Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 15. Feb. 2012 - 14 K 1973/11

bei uns veröffentlicht am15.02.2012

Tenor

1. Die geänderten Umsatzsteuerbescheide 1999, 2000 und 2001, jeweils vom 18. Oktober 2010, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. April 2011 werden aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit geleistet hat.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger (Kl) ist als P unternehmerisch tätig.
Der Kl schloss am xx.xx.1997 mit dem X Verlag (X) einen Autorenexklusivvertrag auf die Dauer von drei Jahren. X hatte seinerseits einen Verwaltungsvertrag mit der Y Verlag GmbH (Y) geschlossen. Danach werden Y die X zustehenden Verlagseinnahmen bei der M ausgezahlt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Autorenexklusivvertrag (Klage-Akte xxx, S. 44 ff.) sowie den Verwaltungsvertrag (Klage-Akten xxx, S. 135 ff.) Bezug genommen.
Der Kl erhielt von Y in den Jahren 1997 und 1998 jeweils xxx DM, also insgesamt xxx DM. Die Y und der Kl hatten hierzu am xx.xx.1997 im Wesentlichen folgende Vereinbarung getroffen:
        
„ § 2
                 
        
1. Sie erhalten von Y Verlag GmbH auf Darlehensbasis die folgende, voll gegen sämtliche Autorenanteile verrechenbare Zahlung in Höhe von DM xxx,- …
                 
        
2. Y Verlag GmbH erwirbt von Ihnen dafür gemäß den nachfolgenden Bestimmungen seine zukünftigen Forderungen gegen die M in Höhe der zu erwartenden Autorenvergütung bis zum Betrage von DM xxx,- … einschließlich der jeweils geltenden Umsatzsteuer.
                 
        
Sie sind gemäß den steuerlichen Bestimmungen verpflichtet, bei Eingang der M-Autorenvergütungen die in den M-Abrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer an das für Sie zuständige Finanzamt abzuführen. …“
Wegen der Einzelheiten wird auf diese Vereinbarung Bezug genommen (Klage-Akte xxx, S. 59 ff.).
Ebenfalls am xx.xx.1997 trat der Kl seine Ansprüche gegen die M auf Ausschüttung der ihm zustehenden Erträgnisse aus der Verwertung von Urheberrechten an Y in Höhe von xxx DM ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die Abtretung Bezug genommen (Klage-Akte xxx, S. 63). Die M wurde informiert.
Nach den Lizenzabrechnungen der M stand dem Kl 1998 ein Betrag in Höhe von xxx DM zu, der an Y ausbezahlt wurde. Der Kl erklärte diesen Betrag 1998 als steuerpflichtigen Umsatz.
Im Jahr 2001 verzichtete Y auf das Darlehen. Der Darlehensstand betrug zu diesem Zeitpunkt noch ca. x,xx  DM.
Mit Schreiben vom 26. Januar 2001 reichte der Kl eine berichtigte Umsatzsteuer(USt)-Voranmeldung 4. Quartal 1999 beim beklagten Finanzamt (FA) ein und teilte dem Beklagten (Bekl) mit, dass im Rahmen der Abschlussarbeiten für 1999 nachträgliche Honorarerlöse verbucht wurden, die durch ein Vorausdarlehen eines Verlags vorfinanziert worden seien (USt-Akten, S. 11). Eine USt-Erklärung 1999 reichte der Kl zunächst nicht ein. Daher schätzte der Bekl mit Bescheid vom 29. Oktober 2001 die Besteuerungsgrundlagen und setzte USt 1999 in Höhe von xxx DM fest. Dann gingen beim Bekl die USt-Erklärungen des Kl ein.
Der Bekl änderte die USt-Festsetzung 1999 mit Bescheid vom 15. Januar 2002. Er setzte USt in Höhe von xxx DM (xxx,xx EUR) fest, und erhöhte mit Bescheid vom 28. Juli 2004 infolge der berichtigten USt-Erklärung die USt-Festsetzung 2001 auf xxx,xx EUR.
10 
Der Bekl führte für die Jahre 1996 bis 1998 eine Betriebsprüfung (Bp) durch. Diese gelangte in ihrem Bericht vom 29. April 2004 zu dem Ergebnis, dass die Zahlungen der Y in den Jahren des Zuflusses, also 1997 und 1998, als ust-pflichtiger Umsatz (7 %) zu erfassen seien. Er beurteilte die Vereinbarungen des Kl mit der Y nicht als Darlehensvertrag, sondern als Kaufvertrag, mit der Folge, dass die geleisteten Vorauszahlungen 1997 und 1998 steuerlich zu erfassen sind. Die Zahlungen aus den laufenden Lizenzabrechnungen der Y mit der M seien indes nicht zu erfassen.
11 
Der Bekl änderte daraufhin die USt-Festsetzungen 1997 und 1998, jeweils mit USt-Bescheid vom 20. Juli 2004. Er erhöhte die Umsätze 1997 und 1998 um jeweils xxx,xx DM. Er berücksichtigte, dass es sich bei den Zahlungen von jeweils xxx DM um Zahlungen einschließlich USt gehandelt hat. Außerdem berücksichtigte er, dass der Kl 1998 Zahlungen der M in Höhe von xxx,xx DM als Umsatz erfasst hatte. Insoweit minderte er den Umsatz 1998.
12 
Hiergegen legte der Kl Einspruch ein. Er führte aus, er habe die laufenden Lizenzabrechnungen als Umsätze erfasst. Bei der Auszahlung in Höhe von insgesamt xxx DM habe es sich um die Auszahlung eines Darlehens gehandelt.
13 
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kl Klage vor dem Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg wegen USt 1997 und 1998 (xxx) und Einkommensteuer (ESt; xxx).
14 
Der Berichterstatter erörterte die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten. Der Berichterstatter hielt in der Niederschrift über den Erörterungstermin u.a. fest:
        
„Für den Fall, dass die Klage xxx Erfolg haben sollte, beabsichtigt das Finanzamt, den in den Jahren 1997 ff. nicht durch M-Autorenansprüche zurückbezahlten und ggf. unversteuerten Teil von ca. x,xx DM im Veranlagungszeitraum 2001 der Einkommensbesteuerung zu unterwerfen. …
                 
        
Der Berichterstatter wies daraufhin, dass er eine Gesamt-Verständigung unter Einbeziehung der Umsatzsteuer … und evtl. auch weiterer Fragen (Folge-Betriebsprüfung, Zinsen, Steuererhebung, Kosten) für sinnvoll erachten würde.
        
Nach vorläufiger Gesamtwürdigung sehe er durchaus Erfolgsaussichten.“
15 
Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen (Klage-Akte xxx, S. 115-117).
16 
Mit Schreiben vom 11. August 2010 fasste der Berichterstatter die „im Hinblick auf die Einschätzung der Erfolgsaussichten auf Anregung des Gerichts erzielte Einigung noch einmal wie folgt zusammen“:
17 
„1. Das Finanzamt sagt verbindlich zu, den Klagen xxx und xxx in vollem Umfang abzuhelfen.“
18 
Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Schreiben Bezug genommen (Klage-Akte xxx).
19 
Der Bekl antwortete mit Schreiben vom 12. August 2010 im Wesentlichen:
20 
„Das Finanzamt sagt zu, das bisher strittige Vertragsverhältnis als Darlehensvereinbarung zu behandeln. … Nunmehr sind die M-Einnahmen ab IV/97 als Einnahmen des Kl. zu erfassen“.
21 
Ebenfalls mit Schreiben vom 12. August 2010 stimmte der Kl der Erledigung zu.
22 
Noch am selben Tag teilte der Berichterstatter dem Kl mit, dass das FA darauf hingewiesen habe,
        
„dass es aufgrund der verbindlich zugesagten Anerkennung des Darlehens nun folgerichtig die vom Kläger erzielten M-Einnahmen der Besteuerung zuführen wird (soweit dies wegen der bisherigen Anerkennung des Darlehens in der Folgezeit unterblieben ist). Hierüber besteht dem Grunde nach zwischen den am Verfahren Beteiligten Einvernehmen. Auch Herr B hat mir dies telefonisch noch einmal bestätigt, allerdings darum gebeten, die konkrete Höhe im Streitjahr 1998 noch einmal durch die Kanzlei C überprüfen lassen zu können. …
                 
        
Falls über die Höhe der im Klagezeitraum zu erfassenden M-Einnahmen Einigkeit besteht, …“.
23 
Während des Rechtsbehelfsverfahrens begann der Bekl mit einer Bp beim Kl für die Jahre 1999 bis 2001. Mit Bericht vom 12. März 2010 schloss sich die Bp dem Ergebnis der Vor-Bp an. Nach Tz. 36 zur USt ermäßigten sich damit die Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen zu 7 % um xxx DM (1999), xxx DM (2000) und xxx DM (2001). Zur Begründung wurde auf Tz. 17 verwiesen und dort ausgeführt:
24 
„Die im Prüfungszeitraum verbuchten Einnahmen aus der Abrechnung des Y Verlags sind bereits im Rahmen der Vorprüfung als Einnahmen steuerlich erfasst worden. Auf die Tz 14.1 des entsprechenden Bp-Berichts vom 29.04.2004 wird hingewiesen.“
25 
Änderungen bei der USt 1999 bis 2001 ergaben sich außerdem in Bezug auf die private PKW-Nutzung des Kl (Tz. 37 und 38). Wegen der Einzelheiten wird auf den Bp-Bericht Bezug genommen (Bp-Akte, S. 6 ff.).
26 
Der Bekl wertete diesen Bericht aus und erließ am 12. Mai 2010 geänderte USt-Bescheide 1999 bis 2001 und hob jeweils den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Die geänderten Bescheide wurden bestandskräftig.
27 
Am 11. Oktober 2010 änderte dann der Bekl die USt-Festsetzungen 1997 und 1998 nach einem richterlichen Hinweis und seiner, des Bekl, o.g. Zusage vom 12. August 2010, dem Klagebegehren zu entsprechen.
28 
Anschließend änderte er die USt-Festsetzungen 1999 bis 2001, jeweils mit nach § 174 Abs. 4 Abgabenordnung (AO) geänderten USt-Bescheiden vom 18. Oktober 2010. Er erfasste nunmehr die Umsätze aus den Lizenzabrechnungen der M.
29 
Hiergegen legte der Kl Einspruch ein. Seiner Ansicht nach komme § 174 Abs. 4 AO nicht zur Anwendung.
30 
Der Bekl antwortete mit Schreiben vom 23. November 2010 im Wesentlichen, dass im Bp-Bericht Tz. 36 in Verbindung mit Tz. 17 darauf hingewiesen worden sei, dass die Besteuerung gemindert werde, weil die in 1999 bis 2001 verbuchten Einnahmen aus der Abrechnung von Y bereits bei der Veranlagung 1997 und 1998 steuerlich berücksichtigt worden sind. Damit sei eine doppelte Erfassung ausgeschlossen worden. Die Rechtsbehelfsstelle habe sie (die für die Veranlagung zuständige Sachbearbeiterin) mit Schreiben vom 14. September 2010 darüber informiert, dass das FA dem Vorschlag des FG zugestimmt habe. Daraufhin seien die USt-Bescheide 1997 und 1998 zugunsten und die USt-Bescheide 1999 bis 2001 zulasten des Kl geändert worden.
31 
Mit seiner nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage macht der Kl im Wesentlichen geltend, § 174 Abs. 4 AO sei nicht anwendbar. Der Bekl habe nicht infolge irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts aufgrund eines Rechtsbehelfs bzw. Antrags des Steuerpflichtigen (Stpfl) die Bescheide geändert, sondern nachdem er den Bp-Bericht in Kenntnis des damals anhängigen Klageverfahrens ausgewertet und den Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben hatte. Dies ergebe sich daraus, dass der Bekl in den nach der Bp geänderten USt-Bescheiden 1999 bis 2001, jeweils vom 12. Mai 2010, erläutert habe, dass den Festsetzungen die Ergebnisse der durchgeführten Bp zugrunde lägen. Er als Stpfl sei nur dann nicht schutzwürdig, wenn er die Aufhebung oder Änderung des vorangegangenen Steuerbescheids selbst herbeigeführt hätte. Dies sei jedoch nicht der Fall. Er habe die Umsätze aus den Lizenzabrechnungen der M erklärt gehabt. Der Bekl sei von seinen Angaben abgewichen. Hinzu komme, dass die Rechtsbehelfsstelle des Bekl mit Schreiben vom 12. August 2010 den vom Berichterstatter vorgeschlagenen Abhilfen für 1997 und 1998 zugestimmt, trotzdem noch am 20. August 2010 einen geänderten ESt-Bescheid 2001 erlassen, den Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben und diesen Bescheid dann erneut am 18. Oktober 2010 nach 174 Abs. 4 AO geändert hat. Dieses Verhalten des Bekl zeige, dass mit den nach § 174 Abs. 4 AO geänderten Bescheiden steuer- und verfahrensrechtliche Fehler korrigiert werden sollten. § 174 Abs. 4 AO ermögliche jedoch keine allgemeine Fehlerkorrektur. Dies gelte auch für die anderen geänderten Bescheide, so wie im Streitfall die geänderten USt-Bescheide 1999 bis 2001. Er, der Kl, stelle die Vorgehensweise des Bekl beispielhaft mit der ESt 2001 dar, weil diese zur höchsten Nachzahlung geführt habe.
32 
Der Kl beantragt,

die geänderten USt-Bescheide 1999, 2000 und 2001, jeweils vom 18. Oktober 2010, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. April 2011 aufzuheben.
33 
Der Bekl beantragt,

die Klage abzuweisen;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
34 
Er macht im Wesentlichen unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung geltend, er, der Bekl, habe zunächst den Bp-Bericht ausgewertet und die USt-Festsetzungen nach 164 Abs. 2 AO geändert. Die Änderung eines Steuerbescheids nach § 164 Abs. 2 AO hindere ihn, den Bekl, nicht, anschließend den Bescheid nach § 174 Abs. 4 AO zu ändern. Er habe nämlich die „irrige“ Auffassung vertreten, der Kl habe schon mit dem Erhalt der Zahlungen in Höhe von insgesamt xxx DM steuerpflichtige Umsätze in den Jahren 1997 und 1998 erzielt und daher die Lizenzabrechnungen der Folgejahre (1999 bis 2001) steuerlich nicht erfasst. Da die USt-Festsetzungen 1997 und 1998 aufgrund eines Rechtsbehelfs des Kl, nämlich der Klage xxx, zu seinen Gunsten geändert worden seien, habe er, der Bekl, die richtigen steuerlichen Folgerungen in den Streitjahren 1999 bis 2001 ziehen und die laufenden Lizenzzahlungen als Umsätze erfassen können. Der Zweck des § 174 Abs. 4 AO sei, nach antragsgemäßer Änderung eines Steuerbescheids zugunsten des Stpfl -im Streitfall der Jahre 1997 und 1998- die in einem anderen Steuerbescheid gezogenen, unzutreffenden steuerlichen Folgerungen -im Streitfall der Streitjahre 1999 bis 2001- unter Durchbrechung der Bestandskraft richtig zu stellen. Die Einheitlichkeit des Lebenssachverhalts und das Interesse an seiner übereinstimmenden steuerrechtlichen Beurteilung erlaubten es, einer zutreffenden Besteuerung den Vorrang vor dem Schutz des Vertrauens auf die Bestandskraft der Steuerfestsetzung zu geben. Der Stpfl wisse aufgrund der positiven Verbescheidung seines Einspruchs (seiner Klage), dass Folgerungen in einem oder mehreren anderen Steuerbescheiden für andere Veranlagungszeiträume bzw. Steuerarten zu ziehen sind. Der Stpfl sei daher nicht schutzbedürftig. Entgegen der Ansicht des Kl sei der Widerstreit der Steuerfestsetzungen nicht schon durch den Erlass der Steuerbescheide 1999 bis 2001 aufgrund der beim Kl durchgeführten Bp am 12. Mai 2010, sondern zeitlich erst nach der Änderung der Steuerfestsetzungen für die Jahre 1997 und 1998 aufgrund der Klagen des Kl am 11. Oktober 2010 eingetreten. Die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerfestsetzungen 1999 bis 2001 lägen daher vor. § 174 Abs. 4 AO stelle nicht darauf ab, ob die Änderungsmöglichkeit „nachträglich“, nach Erlass eines erstmaligen Steuerbescheids, eingetreten ist. Es komme auch nicht darauf an, wer den Widerstreit der Steuerfestsetzungen verursacht hat. Der Gedanke des Vertrauensschutzes stehe einer Änderung auch dann nicht entgegen, wenn das FA die Fehlerhaftigkeit der Veranlagung selbst herbeigeführt hätte, so von Wedelstädt (Der Betrieb 1988, 2228). Entscheidend sei ausschließlich, dass eine Steuerfestsetzung aufgrund eines Einspruchs des Stpfl zu dessen Gunsten geändert worden ist.

