Finanzgericht Hamburg Urteil, 17. Mai 2017 - 4 K 55/15

bei uns veröffentlicht am17.05.2017

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Erlass von nacherhobenem Antidumpingzoll und Drittlandszoll.

2

Die Klägerin meldete in der Zeit vom 30.07.2012 bis 05.10.2012 mit insgesamt sechs Zollanmeldungen Aluminiumheizkörper, die sie von dem in Malaysia ansässigen Unternehmen mit der Firma "A ..." (im Folgenden: Firma A) erworben hatte, unter der Position 7616 9910 910 mit einem Gesamtzollwert von rund € ... zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Lieferung an. Unter Hinweis auf Ursprungszeugnisse nach Formblatt A, die vom malaysischen Ministry of International Trade and Industry (im Folgenden: MITI) ausgestellt worden waren und einen Ursprung der Ware in Malaysia bescheinigen, beantragte die Klägerin die Anwendung eines Präferenzzollsatzes. Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Zollanmeldungen:

3
        

Zollanmeldung

Datum 

Container

Ursprungszeugnis

   1   

AT/C/42/...-1

30.07.12 

H...-1,

KL2012/...-1 v.

                 

        

F...-2,

28.06.12

                 

        

T...-3

        

   2   

AT/C/42/...-2

30.07.12

C...-4,

KL2012/...-2 v.

                 

        

G...-5,

21.06.12

                 

        

H...-6,

        
                 

        

H...-7

        

   3   

AT/C/42/...-3

09.08.12

F...-8,

KL2012/...-3 v

                 

        

H...-9

13.07.12

   4   

AT/C/42/...-4

28.08.12

H...-10,

KL2012/...-4 v.

                 

        

C...-11,

13.08.12

                 

        

G...-12

        

   5   

AT/C/42/...-5

19.09.12

F...-13,

KL2012/...-5 v.

                 

        

T...-14,

22.08.12

                 

        

G...-15

        

   6   

AT/C/42/...-6

05.10.12

H...-16,

KL2012/...-6 v.

                 

        

G...-17,

03.09.12

                 

        

F...-18

        

4

Die Ursprungszeugnisse enthalten in Feld 12 eine Erklärung des Ausführers, dass die Ware in Malaysia produziert worden sei, und in Feld 11 die Erklärung des MITI, dass "on the basis of control carried out" bestätigt werde, dass die Erklärung des Ausführers zutreffend sei.

5

Das Zollamt nahm die Zollanmeldungen an und erteilte anmeldungsgemäße Einfuhrabgabenbescheide unter Anwendung des Zollsatzes von 2,5% für Waren mit Ursprung aus Malaysia.

6

Nach Hinweisen auf eine mögliche Umgehung von Antidumpingzollmaßnahmen unternahm das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) vom 14. bis 18.01.2013 eine Missionsreise nach Malaysia. Aufgrund der dort gewonnenen Erkenntnisse dehnte es seine Untersuchungen auf die hier in Rede stehenden Aluminiumheizkörper aus. Mit Bericht vom 07.05.2013 (THOR 11467) teilte es den Mitgliedstaaten die Ergebnisse der Umgehungsmaßnahmen im Hinblick auf Aluminiumheizkörper mit (...). Nach Auswertung der Daten über Ein- und Ausgänge von Waren aus der malaysischen "Free Commercial Zone Port Klang" (Freizone) sei festgestellt worden, dass die hier in Rede stehenden Aluminiumheizkörper aus der Volksrepublik (VR) China in die Freizone verschifft und von dort nach Umladung ohne weitere Be- oder Verarbeitung ins EU-Zollgebiet exportiert wurden.

7

Der Beklagte erhob mit dem Einfuhrabgabenbescheid vom 04.11.2013 (AT/S/00/...) Zoll in Höhe von insgesamt € ... nach. Im Einzelnen handelt es sich um die Differenz zwischen dem Drittlandszollsatz von 6 % und dem ursprünglich angewandten Präferenzzollsatz von 2,5 % in Höhe von ... € sowie 61,4% Antidumpingzoll in Höhe von ... €. Grund für die Nacherhebung sei, dass die Heizkörper ihren Ursprung in der VR China hätten. Von dort aus seien sie nach Malaysia verschifft und nach Umladung ohne weitere Be- oder Verarbeitung ins EU-Zollgebiet ausgeführt worden. Die vorgelegten Ursprungszeugnisse könnten nicht anerkannt werden.

8

Mit Schreiben vom 16.01.2013 legte die Klägerin Einspruch gegen den Einfuhrabgabenbescheid ein und beantragte hilfsweise Erlass der Einfuhrabgaben. Mit Schreiben vom 21.02.2014 begründete sie insbesondere den Erlassantrag nach Art. 239 ZK. Es komme ein Erlass nach Art. 900 Buchst. j und k ZKDVO in Betracht. Die Normen seien analog anzuwenden, weil hier eine wirtschaftliche Unmöglichkeit der Warenverwertung gegeben sei. Die Klägerin könne den Antidumpingzoll nicht auf den Verkaufspreis aufschlagen. Sie habe weder in betrügerischer Absicht noch offensichtlich fahrlässig gehandelt. Bei Bestellung der Ware bei der Firma A habe es keine Anhaltspunkte gegeben, dass die Heizkörper nicht in Malaysia, sondern in der VR China produziert würden. Die gesamte Bestellung sei darauf ausgerichtet gewesen, dass die Heizkörper in Malaysia hergestellt würden, und die Klägerin deshalb den Präferenzzollsatz in Anspruch nehmen könne. Von einer vermeintlich betrügerischen Abwicklung des Geschäfts habe die Klägerin nichts ahnen können. Genauso wenig habe sie gewusst, dass Malaysia ein Umschlagsort für Heizkörper aus China sei. Der Erlass sei nicht durch Art. 904 Buchst. c ZKDVO ausgeschlossen. Zwar sei die Klägerin Opfer unrichtiger Präferenzpapiere geworden. Der Erlassantrag werde jedoch nicht darauf, sondern auf die zivilrechtliche Vertragswidrigkeit der gelieferten Heizkörper gestützt.

9

Mit Schreiben vom 07.05.2014 begründete die Klägerin ihren Antrag auf Erlass nach Art. 239 ZK weiter. Sie habe keinen direkten Kontakt zu dem malaysischen Lieferanten A gehabt. Der Vorschlag mit den malaysischen Heizkörpern habe von einer Zollagentur gestammt, mit der die Klägerin seit vier bis fünf Jahren sehr gut zusammengearbeitet habe. Diese Agentur habe ihr versichert, Heizkörper aus Malaysia mit malaysischem Ursprung besorgen zu können. Sie habe dieser Agentur blind vertraut und habe unter hohem Zeitdruck das Geschäft abschließen müssen, um ein bereits gemachtes Sonderangebot für einen Kunden einhalten zu können. Der Spediteur/Frachtführer hafte wegen seiner hohen Expertise unter Anwendung des Rechtsgedankens aus Art. 11 CMR und §§ 413, 454 HGB. Daher könne der Klägerin keine betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Es handele sich vielmehr um einen Arbeitsfehler. Außerdem lägen besondere Umstände vor. Wenn das MITI die Ursprungsangaben der Firma A auf Plausibilität überprüft hätte, hätte es kein Ursprungszeugnis ausstellen dürfen. Diese Verfehlung könne der Klägerin nicht zur Last gelegt werden. Der Beklagte müsse beweisen, dass dem MITI kein Fehlverhalten vorgeworfen werden könne, und ob der Ausführer falsche Angaben gegenüber dem MITI gemacht habe. Dies ergebe sich aus der EuGH-Entscheidung Beemsterboer (Rs. C-293/04). Der Schutzzweck der Antidumpingmaßnahme sei durch die Einfuhr der Heizkörper nicht beeinträchtigt, da die Klägerin nicht die günstigsten Preise anbieten könne und nur eine untergeordnete Marktposition habe.

10

Mit Bescheid vom 09.10.2014 lehnte der Beklagte den Antrag auf Erlass gem. Art. 239 ZK ab. Art. 900 Buchst. j ZKDVO sei nicht einschlägig, da die eingeführten Heizkörper bestimmungsgemäß verwendet worden seien. Art. 900 Buchst. k ZKDVO sei ebenfalls nicht erfüllt, weil ein Antidumpingzoll keine Maßnahme sei, die die vorgesehene Verwendung der Waren unmöglich mache. Der Erlass nach Art. 900 Buchst. f-n ZKDVO sei schon deshalb nicht möglich, weil die Ware nicht unter zollamtlicher Überwachung aus der Union wieder ausgeführt worden sei. Auch ein Erlass nach der Generalklausel des Art. 239 Abs. 1, 2. Anstricht ZK komme nicht in Betracht. Insbesondere die Tatsache, dass sich Unterlagen im Nachhinein als falsch erwiesen, gehöre zum normalen Geschäftsrisiko des Zollanmelders. Ein umsichtiger Wirtschaftsbeteiligter müsse die Risiken des Marktes, auf dem er tätig sei, berücksichtigen und im Rahmen seiner vertraglichen Beziehungen die notwendigen Vorkehrungen treffen. In Art. 904 ZKDVO seien derartige Gründe, die als normales Berufs- bzw. Geschäftsrisiko zu betrachten seien, aufgelistet. Ein Erlass komme nicht in Betracht, wenn er darauf gestützt werde, dass gutgläubig Ursprungszeugnisse vorgelegt worden seien, die sich nachträglich als falsch herausgestellt hätten. Die Fälle, auf die sich die Klägerin in ihrem Schreiben vom 07.05.2014 bezogen habe, unterschieden sich vom vorliegenden Fall dadurch, dass die ausstellenden Behörden gewusst hätten oder hätten wissen müssen, dass die Voraussetzungen für die Bescheinigungen nicht erfüllt gewesen seien. Dies lasse sich hier gerade nicht feststellen. Es läge kein Vertrauensschutz begründender Irrtum einer Behörde vor.

11

Gegen den ablehnenden Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 07.11.2014 Einspruch ein, den sie mit Schreiben vom 11.12.2014 begründete. Nach der Rechtsprechung des EuG (Urteil vom 18.03.2000, T-290/97, Rn. 77) könne auch die Unbilligkeit der Nacherhebung ein besonderer Umstand darstellen. Außerdem sei die Sachlage unklar, weil man nicht wisse, ob das MITI von der Unrichtigkeit der Erklärung des Ausführers gewusst habe oder hätte wissen müssen. Der Beklagte müsse beweisen, dass die ausländische Behörde keinen Fehler gemacht habe. Die Abgabenerhebung aufgrund einer unklaren Sachlage wäre unbillig. Aus dem Urteil des EuGH vom 27.06.1991, C-348/89, Rn. 29 f, ergebe sich, dass ein gutgläubiger Wirtschaftsbeteiligter geschützt werden müsse. Die Klägerin habe berechtigterweise auf die Angaben des malaysischen Ausführers vertrauen dürfen, weil sie keinerlei Anhaltspunkte dafür gehabt habe, dass die Heizkörper keinen malaysischen Ursprung haben könnten. Aus dem Schreiben der Firma A vom 30.04.2012 ergebe sich die Gutgläubigkeit der Klägerin. Darin habe sie bestätigt, dass die Heizkörper in Malaysia produziert würden und sie das benötigte Aluminium hierfür einkaufen werde.

12

Mit Einspruchsentscheidung vom 26.02.2015 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Hinsichtlich der Katalogtatbestände des Art. 900 ZKDVO wiederholt er seine Ausführungen aus dem ablehnenden Bescheid. Auch ein Erlass nach der Generalklausel des Art. 239 Abs. 1, 2. Anstrich ZK komme nicht in Betracht. Das Vertrauen der Klägerin auf den malaysischen Ursprung der Heizkörper sei gem. Art. 904 ZK-DVO nicht geschützt.

13

Zwar könnte ein schwerwiegendes Fehlverhalten der Zollbehörden einen besonderen Umstand begründen. Im EuGH-Verfahren C-222/01 sei jedoch die Zollschuldentstehung auf betrügerische Machenschaften eines als verdeckten Ermittler tätig gewordenen Zollfahndungsbeamten zurückzuführen. Ein ähnlich gelagertes Fehlverhalten der Zollbehörden habe die Klägerin nicht vorgetragen. Auch die angeblich unklare Sachlage führe nicht zum Erlass. Zunächst sei zwischen dem Antidumpingzoll und dem Drittlandszoll zu unterscheiden. Antidumpingzollrechtlich komme es nicht auf dem Präferenzstatus der Ware, sondern lediglich auf ihren außenwirtschaftlichen Ursprung an. Durch die spezifische Form der Abwicklung von Ein- und Ausfuhren aus der Freizone hätten die Container, die die Klägerin eingeführt habe, eindeutig als über Malaysia umgeleitete chinesische Ausfuhren identifiziert werden können.

14

Hinsichtlich der Zollpräferenzen gelte grundsätzlich, dass Einfuhrabgaben nicht erlassen würden, wenn die einzige Begründung für den Antrag darin bestehe, dass der Einführer gutgläubig Präferenzpapiere vorgelegt habe, die sich später als unrichtig erwiesen hätten. Allerdings könne eine schwerwiegende Verfehlung der zuständigen Zollbehörden oder der Kommission einen besonderen Umstand i. S. v. Art. 239 ZK begründen. Das Handeln drittländischer Zollbehörden könne einen solchen Umstand begründen, wenn sie gewusst hätten oder hätten wissen müssen, dass die ausgestellten Bescheinigungen inhaltlich unrichtig seien. Hierfür gebe es jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Die Daten, die zur Aufdeckung des Betrugs geführt hätten, seien von der malaysischen Hafenbehörde erhoben worden. Hinweise auf ein Fehlverhalten des MITI, das bei der OLAF-Ermittlung aktiv mitgewirkt habe, seien nicht erkennbar. In Ziff. Nr. 4 des Abschlussberichts zu OF/2012/0522/B1 habe OLAF festgestellt, dass keine Informationen vorlägen, die den Schluss nahelegten, die malaysischen Behörden hätten gewusst oder wissen müssen, dass die betreffenden Waren nicht die Ursprungskriterien erfüllten. Der Beklagte habe durch den Abgleich der ZB1- und ZB2-Daten bewiesen, dass der Ausführer unzutreffende Angaben gegenüber dem MITI gemacht habe. Der Abgabenschuldner müsse den ihm günstigen Umstand darlegen und beweisen, dass der ausstellenden Behörde die fehlende Ursprungseigenschaft bekannt gewesen sei bzw. offensichtlich hätte bekannt sein müssen.

15

Mit der am 23.03.2015 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie wiederholt ihren Vortrag aus dem Einspruchsverfahren und führt ergänzend aus: Es sei unklar, wer für die Ausstellung des unrichtigen Präferenzpapiers ein Mitverschulden trage. Nach der Rechtsprechung des EuGH trage der Beklagte die Beweislast dafür, dass die ausländische Behörde keinen Fehler gemacht habe. Der Beklagte hätte aufgrund der OLAF-Untersuchungen ein Nachprüfungsersuchen nach Art. 97t ZK-DVO einleiten müssen, um herauszufinden, wie die unrichtigen Ursprungszeugnisse zu Stande gekommen seien. Dass sie dies pflichtwidrig unterlassen habe, stelle einen besonderen Umstand dar. Nach den REM-Entscheidungen der Kommission 25/00, 27/00, 33/00 und 35/00 vom 29.10.2001 (Abs. 22 ff.) ergebe sich, dass auch in Fällen, in denen der Ausführer gegenüber der Zollbehörde falsche Angaben gemacht habe, ein besonderer Umstand i. S. v. Art. 239 ZK vorliegen könne. Aus dem OLAF-Bericht ergebe sich, dass die malaysischen Behörden ein Mitverschulden an der Ausstellung der unrichtigen Ursprungszeugnisse treffe, weil die Zusammenarbeit vor Ort zwischen dem MITI, den malaysischen Zollbehörden und der Hafenbehörde in Port Klang offensichtlich unzureichend gewesen sei. Gerade auf eine solche unzureichende Zusammenarbeit habe die Kommission in Rn. 25 und 27 der genannten REM-Entscheidungen einen besonderen Umstand gesehen.

16

Der Beklagte habe den chinesischen Ursprung auch deshalb nicht bewiesen, weil sich im OLAF-Bericht lediglich entnehmen lasse, dass die Waren aus China nach Malaysia verschifft worden seien. Dies reiche nicht als Beleg für den chinesischen Ursprung.

17

Bei Ausstellung der Ursprungszeugnisse, um die es hier gehe, sei dem MITI hier bereits bekannt gewesen, dass es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Gerade deshalb träfe es ein Mitverschulden.

18

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 09.10.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.02.2015 zu verpflichten,
1. ihr auf ihren Erstattungsantrag gem. Art. 239 Abs. 1, 1. Anstrich ZK Antidumpingzoll und Drittlandszoll in Höhe von ... € zu erlassen;
2. hilfsweise, ihren Erstattungsantrag gemäß Art. 239 Abs. 1, 2. Anstrich ZK i. V. m. Art. 905 Abs. 1 ZKDVO der Europäischen Kommission zur Entscheidung vorzulegen.

19

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

20

Er bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass das Ursprungszeugnis nur im Hinblick auf den Präferenzzollsatz von Bedeutung sein könne. Hinsichtlich des nichtpräferentiellen Ursprungs der Waren, der für die Anwendung des Antidumpingzolls relevant sei, hätten ausländische Behörden keine Aufgaben zu erfüllen, so dass die Zollbehörden der Mitgliedstaaten nicht an Ursprungszeugnisse gebunden sind. Aus den vorgelegten Unterlagen insbesondere den malaysischen Zollanmeldungen gehe eindeutig hervor, dass die Ware aus der VR China stamme.

21

Für eine schwerwiegende Verfehlung des MITI, die im Rahmen von Art. 239 ZK berücksichtigt werden könnte, gebe es keine Anhaltspunkte. Die ausstellende Behörde des präferentiellen Ursprungszeugnisses sei nicht verpflichtet, über eine Schlüssigkeitsprüfung der Angaben des Ausführers hinaus weitere eigene Ermittlungen anzustellen. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass das MITI wusste oder hätte wissen müssen, dass die Waren die Voraussetzungen für die Erteilung des Ursprungszeugnisses nicht erfüllten. Zwar hätten die malaysischen Behörden Kenntnis von dem Verfahren OF/2012/0117 gehabt. In jenem Verfahren sei es jedoch um andere Waren und andere malaysische Unternehmen gegangen. Es gebe keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten des MITI. Es habe mit OLAF kooperiert und mehrere Datensätze aus den Datenbanken der malaysischen Zollbehörden und der Freizone zusammengestellt und an OLAF übermittelt. Erst hierdurch sei es möglich gewesen, den Containerlauf nachzuvollziehen. Ohnehin greife der Ausschlusstatbestand des Art. 904 Buchst. c ZKDVO, weil sich die Klägerin auf die Unrichtigkeit des Ursprungszeugnisses stütze. Unerheblich sei, ob der Schutzzweck des Antidumpingzolls durch die Einfuhren beeinträchtigt worden sei.

22

Bei der Entscheidung hat die Sachakte des Beklagten (2 Ordner mit 696 S.) vorgelegen, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

23

Die zulässige Verpflichtungsklage hat auf der Grundlage des anwendbaren Rechts (dazu I.) weder mit dem Haupt- (dazu II.) noch mit dem Hilfsantrag (dazu III.) Erfolg.

24

I.
Die Beurteilung des Rechtsstreits richtet sich nach den Vorschriften des Zollkodex.

25

Zwar ist bei Verpflichtungsklagen (§ 101 FGO), die - wie hier - auf eine gebundene Entscheidung gerichtet sind, grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (BFH, Urt. v. 06.08.2013, VII R 15/12, juris Rn. 10; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, 138. EL Okt. 2014, § 101 FGO Rn. 8 m. w. N.; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, 226. EL Febr. 2014, § 101 FGO Rn. 25 m. w. N.). Dies gilt allerdings dann nicht, wenn sich aus dem materiellen Recht eine andere Wertung ergibt (BFH, Urt. v. 06.08.2013, VII R 15/12, juris Rn. 10). Dies ist hier der Fall.

26

Auch wenn mit Wirkung zum 01.05.2016 die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 vom 09.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269/1, berichtigt durch ABl. 2016 L 267/2; Unionszollkodex - UZK) vollständig in Kraft getreten und zeitgleich die Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. EG L 302/1; Zollkodex - ZK) aufgehoben wurde (Art. 286 Abs. 2 i. V. m. Art. 288 Abs. 2 UZK), finden auf den vorliegenden Rechtsstreit die Art. 239 ZK sowie die entsprechenden Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 02.07.1993 mit Durchführungsvorschriften zum Zollkodex (ABl. L 253/1; zuletzt geändert durch Durchführungsverordnung (EU) 2015/2064 vom 17.11.2015 [ABl. L 301/12] - ZKDVO) Anwendung. Hierbei ist nach der Salumi-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Ausgangspunkt davon auszugehen, dass Verfahrensvorschriften auf alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens anhängigen Rechtsstreitigkeiten anwendbar sind. Materiell-rechtliche Vorschriften werden dagegen im allgemeinen so ausgelegt, dass sie für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte nur gelten, wenn aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau eindeutig hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist (EuGH, Urt. v. 12.11.1981 verb. Rs. 212-217/80, Rn. 9 f.).

27

Für die Erstattungs- bzw. Erlassvorschriften hat das Europäische Gericht Erster Instanz hinsichtlich des Übergangs von der Verordnung (EWG) 1430/79 vom 02.07.1979 über die Erstattung oder den Erlass von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben (ABl. L 175/1) zum Zollkodex entschieden, dass die materiell-rechtlichen Erstattungsvorschriften des Zollkodex erst für Einfuhren nach dessen Inkrafttreten anzuwenden sind (EuG, Urt. v. 10.5.2001, verb. Rs. T-186, 187, 190-192, 210, 211, 216-218, 279, 280, 293/97 und T-147/99, Rn. 26; siehe auch EuGH, Urt. v. 13.03.2003, C-156/00, Rn. 35 f.). Bezogen auf den Übergang vom Zollkodex zum Unionszollkodex lässt sich Letzterem, insbesondere den Art. 116 ff. UZK, nicht entnehmen, dass seine materiell-rechtlichen Vorschriften auf Einfuhren anzuwenden sind, die vor dem 01.05.2016 stattgefunden haben. Was die Verfahrensvorschriften angeht, sind sie auf alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts anhängigen Rechtsstreitigkeiten anwendbar (EuG, Urt. v. 10.5.2001, verb. Rs. T-186, 187, 190-192, 210, 211, 216-218, 279, 280, 293/97 und T-147/99, Rn. 35; EuG, Urt. v. 09.06.1998, T-10, 11/97, Rn. 18 f. [bestätigt durch EuGH, Urt. v. 09.12.1999, C-299/98]). Entschieden wurde, dass hiervon die Verfahren erfasst werden, in denen die Anträge nach Inkrafttreten des neuen Rechts gestellt wurden. Nicht "anhängig" im Sinne dieser Rechtsprechung sind jedoch abgeschlossene Verwaltungsverfahren. Es würde nämlich keinen Sinn ergeben, Verwaltungsbehörden und Wirtschaftsbeteiligte an Verfahrensvorschriften zu messen, denen sie wegen Abschluss des Verwaltungsverfahrens im gerichtlichen Verfahren nicht mehr nachkommen können.

28

II.
Die Klage ist mit dem Hauptantrag unbegründet. Die Ablehnung des beantragten Erlasses ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO), weil sie keinen Anspruch auf Erstattung von... € Zoll und ... € Antidumpingzoll aus Art. 239 Abs. 1, 1. Anstrich ZK i. V. m. Art. 900 Abs. 1 ZKDVO hat.

29

Nach Art. 239 Abs. 1, 1. Anstrich ZK können Einfuhrabgaben in anderen als den in den Art. 236-238 ZK genannten Fällen, die nach dem Ausschussverfahren festgelegt werden (Art. 899 ff. ZKDVO), erstattet werden. Der Beklagte ist zur Entscheidung hierüber gemäß Art. 899 Abs. 1 ZKDVO berufen.

