Deutschland verbrachte. In A wohnten die Eheleute in ihrer 1990 bezogenen Mietwohnung, in der sie bis heute leben. Die Wohnung vermieteten sie während ihrer Australienaufenthalte nicht an Dritte. Hausrat- und Haftpflichtversicherung blieben bestehen. Die Eheleute fertigten jährlich in A eine Steuererklärung.

3

Den Lebensunterhalt bestritten sie anfangs aus dem Einkommen des Ehemanns als Inhaber eines Unternehmens in A, später zum geringen Teil aus seiner gesetzlichen Rente und überwiegend aus Ersparnissen. Der Verkauf von Bildern der Klägerin trug nur unwesentlich zum Lebensunterhalt bei.

4

Die Klägerin und ihr Ehemann unterhielten sowohl in A als auch in Australien ein Auto. Während ihrer Aufenthalte in Australien schloss die Klägerin entsprechend den Visabestimmungen eine befristete private Krankenversicherung ab. Im Bundesgebiet verfügte sie ebenfalls über eine private Krankenversicherung, die sie während ihrer Abwesenheit jeweils zum Ruhen brachte. Sie zog es vor, sich in Australien ärztlich behandeln zu lassen und Vorsorgeuntersuchungen wahrzunehmen. Die Eheleute besaßen in beiden Ländern Konten.

5

Der Malerei ging die Klägerin sowohl in Deutschland, überwiegend aber in Australien nach, wo sie ein Atelier im Haus hatte. Ihre Bilder stellte sie in beiden Ländern aus.

6

Im Jahr 2010 verlängerten die Eheleute ihre Visa um weitere 10 Jahre. Die Idee, ganz nach Australien auszuwandern, verwarfen sie, da sie nicht von einem Leben mit ihrer Muttersprache Abstand nehmen wollten. Um jedoch wieder einmal die Jahreszeiten in A zu erleben, verlängerten sie den zum März 2012 auslaufenden Mietvertrag nicht und planten, für eineinhalb Jahre in A zu bleiben. Einen Teil ihrer Habe verschifften sie deshalb nach Deutschland, einen anderen Teil lagerten sie in Australien ein.

7

Im Frühjahr 2014 trafen sie die Entscheidung, nicht nach Australien zurückzukehren, lösten das dortige Lager auf und verschifften die verbliebenen 12 Kartons, in denen sich überwiegend Bücher aber auch Kleidung, Schuhe und Küchenutensilien befanden, nach A.

8

Dort meldete die Klägerin die Waren am 06.08.2014 als Übersiedlungsgut beim Beklagten zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Sie gab an, ab 2009 in Australien gewohnt zu haben und am 01.03.2012 nach Deutschland übergesiedelt zu sein. Der Wert des Übersiedlungsgutes betrage 400 €. Sie beantragte eine vereinfachte Abfertigung nach Art. 81 ZK.

9

Der Beklagte vermerkte, dass die beantragte Abfertigung als Übersiedlungsgut nicht möglich sei, da die Waren nicht gem. § 7 der Zollbefreiungsverordnung innerhalb einer Frist von 12 Monaten nach der Wohnsitzverlegung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldet worden seien und erließ am 06.08.2014 einen Einfuhrabgabenbescheid über 156,44 € (67,60 € Zoll und 88,84 € Einfuhrumsatzsteuer). Dabei legte er zur Berechnung des Zolls der gesamten Ware den für Schuhe geltenden Drittlandszollsatz von 16,9 % zugrunde. Die Zollsätze der übrigen Waren waren allesamt niedriger. Die Klägerin zahlte die 156,44 € und erhielt die Kartons ausgehändigt.

10

Am 08.08.2014 legte sie Einspruch gegen den Abgabenbescheid ein. Es lägen plausible Gründe für die Fristüberschreitung vor. Daneben sei die Mitarbeiterin des Beklagten nicht bereit gewesen, die Waren differenziert zu besteuern.

11

Mit Schreiben vom 05.09.2014 erteilte das Hauptzollamt A eine Ausnahmegenehmigung wegen der Fristüberschreitung nach § 7 der Zollbefreiungsverordnung.