Entscheidungsgründe

35 
Die Klage ist begründet.
36 
Die geänderten USt-Bescheide 1999 - 2001, jeweils vom 18. Oktober 2010, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. April 2011, sind rechtswidrig.
37 
1. Die Voraussetzungen für eine Änderung der bestandskräftigen USt-Bescheide 1999 - 2001 gemäß § 174 Abs. 4 AO liegen nicht vor. Gemäß § 174 Abs. 4 S. 1 AO können aus einem bestimmten Sachverhalt nachträglich durch Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden, wenn auf Grund irriger Beurteilung dieses Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen ist, der auf Grund eines Rechtsbehelfs des Stpfl durch das FA zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird. Irrig ist die Beurteilung eines Sachverhalts, wenn sich die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts nachträglich als unrichtig erweist. Ein „bestimmter“ Sachverhalt ist dabei der einzelne Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Er ist nicht auf eine einzelne steuererhebliche Tatsache oder ein einzelnes Merkmal beschränkt, sondern erfasst den einheitlichen, für diese Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex. Unerheblich ist, ob der für die rechtsirrige Beurteilung maßgebliche Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen liegt (Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Mai 2011 V R 45/09, Sammlung der Entscheidungen des BFH (BFH/NV) 2011, 1655; BFH-Urteil vom 14. März 2006 I R 8/05, Bundessteuerblatt (BStBl) II 2007, 602). Der ursprünglich beurteilte und der tatsächlich verwirklichte Lebens- und Besteuerungssachverhalt müssen nicht vollständig übereinstimmen (BFH-Beschluss vom       25. Februar 2009 X B 121/08, BFH/NV 2009, 890). Entscheidend ist, dass aus demselben unveränderten und nicht durch weitere Tatsachen ergänzten Sachverhalt andere steuerliche Folgen noch in einem anderen Steuerbescheid gegenüber dem Stpfl zu ziehen sind (BFH-Urteil vom 18. Februar 1997 VIII R 54/95, BStBl II 1997, 647; FG Köln, Urteil vom 9. Juni 2011 13 K 3702/07, Entscheidungen der FG (EFG) 2011, 1856). Ein bloßer tatsächlicher Zusammenhang mehrerer Vorgänge, der diese nicht aufgrund ihres inneren Zusammenhangs als einen einheitlichen Vorgang erscheinen lässt, oder sogar eine bloße zeitliche Verknüpfung mehrerer Vorgänge reichen nicht (Rüsken in: Klein, AO, Kommentar, 10. Aufl. 2009, § 174 Rn. 18). Es muss sich also um denselben           -unveränderten und nicht durch weitere Tatsachen ergänzten- Lebensvorgang handeln, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft (BFH-Urteil vom 8. März 2007        IV R 41/05, BFH/NV 2007, 1813).
38 
§ 174 Abs. 4 AO wird in besonderem Maße vom Grundsatz von Treu und Glauben geprägt. Die Einheitlichkeit des Lebenssachverhalts und das Interesse an seiner übereinstimmenden steuerrechtlichen Beurteilung erlauben es, einer zutreffenden Besteuerung den Vorrang vor dem Schutz des Vertrauens auf die Bestandskraft der Steuerfestsetzung zu geben. Der Stpfl weiß aufgrund der positiven Verbescheidung seines Einspruchs bzw. seiner Klage, dass Folgerungen in einem oder mehreren anderen Steuerbescheiden für andere Veranlagungszeiträume zu ziehen sind. Der Stpfl ist dann nicht schutzbedürftig (BFH-Urteil vom 28. Januar 2009 X R 27/07, Juris). Die Folge ist, dass in bestimmten Fällen der materiellen Richtigkeit Vorrang eingeräumt wird, indem mit     § 174 AO vermieden wird, dass Steuerfestsetzungen bestehen bleiben, die inhaltlich zueinander in Widerspruch stehen (BFH-Urteil vom 11. Mai 2010 IX R 25/09, BStBl II 2010, 953).
39 
Der Bekl geht zwar unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze zu Recht davon aus, dass § 174 Abs. 4 AO die Fälle erfasst, in denen das FA darüber irrt, in welchem Jahr die steuerrechtlichen Folgerungen aus einem bestimmten Sachverhalt zu ziehen sind (BFH-Urteil vom 15. Januar 2009 III R 81/07, BFH/NV 2009, 1073). Im Streitfall      -USt 1999 - 2001- hat der Bekl jedoch nicht die steuerlichen Folgen aus einem bestimmten Sachverhalt gezogen, der Gegenstand des Klageverfahrens wegen USt 1997 und 1998 war. Gegenstand dieses Rechtsbehelfs war die umsatzsteuerliche Behandlung der Vereinbarung des Kl mit der Y vom xx.xx.1997 und damit die umsatzsteuerliche Erfassung der auf „Darlehensbasis“ von der Y an den Kl in den Jahren 1997 und 1998 gezahlten xxx DM. Der Bekl ging hinsichtlich dieses Sachverhalts irrig davon aus, dass diese Zahlungen umsatzsteuerpflichtige Umsätze des Kl sind und erfasste diese in den Jahren, in denen sie der Kl vereinnahmt hat, also 1997 und 1998. Es kann dahin gestellt bleiben, ob -wie vom Bekl angenommen- die künftigen Ansprüche des Kl gegen die M „verkauft“ werden können und ob es sich beim Erwerb von Forderungen um eine entgeltliche Leistung des Forderungsverkäufers (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 2012 V R 18/08, Juris) mit einer Bemessungsgrundlage von xxx EUR abzüglich Umsatzsteuer handelt. Demgegenüber gelangte das FG zu dem Ergebnis, dass es sich hierbei um die Gewährung eines Darlehens der Y an den Kl und damit nicht um eine umsatzsteuerpflichtige Leistung handelte. Dieser Rechtsauffassung folgte der Bekl und bezog diese Zahlungen nicht mehr in die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage 1997 und 1998 ein. Insoweit ist der Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft, die Vereinbarung des Kl mit der Y vom xx.xx.1997 zum Erhalt einer Zahlung von xxx DM „auf Darlehensbasis“. Für deren umsatzsteuerliche Behandlung kommt es nicht darauf an, ob der Kl seine Ansprüche gegen die M an die Y abgetreten hat, damit diese mit dem von der Y ausgezahlten Betrag verrechnet werden -so die Formulierung gemäß § 2 der Vereinbarung vom xx.xx.1997 „gegen sämtliche Autorenanteile verrechenbare Zahlungen“-.
40 
In den Streitjahren 1999 - 2001 geht es dagegen um die umsatzsteuerliche Erfassung der Auszahlungen der M. Insoweit kommt es auf die Leistungsbeziehungen des Kl mit der M an.
41 
Die beiden Ereignisse (die Vereinbarungen vom xx.xx.1997 zwischen dem Kl und der Y zur Zahlung von xxx DM auf „Darlehensbasis … voll gegen sämtliche Autorenanteile verrechenbare Zahlung“ und zur Abtretung der Ansprüche des Kl gegenüber der M an die Y einerseits sowie die Leistungen der M an den Kl andererseits) stellen keinen einheitlichen Lebensvorgang und damit keinen bestimmten Sachverhalt i.S.d. § 174 Abs. 4 S. 1 AO dar. Hierfür reicht der bloße tatsächliche Zusammenhang infolge der Abtretung der M-Ansprüche des Kl an die Y nicht aus. Umsatzsteuerrechtlich sind trotz Abtretung zwei unterschiedliche Leistungsbeziehungen zu würdigen und zwar die des Kl zur Y einerseits sowie die des Kl zur M andererseits. Diese stellen jeweils einen eigenständigen „bestimmten“ Sachverhalt i.S.d. § 174 Abs. 4 S. 1 AO dar und zwar jeweils einen Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft.
42 
Der Bekl ist auch nicht befugt, die USt-Bescheide 1999 - 2001 nach § 174 Abs. 3 AO zu ändern. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt voraus, dass „ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden (ist), dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen ist, und … sich diese Annahme als unrichtig“ herausstellt. Aus den o.g. Gründen beurteilte der Bekl jedoch nicht nur einen „bestimmten“ Sachverhalt, sondern bezog einen weiteren Sachverhalt (Vereinbarungen des Kl mit der Y) in die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung des Leistungsaustausches des Kl mit der M (umsatzsteuerliche Behandlung der Zahlungen der M in den Streitjahren 1999 - 2001) ein. Damit scheidet auch eine Änderung gemäß § 174 Abs. 3 AO aus.
43 
2. Der Bekl trägt die Kosten des Verfahrens gemäß § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
44 
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
45 
4. Die Revision wird nicht zugelassen, da die in § 115 FGO genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Die entscheidenden Fragen liegen auf tatsächlichem Gebiet.

Gründe

35 
Die Klage ist begründet.
36 
Die geänderten USt-Bescheide 1999 - 2001, jeweils vom 18. Oktober 2010, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. April 2011, sind rechtswidrig.
37 
1. Die Voraussetzungen für eine Änderung der bestandskräftigen USt-Bescheide 1999 - 2001 gemäß § 174 Abs. 4 AO liegen nicht vor. Gemäß § 174 Abs. 4 S. 1 AO können aus einem bestimmten Sachverhalt nachträglich durch Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden, wenn auf Grund irriger Beurteilung dieses Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen ist, der auf Grund eines Rechtsbehelfs des Stpfl durch das FA zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird. Irrig ist die Beurteilung eines Sachverhalts, wenn sich die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts nachträglich als unrichtig erweist. Ein „bestimmter“ Sachverhalt ist dabei der einzelne Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Er ist nicht auf eine einzelne steuererhebliche Tatsache oder ein einzelnes Merkmal beschränkt, sondern erfasst den einheitlichen, für diese Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex. Unerheblich ist, ob der für die rechtsirrige Beurteilung maßgebliche Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen liegt (Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Mai 2011 V R 45/09, Sammlung der Entscheidungen des BFH (BFH/NV) 2011, 1655; BFH-Urteil vom 14. März 2006 I R 8/05, Bundessteuerblatt (BStBl) II 2007, 602). Der ursprünglich beurteilte und der tatsächlich verwirklichte Lebens- und Besteuerungssachverhalt müssen nicht vollständig übereinstimmen (BFH-Beschluss vom       25. Februar 2009 X B 121/08, BFH/NV 2009, 890). Entscheidend ist, dass aus demselben unveränderten und nicht durch weitere Tatsachen ergänzten Sachverhalt andere steuerliche Folgen noch in einem anderen Steuerbescheid gegenüber dem Stpfl zu ziehen sind (BFH-Urteil vom 18. Februar 1997 VIII R 54/95, BStBl II 1997, 647; FG Köln, Urteil vom 9. Juni 2011 13 K 3702/07, Entscheidungen der FG (EFG) 2011, 1856). Ein bloßer tatsächlicher Zusammenhang mehrerer Vorgänge, der diese nicht aufgrund ihres inneren Zusammenhangs als einen einheitlichen Vorgang erscheinen lässt, oder sogar eine bloße zeitliche Verknüpfung mehrerer Vorgänge reichen nicht (Rüsken in: Klein, AO, Kommentar, 10. Aufl. 2009, § 174 Rn. 18). Es muss sich also um denselben           -unveränderten und nicht durch weitere Tatsachen ergänzten- Lebensvorgang handeln, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft (BFH-Urteil vom 8. März 2007        IV R 41/05, BFH/NV 2007, 1813).
38 
§ 174 Abs. 4 AO wird in besonderem Maße vom Grundsatz von Treu und Glauben geprägt. Die Einheitlichkeit des Lebenssachverhalts und das Interesse an seiner übereinstimmenden steuerrechtlichen Beurteilung erlauben es, einer zutreffenden Besteuerung den Vorrang vor dem Schutz des Vertrauens auf die Bestandskraft der Steuerfestsetzung zu geben. Der Stpfl weiß aufgrund der positiven Verbescheidung seines Einspruchs bzw. seiner Klage, dass Folgerungen in einem oder mehreren anderen Steuerbescheiden für andere Veranlagungszeiträume zu ziehen sind. Der Stpfl ist dann nicht schutzbedürftig (BFH-Urteil vom 28. Januar 2009 X R 27/07, Juris). Die Folge ist, dass in bestimmten Fällen der materiellen Richtigkeit Vorrang eingeräumt wird, indem mit     § 174 AO vermieden wird, dass Steuerfestsetzungen bestehen bleiben, die inhaltlich zueinander in Widerspruch stehen (BFH-Urteil vom 11. Mai 2010 IX R 25/09, BStBl II 2010, 953).
39 
Der Bekl geht zwar unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze zu Recht davon aus, dass § 174 Abs. 4 AO die Fälle erfasst, in denen das FA darüber irrt, in welchem Jahr die steuerrechtlichen Folgerungen aus einem bestimmten Sachverhalt zu ziehen sind (BFH-Urteil vom 15. Januar 2009 III R 81/07, BFH/NV 2009, 1073). Im Streitfall      -USt 1999 - 2001- hat der Bekl jedoch nicht die steuerlichen Folgen aus einem bestimmten Sachverhalt gezogen, der Gegenstand des Klageverfahrens wegen USt 1997 und 1998 war. Gegenstand dieses Rechtsbehelfs war die umsatzsteuerliche Behandlung der Vereinbarung des Kl mit der Y vom xx.xx.1997 und damit die umsatzsteuerliche Erfassung der auf „Darlehensbasis“ von der Y an den Kl in den Jahren 1997 und 1998 gezahlten xxx DM. Der Bekl ging hinsichtlich dieses Sachverhalts irrig davon aus, dass diese Zahlungen umsatzsteuerpflichtige Umsätze des Kl sind und erfasste diese in den Jahren, in denen sie der Kl vereinnahmt hat, also 1997 und 1998. Es kann dahin gestellt bleiben, ob -wie vom Bekl angenommen- die künftigen Ansprüche des Kl gegen die M „verkauft“ werden können und ob es sich beim Erwerb von Forderungen um eine entgeltliche Leistung des Forderungsverkäufers (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 2012 V R 18/08, Juris) mit einer Bemessungsgrundlage von xxx EUR abzüglich Umsatzsteuer handelt. Demgegenüber gelangte das FG zu dem Ergebnis, dass es sich hierbei um die Gewährung eines Darlehens der Y an den Kl und damit nicht um eine umsatzsteuerpflichtige Leistung handelte. Dieser Rechtsauffassung folgte der Bekl und bezog diese Zahlungen nicht mehr in die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage 1997 und 1998 ein. Insoweit ist der Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft, die Vereinbarung des Kl mit der Y vom xx.xx.1997 zum Erhalt einer Zahlung von xxx DM „auf Darlehensbasis“. Für deren umsatzsteuerliche Behandlung kommt es nicht darauf an, ob der Kl seine Ansprüche gegen die M an die Y abgetreten hat, damit diese mit dem von der Y ausgezahlten Betrag verrechnet werden -so die Formulierung gemäß § 2 der Vereinbarung vom xx.xx.1997 „gegen sämtliche Autorenanteile verrechenbare Zahlungen“-.
40 
In den Streitjahren 1999 - 2001 geht es dagegen um die umsatzsteuerliche Erfassung der Auszahlungen der M. Insoweit kommt es auf die Leistungsbeziehungen des Kl mit der M an.
41 
Die beiden Ereignisse (die Vereinbarungen vom xx.xx.1997 zwischen dem Kl und der Y zur Zahlung von xxx DM auf „Darlehensbasis … voll gegen sämtliche Autorenanteile verrechenbare Zahlung“ und zur Abtretung der Ansprüche des Kl gegenüber der M an die Y einerseits sowie die Leistungen der M an den Kl andererseits) stellen keinen einheitlichen Lebensvorgang und damit keinen bestimmten Sachverhalt i.S.d. § 174 Abs. 4 S. 1 AO dar. Hierfür reicht der bloße tatsächliche Zusammenhang infolge der Abtretung der M-Ansprüche des Kl an die Y nicht aus. Umsatzsteuerrechtlich sind trotz Abtretung zwei unterschiedliche Leistungsbeziehungen zu würdigen und zwar die des Kl zur Y einerseits sowie die des Kl zur M andererseits. Diese stellen jeweils einen eigenständigen „bestimmten“ Sachverhalt i.S.d. § 174 Abs. 4 S. 1 AO dar und zwar jeweils einen Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft.
42 
Der Bekl ist auch nicht befugt, die USt-Bescheide 1999 - 2001 nach § 174 Abs. 3 AO zu ändern. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt voraus, dass „ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden (ist), dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen ist, und … sich diese Annahme als unrichtig“ herausstellt. Aus den o.g. Gründen beurteilte der Bekl jedoch nicht nur einen „bestimmten“ Sachverhalt, sondern bezog einen weiteren Sachverhalt (Vereinbarungen des Kl mit der Y) in die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung des Leistungsaustausches des Kl mit der M (umsatzsteuerliche Behandlung der Zahlungen der M in den Streitjahren 1999 - 2001) ein. Damit scheidet auch eine Änderung gemäß § 174 Abs. 3 AO aus.
43 
2. Der Bekl trägt die Kosten des Verfahrens gemäß § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
44 
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
45 
4. Die Revision wird nicht zugelassen, da die in § 115 FGO genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Die entscheidenden Fragen liegen auf tatsächlichem Gebiet.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 15. Feb. 2012 - 14 K 1973/11

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 15. Feb. 2012 - 14 K 1973/11

Referenzen - Gesetze

Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 15. Feb. 2012 - 14 K 1973/11 zitiert 10 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Abgabenordnung - AO 1977 | § 164 Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung


(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 151


(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; §

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 155


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz

Abgabenordnung - AO 1977 | § 174 Widerstreitende Steuerfestsetzungen


(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuhe

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 15. Feb. 2012 - 14 K 1973/11 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 15. Feb. 2012 - 14 K 1973/11 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Urteil, 26. Jan. 2012 - V R 18/08

bei uns veröffentlicht am 26.01.2012

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist alleinige Gesellschafterin und Organträgerin einer GmbH, die mit Kaufvertrag vom 26. Oktober 2004 von e

Bundesfinanzhof Urteil, 05. Mai 2011 - V R 45/09

bei uns veröffentlicht am 05.05.2011

Tatbestand 1 I. Die Klägerin, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, erwarb mit Vertrag vom 19. März 1993 ein bebautes Grundstück zum Pr

Bundesfinanzhof Urteil, 11. Mai 2010 - IX R 25/09

bei uns veröffentlicht am 11.05.2010

Tatbestand 1 I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (1999) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger war als Geschäf
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 15. Feb. 2012 - 14 K 1973/11.

Bundesfinanzhof Urteil, 12. Feb. 2015 - V R 38/13

bei uns veröffentlicht am 12.02.2015

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 15. Februar 2012  14 K 1973/11 aufgehoben.

Referenzen

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.

(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.

(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, erwarb mit Vertrag vom 19. März 1993 ein bebautes Grundstück zum Preis von 14.423.089 DM. Auf dem Grundstück befand sich ein 1914 fertig gestelltes Geschäftshaus, das unter Denkmalschutz stand. Bis zum Erwerb durch die Klägerin wurde das Gebäude durch den Verkäufer vermietet. Der Verkäufer räumte das Gebäude nach Abschluss des Kaufvertrags und beendete die Mietverhältnisse. Die Klägerin modernisierte in den Jahren 1993 bis 1995 das Objekt mit einem Aufwand von ca. 5,5 Mio. DM grundlegend und erweiterte dabei die Nutzfläche. Sie behandelte die Bauaufwendungen als nachträgliche Herstellungskosten und machte hinsichtlich dieser Kosten den Vorsteuerabzug im Rahmen ihrer Umsatzsteuererklärungen 1993 bis 1995 geltend.

2

Während der Umbauphase wurde das Objekt zur Vermietung angeboten. Die Vermietungsbemühungen blieben mit Ausnahme einer vorübergehenden Vermietung des dritten Obergeschosses für Filmaufnahmen ohne Erfolg. Am 20. Dezember 1996 teilte die Klägerin das Objekt in Teileigentumsrechte auf.