30

Die Voraussetzungen der in Art. 900 Abs. 1 ZKDVO genannten Tatbestände sind vorliegend nicht erfüllt. Unmittelbar ist - was auch die Klägerin einräumt - keiner der dort genannten Tatbestände einschlägig. Die Heizkörper können weiterhin bestimmungsgemäß verwendet werden (Buchst. j), und sie unterliegen auch keinen allgemeinen sonstigen Verwaltungsmaßnahmen (Buchst. k). Da es sich um eine abschließende Aufzählung von spezifischen Fallgruppen handelt, kommt eine entsprechende Anwendung dieser Tatbestände nicht in Betracht (FG Hamburg, Urt. v. 12.10.2016, 4 K 160/14, juris Rn. 48; vgl. Gellert in Dorsch, Zollrecht, 135. EL März 2012, Art. 239 ZK Rn. 91). Darüber hinaus ist ein Anspruch auf Erlass gemäß Art. 904 Buchst. c ZKDVO ausgeschlossen. Danach werden Einfuhrabgaben nämlich nicht erlassen, wenn die einzige für den Antrag angeführte Begründung darin besteht, dass gutgläubig Papiere zur Erlangung einer Zollpräferenzbehandlung für zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldeten Waren vorgelegt worden sind, die sich später als falsch erweisen. So liegt der Fall hier. Die Klägerin beruft sich darauf, dass sie auf die inhaltliche Richtigkeit der Ursprungszeugnisse vertraut habe. Mit dem Vortrag, der Erlassantrag werde auf die zivilrechtliche Vertragswidrigkeit der gelieferten Heizkörper gestützt, kann die Klägerin ebenfalls nicht durchdringen. Zivilrechtliche Regressansprüche mögen nicht unter die Ausschlusstatbestände von Art. 904 ZKDVO fallen. Sie erfüllen jedoch offensichtlich nicht die Voraussetzungen eines Katalogtatbestandes nach Art. 900 Abs. 1 ZKDVO.

31

III.
Die Klage hat auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vorlage ihres Erstattungsantrags an die Europäische Kommission gemäß Art. 239 Abs. 1, 2. Anstrich ZK.

32

Nach Art. 905 Abs. 1 ZKDVO, der insoweit Art. 239 Abs. 1, 2. Anstrich S. 1 ZK konkretisiert, muss es sich um einen besonderen Fall handeln, der sich aus Umständen ergibt, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind. Diese Vorschrift ist eine auf Billigkeitserwägungen beruhende Generalklausel, die andere als die praktisch am häufigsten vorkommenden Fälle, für die eine besondere Regelung (siehe oben II.) geschaffen wurde, erfassen soll (BFH, Urt. v. 24.04.2001, VII R 114/99, juris Rn. 20).

33

Da die Klägerin den Erlass von Einfuhrabgaben begehrt, deren Nacherhebung sich aus den Ergebnissen gemeinschaftlicher Ermittlungen im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 515/97 ergibt und deren Höhe € ...,- übersteigt, dürfte der Beklagte über den auf Art. 239 Abs. 1, 2. Anstrich ZK gestützten Erstattungsantrag nicht selbst entscheiden, sondern wäre gemäß Art. 899 Abs. 2 Unterabs. 1 i. V. m. Art. 905 Abs. 1, 2. und 3. Anstrich ZKDVO verpflichtet, ihn der Europäischen Kommission zur Entscheidung vorzulegen. Eine solche Vorlageverpflichtung besteht schon dann, wenn der Antrag genügend Anhaltspunkte dafür bietet, dass sich der Antragsteller in einer außergewöhnlichen Situation befindet, und nicht erst in solchen Fällen, in denen das Vorliegen besonderer Umstände eindeutig zu bejahen ist (BFH, Urt. v. 24.04.2001, VII R 114/99, juris Rn. 21). Nach diesem Maßstab ist der Beklagte vorliegend nicht verpflichtet, den Erstattungsantrag der Europäischen Kommission vorzulegen. Der Erstattungsantrag bietet nicht genügend Anhaltspunkte für das Vorliegen einer außergewöhnlichen Situation. Es liegen keine besonderen Umstände vor (dazu 1.). Die Klägerin handelte auch offensichtlich fahrlässig (dazu 2.).

34

1. Der Antrag bietet keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen besonderer Umstände. Dies ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der Fall, wenn im Lichte des an der Billigkeit ausgerichteten Regelungszweckes des Art. 239 ZK Umstände festgestellt werden, aufgrund deren sich der Antragsteller in einer Lage befindet, die gegenüber derjenigen anderer Wirtschaftsteilnehmer, die die gleiche Tätigkeit ausüben, außergewöhnlich ist (vgl. EuGH, Urt. v. 27.09.2001, C-253/99, Rn. 56; Urt. v. 25.02.1999, C-86/97, Rn. 22). Ferner stellen die Erstattung und der Erlass von Einfuhrabgaben, die nur unter bestimmten Voraussetzungen und in den eigens dafür vorgesehenen Fällen gewährt werden können, eine Ausnahme vom gewöhnlichen Einfuhr- und Ausfuhrsystem dar, so dass die Vorschriften, die eine solche Erstattung oder einen solchen Erlass vorsehen, eng auszulegen sind (vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2003, C-156/00, Rn. 91; Urt. v. 11.11.1999, C-48/98, Rn. 52; EuG, Urt. v. 12.02.2004, T-282/01, Rn. 55). Besondere Umstände liegen mithin vor, wenn das normale berufliche und geschäftliche Risiko des Beteiligten überschritten wird (FG Hamburg, Urt. v. 26.06.2014, 4 K 149/13, juris Rn. 22).

35

Das Vertrauen in die Gültigkeit von Ursprungszeugnissen, die sich als falsch erweisen, stellt als solches keinen besonderen Umstand dar, der den Erlass der Abgaben rechtfertigt (EuG, Urt. v. 16.04.2015, T-576/11, Rn. 62 m. w. N. aus der Rspr.). Nachträgliche Kontrollen wären nämlich zu einem großen Teil nutzlos, wenn die Verwendung solcher Zeugnisse allein einen Erlass rechtfertigen könnte. Die entgegengesetzte Lösung könnte den Wirtschaftsteilnehmern den Anreiz für sorgfältiges Vorgehen nehmen und dem öffentlichen Haushalt ein Risiko aufbürden, das in erster Linie die in der Wirtschaft Tätigen zu tragen haben (a. a. O.). Im Übrigen stellt die Nacherhebung von Zöllen, wenn Ursprungszeugnisse sich aufgrund einer nachträglichen Kontrolle als ungültig erwiesen haben, ein normales Geschäftsrisiko dar, dem jeder umsichtige und mit der Rechtslage vertraute Wirtschaftsteilnehmer Rechnung tragen muss (a. a. O., Rn. 63 m. w. N.). Beim Erlass von Antidumpingzöllen kommt hinzu, dass die Behörden eines Drittlands nicht an der Umsetzung der Antidumping-Verordnung beteiligt oder mit irgendwelchen Kontroll- oder Überwachungsaufgaben betraut sind, aufgrund derer der Abgabenschuldner davon ausgehen könnte, dass diese Behörden im Hinblick auf die unter eine solche Unionsregelung fallenden Aspekte "zuständig" seien (a. a. O., Rn. 64). Bei Anwendung dieser Grundsätze liegt hier kein besonderer Fall vor. Die malaysischen Ursprungszeugnisse haben sich als falsch erwiesen. Die von OLAF nachträglich durchgeführten Kontrollen ergaben, dass sie nicht den wahren Ursprung der Heizkörper bescheinigten, sondern die Heizkörper tatsächlich ihren Ursprung in der VR China hatten. Diese Feststellung hält der Einzelrichter für überzeugend (siehe hierzu ausführlich FG Hamburg, Urt. v. 12.05.2017, 4 K 147/15, Ziff. 1.2). Der Umstand, dass sich die Zeugnisse als inhaltlich unrichtig erwiesen haben, begründet auch vorliegend für sich genommen keinen besonderen Fall. Wenn die Klägerin sich zum Nachweis des Ursprungs der bei den Zollbehörden angemeldeten Waren auf diese Zeugnisse stützt, trifft sie eine Wahl, auf welche Weise sie ihre Pflicht erfüllt, den Zollbehörden gegenüber den Ursprung der Einfuhren nachzuweisen. Diese Wahl bringt Risiken mit sich, die der Teilnahme am Außenhandel innewohnen und daher von der Klägerin und nicht vom öffentlichen Haushalt zu tragen sind. Wären die Umstände, die die Klägerin geltend macht, für den Abgabenschuldner als ein besonderer Fall anzusehen, der den Erlass der Zölle rechtfertigt, hätten die Wirtschaftsteilnehmer keinerlei Interesse daran, sich zu vergewissern, dass die den Zollbehörden vorgelegten Anmeldungen und Dokumente zutreffend sind.

36

Auch wenn man unterstellt, dass bei Ausstellung der Ursprungszeugnisse die Unterlagen vorlagen, die die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zur Akte gereicht hat, ergibt sich keine andere Betrachtung. In diesem Fall hätte sich die Firma A die Ursprungszeugnisse durch die Vorlage von K2-Ausfuhran-meldungen erschlichen, weil - wovon der Einzelrichter aufgrund der überzeugenden Darlegung im OLAF-Bericht überzeugt ist - die Waren tatsächlich aus der Freizone kurz nach ihrer Ankunft aus der VR China ausgeführt wurden. Auch diese Umstände stellen keinen atypischen Geschehensablauf dar. Hierin hat sich vielmehr das für das Wirtschaftsleben typische Risiko verwirklicht, zum Opfer betrügerischer Machenschaften zu werden.

37

Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die malaysischen Zollbehörden wussten oder hätten wissen müssen, dass die Präferenznachweise unrichtig sind. Es ist für die hier inmitten stehende Rechtsfrage auch unerheblich, ob es besser gewesen wäre, wenn das MITI auf die Daten der malaysischen Zollbehörden und/oder der Freizonenverwaltung hätte zugreifen können, um falsche Angaben der Ausführer zu erkennen. Es steht den Staaten, die Präferenzzeugnisse für die Inanspruchnahme des Allgemeinen Präferenzsystems ausstellen, nämlich frei, in welcher Form sie entsprechende Verfahren organisieren. Auch die von OLAF ermittelten Unregelmäßigkeiten bei der Ausstellung von Ursprungszeugnissen für andere Waren mussten die malaysischen Behörden nicht veranlassen, in eine vertiefte Prüfung der materiellen Voraussetzungen für die Erteilung von Ursprungszeugnissen für die hier in Rede stehenden Aluminiumheizkörper einzusteigen.

38

Anders als die Klägerin meint, lässt sich aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen keine Hinweise für die grob fahrlässige Unkenntnis des MITI entnehmen. Zwar hat hiernach die Firma A lediglich (gefälschte) K2-Ausfuhranmeldungen vorgelegt, die für sich betrachtet nicht den malaysischen Ursprung der Ware belegen. Aus dem Genehmigungsschreiben des MITI vom 12.06.2012 (Ziff. 3 iii, iv) ergibt sich jedoch, dass die Firma A sich generell verpflichtet hat, Ursprungszeugnisse nur für Waren des eigenen Unternehmens zu beantragen und keine Transitlieferungen durchzuführen. Daher durfte das MITI ohne weitere Anhaltspunkte auch in den hier in Rede stehenden Fällen davon ausgehen, dass die Voraussetzungen des malaysischen Ursprungs erfüllt sind. Aus den Entscheidungen der Kommission REM 25, 27, 33, 35/00 vom 29.10.2001, auf die sich die Klägerin bezogen hat, folgt nichts anderes. Dort wurden besondere Umstände angenommen, weil die zuständigen türkischen Behörden, die die inhaltlich unrichtigen Bescheinigung ausgestellt hatten, jedenfalls hätten wissen müssen, dass die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt waren (Ziff. 24, 27 der Entscheidung). Dies ist - wie dargelegt - im vorliegenden Fall selbst dann anders, wenn man die Unterlagen zu Grunde legt, die die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegt hat.

39

Für eine Anwendung der Wertungen aus dem privaten Frachtvertragsrecht, die die Klägerin angeführt hat, besteht im Rahmen einer Prüfung von Art. 239 ZK kein rechtlicher Anknüpfungspunkt. Unbeachtlich für einen Erlassantrag nach Art. 239 ZK ist auch, ob durch die konkrete Einfuhr einer Ware der Schutzzweck einer Antidumpingmaßnahme beeinträchtigt wird. Durch Erlass einer Verordnung, mit der ein Antidumpingzoll verhängt wird, trifft die EU eine generelle Entscheidung darüber, ob die Einfuhr eines bestimmten Typs von Waren die Voraussetzungen für die Verhängung eines Antidumpingzolls erfüllt. Würde man es zulassen, über den Erlass Antidumpingzölle wieder auszukehren, weil der konkrete Einfuhrpreis höher ist als der Preis, den konkurrierende Importeure zahlen, würde man die Ergebnisse des Antidumping-Untersuchungsverfahrens konterkarieren und letztlich diejenigen Importeure belohnen, die weniger erfolgreich bei Preisverhandlungen sind als andere.

40

2. Die Klägerin handelte auch offensichtlich fahrlässig. Anhand welcher Kriterien das Vorliegen offensichtlich fahrlässigen Verhaltens zu bestimmen ist, hat der Europäische Gerichtshof im Urteil Söhl & Söhlke (Urt. v. 11.11.1999, C-48/98; siehe auch EuG, Urt. v. 16.04.2015, T-576/11, Rn. 95 m. w. N.) grundlegend entschieden. Danach müssen insbesondere die Komplexität der Vorschriften, deren Nichterfüllung die Zollschuld begründet, sowie die Erfahrung und die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers berücksichtigt werden (EuGH, Urt. v. 11.11.1999, C-48/98, Rn. 55). Zugleich weist der Europäische Gerichtshof darauf hin, dass der Begriff so auszulegen ist, dass die Anzahl der Fälle, in denen erstattet oder erlassen wird, begrenzt bleibt (a. a. O., Rn. 52). Bei Betrachtung dieser Gesichtspunkte muss das Verhalten der Klägerin insgesamt als offensichtlich fahrlässig bezeichnet werden. Im Einzelnen:

41

2.1 Hinsichtlich der Erfahrung des Wirtschaftsteilnehmers ist zu untersuchen, ob er im Wesentlichen im Einfuhr- und Ausfuhrgeschäft tätig ist und ob er bereits über eine gewisse Erfahrung mit der Durchführung dieser Geschäfte verfügt (EuGH, Urt. v. 11.11.1999, C-48/98, Rn. 57). Nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung ist die Klägerin seit den 1990er Jahren als Produzentin sowie im Im- und Exportgeschäft tätig. Bei den hier in Rede stehenden Einfuhren handelt es sich um die ersten dieser Art aus Malaysia.

42

2.2 Die Vorschriften, um deren Einhaltung es geht, sind nicht sonderlich komplex. Die Klägerin musste lediglich in tatsächlicher Hinsicht darauf achten, dass die Heizkörper in Malaysia produziert werden.

43

2.3 Die Klägerin hat ihre Sorgfaltspflicht bei der Inanspruchnahme zollrechtlicher Verfahren nicht erfüllt. Aus Art. 62 ZK folgt, dass die bei den Zollbehörden abgegebenen Anmeldungen alle Angaben und Unterlagen enthalten müssen, die zur Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet werden, erforderlich sind. Wie Art. 199 i. V. m. Anhang 37 ZKDVO erhellt, gilt die Abgabe einer vom Anmelder unterzeichneten Zollanmeldung bei einer Zollstelle als Verpflichtung hinsichtlich der Richtigkeit der in der Zollanmeldung enthaltenen Angaben und der Echtheit der beigefügten Unterlagen (EuG, Urt. v. 16.04.2015, T-576/11, Rn. 102). Vor diesem Hintergrund muss sich ein Wirtschaftsbeteiligter bei Zweifeln über die richtige Anwendung der Zollvorschriften nach Kräften informieren (EuGH, Urt. v. 11.11.1999, C-48/98, Rn. 58). Dies hat die Klägerin nicht getan, sondern - wie sie selbst vorgetragen hat - "blind darauf vertraut[t]", dass die von ihr beauftragte Zollagentur eine umfassende Prüfung durchführen würde. Dies wiegt umso schwerer, weil der Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag bei der Bestellung der Heizkörper im April 2012 bekannt war, dass bereits ein Antidumping-Untersuchungsverfahren im Hinblick auf Heizkörper aus der VR China eingeleitet worden war (siehe ABl. EU 2011 C 236/18). In Anbetracht der für eine erfahrene Wirtschaftsbeteiligte wie die Klägerin auf der Hand liegenden Möglichkeit, dass es im Zuge des Antidumping-Verfahrens auch zu Umgehungshandlungen kommen könnte, und der nicht unerheblichen Menge von insgesamt ... Heizkörpern hätte sie sich nicht mit der schlichten schriftlichen Bestätigung des Verkäufers genügen dürfen, dass Heizkörper malaysischen Ursprungs geliefert würden bzw. dass die Produktion im Malaysia stattfinde, sondern weitere Details über die Herstellung der Heizkörper erfragen müssen.

44

Aus der Entscheidung des EuGH vom 27.06.1991, C-348/89, Rn. 29 f., kann die Klägerin Nichts für sich ableiten. Dort wird Bezug genommen auf die Angaben, die der Zollanmelder "vernünftigerweise kennen oder sich beschaffen [...] konnte." Es wurde bereits dargelegt, dass die Klägerin es unterlassen hat, weitere Nachforschungen anzustellen, ob die bestellten Heizkörper tatsächlich mit ursprungsbegründender Wirkung in Malaysia produziert werden.

45

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

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(1) Der Absender hat dem Frachtführer alle Urkunden zur Verfügung zu stellen und Auskünfte zu erteilen, die für eine amtliche Behandlung, insbesondere eine Zollabfertigung, vor der Ablieferung des Gutes erforderlich sind.

(2) Der Frachtführer ist für den Schaden verantwortlich, der durch Verlust oder Beschädigung der ihm übergebenen Urkunden oder durch deren unrichtige Verwendung verursacht worden ist, es sei denn, daß der Verlust, die Beschädigung oder die unrichtige Verwendung auf Umständen beruht, die der Frachtführer nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte. Seine Haftung ist jedoch auf den Betrag begrenzt, der bei Verlust des Gutes zu zahlen wäre.

(1) Die Pflicht, die Versendung zu besorgen, umfaßt die Organisation der Beförderung, insbesondere

1.
die Bestimmung des Beförderungsmittels und des Beförderungsweges,
2.
die Auswahl ausführender Unternehmer, den Abschluß der für die Versendung erforderlichen Fracht-, Lager- und Speditionsverträge sowie die Erteilung von Informationen und Weisungen an die ausführenden Unternehmer und
3.
die Sicherung von Schadensersatzansprüchen des Versenders.

(2) Zu den Pflichten des Spediteurs zählt ferner die Ausführung sonstiger vereinbarter auf die Beförderung bezogener Leistungen wie die Versicherung und Verpackung des Gutes, seine Kennzeichnung und die Zollbehandlung. Der Spediteur schuldet jedoch nur den Abschluß der zur Erbringung dieser Leistungen erforderlichen Verträge, wenn sich dies aus der Vereinbarung ergibt.

(3) Der Spediteur schließt die erforderlichen Verträge im eigenen Namen oder, sofern er hierzu bevollmächtigt ist, im Namen des Versenders ab.

(4) Der Spediteur hat bei Erfüllung seiner Pflichten das Interesse des Versenders wahrzunehmen und dessen Weisungen zu befolgen.

Soweit die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) streitet um ihre Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft durch die Beklagte und Revisionsbeklagte (die Steuerberaterkammer). Sie ist 2007 von dem Steuerberater K zusammen mit der während des Streitverfahrens verstorbenen Frau K gegründet worden und will ihre Tätigkeit in Z aufnehmen. Beide waren damals Mitglieder einer anderen Steuerberaterkammer X und gaben sich im Internet als in Y tätige Steuerberater aus.

2

Die Steuerberaterkammer, die im Übrigen gegen den ihr vorgelegten Satzungsentwurf für die Klägerin keine Bedenken hat, zögerte mit der Anerkennung, weil sie, wie sie der Klägerin mitgeteilt hat, nicht die Anerkennungsvoraussetzung gegeben sah, dass der Geschäftsführer der Gesellschaft --nämlich die damals dafür offenbar vorgesehene Frau K-- eine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft oder im Nahbereich derselben habe. Aufgrund vielfacher Erörterung dieser Frage und zahlreicher von der Steuerberaterkammer angestellter Ermittlungen lehnte diese schließlich mit Bescheid vom 4. Februar 2010 den Antrag auf Anerkennung der Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft ab. Die hiergegen erhobene Klage ist ohne Erfolg geblieben.

3

Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Steuerberaterkammer habe die Anerkennung ohne Rechtsverstoß versagt; "gleichermaßen" seien zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Anerkennungsvoraussetzungen nicht erfüllt. Das Steuerberatungsgesetz (StBerG) verlange nämlich, dass mindestens einer der Geschäftsführer seine Niederlassung am Sitz der Gesellschaft oder in dessen Nahbereich unterhalte. Dies sei in dem Zeitpunkt, als die Steuerberaterkammer den Ablehnungsbescheid erließ, nicht der Fall gewesen und selbst unter Berücksichtigung des Vortrags in der mündlichen Verhandlung nach wie vor nicht gegeben. Frau K habe zu keinem Zeitpunkt eine berufliche Niederlassung in Z gehabt. Auch K verfüge dort derzeit über keine berufliche Niederlassung. Er sei Mitglied der Steuerberaterkammer X und habe in Y seinen Wohnsitz. Er habe nicht substantiiert dargelegt, dass er zusätzlich in Z steuerberatende Aktivitäten in einer Weise und in einem Umfang entfalte, dass er auch in Z über eine berufliche Niederlassung verfüge. "Im Rahmen des Anerkennungsverfahrens" müssten die Anerkennungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung erfüllt sein. Es genüge hiernach nicht, dass K im Anschluss an die Anerkennung der Klägerin --selbst wenn dies unverzüglich geschehe-- seine berufliche Niederlassung in Z begründe. Die Rechtsprechung verlange, dass "im Grundsatz vorrangig" auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anerkennungsantrag abzustellen ist.

4

Gegen dieses in der Zeitschrift Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 879 veröffentlichte Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, die im Wesentlichen wie folgt begründet wird:

5

Es sei im Termin zur mündlichen Verhandlung dezidiert dargelegt worden, dass in der Person des K die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG erfüllt seien, dieser nämlich seine berufliche Niederlassung in Z habe. Er habe dazu das Schreiben überreicht, mit dem er am Vortag den Steuerberaterkammern Z und X mitgeteilt habe, dass seine berufliche Niederlassung in Z liege. Er habe darüber hinaus mitgeteilt, dass er seit Jahren Büroräume in der M-Straße habe und von dort aus mehrere Steuerverfahren beim FG geführt habe und dass er auch eine Wohnung in Z besitze. Ferner habe er dem Gericht die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung vorgelegt. Diesen am Ende der mündlichen Verhandlung gegebenen Tatsachenstand habe das FG seinem Urteil nicht zu Grunde gelegt, sondern diesen --im Tatbestand des Urteils-- unter Missachtung vorgenannter Ausführungen und Unterlagen dahin zusammengefasst, dass K "seine anwaltlichen Aktivitäten ... in Z substanziell ausgeweitet" habe. Das FG sei also offensichtlich schlicht von der Tatsachenlage ausgegangen, die im Zeitpunkt der letzten Entscheidung der Steuerberaterkammer bestanden habe. Es habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt und es habe in diesem Zusammenhang ferner den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt, indem es den Sachvortrag des K in der mündlichen Verhandlung unberücksichtigt gelassen habe; zwischen der Version, die das FG seinem Urteil zu Grunde gelegt habe und dem tatsächlichen Vorgang der Verlegung der beruflichen Niederlassung des K nach Z bestehe ein Unterschied.

6

Die Klägerin rügt ferner die Verletzung des § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG und meint, selbst wenn K zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine berufliche Niederlassung in Z noch nicht gehabt hätte, habe das FG die Steuerberaterkammer verpflichten müssen, sie, ggf. unter der aufschiebenden Bedingung, dass eine solche Niederlassung rechtzeitig begründet wird, als Steuerberatungsgesellschaft anzuerkennen. Denn sie habe mehrfach ihre Absicht erklärt, dass einer ihrer Gesellschafter vor Aufnahme einer werbenden Tätigkeit der neuen Gesellschaft seine berufliche Niederlassung in Z begründen werde, sofern die Gesellschaft anerkannt werde. Dies genüge als Voraussetzung für die Anerkennung. Das Beharren darauf, dass jene Anerkennungsvoraussetzung im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorliegen müsse, führe zu einem nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Berufsfreiheit.

7

Die Steuerberaterkammer meint, aus den Ausführungen des FG ergebe sich, dass dieses auf den Sachstand zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abgestellt und die Überzeugung gewonnen habe, dass K damals keine berufliche Niederlassung in Z gehabt habe. Die Klägerin setze insoweit nur ihre eigene Würdigung der des FG entgegen. Die hierzu erhobene Rüge mangelnder Sachaufklärung sei unschlüssig, weil nicht dargelegt sei, dass eine weitergehende Sachaufklärung beantragt worden sei.