12

Nachdem der Beklagte von der Ausnahmegenehmigung Kenntnis erlangt hatte, teilte er der Klägerin mit, dass er das Einspruchsschreiben als Erstattungsantrag auslege und bat darum, mittels geeigneter Unterlagen nachzuweisen, dass ihr Lebensmittelpunkt in Australien gelegen habe.

13

Die Klägerin legte daraufhin mit Schreiben vom 23.09.2014 Kopien ihres Reisepasses, des Visums und Nachweise über ihren Krankenversicherungsschutz vor und teilte ihre Kontonummer zur Überweisung der Einfuhrabgaben mit.

14

Mit Bescheid vom 29.09.2014 lehnte der Beklagte die Erstattung der Einfuhrabgaben ab. Ein Wohnen außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft von zwölf aufeinander folgenden Monaten sei nicht nachgewiesen. Da ein Antrag nach Art. 81 ZK zur Vereinfachung der Einreihung im Zeitpunkt der Abfertigung gestellt worden sei, sei die Position 6402 1900 000 zu Recht für alle Waren zur Ermittlung der Abgabenhöhe herangezogen worden.

15

Mit am 07.10.2014 eingegangenem Schreiben legte die Klägerin gegen die Ablehnung Einspruch ein und legte Kopien von Mietverträgen, einen Nachweis über eine hinterlegte Mietkaution, einen Kontoauszug ihrer australischen Bank sowie Informationen über Ausstellungen ihrer Bilder in Australien vor. Eine australische Meldebestätigung habe sie nicht besessen.

16

Der Beklagte hielt im Folgenden an der Auffassung fest, dass ein gewöhnlicher Wohnsitz der Klägerin in Australien aufgrund der dauerhaft aufrechterhaltenen Bindung an A nicht nachgewiesen sei. Der Wohnsitz sei nie nach Australien verlegt worden, sodass eine abgabenrechtlich begünstigte (Rück-) Verlegung nicht in Betracht komme. Dem widersprach die Klägerin Anfang März 2015 und legte Nachweise über das in Australien genutzte Auto vor. Dort sei bis März 2012 ihr Lebensmittelpunkt gewesen. Da der Beklagte hierauf nicht reagierte, setzte ihm die Klägerin eine Frist bis zum 26.05.2016.

17

Nach deren erfolglosem Ablauf hat die Klägerin am 18.06.2015 die vorliegende Klage - zunächst als Untätigkeitsklage - erhoben.

18

Sie habe über viele Jahre ihren gewöhnlichen Wohnsitz in Australien gehabt und dies durch diverse Nachweise belegt. Die Voraussetzungen der Zollbefreiungsverordnung seien deshalb erfüllt und die eingeführten Waren als abgabenbefreites Übersiedlungsgut zu behandeln.

19

Nachdem der Beklagte den Einspruch vom 07.10.2014 mit Einspruchsentscheidung vom 02.07.2015 zurückgewiesen hat, beantragt die Klägerin,
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 29.09.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.07.2015 zu verpflichten, Zoll und Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 156,44 € zu erstatten.

20

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

21

Die Klägerin habe den vor Jahrzehnten in A begründeten Wohnsitz zu keiner Zeit aufgegeben, sodass eine Verlegung des Wohnsitzes von Australien nach A ausscheide. Bereits eine durchgängige Aufenthaltsdauer von 12 Monaten außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft gem. Art. 5 Abs. 1 der Zollbefreiungsverordnung sei nicht gegeben, sodass eine Behandlung der Waren als Übersiedlungsgut nicht in Betracht komme.

22

Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 13.07.2016 auf den Einzelrichter übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Sachakte des Beklagten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.08.2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

23

I. Die ursprünglich gem. § 46 Abs. 1 FGO zulässige Verpflichtungsklage hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.

24

Der Ablehnungsbescheid vom 29.09.2014 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 02.07.2015 ist rechtmäßig (§ 101 S. 1 FGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, ihr die mit Bescheid vom 06.08.2014 festgesetzten und bereits entrichteten Einfuhrabgaben in Höhe von 156,44 € zu erstatten.