3

Am 30. Dezember 1996 schloss die Klägerin mit der A (einer Bank) einen Kaufvertrag über die Teileigentumsrechte Nr. 4 (zweites Obergeschoss) und Nr. 5 (drittes Obergeschoss) zum Preis von 6,2 Mio. DM, ohne dass dabei Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen wurde. Nach § 5 Abs. 1 des Kaufvertrags sollten Lasten und Nutzen des Objekts mit Wirkung zum 30. Dezember 1996, nicht aber vor vollständiger Hinterlegung des Kaufpreises auf dem Notaranderkonto übergehen. Noch am 30. Dezember 1996 überwies die A den Kaufpreis durch telegrafische Überweisung auf das Notaranderkonto.

4

Am 15. Mai 1998 reichte die Klägerin ihre Umsatzsteuererklärungen für das Streitjahr 1996 sowie für 1997 beim Beklagten, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ein. Steuerpflichtige Umsätze aus der Veräußerung der Teileigentumsrechte oder Berichtigungsbeträge nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) erklärte sie nicht. Am 23. Oktober 1998 erließ das FA Umsatzsteuerbescheide 1996 und 1997, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen und mit denen das FA den Erklärungen im Wesentlichen folgte.

5

Im Rahmen einer Außenprüfung zur Umsatzsteuer 1996 bis 1998 bat der Prüfer, Belege über den Zeitpunkt der Hinterlegung des Grundstückskaufpreises durch die A vorzulegen. Die Klägerin teilte hierzu mit, dass der Kaufpreis noch am 30. Dezember 1996 hinterlegt worden sei, legte aber keine Kontoauszüge oder Abrechnungen des Notars vor.

6

Im Anschluss an die Außenprüfung ging das FA davon aus, dass die Veräußerung der Teileigentumsrechte Nr. 4 und Nr. 5 nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei sei und dementsprechend die auf das Teileigentum Nr. 5 entfallende Vorsteuer in Höhe von 11.505 DM pro Jahr ab dem Veranlagungszeitraum 1997 zu berichtigen sei. Weitere Berichtigungen ergaben sich für das Kellergeschoss (2.223 DM) und das Teileigentum Nr. 2 (3.987 DM). Dementsprechend setzte das FA durch Bescheid vom 8. Oktober 2004 die Umsatzsteuer 1997 auf ./. 8.872,45 € fest, wobei es entsprechend der Außenprüfung einen Berichtigungsbetrag gemäß § 15a UStG in Höhe von insgesamt 17.714 DM berücksichtigte. Einen Berichtigungsbetrag in gleicher Höhe legte es dem geänderten Umsatzsteuerbescheid 1998 zugrunde. Weiter hob das FA am 8. Oktober 2004 den Vorbehalt der Nachprüfung zur Umsatzsteuer 1996 auf.

7

Gegen die Bescheide für 1997 und 1998 legte die Klägerin am 21. Oktober 2004 Einspruch ein und machte geltend, das FA sei zu Unrecht von einer Vorsteuerberichtigung ausgegangen, da die Veräußerung der Teileigentumsrechte eine Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG sei.

8

Während des Einspruchsverfahrens wies das FA mit Schreiben vom 16. Februar 2005 und 4. Mai 2005 darauf hin, dass es beabsichtige, die Umsatzsteuer über die bisherige Festsetzung hinaus zu erhöhen, da nach einer Gesetzesänderung auch für das Teileigentum Nr. 4 eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen sei. Zudem sei die Berichtigung für beide Teileigentumsrechte nicht verteilt auf mehrere Jahre, sondern in einem Betrag in 1997 in Höhe von 224.044 DM vorzunehmen. Dementsprechend setzte das FA mit Einspruchsentscheidung vom 23. August 2005 die Umsatzsteuer 1997 auf 96.622,41 € herauf. Dem Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 1998 half das FA ab.

9

Gegen den Umsatzsteuerbescheid 1997 erhob die Klägerin Klage, mit der sie geltend machte, der Lastenwechsel und damit der Übergang der Verfügungsmacht an den Teileigentumsrechten Nr. 4 und Nr. 5 sei bereits am 30. Dezember 1996 erfolgt, so dass allenfalls eine Korrektur für 1996 in Betracht komme. Sie verwies auf eine Aufstellung des Notars, nach der die Zahlung der A in Höhe von 6,2 Mio. DM am 30. Dezember 1996 eingegangen sei und die der Notar der Klägerin am 8. November 2005 übermittelt hatte. Daraufhin setzte das FA am 25. November 2005 die Umsatzsteuer 1997 antragsgemäß auf ./. 17.929,47 € herab. Der Rechtsstreit wurde in der Hauptsache für erledigt erklärt.

10

Ebenfalls am 25. November 2005 erließ das FA einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr 1996, in dem es von einer Vorsteuerberichtigung in Höhe von 224.044 DM ausging und die Umsatzsteuer auf 89.587,54 € festsetzte. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

11

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid 1996 teilweise statt. Das FA sei nach § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) nur berechtigt gewesen, den Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 8. Oktober 2004 in der Weise zu ändern, dass eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG wegen der Veräußerung des Teileigentums Nr. 5 in Höhe von 110.256 DM vorzunehmen sei. Hinsichtlich des auf das Teileigentum Nr. 4 entfallenden Betrags von 113.788 DM scheitere die Änderungsbefugnis am Eintritt der Festsetzungsverjährung.

12

Maßgeblich sei § 15a UStG 1999 i.d.F. des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 --StÄndG 2001-- (BGBl I 2001, 3794) i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des Gesetzes vom 15. Dezember 2003 --StÄndG 2003-- (BGBl I 2003, 2645) und somit die ab 1. Januar 2002 geltende Gesetzesfassung. Es lägen unstreitig nachträgliche Herstellungskosten vor. Die Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse ergebe sich daraus, dass die Klägerin beim Umbau eine umsatzsteuerpflichtige Vermietung beabsichtigt, dann aber Teileigentumsrechte steuerfrei veräußert habe. Eine § 15a UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003 ausschließende Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a UStG liege nicht vor, da der Erwerber nicht die von der Klägerin beabsichtigte Vermietungstätigkeit fortgesetzt, sondern die erworbenen Gebäudeteile eigenbetrieblich genutzt habe. Aufgrund der Veräußerung sei die Berichtigung bereits im Jahr der Veräußerung für den gesamten Korrekturzeitraum des § 15a UStG vorzunehmen.

13

Weiter sei das FA auch teilweise zur Korrektur nach § 174 AO berechtigt gewesen. Das FA habe einen bestimmten Sachverhalt irrig beurteilt, da es bei Erlass des Umsatzsteuerbescheids 1997 vom 8. Oktober 2004 und der verbösernden Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer 1997 vom 23. August 2005 davon ausgegangen sei, dass Nutzen und Lasten für die Teileigentumsrechte Nr. 4 und Nr. 5 erst 1997 auf die A übergegangen seien. Der Lastenwechsel und damit auch die umsatzsteuerrechtlich maßgebliche Übertragung der Teileigentumsrechte seien aber bereits am 30. Dezember 1996 erfolgt. Die Fehlbeurteilung des FA habe sich in der Weise ausgewirkt, dass das FA zunächst mit den Umsatzsteuerbescheiden 1997 und 1998 vom 8. Oktober 2004 die auf das Teileigentum Nr. 5 entfallende Vorsteuer zeitanteilig berichtigt und erst später mit der Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer 1997 vom 23. August 2005 die gesamte auf die Teileigentumsrechte Nr. 4 und Nr. 5 entfallende Vorsteuer berichtigt habe. Es stehe fest, dass das FA nicht vorsätzlich einen falschen Umsatzsteuerbescheid 1997 erlassen habe.

14

Die aufgrund der irrigen Beurteilung durch das FA ergangenen Umsatzsteuerbescheide 1997 und 1998 vom 8. Oktober 2004 sowie die Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer 1997 vom 23. August 2005 seien durch die den Anträgen der Klägerin entsprechenden Abhilfebescheide vom 23. August 2005 zur Umsatzsteuer 1998 und vom 25. November 2005 zur Umsatzsteuer 1997 geändert worden. Daher habe das FA durch den Bescheid vom 25. November 2005 die für das Streitjahr 1996 bestehende Umsatzsteuerfestsetzung grundsätzlich ändern können, um die richtigen steuerlichen Folgerungen zu ziehen. Diese hätten darin bestanden, den mit der Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer 1997 betragsmäßig zutreffend ermittelten Berichtigungsbetrag gemäß § 15a UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003 im zutreffenden Veranlagungszeitraum 1996 zu erfassen.

15

Später aufgehobener Steuerbescheid i.S. des § 174 Abs. 4 Satz 4 AO seien hinsichtlich des Teileigentums Nr. 5 die Umsatzsteuerbescheide 1997 und 1998 vom 8. Oktober 2004. Diese seien vor Eintritt der Festsetzungsverjährung für die Umsatzsteuer 1996 am 11. November 2004 ergangen. Die Festsetzungsfrist für 1996 sei nach § 171 Abs. 4 AO mit Unanfechtbarkeit des aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Umsatzsteuerbescheids für 1996 --der für 1996 erfolgten Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung durch den Bescheid vom 8. Oktober 2004-- und damit erst am 11. November 2004 abgelaufen. Weiter sei für die Klägerin vor Ablauf der Festsetzungsfrist zur Umsatzsteuer 1996 erkennbar gewesen, dass das FA hinsichtlich der Veräußerung des Teileigentums Nr. 5 durch Ansatz von Berichtigungsbeträgen in den Jahren ab 1997 zu Lasten einer Berichtigung im Jahre 1996 abgesehen habe.

16

Das FA sei aber aufgrund Festsetzungsverjährung gehindert gewesen, den Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 8. Oktober 2004 hinsichtlich des auf das Teileigentumsrecht Nr. 4 entfallenden Berichtigungsbetrags von 113.788 DM zu ändern. Aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung am 11. November 2004 komme es auf § 174 Abs. 4 Satz 4 AO an. Der maßgebliche später aufgehobene Steuerbescheid sei hinsichtlich des Teileigentums Nr. 4 die Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer 1997 vom 23. August 2005. Zu diesem Zeitpunkt sei die Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 1996 bereits abgelaufen gewesen. Der Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 8. Oktober 2004 habe aus der Veräußerung des Teileigentums Nr. 4 noch keine für die Klägerin nachteiligen Konsequenzen gezogen, da der Außenprüfer davon ausgegangen sei, dass erst nach einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden Verwendung eine Berichtigung gemäß § 15a UStG erfolgen könne. Davon sei das FA erst mit Schreiben vom 16. Februar 2005 abgerückt. Erstmals mit der Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer 1997 vom 23. August 2005 habe es die auf das Teileigentum Nr. 4 entfallende Vorsteuer in Höhe von 113.788 DM berichtigt. Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO lägen nicht vor. Zwar sei für die Klägerin nach Bekanntgabe des Bescheids erkennbar gewesen, dass das FA rechtsirrig von einer Grundstückslieferung im Jahre 1997 ausgegangen sei, jedoch hätte das FA im Oktober 2004 selbst bei Entdecken dieses Rechtsfehlers den Berichtigungsbetrag nach § 15a UStG nicht in 1996 angesetzt, da es seinerzeit davon ausgegangen sei, dass § 15a UStG auf das Teileigentum Nr. 4 nicht anwendbar sei. Aufgrund der zeitgleich ergangenen Umsatzsteuerbescheide 1997 und 1998 und der Außenprüfungsberichte habe die Klägerin im Oktober 2004 davon ausgehen können, dass die Berichtigung für das Teileigentum Nr. 4 nicht deshalb unberücksichtigt geblieben sei, weil diese Berichtigung in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, sondern weil das FA der Veräußerung des Teileigentums Nr. 4 keine rechtliche Bedeutung für die Vorsteuerberichtigung beigemessen habe. Von dieser Rechtsansicht sei das FA erkennbar erst mit den Schreiben vom 16. Februar 2005 und 4. Mai 2005 abgerückt. Dass die Klägerin zu diesen Zeitpunkten den Fehler der zutreffenden zeitlichen Zuordnung erkennen konnte, sei unerheblich, da die Festsetzungsfrist bereits am 11. November 2004 abgelaufen sei.

17

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2010, 180 veröffentlicht.

18

Gegen das Urteil des FG haben die Klägerin und das FA Revision eingelegt. Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Rechts. Es liege eine Geschäftsveräußerung vor. Das FA sei nicht zur Änderung nach § 174 AO befugt gewesen, da es nicht einen Sachverhalt irrig beurteilt, sondern lediglich nicht zur Kenntnis genommen habe. Eine irrige Beurteilung setze einen Fehler bei der Anwendung des materiellen Rechts voraus. Die Berichtigungsbefugnis sei verwirkt. Der Betriebsprüfer habe die "Geschäftsvorfälle ... in das Jahr 1997 aus sachfremden Erwägungen verschoben". Der Umsatzsteuerkorrekturbetrag sei "wider besseren Wissens ... auf den Zeitraum 1997 projiziert" worden.

19

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben, soweit es die Klage abgewiesen hat und den Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 25. November 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2006 insgesamt aufzuheben.

20

Das FA beantragt,

das Urteil des FG im Umfang der Klagestattgabe aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen.

21

Auch das FA rügt die Verletzung materiellen Rechts. Für die Änderung nach § 174 Abs. 4 Satz 4 AO komme es auf den Ausgangsbescheid und nicht auf die Einspruchsentscheidung an. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift ebenso wie aus der Funktion des Einspruchsverfahrens. Die Veräußerung der beiden Teileigentumsrechte sei als einheitlicher Sachverhalt anzusehen. Der Irrtum des FA habe sich auf beide Teileigentumsrechte bezogen.

Entscheidungsgründe

22

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Revision des FA ist begründet und führt zur Aufhebung des FG-Urteils, soweit es der Klage stattgegeben hat, und zur Klageabweisung in diesem Umfang (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Wie das FG zu Recht entschieden hat, liegt eine steuerfreie Veräußerung vor, die im Streitjahr 1996 zu einer Berichtigung nach § 15a UStG führte. Entgegen dem FG-Urteil war das FA nach § 174 Abs. 4 AO nicht nur hinsichtlich des Teileigentums Nr. 5, sondern vollumfänglich korrekturbefugt.

23

1. Im Streitfall richtet sich die Vorsteuerberichtigung nicht nach § 15a UStG 1993, sondern nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003.

24

a) Die Vorsteuerberichtigung bestimmt sich im Streitfall materiell-rechtlich nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003, der folgenden Wortlaut hat: "Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen."

25

b) Nach § 27 Abs. 8 UStG 1999 ist "§ 15a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3794) ... auch für Zeiträume vor dem 1. Januar 2002 anzuwenden, wenn der Unternehmer den Vorsteuerabzug im Zeitpunkt des Leistungsbezuges auf Grund der von ihm erklärten Verwendungsabsicht in Anspruch genommen hat und die Nutzung ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung mit den für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnissen nicht übereinstimmt". Die durch § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003 angeordnete Rückwirkung ist verfassungsgemäß. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf seine Urteile vom 7. Juli 2005 V R 32/04 (BFHE 211, 74, BStBl II 2005, 907, unter II.2.b) und vom 24. September 2009 V R 6/08 (BFHE 227, 506, BStBl II 2010, 315, unter II.2.b).

26

2. Die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 und Abs. 6a UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 liegen vor.

27

a) Die Übertragung der nach Aufteilung des einheitlichen Wirtschaftsguts entstandenen beiden selbständigen Teileigentumsrechte von der Klägerin auf die A führte zu einer Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse.

28

aa) Die Übertragung, die nach den Feststellungen des FG im Streitjahr 1996 erfolgte, war mangels Verzichts (§ 9 UStG) nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG i.V.m. § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes i.V.m. § 1 Abs. 6 des Wohnungseigentumsgesetzes steuerfrei. Demgegenüber hatte die Klägerin bei Bezug der für den Umbau verwendeten Leistungen beabsichtigt, das Gebäude unter Verzicht (§ 9 UStG) auf die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 UStG steuerpflichtig zu vermieten. Die für den Umbau bezogenen Leistungen sind nachträgliche Herstellungskosten, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

29

bb) Die Änderung der Verhältnisse ist auch im Streitjahr 1996 zu erfassen. § 15a UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003 stellt nur auf eine Änderung der Verhältnisse im Vergleich zur Verwendungsabsicht bei Leistungsbezug und damit Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs ab. Anders als nach § 15a UStG spielt es keine Rolle, ob es vor der Änderung der Verhältnisse bereits zu einer tatsächlichen Verwendung gekommen ist.

30

b) Die Berichtigung konnte nicht aufgrund einer Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a UStG 1999 nach § 15a Abs. 6a UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 unterbleiben.

31

Wie das FG zu Recht entschieden hat und zwischen den Beteiligten im Revisionsverfahren nunmehr auch unstreitig ist, liegt im Streitfall keine Geschäftsveräußerung vor, da die Klägerin beabsichtigte, die übertragenen Grundstücksteile zu vermieten, während die A diese für Zwecke einer Eigennutzung (als Bank) erwarb. Dementsprechend steht fest, dass die durch die Klägerin beabsichtigte Vermietungstätigkeit nicht durch die A fortgesetzt werden sollte.

32

3. Wie das FG weiter zu Recht entschieden hat, war das FA berechtigt, im Umsatzsteuerbescheid für 1996 vom 25. November 2005 sowohl die Änderung der Verhältnisse hinsichtlich des Teileigentums Nr. 5 als auch --entgegen dem FG-Urteil-- hinsichtlich des Teileigentums Nr. 4 zu erfassen.

33

a) Ergeht aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO.

34

b) Im Streitfall liegen die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO vor.

35

aa) Irrig ist die Beurteilung eines Sachverhalts nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wenn sich die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts nachträglich als unrichtig erweist. "Bestimmter" Sachverhalt i.S. des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO ist dabei der einzelne Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Der bestimmte Sachverhalt ist nicht auf eine einzelne steuererhebliche Tatsache oder ein einzelnes Merkmal beschränkt, sondern erfasst den einheitlichen für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex. Unerheblich ist, ob der für die rechtsirrige Beurteilung maßgebliche Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen liegt (BFH-Urteile vom 14. März 2006 I R 8/05, BFHE 212, 517, BStBl II 2007, 602, unter II.1.; vom 14. Januar 2010 IV R 33/07, BFHE 228, 122, BStBl II 2010, 586, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Im Hinblick auf diese Rechtsprechung beruft sich die Klägerin ohne Erfolg auf die insbesondere nach wie vor von Groll (in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 174 AO Rz 237) vertretene Differenzierung zwischen Tatsachen- und Rechtsfehlern.