8

In materiell-rechtlicher Hinsicht ist die Steuerberaterkammer der Ansicht, der Geschäftsführer müsse bereits im Zeitpunkt der Anerkennung seine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft begründet haben. Aus § 34 Abs. 1 StBerG, auf den § 72 Abs. 1 StBerG für Steuerberatungsgesellschaften verweise, könne nichts anderes hergeleitet werden. Die Vorschrift bestimme zwar, dass Steuerberater unmittelbar nach ihrer Bestellung eine berufliche Niederlassung begründen müssten, anderenfalls ihre Bestellung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 6 StBerG zu widerrufen sei. Eine entsprechende Vorschrift für Steuerberatungsgesellschaften bestehe jedoch nicht. Das sei auch nicht erforderlich, weil deren Sitz durch die Eintragung im Handelsregister bestimmt werde. Im Übrigen könnte die Anerkennung einer Steuerberatungsgesellschaft, wenn der geschäftsführende Steuerberater seine berufliche Niederlassung von deren Sitz wegverlege, nicht widerrufen werden, wenn man nicht die vorherige Begründung eines solchen Sitzes als Anerkennungsvoraussetzung ansehe. Eine Anerkennung unter der Bedingung einer solchen Sitzbegründung sehe das StBerG nicht vor; sie sei auch nach § 120 der Abgabenordnung (AO) nicht möglich.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet und hat mit dem Ergebnis der Aufhebung des Urteils des FG und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung Erfolg (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO) und ist auch nicht im Ergebnis richtig (§ 126 Abs. 4 FGO).

10

1. Die Klage ist darauf gerichtet, die Klägerin nach Maßgabe des § 49 Abs. 1 StBerG als Steuerberatungsgesellschaft anzuerkennen. Sie ist also eine Verpflichtungsklage. Über sie hatte das FG --wie es bei Klagen und allemal bei Verpflichtungsklagen grundsätzlich der Fall ist-- auf der Grundlage der im Zeitpunkt seiner Entscheidung gegebenen Sachlage zu entscheiden. Denn soweit die Ablehnung eines Verwaltungsaktes, wie der Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft, rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hat das Gericht nach § 101 Satz 1 FGO die Verpflichtung der Finanzbehörde auszusprechen, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, sofern die Sache spruchreif ist. Es kommt also nicht darauf an, ob die Entscheidung der Behörde, den begehrten Verwaltungsakt nicht zu erlassen, seinerzeit rechtmäßig oder rechtswidrig war, sondern ob es im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts rechtswidrig ist, dem Kläger den begehrten Verwaltungsakt vorzuenthalten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Gesetz für eine Entscheidung auf einen bestimmten --vor der Entscheidung des Gerichts liegenden-- Zeitpunkt abstellt (vgl. nur Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 19. Aufl., § 113 Rz 221 f.), wofür in dem hier gegebenen Zusammenhang nichts erkennbar ist. Auch aus dem vom FG angeführten Urteil des erkennenden Senats vom 26. September 1989 VII R 54/89 (BFH/NV 1990, 328) ergibt sich dafür nichts. Ob der künftige Geschäftsführer einer neu gegründeten Steuerberatungsgesellschaft bereits im Zeitpunkt der Anerkennung derselben eine berufliche Niederlassung an deren Sitz begründet haben muss, hat auch nichts mit der Frage zu tun, ob er eine solche Niederlassung ggf. erst im Laufe eines Streitverfahrens wegen der Anerkennung begründen kann.

11

Dem Urteil des FG ist nicht in hinreichender Klarheit zu entnehmen, dass das FG dies beachtet hat. Indes wird schon in den die materiell-rechtliche Prüfung gleichsam einleitenden Sätzen (Urteilsabdruck Blatt 9 erster Absatz) nicht darauf abgestellt, ob die Klägerin --jetzt-- ein subjektiv-öffentliches Recht auf Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft hat, sondern ob die Steuerberaterkammer die Anerkennung ohne Rechtsverstoß versagt hat; dass damit nicht auf die Rechtswidrigkeit der Versagung einer solchen Anerkennung nach der gegenwärtigen, im Zeitpunkt der Entscheidung des FG eingetretenen Sachlage, sondern offenbar auf diejenige im Zeitpunkt der Entscheidung der Steuerberaterkammer abgestellt werden soll, wird zumindest durch den folgenden Satz nahegelegt ("Gleichermaßen ... "), der dem für das FG offenbar maßgeblichen Entscheidungsgrund, dass die Steuerberaterkammer rechtmäßig entschieden habe, anscheinend nur ergänzend zur Seite gestellt werden und zum Ausdruck bringen soll, dass die Steuerberaterkammer auch jetzt --im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Gerichts-- nicht anders entscheiden müsste.

12

Die schon hierdurch ausgelöste Unklarheit in den rechtlichen Grundlagen der Entscheidung des FG wird u.a. dadurch verstärkt, dass das FG ausdrücklich darauf abstellt, ob die Anerkennungsvoraussetzungen "im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung seitens der zuständigen Steuerberaterkammer" erfüllt waren (Urteilsabdruck Blatt 10 Abs. 2, Blatt 11 Abs. 3), und dass es meint, dies sei "im Grundsatz vorrangig" maßgeblich. Auch die umfangreichen Urteilsausführungen über die berufliche Niederlassung der Frau K wären anderenfalls in der Tat unverständlich.

13

2. Selbst wenn man aber mit der Steuerberaterkammer davon ausginge, dass sich das FG bewusst war, dass es (nicht nur im Ausnahmefall und nicht nur nachrangig, sondern) ausschließlich auf die Sachlage im Zeitpunkt seiner Entscheidung ankam, wäre für den erkennenden Senat nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, worauf die dem Urteil des FG zu entnehmende Ansicht beruht, K habe im Zeitpunkt der Entscheidung des FG keine berufliche Niederlassung in Z gehabt.

14

Die eingehenden Ausführungen in dem Urteil zu der beruflichen Betätigung der Frau K, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des FG bereits verstorben war und deshalb für die Entscheidung des Gerichts keine Rolle spielen konnte, besagen über das Bestehen einer beruflichen Niederlassung des K nichts. Die in Blatt 9 Abs. 5 des Urteilsabdrucks getroffene Feststellung, K sei Mitglied der Steuerberaterkammer X, und der im weiteren Verlauf dieses Absatzes enthaltene Hinweis, er sei in dem von der Steuerberaterkammer geführten Berufsregister nicht geführt, trägt die Schlussfolgerung des FG nicht, weil K in der mündlichen Verhandlung gerade vorgetragen hatte, er habe erst am Vortag den Kammern die Verlegung seiner beruflichen Niederlassung mitgeteilt. Dass dies unzutreffend ist, hat das FG nicht angenommen. Hierfür hatte es auch nicht ohne Weiteres Anlass. Dass der Kläger über die erforderlichen sächlichen Voraussetzungen verfügte, um von Z aus einer beruflichen Tätigkeit als Steuerberater nachgehen zu können, hatte er im Wesentlichen unwidersprochen vorgetragen.

15

Da es deshalb schon zweifelhaft erscheint, ob die Ansicht des FG, K habe selbst im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch keine berufliche Niederlassung in Z gehabt, trotz dieser Bedenken gegen ihre Nachvollziehbarkeit als eine den erkennenden Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindende tatsächliche Feststellung angesehen werden kann, mag dahinstehen, ob die von der Revision in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen der Verletzung formellen Rechts (unzureichende Sachaufklärung, Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör) durchgreifen könnten. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass zu einer schlüssigen Rüge u.a. die Darlegung gehörte, mit welchen Beweismitteln das FG (konkrete) Tatsachen hätte aufklären sollen, und dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass ein rechtstaatliches Gericht von ihm entgegengenommenes Vorbringen bei seiner Entscheidung würdigt.

16

3. All dies kann aber letztlich dahinstehen, weil das Urteil des FG noch aus einem anderen Grund Bundesrecht verletzt und deshalb keinen Bestand haben kann.

17

Voraussetzung für die Anerkennung einer Steuerberatungsgesellschaft ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 StBerG u.a., dass die Geschäftsführer Steuerberater sind; mindestens ein Steuerberater, der Geschäftsführer ist, muss seine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft oder in dessen Nahbereich haben, wie § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG dem hinzufügt. Diese Vorschrift ist --anders als die Steuerberaterkammer meint-- nicht gleichsam handlungsbezogen auf den (Verwaltungs-)Akt der Anerkennung einer Steuerberatungsgesellschaft zu beziehen, sondern bringt --gleichsam zustandsbezogen-- zum Ausdruck, dass mindestens einer der Geschäftsführer einer anerkannten Steuerberatungsgesellschaft seine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft unterhalten muss. Diese muss vor Aufnahme einer werbenden Tätigkeit der Gesellschaft begründet werden. Die Anerkennung der Gesellschaft kann jedoch erfolgen, ohne dass eine solche Niederlassung bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anerkennungsantrag unterhalten wird, sofern es nicht erkennbar an der ernstlichen Absicht fehlt, eine solche Niederlassung alsbald zu begründen und zu unterhalten, mithin eine prognostische Einschätzung (dazu schon Senatsurteil in BFH/NV 1990, 328) ergibt, dass die Anerkennung keinen Bestand haben könnte.

18

Ein anderes Verständnis der Vorschrift zwänge, wie die Revision mit Recht geltend macht, eine von einem bisher an einem anderen Ort tätigen Steuerberater gegründete neue Steuerberatungsgesellschaft dazu, ihren künftigen Geschäftsführer zu veranlassen, seine berufliche Niederlassung am Sitz der künftigen Gesellschaft zu begründen, obwohl diese noch nicht werbend tätig werden kann und möglicherweise nicht einmal sicher ist, ob sie überhaupt anerkannt wird. Ein solches Erschwernis der Gründung von Steuerberatungsgesellschaften dem Gesetz zu entnehmen, entspricht nach Auffassung des erkennenden Senats weder einem zutreffenden Verständnis von der Reichweite des Grundrechts der Berufsfreiheit und der Vereinigungsfreiheit noch ist es durch die Belange eines Schutzes der Steuerrechtspflege geboten, zumal das Gesetz Steuerberatern die Begründung einer beruflichen Niederlassung ebenfalls erst unmittelbar nach ihrer Bestellung abverlangt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 StBerG) und sich für den Fall, dass der Steuerberater dem nicht nachkommt, mit der Möglichkeit eines Widerrufs seiner Bestellung begnügt (§ 46 Abs. 2 Nr. 6 StBerG). Überdies kann die Steuerberaterkammer in der Regel ausreichend sicherstellen, dass die künftige Steuerberatungsgesellschaft den Anforderungen des § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG genügen wird, indem sie die Ernsthaftigkeit der Absicht des als künftigen Geschäftsführer vorgesehenen Steuerberaters, seine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft zu begründen und dafür ggf. von anderswoher zu verlegen, anhand der dafür einschlägigen Indizien prüft. Wenn sie insofern letzte Zweifel nicht auszuräumen vermag, kann sie die Anerkennung der Gesellschaft von vornherein unter die aufschiebende Bedingung stellen, dass sie ihre werbende Tätigkeit erst entfalten darf, wenn der Geschäftsführer seine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft tatsächlich begründet hat. Einen Verwaltungsakt unter eine solche Bedingung zu stellen, lässt § 120 Abs. 1 AO auch dann zu, wenn es sich --wie hier-- nicht um eine Ermessensentscheidung handelt, sofern --was bei einer solchen Bedingung der Fall wäre-- die Bedingung lediglich sicherstellen soll, dass die Voraussetzungen für den Erlass des betreffenden Verwaltungsaktes tatsächlich vorliegen, bevor von diesem Gebrauch gemacht wird. Die offenbar von der Steuerberaterkammer gehegte Befürchtung, eine Anerkennung erteilen und alsbald feststellen zu müssen, dass die vorgebliche Absicht der Begründung einer beruflichen Niederlassung des Geschäftsführers nicht verwirklicht wird, rechtfertigt eine andere Beurteilung umso weniger, als ein in diesem Falle notwendiges Widerrufsverfahren sich nicht wesentlich sicherer durch das Beharren auf einer vorherigen Begründung der Niederlassung vermeiden lässt, welche im Allgemeinen ohne Weiteres sofort wieder aufgelöst werden könnte, wenn sie nur zum Schein begründet worden ist.

19

Ob im Streitfall davon ausgegangen werden kann, dass eine hinreichende Gewähr dafür besteht, dass K bei Anerkennung der Gesellschaft unverzüglich alles das unternimmt, was über die vorgenannte Mitteilung an die Steuerberaterkammer, die Verfügbarkeit einer Wohnung für den Geschäftsführer am Ort der Gesellschaft sowie den Abschluss einer Versicherung hinaus zur Begründung einer beruflichen Niederlassung i.S. des § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG erforderlich ist, hat das FG bei seiner Entscheidung nicht geprüft. Es wird dies im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben. Dabei wird es sich darüber Klarheit verschaffen müssen, welche über Vorgenanntes hinausgehenden Anforderungen an die Begründung einer beruflichen Niederlassung gemäß vorgenannter Vorschrift im Einzelnen zu stellen sind.

20

Der erkennende Senat kann einstweilen davon absehen, dazu in rechtlicher Hinsicht näher Stellung zu nehmen. Er weist jedoch darauf hin, dass der Annahme, ein Steuerberater habe seine berufliche Niederlassung in Z, schwerlich abträglich sein dürfte, dass er auch in Y eine Wohnung besitzt. Ferner mag nicht unerwähnt bleiben, dass es im Rahmen der dem FG zustehenden Freiheit der Beweiswürdigung als ein wichtiges Indiz für die mangelnde Absicht, eine berufliche Niederlassung zu schaffen, angesehen werden könnte, wenn der künftige Geschäftsführer dafür erforderliche Maßnahmen nicht oder allenfalls gleichsam in letzter Minute ergreift, obwohl keinerlei ernsthafter Anlass dafür bestanden hat, daran zu zweifeln, dass bei Begründung der erforderlichen Niederlassung die Anerkennung der Gesellschaft von der Kammer sofort ausgesprochen würde. Den Streitfall unter diesem Gesichtspunkt zu würdigen, muss indes dem FG als Tatsachengericht überlassen werden. Es wird ggf. der Steuerberaterkammer gemäß § 101 Satz 2 FGO Gelegenheit zu geben haben, über die Beifügung vorgenannter Bedingung nach ihrem Ermessen zu entscheiden.

Soweit die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) streitet um ihre Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft durch die Beklagte und Revisionsbeklagte (die Steuerberaterkammer). Sie ist 2007 von dem Steuerberater K zusammen mit der während des Streitverfahrens verstorbenen Frau K gegründet worden und will ihre Tätigkeit in Z aufnehmen. Beide waren damals Mitglieder einer anderen Steuerberaterkammer X und gaben sich im Internet als in Y tätige Steuerberater aus.

2

Die Steuerberaterkammer, die im Übrigen gegen den ihr vorgelegten Satzungsentwurf für die Klägerin keine Bedenken hat, zögerte mit der Anerkennung, weil sie, wie sie der Klägerin mitgeteilt hat, nicht die Anerkennungsvoraussetzung gegeben sah, dass der Geschäftsführer der Gesellschaft --nämlich die damals dafür offenbar vorgesehene Frau K-- eine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft oder im Nahbereich derselben habe. Aufgrund vielfacher Erörterung dieser Frage und zahlreicher von der Steuerberaterkammer angestellter Ermittlungen lehnte diese schließlich mit Bescheid vom 4. Februar 2010 den Antrag auf Anerkennung der Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft ab. Die hiergegen erhobene Klage ist ohne Erfolg geblieben.

3

Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Steuerberaterkammer habe die Anerkennung ohne Rechtsverstoß versagt; "gleichermaßen" seien zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Anerkennungsvoraussetzungen nicht erfüllt. Das Steuerberatungsgesetz (StBerG) verlange nämlich, dass mindestens einer der Geschäftsführer seine Niederlassung am Sitz der Gesellschaft oder in dessen Nahbereich unterhalte. Dies sei in dem Zeitpunkt, als die Steuerberaterkammer den Ablehnungsbescheid erließ, nicht der Fall gewesen und selbst unter Berücksichtigung des Vortrags in der mündlichen Verhandlung nach wie vor nicht gegeben. Frau K habe zu keinem Zeitpunkt eine berufliche Niederlassung in Z gehabt. Auch K verfüge dort derzeit über keine berufliche Niederlassung. Er sei Mitglied der Steuerberaterkammer X und habe in Y seinen Wohnsitz. Er habe nicht substantiiert dargelegt, dass er zusätzlich in Z steuerberatende Aktivitäten in einer Weise und in einem Umfang entfalte, dass er auch in Z über eine berufliche Niederlassung verfüge. "Im Rahmen des Anerkennungsverfahrens" müssten die Anerkennungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung erfüllt sein. Es genüge hiernach nicht, dass K im Anschluss an die Anerkennung der Klägerin --selbst wenn dies unverzüglich geschehe-- seine berufliche Niederlassung in Z begründe. Die Rechtsprechung verlange, dass "im Grundsatz vorrangig" auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anerkennungsantrag abzustellen ist.

4

Gegen dieses in der Zeitschrift Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 879 veröffentlichte Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, die im Wesentlichen wie folgt begründet wird:

5

Es sei im Termin zur mündlichen Verhandlung dezidiert dargelegt worden, dass in der Person des K die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG erfüllt seien, dieser nämlich seine berufliche Niederlassung in Z habe. Er habe dazu das Schreiben überreicht, mit dem er am Vortag den Steuerberaterkammern Z und X mitgeteilt habe, dass seine berufliche Niederlassung in Z liege. Er habe darüber hinaus mitgeteilt, dass er seit Jahren Büroräume in der M-Straße habe und von dort aus mehrere Steuerverfahren beim FG geführt habe und dass er auch eine Wohnung in Z besitze. Ferner habe er dem Gericht die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung vorgelegt. Diesen am Ende der mündlichen Verhandlung gegebenen Tatsachenstand habe das FG seinem Urteil nicht zu Grunde gelegt, sondern diesen --im Tatbestand des Urteils-- unter Missachtung vorgenannter Ausführungen und Unterlagen dahin zusammengefasst, dass K "seine anwaltlichen Aktivitäten ... in Z substanziell ausgeweitet" habe. Das FG sei also offensichtlich schlicht von der Tatsachenlage ausgegangen, die im Zeitpunkt der letzten Entscheidung der Steuerberaterkammer bestanden habe. Es habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt und es habe in diesem Zusammenhang ferner den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt, indem es den Sachvortrag des K in der mündlichen Verhandlung unberücksichtigt gelassen habe; zwischen der Version, die das FG seinem Urteil zu Grunde gelegt habe und dem tatsächlichen Vorgang der Verlegung der beruflichen Niederlassung des K nach Z bestehe ein Unterschied.

6

Die Klägerin rügt ferner die Verletzung des § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG und meint, selbst wenn K zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine berufliche Niederlassung in Z noch nicht gehabt hätte, habe das FG die Steuerberaterkammer verpflichten müssen, sie, ggf. unter der aufschiebenden Bedingung, dass eine solche Niederlassung rechtzeitig begründet wird, als Steuerberatungsgesellschaft anzuerkennen. Denn sie habe mehrfach ihre Absicht erklärt, dass einer ihrer Gesellschafter vor Aufnahme einer werbenden Tätigkeit der neuen Gesellschaft seine berufliche Niederlassung in Z begründen werde, sofern die Gesellschaft anerkannt werde. Dies genüge als Voraussetzung für die Anerkennung. Das Beharren darauf, dass jene Anerkennungsvoraussetzung im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorliegen müsse, führe zu einem nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Berufsfreiheit.

7

Die Steuerberaterkammer meint, aus den Ausführungen des FG ergebe sich, dass dieses auf den Sachstand zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abgestellt und die Überzeugung gewonnen habe, dass K damals keine berufliche Niederlassung in Z gehabt habe. Die Klägerin setze insoweit nur ihre eigene Würdigung der des FG entgegen. Die hierzu erhobene Rüge mangelnder Sachaufklärung sei unschlüssig, weil nicht dargelegt sei, dass eine weitergehende Sachaufklärung beantragt worden sei.

8

In materiell-rechtlicher Hinsicht ist die Steuerberaterkammer der Ansicht, der Geschäftsführer müsse bereits im Zeitpunkt der Anerkennung seine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft begründet haben. Aus § 34 Abs. 1 StBerG, auf den § 72 Abs. 1 StBerG für Steuerberatungsgesellschaften verweise, könne nichts anderes hergeleitet werden. Die Vorschrift bestimme zwar, dass Steuerberater unmittelbar nach ihrer Bestellung eine berufliche Niederlassung begründen müssten, anderenfalls ihre Bestellung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 6 StBerG zu widerrufen sei. Eine entsprechende Vorschrift für Steuerberatungsgesellschaften bestehe jedoch nicht. Das sei auch nicht erforderlich, weil deren Sitz durch die Eintragung im Handelsregister bestimmt werde. Im Übrigen könnte die Anerkennung einer Steuerberatungsgesellschaft, wenn der geschäftsführende Steuerberater seine berufliche Niederlassung von deren Sitz wegverlege, nicht widerrufen werden, wenn man nicht die vorherige Begründung eines solchen Sitzes als Anerkennungsvoraussetzung ansehe. Eine Anerkennung unter der Bedingung einer solchen Sitzbegründung sehe das StBerG nicht vor; sie sei auch nach § 120 der Abgabenordnung (AO) nicht möglich.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet und hat mit dem Ergebnis der Aufhebung des Urteils des FG und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung Erfolg (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO) und ist auch nicht im Ergebnis richtig (§ 126 Abs. 4 FGO).

10

1. Die Klage ist darauf gerichtet, die Klägerin nach Maßgabe des § 49 Abs. 1 StBerG als Steuerberatungsgesellschaft anzuerkennen. Sie ist also eine Verpflichtungsklage. Über sie hatte das FG --wie es bei Klagen und allemal bei Verpflichtungsklagen grundsätzlich der Fall ist-- auf der Grundlage der im Zeitpunkt seiner Entscheidung gegebenen Sachlage zu entscheiden. Denn soweit die Ablehnung eines Verwaltungsaktes, wie der Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft, rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hat das Gericht nach § 101 Satz 1 FGO die Verpflichtung der Finanzbehörde auszusprechen, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, sofern die Sache spruchreif ist. Es kommt also nicht darauf an, ob die Entscheidung der Behörde, den begehrten Verwaltungsakt nicht zu erlassen, seinerzeit rechtmäßig oder rechtswidrig war, sondern ob es im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts rechtswidrig ist, dem Kläger den begehrten Verwaltungsakt vorzuenthalten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Gesetz für eine Entscheidung auf einen bestimmten --vor der Entscheidung des Gerichts liegenden-- Zeitpunkt abstellt (vgl. nur Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 19. Aufl., § 113 Rz 221 f.), wofür in dem hier gegebenen Zusammenhang nichts erkennbar ist. Auch aus dem vom FG angeführten Urteil des erkennenden Senats vom 26. September 1989 VII R 54/89 (BFH/NV 1990, 328) ergibt sich dafür nichts. Ob der künftige Geschäftsführer einer neu gegründeten Steuerberatungsgesellschaft bereits im Zeitpunkt der Anerkennung derselben eine berufliche Niederlassung an deren Sitz begründet haben muss, hat auch nichts mit der Frage zu tun, ob er eine solche Niederlassung ggf. erst im Laufe eines Streitverfahrens wegen der Anerkennung begründen kann.

11

Dem Urteil des FG ist nicht in hinreichender Klarheit zu entnehmen, dass das FG dies beachtet hat. Indes wird schon in den die materiell-rechtliche Prüfung gleichsam einleitenden Sätzen (Urteilsabdruck Blatt 9 erster Absatz) nicht darauf abgestellt, ob die Klägerin --jetzt-- ein subjektiv-öffentliches Recht auf Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft hat, sondern ob die Steuerberaterkammer die Anerkennung ohne Rechtsverstoß versagt hat; dass damit nicht auf die Rechtswidrigkeit der Versagung einer solchen Anerkennung nach der gegenwärtigen, im Zeitpunkt der Entscheidung des FG eingetretenen Sachlage, sondern offenbar auf diejenige im Zeitpunkt der Entscheidung der Steuerberaterkammer abgestellt werden soll, wird zumindest durch den folgenden Satz nahegelegt ("Gleichermaßen ... "), der dem für das FG offenbar maßgeblichen Entscheidungsgrund, dass die Steuerberaterkammer rechtmäßig entschieden habe, anscheinend nur ergänzend zur Seite gestellt werden und zum Ausdruck bringen soll, dass die Steuerberaterkammer auch jetzt --im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Gerichts-- nicht anders entscheiden müsste.