25

Dabei kann offen bleiben, ob das am 08.08.2014 beim Beklagten eingegangene Einspruchsschreiben der Klägerin gegen den Einfuhrabgabenbescheid vom 06.08.2014 (auch) als Erstattungsantrag auszulegen war, mithin ob sich aus ihm hinreichend deutlich ein Erstattungsbegehren der Klägerin ergab (vgl. hierzu VSF N 11 2011 vom 10.02.2011; Witte, Zollkodex, 6. Auflage 2013, Vor Art. 235, Rn. 17). Ein solches Begehren hat die Klägerin jedenfalls mit der Mitteilung ihrer Kontonummer im Schreiben vom 23.09.2014 zum Ausdruck gebracht.

26

Weiter bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob sich die von der Klägerin wegen der begehrten Einordnung der eingeführten Waren als Übersiedlungsgut geltend gemachte Erstattung nach den Vorschriften der zur Zeit der Einfuhr der Waren am 06.08.2014 geltenden Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Art. 235 lit. a), 236 Abs. 1 ZK) oder der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (Art. 116 Abs. 1 lit. a), 117 Abs. 1 UZK) richtet. Altes und neues Recht setzen jeweils voraus, dass die Einfuhrabgabenschuld im Zeitpunkt der Zahlung nicht geschuldet bzw. zu hoch bemessen war.

27

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 06.08.2014 ist rechtmäßig. Die festgesetzten Einfuhrabgaben sind dem Grunde nach entstanden, da die zur Überführung in den freien Verkehr angemeldeten Waren nicht nach der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates vom 16.11.2009 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (im Folgenden: Zollbefreiungsverordnung) von Einfuhrabgaben befreit waren (hierzu unter 1.). Auch die festgesetzte Höhe der Abgaben ist nicht zu beanstanden (hierzu unter 2.).

28

1. Einfuhrzoll und Einfuhrumsatzsteuer sind mit der Annahme der Zollanmeldung am 06.08.2014 durch den Beklagten gem. Art. 201 Abs. 1 lit. a), Abs. 2, Abs. 3 S. 1 ZK und § 21 Abs. 2 Umsatzsteuergesetz entstanden. Die Waren waren nicht gem. Art. 3 ff. Zollbefreiungsverordnung i. V. m. Art. 184 ZK als Übersiedlungsgut von Eingangsabgaben befreit. Danach ist vorbehaltlich der Art. 4 bis 11 der Zollbefreiungsverordnung das Übersiedlungsgut natürlicher Personen, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz in das Zollgebiet der Gemeinschaft verlegen, von Eingangsabgaben befreit.

29

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Klägerin hat mit dem dauerhaften Verbleib in Deutschland ab März 2012 nicht ihren gewöhnlichen Wohnsitz von Australien nach Deutschland verlegt. Ihr gewöhnlicher Wohnsitz i. S. d. Zollbefreiungsverordnung war auch in den Jahren 2000 bis 2012 A, so dass die dauerhafte Aufgabe des Hauses in Australien keine Verlegung des Wohnsitzes nach sich zog, die sich auf die Einfuhrabgabenschuld für den eingeführten Hausrat auswirken konnte.

30

Die Zollbefreiungsverordnung definiert den Begriff des "gewöhnlichen Wohnsitzes" nicht. Er ist deshalb unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des mit der Regelung verfolgten Zwecks als autonomer Begriff des Unionsrechts auszulegen. Dabei ist zunächst von Bedeutung, dass die Fälle der Befreiung von der zollrechtlichen Abgabenbelastung durch "besondere Umstände" (vgl. Art. 1 der Zollbefreiungsverordnung) gekennzeichnet sind und die Voraussetzungen für die Anwendung solcher Ausnahmen grundsätzlich eng auszulegen sind, ohne allerdings zum Verlust der praktischen Wirksamkeit der Zollbefreiung zu führen. Die Zollbefreiungsverordnung bezweckt zum einen, die Übersiedlung in den jeweiligen Mitgliedstaat zu erleichtern, zum anderen, die Arbeit der Zollbehörden der Mitgliedstaaten zu vereinfachen (vgl. insoweit die Schlussanträge des Generalanwalts zum Verfahren C-528/14, Ziff. 41, 43, 47 Juris). Vor diesem Hintergrund hat der Senat als gewöhnlichen Wohnsitz den Ort angesehen, den der Betroffene als ständigen und gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Absicht gewählt hat, ihm Dauerhaftigkeit zu verleihen (vgl. FG Hamburg, Urt. v. 06.11.2008, 4 K 72/08, Rn. 20, Juris zur gleichlautenden vorherigen Fassung der Zollbefreiungsverordnung - VO (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28.03.1983).