36

bb) Sachverhalt i.S. von § 174 Abs. 4 Satz 1 AO und damit der nach der BFH-Rechtsprechung maßgebliche "Lebensvorgang", an den § 15a Abs. 1 UStG steuerliche Folgen knüpft, ist im Streitfall die mangels Geschäftsveräußerung (s. oben II.2.b) steuerbare und gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Veräußerung in 1996, die aufgrund der vorherigen Absicht zur steuerpflichtigen Vermietung zu einer Änderung der Verhältnisse führte.

37

cc) Das FA ging hinsichtlich dieses Sachverhalts nach den für den Senat bindenden und nicht mit begründeten Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) irrig davon aus, dass er erst 1997 zu der von § 15a UStG vorausgesetzten Änderung der Verhältnisse geführt habe, weil die Klägerin ihre Behauptung des Eingangs des Kaufpreises noch im Jahr 1996 trotz Aufforderung nicht belegt hatte. Demgegenüber lagen die Voraussetzungen dieser Vorschrift nach § 15a UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003 bereits im Streitjahr 1996 vor (s. oben II.2.a bb).

38

dd) Der aufgrund der irrigen Beurteilung ergangene Umsatzsteuerbescheid 1997 wurde auch aufgrund eines Rechtsbehelfs der Klägerin aufgehoben. Gegenstand dieses Rechtsbehelfs war der Sachverhalt, der zur Vorsteuerberichtigung aufgrund der Veräußerungen der Teileigentumsrechte Nr. 4 und Nr. 5 führte.

39

c) Weiter ist nach § 174 Abs. 4 Satz 3 und 4 AO unerheblich, dass im Zeitpunkt des Erlasses des Umsatzsteuerbescheids 1996 vom 25. November 2005 bereits die Festsetzungsfrist für das Streitjahr 1996 abgelaufen war.

40

aa) Im Zeitpunkt des Erlasses des Umsatzsteuerbescheids 1996 am 25. November 2005 war zwar für 1996 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Denn die Festsetzungsfrist begann nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs 1998, da die Klägerin ihre Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Streitjahr 1996 beim FA am 15. Mai 1998 eingereicht hatte und endete aufgrund der in 2002 begonnenen Außenprüfung nach § 171 Abs. 4 AO erst mit der Unanfechtbarkeit des aufgrund der Außenprüfung für das Streitjahr 1996 erlassenen Umsatzsteuerbescheides und damit aufgrund der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung für den Umsatzsteuerbescheid 1996 durch den Bescheid vom 8. Oktober 2004 am 11. November 2004.

41

bb) Nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO war der Ablauf der Festsetzungsfrist jedoch unbeachtlich, da das FA die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach der Aufhebung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen hat. Denn im Streitfall wurde der geänderte Umsatzsteuerbescheid 1996 am 25. November 2005 und damit bereits an dem Tag erlassen, an dem das FA den fehlerhaften Umsatzsteuerbescheid 1997 aufhob.

42

cc) Auch § 174 Abs. 4 Satz 4 AO steht der Änderung nicht entgegen, da es im Streitfall auf diese Vorschrift nicht ankommt. Denn der später am 25. November 2005 aufgehobene Umsatzsteuerbescheid für 1997 erging am 8. Oktober 2004 und damit an dem Tag, an dem das FA aufgrund der Außenprüfung den Vorbehalt der Nachprüfung für den Umsatzsteuerbescheid 1996 aufhob. Zu diesem Zeitpunkt war die Festsetzungsfrist für 1996 nach § 171 Abs. 4 AO noch nicht abgelaufen.

43

Zu Unrecht stellt das FG hinsichtlich des Teileigentums Nr. 4 auf den erst späteren Erlass der Einspruchsentscheidung vom 23. August 2005 ab. Denn bei Anwendung von § 174 Abs. 4 Satz 3 AO ist allein entscheidend, ob "der Sachverhalt" (i.S. von Abs. 4 Satz 1 dieser Vorschrift) in dem später aufgehobenen Steuerbescheid bereits vor Eintritt der Festsetzungsverjährung berücksichtigt worden ist. Entgegen der Auffassung des FG ist im Streitfall die Übertragung der beiden Teileigentumsrechte aufgrund der Übertragung durch einen Veräußerer und durch einen Rechtsakt auf einen Erwerber ein einheitlicher Sachverhalt i.S. von § 174 Abs. 4 AO, der als solches bereits Gegenstand des am 8. Oktober 2004 ergangenen Umsatzsteuerbescheids 1997 war. Dass das FA diesen Bescheid durch die Einspruchsentscheidung geändert hat, ist unerheblich.

44

War daher die Festsetzungsfrist gemäß § 174 Abs. 4 Satz 4 AO noch nicht abgelaufen, kommt es im Streitfall auf die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO und das zu dieser Vorschrift ergangene BFH-Urteil in BFHE 228, 122, BStBl II 2010, 586, auf das sich die Klägerin stützt, nicht an.

45

d) Liegen somit die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO vor, war das FA nicht nur berechtigt, den zunächst durch den Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 8. Oktober 2004 für das Teileigentum Nr. 5 zeitanteilig ermittelten Berichtigungsbetrag im Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 25. November 2005 zu erfassen, sondern konnte weitergehend sowohl den gesamten Berichtigungszeitraum als auch die sich für das Teileigentum Nr. 4 ergebenden Folgen in diesem Bescheid berücksichtigen.

46

Die Änderungsbefugnis nach § 174 Abs. 4 AO gestattet es dem FA "aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen" zu ziehen. Eine (Folge-)Änderung nach § 174 Abs. 4 AO setzt weder voraus, dass mit der (Ausgangs-)Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen dessen Antrag entsprochen wurde, noch dass die Auswirkungen der Änderung zugunsten und der Änderung zuungunsten des Steuerpflichtigen einander aufheben. Ein Verböserungshinweis ist auch dann nicht erforderlich, wenn die Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen im Ergebnis zu einer steuerlichen Mehrbelastung durch die Folgeänderung führt (BFH-Urteil vom 19. Mai 2005 IV R 17/02, BFHE 209, 384, BStBl II 2005, 637, Leitsatz). Das FA konnte daher für diesen Sachverhalt, der wie unter II.2.a aa ausgeführt, die Veräußerung der beiden Teileigentumsrechte umfasste, die nach § 15a UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003 richtigen steuerlichen Folgen ziehen und die diese betreffende Vorsteuer für den gesamten noch offenen Berichtigungszeitraum berichtigen.

47

e) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das FA seine Änderungsbefugnis nicht verwirkt.

48

Verwirkung setzt ein bestimmtes Verhalten der Finanzbehörde voraus, aufgrund dessen der Steuerpflichtige bei objektiver Betrachtung annehmen darf, dass die Behörde den Anspruch nicht oder nicht mehr geltend macht, wofür es auf ein Zeit- und ein Umstandsmoment ankommt. Während für das Zeitmoment bereits eine längere Untätigkeit des Anspruchsberechtigten genügen kann, setzt das Umstandsmoment ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten und einen hierdurch ausgelösten Vertrauenstatbestand beim Verpflichteten voraus (BFH-Urteil vom 7. Juli 2004 X R 24/03, BFHE 206, 292, BStBl II 2004, 975, unter II.B.5.).

49

Vorliegend fehlt es --wie das FG zu Recht entschieden hat-- sowohl an einer längeren Untätigkeit des FA als auch an einem Vertrauenstatbestand auf Seiten der Klägerin. Insbesondere reicht die fehlerhafte Beurteilung des Sachverhalts durch Unterbleiben einer weiter gehenden Sachaufklärung im Rahmen der Außenprüfung nach den Verhältnissen des Streitfalls nicht aus. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) kann nicht davon ausgegangen werden, dass das FA "wider besseren Wissens die zeitliche Dimension des Sachverhaltssegments... eigenmächtig vom Kalenderjahr 1996 auf das Jahr 1997 ... projiziert" habe.

50

f) Schließlich steht der Änderung nach § 174 AO entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht entgegen, dass für das Streitjahr bereits ein gerichtliches Urteil ergangen ist (vgl. hierzu Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 10. November 2010  1 K 1914/08, EFG 2011, 689). Denn im Streitfall ist vor dem mit der Revision angefochtenen FG-Urteil kein Urteil für das Streitjahr, sondern nur für das Folgejahr ergangen.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (1999) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger war als Geschäftsführer bei der A-GmbH beschäftigt, an der er ursprünglich auch zur Hälfte beteiligt war. Das Anstellungsverhältnis wurde vorzeitig zum 31. Dezember 1999 beendet; zum Ausgleich verpflichtete sich die A-GmbH, dem Kläger eine Abfindung von 500.000 DM zu zahlen, fällig am 1. Januar 2000. Bereits im Jahr 1998 hatten der Kläger und sein Mitgesellschafter ihre restliche Beteiligung an der A-GmbH an die B-GmbH veräußert, an der der Kläger ebenfalls beteiligt war. Sein Kaufpreisanteil betrug 3.500.000 DM, wobei er sich zur Rückerstattung desjenigen Teils des Kaufpreises verpflichtet hatte, um den der von ihm erzielte Erlös einen späteren (anteiligen) Weiterveräußerungserlös der B-GmbH überstieg. Bei der Weiterveräußerung im Jahr 1999 erzielte die B-GmbH den von ihr gezahlten Kaufpreis nicht, weshalb ihr ein Rückerstattungsanspruch in Höhe von 500.000 DM gegen den Kläger zustand. Im Folgenden trat der Kläger seinen Abfindungsanspruch gegen die A-GmbH an die B-GmbH ab und zeigte die Abtretung mit Schreiben vom 11. November 1999 der A-GmbH an, die am 21. Dezember 1999 an die B-GmbH zahlte. Der Zufluss der 500.000 DM wurde bei der B-GmbH als Betriebseinnahme der Besteuerung unterworfen; eine Berücksichtigung der Zahlung bei dem Kläger erfolgte zunächst weder für den Veranlagungszeitraum 1998 noch für den Veranlagungszeitraum 1999.

2

Am 2. April 2004 erhielt das damals für den Kläger zuständige Finanzamt (FA HO) eine Kontrollmitteilung, dass der Kläger eine Abfindungszahlung in Höhe von 500.000 DM aufgrund der vorzeitigen Aufhebung des Geschäftsführervertrages erhalten habe. Die Zahlung an die B-GmbH sei am 21. Dezember 1999 erfolgt. Ohne diese Kontrollmitteilung auszuwerten, änderte das FA HO aus anderen Gründen mit Bescheid vom 16. März 2005 den Einkommensteuerbescheid der Kläger für 1999.

3

Unter dem 16. Dezember 2005 änderte das FA HO diesen Bescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) und setzte die Einkommensteuer für 1999 unter Berücksichtigung der Abfindung auf 271.811,97 € (531.618 DM) fest. Hiergegen legten die Kläger Einspruch mit der Begründung ein, dass nach Berücksichtigung des Abfindungsbetrags bei der Einkommensteuer des Klägers konsequenterweise in Höhe dieses Betrages der Körperschaftsteuerbescheid der B-GmbH berichtigt werden müsse. Dies habe das für die B-GmbH zuständige Finanzamt jedoch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung abgelehnt. Es werde daher beantragt, das sie betreffende Verfahren im Hinblick auf das bereits anhängige Verfahren gegen den Körperschaftsteuerbescheid ruhen zu lassen.

4

Anlässlich des beim Finanzgericht (FG) anhängigen Klageverfahrens der B-GmbH (3 K 78/06) betreffend die Körperschaftsteuer 1999 regte das FG an, bei dem Kläger für den Veranlagungszeitraum 1998 den ihm ursprünglich zugeflossenen Veräußerungserlös um 500.000 DM zu mindern, damit die Zahlung des Betrages nicht nur isoliert im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Veranlagungszeitraum 1999 berücksichtigt werde. Der zwischenzeitlich für die Einkommensteuer zuständig gewordene Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --FA--) schlug daraufhin am 11. Dezember 2006 schriftlich vor, den Veräußerungserlös aus dem Verkauf der Beteiligung an der A-GmbH in 1998 aufgrund der 1999 erfolgten Kaufpreiserstattung um 500.000 DM zu reduzieren und die Einkommensteuer für 1998 entsprechend herabzusetzen. Im Gegenzug solle eine Rücknahme des Einspruchs für 1999 erfolgen. Laut Telefonvermerk des FA vom selben Tag erklärte der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers, nach Vorlage des entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheids 1998 die Klage betreffend die B-GmbH und nach Bestandskraft des Bescheids den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 zurücknehmen zu wollen. Die schriftliche Fixierung der Vereinbarung durch das FA vom 12. Dezember 2006 entsprach dem zuvor von ihm unterbreiteten Vorschlag; die Rücknahme der Klage der B-GmbH wird darin nicht erwähnt.

5

Das FA erließ wie angekündigt am 21. Dezember 2006 einen nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für 1998, in dem der Erlös aus der Veräußerung der Geschäftsanteile um 500.000 DM herabgesetzt war. Der Kläger nahm in der Folge den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 nicht zurück, sondern beantragte über einen neuen Prozessbevollmächtigten die Fortsetzung des bis dahin ruhenden Einspruchsverfahrens. Eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 1999 vom 16. März 2005 sei nicht zulässig gewesen, weil es an einer Änderungsvorschrift fehle.

6

Mit Bescheid vom 12. November 2007 hob das FA den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 16. Dezember 2005 auf. Mit weiterem Bescheid vom selben Tag erließ er gestützt auf § 174 Abs. 4 AO den streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid und setzte die Einkommensteuer 1999 wiederum auf 271.811,97 € fest.

7

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Nach Auffassung des FG waren die Voraussetzungen für den Erlass eines auf § 174 Abs. 4 AO gestützten Änderungsbescheids gegeben. Durch die Abtretung seiner Forderung gegen die A-GmbH an die B-GmbH habe der Kläger seinen Abfindungsanspruch mit der gegen ihn gerichteten Rückzahlungsverpflichtung in einer Weise miteinander verbunden, dass sich das Geschehen als einheitliches Ganzes und damit als "bestimmter Sachverhalt" i.S. des § 174 Abs. 4 darstelle. Diesen Sachverhalt habe das FA irrig beurteilt, weil es die steuerrechtlichen Folgerungen der Kaufpreisminderung für die Einkommensteuer 1998 zunächst nicht gezogen habe. Nachdem der Kläger wiederholt --wenn auch im Zusammenhang mit dem Körperschaftsteuerbescheid der B-GmbH-- sein Anliegen zum Ausdruck gebracht habe, dass bei einer Besteuerung der Abfindungszahlung in 1999 auch der steuermindernde Umstand der Kaufpreisrückerstattung Berücksichtigung finden müsse, sei die zutreffende steuerliche Erfassung dieses Geschehens durch das FA im Veranlagungszeitraum 1998 auch auf seinen Antrag erfolgt.

8

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, die sie auf die Verletzung von § 174 Abs. 4 AO stützen.

9

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des FG und den Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 12. November 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

10

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die zulässige Revision ist begründet und führt zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht hat das FG angenommen, der Einkommensteuerbescheid 1999 vom 16. März 2005 habe nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO geändert werden können.

12

1. Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. Mai 2001 VIII R 44/00, BFHE 195, 14, BStBl II 2001, 562; vom 24. November 1987 IX R 158/83, BFHE 152, 203, BStBl II 1988, 404). Durch § 174 AO soll die Finanzbehörde die Möglichkeit erhalten, in bestimmten Fällen der materiellen Richtigkeit Vorrang einzuräumen, indem vermieden wird, dass Steuerfestsetzungen bestehen bleiben, die inhaltlich zueinander im Widerspruch stehen (BFH-Urteil vom 28. Januar 2009 X R 27/07, BFHE 224, 15, BStBl II 2009, 620). Die Vorschrift setzt hinsichtlich der verfahrensmäßigen Abfolge voraus, dass ein angefochtener Bescheid als irrig erkannt und deswegen auf Antrag des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird. Dies löst sodann --"nachträglich"-- die Rechtsfolge des § 174 Abs. 4 AO aus, nämlich dass ein anderer Bescheid erlassen oder geändert werden kann. Die Vorschrift zieht somit die verfahrensrechtliche Konsequenz daraus, dass der andere Bescheid nunmehr eine "widerstreitende Steuerfestsetzung" enthält, wie sie das Gesetz nach seiner amtlichen Überschrift zu § 174 AO voraussetzt (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10. November 1997 GrS 1/96, BFHE 184, 1, BStBl II 1998, 83, unter C.II.1.).

13

Die durch § 174 Abs. 4 AO eingeräumte Möglichkeit, einen bestandskräftigen Steuerbescheid nachträglich zu ändern, findet ihre Rechtfertigung im fehlenden schutzwürdigen Vertrauen des Steuerpflichtigen; derjenige, der erfolgreich für seine Rechtsansicht gestritten hat, muss auch die damit verbundenen Nachteile hinnehmen (BFH-Urteil vom 10. März 1999 XI R 28/98, BFHE 188, 409, BStBl II 1999, 475, unter II.2.). Die Einheitlichkeit des Lebenssachverhalts und das Interesse an seiner übereinstimmenden steuerrechtlichen Beurteilung erlauben es, unter diesen Voraussetzungen einer zutreffenden Besteuerung den Vorrang vor dem Schutz des Vertrauens auf die Bestandskraft der Steuerfestsetzung zu geben (BFH-Urteil in BFHE 224, 15, BStBl II 2009, 620; Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 174 Rz 4). Der Steuerpflichtige ist allerdings nur dann nicht schutzwürdig, wenn er die Aufhebung oder Änderung des vorangegangenen Steuerbescheides selbst herbeigeführt hat. § 174 Abs. 4 Satz 1 AO lässt deshalb --anders als § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO-- die Zustimmung des Steuerpflichtigen nicht genügen, sondern verlangt --unter Gleichsetzung von Antrag und Rechtsbehelf--, dass die Änderung gerade auf Grund einer vom Steuerpflichtigen ausgehenden Initiative erfolgt (vgl. BFH-Urteile vom 29. Juni 2005 X R 38/04, BFH/NV 2005, 1751; vom 18. Juni 1991 VIII R 54/89, BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124). Allerdings ist es nicht notwendig, dass dem Rechtsbehelf oder Antrag des Steuerpflichtigen auch aus den von ihm geltend gemachten Gründen entsprochen wurde, solange die Änderung jedenfalls durch den Rechtsbehelf oder Antrag des Steuerpflichtigen veranlasst worden ist (BFH-Urteile vom 19. Mai 2005 IV R 17/02, BFHE 209, 384, BStBl II 2005, 637, unter I.2.; in BFHE 195, 14, BStBl II 2001, 562). Die auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützte Durchbrechung des Vertrauensschutzes ist aber dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn der Rechtsbehelf oder Antrag des Steuerpflichtigen den letztlich geänderten Bescheid nicht zum Gegenstand hatte (vgl. v. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 174 AO Rz 247; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 44). Der Steuerpflichtige muss vielmehr spezifisch die Änderung des vorausgegangenen Bescheides veranlasst haben. Die bloße Hinnahme einer allein von der Finanzverwaltung ausgehenden Änderung reicht vor dem Hintergrund des eindeutigen Wortlauts und der Systematik der Änderungsvorschriften der Abgabenordnung nicht aus.