12

Die schon hierdurch ausgelöste Unklarheit in den rechtlichen Grundlagen der Entscheidung des FG wird u.a. dadurch verstärkt, dass das FG ausdrücklich darauf abstellt, ob die Anerkennungsvoraussetzungen "im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung seitens der zuständigen Steuerberaterkammer" erfüllt waren (Urteilsabdruck Blatt 10 Abs. 2, Blatt 11 Abs. 3), und dass es meint, dies sei "im Grundsatz vorrangig" maßgeblich. Auch die umfangreichen Urteilsausführungen über die berufliche Niederlassung der Frau K wären anderenfalls in der Tat unverständlich.

13

2. Selbst wenn man aber mit der Steuerberaterkammer davon ausginge, dass sich das FG bewusst war, dass es (nicht nur im Ausnahmefall und nicht nur nachrangig, sondern) ausschließlich auf die Sachlage im Zeitpunkt seiner Entscheidung ankam, wäre für den erkennenden Senat nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, worauf die dem Urteil des FG zu entnehmende Ansicht beruht, K habe im Zeitpunkt der Entscheidung des FG keine berufliche Niederlassung in Z gehabt.

14

Die eingehenden Ausführungen in dem Urteil zu der beruflichen Betätigung der Frau K, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des FG bereits verstorben war und deshalb für die Entscheidung des Gerichts keine Rolle spielen konnte, besagen über das Bestehen einer beruflichen Niederlassung des K nichts. Die in Blatt 9 Abs. 5 des Urteilsabdrucks getroffene Feststellung, K sei Mitglied der Steuerberaterkammer X, und der im weiteren Verlauf dieses Absatzes enthaltene Hinweis, er sei in dem von der Steuerberaterkammer geführten Berufsregister nicht geführt, trägt die Schlussfolgerung des FG nicht, weil K in der mündlichen Verhandlung gerade vorgetragen hatte, er habe erst am Vortag den Kammern die Verlegung seiner beruflichen Niederlassung mitgeteilt. Dass dies unzutreffend ist, hat das FG nicht angenommen. Hierfür hatte es auch nicht ohne Weiteres Anlass. Dass der Kläger über die erforderlichen sächlichen Voraussetzungen verfügte, um von Z aus einer beruflichen Tätigkeit als Steuerberater nachgehen zu können, hatte er im Wesentlichen unwidersprochen vorgetragen.

15

Da es deshalb schon zweifelhaft erscheint, ob die Ansicht des FG, K habe selbst im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch keine berufliche Niederlassung in Z gehabt, trotz dieser Bedenken gegen ihre Nachvollziehbarkeit als eine den erkennenden Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindende tatsächliche Feststellung angesehen werden kann, mag dahinstehen, ob die von der Revision in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen der Verletzung formellen Rechts (unzureichende Sachaufklärung, Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör) durchgreifen könnten. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass zu einer schlüssigen Rüge u.a. die Darlegung gehörte, mit welchen Beweismitteln das FG (konkrete) Tatsachen hätte aufklären sollen, und dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass ein rechtstaatliches Gericht von ihm entgegengenommenes Vorbringen bei seiner Entscheidung würdigt.

16

3. All dies kann aber letztlich dahinstehen, weil das Urteil des FG noch aus einem anderen Grund Bundesrecht verletzt und deshalb keinen Bestand haben kann.

17

Voraussetzung für die Anerkennung einer Steuerberatungsgesellschaft ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 StBerG u.a., dass die Geschäftsführer Steuerberater sind; mindestens ein Steuerberater, der Geschäftsführer ist, muss seine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft oder in dessen Nahbereich haben, wie § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG dem hinzufügt. Diese Vorschrift ist --anders als die Steuerberaterkammer meint-- nicht gleichsam handlungsbezogen auf den (Verwaltungs-)Akt der Anerkennung einer Steuerberatungsgesellschaft zu beziehen, sondern bringt --gleichsam zustandsbezogen-- zum Ausdruck, dass mindestens einer der Geschäftsführer einer anerkannten Steuerberatungsgesellschaft seine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft unterhalten muss. Diese muss vor Aufnahme einer werbenden Tätigkeit der Gesellschaft begründet werden. Die Anerkennung der Gesellschaft kann jedoch erfolgen, ohne dass eine solche Niederlassung bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anerkennungsantrag unterhalten wird, sofern es nicht erkennbar an der ernstlichen Absicht fehlt, eine solche Niederlassung alsbald zu begründen und zu unterhalten, mithin eine prognostische Einschätzung (dazu schon Senatsurteil in BFH/NV 1990, 328) ergibt, dass die Anerkennung keinen Bestand haben könnte.

18

Ein anderes Verständnis der Vorschrift zwänge, wie die Revision mit Recht geltend macht, eine von einem bisher an einem anderen Ort tätigen Steuerberater gegründete neue Steuerberatungsgesellschaft dazu, ihren künftigen Geschäftsführer zu veranlassen, seine berufliche Niederlassung am Sitz der künftigen Gesellschaft zu begründen, obwohl diese noch nicht werbend tätig werden kann und möglicherweise nicht einmal sicher ist, ob sie überhaupt anerkannt wird. Ein solches Erschwernis der Gründung von Steuerberatungsgesellschaften dem Gesetz zu entnehmen, entspricht nach Auffassung des erkennenden Senats weder einem zutreffenden Verständnis von der Reichweite des Grundrechts der Berufsfreiheit und der Vereinigungsfreiheit noch ist es durch die Belange eines Schutzes der Steuerrechtspflege geboten, zumal das Gesetz Steuerberatern die Begründung einer beruflichen Niederlassung ebenfalls erst unmittelbar nach ihrer Bestellung abverlangt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 StBerG) und sich für den Fall, dass der Steuerberater dem nicht nachkommt, mit der Möglichkeit eines Widerrufs seiner Bestellung begnügt (§ 46 Abs. 2 Nr. 6 StBerG). Überdies kann die Steuerberaterkammer in der Regel ausreichend sicherstellen, dass die künftige Steuerberatungsgesellschaft den Anforderungen des § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG genügen wird, indem sie die Ernsthaftigkeit der Absicht des als künftigen Geschäftsführer vorgesehenen Steuerberaters, seine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft zu begründen und dafür ggf. von anderswoher zu verlegen, anhand der dafür einschlägigen Indizien prüft. Wenn sie insofern letzte Zweifel nicht auszuräumen vermag, kann sie die Anerkennung der Gesellschaft von vornherein unter die aufschiebende Bedingung stellen, dass sie ihre werbende Tätigkeit erst entfalten darf, wenn der Geschäftsführer seine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft tatsächlich begründet hat. Einen Verwaltungsakt unter eine solche Bedingung zu stellen, lässt § 120 Abs. 1 AO auch dann zu, wenn es sich --wie hier-- nicht um eine Ermessensentscheidung handelt, sofern --was bei einer solchen Bedingung der Fall wäre-- die Bedingung lediglich sicherstellen soll, dass die Voraussetzungen für den Erlass des betreffenden Verwaltungsaktes tatsächlich vorliegen, bevor von diesem Gebrauch gemacht wird. Die offenbar von der Steuerberaterkammer gehegte Befürchtung, eine Anerkennung erteilen und alsbald feststellen zu müssen, dass die vorgebliche Absicht der Begründung einer beruflichen Niederlassung des Geschäftsführers nicht verwirklicht wird, rechtfertigt eine andere Beurteilung umso weniger, als ein in diesem Falle notwendiges Widerrufsverfahren sich nicht wesentlich sicherer durch das Beharren auf einer vorherigen Begründung der Niederlassung vermeiden lässt, welche im Allgemeinen ohne Weiteres sofort wieder aufgelöst werden könnte, wenn sie nur zum Schein begründet worden ist.

19

Ob im Streitfall davon ausgegangen werden kann, dass eine hinreichende Gewähr dafür besteht, dass K bei Anerkennung der Gesellschaft unverzüglich alles das unternimmt, was über die vorgenannte Mitteilung an die Steuerberaterkammer, die Verfügbarkeit einer Wohnung für den Geschäftsführer am Ort der Gesellschaft sowie den Abschluss einer Versicherung hinaus zur Begründung einer beruflichen Niederlassung i.S. des § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG erforderlich ist, hat das FG bei seiner Entscheidung nicht geprüft. Es wird dies im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben. Dabei wird es sich darüber Klarheit verschaffen müssen, welche über Vorgenanntes hinausgehenden Anforderungen an die Begründung einer beruflichen Niederlassung gemäß vorgenannter Vorschrift im Einzelnen zu stellen sind.

20

Der erkennende Senat kann einstweilen davon absehen, dazu in rechtlicher Hinsicht näher Stellung zu nehmen. Er weist jedoch darauf hin, dass der Annahme, ein Steuerberater habe seine berufliche Niederlassung in Z, schwerlich abträglich sein dürfte, dass er auch in Y eine Wohnung besitzt. Ferner mag nicht unerwähnt bleiben, dass es im Rahmen der dem FG zustehenden Freiheit der Beweiswürdigung als ein wichtiges Indiz für die mangelnde Absicht, eine berufliche Niederlassung zu schaffen, angesehen werden könnte, wenn der künftige Geschäftsführer dafür erforderliche Maßnahmen nicht oder allenfalls gleichsam in letzter Minute ergreift, obwohl keinerlei ernsthafter Anlass dafür bestanden hat, daran zu zweifeln, dass bei Begründung der erforderlichen Niederlassung die Anerkennung der Gesellschaft von der Kammer sofort ausgesprochen würde. Den Streitfall unter diesem Gesichtspunkt zu würdigen, muss indes dem FG als Tatsachengericht überlassen werden. Es wird ggf. der Steuerberaterkammer gemäß § 101 Satz 2 FGO Gelegenheit zu geben haben, über die Beifügung vorgenannter Bedingung nach ihrem Ermessen zu entscheiden.

Soweit die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Zoll und Ausgleichszinsen für wieder ausgeführte Veredelungswaren.

2

Die Klägerin führt Früchte und Fruchtsaftkonzentrate aus Drittländern ein und verarbeitet diese. Hierzu wurden ihr im hier maßgeblichen Zeitraum 28 Veredelungsverkehre, mehrere Umwandlungsverfahren für verschiedene Saftkonzentrate sowie zahlreiche Verfahrensvereinfachungen (Anschreibeverfahren, Zugelassener Empfänger, Zugelassener Versender) bewilligt.

3

Hinsichtlich der Veredelungsverkehre war die Klägerin grundsätzlich verpflichtet, die Einfuhrabgaben selbst zu berechnen und die Abrechnung spätestens 30 Tage nach Ablauf der Frist für die Beendigung des Verfahrens der Überwachungszollstelle vorzulegen. Ab dem 01.10.2003 wurde die Frist für die Beendigung der Veredelungsverkehre auf den letzten Tag des auf die Überführung der Einfuhrwaren folgenden 4. Quartals verlängert. Dadurch hätten erstmals zum 31.12.2004 die Veredelungsverkehre abgerechnet werden müssen. Am 11.03.2005 übergab der Beklagte der Klägerin, die nach ihrem Vortrag bis dahin die Abrechnungen nie selbst habe vornehmen müssen, Muster für die Erstellung der Abrechnungen.

4

Mit Schreiben vom 20.10.2006 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er festgestellt habe, dass nach dem 31.12.2004 keine Abrechnungen abgegeben worden seien. Er wies darauf hin, dass die Nichtabgabe der Abrechnungen zur Entstehung einer Zollschuld für alle sich in den Veredelungsverkehren befindlichen Waren führe. Die Klägerin erhielt Gelegenheit, die Abrechnungen unverzüglich nachzuholen. Ihr wurde eine Frist bis zum 10.11.2006 gewährt, um eine rückwirkende Fristverlängerung für die Vorlage der Abrechnungen zu beantragen.

5

Hierauf antwortete die Klägerin nach vorheriger telefonischer Kontaktaufnahme mit Schreiben vom 14.11.2006 und beantragte eine rückwirkende Fristverlängerung bis zum 20.11.2006 für die Abrechnung der Veredelungsverkehre. Sie wies darauf hin, dass sie seit Juli 2005 versucht habe, einen Ersatz für eine in Mutterschutz gegangene Zollsachbearbeiterin zu finden.

6

Nachdem die daraufhin vorgelegten Abrechnungen den Anforderungen des Beklagten nicht entsprachen, verlängerte der Beklagte mit Schreiben vom 16.01.2007 die Abrechnungsfrist für die Veredelungsverkehre aus dem Jahr 2005 letztmalig bis zum 02.03.2007. Weitere Fristverlängerungen kämen nicht in Betracht. Bei künftigen Pflichtverletzungen sei der Beklagte gehalten, für die abzurechnenden Waren Abgabenbescheide zu erstellen.

7

In der Zeit vom 26.02.2007 bis 16.03.2007 führte das Hauptzollamt A eine Zollprüfung bei der Klägerin durch (...).

8

Nachdem der Beklagte die Abrechnung für die Zugänge bis Ende 2005 nach Korrekturen der Klägerin am 10.05.2007 akzeptiert hatte, teilte er der Klägerin mit Schreiben vom 05.06.2007 mit, dass die zum 30.04.2007 fällige Abrechnung für die Zugänge des 1. Quartals 2006 noch nicht vorgelegt worden sei. Die Klägerin erhielt Gelegenheit bis zum 20.06.2007 Stellung zu nehmen. Sollte dieser Termin wieder unentschuldigt versäumt werden oder die Begründung für eine nochmalige Fristverlängerung nicht ausreichen, müssten Abgaben erhoben werden. Da die Klägerin darauf nicht reagierte, setzte der Beklagte mit Einfuhrabgabenbescheid vom 04.07.2007 Einfuhrabgaben für das 1. Quartal 2006 in Höhe von ... € fest. Am 10.07.2007 gab die Klägerin die Abrechnung für das 1. Quartal 2006 ab. Zur Begründung der Verspätung gab Frau B, Zollsachbearbeiterin der Klägerin, an, dass eine "Geschäftsprüfung" durch den Prüfdienst stattgefunden habe und sie die Abrechnungen der Veredelungsverkehre habe korrigieren müssen.

9

Nach Vorlage weiterer Unterlagen ersetzte der Beklagte den Bescheid vom 04.07.2007 durch den Einfuhrabgabenbescheid Nr. 00-1 vom 26.09.2007, mit dem er gemäß Art. 204 Abs. 1 ZK... € Zoll, ... € Einfuhrumsatzsteuer und ... € Ausgleichszinsen, mithin insgesamt ... €, erhob. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren gegen diesen Bescheid erhobene Klage wies der erkennende Senat mit Urteil vom 03.04.2009 (4 K 16/08) ab. Im Rahmen des gegen dieses Urteil durchgeführten Revisionsverfahrens hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 06.09.2012 (Rs. C-262/10) entschieden, dass Art. 204 Abs. 1 Buchst. a) ZK so auszulegen sei, dass die Verletzung der Abrechnungspflicht gemäß Art. 521 Abs. 1 Unterabs. 1, 1. Anstrich ZKDVO zur Entstehung der Zollschuld für sämtliche abzurechnende Einfuhrwaren einschließlich der wieder aus dem EU-Zollgebiet ausgeführten Waren führe, sofern die Voraussetzungen von Art. 859 Nr. 9 ZKDVO nicht erfüllt seien. Daraufhin hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 11.12.2012 (VII R 16/09) das Urteil des erkennenden Senats bestätigt.

10

Nach Abschluss dieses Verfahrens nahm der Beklagte die bereits am 13.12.2007 bzw. 14.12.2009 gestellten Erstattungsanträge der Klägerin gemäß Art. 239 ZK und Art. 236 ZK hinsichtlich der mit Einfuhrabgabenbescheid vom 26.09.2007 festgesetzten Einfuhrabgaben wieder auf. Die Klägerin beschränkte ihre Erstattungsanträge auf den Zoll (... €) und die Ausgleichszinsen (... €), die auf den wieder ausgeführten Teil der Ware entfielen. Diese Abgaben seien nicht gemäß Art. 236 ZK geschuldet, weil die Voraussetzungen von Art. 859 Nr. 9 ZKDVO erfüllt seien. Der Europäische Gerichtshof und der Bundesfinanzhof hätten sich an die Feststellungen des erkennenden Senats gebunden gefühlt, nach denen die Voraussetzungen von Art. 859 Nr. 9 ZKDVO nicht erfüllt gewesen seien. Diese Feststellungen seien jedoch in vielerlei Hinsicht unzulänglich gewesen, um das Ausmaß der Anforderungen, das die Zollverwaltung an die damalige Zollsachbearbeiterin der Klägerin gestellt habe, wirklich erfassen zu können. Die Rechtskraft dieses Urteils stehe einer erneuten Prüfung nicht entgegen, weil das Finanzgericht mehrere Umstände überhaupt nicht geprüft habe. Es bleibe dabei, dass die Zollsachbearbeiterin der Klägerin seinerzeit durch eine enorme Fülle von zollamtlichen Anforderungen lahmgelegt worden sei. Nach dem Aktenvermerk des Beklagten vom 11.01.2007 sei festgestellt worden, dass "in der Zusammenschau der betriebsinternen und verwaltungsinternen Problematik" die Klägerin nicht grob fahrlässig gehandelt habe. Diesen Umstand habe das Finanzgericht nicht gewürdigt.

11

Maßgeblich werde der Erstattungsantrag auf Art. 239 ZK gestützt. Art. 900 Abs. 1 Buchst. b) ZKDVO sei anzuwenden. Wenn die Vorschrift sogar eine irrtümliche Entziehungshandlung als unschädlich betrachte, müsse dies erst recht für Fälle gelten, in denen weniger gravierende Handlungen zur Entstehung einer Zollschuld geführt hätten. Auch Art. 900 Abs. 1 Buchst. l) ZKDVO sei einschlägig, weil der Fall vergleichbar sei mit der nicht vom Beteiligten zu vertretenen irrtümlichen Nichtgewährung der Abgabenbefreiung. Zur Befreiung von den Einfuhrabgaben im Rahmen des Veredelungsverfahrens sei es letztlich nicht gekommen, weil die Abrechnung verspätet abgegeben worden sei. Diese Verspätung könne nicht der Klägerin allein zugerechnet werden, weil sie von verschiedenen Stellen der Zollverwaltung übermäßig belastet worden sei. Schließlich seien Art. 901 Abs. 1 Buchst. a), b), c) ZKDVO Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens, nach dem Einfuhrabgaben auf wieder ausgeführte Ware erlassen würden.

12

Ein Erstattungsgrund könne auch aus einer Gesamtschau abgeleitet werden, wenn die verspätete Abrechnung mit anderen Fällen verglichen würde, in denen Heilungsmöglichkeiten bestünden.

13

Bei Art. 239 ZK müsse berücksichtigt werden, wenn sich ein Wirtschaftsteilnehmer im Verhältnis zu anderen Wirtschaftsteilnehmern in einer außergewöhnlichen Situation befinde. Dies sei vorliegend gegeben, weil die Zollverwaltung eine übermäßige Arbeitsbelastung hervorgerufen habe, die nicht mit der Belastung anderer Unternehmen vergleichbar gewesen sei. Zeitweise seien mehr als die Hälfte der Beschäftigten der Klägerin mit der Zollbearbeitung befasst gewesen. Gleichzeitig sei zu würdigen, dass der Beklagte über Jahre hinweg die quartalsmäßige Abrechnung nicht angefordert habe. Der Beklagte sei zunächst kulant gewesen, habe dann aber plötzlich alle Verfahren gleichzeitig abgearbeitet wissen wollen und habe hierbei wechselnde Anforderungen gestellt. Außerdem sei die Rechtslage im Veredelungsverkehr komplex.

14

Ohnehin könne nicht auf die Zollsachbearbeiterin abgestellt werden, weil sie nur Hilfsperson der Klägerin sei. Die Einstandspflicht des Beteiligten für andere Personen beschränke sich lediglich auf den Bereich der Erfüllung der Zollformalitäten für das Erlassverfahren, nicht aber auf das vorangehende Verhalten, das zur Entstehung der Zollschuld geführt habe. Der Geschäftsführer der Klägerin habe die Zollmitarbeiterin B über Jahre hinweg als zuverlässige Mitarbeiterin erlebt. Sie sei der Arbeitsmenge nicht mehr Herr geworden. Geeignetes zusätzliches Personal sei nicht zu finden gewesen.

15

Der Erstattung stehe auch keine offensichtliche Fahrlässigkeit entgegen. Dieser Begriff sei genau wie die grobe Fahrlässigkeit auszulegen. Es sei bereits dargestellt worden, dass das Versäumen des Fristverlängerungsantrags weder offensichtlich noch grob fahrlässig gewesen sei.

16

Mit Bescheid vom 28.08.2013 lehnte der Beklagte die Erstattungsanträge ab. Die Voraussetzungen von Art. 859 Nr. 9 ZKDVO lägen nicht vor, denn die Frist wäre bei rechtzeitiger Antragstellung nicht verlängert worden. Nach Art. 521 Abs. 1 ZKDVO dürfe eine Fristverlängerung nur bei Vorliegen besonderer Umstände gewährt werden. Es müsse sich um solche Ereignisse handeln, denen nicht jeder Wirtschaftsteilnehmer bei Ausübung seines Gewerbes regelmäßig ausgesetzt sei. Die von der Klägerin angeführte "enorme Fülle an zollrechtlichen Anforderungen" beruhe auf ihrem eigenen Versäumnis, weil sie nicht von sich aus die Veredelungsverkehre abgerechnet habe. Außerdem habe sie die Fristversäumung grob fahrlässig herbeigeführt. Als erfahrene Inhaberin von Zollverfahren könne sie sich nicht auf die Komplexität der Vorschriften berufen. Der Vermerk vom 11.01.2007, aus dem sich die fehlende grobe Fahrlässigkeit der Klägerin ergeben solle, beziehe sich auf Zugänge bis zum 31.12.2005 und die damit verbundene Fristverlängerung zur Abrechnung dieser Veredelungsverkehre.

17

Auch eine Erstattung nach Art. 239 ZK komme nicht in Betracht. Keine der in Art. 900 Abs. 1 ZKDVO aufgeführten Fallgruppen, die abschließend seien, komme in Betracht. Auch auf Art. 239 Abs. 1, 2. Anstrich ZK könne sich die Klägerin nicht stützen, weil keine besonderen Umstände vorlägen. Der Grad der Fahrlässigkeit könne daher offenbleiben.

18

Gegen den ablehnenden Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 17.09.2013 Einspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, dass besondere Umstände im Sinne von Art. 521 Abs. 1 ZKDVO vorgelegen hätten, weil es nicht nur eine Zollprüfung gegeben habe. Die Fülle zeitgleicher Zollprüfungen und sonstiger Anforderungen sei nicht berücksichtigt worden. Der Umstand, dass der Beklagte schlagartig für 28 Bewilligungen Abrechnungen eingefordert habe, nachdem er über zwei Jahre untätig geblieben sei, stelle einen besonderen Umstand dar. Außerdem habe die Behörde wechselnde Anforderungen an die Abrechnung gestellt. Dies beziehe sich auf drei verschiedene Brix-Varianten, die der Europäische Gerichtshof mit den verb. Rs. C-522/07 und C-65/08 für rechtswidrig erklärt habe.

19

Mit Einspruchsentscheidung vom 31.07.2014 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Eine Erstattung nach Art. 236 ZK scheide aus den im ablehnenden Bescheid dargestellten Gründen aus. Durch die Außenprüfung könne die Klägerin nicht von der fristgerechten Vorlage bis zum 20.06.2007 abgehalten worden sein, weil diese nur bis zum 16.03.2007 gedauert habe. Wenn der Beklagte für einen längeren Zeitraum keine Abrechnungen angemahnt habe, sei dies ein Umstand, dem auch andere Wirtschaftsteilnehmer ausgesetzt seien. Auch die umfangreichen administrativen Anforderungen an die Inanspruchnahme von Zollverfahren träfen alle Wirtschaftsteilnehmer gleichermaßen. Der Umstand, dass das Zollamt gemäß Art. 521 Abs. 3 ZKDVO den Veredelungsverkehr selbst abrechnen könne, ändere nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nichts an der Pflicht des Wirtschaftsbeteiligten, dies selbst zu tun. Eine Erstattung nach Art. 239 Abs. 1, 2. Anstrich ZK scheide aus. Die Klägerin müsse sich das Verhalten der Zollsachbearbeiterin zurechnen lassen. Ein Wirtschaftsteilnehmer müsse auch durch personelle und organisatorische Maßnahmen für die Einhaltung der Zollformalitäten sorgen.