31

Der EuGH hat nunmehr in einem neueren Urteil zu einer dem vorliegenden Fall ähnlichen Konstellation - der Beteiligte hatte in einem Drittland sowohl berufliche als auch persönliche Bindungen und in einem Mitgliedsstaat persönliche Bindungen - klargestellt, dass eine natürliche Person für die Zwecke der Anwendung des Art. 3 der Zollbefreiungsverordnung ihren gewöhnlichen Wohnsitz nicht gleichzeitig in einem Mitgliedstaat und in einem Drittland haben kann. Weiter hat er ausgeführt, dass unter dem Begriff "gewöhnlicher Wohnsitz" der Ort zu verstehen ist, den der Betroffene als ständigen Mittelpunkt seiner Interessen gewählt hat. Um zu bestimmen, ob sich dieser gewöhnliche Wohnsitz im Hinblick auf die Gewährung der in Art. 3 der Zollbefreiungsverordnung vorgesehenen Zollbefreiung in einem Drittland befindet, sind alle erheblichen Tatsachen zu berücksichtigen, ohne dass den persönlichen Bindungen der Vorrang einzuräumen wäre. Zu diesen erheblichen Tatsachen gehören u. a. die körperliche Anwesenheit des Betroffenen, diejenige seiner Familienangehörigen, die Einrichtung einer Wohnung, der Ort des tatsächlichen Schulbesuchs der Kinder, der Ort der Ausübung der beruflichen Tätigkeit, der Ort, an dem die Vermögensinteressen liegen und der Ort, an dem die verwaltungsmäßigen Beziehungen zu den staatlichen Stellen und den gesellschaftlichen Einrichtungen bestehen, soweit diese Faktoren den Willen des Betroffenen zum Ausdruck bringen, dem Ort, an dem die Bindungen bestehen, aufgrund einer Kontinuität, die aus einer Lebensgewohnheit und aus der Entwicklung normaler sozialer und beruflicher Beziehungen folgt, eine gewisse Beständigkeit zu verleihen. Schließlich hat der EuGH unterstrichen, dass bei der Gesamtbewertung der erheblichen Tatsachen zur Bestimmung, ob sich ein gewöhnlicher Wohnsitz im Drittland befindet, der Dauer des Aufenthalts des Betroffenen in diesem Drittland besondere Bedeutung zukommt (vgl. EuGH, Urt. v. 27.04.2016, C-528/14, Juris).

32

Die nach dieser Maßgabe durchzuführende Gesamtbewertung ergibt vorliegend, dass die Klägerin ihren ursprünglich in A bestehenden Wohnsitz auch ab dem Jahr 2000 beibehalten und in Australien keinen gewöhnlichen Wohnsitz begründet hat.

33

Von ihrem Ehemann abgesehen, waren familiäre Bindungen, die für die Bestimmung des Wohnsitzes von Bedeutung hätten sein können, nicht vorhanden. Wenig aussagekräftig war auch der Ort der Ausübung der beruflichen Tätigkeit durch die Klägerin. Sie hat sowohl in A als auch in Australien gemalt. Zwar sind mehr Bilder in Australien entstanden, dafür wurden die Bilder jedenfalls ab 2006 bis zur endgültigen Rückkehr nach Deutschland deutlich öfter in Deutschland ausgestellt. Allerdings war die berufliche Tätigkeit des Ehemanns, durch die im Wesentlichen der Lebensunterhalt der Eheleute bestritten wurde, an A gebunden. Bis zur Aufgabe seines Unternehmens wurde der Ehemann selbst in Australien - wenn auch in geringem Maße - insoweit in Anspruch genommen. Seitdem bezieht der Ehemann eine gesetzliche Rente, im Wesentlichen sind jedoch Ersparnisse aus seiner früheren Tätigkeit die wirtschaftliche Grundlage der Eheleute. Insoweit ist Deutschland seit jeher als der Ort einzuordnen, an dem die Vermögensinteressen der Eheleute liegen.