14

2. Nach diesen Grundsätzen konnte der Einkommensteuerbescheid vom 16. März 2005 nicht nach § 174 Abs. 4 AO geändert werden. Ausweislich der getroffenen und für das Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen hat der Kläger sich zu keinem Zeitpunkt, auch nicht konkludent, gegen die Festsetzung der Einkommensteuer für 1998 gewandt. Einspruch hat er lediglich gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 16. Dezember 2005 eingelegt und diesen damit begründet, dass die steuerliche Erfassung der Abfindung bei seinen Einkünften dazu führen müsse, dass der Betrag nicht mehr bei der B-GmbH besteuert werden dürfe; einen Bezug zu der gegen ihn festgesetzten Einkommensteuer für 1998 hat er nicht hergestellt. Für einen Antrag auf Änderung des Einkommensteuerbescheides 1998 fehlt danach jeder Anhalt. Die Änderung dieses Bescheides erfolgte vielmehr auf ein --durch das FG im Verfahren gegen die B-GmbH veranlasstes-- Angebot des FA hin. Damit hat der Kläger gerade nicht selbst die Ursache für die Abänderung des auf einer irrigen Beurteilung beruhenden ersten Bescheids gesetzt, die die nachträgliche Abänderung des Einkommensteuerbescheides für 1999 rechtfertigen würde.

15

3. Vor diesem Hintergrund bedarf die Frage keiner Entscheidung, ob die vor Fälligkeit erfolgte Abtretung des Abfindungsanspruchs zum Zwecke der Erfüllung der den Kläger treffenden Rückzahlungsverpflichtung überhaupt geeignet ist, die beiden Ereignisse zu einem bestimmten Sachverhalt i.S. von § 174 Abs. 4 Satz 1 AO zu verbinden.

16

4. Da die Vorentscheidung von anderen Voraussetzungen ausgegangen ist, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Mangels Änderungsmöglichkeit des Einkommensteuerbescheides für 1999 vom 16. März 2005 ist der Klage stattzugeben.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist alleinige Gesellschafterin und Organträgerin einer GmbH, die mit Kaufvertrag vom 26. Oktober 2004 von einer Bank Grundpfandrechte und Forderungen aus 70 gekündigten und fällig gestellten Darlehensverträgen erwarb.

2

Kaufgegenstand des Vertrages, den die GmbH als Forderungskäufer (im Folgenden auch Käufer oder Forderungserwerber) mit der Bank abgeschlossen hatte, waren "Grundpfandrechte sowie alle sonstigen Rechte und Ansprüche aus den in [der] Anlage Portfoliodaten aufgeführten Darlehensverträgen einschließlich der Darlehensforderungen, aller gegenwärtigen und/oder künftigen, bedingten und/oder befristeten Nebenforderungen wie Zinsen, Kosten und Gebühren, sämtlicher Zusatz- und Drittsicherheiten (z.B. Kautionen, Vorbehalts- und Sicherungseigentum, Anwartschaftsrecht, Pfandgegenstände, Sicherungsabtretungen, Verpfändungen von Lebensversicherungsansprüchen, Bürgschaften und sonstigen Mitverpflichtungen, Schuldanerkenntnisse), insbesondere der dinglichen Sicherheiten, aller Titel und aller sonstigen im Zusammenhang mit den jeweiligen Darlehensverträgen stehenden Unterlagen wie Urkunden, Kundenakten, Korrespondenz und evtl. sonstigen Geschäftsunterlagen (im Folgenden zusammen als die 'verkauften Gegenstände' bezeichnet)".

3

Der Vertrag sah eine Rückbeziehung auf einen Stichtag (29. April 2004) vor, ab dem die "verkauften Gegenstände" für Rechnung und Risiko des Käufers "geführt bzw. gehalten" wurden. Zahlungen auf die "verkauften Gegenstände", die nach dem Stichtag erfolgten, sollten dem Käufer zustehen. Nach dem Vertrag war eine Haftung des Verkäufers für die Einbringlichkeit der Forderungen (Delkredererisiko) und den wirtschaftlichen Wert der Sicherheiten ausdrücklich ausgeschlossen.

4

Zum Stichtag 29. April 2004 belief sich der Nennwert der verkauften Forderungen aus den 70 Darlehensverträgen auf ... €.

5

Aufgrund eines Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 3. Juni 2004 IV B7 -S 7104- 18/04 (BStBl I 2004, 737), das zur Umsetzung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 26. Juni 2003 C-305/01, MKG (Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688) und des Folgeurteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. September 2003 V R 34/99 (BFHE 203, 209, BStBl II 2004, 667) ergangen ist, trafen die Parteien des Forderungskaufvertrages eine Regelung zum sog. wirtschaftlichen Nennwert der verkauften Forderungen. Die Parteien des Kaufvertrages gingen insoweit davon aus, dass der "voraussichtlich realisierbare Teil der Forderungen aufgrund der erheblichen Zahlungsstörungen deutlich unter dem Nennwert liegt und ... € beträgt" (entspricht 57,8 %).

6

Die Vertragsparteien waren weiter der Auffassung, dass "der realisierbare Teil der abgetretenen Forderungen wegen der durchzuführenden Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsmaßnahmen über einen Zeitraum von ca. drei Jahren realisiert werden muss". Im Hinblick hierauf und aufgrund eines von den Parteien angenommenen Zinssatzes von 5,97 % ergab sich nach Ansicht der Vertragsparteien eine Kreditgewährung des Käufers an den Verkäufer mit einem Zinsanteil von ... €, der zu einem abgezinsten wirtschaftlichen Nennwert von ... € (entspricht 54,2 %) führte.

7

Der Kaufpreis für die Forderungen betrug 8.034.883 € (entspricht 51,8 %). Die Parteien waren der Auffassung, dass der Forderungserwerber an den Forderungsverkäufer keine umsatzsteuerpflichtige Leistung erbringt. Für den Fall einer abweichenden Beurteilung durch die Finanzverwaltung gingen die Parteien davon aus, dass die Differenz zwischen dem abgezinsten wirtschaftlichen Nennwert und dem Kaufpreis als Gegenleistung anzusehen sei.

8

Nach dem Kaufvertrag war keine nachträgliche Kaufpreisanpassung vorzunehmen, "wenn sich bei rückblickender Betrachtung herausstellen sollte, dass der realisierbare Teil der Forderungen höher oder niedriger ausfallen sollte oder die Realisierung der Forderungen schneller oder langsamer möglich ist", als im Vertrag angenommen.

9

Dem Kaufvertrag entsprechend informierte die Bank durch sog. "good bye letters" über Verkauf und Abtretung der Forderungen.

10

Die Klägerin gab für den Voranmeldungszeitraum Oktober 2004 eine Umsatzsteuer-Voranmeldung ab, in der sie --entsprechend dem BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 737, aber entgegen ihrer eigenen Rechtsauffassung-- die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem abgezinsten wirtschaftlichen Nennwert als Vergütung für eine umsatzsteuerpflichtige Leistung an den Verkäufer der Forderung ansah. Dementsprechend behandelte sie den Abschlag von ... € als Gegenleistung, so dass sich ein Entgelt von ... € und eine Umsatzsteuerschuld von ... € ergab.

11

Die Klägerin erhob gegen ihre Umsatzsteuer-Voranmeldung Einspruch. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) wies den Einspruch als unbegründet zurück. Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Finanzgericht (FG). Während des FG-Verfahrens erging der Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2004 vom 24. Mai 2006, den das FA durch Bescheid vom 9. August 2007 änderte. Beide Bescheide wurden gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Klageverfahrens.

12

Das FG gab der Klage mit seinem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2008, 887 veröffentlichten Urteil statt. Anders als beim echten Factoring führe die Übertragung zahlungsgestörter Forderungen nicht zu einer umsatzsteuerpflichtigen Leistung an den Verkäufer.

13

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt.

14

Der Senat hat mit Beschluss vom 10. Dezember 2010 V R 18/08 (BFHE 227, 528, BStBl II 2010, 654) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

15

"1. Zur Auslegung von Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG:

Liegt beim Verkauf (Kauf) zahlungsgestörter Forderungen aufgrund der Übernahme von Forderungseinzug und Ausfallrisiko auch dann eine entgeltliche Leistung und eine wirtschaftliche Tätigkeit des Forderungskäufers vor, wenn sich der Kaufpreis

16

-       nicht nach dem Nennwert der Forderungen unter Vereinbarung eines pauschalen Abschlags für die Übernahme von Forderungseinzug und des Ausfallrisikos bemisst, sondern

17

-       nach dem für die jeweilige Forderung geschätzten Ausfallrisiko richtet und dem Forderungseinzug im Verhältnis zu dem auf das Ausfallrisiko entfallenden Abschlag nur untergeordnete Bedeutung zukommt?

18

2. Falls Frage 1 zu bejahen ist, zur Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG:

19

a)      Ist die Übernahme des Ausfallrisikos durch den Forderungskäufer beim Erwerb zahlungsgestörter Forderungen zu einem erheblich unter dem Nennwert der Forderungen liegenden Kaufpreis als Gewährung einer anderen Sicherheit oder Garantie steuerfrei?

20

b)      Falls eine steuerfreie Risikoübernahme vorliegt:

Ist der Forderungseinzug als Teil einer einheitlichen Leistung oder als Nebenleistung steuerfrei oder als eigenständige Leistung steuerpflichtig?

21

3. Falls Frage 1 zu bejahen ist und keine steuerfreie Leistung vorliegt, zur Auslegung von Art. 11 Teil A Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG:

Bestimmt sich das Entgelt für die steuerpflichtige Leistung nach den von den Parteien vermuteten oder nach den tatsächlichen Einziehungskosten?"

22

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 27. Oktober 2011 C-93/10, GFKL (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 933, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 2093) nur eine Antwort auf die erste Frage für erforderlich gehalten und diese wie folgt beantwortet:

23

"Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 der... Richtlinie 77/388/EWG ... sind dahin auszulegen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der auf eigenes Risiko zahlungsgestörte Forderungen zu einem unter ihrem Nennwert liegenden Preis kauft, keine entgeltliche Dienstleistung im Sinne von Art. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie erbringt und keine in ihren Geltungsbereich fallende wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, wenn die Differenz zwischen dem Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelt."

24

Das FA geht davon aus, dass auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils GFKL in UR 2011, 933, DStR 2011, 2093 eine steuerpflichtige Leistung der Klägerin vorliege. Die Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Forderungen und dem Kaufpreis in Höhe von ... € habe sich nicht auf eine Wertminderung der Forderungen bezogen. Es habe sich daher insoweit um eine Gegenleistung für eine an den Forderungsverkäufer erbrachte Leistung gehandelt, da im Hinblick auf diesen Betrag eine Veräußerung unter dem von den Parteien angenommenen wirtschaftlichen Wert vorliege. Die dem Verkäufer erbrachte Dienstleistung bestehe in der Übernahme des Forderungseinzugs. Für die Annahme einer Gegenleistung komme es nicht darauf an, dass diese als Gebühr bezeichnet werde. Die Gegenleistung bestehe darin, dass der Forderungsverkäufer auf einen Teil des wirtschaftlichen Werts der Forderungen verzichtet habe, wie sich bei zutreffender Interpretation des EuGH-Urteils ergebe.

25

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

26

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

27

Die Parteien des Kaufvertrages hätten eine "Differenz" zwischen dem (abgezinsten) wirtschaftlichen Wert und dem Kaufpreis nur im Hinblick auf die Anforderungen der Finanzverwaltung im Vertrag ausgewiesen. Es habe keine Verpflichtung bestanden, gegenüber der Forderungsverkäuferin Dienstleistungen zu erbringen. Trotz des nichtwirtschaftlichen Charakters des Forderungserwerbs sei sie aus den Aufwendungen, die ihr im Zusammenhang mit dem Erwerb der streitigen Forderungen entstanden seien, zum Vorsteuerabzug berechtigt. Hierfür spreche, dass sie diese Leistungen nicht nur für den Forderungserwerb, sondern auch für den Forderungseinzug bezogen habe. Dem Forderungseinzug wurde im Ertragsteuerrecht gewerblicher und damit unternehmerischer, nicht aber vermögensverwaltender Charakter beigemessen. Eine ansonsten gebotene Vorsteueraufteilung habe im Streitfall nach § 43 Nr. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) zu unterbleiben. Im Übrigen werde sie "den in der Rechnung bislang ausgewiesenen Steuerbetrag von ... € unter Beachtung der weiteren Voraussetzungen des § 14c UStG entsprechend § 17 Abs. 1 UStG berichtigen".

Entscheidungsgründe

28

II. Die Revision des FA ist im Ergebnis begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Zwar hat das FG zu Recht entschieden, dass die Klägerin mit dem Ankauf der Forderungen keine steuerpflichtige Leistung an den Forderungsverkäufer erbracht hat. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif, da das FG keine Feststellungen zur Frage eines Steuerausweises in einer Rechnung und zum Vorsteuerabzug getroffen hat.

29

1. Wie das FG zu Recht entschieden hat, erbrachte die Klägerin als Organträgerin der GmbH mit dem Erwerb der zahlungsgestörten Forderungen keine steuerpflichtige Leistung an den Forderungsverkäufer.

30

Der EuGH hat im Urteil GFKL in UR 2011, 933, DStR 2011, 2093 die erste Vorlagefrage des erkennenden Senats, ob beim Verkauf (Kauf) zahlungsgestörter Forderungen aufgrund der Übernahme von Forderungseinzug und Ausfallrisiko auch dann eine entgeltliche Leistung und eine wirtschaftliche Tätigkeit des Forderungskäufers vorliegt, wenn sich der Kaufpreis nach dem für die jeweilige Forderung geschätzten Ausfallrisiko richtet und dem Forderungseinzug im Verhältnis zu dem auf das Ausfallrisiko entfallenden Abschlag nur untergeordnete Bedeutung zukommt, mit der Begründung verneint, dass im "Ausgangsverfahren ..., anders als in dem Rechtsstreit, zu dem das Urteil MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring ergangen ist, der Erwerber der Forderungen vom Veräußerer keine Gegenleistung [erhält], so dass er weder eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 4 der Sechsten Richtlinie ausübt noch eine Dienstleistung im Sinne von Art. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie erbringt" (Rdnr. 22), dass anders "als bei der Factoringgebühr und der Delkrederegebühr, die der Factor in dem Rechtsstreit, zu dem das Urteil MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring ergangen ist, erhielt, ... diese Differenz im Ausgangsrechtsstreit jedoch keine Vergütung dar[stellt], mit der unmittelbar eine vom Käufer der veräußerten Forderungen erbrachte Dienstleistung entgolten werden soll" (Rdnr. 24) und dass die "Differenz zwischen dem Nennwert der übertragenen Forderungen und deren Kaufpreis ... nicht die Gegenleistung für eine solche Dienstleistung dar [stellt], sondern den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert dieser Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung wider[spiegelt], der auf die Zahlungsstörungen und ein erhöhtes Risiko des Ausfalls der Schuldner zurückzuführen ist" (Rdnr. 25).

31

Der EuGH hat damit in Kenntnis aller den Streitfall betreffenden Umstände eine entgeltliche Leistung abgelehnt. Zwar steht das Fehlen einer entgeltlichen Leistung und einer wirtschaftlichen Tätigkeit nach dem Leitsatz des EuGH-Urteils unter dem Vorbehalt, dass "die Differenz zwischen dem Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelt". Aus dem --neben dem abgezinsten wirtschaftlichen Nennwert-- vereinbarten Abschlag lässt sich aber nicht ableiten, dass die Parteien einen Forderungskauf zu einem unter dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert liegenden Kaufpreis vereinbaren wollten. Die Vereinbarung eines wirtschaftlichen Werts und des vom FA als Entgelt angesehenen Abschlags erfolgte erst und nur aufgrund der Vorgaben der Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 737, und später Abschn. 2.4 Abs. 8 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses), wie der Senat in seinem Vorlagebeschluss in BFHE 227, 528, BStBl II 2010, 654, unter II.3.b bb (3) ausführlich dargelegt hat. Die gegenteilige Verwaltungsauffassung ist mit dem EuGH-Urteil GFKL in UR 2011, 933, DStR 2011, 2093 nicht vereinbar.

32

2. Das Urteil des FG war gleichwohl aufzuheben, da die Sache im Hinblick auf den in Frage stehenden Steuerausweis in einer Rechnung und den Vorsteuerabzug nicht spruchreif ist.

33

a) Hat die Klägerin für den Erwerb der Forderungen eine Rechnung mit Steuerausweis erteilt, schuldet sie die in dieser Rechnung ausgewiesene Steuer nach § 14c des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Eine Rechnungsberichtigung wäre entgegen der Auffassung der Klägerin nur zu berücksichtigen, wenn sie noch im Streitjahr erfolgt wäre. Eine erst spätere Rechnungsberichtigung wirkt nicht auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung zurück (BFH-Urteil vom 1. Februar 2001 V R 23/00, BFHE 194, 493, BStBl II 2003, 673, Leitsatz 3).