20

Mit der am 21.08.2014 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Entstehung der Abgabenschuld bloß wegen der verspäteten Vorlage der Abrechnung der Veredelungsverkehre sei unverhältnismäßig. Die Verhältnismäßigkeit müsse über die Erstattung wiederhergestellt werden.

21

Der Umsatz der Klägerin sei von ... Mio. € bzw. ... Mio. € in den Jahren 2004 und 2005 über ... Mio. € im Jahr 2006 sprunghaft auf fast ... Mio. € im Jahr 2007 angestiegen. Damit habe auch die Zahl der Fälle, in denen besondere Meldungen hätten abgegeben werden müssen, zugenommen. Wegen der Randlage der Klägerin sei es äußerst schwierig gewesen, fachkundiges Personal zu finden. Die Zollsachbearbeiterin sei mit ihrer Arbeit "abgesoffen", nachdem der Beklagte sie plötzlich mit Schreiben vom 20.10.2006 aufgefordert habe, die Abrechnungen der Veredelungsverkehre für die Jahre 2004 bis 2006 vorzulegen. Sie habe der Aufarbeitung der Vergangenheit Priorität eingeräumt, weil die Fortschreibung unmittelbare Auswirkung auf die aktuellen Bestände und Abschreibungen gehabt habe, so dass der nachfolgende Zeitraum nur gewissenhaft habe erfasst werden können, nachdem die Zahlen der Vergangenheit vom Beklagten anerkannt worden seien. Hinzugekommen sei die komplette Aufarbeitung der Umwandlungsverkehre für die Zeit von Juni 2004 bis Ende 2006 auf Anforderung von Frau C vom Beklagten. Zwar habe die Außenprüfung nur bis zum 16.03.2007 gedauert. Die Aufarbeitung der Umwandlungsverkehre sei jedoch mit weiteren Besuchen von Frau C und Herrn D vom Beklagten verbunden gewesen, weil Herr E vom Beklagten Einwände gegen die zunächst vorgenommene Abrechnung erhoben habe. Die daraufhin neu erstellten Abrechnungen hätten wiederum nicht die Zustimmung des Prüfers des HZA A, Herrn F, gefunden. Außerdem habe das Zollamt G Prüfungen durchgeführt. Phasenweise hätte mehr als die Hälfte der bei der Klägerin beschäftigten Personen die Zollsachbearbeiterin unterstützt.

22

Der Geschäftsführer der Klägerin habe, nachdem der Beklagte die Vorlage der Abrechnungen bis Januar 2007 angemahnt habe, am 20.12.2006 ein Gespräch mit Frau B geführt. In diesem Gespräch sei den Abrechnungen Priorität eingeräumt worden. Die Zollabteilung sei personell verstärkt worden. Frau B habe von November 2006 bis Juli 2007 ca. 300 Überstunden gemacht. Die Geschäftsführung habe nicht erkennen können, dass Frau B ab einem gewissen Zeitpunkt überfordert gewesen sei und keinen weiteren Fristverlängerungsantrag gestellt habe.

23

Der Geschäftsführer der Klägerin habe die Fristverlängerung für die Abrechnung zum 20.07.2007 vermerkt und durch Nachfrage bei Frau B deren Einhaltung kontrolliert. Frau B habe ihm gegenüber jedoch wahrheitswidrig angegeben, sie habe den Rückstand aufgearbeitet, so dass kein Anlass für weitere Maßnahmen bestanden habe. Hieraus ergebe sich, dass Frau B zwar einen Arbeitsfehler begangen, aber nicht grob fahrlässig gehandelt habe. Gleichwohl sei sie mit Wirkung zum 31.03.2008 entlassen und die funktionelle Leitung der Zollabteilung der Klägerin auf einen Mitarbeiter der Muttergesellschaft übertragen worden.

24

In rechtlicher Hinsicht beruft sich die Klägerin auf ihren bisherigen Vortrag und führt ergänzend aus, dass die Arbeitsbelastung von Frau B und die Anforderungen des Beklagten im Urteil des FG Hamburg im Verfahren 4 K 16/08 übergangen worden seien. Berücksichtige man dies, müsse man Art. 859 Nr. 9 ZKDVO als erfüllt ansehen. Der Beklagte habe in seinem Schreiben vom 05.06.2007 selbst eine nochmalige rückwirkende Fristverlängerung in Betracht gezogen, die in einer späteren Sache auch gewährt worden sei. Im Januar 2007 sei die grobe Fahrlässigkeit der Klägerin verneint worden und in der Folge sei nichts geschehen, das eine andere Wertung nötig gemacht habe. Vor diesem Hintergrund stelle das bloße Unterlassen eines weiteren Fristverlängerungsantrags einen bloßen Arbeitsfehler dar. Der Beitrag des Beklagten zur Arbeitsüberlastung der Zollsachbearbeiter müsse berücksichtigt werden. Es dürfe nicht nur das Verhalten des Importeurs in Rechnung gestellt werden.

25

Jedenfalls habe die Klägerin einen Erstattungsanspruch nach Art. 239 ZK. Der Fall sei mit den in Art. 900 Abs. 1 Buchst. b) und l) ZKDVO genannten Fallgruppen vergleichbar. Jedenfalls sei die Generalklausel von Art. 239 ZK erfüllt. Die Zollverwaltung habe in der Gesamtschau eine übermäßige Arbeitsbelastung hervorgerufen, weil sie zunächst jahrelang keine Abrechnungen gefordert habe. Außerdem seien während des laufenden Betriebs alle Bewilligungen zeitgleich überprüft worden. Dieser Engpass sei durch die Mengenabgleichungen verstärkt worden, ohne die eine Fortschreibung der Zu- und Abgänge nicht sinnvoll möglich gewesen sei. Die Mengenberechnungen hätten neu vorgenommen werden müssen, weil eine Trennung nach Brix-Werten gewünscht gewesen sei.

26

Da der Antrag gemäß Art. 905 Abs. 1, 3. Anstrich ZKDVO der Kommission vorzulegen sei, seien die Maßstäbe, die die Kommission in sonstigen Fällen angelegt habe, zu berücksichtigen. Der Fall sei mit der Entscheidung der Europäischen Kommission REC 02/07 vergleichbar. Dort habe die Zollverwaltung über Jahre selbst abgerechnet und vor diesem Hintergrund entschieden, dass der Beteiligte nicht als erfahren gelte. Außerdem sei die Rechtslage komplex. Es gebe keine Vorschriften, wie die Abrechnung im Einzelnen auszusehen habe. Im Fall REM 1/92 sei es bei der Wiederausfuhr unterlassen worden, die Beendigung der aktiven Veredelung anzumelden. Die entstandene Zollschuld sei niedergeschlagen worden, weil die Waren wieder ausgeführt worden seien. In den Fällen REM 24-26/97 seien die Waren ohne bzw. nach Ablauf der Bewilligung in die aktive Veredelung überführt worden. Die Zollschuld sei erlassen worden, obwohl die Erneuerung der aktiven Veredelung nicht beantragt worden sei, weil nichts gegen die Erneuerung der Bewilligung gesprochen hätte. In der Entscheidung REM 12/98 seien Waren aus einem Zolllager ohne Erfüllung der erforderlichen Förmlichkeit entfernt worden. Für den Erlass sei allein ausschlaggebend gewesen, dass die Waren tatsächlich aus dem EU-Zollgebiet entfernt worden seien. Das Fehlverhalten, die Förmlichkeit nicht zu erfüllen, sei nicht als offensichtlich fahrlässig gewürdigt worden. Im Verfahren REM 24/98 seien Waren nach einer Veredelung ausgeführt worden, ohne dass eine Bewilligung vorgelegen habe. Das Unterlassen des Beteiligten, die Veredelung in Anspruch zu nehmen, ohne einen entsprechenden Antrag zu stellen, sei nicht als offensichtlich fahrlässig gewürdigt worden. In der Entscheidung REM 6/99 seien Waren im Anschluss an eine Veredelung auf der Grundlage der Veredelungserzeugnisse - anstelle der Einfuhrwaren - zum freien Verkehr angemeldet worden. Eine offensichtliche Fahrlässigkeit habe nicht vorgelegen, weil der Wirtschaftsbeteiligte sich an die Zollverwaltung gewandt habe, die die fälligen Einfuhrabgaben selbst berechnet habe. Im Verfahren REM 02/01 sei die Zollschuld erlassen worden, obwohl alle Begleitpapiere eine unzutreffende Warenbeschreibung aufgewiesen hätten. Der Beteiligte habe sich nämlich nachträglich um eine erweiterte Bewilligung gekümmert.

27

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 28.08.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31.07.2014 zu verpflichten,
1. ihr auf ihre Erstattungsanträge gemäß Art. 236 ZK und Art. 239 Abs. 1, 1. Anstrich ZK Zoll und Ausgleichszinsen i. H. v. insgesamt ... € zu erstatten,
2. hilfsweise ihren Erstattungsantrag gemäß Art. 239 Abs. 1, 2. Anstrich ZK i. V. m. Art. 905 Abs. 1 ZKDVO der Europäischen Kommission zur Entscheidung vorzulegen.

28

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

29

Er bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass rechtskräftig durch das Urteil des FG Hamburg vom 03.04.2009 (4 K 16/08) entschieden worden sei, dass die Einfuhrzollschuld nach Art. 204 Abs. 1 ZK entstanden sei und die Voraussetzungen der Ausnahme des Art. 859 Nr. 9 ZKDVO nicht erfüllt seien. Unrichtig sei, dass das Finanzgericht in diesem Urteil die Fülle der Anforderungen an die Klägerin nicht berücksichtigt habe. Es sei zu dem Ergebnis gekommen, dass zollamtliche Überprüfungen mit den Konsequenzen für die Mitarbeiter alle Wirtschaftsteilnehmer in gleicher Weise träfen.

30

Weder seien die speziellen Tatbestände von Art. 900 Abs. 1 ZKDVO erfüllt, noch liege ein Fall von Art. 239 Abs. 1, 2. Anstrich ZK vor. Zwar habe die Klägerin ihr Personal verstärkt. Doch sehe der Beklagte nicht, dass sie sich hinsichtlich der Personalsituation im Vergleich zu anderen Wirtschaftsteilnehmern in einer außergewöhnlichen Lage befunden habe.

31

Die von der Klägerin angeführten Einzelentscheidungen der Kommission beträfen andere Sachverhalte, nämlich entweder einen aktiven Irrtum der Zollbehörden oder eine Situation, bei der sich der Fehler im Endeffekt nicht auf den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens ausgewirkt habe. Die Entscheidung REM 1/92 betreffe den Zeitraum vor Einführung des Zollkodex.

32

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Verfahren 4 K 16/08 sowie die Sachakten des Beklagten zu den gerichtlichen Az. 4 K 16/08 und 4 K 160/14 (...) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

33

Die zulässige Verpflichtungsklage hat auf der Grundlage des anwendbaren Rechts (dazu I.) weder mit dem Haupt- (dazu II.) noch mit dem Hilfsantrag (dazu III.) Erfolg.

I.

34

Die Beurteilung des Rechtsstreits richtet sich nach den Vorschriften des Zollkodex.

35

Zwar ist bei Verpflichtungsklagen (§ 101 FGO), die - wie hier - auf eine gebundene Entscheidung gerichtet sind, grundsätzlich für die Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (BFH, Urt. v. 06.08.2013, VII R 15/12, juris Rn. 10; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, 138. EL Okt. 2014, § 101 FGO Rn. 8 m. w. N.; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, 226. EL Febr. 2014, § 101 FGO Rn. 25 m. w. N.). Dies gilt allerdings dann nicht, wenn sich aus dem materiellen Recht eine andere Wertung ergibt (BFH, Urt. v. 06.08.2013, VII R 15/12, juris Rn. 10). Dies ist hier der Fall.

36

Auch wenn mit Wirkung zum 01.05.2016 die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 vom 09.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269/1, berichtigt durch ABl. 2016 L 267/2; Unionszollkodex - UZK) vollständig in Kraft getreten und zeitgleich die Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. EG L 302/1; Zollkodex - ZK) aufgehoben wurde (Art. 286 Abs. 2 i. V. m. Art. 288 Abs. 2 UZK), finden auf den vorliegenden Rechtsstreit die Art. 236 und 239 ZK sowie die entsprechenden Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 02.07.1993 mit Durchführungsvorschriften zum Zollkodex (ABl. L 253/1; zuletzt geändert durch Durchführungsverordnung (EU) 2015/2064 vom 17.11.2015 [ABl. L 301/12] - ZKDVO) Anwendung.

37

Hierbei ist nach der Salumi-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Ausgangspunkt davon auszugehen, dass Verfahrensvorschriften auf alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens anhängigen Rechtsstreitigkeiten anwendbar sind. Materiellrechtliche Vorschriften werden dagegen im allgemeinen so ausgelegt, dass sie für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte nur gelten, wenn aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau eindeutig hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist (EuGH, Urt. v. 12.11.1981 verb. Rs. 212-217/80, Rn. 9 f.).

38

Für die Erstattungs- bzw. Erlassvorschriften hat das Europäische Gericht Erster Instanz hinsichtlich des Übergangs von der Verordnung (EWG) 1430/79 vom 02.07.1979 über die Erstattung oder den Erlass von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben (ABl. L 175/1) zum Zollkodex entschieden, dass die materiellrechtlichen Erstattungsvorschriften des Zollkodex erst für Einfuhren nach dessen Inkrafttreten anzuwenden sind (EuG, Urt. v. 10.05.2001, verb. Rs. T-186, 187, 190-192, 210, 211, 216-218, 279, 280, 293/97 und T-147/99, Rn. 26; siehe auch EuGH, Urt. v. 13.03.2003, C-156/00, Rn. 35 f.). Bezogen auf den Übergang vom Zollkodex zum Unionszollkodex lässt sich Letzterem, insbesondere den Art. 116 ff. UZK, nicht entnehmen, dass seine materiellrechtlichen Vorschriften auf Einfuhren anzuwenden sind, die vor dem 01.05.2016 stattgefunden haben.

39

Was die Verfahrensvorschriften angeht, sind sie auf alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts anhängigen Rechtsstreitigkeiten anwendbar (EuG, Urt. v. 10.05.2001, verb. Rs. T-186, 187, 190-192, 210, 211, 216-218, 279, 280, 293/97 und T-147/99, Rn. 35; EuG, Urt. v. 09.06.1998, T-10, 11/97, Rn. 18 f. [bestätigt durch EuGH, Urt. v. 09.12.1999, C-299/98]). Entschieden wurde, dass hiervon die Verfahren erfasst werden, in denen die Anträge nach Inkrafttreten des neuen Rechts gestellt wurden. Nicht "anhängig" im Sinne dieser Rechtsprechung sind jedoch abgeschlossene Verwaltungsverfahren. Es würde nämlich keinen Sinn ergeben, Verwaltungsbehörden und Wirtschaftsbeteiligte an Verfahrensvorschriften zu messen, denen sie wegen Abschluss des Verwaltungsverfahrens im gerichtlichen Verfahren nicht mehr nachkommen können.

II.

40

Der Hauptantrag ist unbegründet. Die Ablehnung der beantragten Erstattung ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO), weil sie keinen Anspruch auf Erstattung von... € Zoll und ... € Ausgleichszinsen aus Art. 236 ZK (dazu 1.) oder aus Art. 239 Abs. 1, 1. Anstrich ZK i. V. m. Art. 900 Abs. 1 ZKDVO (dazu 2.) hat.

41

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung von Zoll und Ausgleichszinsen gemäß Art. 236 ZK. Nach Art. 236 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK werden Einfuhrabgaben insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war. Neben den Zöllen sind auch die Ausgleichszinsen von Art. 236 ZK erfasst. Zwar werden Ausgleichszinsen - anders als Zölle - nicht bei der Definition von Einfuhrabgaben in Art. 4 Nr. 10 ZK erwähnt. Gleichwohl unterliegen sie denselben Erstattungsregeln wie Zölle (EuGH, Urt. v. 13.03.2003, Rs. C-156/00, Rn. 49; a. A. FG Baden-Württ., Urt. v. 12.04.2016, 11 K 2269/14, juris Rn. 39). Die Voraussetzungen von Art. 236 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK liegen jedoch nicht vor. Der Zoll und die Ausgleichszinsen, deren Erstattung begehrt wird, sind gesetzlich geschuldet.

42

1.1 Hinsichtlich der Zölle ergibt sich dies bereits aus den rechtskräftigen Feststellungen des Urteils des erkennenden Senats vom 03.04.2009 (4 K 16/08), an die die Beteiligten gemäß § 110 Abs. 1 Nr. 1 FGO gebunden sind. Nach dieser Vorschrift sind die Beteiligten an rechtskräftige Urteile gebunden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Der Streitgegenstand eines finanzgerichtlichen Verfahrens wird durch den Klageantrag und den Klagegrund bestimmt (Brandt in Beermann/Gosch, AO/FGO, 124. EL Juni 2016, § 110 FGO Rn. 96). Die Bindungswirkung eines Urteils gemäß § 110 FGO umfasst den der Entscheidung tatsächlich zu Grunde gelegten Sachverhalt und die hierzu angestellten, die Entscheidung tragenden rechtlichen Erwägungen, wie sie sich aus den Urteilsgründen ergeben (Brandt, a. a. O., Rn. 100). Bei erfolglosen Anfechtungsklagen - wie im Verfahren 4 K 16/08 - erwächst auch die Feststellung in Rechtskraft, dass der angefochtene Verwaltungsakt nicht rechtswidrig war (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, 231. EL Febr. 2015, § 110 FGO Rn. 62). Dies umfasst gleichzeitig die Feststellung, dass die Voraussetzungen des angefochtenen Verwaltungsakts vorliegen (Lange a. a. O.; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 121 Rn. 26).

43

Mit rechtskräftigem Urteil vom 03.04.2009 (4 K 16/08) wies der Senat die Anfechtungsklage gegen den Einfuhrabgabenbescheid Nr. 00-1 vom 26.09.2007 ab. In den Urteilsgründen führte er aus, dass die Klägerin eine Pflicht aus dem Zollverfahren gemäß Art. 204 Abs. 1 Buchst. a) ZK verletzt habe, indem sie die Abrechnung für das 1. Quartal 2006 auch nicht innerhalb der bis zum 20.06.2007 gesetzten Nachfrist vorgelegt habe. Die Monatsabrechnungen seien Pflichten, die auch nach Beendigung des Veredelungsverkehrs noch bestünden. Die Voraussetzungen von Art. 859 Nr. 9 ZKDVO, nach denen sich ein Verstoß gegen Art. 204 ZK nicht wirklich ausgewirkt habe, hätten nicht vorgelegen.

44

Anders als die Klägerin meint, hat der Senat in diesem Urteil die Umstände gewürdigt, auf die sich die Klägerin auch im vorliegenden Verfahren bezieht. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass beiden Verfahren die zwei Hefter Sachakten "FG 4 K 16/08 Sachakte" und "FG 4 K 16/08 Rb-Akte" vorlagen, aus denen sich der wesentliche entscheidungserhebliche Sachverhalt ergibt. Das Urteil setzt sich mit diesem Sachverhalt und den wesentlichen Argumenten der Klägerin auseinander. So berücksichtigt es "die erhebliche Inanspruchnahme [der Klägerin] im Rahmen einer Zollprüfung sowie bei der Umsetzung zollamtlicher Anforderungen" (...) und konzediert in diesem Zusammenhang, dass dies einen Wirtschaftsteilnehmer erheblich belasten könne (...). Außerdem setzt es sich mit dem Argument auseinander, dass die Klägerin keine geeigneten Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter habe finden können (...). Ferner greift es konkret die Arbeitsüberlastung von Frau B auf und kommt zu dem Ergebnis, dass die seit vielen Monaten bestehende Arbeitsüberlastung ein Zeichen dafür sei, dass die Klägerin es an den "notwendigen personellen und organisatorischen Maßnahmen hat fehlen lassen" (...). Dass es sich - wie die Klägerin im vorliegenden Verfahren vorträgt - nicht mit der Einschätzung des Beklagten aus dem Aktenvermerk vom 11.01.2007 auseinandersetzt, ist für die Frage der Reichweite der Rechtskraft unbeachtlich, da das Gericht gemäß § 96 Abs. 1 S. 3 FGO nicht verpflichtet ist, jeden einzelnen Aspekt der Beteiligtenvorträge in den Entscheidungsgründen zu thematisieren (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, 127. EL Okt. 2011, § 96 FGO Rn. 103).

45

Damit wurde mit Bindungswirkung für die Beteiligten entschieden, dass aus dem auch dem Erstattungsverfahren zu Grunde liegenden Sachverhalt die hier in Rede stehende Zollschuld nach Art. 204 ZK entstanden ist. Mit dieser Feststellung wurde zugleich entschieden, dass die Voraussetzungen von Art. 236 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK nicht vorliegen, weil nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in einer Situation, in der die Zollschuld entstanden ist, dieser Betrag im Sinne von Art. 236 Abs. 1 ZK gesetzlich geschuldet ist (EuGH, Urt. v. 20.10.2005, C-247/04, Rn. 29; Urt. v. 13.12.2007, C-526/06, Rn. 29).

46

1.2 Auch die Ausgleichszinsen sind gesetzlich geschuldet. Da - wie dargelegt - die Zollschuld entstanden ist, sind zwingend gemäß Art. 519 ZKDVO Ausgleichszinsen zu entrichten, die der Höhe nach in den Anlagen zum Einfuhrabgabenbescheid vom 26.09.2007 zutreffend berechnet wurden (...).

47

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung gemäß Art. 239 Abs. 1, 1. Anstrich ZK. Danach können Einfuhrabgaben in anderen als den in den Art. 236-238 ZK genannten Fällen, die nach dem Ausschussverfahren festgelegt werden (Art. 899 ff. ZKDVO), erstattet werden. Der Beklagte ist zur Entscheidung hierüber gemäß Art. 899 Abs. 1 ZKDVO berufen.

48

Die Voraussetzungen der in Art. 900 Abs. 1 ZKDVO genannten Tatbestände sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. Art. 900 Abs. 1 Buchst. b) ZKDVO ist nicht anzuwenden, da die Klägerin die Waren, die sich in der aktiven Veredelung befanden, durch die verspätete Abrechnung nicht der zollamtlichen Überwachung entzogen hat. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die verspätete Abrechnung eine weniger gravierende Pflichtverletzung darstellt als die Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung. Da es sich um eine abschließende Aufzählung von spezifischen Fallgruppen handelt, kommt eine entsprechende Anwendung dieser Tatbestände nicht in Betracht (vgl. Gellert in Dorsch, Zollrecht, 135. EL März 2012, Art. 239 ZK Rn. 91).

49

Auch die Voraussetzungen von Art. 900 Abs. 1 Buchst. l) ZKDVO sind nicht erfüllt. Wie unten dargelegt (unten III.2.), hat die Klägerin die Pflichtverletzung, die zur Zollschuldentstehung führte, offensichtlich fahrlässig herbeigeführt. Daher erfolgte - wie Art. 900 Abs. 1 Buchst. l) ZKDVO es verlangt - die Verweigerung der Abgabenbefreiung nicht aus ihr nicht zurechenbaren Gründen.

50

Da es sich - wie bei Art. 900 Abs. 1 ZKDVO (siehe oben) - auch bei Art. 901 Abs. 1 ZKDVO um eine abschließende Aufzählung handelt, kann sich die Klägerin auch nicht auf den nach ihrer Auffassung in Art. 901 Abs. 1 Buchst. a), b), c) ZKDVO zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken berufen, dass Einfuhrabgaben auf wieder ausgeführte Ware erlassen würden.

III.

51

Die Klage hat auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vorlage ihres Erstattungsantrags an die Europäische Kommission gemäß Art. 239 Abs. 1, 2. Anstrich ZK.

52

Nach Art. 905 Abs. 1 ZKDVO, der insoweit Art. 239 Abs. 1, 2. Anstrich S. 1 ZK konkretisiert, muss es sich um einen besonderen Fall handeln, der sich aus Umständen ergibt, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind. Diese Vorschrift ist eine auf Billigkeitserwägungen beruhende Generalklausel, die andere als die praktisch am häufigsten vorkommenden Fälle, für die eine besondere Regelung (siehe oben II.2.) geschaffen wurde, erfassen soll (BFH, Urt. v. 24.04.2001, VII R 114/99, juris Rn. 20).