34

Gleiches gilt für die verwaltungsmäßigen Beziehungen zu staatlichen Stellen. Neben dem Bezug der gesetzlichen Rente haben die Eheleute jährlich in A eine Steuererklärung gefertigt und waren stets in A gemeldet. Die üblichen Versicherungen bestanden ebenfalls. Verwaltungsmäßige Beziehungen zu staatlichen Stellen in Australien waren dagegen deutlich weniger ausgeprägt bzw. auf das Notwendige beschränkt. Die Eheleute verfügten über zeitlich befristete Visa, die u. a. den Bestand einer Krankenversicherung voraussetzten, die die Klägerin für jeden Australienaufenthalt neu befristet abschloss ("Intermediate Visitors Health Cover"). Demgegenüber bestand in Deutschland dauerhaft eine private Krankenversicherung, auch wenn die Klägerin diese aus Kostengründen während ihrer Abwesenheit ruhend stellte.

35

Eine beständige Bindung an A macht daneben die ununterbrochene Miete der Wohnung in der X-Straße von jedenfalls 1990 bis heute deutlich. Selbst während ihrer Abwesenheit war diese nicht untervermietet und stand den Eheleuten jederzeit zur Verfügung. Demgegenüber wurde der Mietvertrag für das Haus in Australien jeweils auf ein Jahr befristet abgeschlossen. Dabei übersieht das Gericht nicht, dass Immobilien in Australien lediglich befristet vermietet werden. Gleichwohl ist ein befristetes Mietverhältnis weniger bindend als ein unbefristetes, ohne dass es insoweit auf die Gründe hierfür ankäme.

36

Diese ausgeprägten Bindungen an A bzw. Deutschland, denen insbesondere aufgrund ihrer jahrzehntelangen Kontinuität und Beständigkeit Bedeutung zukommt und deshalb für die Bestimmung des gewöhnlichen Wohnsitzes i. S. d. Zollbefreiungsverordnung maßgeblich sind, werden nicht dadurch relativiert oder gar entkräftet, dass sich die Klägerin zwischen April 2000 und März 2012 zu rund 58 % in Australien und lediglich zu 42 % in Deutschland aufgehalten hat.

37

Dabei hat das Gericht die "besondere Bedeutung", die der EuGH diesem Kriterium in Fallgestaltungen wie der vorliegenden beimisst, berücksichtigt. Die Bedeutsamkeit dieses Kriteriums ist nachvollziehbar, da mit einem längeren Aufenthalt in einem Land sich üblicherweise auch die beruflichen oder privaten Bindungen dort verfestigen oder ganz dorthin verlagern und die Aufenthaltszeit dies regelmäßig anschaulich zum Ausdruck bringt. Der EuGH hat diesem Kriterium allerdings keine ausschlaggebende Bedeutung zugemessen, sondern es als eines der Kriterien belassen, die in die Gesamtbewertung einzufließen haben. Dabei kann ein überwiegender Aufenthalt in einem Land aber nur mit dem Gewicht in die Bewertung einfließen, das dem Zeitraum entspricht, den sich der Betroffene mehr in diesem als in einem anderen Land aufgehalten hat.

38

Dies berücksichtigend ist der vorliegend gegebene Mehraufenthalt von jedenfalls unter 20 % in Australien zu gering, um ihm eine im Rahmen der Gesamtbewertung ausschlaggebende Bedeutung für eine Wohnsitzbegründung beizumessen, da in anderer Hinsicht gewichtige Bindungen an Deutschland beibehalten wurden.