34

Hieran hat sich durch das EuGH-Urteil vom 15. Juli 2010 C-368/09, Pannon Gép (DStR 2010, 1475) nichts geändert. Denn dieses Urteil betrifft nur die Frage, ob eine Rechnungsberichtigung für Zwecke des Vorsteuerabzugs auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zurückwirkt, ist demgegenüber aber für die sich aus § 14c UStG ergebende Steuerschuld ohne Bedeutung. Wie sich aus der ausdrücklichen Verweisung in § 14c UStG auf § 17 Abs. 1 UStG ergibt, wirkt die Rechnungsberichtigung erst für den Besteuerungszeitraum der Berichtigung ohne Rückwirkung auf den Besteuerungszeitraum der Rechnungserteilung. Jede andere Auslegung wäre mit dem Normzweck des § 14c UStG, einer Gefährdung des Steueraufkommens durch einen unzutreffenden Steuerausweis in Rechnungen entgegenzuwirken (vgl. hierzu Senatsurteil vom 17. Februar 2011 V R 39/09, BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734), nicht zu vereinbaren.

35

Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass der von der GmbH abgeschlossene Vertrag über den Kauf der Forderungen die Anforderungen an eine Rechnung i.S. von § 14c UStG (vgl. auch insoweit das Senatsurteil in BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734) mangels Leistungsbeschreibung nicht erfüllt.

36

b) Sollte im Streitfall keine Steuerschuld nach § 14c UStG vorliegen, ist zu prüfen, ob die Klägerin im Streitjahr einen Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) für den Erwerb der Forderungen und deren Einziehung zu Unrecht in Anspruch genommen hat.

37

aa) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.

38

Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) setzt der Vorsteuerabzug voraus, dass der Unternehmer die bezogene Leistung für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG) und damit für seine wirtschaftliche Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 9. Dezember 2010 V R 17/10, BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53, unter II.1.; vom 13. Januar 2011 V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, unter II.1.; vom 27. Januar 2011 V R 38/09, BFHE 232, 278, BStBl II 2012, 68, unter II.2., und vom 3. März 2011 V R 23/10, BFHE 233, 274, BStBl II 2012, 74, unter II.1.).

39

Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats, der bereits in der Vergangenheit für den Vorsteuerabzug auf die Absicht abgestellt hat, die bezogene Leistung für eine wirtschaftliche Tätigkeit und damit für gegen Entgelt erbrachte Leistungen zu verwenden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 28. November 2002 V R 18/01, BFHE 200, 440, BStBl II 2003, 443, unter II.1., und vom 6. September 2007 V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710, unter II.1.) und der EuGH-Rechtsprechung, nach der wirtschaftliche Tätigkeiten i.S. von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige (Unternehmer) Leistungen erbringt, die nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG der Mehrwertsteuer unterliegen (EuGH-Urteil MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 Rdnrn. 41 und 46 f.).

40

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin reicht es zur Begründung der für den Vorsteuerabzug erforderlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nicht aus, dass die Klägerin beabsichtigte, durch den Forderungseinzug Einnahmen zu erzielen. Denn wirtschaftliche Tätigkeiten setzen die Erbringung entgeltlicher Leistungen voraus; diese liegen nur vor, wenn zwischen dem Unternehmer und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, so dass das Entgelt als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Dezember 2007 V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, unter II.1.a, m.w.N. zur Rechtsprechung von EuGH und BFH).

41

Der Einzug von Forderungen, die die Klägerin --als Organträgerin der GmbH-- nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erworben hat (s. oben II.1.), erfolgte ebenso wie der Erwerb nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit, da die Klägerin mit dem Forderungseinzug keine Leistung gegenüber einer anderen Person erbrachte und dem eingezogenen Forderungsbetrag darüber hinaus auch kein Entgeltcharakter zukam. Ob insoweit nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt, ist für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung unerheblich. Die Klägerin ist daher weder für den Forderungserwerb noch für den Forderungseinzug zum Vorsteuerabzug berechtigt.

42

cc) Gegenteiliges ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus § 43 Nr. 1 UStDV. Danach sind "Umsätze von Geldforderungen, denen zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze des Unternehmers zugrunde liegen" nur dann vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, "wenn sie diesen Umsätzen ausschließlich zuzurechnen sind". Die Vorschrift kann einen Vorsteuerabzug ermöglichen, wenn ein Unternehmer z.B. Forderungen aus seinen steuerpflichtigen Umsatzgeschäften steuerfrei verkauft und abtritt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen aber im Streitfall nicht vor, da die Klägerin weder beim Erwerb (s. oben II.1.) noch bei der Einziehung (s. oben II.2.b bb) der zahlungsgestörten Forderungen zum Vorsteuerabzug berechtigende Leistungen ausgeführt hat.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, erwarb mit Vertrag vom 19. März 1993 ein bebautes Grundstück zum Preis von 14.423.089 DM. Auf dem Grundstück befand sich ein 1914 fertig gestelltes Geschäftshaus, das unter Denkmalschutz stand. Bis zum Erwerb durch die Klägerin wurde das Gebäude durch den Verkäufer vermietet. Der Verkäufer räumte das Gebäude nach Abschluss des Kaufvertrags und beendete die Mietverhältnisse. Die Klägerin modernisierte in den Jahren 1993 bis 1995 das Objekt mit einem Aufwand von ca. 5,5 Mio. DM grundlegend und erweiterte dabei die Nutzfläche. Sie behandelte die Bauaufwendungen als nachträgliche Herstellungskosten und machte hinsichtlich dieser Kosten den Vorsteuerabzug im Rahmen ihrer Umsatzsteuererklärungen 1993 bis 1995 geltend.

2

Während der Umbauphase wurde das Objekt zur Vermietung angeboten. Die Vermietungsbemühungen blieben mit Ausnahme einer vorübergehenden Vermietung des dritten Obergeschosses für Filmaufnahmen ohne Erfolg. Am 20. Dezember 1996 teilte die Klägerin das Objekt in Teileigentumsrechte auf.

3

Am 30. Dezember 1996 schloss die Klägerin mit der A (einer Bank) einen Kaufvertrag über die Teileigentumsrechte Nr. 4 (zweites Obergeschoss) und Nr. 5 (drittes Obergeschoss) zum Preis von 6,2 Mio. DM, ohne dass dabei Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen wurde. Nach § 5 Abs. 1 des Kaufvertrags sollten Lasten und Nutzen des Objekts mit Wirkung zum 30. Dezember 1996, nicht aber vor vollständiger Hinterlegung des Kaufpreises auf dem Notaranderkonto übergehen. Noch am 30. Dezember 1996 überwies die A den Kaufpreis durch telegrafische Überweisung auf das Notaranderkonto.

4

Am 15. Mai 1998 reichte die Klägerin ihre Umsatzsteuererklärungen für das Streitjahr 1996 sowie für 1997 beim Beklagten, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ein. Steuerpflichtige Umsätze aus der Veräußerung der Teileigentumsrechte oder Berichtigungsbeträge nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) erklärte sie nicht. Am 23. Oktober 1998 erließ das FA Umsatzsteuerbescheide 1996 und 1997, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen und mit denen das FA den Erklärungen im Wesentlichen folgte.

5

Im Rahmen einer Außenprüfung zur Umsatzsteuer 1996 bis 1998 bat der Prüfer, Belege über den Zeitpunkt der Hinterlegung des Grundstückskaufpreises durch die A vorzulegen. Die Klägerin teilte hierzu mit, dass der Kaufpreis noch am 30. Dezember 1996 hinterlegt worden sei, legte aber keine Kontoauszüge oder Abrechnungen des Notars vor.

6

Im Anschluss an die Außenprüfung ging das FA davon aus, dass die Veräußerung der Teileigentumsrechte Nr. 4 und Nr. 5 nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei sei und dementsprechend die auf das Teileigentum Nr. 5 entfallende Vorsteuer in Höhe von 11.505 DM pro Jahr ab dem Veranlagungszeitraum 1997 zu berichtigen sei. Weitere Berichtigungen ergaben sich für das Kellergeschoss (2.223 DM) und das Teileigentum Nr. 2 (3.987 DM). Dementsprechend setzte das FA durch Bescheid vom 8. Oktober 2004 die Umsatzsteuer 1997 auf ./. 8.872,45 € fest, wobei es entsprechend der Außenprüfung einen Berichtigungsbetrag gemäß § 15a UStG in Höhe von insgesamt 17.714 DM berücksichtigte. Einen Berichtigungsbetrag in gleicher Höhe legte es dem geänderten Umsatzsteuerbescheid 1998 zugrunde. Weiter hob das FA am 8. Oktober 2004 den Vorbehalt der Nachprüfung zur Umsatzsteuer 1996 auf.

7

Gegen die Bescheide für 1997 und 1998 legte die Klägerin am 21. Oktober 2004 Einspruch ein und machte geltend, das FA sei zu Unrecht von einer Vorsteuerberichtigung ausgegangen, da die Veräußerung der Teileigentumsrechte eine Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG sei.

8

Während des Einspruchsverfahrens wies das FA mit Schreiben vom 16. Februar 2005 und 4. Mai 2005 darauf hin, dass es beabsichtige, die Umsatzsteuer über die bisherige Festsetzung hinaus zu erhöhen, da nach einer Gesetzesänderung auch für das Teileigentum Nr. 4 eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen sei. Zudem sei die Berichtigung für beide Teileigentumsrechte nicht verteilt auf mehrere Jahre, sondern in einem Betrag in 1997 in Höhe von 224.044 DM vorzunehmen. Dementsprechend setzte das FA mit Einspruchsentscheidung vom 23. August 2005 die Umsatzsteuer 1997 auf 96.622,41 € herauf. Dem Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 1998 half das FA ab.

9

Gegen den Umsatzsteuerbescheid 1997 erhob die Klägerin Klage, mit der sie geltend machte, der Lastenwechsel und damit der Übergang der Verfügungsmacht an den Teileigentumsrechten Nr. 4 und Nr. 5 sei bereits am 30. Dezember 1996 erfolgt, so dass allenfalls eine Korrektur für 1996 in Betracht komme. Sie verwies auf eine Aufstellung des Notars, nach der die Zahlung der A in Höhe von 6,2 Mio. DM am 30. Dezember 1996 eingegangen sei und die der Notar der Klägerin am 8. November 2005 übermittelt hatte. Daraufhin setzte das FA am 25. November 2005 die Umsatzsteuer 1997 antragsgemäß auf ./. 17.929,47 € herab. Der Rechtsstreit wurde in der Hauptsache für erledigt erklärt.

10

Ebenfalls am 25. November 2005 erließ das FA einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr 1996, in dem es von einer Vorsteuerberichtigung in Höhe von 224.044 DM ausging und die Umsatzsteuer auf 89.587,54 € festsetzte. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

11

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid 1996 teilweise statt. Das FA sei nach § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) nur berechtigt gewesen, den Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 8. Oktober 2004 in der Weise zu ändern, dass eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG wegen der Veräußerung des Teileigentums Nr. 5 in Höhe von 110.256 DM vorzunehmen sei. Hinsichtlich des auf das Teileigentum Nr. 4 entfallenden Betrags von 113.788 DM scheitere die Änderungsbefugnis am Eintritt der Festsetzungsverjährung.

12

Maßgeblich sei § 15a UStG 1999 i.d.F. des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 --StÄndG 2001-- (BGBl I 2001, 3794) i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des Gesetzes vom 15. Dezember 2003 --StÄndG 2003-- (BGBl I 2003, 2645) und somit die ab 1. Januar 2002 geltende Gesetzesfassung. Es lägen unstreitig nachträgliche Herstellungskosten vor. Die Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse ergebe sich daraus, dass die Klägerin beim Umbau eine umsatzsteuerpflichtige Vermietung beabsichtigt, dann aber Teileigentumsrechte steuerfrei veräußert habe. Eine § 15a UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003 ausschließende Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a UStG liege nicht vor, da der Erwerber nicht die von der Klägerin beabsichtigte Vermietungstätigkeit fortgesetzt, sondern die erworbenen Gebäudeteile eigenbetrieblich genutzt habe. Aufgrund der Veräußerung sei die Berichtigung bereits im Jahr der Veräußerung für den gesamten Korrekturzeitraum des § 15a UStG vorzunehmen.

13

Weiter sei das FA auch teilweise zur Korrektur nach § 174 AO berechtigt gewesen. Das FA habe einen bestimmten Sachverhalt irrig beurteilt, da es bei Erlass des Umsatzsteuerbescheids 1997 vom 8. Oktober 2004 und der verbösernden Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer 1997 vom 23. August 2005 davon ausgegangen sei, dass Nutzen und Lasten für die Teileigentumsrechte Nr. 4 und Nr. 5 erst 1997 auf die A übergegangen seien. Der Lastenwechsel und damit auch die umsatzsteuerrechtlich maßgebliche Übertragung der Teileigentumsrechte seien aber bereits am 30. Dezember 1996 erfolgt. Die Fehlbeurteilung des FA habe sich in der Weise ausgewirkt, dass das FA zunächst mit den Umsatzsteuerbescheiden 1997 und 1998 vom 8. Oktober 2004 die auf das Teileigentum Nr. 5 entfallende Vorsteuer zeitanteilig berichtigt und erst später mit der Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer 1997 vom 23. August 2005 die gesamte auf die Teileigentumsrechte Nr. 4 und Nr. 5 entfallende Vorsteuer berichtigt habe. Es stehe fest, dass das FA nicht vorsätzlich einen falschen Umsatzsteuerbescheid 1997 erlassen habe.

14

Die aufgrund der irrigen Beurteilung durch das FA ergangenen Umsatzsteuerbescheide 1997 und 1998 vom 8. Oktober 2004 sowie die Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer 1997 vom 23. August 2005 seien durch die den Anträgen der Klägerin entsprechenden Abhilfebescheide vom 23. August 2005 zur Umsatzsteuer 1998 und vom 25. November 2005 zur Umsatzsteuer 1997 geändert worden. Daher habe das FA durch den Bescheid vom 25. November 2005 die für das Streitjahr 1996 bestehende Umsatzsteuerfestsetzung grundsätzlich ändern können, um die richtigen steuerlichen Folgerungen zu ziehen. Diese hätten darin bestanden, den mit der Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer 1997 betragsmäßig zutreffend ermittelten Berichtigungsbetrag gemäß § 15a UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003 im zutreffenden Veranlagungszeitraum 1996 zu erfassen.

15

Später aufgehobener Steuerbescheid i.S. des § 174 Abs. 4 Satz 4 AO seien hinsichtlich des Teileigentums Nr. 5 die Umsatzsteuerbescheide 1997 und 1998 vom 8. Oktober 2004. Diese seien vor Eintritt der Festsetzungsverjährung für die Umsatzsteuer 1996 am 11. November 2004 ergangen. Die Festsetzungsfrist für 1996 sei nach § 171 Abs. 4 AO mit Unanfechtbarkeit des aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Umsatzsteuerbescheids für 1996 --der für 1996 erfolgten Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung durch den Bescheid vom 8. Oktober 2004-- und damit erst am 11. November 2004 abgelaufen. Weiter sei für die Klägerin vor Ablauf der Festsetzungsfrist zur Umsatzsteuer 1996 erkennbar gewesen, dass das FA hinsichtlich der Veräußerung des Teileigentums Nr. 5 durch Ansatz von Berichtigungsbeträgen in den Jahren ab 1997 zu Lasten einer Berichtigung im Jahre 1996 abgesehen habe.

16

Das FA sei aber aufgrund Festsetzungsverjährung gehindert gewesen, den Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 8. Oktober 2004 hinsichtlich des auf das Teileigentumsrecht Nr. 4 entfallenden Berichtigungsbetrags von 113.788 DM zu ändern. Aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung am 11. November 2004 komme es auf § 174 Abs. 4 Satz 4 AO an. Der maßgebliche später aufgehobene Steuerbescheid sei hinsichtlich des Teileigentums Nr. 4 die Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer 1997 vom 23. August 2005. Zu diesem Zeitpunkt sei die Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 1996 bereits abgelaufen gewesen. Der Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 8. Oktober 2004 habe aus der Veräußerung des Teileigentums Nr. 4 noch keine für die Klägerin nachteiligen Konsequenzen gezogen, da der Außenprüfer davon ausgegangen sei, dass erst nach einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden Verwendung eine Berichtigung gemäß § 15a UStG erfolgen könne. Davon sei das FA erst mit Schreiben vom 16. Februar 2005 abgerückt. Erstmals mit der Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer 1997 vom 23. August 2005 habe es die auf das Teileigentum Nr. 4 entfallende Vorsteuer in Höhe von 113.788 DM berichtigt. Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO lägen nicht vor. Zwar sei für die Klägerin nach Bekanntgabe des Bescheids erkennbar gewesen, dass das FA rechtsirrig von einer Grundstückslieferung im Jahre 1997 ausgegangen sei, jedoch hätte das FA im Oktober 2004 selbst bei Entdecken dieses Rechtsfehlers den Berichtigungsbetrag nach § 15a UStG nicht in 1996 angesetzt, da es seinerzeit davon ausgegangen sei, dass § 15a UStG auf das Teileigentum Nr. 4 nicht anwendbar sei. Aufgrund der zeitgleich ergangenen Umsatzsteuerbescheide 1997 und 1998 und der Außenprüfungsberichte habe die Klägerin im Oktober 2004 davon ausgehen können, dass die Berichtigung für das Teileigentum Nr. 4 nicht deshalb unberücksichtigt geblieben sei, weil diese Berichtigung in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, sondern weil das FA der Veräußerung des Teileigentums Nr. 4 keine rechtliche Bedeutung für die Vorsteuerberichtigung beigemessen habe. Von dieser Rechtsansicht sei das FA erkennbar erst mit den Schreiben vom 16. Februar 2005 und 4. Mai 2005 abgerückt. Dass die Klägerin zu diesen Zeitpunkten den Fehler der zutreffenden zeitlichen Zuordnung erkennen konnte, sei unerheblich, da die Festsetzungsfrist bereits am 11. November 2004 abgelaufen sei.

17

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2010, 180 veröffentlicht.

18

Gegen das Urteil des FG haben die Klägerin und das FA Revision eingelegt. Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Rechts. Es liege eine Geschäftsveräußerung vor. Das FA sei nicht zur Änderung nach § 174 AO befugt gewesen, da es nicht einen Sachverhalt irrig beurteilt, sondern lediglich nicht zur Kenntnis genommen habe. Eine irrige Beurteilung setze einen Fehler bei der Anwendung des materiellen Rechts voraus. Die Berichtigungsbefugnis sei verwirkt. Der Betriebsprüfer habe die "Geschäftsvorfälle ... in das Jahr 1997 aus sachfremden Erwägungen verschoben". Der Umsatzsteuerkorrekturbetrag sei "wider besseren Wissens ... auf den Zeitraum 1997 projiziert" worden.