53

Da die Klägerin die Erstattung von Einfuhrabgaben von über ... € begehrt, dürfte der Beklagte über den auf Art. 239 Abs. 1, 2. Anstrich ZK gestützten Erstattungsantrag nicht selbst entscheiden, sondern wäre gemäß Art. 899 Abs. 2 Unterabs. 1 i. V. m. Art. 905 Abs. 1, 3. Anstrich ZKDVO verpflichtet, ihn der Europäischen Kommission zur Entscheidung vorzulegen. Eine solche Vorlageverpflichtung besteht schon dann, wenn der Erstattungsantrag genügend Anhaltspunkte dafür bietet, dass sich der Antragsteller in einer außergewöhnlichen Situation befindet, und nicht erst in solchen Fällen, in denen das Vorliegen besonderer Umstände eindeutig zu bejahen ist (BFH, Urt. v. 24.04.2001, VII R 114/99, juris Rn. 21). Nach diesem Maßstab ist der Beklagte vorliegend nicht verpflichtet, den Erstattungsantrag der Europäischen Kommission vorzulegen. Der Erstattungsantrag bietet nicht genügend Anhaltspunkte für das Vorliegen einer außergewöhnlichen Situation. Es kann offenbleiben, ob besondere Umstände vorliegen (dazu 1.). Die Klägerin handelte nämlich offensichtlich fahrlässig (dazu 2.).

54

1. Der Begriff des besonderen Falles ist gesetzlich nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann auf einen im vorbezeichneten Sinne besonderen Fall geschlossen werden, wenn im Lichte des an der Billigkeit ausgerichteten Regelungszweckes des Art. 239 ZK Umstände festgestellt werden, aufgrund deren sich der Antragsteller in einer Lage befindet, die gegenüber derjenigen anderer Wirtschaftsteilnehmer, die die gleiche Tätigkeit ausüben, außergewöhnlich ist (vgl. EuGH, Urt. v. 27.09.2001, C-253/99, Rn. 56; Urt. v. 25.02.1999, C-86/97, Rn. 22). Ferner stellen die Erstattung und der Erlass von Einfuhrabgaben, die nur unter bestimmten Voraussetzungen und in den eigens dafür vorgesehenen Fällen gewährt werden können, eine Ausnahme vom gewöhnlichen Einfuhr- und Ausfuhrsystem dar, so dass die Vorschriften, die eine solche Erstattung oder einen solchen Erlass vorsehen, eng auszulegen sind (vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2003, C-156/00, Rn. 91; Urt. v. 11.11.1999, C-48/98, Rn. 52; EuG, Urt. v. 12.02.2004, T-282/01, Rn. 55). Besondere Umstände liegen mithin vor, wenn das normale berufliche und geschäftliche Risiko des Beteiligten überschritten wird (FG Hamburg, Urt. v. 26.06.2014, 4 K 149/13, juris Rn. 22).

55

Es ist bereits zweifelhaft, ob in diesem Sinne besondere Umstände vorlagen. Der Klägerin waren im hier maßgeblichen Zeitraum nicht nur zahlreiche Veredelungsverkehre sondern auch Umwandlungsverfahren sowie verschiedene zollrechtliche Vereinfachungen bewilligt worden. Dass die Zollbehörden die Einhaltung der Vorschriften für diese Bewilligungen überprüfen würden, durfte die Klägerin nicht überraschen. Da Art. 521 ZKDVO es zuließ, dass die Abrechnung vom Wirtschaftsbeteiligten vorgenommen werden muss, stellt die Verpflichtung hierzu ebenfalls keinen besonderen Umstand dar, zumal die Klägerin sich bereits ab dem 01.10.2003, also über drei Jahre vor der ersten Aufforderung der Verpflichtung nachzukommen, hierauf einstellen konnte.

56

Auch die von der Klägerin ins Feld geführten Schwierigkeiten bei der Auslegung des Unionsrechts dürften keine besonderen Umstände darstellen (siehe EuG, Urt. v. 21.09.2004, T-104/02, Rn. 67). Der Gefahr, dass bei verspäteter Abrechnung der aktiven Veredelung eine Zollschuld nach Art. 204 ZK entsteht, waren alle Wirtschaftsbeteiligten gleichermaßen ausgesetzt.

57

2. Letztlich kann das Vorliegen besonderer Umstände jedoch offenbleiben, weil die Klägerin offensichtlich fahrlässig gehandelt hat. Anhand welcher Kriterien das Vorliegen offensichtlich fahrlässigen Verhaltens zu bestimmen ist, hat der Europäische Gerichtshof im Urteil Söhl & Söhlke (Urt. v. 11.11.1999, C-48/98) grundlegend entschieden. Danach müssen insbesondere die Komplexität der Vorschriften, deren Nichterfüllung die Zollschuld begründet, sowie die Erfahrung und die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers berücksichtigt werden (a. a. O., Rn. 55). Zugleich weist der Europäische Gerichtshof darauf hin, dass der Begriff so auszulegen ist, dass die Anzahl der Fälle, in denen erstattet oder erlassen wird, begrenzt bleibt (a. a. O., Rn. 52). Bei Betrachtung dieser Gesichtspunkte muss das Verhalten der Klägerin insgesamt als offensichtlich fahrlässig bezeichnet werden. Im Einzelnen:

58

2.1 Hinsichtlich der Erfahrung des Wirtschaftsteilnehmers ist zu untersuchen, ob er im Wesentlichen im Einfuhr- und Ausfuhrgeschäft tätig ist und ob er bereits über eine gewisse Erfahrung mit der Durchführung dieser Geschäfte verfügt (EuGH, Urt. v. 11.11.1999, C-48/98, Rn. 57). Die Klägerin handelt seit vielen Jahren mit Fruchtsäften und Fruchtsaftkonzentraten. Mindestens seit 1994 nutzt sie den aktiven Veredelungsverkehr. Ausweislich des Prüfungsberichts vom 07.06.2007 waren ihr neben 28 Veredelungsverkehren drei Umwandlungsverfahren und zahlreiche zollrechtliche Vereinfachungen bewilligt worden. Bis Mai 2005 betrieb sie außerdem ein Zolllager. Die Klägerin verfügte damit über langjährige Erfahrungen im Umgang mit verschiedenen zollrechtlichen Verfahren. Auch wenn man unterstellt, dass sie bis zur Umstellung der Abrechnungspraxis zum 31.12.2004 die hier in Rede stehenden Abrechnungen nicht selbst vorgenommen hat, konnte sie, bevor sie die Frist für die Abgabe der Abrechnungen des 1. Quartals 2006 versäumte, Erfahrung mit der Abrechnung sammeln. Sie hat nämlich die Abrechnungen für das Jahr 2005 am 10.05.2007 endgültig vorgelegt, so dass ihr spätestens zu diesem Zeitpunkt klar war, wie die Abrechnungen zu erfolgen hatten.

59

2.2 Was die Komplexität der Vorschriften angeht, ist Art. 521 Abs. 1 ZKDVO bezüglich der Pflicht zur Abrechnung eindeutig formuliert. Das Schreiben des Beklagten vom 05.06.2007, auf das die Klägerin nicht mehr reagierte, ließ ebenfalls keine Zweifel, dass die Abrechnung erfolgen müsse. Allerdings war die konkrete Art der Abrechnung, insbesondere die von der Klägerin geforderte Unterteilung nach verschiedenen Brix-Werten, durchaus nicht unkompliziert.

60

2.3 Die Klägerin hat ihre Sorgfaltspflicht bei der Inanspruchnahme zollrechtlicher Verfahren, die - wie die aktive Veredelung - zu einer Abgabenreduzierung führen, nicht erfüllt. Diese Sorgfaltspflicht verlangt nicht nur, dass sich ein Wirtschaftsbeteiligter bei Zweifeln über die richtige Anwendung der Zollvorschriften nach Kräften informiert (EuGH, Urt. v. 11.11.1999, C-48/98, Rn. 58). Auch eine unzureichende Organisation der mit der Abwicklung der Zollformalitäten befassten Unternehmensteile stellt eine Pflichtverletzung im Hinblick auf die richtige Anwendung von Zollvorschriften dar (vgl. BFH, Urt. v. 30.08.2005, VII R 1/00, juris Rn. 47). Denn ohne eine hinreichende Ausstattung der für die Erfüllung der zollrechtlichen Pflichten zuständigen Unternehmensteile mit sachlichen und personellen Mitteln ist ein rechtskonformes Handeln bei der Inanspruchnahme zollrechtlicher Verfahren nicht gewährleistet.

61

Vor diesem Hintergrund ist der Senat überzeugt, dass die für die Klägerin handlungsbefugten Personen, mithin die drei Geschäftsführer, nicht alles zumutbare unternommen haben, um die Zollabteilung personell so auszustatten, dass sie ihrer Pflicht zur Abgabe der Abrechnung für das 1. Quartal 2006 fristgerecht nachkommen konnte. Die Pflichtverletzung, die zum Entstehen der Zollschuld führte, stellt sich damit nicht als einmaliger Arbeitsfehler von Frau B dar, sondern ist auf das Organisationsverschulden der Klägerin zurückzuführen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

62

Gerade weil die Abrechnung der Veredelungsverkehre komplex war, hätte die Klägerin ein besonderes Augenmerk darauf richten müssen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beklagte für zirka zwei Jahre keine Abrechnungen eingefordert hat. Allein der Umstand, dass er der Klägerin am 11.03.2005 ein Muster für Abrechnungen der Veredelungsverkehre übergab (...), macht deutlich, dass die Klägerin nicht davon ausgehen durfte, die Abrechnungen würden nicht eingefordert. Aus der bloßen Untätigkeit des Beklagten durfte die Klägerin nicht schließen, dass sie diese nicht würde abgeben müssen.

63

Die Klägerin hätte nach der erstmaligen Aufforderung des Beklagten mit Schreiben vom 20.10.2006 noch ausreichend Zeit gehabt, um die Zollabteilung mit geeignetem Personal zu verstärken oder die Abrechnungen anderweitig durchführen zu lassen. Bis zum Verstreichen der mit Schreiben vom 05.06.2007 gesetzten Frist zum 20.06.2007 vergingen nämlich noch über acht Monate. Hierbei kann sich die Klägerin nicht damit exkulpieren, dass sie bei der Agentur für Arbeit und über Zeitungsannoncen in der lokalen Presse vergeblich nach einer dauerhaften Verstärkung gesucht habe.

64

Die von der Klägerin vorgelegte Anlage 5 zeigt, dass zwischen Oktober 2006 und Juni 2007 überhaupt keine Neueinstellungen vorgenommen wurden, obwohl es der Klägerin nach dem schwangerschaftsbedingten Ausscheiden von Frau H im Mai 2005 - mit Ausnahme von Frau J - nicht gelungen war, auf dem beschriebenen Weg die Zollabteilung dauerhaft zu verstärken. Spätestens nachdem K nach gut sieben Monaten Ende Januar 2006 und L nach knapp einmonatiger Tätigkeit im April 2006 gekündigt werden musste, hätte ihr klar werden müssen, dass sie zu anderen Mitteln greifen muss, um erfahrene und sofort einsetzbare Zollmitarbeiter zu rekrutieren. Dieses Bedürfnis nach einer personellen Aufstockung der Zollabteilung wurde durch den zwischen 2005 und 2007 erheblich gestiegenen Umsatz, der die Arbeitsbelastung aller Mitarbeiter erhöhte, noch verstärkt. Vor diesem Hintergrund war es nicht ausreichend, in den vier lokalen Zeitungen, d. h. der ..., der ..., der ... sowie dem ..., zu inserieren. Die Klägerin hätte ihre Anstrengungen beispielsweise ausdehnen können auf Zeitungen, die in A (...) sowie M (...) erscheinen. Darüber hinaus hätte sie - gegebenenfalls unter Einschaltung hierauf spezialisierter Dienstleister - aktiv versuchen können, Mitarbeiter anderer Unternehmen abzuwerben. Angesichts der geographischen Lage der Klägerin ist es beispielsweise nicht fernliegend, eine in den Großräumen A oder M tätige Person dazu zu bewegen, bei der Klägerin zu arbeiten. Ferner hätte sie sich - gegebenenfalls auch nur vorübergehend - an eine Spedition oder eine Zollagentur wenden können, um die Abrechnungen von einem externen Dienstleister vornehmen zu lassen.

65

Auch die Umschulung des Mitarbeiters N stellte keine ausreichende Organisationsmaßnahme dar. Da der Umschulungsvertrag erst am 15.02.2007 geschlossen und die Ausbildung 17 Monate dauern sollte, war klar, dass Herr N nicht kurzfristig Verantwortung in der Zollabteilung würde übernehmen können.

66

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Klägerin nicht um ein auf sich allein gestelltes, kleines Unternehmen handelt. Sie war und ist nämlich Teil der P-Gruppe, bei der es sich nach der Selbstdarstellung im Internet um ein international tätiges Unternehmen mit Niederlassungen in vielen Ländern handelt. Über den Geschäftsführer R, der zugleich Geschäftsführer der P-GmbH war, wäre es der Klägerin rechtlich möglich und zumutbar gewesen, bei der Konzernzentrale um Hilfe zu bitten.

67

Da es in Deutschland zweifellos eine hinreichende Menge an Personen gibt, die fachlich in der Lage gewesen wären, die geforderten Abrechnungen fristgerecht vorzunehmen, ist es letztlich eine Frage der finanziellen Mittel, die ein Unternehmen einzusetzen bereit ist, um entsprechende Mitarbeiter für sich zu gewinnen. Wenn die Klägerin die hierzu erforderlichen Investitionen scheut und gleichzeitig Aufträge annimmt, die die Belastung der Zollabteilung noch steigern, mag dies unternehmerisch nachvollziehbar sein. Sie muss dann jedoch für die Folgen einstehen, wenn durch diese unternehmerischen Entscheidungen zollrechtliche Pflichten vernachlässigt werden.

68

Die Belastung der Zollabteilung war der Geschäftsführung der Klägerin bekannt. Dies ergibt sich schon aus dem Gesprächsvermerk vom 20.12.2006. Dort ist niedergelegt, dass Frau B über einen zu hohen Arbeitsanfall klagte. Weil eine Mitarbeiterin noch nicht eingearbeitet und Frau S nicht gewissenhaft genug sei, müsse sie alles alleine machen. Es kann der Geschäftsführung auch nicht verborgen geblieben sein, dass Frau B von November 2006 bis Juli 2007 300 Überstunden abgeleistet hat. Da dies im Durchschnitt ca. 7,5 Überstunden pro Woche entspricht, war es nur eine Frage der Zeit, bis Frau B ihren Aufgaben nicht mehr gewachsen sein würde. Das Ignorieren von Fristen ist gerade eine typische Reaktion auf eine Überlastung. Die Geschäftsführung musste daher damit rechnen, dass Frau B ein Schreiben des Beklagten unbeantwortet lässt. Vor diesem Hintergrund ist es auch unerheblich, dass der Geschäftsführer der Klägerin Herr T von dem Schreiben vom 05.06.2007 Kenntnis genommen und Frau B auf die Beantwortung des Schreibens angesprochen hat. Angesichts der offensichtlichen Überlastung von Frau B hätte die Geschäftsführung andere Organisationsmaßnahmen treffen müssen. Sie hätte etwa die Beantwortung des Schreibens in die Hände einer anderen Person, die weniger stark belastet war, legen können.

69

Nicht überzeugend ist es, wenn die Klägerin zur Begründung für die verspätete Abrechnung angibt, dass sie zunächst abwarten wollte, ob die bereits eingereichten Abrechnungen anerkannt werden würden. Wenn es so ist, dass sich Fehler bei der Abrechnung auf Folgezeiträume auswirken, wäre dies ein weiterer Grund für die Klägerin gewesen, Abrechnungen zeitnah vorzunehmen. Außerdem wusste die Klägerin spätestens seit der endgültigen Anerkennung der Abrechnungen für das Jahr 2005 am 10.05.2007 wie die Abrechnungen zukünftig aussehen mussten. Sie hatte ab diesem Tag noch immer bis zum 20.06.2007 bzw. bis zum 04.07.2007 - dem Tag des Erlasses des ersten Einfuhrabgabenbescheids - Zeit, um die Abrechnung zu erstellen. Dies wäre mit dem entsprechenden personellen Einsatz möglich gewesen.

70

Die Klägerin kann sich auch nicht mit "der Fülle von Anforderungen der Zollverwaltung" exkulpieren. Da sie zahlreiche besondere Zollverfahren und Verfahrenserleichterungen in Anspruch genommen hat, musste sie damit rechnen, dass die jeweils zuständigen Zolldienststellen die Rechtmäßigkeit der Verfahrensabläufe überprüfen. Auch hierfür musste sie personelle Ressourcen bereithalten, ggf. neue Mitarbeiter anstellen oder externe Dienstleister beauftragen.

71

2.4 Die Gesamtbetrachtung dieser Umstände ergibt, dass die im Außenhandel und im Umgang mit den Zollbehörden erfahrene Klägerin aufgrund ihres Organisationsverschuldens die zum 20.06.2007 gesetzte Frist offensichtlich fahrlässig hat verstreichen lassen. Die Komplexität der im konkreten Fall vorzunehmenden Abrechnung nach Art. 521 ZKDVO lässt in Anbetracht der Gesamtumstände die offensichtliche Fahrlässigkeit nicht entfallen, da - wie dargelegt - die Klägerin ausreichend Zeit hatte, sich über die Anforderungen für die Modalitäten der Abrechnung zu informieren und auf dieser Grundlage die Abrechnungen fristgerecht vorzunehmen.

72

An dieser Gesamtwürdigung ändert es ferner nichts, dass der Beklagte am 11.01.2007 noch zu der Einschätzung gelangt war, dass "in Zusammenschau der betriebsinternen und verwaltungsinternen Problematik" keine grobe Fahrlässigkeit im Sinne von Art. 859 ZKDVO vorgelegen habe. Zum einen ist der Senat nicht an diese Wertung gebunden und zum anderen bezieht sie sich auf einen früheren Zeitpunkt als den hier maßgeblichen im Juni 2007.

73

2.5 Aus den von der Klägerin ins Feld geführten Einzelentscheidungen der Kommission kann sie nichts für sich ableiten. Abgesehen davon, dass im Fall REM 1/92 die Erstattung als unzulässig abgelehnt wurde, stellen die übrigen Fälle Einzelfallentscheidungen dar, die mit dem vorliegenden Fall nicht - auch nicht annähernd - vergleichbar sind. Organisationsverschulden wurde in diesen Fällen gerade nicht festgestellt.

74

2.6 Für die Bewertung, ob die Voraussetzungen von Art. 239 Abs. 1, 2. Anstrich ZK vorliegen, darf der Senat nicht auf Art. 86 Abs. 6 UZK zurückgreifen. Nach dieser Norm gilt die Abgabenbefreiung für wieder ausgeführte Veredelungserzeugnisse (Art. 205 Abs. 1, Art. 203 UZK) auch dann, wenn eine Zollschuld nach Art. 79 oder 82 UZK entstanden ist, sofern die Zollschuldentstehung nicht auf einem Täuschungsversuch basiert. Anders als die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, ist die Vorschrift nämlich auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Nach den oben (I.) dargelegten Grundsätzen der Salumi-Entscheidung sind materiellrechtliche Vorschriften des Unionsrechts, zu denen auch die zollschuldrechtliche Norm des Art. 86 Abs. 6 UZK gehört, grundsätzlich nicht auf Sachverhalte anwendbar, die sich - wie der vorliegende Fall - vor ihrem Inkrafttreten zugetragen haben. Art. 86 Abs. 6 UZK lässt sich auch nichts entnehmen, das für eine rückwirkende Anwendbarkeit der Norm sprechen könnte, zumal im Zollkodex mit Art. 212a eine ähnliche Vorschrift vorhanden war (so i. E. auch Deimel in Dorsch, Zollrecht, 161. EL Juli 2016, Art. 86 Rn. 3).

IV.

75

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt den Erlass von Einfuhrabgaben.

2

Die Klägerin war Hauptverpflichtete eines am 20.08.2009 eröffneten Versandverfahrens T 1 (...). Ausweislich des Versandscheins sollten im Versandverfahren 413 Kartons Sweater von einem Versender in China zu einem Empfänger in Rumänien befördert werden. Abgangsstelle und Bestimmungszollstelle war das Zollamt Hamburg-1. Die Gestellungsfrist lief bis zum 21.08.2009. Ausweislich der Handelsrechnung Nr. XXX vom 21.07.2009 handelte es sich um insgesamt 23.871 Sweater zu einem Stückpreis von 0,20 US-Dollar. Die Ware wurde mit Zollverschluss gesichert.

3

Tatsächlich wurde die Ware jedoch unstreitig nicht beim Zollamt Hamburg-1 wiedergestellt.

4

Nachdem der Beklagte die Klägerin darauf hingewiesen hatte, dass die Beendigung des Versandverfahrens (T 1 ...) nicht nachgewiesen worden sei und ihr ergebnislos Gelegenheit gegeben hatte, weitere Nachweise für die Beendigung des Versandverfahrens zu erbringen, erhob er mit bestandskräftigem Einfuhrabgabenbescheid vom 04.01.2010 im Hinblick auf die hier streitigen 413 Kartons Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt 1.119,62 €, da diese nicht bei der Bestimmungszollstelle gestellt und daher der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien.

5

Der Beklagte zweifelte gegenüber der Klägerin gem. Art. 181 a ZK DVO die Rechnung an, ohne dass die Klägerin zunächst weitere Belege für die Richtigkeit des angegebenen Zollwerts beigebracht hätte. Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 28.05.2010 erhob der Beklagte daraufhin Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt 22.713,19 € (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) nach. Dabei ging er von einem Warenwert in Höhe von 2,10 € je Sweater aus. Insoweit bezog er sich auf den sich aus dem System ATLAS ergebenden Durchschnittswert für entsprechende Waren aus China (Importdaten). Der Einfuhrabgabenbescheid ist bestandskräftig geworden. Die Klägerin entrichtete die Einfuhrabgaben.

6

Mit Antrag vom 04.02.2011 begehrte die Klägerin die Erstattung der Einfuhrabgaben. Dabei wies sie darauf hin, Opfer ihr nicht zuzurechnender betrügerischer Handlungen geworden zu sein. Da sie selbst keinen Einfluss auf die ordnungsgemäße Abwicklung des Versandverfahrens gehabt habe, habe sie sich in einer außergewöhnlichen Lage befunden. Sie habe lediglich die Aufgabe gehabt, T1-Dokumente zu erstellen, die sie von der Firma A erhalten habe. Den Transport habe sie weder organisiert noch durchgeführt. Die Firma A sei ihr gegenüber verpflichtet gewesen, die T1 ordnungsgemäß zu erledigen. Darauf, dass dies geschehen würde, habe sie vertraut. Die Firma A habe sie auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Der Abgabenerhebung stehe auch der Wirtschaftsgedanke des Zollrechts entgegen.

7

Mit Bescheid vom 01.02.2013 lehnte der Beklagte die Erstattung der Einfuhrabgaben ab. Zur Begründung führte er aus, die Nichterledigung eines Versandverfahrens und die Entstehung der Zollschuld sein typisches Risiko eines Hauptverpflichteten.

8

Am 28.02.2013 legte die Klägerin Einspruch ein. Sie betonte unter Wiederholung der Antragsbegründung im Übrigen, besondere Umstände hätten vorgelegen, weil sie keinen Einfluss auf die Wahl des Transportunternehmens gehabt habe und daher nicht durch organisatorische Vorkehrungen Einfluss auf die Transportabwicklung hätte nehmen können. Sie treffe kein Verschulden.

9

Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 15.10.2013 zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass allein ein Erlass nach Art. 239 Zollkodex in Betracht komme. Einer der Fälle des Art. 900 ZK-DVO liege nicht vor. Insbesondere handele es sich nicht um einen Fall nach Art. 900 Abs. 1 a) ZK-DVO, da nicht nachgewiesen worden sei, dass die Waren aus dem Versandverfahren gestohlen worden seien. Ebenso wenig handele es sich um einen Fall nach Art. 900 Abs. 1 e) ZK-DVO, da die Ware weder irrtümlich unter vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben zum freien Verkehr abgefertigt worden sei, noch die Voraussetzungen für eine abgabenfreie Wiedereinfuhr erfüllt seien. Die von der Klägerin behauptete Doppelbesteuerung wäre nicht in einem Erstattungsverfahren nach Art. 239 Zollkodex zu klären. Besondere Umstände im Sinne von Art. 239 Zollkodex lägen nicht vor. Es handele sich um eine Situation, die eine unbestimmte Zahl von Wirtschaftsteilnehmern treffen könne, die die Verantwortung eines Hauptverpflichteten übernommen hätten. Hauptverpflichtete nach Art. 96 Abs. 1 Zollkodex übernähmen regelmäßig eine Verpflichtung, die sie selbst nicht erfüllen könnten, weil der Transport regelmäßig durch den Auftraggeber für das Versandverfahren organisiert und durch Dritte durchgeführt werde. Der Hauptverpflichtete hafte auch, wenn er Opfer betrügerischer Machenschaften werde. Er müsse für das Fehlverhalten Dritter einstehen. Die Klägerin befinde sich in derselben Lage, wie andere Wirtschaftsteilnehmer, die die gleiche Tätigkeit ausübten. Ob der Klägerin offensichtliche Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei, müsse nicht mehr geprüft werden.