39

Ein Mehraufenthalt von einem solchen Umfang weicht bereits erheblich von dem von der Zollbefreiungsverordnung angenommenen Regelfall der Wohnsitzverlegung ab und ist deshalb in seiner Bedeutung unter Berücksichtigung der vorliegenden Umstände des Einzelfalls als gering einzustufen. Regelfall nach der Zollbefreiungsverordnung ist eine Wohnsitzverlegung durch ein "Übersiedeln" in ein anderes Land, womit grundsätzlich die endgültige Aufgabe des früheren und die Begründung eines neuen gewöhnlichen Wohnsitzes durch einen dauerhaften Wechsel des Aufenthaltsorts gemeint ist. Diese Auslegung trägt nicht nur dem Ausnahmecharakter der Zollbefreiung und seinem Zweck Rechnung, die Arbeit der Zollbehörden zu erleichtern, sondern folgt aus der Überschrift zum Kapitel I ("Übersiedlungsgut"), dem Wortlaut des Art. 4 der Zollbefreiungsverordnung ("früherer" und "neuer" gewöhnlicher Wohnsitz) und aus dem Regelungszusammenhang mit anderen Abgabenbefreiungstatbeständen der Verordnung. So ist von Eingangsabgaben ebenfalls befreit, wer seinen gewöhnlichen Wohnsitz aus Anlass der Eheschließung aus einem Drittland in das Zollgebiet der Gemeinschaft verlegt. Regelmäßig wird damit eine komplette Übersiedlung zur Begründung der ehelichen Lebensgemeinschaft einhergehen. Noch deutlicher sind die Regelungen zur Zollbefreiung im Fall einer Betriebsverlegung. Nach Art. 28 Abs. 1 Zollbefreiungsverordnung sind Ausrüstungsgegenstände, die einem Betrieb gehören, der seine Tätigkeit in einem Drittland endgültig einstellt, um eine gleichartige Tätigkeit im Zollgebiet der Gemeinschaft auszuüben (...) von Eingangsabgaben befreit. Die Verordnung knüpft die Abgabenbefreiung in Art. 32 Zollbefreiungsverordnung ausdrücklich an eine "Stilllegung des Betriebs" im Drittland, mithin an seine umfassende Verlegung (vgl. insoweit auch die Schlussanträge des Generalanwalts zum Verfahren C-528/14, Ziff. 74, Juris, dem es erforderlich erscheint, dass eine Person zur Begründung eines gewöhnlichen Wohnsitzes im maßgeblichen Zeitraum "zumindest größtenteils, wenn nicht ausschließlich" in dem betreffenden Land gelebt hat).

40

Die der Aufenthaltsdauer in Australien vom Gericht zugemessene Bedeutung wird auch durch eine Betrachtung der einzelnen Zeiträume gestützt, die die Klägerin zwischen August 2000 und März 2012 in Australien verbracht hat. Diese betrugen zwar zweimal über acht Monate, einmal über sieben Monate, überwiegend - nämlich fünfmal - über sechs Monate und in drei Fällen sogar knapp unter sechs Monate. Darüber hinaus hat die Klägerin den längeren Aufenthalten in Australien in der Vergangenheit jedenfalls im Zusammenhang mit ihrem Beruf selbst keine Bedeutung beigemessen. Sowohl in den auf ihrer Homepage veröffentlichen Texten über ihr künstlerisches Schaffen als auch in einem gegenüber dem Beklagten eingereichten Zeitungsartikel vom ...01.2007 ist stets von einem halbjährigen Pendeln zwischen Australien und Deutschland die Rede.

41

2. Der Beklagte hat die Einfuhrabgaben auch in zutreffender Höhe festgesetzt. Insbesondere durfte er aufgrund des Antrags nach Art. 81 ZK für alle Waren den geltenden Drittlandszollsatz für Schuhe heranziehen. Insoweit verweist das Gericht gem. § 105 Abs. 5 FGO auf die zutreffenden Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden, die es sich zu Eigen macht.

42

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrun

Soweit die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spr
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published on 24/04/2008 00:00

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand   1  Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung eines Einmalbetrages zur Insolvenzsiche
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Annotations

(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.

(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

Soweit die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefasst war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln. Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Fall des § 104 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.