19

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben, soweit es die Klage abgewiesen hat und den Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 25. November 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2006 insgesamt aufzuheben.

20

Das FA beantragt,

das Urteil des FG im Umfang der Klagestattgabe aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen.

21

Auch das FA rügt die Verletzung materiellen Rechts. Für die Änderung nach § 174 Abs. 4 Satz 4 AO komme es auf den Ausgangsbescheid und nicht auf die Einspruchsentscheidung an. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift ebenso wie aus der Funktion des Einspruchsverfahrens. Die Veräußerung der beiden Teileigentumsrechte sei als einheitlicher Sachverhalt anzusehen. Der Irrtum des FA habe sich auf beide Teileigentumsrechte bezogen.

Entscheidungsgründe

22

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Revision des FA ist begründet und führt zur Aufhebung des FG-Urteils, soweit es der Klage stattgegeben hat, und zur Klageabweisung in diesem Umfang (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Wie das FG zu Recht entschieden hat, liegt eine steuerfreie Veräußerung vor, die im Streitjahr 1996 zu einer Berichtigung nach § 15a UStG führte. Entgegen dem FG-Urteil war das FA nach § 174 Abs. 4 AO nicht nur hinsichtlich des Teileigentums Nr. 5, sondern vollumfänglich korrekturbefugt.

23

1. Im Streitfall richtet sich die Vorsteuerberichtigung nicht nach § 15a UStG 1993, sondern nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003.

24

a) Die Vorsteuerberichtigung bestimmt sich im Streitfall materiell-rechtlich nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003, der folgenden Wortlaut hat: "Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen."

25

b) Nach § 27 Abs. 8 UStG 1999 ist "§ 15a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3794) ... auch für Zeiträume vor dem 1. Januar 2002 anzuwenden, wenn der Unternehmer den Vorsteuerabzug im Zeitpunkt des Leistungsbezuges auf Grund der von ihm erklärten Verwendungsabsicht in Anspruch genommen hat und die Nutzung ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung mit den für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnissen nicht übereinstimmt". Die durch § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003 angeordnete Rückwirkung ist verfassungsgemäß. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf seine Urteile vom 7. Juli 2005 V R 32/04 (BFHE 211, 74, BStBl II 2005, 907, unter II.2.b) und vom 24. September 2009 V R 6/08 (BFHE 227, 506, BStBl II 2010, 315, unter II.2.b).

26

2. Die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 und Abs. 6a UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 liegen vor.

27

a) Die Übertragung der nach Aufteilung des einheitlichen Wirtschaftsguts entstandenen beiden selbständigen Teileigentumsrechte von der Klägerin auf die A führte zu einer Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse.

28

aa) Die Übertragung, die nach den Feststellungen des FG im Streitjahr 1996 erfolgte, war mangels Verzichts (§ 9 UStG) nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG i.V.m. § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes i.V.m. § 1 Abs. 6 des Wohnungseigentumsgesetzes steuerfrei. Demgegenüber hatte die Klägerin bei Bezug der für den Umbau verwendeten Leistungen beabsichtigt, das Gebäude unter Verzicht (§ 9 UStG) auf die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 UStG steuerpflichtig zu vermieten. Die für den Umbau bezogenen Leistungen sind nachträgliche Herstellungskosten, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

29

bb) Die Änderung der Verhältnisse ist auch im Streitjahr 1996 zu erfassen. § 15a UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003 stellt nur auf eine Änderung der Verhältnisse im Vergleich zur Verwendungsabsicht bei Leistungsbezug und damit Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs ab. Anders als nach § 15a UStG spielt es keine Rolle, ob es vor der Änderung der Verhältnisse bereits zu einer tatsächlichen Verwendung gekommen ist.

30

b) Die Berichtigung konnte nicht aufgrund einer Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a UStG 1999 nach § 15a Abs. 6a UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 unterbleiben.

31

Wie das FG zu Recht entschieden hat und zwischen den Beteiligten im Revisionsverfahren nunmehr auch unstreitig ist, liegt im Streitfall keine Geschäftsveräußerung vor, da die Klägerin beabsichtigte, die übertragenen Grundstücksteile zu vermieten, während die A diese für Zwecke einer Eigennutzung (als Bank) erwarb. Dementsprechend steht fest, dass die durch die Klägerin beabsichtigte Vermietungstätigkeit nicht durch die A fortgesetzt werden sollte.

32

3. Wie das FG weiter zu Recht entschieden hat, war das FA berechtigt, im Umsatzsteuerbescheid für 1996 vom 25. November 2005 sowohl die Änderung der Verhältnisse hinsichtlich des Teileigentums Nr. 5 als auch --entgegen dem FG-Urteil-- hinsichtlich des Teileigentums Nr. 4 zu erfassen.

33

a) Ergeht aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO.

34

b) Im Streitfall liegen die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO vor.

35

aa) Irrig ist die Beurteilung eines Sachverhalts nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wenn sich die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts nachträglich als unrichtig erweist. "Bestimmter" Sachverhalt i.S. des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO ist dabei der einzelne Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Der bestimmte Sachverhalt ist nicht auf eine einzelne steuererhebliche Tatsache oder ein einzelnes Merkmal beschränkt, sondern erfasst den einheitlichen für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex. Unerheblich ist, ob der für die rechtsirrige Beurteilung maßgebliche Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen liegt (BFH-Urteile vom 14. März 2006 I R 8/05, BFHE 212, 517, BStBl II 2007, 602, unter II.1.; vom 14. Januar 2010 IV R 33/07, BFHE 228, 122, BStBl II 2010, 586, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Im Hinblick auf diese Rechtsprechung beruft sich die Klägerin ohne Erfolg auf die insbesondere nach wie vor von Groll (in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 174 AO Rz 237) vertretene Differenzierung zwischen Tatsachen- und Rechtsfehlern.

36

bb) Sachverhalt i.S. von § 174 Abs. 4 Satz 1 AO und damit der nach der BFH-Rechtsprechung maßgebliche "Lebensvorgang", an den § 15a Abs. 1 UStG steuerliche Folgen knüpft, ist im Streitfall die mangels Geschäftsveräußerung (s. oben II.2.b) steuerbare und gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Veräußerung in 1996, die aufgrund der vorherigen Absicht zur steuerpflichtigen Vermietung zu einer Änderung der Verhältnisse führte.

37

cc) Das FA ging hinsichtlich dieses Sachverhalts nach den für den Senat bindenden und nicht mit begründeten Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) irrig davon aus, dass er erst 1997 zu der von § 15a UStG vorausgesetzten Änderung der Verhältnisse geführt habe, weil die Klägerin ihre Behauptung des Eingangs des Kaufpreises noch im Jahr 1996 trotz Aufforderung nicht belegt hatte. Demgegenüber lagen die Voraussetzungen dieser Vorschrift nach § 15a UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003 bereits im Streitjahr 1996 vor (s. oben II.2.a bb).

38

dd) Der aufgrund der irrigen Beurteilung ergangene Umsatzsteuerbescheid 1997 wurde auch aufgrund eines Rechtsbehelfs der Klägerin aufgehoben. Gegenstand dieses Rechtsbehelfs war der Sachverhalt, der zur Vorsteuerberichtigung aufgrund der Veräußerungen der Teileigentumsrechte Nr. 4 und Nr. 5 führte.

39

c) Weiter ist nach § 174 Abs. 4 Satz 3 und 4 AO unerheblich, dass im Zeitpunkt des Erlasses des Umsatzsteuerbescheids 1996 vom 25. November 2005 bereits die Festsetzungsfrist für das Streitjahr 1996 abgelaufen war.

40

aa) Im Zeitpunkt des Erlasses des Umsatzsteuerbescheids 1996 am 25. November 2005 war zwar für 1996 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Denn die Festsetzungsfrist begann nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs 1998, da die Klägerin ihre Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Streitjahr 1996 beim FA am 15. Mai 1998 eingereicht hatte und endete aufgrund der in 2002 begonnenen Außenprüfung nach § 171 Abs. 4 AO erst mit der Unanfechtbarkeit des aufgrund der Außenprüfung für das Streitjahr 1996 erlassenen Umsatzsteuerbescheides und damit aufgrund der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung für den Umsatzsteuerbescheid 1996 durch den Bescheid vom 8. Oktober 2004 am 11. November 2004.

41

bb) Nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO war der Ablauf der Festsetzungsfrist jedoch unbeachtlich, da das FA die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach der Aufhebung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen hat. Denn im Streitfall wurde der geänderte Umsatzsteuerbescheid 1996 am 25. November 2005 und damit bereits an dem Tag erlassen, an dem das FA den fehlerhaften Umsatzsteuerbescheid 1997 aufhob.

42

cc) Auch § 174 Abs. 4 Satz 4 AO steht der Änderung nicht entgegen, da es im Streitfall auf diese Vorschrift nicht ankommt. Denn der später am 25. November 2005 aufgehobene Umsatzsteuerbescheid für 1997 erging am 8. Oktober 2004 und damit an dem Tag, an dem das FA aufgrund der Außenprüfung den Vorbehalt der Nachprüfung für den Umsatzsteuerbescheid 1996 aufhob. Zu diesem Zeitpunkt war die Festsetzungsfrist für 1996 nach § 171 Abs. 4 AO noch nicht abgelaufen.

43

Zu Unrecht stellt das FG hinsichtlich des Teileigentums Nr. 4 auf den erst späteren Erlass der Einspruchsentscheidung vom 23. August 2005 ab. Denn bei Anwendung von § 174 Abs. 4 Satz 3 AO ist allein entscheidend, ob "der Sachverhalt" (i.S. von Abs. 4 Satz 1 dieser Vorschrift) in dem später aufgehobenen Steuerbescheid bereits vor Eintritt der Festsetzungsverjährung berücksichtigt worden ist. Entgegen der Auffassung des FG ist im Streitfall die Übertragung der beiden Teileigentumsrechte aufgrund der Übertragung durch einen Veräußerer und durch einen Rechtsakt auf einen Erwerber ein einheitlicher Sachverhalt i.S. von § 174 Abs. 4 AO, der als solches bereits Gegenstand des am 8. Oktober 2004 ergangenen Umsatzsteuerbescheids 1997 war. Dass das FA diesen Bescheid durch die Einspruchsentscheidung geändert hat, ist unerheblich.

44

War daher die Festsetzungsfrist gemäß § 174 Abs. 4 Satz 4 AO noch nicht abgelaufen, kommt es im Streitfall auf die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO und das zu dieser Vorschrift ergangene BFH-Urteil in BFHE 228, 122, BStBl II 2010, 586, auf das sich die Klägerin stützt, nicht an.

45

d) Liegen somit die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO vor, war das FA nicht nur berechtigt, den zunächst durch den Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 8. Oktober 2004 für das Teileigentum Nr. 5 zeitanteilig ermittelten Berichtigungsbetrag im Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 25. November 2005 zu erfassen, sondern konnte weitergehend sowohl den gesamten Berichtigungszeitraum als auch die sich für das Teileigentum Nr. 4 ergebenden Folgen in diesem Bescheid berücksichtigen.

46

Die Änderungsbefugnis nach § 174 Abs. 4 AO gestattet es dem FA "aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen" zu ziehen. Eine (Folge-)Änderung nach § 174 Abs. 4 AO setzt weder voraus, dass mit der (Ausgangs-)Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen dessen Antrag entsprochen wurde, noch dass die Auswirkungen der Änderung zugunsten und der Änderung zuungunsten des Steuerpflichtigen einander aufheben. Ein Verböserungshinweis ist auch dann nicht erforderlich, wenn die Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen im Ergebnis zu einer steuerlichen Mehrbelastung durch die Folgeänderung führt (BFH-Urteil vom 19. Mai 2005 IV R 17/02, BFHE 209, 384, BStBl II 2005, 637, Leitsatz). Das FA konnte daher für diesen Sachverhalt, der wie unter II.2.a aa ausgeführt, die Veräußerung der beiden Teileigentumsrechte umfasste, die nach § 15a UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003 richtigen steuerlichen Folgen ziehen und die diese betreffende Vorsteuer für den gesamten noch offenen Berichtigungszeitraum berichtigen.

47

e) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das FA seine Änderungsbefugnis nicht verwirkt.

48

Verwirkung setzt ein bestimmtes Verhalten der Finanzbehörde voraus, aufgrund dessen der Steuerpflichtige bei objektiver Betrachtung annehmen darf, dass die Behörde den Anspruch nicht oder nicht mehr geltend macht, wofür es auf ein Zeit- und ein Umstandsmoment ankommt. Während für das Zeitmoment bereits eine längere Untätigkeit des Anspruchsberechtigten genügen kann, setzt das Umstandsmoment ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten und einen hierdurch ausgelösten Vertrauenstatbestand beim Verpflichteten voraus (BFH-Urteil vom 7. Juli 2004 X R 24/03, BFHE 206, 292, BStBl II 2004, 975, unter II.B.5.).

49

Vorliegend fehlt es --wie das FG zu Recht entschieden hat-- sowohl an einer längeren Untätigkeit des FA als auch an einem Vertrauenstatbestand auf Seiten der Klägerin. Insbesondere reicht die fehlerhafte Beurteilung des Sachverhalts durch Unterbleiben einer weiter gehenden Sachaufklärung im Rahmen der Außenprüfung nach den Verhältnissen des Streitfalls nicht aus. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) kann nicht davon ausgegangen werden, dass das FA "wider besseren Wissens die zeitliche Dimension des Sachverhaltssegments... eigenmächtig vom Kalenderjahr 1996 auf das Jahr 1997 ... projiziert" habe.

50

f) Schließlich steht der Änderung nach § 174 AO entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht entgegen, dass für das Streitjahr bereits ein gerichtliches Urteil ergangen ist (vgl. hierzu Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 10. November 2010  1 K 1914/08, EFG 2011, 689). Denn im Streitfall ist vor dem mit der Revision angefochtenen FG-Urteil kein Urteil für das Streitjahr, sondern nur für das Folgejahr ergangen.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (1999) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger war als Geschäftsführer bei der A-GmbH beschäftigt, an der er ursprünglich auch zur Hälfte beteiligt war. Das Anstellungsverhältnis wurde vorzeitig zum 31. Dezember 1999 beendet; zum Ausgleich verpflichtete sich die A-GmbH, dem Kläger eine Abfindung von 500.000 DM zu zahlen, fällig am 1. Januar 2000. Bereits im Jahr 1998 hatten der Kläger und sein Mitgesellschafter ihre restliche Beteiligung an der A-GmbH an die B-GmbH veräußert, an der der Kläger ebenfalls beteiligt war. Sein Kaufpreisanteil betrug 3.500.000 DM, wobei er sich zur Rückerstattung desjenigen Teils des Kaufpreises verpflichtet hatte, um den der von ihm erzielte Erlös einen späteren (anteiligen) Weiterveräußerungserlös der B-GmbH überstieg. Bei der Weiterveräußerung im Jahr 1999 erzielte die B-GmbH den von ihr gezahlten Kaufpreis nicht, weshalb ihr ein Rückerstattungsanspruch in Höhe von 500.000 DM gegen den Kläger zustand. Im Folgenden trat der Kläger seinen Abfindungsanspruch gegen die A-GmbH an die B-GmbH ab und zeigte die Abtretung mit Schreiben vom 11. November 1999 der A-GmbH an, die am 21. Dezember 1999 an die B-GmbH zahlte. Der Zufluss der 500.000 DM wurde bei der B-GmbH als Betriebseinnahme der Besteuerung unterworfen; eine Berücksichtigung der Zahlung bei dem Kläger erfolgte zunächst weder für den Veranlagungszeitraum 1998 noch für den Veranlagungszeitraum 1999.

2

Am 2. April 2004 erhielt das damals für den Kläger zuständige Finanzamt (FA HO) eine Kontrollmitteilung, dass der Kläger eine Abfindungszahlung in Höhe von 500.000 DM aufgrund der vorzeitigen Aufhebung des Geschäftsführervertrages erhalten habe. Die Zahlung an die B-GmbH sei am 21. Dezember 1999 erfolgt. Ohne diese Kontrollmitteilung auszuwerten, änderte das FA HO aus anderen Gründen mit Bescheid vom 16. März 2005 den Einkommensteuerbescheid der Kläger für 1999.

3

Unter dem 16. Dezember 2005 änderte das FA HO diesen Bescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) und setzte die Einkommensteuer für 1999 unter Berücksichtigung der Abfindung auf 271.811,97 € (531.618 DM) fest. Hiergegen legten die Kläger Einspruch mit der Begründung ein, dass nach Berücksichtigung des Abfindungsbetrags bei der Einkommensteuer des Klägers konsequenterweise in Höhe dieses Betrages der Körperschaftsteuerbescheid der B-GmbH berichtigt werden müsse. Dies habe das für die B-GmbH zuständige Finanzamt jedoch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung abgelehnt. Es werde daher beantragt, das sie betreffende Verfahren im Hinblick auf das bereits anhängige Verfahren gegen den Körperschaftsteuerbescheid ruhen zu lassen.

4

Anlässlich des beim Finanzgericht (FG) anhängigen Klageverfahrens der B-GmbH (3 K 78/06) betreffend die Körperschaftsteuer 1999 regte das FG an, bei dem Kläger für den Veranlagungszeitraum 1998 den ihm ursprünglich zugeflossenen Veräußerungserlös um 500.000 DM zu mindern, damit die Zahlung des Betrages nicht nur isoliert im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Veranlagungszeitraum 1999 berücksichtigt werde. Der zwischenzeitlich für die Einkommensteuer zuständig gewordene Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --FA--) schlug daraufhin am 11. Dezember 2006 schriftlich vor, den Veräußerungserlös aus dem Verkauf der Beteiligung an der A-GmbH in 1998 aufgrund der 1999 erfolgten Kaufpreiserstattung um 500.000 DM zu reduzieren und die Einkommensteuer für 1998 entsprechend herabzusetzen. Im Gegenzug solle eine Rücknahme des Einspruchs für 1999 erfolgen. Laut Telefonvermerk des FA vom selben Tag erklärte der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers, nach Vorlage des entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheids 1998 die Klage betreffend die B-GmbH und nach Bestandskraft des Bescheids den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 zurücknehmen zu wollen. Die schriftliche Fixierung der Vereinbarung durch das FA vom 12. Dezember 2006 entsprach dem zuvor von ihm unterbreiteten Vorschlag; die Rücknahme der Klage der B-GmbH wird darin nicht erwähnt.