10

Mit ihrer am 15.11.2013 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie wiederholt die Antrags- sowie die Einspruchsbegründung und betont, dass die Firma A ihr gegenüber verpflichtet gewesen sei, die Versandverfahren im gesetzlichen Rahmen zu erledigen. Sie sei zwar Hauptverpflichtete gewesen, habe aber in Bezug auf die gesamte Abwicklung weder Einfluss noch Kontrollmöglichkeiten gehabt. Das Landgericht Hamburg habe die Firma A mit Urteil vom ... 2013 (...) verurteilt, ihr den Schaden zu ersetzen. Es liege zudem die Vermutung nahe, dass die Ware auf dem Weg von Hamburg zu rumänischen Zollbestimmungsstelle entwendet worden sei. Nachweisen könne sie dies jedoch nicht.

11

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 01.02.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.10.2013 zu verpflichten, die mit Einfuhrabgabenbescheid vom 28.05.2010 festgesetzten Abgaben i. H. v. 22.713,19 € zu erstatten,
hilfsweise
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 01.02.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.10.2013 zu verpflichten, ihren Erstattungsantrag vom 04.02.2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

12

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

13

Er bezieht sich zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung und den sonstigen Akteninhalt. Er betont, dass die Abgaben entstanden seien, weil das Versandverfahren nicht beendet worden sei. Auf das Schicksal des anschließenden Versandverfahrens T1 ... komme es nicht an.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet.

16

I. Der Bescheid vom 01.02.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.10.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 101 S. 1 FGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erlass der mit Bescheid vom 28.05.2010 erhobenen Einfuhrabgaben.

17

Die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach Art. 239 Zollkodex liegen nicht vor.

18

Nach Art. 239 Abs. 1 Zollkodex können Einfuhrabgaben in anderen als den in den Artikeln 236, 237 und 238 Zollkodex genannten Fällen erstattet oder erlassen werden. Nach Art. 239 Abs. 1 Anstrich1 Zollkodex werden diese Fälle nach dem Ausschussverfahren festgelegt. Darüber hinaus können sich diese Fälle nach Art. 239 Abs. 1 Anstrich 2 Zollkodex aus den Umständen ergeben, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind. Die Vorschrift des Art. 239 Abs. 1 Anstrich 2 Zollkodex stellt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eine auf Billigkeitserwägungen beruhende Generalklausel dar, die andere als die praktisch am häufigsten vorkommenden Fälle, für die eine besondere Regelung (vgl. Art. 900 bis 903 ZK-DVO) geschaffen werden konnte, erfassen soll (vgl. hierzu nur EuGH, Urteil vom 25.02.1999, C-86/97, Rn. 18; EuGH, Urteil vom 27.09.2001, C-253/99, Rn. 56).

19

Gem. Art. 239 Abs. 1 ZK i. V. m. Art. 899 Abs. 1 Anstrich 1 und Abs. 2 ZK-DVO kann der Beklagte - auf, wie hier gegeben, fristgerechten Antrag hin, vgl. Art. 239 Abs. 2 Zollkodex - dementsprechend Einfuhrabgaben erstatten oder erlassen, wenn ein Fall der Art. 900 bis 903 ZK-DVO vorliegt oder - ausgenommen bei einer im vorliegenden Fall allerdings mangels Einschlägigkeit der in Art. 905 Abs. 1 Anstrich 1 bis 3 ZK-DVO genannten Fälle nicht gebotenen Befassung der Kommission - in besonderen Fällen, die sich aus Umständen ergeben, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind.

20

Keiner der Fälle des Art. 900 bis 903 ZK-DVO liegt vor. Zu Recht hat der Beklagte dargelegt, dass insbesondere Fälle des Art. 900 Abs. 1 lit. a) bzw. e) ZK-DVO nicht gegeben sind. Irgendwelche konkreten Anhaltspunkte für einen Diebstahl finden sich nicht, auch hat die Ware nicht wieder ihren ursprünglichen zollrechtlichen Status erhalten (Art. 900 Abs. 1 lit. a) ZK-DVO). Auch wurde die Ware ersichtlich nicht unter vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben in den zollrechtlich freien Verkehr überführt und ohne zollamtliche Überwachung wieder ausgeführt (Art. 900 Abs. 1 lit. e) ZK-DVO).

21

Auch ein Erlass nach Art. 239 Abs. 1, Anstrich 2 ZK i. V. m. Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO scheidet aus. Aus Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO, der die Regelung des Art. 239 Zollkodex präzisiert und weiterentwickelt, ergibt sich, dass die Erstattung von Einfuhrabgaben von der Erfüllung zweier kumulativer Voraussetzungen abhängt, nämlich erstens vom Vorliegen eines besonderen Falles und zweitens vom Fehlen offensichtlicher Fahrlässigkeit und betrügerischer Absicht des Beteiligten. Der Erlass der Abgaben ist daher bereits dann zu versagen, wenn eine der beiden Voraussetzungen fehlt (vgl. Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften - EuG -, Urteil vom 13.09.2005, T-53/02, Rn. 103). Im Streitfall fehlt es bereits am Vorliegen eines besonderen Falles.

22

Der Begriff des besonderen Falles ist gesetzlich nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann auf einen im vorbezeichneten Sinne besonderen Fall geschlossen werden, wenn im Lichte des an der Billigkeit ausgerichteten Regelungszweckes des Art. 239 Zollkodex Umstände festgestellt werden, aufgrund deren sich der Antragsteller in einer Lage befindet, die gegenüber derjenigen anderer Wirtschaftsteilnehmer, die die gleiche Tätigkeit ausüben, außergewöhnlich ist (vgl. EuGH, Urteil vom 27.09.2001, C-253/99, Rn. 56; Urteil vom 25.02.1999, C-86/97, Rn. 22). Ferner stellt die Erstattung und der Erlass von Einfuhrabgaben, die nur unter bestimmten Voraussetzungen und in den eigens dafür vorgesehenen Fällen gewährt werden können, eine Ausnahme vom gewöhnlichen Einfuhr- und Ausfuhrsystem dar, so dass die Vorschriften, die eine solche Erstattung oder einen solchen Erlass vorsehen, eng auszulegen sind (vgl. EuGH, Urteil vom 13.03.2003, C-156/00, Rn. 91; EuGH, Urteil vom 11.11.1999, C-48/98, Rn. 52; Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften - EuG -, Urteil vom 12.02.2004, T-282/01, Rn. 55). Besondere Umstände liegen - mit anderen Worten - mithin vor, wenn das normale berufliche und geschäftliche Risiko des Beteiligten überschritten wird.

23

Zu Recht hat der Beklagte einen derart besonderen Fall nicht angenommen. Letztlich hat sich im Streitfall das normale geschäftliche Risiko der Klägerin verwirklicht. Die Verantwortung der Klägerin als Hauptverpflichtete ergibt sich aus Art. 96 Abs. 1 Zollkodex. Aus dieser Vorschrift ergibt sich die Verpflichtung, die Waren unverändert der Bestimmungszollstelle zu gestellen und die Vorschriften über das gemeinschaftliche Versandverfahren einzuhalten. Dieser besonderen Garantenstellung (Kampf in Witte, Art. 96 Zollkodex Rn. 1) kann sich der Hauptverpflichtete zollrechtlich nicht entziehen. Es mag sein, dass - wie die Klägerin darstellt - der zur Abgabenschuld führende Sachverhalt - nämlich die Nichtgestellung der Ware bei der Bestimmungszollstelle - allein auf das Verhalten der Firma A zurückzuführen ist, hierauf kommt es jedoch nicht an. Insbesondere lassen sich daraus keine besonderen Umstände konstruieren. Als Hauptverpflichtete war die Klägerin verantwortlich für die Auswahl der Personen, derer sie sich bei Erfüllung der Pflichten aus dem Versandverfahren bedient. Die Folgen des Verhaltens der Firma A treffen die Klägerin unabhängig von der Frage des Verschuldens so, wie sie auch alle anderen Wirtschaftsbeteiligte in einer vergleichbaren Situation träfen. Der Fall weist keinerlei Besonderheiten auf, die die Annahme besonderer Umstände rechtfertigen könnten.

24

Die Beteiligung von rumänischen Zollbeamten an einem möglichen Diebstahl der Waren oder eine sonstige strafrechtlich relevante Beteiligung rumänischer Zollstellen ist spekulativ, konkrete Anhaltspunkte hierfür gibt es im Streitfall nicht. Von daher muss der Überlegung, ob sich besondere Umstände aus dem strafbaren Verhalten von Beamten eines anderen Mitgliedstaats ergeben können, nicht weiter nachgegangen werden.

25

Ob der Klägerin zudem der Vorwurf offensichtlicher Fahrlässigkeit zu machen ist, kann dahinstehen.

26

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Drittlandszoll und Antidumpingzoll.

2

Die Klägerin meldete in der Zeit vom 30.07.2012 bis 05.10.2012 mit insgesamt sechs Zollanmeldungen Aluminiumheizkörper, die sie von dem in Malaysia ansässigen Unternehmen mit der Firma "A ..." (im Folgenden: Firma A) erworben hatte, unter der Position 7616 9910 910 mit einem Gesamtzollwert von rund € ... zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Lieferung an. Unter Hinweis auf Ursprungszeugnisse nach Formblatt A, die vom malaysischen Ministry of International Trade and Industry (im Folgenden: MITI) ausgestellt worden waren und einen Ursprung der Ware in Malaysia bescheinigen, beantragte die Klägerin die Anwendung eines Präferenzzollsatzes. Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Zollanmeldungen:

3
        

Zollanmeldung

Datum 

Container

Ursprungszeugnis

1       

AT/C/42/...-1

30.07.12 

H...-1,

KL2012/...-1v.

                          

F...-2,

28.06.12

                          

T...-3

        

2       

AT/C/42/...-2

30.07.12

C...-4,

KL2012/...-2 v

                          

G...-5,

21.06.12

                          

H...-6,

        
                          

H...-7

        

3       

AT/C/42/...-3

09.08.12

F...-8,

KL2012/...-3 v.

                          

H...-9

13.07.12

4       

AT/C/42/...-4

28.08.12

H...-10,

KL2012/...-4 v.

                          

C...-11,

13.08.12

                          

G...-12

        

5       

AT/C/42/...-5

19.09.12

F...-13,

KL2012/...-5 v.

                          

T...-14,

22.08.12

                          

G...-15

        

6       

AT/C/42/...-6

05.10.12

H...-16,

KL2012/...-6 v.

                          

G...-17,

03.09.12

                          

F...-18

        

4

Die Ursprungszeugnisse enthalten in Feld 12 eine Erklärung des Ausführers, dass die Ware in Malaysia produziert worden sei, und in Feld 11 die Erklärung des MITI, dass "on the basis of control carried out" bestätigt werde, dass die Erklärung des Ausführers zutreffend sei.

5

Das Zollamt nahm die Zollanmeldungen an und erteilte anmeldungsgemäße Einfuhrabgabenbescheide unter Anwendung des Zollsatzes von 2,5% für Waren mit Ursprung aus Malaysia.

6

Nach Hinweisen auf eine mögliche Umgehung von Antidumpingzollmaßnahmen unternahm das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) vom 14. bis 18.01.2013 eine Missionsreise nach Malaysia. Aufgrund der dort gewonnenen Erkenntnisse dehnte es seine Untersuchungen auf die hier in Rede stehenden Aluminiumheizkörper aus. Mit Bericht vom 07.05.2013 (THOR 11467) teilte es den Mitgliedstaaten die Ergebnisse der Untersuchung zu Umgehungsmaßnahmen im Hinblick auf Aluminiumheizkörper mit (...). Nach Auswertung der Daten über Ein- und Ausgänge von Waren aus der malaysischen "Free Commercial Zone Port Klang" (Freizone) sei festgestellt worden, dass Aluminiumheizkörper aus der Volksrepublik (VR) China in die Freizone und von dort nach Umladung ohne weitere Be- oder Verarbeitung ins EU-Zollgebiet exportiert würden.

7

Der Beklagte erhob auf dieser Grundlage mit dem Einfuhrabgabenbescheid vom 04.11.2013 (AT/S/00/...) Zoll in Höhe von insgesamt ... € nach. Im Einzelnen handelt es sich um die Differenz zwischen dem Drittlandszollsatz von 6 % und dem ursprünglich angewandten Präferenzzollsatz von 2,5 % in Höhe von ... € sowie 61,4% Antidumpingzoll in Höhe von ... €. Grund für die Nacherhebung sei, dass die Heizkörper ihren Ursprung in der VR China hätten. Von dort aus seien sie nach Malaysia verschifft und nach Umladung ohne weitere Be- oder Verarbeitung ins EU-Zollgebiet ausgeführt worden. Die vorgelegten Ursprungszeugnisse könnten nicht anerkannt werden.

8

Den hiergegen eingelegten Einspruch vom 16.11.2013, den die Klägerin mit Schreiben vom 04.12.2013 und vom 21.02.2014 begründete, wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 26.02.2014 als unbegründet zurück. Rechtsgrundlage für die Nacherhebung sei Art. 220 Abs. 1 ZK. Maßgeblich für die Entstehung der Zollschuld sei die Annahme der Zollanmeldung (Art. 201 Abs. 2 ZK). Aufgrund der Ermittlungen von OLAF sei gesichert, dass die Ware nicht ihren Ursprung in Malaysia, sondern in der VR China habe. Daher sei die Differenz zwischen dem angewendeten Präferenzzollsatz und dem Drittlandszollsatz nachzuerheben. Nach Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1039/2012 sei der allgemeine Zollsatz i. H. v. 61,4 % anzuwenden, da die Klägerin keine Handelsrechnung eines Unternehmens vorgelegt habe, für die ein unternehmensspezifischer Zollsatz in der Verordnung festgelegt sei. Die Forderung sei nicht gemäß Art. 218 Abs. 2 Unterabs. 2 ZK verfristet. Die Art. 217 f. ZK befassten sich mit der buchmäßigen Erfassung. Die dort genannte Frist habe nur Bedeutung für die Abführung der Eigenmittel an die Kommission. Die nachträgliche buchmäßige Erfassung werde in Art. 220 ZK geregelt. Die Dreijahresfrist gemäß Art. 221 Abs. 3 ZK, die frühestens im Juli 2012 begonnen habe, sei bei Erlass des Abgabenbescheids im November 2013 noch nicht abgelaufen gewesen. Die Voraussetzungen des Vertrauensschutztatbestandes in Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 1 ZK lägen nicht vor. Es sei schon kein aktiver Irrtum ersichtlich. Das Zollamt habe die Einfuhranmeldung und insbesondere die Angabe des Ursprungslandes ohne weitere Prüfung übernommen.

9

Hinsichtlich des nacherhobenen Zolls seien die erweiterten Möglichkeiten des Vertrauensschutzes nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 2-5 ZK zu prüfen. Die Nichtanerkennung von Ursprungszeugnissen im Falle autonom gewährter Zollpräferenzen, zu denen auch die auf der Grundlage des Allgemeinen Präferenzsystems gewährten Handelserleichterungen für malaysische Waren gehörten, könne auch auf eigene Ermittlungen gestützt werden. Im vorliegenden Fall habe OLAF im Zusammenwirken mit den malaysischen Behörden festgestellt, dass die Heizkörper aus der VR China stammten. Ein Irrtum, der vernünftigerweise nicht habe erkannt werden können, liege grundsätzlich vor, wenn ein falsches Dokument von der zuständigen Behörde eines Drittlandes ausgestellt worden sei. Dies sei jedoch dann nicht der Fall, wenn die falsche Bescheinigung darauf zurückzuführen sei, dass die drittländische Behörde durch eine unrichtige Darstellung der Fakten vom Ausführer irregeführt worden sei. Bei der Ausstellung von Ursprungszeugnissen nehme die Zollstelle eine Schlüssigkeitsprüfung vor, auf deren Grundlage sie im Feld 11 des Ursprungszeugnisses den Ursprung bescheinige. Aus der Formulierung "on the basis of control carried out" ergebe sich kein aktiver Irrtum der malaysischen Behörden, weil hieraus kein Rückschluss auf eine tatsächliche aktive Prüfung gezogen werden könne. Aufgrund der OLAF-Ermittlungsergebnisse sei vielmehr gesichert, dass der Ausführer im Feld 12 unzutreffende Angaben gemacht habe. Da schon kein Irrtum vorliege, sei es unerheblich, ob die Klägerin gutgläubig gehandelt habe. Im Übrigen reiche es nicht aus, dass der malaysische Ausführer erklärt habe, die Heizkörper selbst hergestellt zu haben. Das Schreiben der Firma A vom 17.04.2012 enthalte das Versprechen, Aluminiumheizkörper mit den gewünschten Parametern und mit malaysischen Form A zu liefern. Im Lichte der OLAF-Ermittlungen genüge dieses Schreiben gerade nicht, Zweifel hinsichtlich betrügerischer Maßnahmen zu entkräften.

10

Mit der am 21.03.2014 erhobenen Klage, die zunächst unter dem Aktenzeichen 4 K 62/14 geführt wurde, verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Zeit der hier in Rede stehenden Einfuhren habe noch die Verordnung (EU) Nr. 402/212 vom 11.05.2012 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls gegolten; Die Verordnung (EU) Nr. 1039/2012 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls sei erst am 09.11.2012 in Kraft getreten. Nach Art. 218 Abs. 2 Unterabs. 2 ZK müsse eine Zollschuld, die einen vorläufigen Antidumpingzoll betreffe, spätestens zwei Monate nach Veröffentlichung der Verordnung, mit der der endgültige Antidumpingzoll festgesetzt werde, buchmäßig erfasst werden. Diese Frist sei vorliegend nicht eingehalten worden, da der angefochtene Bescheid erst am 04.11.2013 erlassen worden sei. Der insoweit beweisbelastete Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass die Heizkörper ihren Ursprung in der VR China hätten. Aus dem OLAF-Bericht lasse sich allenfalls entnehmen, dass die hier in Rede stehenden Waren aus der VR China nach Malaysia verschifft worden seien; der chinesischen Ursprung ergebe sich hieraus nicht. Der OLAF-Bericht sei unrichtig und unvollständig. Produktionstätigkeit sei in der Freizone durchaus erlaubt. Die Klägerin habe mehrere Unternehmen ausfindig gemacht, die in der Freizone produzierten. Da der OLAF-Bericht insoweit mangelhaft sei, könne er nicht als Beweismittel herangezogen werden. Außerdem sei der Bericht sowie die angeblich erfassten Tatsachen der Klägerin nicht unmittelbar zugänglich gemacht worden. OLAF hätte zumindest vor Ort eine Kontrolle des Sachregisters durchführen müssen. Die Klägerin habe bei der EU-Kommission beantragt, ihr sämtliche Informationen zur Verfügung zu stellen, die als Tatsachengrundlage für den OLAF-Bericht verwendet worden seien.

11

Der Nacherhebungsbescheid sei hinsichtlich des Drittlandszolls rechtswidrig, weil ihm der Vertrauenstatbestand des Art. 220 Abs. 2 Buchst b) ZK entgegenstehe. Das MITI sei eine Zollbehörde im Sinne der Vorschrift. Ihm sei beim Ausstellen der Ursprungszeugnisse ein aktiver Irrtum unterlaufen, denn es habe nicht bloß die Angaben des Ausführers übernommen, sondern den Ursprung der Heizkörper selbst ermittelt. Das ergebe sich aus der verwendeten Formulierung "on the basis of control carried out".

12

Es könne dahinstehen, ob der Ausführer unrichtige Angaben gemacht habe. Sie führten nämlich nicht zur Versagung des Vertrauensschutzes, wenn die Behörde von den unrichtigen Angaben gewusst habe oder hätte wissen müssen, wovon vorliegend auszugehen sei, weil das MITI eigene Untersuchungen vorgenommen habe. Im Übrigen trage der Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, der Ausführer habe unrichtige Angaben gemacht. Der OLAF-Bericht enthalte Unstimmigkeiten. Da Ziff. 7.1 im OLAF-Bericht geschwärzt sei, sei nicht ersichtlich, ob ihr Lieferant - die Firma A - dort aufgeführt sei. Durch die Analyse eines anderen Falles habe OLAF bestimmte chinesische und malaysische Vermittler identifizieren können. Wenn OLAF auf der Grundlage von Datenanalysen und abgeleiteter Marktkenntnisse zu dem Schluss kommen könne, dass bestimmte Unternehmen betrügerisch gehandelt hätten, stelle sich die Frage, warum das MITI hiervon keine Kenntnis gehabt habe. Dies lasse nur den Schluss zu, dass das MITI seine Pflichten bei der Prüfung der Ursprungszeugnisse verletzt habe.

13

Die Klägerin sei wegen der Erklärungen des Ausführers, dass die Heizkörper in Malaysia ursprungsbegründend verarbeitet bzw. hergestellt worden seien, gutgläubig gewesen. Zu Zweifeln an der Richtigkeit der Erklärungen habe sie keinen Anlass gehabt, weil auch in Malaysia Aluminiumheizkörper zusammengebaut werden könnten. Ihre Gutgläubigkeit ergebe sich nach Art. 220 Abs. 2 Buchst b) Unterabs. 2 ZK bereits aus dem Umstand, dass das MITI die Präferenznachweise ausgestellt habe. Außerdem habe auch der Lieferant erklärt, dass er die Heizkörper selbst ursprungsbegründend verarbeitete bzw. herstelle. Aus der Geschäftsbeziehung hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, die die Richtigkeit dieser Angaben Zweifel hätte ziehen sollen. Aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass das MITI über eine bloße Schlüssigkeitsprüfung hinaus die Unterlagen aktiv geprüft habe. Das MITI habe ohne Vorlage einer Herstellerlizenz bescheinigt, dass die Waren vollständig in Malaysia erzeugt worden seien. Aus den Unterlagen ergebe sich, dass die Klägerin gutgläubig gewesen sei und gleichzeitig, dass das MITI die mutmaßlich falschen Angaben der Firma A hätte erkennen müssen.

14

Die Klägerin beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 04.11.2013 (AT/S/00/...) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... 2014 (RL ...) aufzuheben.

15

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

16

Er bezieht sich auf seinen vorgerichtlichen Vortrag und führt ergänzend aus: Art. 218 Abs. 2 ZK sei nicht einschlägig, weil es hier um die nachträgliche buchmäßige Erfassung gehe. Hierauf sei allein Art. 220 ZK anzuwenden. In der Freizone sei keine Produktion erlaubt. Es sei bei der Freihandelszone Port Klang zwischen der "Free Commercial Zone" und der "Free Industrial Zone" zu unterscheiden. Der OLAF-Bericht betreffe die Free Commercial Zone und nicht die Free Industrial Zone. In der Freihandelszone gäbe es ausschließlich die von der zuständigen Behörde (Port Klang Authority) verwalteten und überwachten Verfahren ZB 1, ZB 2, ZB 3 und ZB 4. Bei der Ausfuhr aus der Freihandelszone müsse die Registriernummer des Wareneingangs angegeben werden. Die Anlage 3c zum OLAF-Bericht vom 07.05.2013 (...) enthalte die Liste der ZB2-Anmeldungen, mit denen die Heizkörper, um die es hier geht, aus Malaysia ausgeführt worden seien. Diesen Anmeldungen sei jeweils eine ZB1-Anmeldung zugeordnet. Durch den Abgleich der Daten habe nachgewiesen werden können, dass die Waren in Malaysia lediglich umgeladen worden seien. Der Vortrag der Klägerin zur Produktionstätigkeit anderer Firmen sei wenig zielführend. Im Übrigen habe sie keine Herstellungslizenz für die Firma A vorgelegt. Diese wäre nach dem einschlägigen malaysischen Recht erforderlich.

17

Auch für die Nacherhebung des Drittlandszolls, auf die sich die Klägerin jetzt nur noch beziehe, könne sie sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die aktenkundige Korrespondenz zwischen ihr und ihrer Lieferantin bestehe aus zwei Schriftstücken. Die Firma A habe im Schreiben vom 17.04.2012 in Aussicht gestellt, Aluminiumheizkörper mit malaysischen Form A zu liefern. Im Klageverfahren 4 K 55/15 habe die Klägerin noch ein Schriftstück vom 30.04.2012 vorgelegt, aus dem deutlich werden solle, dass sie davon habe ausgehen können, dass die Heizkörper in Malaysia produziert würden. Keines dieser allgemein gehaltenen Schriftstücke sei jedoch geeignet, substantiiert nachzuweisen, dass sich die Klägerin vergewissert habe, dass die Heizkörper eine Präferenzbehandlung erhalten könnten. Aus der vorgelegten Spontanmitteilung der ... Zollverwaltung ergebe sich, dass die Klägerin den Kaufpreis für die Aluminiumheizkörper aus Malaysia über eine Bankverbindung einer chinesischen Firma übermittelt habe und es sich hierbei nicht um das Unternehmen handele, dass in der Handelsrechnung für die Aluminiumheizkörper angegeben gewesen sei.

18

Ergänzend wird auf die Sachakte des Beklagten (2 Leitz-Ordner) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

19

I.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Einfuhrabgabenbescheid Nr. AT/S/00/... vom 04.11.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... 2014 (RL ...) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

20

Ermächtigungsgrundlage für die Nacherhebung von Antidumpingzoll und Drittlandszoll ist Art. 220 Abs. 1 S. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. EG L 302/1; Zollkodex - ZK). Diese Norm ist trotz des Inkrafttretens des UZK noch anwendbar, da die Einfuhren und die Nacherhebung vor dem 01.05.2016 erfolgten. Gemäß Art. 220 Abs. 1 S. 1 ZK hat die nachträgliche buchmäßige Erfassung einer Zollschuld zu erfolgen, die nicht buchmäßig erfasst worden ist. Nicht heranzuziehen ist Art. 218 ZK, so dass die von der Klägerin behauptete Überschreitung der in Art. 218 Abs. 2 Unterabs. 2 ZK genannten Frist nicht relevant ist. Die Voraussetzungen von Art. 220 Abs. 1 S. 1 ZK sind erfüllt. Bisher nicht buchmäßig erfasst wurde der Antidumpingzoll, ohne dass sich die Klägerin auf Vertrauensschutz berufen kann (dazu 1.). Dasselbe gilt für den Drittlandszoll (dazu 2.).

21

1. Nicht erhoben wurde Antidumpingzoll in Höhe von 61,4 % gemäß Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 402/2012 vom 10.05.2012 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Aluminiumheizkörpern mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. EU L 124/17 vom 11.05.2012; im Folgenden: Vorläufige AD-Verordnung) i. V. m. Art. 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1039/2012 vom 29.10.2012 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren von Aluminiumheizkörpern mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. EU L 310/1 vom 09.11.2012; im Folgenden: AD-Verordnung). Da zur Zeit der Einfuhren zwischen dem 30.07. und dem 05.10.2012 noch die Vorläufige AD-Verordnung galt, hätte der Antidumpingzoll in Form einer Sicherheit geleistet werden müssen (Art. 1 Abs. 3 Vorläufige AD-Verordnung). Mit Inkrafttreten der AD-Verordnung am 10.11.2012 wäre gemäß Art. 2 dieser Verordnung eine auf der Grundlage der Vorläufigen AD-Verordnung geleistete Sicherheit endgültig zu vereinnahmen gewesen. Wurde es versäumt, eine Sicherheit zu verlangen, kann nach Inkrafttreten der AD-Verordnung auf dieser Grundlage direkt der Zoll nachgefordert werden.

22

1.1 Die eingeführten Aluminiumheizkörper gehören zu den in Art. 1 Abs. 1 der Vorläufigen AD-Verordnung bzw. Art. 1 Abs. 1 der AD-Verordnung genannten Waren der Unterposition 7616 9990 91. Nach Art. 1 Abs. 2 der Vorläufigen AD- Verordnung sowie Art. 1 Abs. 2 der AD-Verordnung beträgt der Antidumpingzollsatz grundsätzlich die vom Beklagten geltend gemachten 61,4 % des Nettopreises frei Grenze unverzollt. Da der Hersteller der Heizkörper unbekannt ist, kann kein individueller Zollsatz zur Anwendung kommen.

23

1.2 Der Einzelrichter ist gemäß § 96 Abs. 1 S. 1 FGO davon überzeugt, dass die eingeführte Ware chinesischen Ursprungs ist. Der insoweit beweisbelastete Beklagte (BFH, Urt. v. 15.07.1986, VII R 145/85, juris, Rn. 15; FG Hamburg, Urt. v. 30.08.2005, IV 337/02, juris, Rn. 26; Urt. v. 02.03.2011, 4 K 25/10, S. 13 UA [n. v.]; Beschl. v. 22.04.2014, 4 V 50/14, S. 12 BA [n. v.]; FG Düsseldorf, Urt. v. 11.06.2014, 4 K 1226/13, juris, Rn. 28) hat diesen Nachweis geführt. Dies ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, insbesondere dem Bericht des ZKA vom 23.10.2016 (Bl. 3 ff. der Sachakte), dem OLAF-Bericht vom 07.05.2013 THOR11467 (Bl. 8 ff. der Sachakte) sowie dem OLAF-Abschlussbericht OF/2012/05 22/B1 (Bl. 570 ff. der Sachakte). Im Einzelnen:

24

Mithilfe der von den malaysischen Behörden zur Verfügung gestellten Daten konnte OLAF den Reiseweg der 18 Container mit Aluminiumheizkörpern, die die Klägerin eingeführt hat, von Port Klang nach Hamburg nachvollziehen (Anhang 2 zum OLAF-Bericht vom 07.05.2013, Bl. 20 der Sachakte). Wie sich aus den überzeugenden Erläuterungen im OLAF-Abschlussbericht OF/2012/0522/B1, S. 6, ergibt, lässt sich der Wareneingang in die Freizone anhand einer ZB1-Nummer verfolgen. Auf dieser Grundlage ist der Einzelrichter davon überzeugt, dass - wie es sich aus Anhang 2 und Anhang 3c zum OLAF-Bericht vom 07.05.2013 ergibt - die hier in Rede stehenden Waren ursprünglich mit verschiedenen Containern unter den in Anhang 3c genannten ZB1-Nummern unter Angabe des Herkunftslandes "China" in die Freizone eingeführt wurden. Weiter folgt aus der ZB2-Meldung, bei der die entsprechende ZB1-Nummer angegeben werden musste, dass die Waren wenige Tage nach der Einfuhr (1, 2, 8, 8 bzw. 12 Tage) bzw. in einem Fall noch am selben Tag aus der Freizone exportiert wurden und auch hierbei als Herkunftsland der Ware "China" angegeben wurde. Ernsthafte Zweifel an der Datenerhebung und Verknüpfung der Wareneingänge und -ausgänge hat der Einzelrichter nicht. Der Einzelrichter hält auch die Herkunftsangabe "China" in den ZB1-Meldungen für ausreichend, um einen chinesischen Ursprung im zollrechtlichen Sinne nachzuweisen. Da während der Verschiffung der hier in Rede stehenden Einfuhren ein Untersuchungsverfahren über die Erhebung eines Antidumpingzolls auf chinesische Aluminiumheizkörper durchgeführt wurde, ist kein vernünftiger Grund erkennbar, warum man große Mengen Heizkörper von China nach Indonesien verschiffen sollte, die entgegen der Angabe in der Zollanmeldung nicht chinesischen Ursprungs sind.

25

Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Heizkörper in dem Teil der Freizone, der als Free Commercial Zone bezeichnet wird und auf den sich die Feststellungen von OLAF beziehen (siehe Ziff. 3.3.2 des Vermerks des ZFA, Bl. 4 der Sachakte), hergestellt oder ursprungsbegründend verarbeitet wurden. Nach den Angaben der Verwaltung der Freizone ist dort jede Form der Warenverarbeitung verboten (Anhang 2 zum OLAF-Abschlussbericht, Bl. 579 der Sachakte), so dass keine ursprungsbegründenden Tätigkeiten stattfinden dürfen. Dies betrifft den Teil der Freizone, die als Free Commerical Zone bekannt ist. Lediglich in einem weiteren Teil der Freizone, der Free Industrial Zone, ist auch die Herstellung von Waren erlaubt (siehe Free Zone Department, FAQs, Bl. 81 der Akte). Hierzu bedarf es allerdings u. a. einer "Herstellungserlaubnis" (manufacturing license) (PKFZ Rules & Regulations Section 1.1.5, 2.2.0). Vor dem Hintergrund der substantiierten Darlegungen des Beklagten sind weder der Hinweis darauf, dass es in der Freizone Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes gibt (siehe Anl. K1 und K2 zum Schriftsatz vom 31.05.2016), noch das pauschale Bestreiten der Feststellungen des OLAF-Berichts geeignet, die Überzeugung des Einzelrichters zu erschüttern. Hierzu wären etwa Ausführungen dazu erforderlich gewesen, dass die Firma A über eine Herstellererlaubnis verfügt und wie es möglich gewesen sein soll, dass in nur max. zwei Tagen - der Verweildauer von drei der sechs Lieferungen, um die es hier geht - eine ursprungsbegründende Verarbeitung stattgefunden hat.

26

Es steht der Überzeugungsbildung des Einzelrichters nicht entgegen, dass - wie die Klägerin es verlangt - OLAF im Rahmen der Untersuchung keine "Kontrolle des Sachregisters" der örtlich zuständigen Behörden durchgeführt hat. Da die Zollabwicklung elektronisch erfolgt, ist schon nicht klar, was die Klägerin mit dem Sachregister meint. Im Übrigen ist die Darstellung der ZB 1- und ZB 2-Meldungen, wie sie in der Anlage 3c zum OLAF-Bericht vom 07.05.2013 dargestellt sind, in sich stimmig und nachvollziehbar, so dass kein weiterer Bedarf für Nachforschungen besteht. Schließlich erschüttern auch die den Zollanmeldungen beigefügten präferentiellen Ursprungszeugnisse nicht die Überzeugung des Einzelrichters vom chinesischen Ursprung der Aluminiumheizkörper. Präferentielle Ursprungszeugnisse haben hinsichtlich des für die Erhebung des Antidumpingzolls maßgeblichen nichtpräferentiellen Ursprungs nur Indizwirkung (FG Düsseldorf, Urt. v. 11.06.2014, 4 K 1226/13 Z, juris Rn. 55). Diese Wirkung ist hier weggefallen, weil die in den Ursprungszeugnissen ausgewiesene Ursprungseigenschaft aufgrund des nach den OLAF-Feststellungen anzunehmenden chinesischen Ursprungs der eingeführten Ware gerade keine Bestätigung gefunden hat. Ferner sprechen auch die Ermittlungen der ... Zollbehörden, die diese in ihrem Bericht vom 28.05.2015 (Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 09.11.2015) festgehalten haben, für eine chinesische Herkunft der Heizkörper. Dort wird dargelegt, dass Zahlungen für Aluminiumheizkörper, die in der Zeit vom 12.05. bis zum 31.12.2012 aus Port Klang eingeführt wurden, über das Konto der in Hongkong ansässigen "B ..." erfolgten. Die Klägerin hat keine plausible Erklärung dafür gegeben, warum der Kaufpreis an dieses Unternehmen und nicht an den Lieferanten, die Firma A, erfolgte. Der pauschale Hinweis in der mündlichen Verhandlung, dass es im Geschäftsleben häufig vorkomme, dass vertragliche Zahlungspflichten durch Leistung an Dritte erfüllt würden, ist insoweit nicht ausreichend.

27

Auch die mit Schriftsatz vom 16.05.2017 vorgelegten Unterlagen erschüttern die Überzeugung des Einzelrichters selbst dann nicht, wenn man unterstellt, dass es sich tatsächlich um Kopien der Unterlagen handelt, die bei Beantragung der hier in Rede stehenden Ursprungszeugnisse dem MITI vorlagen. Der einzige Widerspruch zur Darstellung der Sachlage im OLAF-Bericht, der sich aus diesen Unterlagen ergibt, ist das Vorliegen einer K2-Exportanmeldung, also einer Ausfuhr aus dem malaysischen Zollgebiet. Diese Exportanmeldung belegt jedoch nicht den malaysischen Ursprung der Ware. Vor dem Hintergrund der schlüssigen Darstellungen des OLAF-Berichts ist der Einzelrichter davon überzeugt, dass der Ausführer neben der ZB2-Meldung nur deshalb eine parallele K2-Meldung über die Ausfuhr derselben Ware aus dem malaysischen Zollgebiet erstellt hat, um diese zur Erschleichung eines malaysischen Ursprungszeugnisses vorzulegen.

28

1.3 Die Klägerin kann für die Nacherhebung des Antidumpingzolls keinen Vertrauensschutz beanspruchen. Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) UAbs. 1 ZK erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vernünftigerweise vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen über die Zollerklärung eingehalten hat. Die ergänzenden Voraussetzungen für die Gewährung von Vertrauensschutz nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) UAbs. 2-5 ZK gelten nicht für die Erhebung von Antidumpingzöllen, sondern nur den Präferenzstatus einer Ware (siehe unten 2.2).

29

Die Voraussetzungen von Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) UAbs. 1 ZK sind bereits deshalb nicht gegeben, weil es sich nicht um einen aktiven Irrtum handelt. Aktiver Irrtum bedeutet, dass die Zollbehörde den Irrtum aktiv begehen muss und ihm nicht lediglich unterliegen darf, etwa weil sie ungeprüft die Angaben in der Zollanmeldung übernommen hat. Vielmehr muss der Irrtum auf ein Handeln der Zollbehörde zurückzuführen sein (BFH, Beschl. v. 28.11.2005, VII B 116/05, juris, Rn. 7). Ein in diesem Sinne beachtlicher Irrtum der beteiligten Behörden liegt nicht vor, weil das beklagte Hauptzollamt die Zollanmeldungen ohne weitere Prüfung angenommen hat.

30

2. Der Beklagte hat auch zu Recht die Differenz zwischen dem Präferenzzoll und dem Drittlandszoll i. H. v. 6 % für die unter der Unterposition 7616 9910 910 eingeführte Ware nacherhoben.

31

2.1 Auch hinsichtlich des Drittlandszolls sind die Voraussetzungen des Art. 220 Abs. 1 S. 1 ZK erfüllt, wonach der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht buchmäßig erfasst worden sein muss. Im vorliegenden Fall ist abweichend von den ursprünglichen Einfuhrabgabenbescheiden der nach Art. 20 Abs. 3 Buchst. a) ZK i. V. m. der Kombinierten Nomenklatur vorgesehene Drittlandszollsatz anzuwenden. Wenn sich bei einer nachträglichen Prüfung keine Bestätigung für die im Ursprungszeugnis nach Formblatt A enthaltene Angabe über den Warenursprung finden lässt, ist daraus zu schließen, dass die Ware unbekannten Ursprungs ist und dass das Zeugnis demnach zu Unrecht ausgestellt und der Vorzugstarif zu Unrecht gewährt worden ist (vgl. EuGH, Urt. v. 08.11.2012, C-438/11, Rn. 18 m. w. N.). So liegt der Fall hier. Nach den OLAF-Ermittlungen (siehe oben), hat der behauptete Ursprung nicht nur keine Bestätigung gefunden, sondern es steht zur Überzeugung des Einzelrichters fest, dass die Heizkörper tatsächlich aus der VR China stammen.

32

2.2 Die Klägerin kann auch keinen Vertrauensschutz beanspruchen.

33

Der Vertrauensschutztatbestand des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) UAbs. 1 ZK (siehe oben 1.3) wird ergänzt um die Unterabs. 2-5 von Art. 220 Abs. 2 ZK. Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 2 ZK gilt bei der Ermittlung des Präferenzstatus einer Ware im Rahmen eines Systems der administrativen Zusammenarbeit unter Beteiligung einer Behörde eines Drittlands die Ausstellung einer Präferenzbescheinigung durch diese Behörde, falls sich die Bescheinigung später als unrichtig erweist, als ein Irrtum, der vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte. Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 3 ZK stellt die Ausstellung einer unrichtigen Bescheinigung jedoch grundsätzlich keinen Irrtum dar, wenn die Bescheinigung auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten durch den Ausführer beruht. Auch wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Ausführer nachlässig gehandelt hat, trägt der Einführer die Beweislast dafür, dass die Ausstellung des Ursprungszeugnisses auf einer richtigen Darstellung der Fakten durch den Ausführer beruht, sofern die Präferenzbehandlung - wie auch hier im Wege des Allgemeinen Präferenzsystems - durch einen einseitigen Akt der EU eingeführt worden ist (EuGH, Urt. v. 08.11.2012, C-438/11, Rn. 38 - Lagura; s. a. Urt. v. 09.03.2006, C-293/04, Rn. 42 - Beemsterboer; FG Düsseldorf, Urt. v. 11.06.2014, 4 K 1226/13 Z, juris Rn. 98). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn offensichtlich ist, dass die ausstellenden Behörden wussten oder hätten wissen müssen, dass die Waren die Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung nicht erfüllten. Das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Rückausnahme muss die Klägerin beweisen (EuGH, Urt. v. 09.03.2006, C-293/04, Rn. 45 - Beemsterboer; FG Hamburg, Beschl. v. 22.04.2014, 4 V 50/14, S. 10 f. BA [n. v.]; FG Düsseldorf, Urt. v. 11.06.2014, juris, Rn. 98 m. w. N.).

34

Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 4 ZK kann der Abgabenschuldner ferner Gutgläubigkeit nur geltend machen, wenn er darlegen kann, dass sie sich während der Zeit des betreffenden Handelsgeschäfts mit gebotener Sorgfalt vergewissert hat, dass alle Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung erfüllt worden sind. Ob die Klägerin ihrer Erkundigungspflicht nachgekommen ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob sie aufgrund ihrer Berufserfahrung die fehlende Ursprungseigenschaft hätte erkennen können, ob es sich etwa um ein ungewöhnliches Einfuhrgeschäft gehandelt hat oder ob sich ihr Zweifel hätten aufdrängen müssen, ob die Ursprungs begründende Herstellung im Ausfuhrland überhaupt möglich ist und ob diese Zweifel hätten ausgeräumt werden können (BFH, Urt. v. 16.12.2008, VII R 15/08, juris Rn. 19).

35

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

36

Bei der Nacherhebung des Drittlandzolls wegen des Wegfalls der gewährten Zollpräferenz für Malaysia gilt zwar die Ausstellung des mit der Einfuhranmeldung vorgelegten Ursprungszeugnisses, in dem das MITI den malaysischen Ursprung der Heizkörper bescheinigt hat, zunächst als Irrtum, da die Bescheinigung sich wegen des durch OLAF ermittelten chinesischen Ursprungs der Warensendungen als unrichtig erwiesen hat (siehe oben 1.2). Die Klägerin hat jedoch nicht bewiesen, dass der Ausführer bei den Ausfuhranmeldungen aus Malaysia richtige Angaben gemacht hat. Es ist - über die Angaben in der ZB2-Meldung - nach Aktenlage im Einzelnen unklar, welche Angaben der Ausführer bei der Ausstellung des Ursprungszeugnisses gemacht hat. Bei der ZB2-Meldung jedenfalls gab er als Ursprungsland die VR China an (siehe Anhang 3c zum OLAF-Bericht vom 07.05.2013). Aus dem Umstand allein, dass das Ursprungszeugnis ausgestellt wurde, kann die Klägerin nicht ableiten, dass der Ausführer richtige Angaben gemacht hat. Das MITI, das die Ursprungszeugnisse ausstellt, ist eine unabhängig von der Freizonenverwaltung arbeitende Behörde. Erst durch die Verknüpfung der ZB1-Einfuhrdaten mit den ZB2-Ausfuhrdaten wurde das MITI auf die unrichtige Ursprungsbescheinigung aufmerksam gemacht. Legt man die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen zu Grunde, wäre sogar bewiesen, dass der Ausführer unrichtige Angaben gemacht hat, indem er eine K2-Exportanmeldung vorlegte, obwohl die Ware nach den überzeugenden Ausführungen des OLAF-Berichts tatsächlich mit einer ZB2-Ausfuhranmeldungen exportiert worden ist (siehe oben). Selbst wenn man die Behauptungen der Klägerin als wahr unterstellt, dass das MITI die Möglichkeit zu einem Abgleich der bei Beantragung des Ursprungszeugnisses gemachten Angaben mit den ZB1-und ZB2-Registerdaten gehabt hätte, lässt sich daraus Nichts für die Klägerin ableiten. Das MITI hatte nämlich keinerlei Anlass, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen in Zweifel zu ziehen. Anders als die Klägerin meint, ist allein der Text in der vordruckmäßig erfolgten Bestätigung des Warenursprungs ("on the basis of control carried out") insofern nicht ausreichend, da damit keine Aussage darüber getroffen wird, ob es sich dabei um eine reine Dokumentenkontrolle oder um eine weitergehende Überprüfung gehandelt hat. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das an der Umladung der aus der VR China stammenden Heizkörper beteiligte Unternehmen, C ..., dafür sorgte, dass die Container, in denen die Ware aus der VR China in die Freizone exportiert worden war, vor der Wiederausfuhr aus der Freizone getauscht wurden.

37

Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die malaysischen Zollbehörden wussten oder hätten wissen müssen, dass die Voraussetzungen für die Bescheinigung des malaysischen Ursprungs tatsächlich nicht gegeben sind. Hierbei ist es unerheblich, ob es besser gewesen wäre, wenn das MITI auf die Daten der malaysischen Zollbehörden und/oder der Freizonenverwaltung hätte zugreifen können, um falsche Angaben der Ausführer zu erkennen. Es steht den Staaten, die Präferenzzeugnisse für die Inanspruchnahme des Allgemeinen Präferenzsystems ausstellen, nämlich frei, in welcher Form sie entsprechende Verfahren organisieren. Auch die von OLAF ermittelten Unregelmäßigkeiten bei der Ausstellung von Ursprungszeugnissen für andere Waren mussten die malaysischen Behörden nicht veranlassen, in eine vertiefte Prüfung der materiellen Voraussetzungen für die Erteilung von Ursprungszeugnissen für die hier in Rede stehenden Aluminiumheizkörper einzusteigen.

38

Anders als die Klägerin meint, lässt sich aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen keine Hinweise für die grob fahrlässige Unkenntnis des MITI entnehmen. Zwar hat hiernach die Firma A lediglich (gefälschte) K2-Ausfuhranmeldungen vorgelegt, die für sich betrachtet nicht den malaysischen Ursprung der Ware belegen. Aus dem Genehmigungsschreiben des MITI vom 12.06.2012 (Ziff. 3 iii, iv) ergibt sich jedoch, dass die Firma A sich generell verpflichtet hat, Ursprungszeugnisse nur für Waren des eigenen Unternehmens zu beantragen und keine Transitlieferungen durchzuführen. Daher durfte das MITI ohne weitere Anhaltspunkte auch in den hier in Rede stehenden Fällen davon ausgehen, dass die Voraussetzungen des malaysischen Ursprungs erfüllt sind.

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Unabhängig davon kann die Klägerin auch keine Gutgläubigkeit im Sinne von Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 4 ZK gelten machen. Sie hat nämlich nicht dargelegt, dass sie sich während der Zeit des betreffenden Handelsgeschäfts mit gebotener Sorgfalt vergewissert hat, dass alle Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung erfüllt wurden. Nach ihrem eigenen Vortrag vertraute die Klägerin ohne weitere Nachfrage auf den Rat ihres Zollagenten, die Heizkörper bei der Firma A zu bestellen. Im Schreiben vom 17.04.2012 (Bl. 297 der Sachakte) hat die Firma A noch nicht einmal bestätigt, dass die Waren aus Malaysia stammen, sondern lediglich in Aussicht gestellt, malaysische Ursprungszeugnisse zu beschaffen. Lediglich im Schreiben vom 30.04.2012 (Bl. 682 der Sachakte) sowie in der Auftragsbestätigung per E-Mail vom 30.04.2012 (Bl. 545 der Sachakte) verweist die Firma A auf ihren "producer in Malaysia". Damit bringt sie zum Ausdruck, dass sie nicht selbst die Waren herstellt. Um sich der malaysischen Herkunft der Heizkörper zu versichern, hätte die Klägerin damit zumindest nachfragen müssen, wo genau sich die Produktionsstätte befindet und wie das Unternehmen, das die Heizkörper produziert, heißt. Dies gilt insbesondere in Anbetracht des Auftragsvolumens von ca. € ... und der Tatsache, dass die Klägerin vor den hier in Rede stehenden Einfuhren Heizkörper aus der VR China bezogen hat und wegen der bevorstehenden Einführung von Antidumpingzöllen auf derartige Heizkörper Waren anderer Provenienz finden musste.

40

II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.