5

Das FA erließ wie angekündigt am 21. Dezember 2006 einen nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für 1998, in dem der Erlös aus der Veräußerung der Geschäftsanteile um 500.000 DM herabgesetzt war. Der Kläger nahm in der Folge den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 nicht zurück, sondern beantragte über einen neuen Prozessbevollmächtigten die Fortsetzung des bis dahin ruhenden Einspruchsverfahrens. Eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 1999 vom 16. März 2005 sei nicht zulässig gewesen, weil es an einer Änderungsvorschrift fehle.

6

Mit Bescheid vom 12. November 2007 hob das FA den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 16. Dezember 2005 auf. Mit weiterem Bescheid vom selben Tag erließ er gestützt auf § 174 Abs. 4 AO den streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid und setzte die Einkommensteuer 1999 wiederum auf 271.811,97 € fest.

7

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Nach Auffassung des FG waren die Voraussetzungen für den Erlass eines auf § 174 Abs. 4 AO gestützten Änderungsbescheids gegeben. Durch die Abtretung seiner Forderung gegen die A-GmbH an die B-GmbH habe der Kläger seinen Abfindungsanspruch mit der gegen ihn gerichteten Rückzahlungsverpflichtung in einer Weise miteinander verbunden, dass sich das Geschehen als einheitliches Ganzes und damit als "bestimmter Sachverhalt" i.S. des § 174 Abs. 4 darstelle. Diesen Sachverhalt habe das FA irrig beurteilt, weil es die steuerrechtlichen Folgerungen der Kaufpreisminderung für die Einkommensteuer 1998 zunächst nicht gezogen habe. Nachdem der Kläger wiederholt --wenn auch im Zusammenhang mit dem Körperschaftsteuerbescheid der B-GmbH-- sein Anliegen zum Ausdruck gebracht habe, dass bei einer Besteuerung der Abfindungszahlung in 1999 auch der steuermindernde Umstand der Kaufpreisrückerstattung Berücksichtigung finden müsse, sei die zutreffende steuerliche Erfassung dieses Geschehens durch das FA im Veranlagungszeitraum 1998 auch auf seinen Antrag erfolgt.

8

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, die sie auf die Verletzung von § 174 Abs. 4 AO stützen.

9

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des FG und den Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 12. November 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

10

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die zulässige Revision ist begründet und führt zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht hat das FG angenommen, der Einkommensteuerbescheid 1999 vom 16. März 2005 habe nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO geändert werden können.

12

1. Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. Mai 2001 VIII R 44/00, BFHE 195, 14, BStBl II 2001, 562; vom 24. November 1987 IX R 158/83, BFHE 152, 203, BStBl II 1988, 404). Durch § 174 AO soll die Finanzbehörde die Möglichkeit erhalten, in bestimmten Fällen der materiellen Richtigkeit Vorrang einzuräumen, indem vermieden wird, dass Steuerfestsetzungen bestehen bleiben, die inhaltlich zueinander im Widerspruch stehen (BFH-Urteil vom 28. Januar 2009 X R 27/07, BFHE 224, 15, BStBl II 2009, 620). Die Vorschrift setzt hinsichtlich der verfahrensmäßigen Abfolge voraus, dass ein angefochtener Bescheid als irrig erkannt und deswegen auf Antrag des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird. Dies löst sodann --"nachträglich"-- die Rechtsfolge des § 174 Abs. 4 AO aus, nämlich dass ein anderer Bescheid erlassen oder geändert werden kann. Die Vorschrift zieht somit die verfahrensrechtliche Konsequenz daraus, dass der andere Bescheid nunmehr eine "widerstreitende Steuerfestsetzung" enthält, wie sie das Gesetz nach seiner amtlichen Überschrift zu § 174 AO voraussetzt (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10. November 1997 GrS 1/96, BFHE 184, 1, BStBl II 1998, 83, unter C.II.1.).

13

Die durch § 174 Abs. 4 AO eingeräumte Möglichkeit, einen bestandskräftigen Steuerbescheid nachträglich zu ändern, findet ihre Rechtfertigung im fehlenden schutzwürdigen Vertrauen des Steuerpflichtigen; derjenige, der erfolgreich für seine Rechtsansicht gestritten hat, muss auch die damit verbundenen Nachteile hinnehmen (BFH-Urteil vom 10. März 1999 XI R 28/98, BFHE 188, 409, BStBl II 1999, 475, unter II.2.). Die Einheitlichkeit des Lebenssachverhalts und das Interesse an seiner übereinstimmenden steuerrechtlichen Beurteilung erlauben es, unter diesen Voraussetzungen einer zutreffenden Besteuerung den Vorrang vor dem Schutz des Vertrauens auf die Bestandskraft der Steuerfestsetzung zu geben (BFH-Urteil in BFHE 224, 15, BStBl II 2009, 620; Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 174 Rz 4). Der Steuerpflichtige ist allerdings nur dann nicht schutzwürdig, wenn er die Aufhebung oder Änderung des vorangegangenen Steuerbescheides selbst herbeigeführt hat. § 174 Abs. 4 Satz 1 AO lässt deshalb --anders als § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO-- die Zustimmung des Steuerpflichtigen nicht genügen, sondern verlangt --unter Gleichsetzung von Antrag und Rechtsbehelf--, dass die Änderung gerade auf Grund einer vom Steuerpflichtigen ausgehenden Initiative erfolgt (vgl. BFH-Urteile vom 29. Juni 2005 X R 38/04, BFH/NV 2005, 1751; vom 18. Juni 1991 VIII R 54/89, BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124). Allerdings ist es nicht notwendig, dass dem Rechtsbehelf oder Antrag des Steuerpflichtigen auch aus den von ihm geltend gemachten Gründen entsprochen wurde, solange die Änderung jedenfalls durch den Rechtsbehelf oder Antrag des Steuerpflichtigen veranlasst worden ist (BFH-Urteile vom 19. Mai 2005 IV R 17/02, BFHE 209, 384, BStBl II 2005, 637, unter I.2.; in BFHE 195, 14, BStBl II 2001, 562). Die auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützte Durchbrechung des Vertrauensschutzes ist aber dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn der Rechtsbehelf oder Antrag des Steuerpflichtigen den letztlich geänderten Bescheid nicht zum Gegenstand hatte (vgl. v. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 174 AO Rz 247; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 44). Der Steuerpflichtige muss vielmehr spezifisch die Änderung des vorausgegangenen Bescheides veranlasst haben. Die bloße Hinnahme einer allein von der Finanzverwaltung ausgehenden Änderung reicht vor dem Hintergrund des eindeutigen Wortlauts und der Systematik der Änderungsvorschriften der Abgabenordnung nicht aus.

14

2. Nach diesen Grundsätzen konnte der Einkommensteuerbescheid vom 16. März 2005 nicht nach § 174 Abs. 4 AO geändert werden. Ausweislich der getroffenen und für das Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen hat der Kläger sich zu keinem Zeitpunkt, auch nicht konkludent, gegen die Festsetzung der Einkommensteuer für 1998 gewandt. Einspruch hat er lediglich gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 16. Dezember 2005 eingelegt und diesen damit begründet, dass die steuerliche Erfassung der Abfindung bei seinen Einkünften dazu führen müsse, dass der Betrag nicht mehr bei der B-GmbH besteuert werden dürfe; einen Bezug zu der gegen ihn festgesetzten Einkommensteuer für 1998 hat er nicht hergestellt. Für einen Antrag auf Änderung des Einkommensteuerbescheides 1998 fehlt danach jeder Anhalt. Die Änderung dieses Bescheides erfolgte vielmehr auf ein --durch das FG im Verfahren gegen die B-GmbH veranlasstes-- Angebot des FA hin. Damit hat der Kläger gerade nicht selbst die Ursache für die Abänderung des auf einer irrigen Beurteilung beruhenden ersten Bescheids gesetzt, die die nachträgliche Abänderung des Einkommensteuerbescheides für 1999 rechtfertigen würde.

15

3. Vor diesem Hintergrund bedarf die Frage keiner Entscheidung, ob die vor Fälligkeit erfolgte Abtretung des Abfindungsanspruchs zum Zwecke der Erfüllung der den Kläger treffenden Rückzahlungsverpflichtung überhaupt geeignet ist, die beiden Ereignisse zu einem bestimmten Sachverhalt i.S. von § 174 Abs. 4 Satz 1 AO zu verbinden.

16

4. Da die Vorentscheidung von anderen Voraussetzungen ausgegangen ist, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Mangels Änderungsmöglichkeit des Einkommensteuerbescheides für 1999 vom 16. März 2005 ist der Klage stattzugeben.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist alleinige Gesellschafterin und Organträgerin einer GmbH, die mit Kaufvertrag vom 26. Oktober 2004 von einer Bank Grundpfandrechte und Forderungen aus 70 gekündigten und fällig gestellten Darlehensverträgen erwarb.

2

Kaufgegenstand des Vertrages, den die GmbH als Forderungskäufer (im Folgenden auch Käufer oder Forderungserwerber) mit der Bank abgeschlossen hatte, waren "Grundpfandrechte sowie alle sonstigen Rechte und Ansprüche aus den in [der] Anlage Portfoliodaten aufgeführten Darlehensverträgen einschließlich der Darlehensforderungen, aller gegenwärtigen und/oder künftigen, bedingten und/oder befristeten Nebenforderungen wie Zinsen, Kosten und Gebühren, sämtlicher Zusatz- und Drittsicherheiten (z.B. Kautionen, Vorbehalts- und Sicherungseigentum, Anwartschaftsrecht, Pfandgegenstände, Sicherungsabtretungen, Verpfändungen von Lebensversicherungsansprüchen, Bürgschaften und sonstigen Mitverpflichtungen, Schuldanerkenntnisse), insbesondere der dinglichen Sicherheiten, aller Titel und aller sonstigen im Zusammenhang mit den jeweiligen Darlehensverträgen stehenden Unterlagen wie Urkunden, Kundenakten, Korrespondenz und evtl. sonstigen Geschäftsunterlagen (im Folgenden zusammen als die 'verkauften Gegenstände' bezeichnet)".

3

Der Vertrag sah eine Rückbeziehung auf einen Stichtag (29. April 2004) vor, ab dem die "verkauften Gegenstände" für Rechnung und Risiko des Käufers "geführt bzw. gehalten" wurden. Zahlungen auf die "verkauften Gegenstände", die nach dem Stichtag erfolgten, sollten dem Käufer zustehen. Nach dem Vertrag war eine Haftung des Verkäufers für die Einbringlichkeit der Forderungen (Delkredererisiko) und den wirtschaftlichen Wert der Sicherheiten ausdrücklich ausgeschlossen.

4

Zum Stichtag 29. April 2004 belief sich der Nennwert der verkauften Forderungen aus den 70 Darlehensverträgen auf ... €.

5

Aufgrund eines Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 3. Juni 2004 IV B7 -S 7104- 18/04 (BStBl I 2004, 737), das zur Umsetzung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 26. Juni 2003 C-305/01, MKG (Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688) und des Folgeurteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. September 2003 V R 34/99 (BFHE 203, 209, BStBl II 2004, 667) ergangen ist, trafen die Parteien des Forderungskaufvertrages eine Regelung zum sog. wirtschaftlichen Nennwert der verkauften Forderungen. Die Parteien des Kaufvertrages gingen insoweit davon aus, dass der "voraussichtlich realisierbare Teil der Forderungen aufgrund der erheblichen Zahlungsstörungen deutlich unter dem Nennwert liegt und ... € beträgt" (entspricht 57,8 %).

6

Die Vertragsparteien waren weiter der Auffassung, dass "der realisierbare Teil der abgetretenen Forderungen wegen der durchzuführenden Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsmaßnahmen über einen Zeitraum von ca. drei Jahren realisiert werden muss". Im Hinblick hierauf und aufgrund eines von den Parteien angenommenen Zinssatzes von 5,97 % ergab sich nach Ansicht der Vertragsparteien eine Kreditgewährung des Käufers an den Verkäufer mit einem Zinsanteil von ... €, der zu einem abgezinsten wirtschaftlichen Nennwert von ... € (entspricht 54,2 %) führte.

7

Der Kaufpreis für die Forderungen betrug 8.034.883 € (entspricht 51,8 %). Die Parteien waren der Auffassung, dass der Forderungserwerber an den Forderungsverkäufer keine umsatzsteuerpflichtige Leistung erbringt. Für den Fall einer abweichenden Beurteilung durch die Finanzverwaltung gingen die Parteien davon aus, dass die Differenz zwischen dem abgezinsten wirtschaftlichen Nennwert und dem Kaufpreis als Gegenleistung anzusehen sei.

8

Nach dem Kaufvertrag war keine nachträgliche Kaufpreisanpassung vorzunehmen, "wenn sich bei rückblickender Betrachtung herausstellen sollte, dass der realisierbare Teil der Forderungen höher oder niedriger ausfallen sollte oder die Realisierung der Forderungen schneller oder langsamer möglich ist", als im Vertrag angenommen.

9

Dem Kaufvertrag entsprechend informierte die Bank durch sog. "good bye letters" über Verkauf und Abtretung der Forderungen.

10

Die Klägerin gab für den Voranmeldungszeitraum Oktober 2004 eine Umsatzsteuer-Voranmeldung ab, in der sie --entsprechend dem BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 737, aber entgegen ihrer eigenen Rechtsauffassung-- die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem abgezinsten wirtschaftlichen Nennwert als Vergütung für eine umsatzsteuerpflichtige Leistung an den Verkäufer der Forderung ansah. Dementsprechend behandelte sie den Abschlag von ... € als Gegenleistung, so dass sich ein Entgelt von ... € und eine Umsatzsteuerschuld von ... € ergab.

11

Die Klägerin erhob gegen ihre Umsatzsteuer-Voranmeldung Einspruch. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) wies den Einspruch als unbegründet zurück. Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Finanzgericht (FG). Während des FG-Verfahrens erging der Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2004 vom 24. Mai 2006, den das FA durch Bescheid vom 9. August 2007 änderte. Beide Bescheide wurden gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Klageverfahrens.

12

Das FG gab der Klage mit seinem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2008, 887 veröffentlichten Urteil statt. Anders als beim echten Factoring führe die Übertragung zahlungsgestörter Forderungen nicht zu einer umsatzsteuerpflichtigen Leistung an den Verkäufer.

13

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt.

14

Der Senat hat mit Beschluss vom 10. Dezember 2010 V R 18/08 (BFHE 227, 528, BStBl II 2010, 654) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

15

"1. Zur Auslegung von Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG:

Liegt beim Verkauf (Kauf) zahlungsgestörter Forderungen aufgrund der Übernahme von Forderungseinzug und Ausfallrisiko auch dann eine entgeltliche Leistung und eine wirtschaftliche Tätigkeit des Forderungskäufers vor, wenn sich der Kaufpreis

16

-       nicht nach dem Nennwert der Forderungen unter Vereinbarung eines pauschalen Abschlags für die Übernahme von Forderungseinzug und des Ausfallrisikos bemisst, sondern

17

-       nach dem für die jeweilige Forderung geschätzten Ausfallrisiko richtet und dem Forderungseinzug im Verhältnis zu dem auf das Ausfallrisiko entfallenden Abschlag nur untergeordnete Bedeutung zukommt?

18

2. Falls Frage 1 zu bejahen ist, zur Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG:

19

a)      Ist die Übernahme des Ausfallrisikos durch den Forderungskäufer beim Erwerb zahlungsgestörter Forderungen zu einem erheblich unter dem Nennwert der Forderungen liegenden Kaufpreis als Gewährung einer anderen Sicherheit oder Garantie steuerfrei?

20

b)      Falls eine steuerfreie Risikoübernahme vorliegt:

Ist der Forderungseinzug als Teil einer einheitlichen Leistung oder als Nebenleistung steuerfrei oder als eigenständige Leistung steuerpflichtig?

21

3. Falls Frage 1 zu bejahen ist und keine steuerfreie Leistung vorliegt, zur Auslegung von Art. 11 Teil A Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG:

Bestimmt sich das Entgelt für die steuerpflichtige Leistung nach den von den Parteien vermuteten oder nach den tatsächlichen Einziehungskosten?"

22

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 27. Oktober 2011 C-93/10, GFKL (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 933, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 2093) nur eine Antwort auf die erste Frage für erforderlich gehalten und diese wie folgt beantwortet:

23

"Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 der... Richtlinie 77/388/EWG ... sind dahin auszulegen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der auf eigenes Risiko zahlungsgestörte Forderungen zu einem unter ihrem Nennwert liegenden Preis kauft, keine entgeltliche Dienstleistung im Sinne von Art. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie erbringt und keine in ihren Geltungsbereich fallende wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, wenn die Differenz zwischen dem Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelt."

24

Das FA geht davon aus, dass auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils GFKL in UR 2011, 933, DStR 2011, 2093 eine steuerpflichtige Leistung der Klägerin vorliege. Die Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Forderungen und dem Kaufpreis in Höhe von ... € habe sich nicht auf eine Wertminderung der Forderungen bezogen. Es habe sich daher insoweit um eine Gegenleistung für eine an den Forderungsverkäufer erbrachte Leistung gehandelt, da im Hinblick auf diesen Betrag eine Veräußerung unter dem von den Parteien angenommenen wirtschaftlichen Wert vorliege. Die dem Verkäufer erbrachte Dienstleistung bestehe in der Übernahme des Forderungseinzugs. Für die Annahme einer Gegenleistung komme es nicht darauf an, dass diese als Gebühr bezeichnet werde. Die Gegenleistung bestehe darin, dass der Forderungsverkäufer auf einen Teil des wirtschaftlichen Werts der Forderungen verzichtet habe, wie sich bei zutreffender Interpretation des EuGH-Urteils ergebe.

25

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

26

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

27

Die Parteien des Kaufvertrages hätten eine "Differenz" zwischen dem (abgezinsten) wirtschaftlichen Wert und dem Kaufpreis nur im Hinblick auf die Anforderungen der Finanzverwaltung im Vertrag ausgewiesen. Es habe keine Verpflichtung bestanden, gegenüber der Forderungsverkäuferin Dienstleistungen zu erbringen. Trotz des nichtwirtschaftlichen Charakters des Forderungserwerbs sei sie aus den Aufwendungen, die ihr im Zusammenhang mit dem Erwerb der streitigen Forderungen entstanden seien, zum Vorsteuerabzug berechtigt. Hierfür spreche, dass sie diese Leistungen nicht nur für den Forderungserwerb, sondern auch für den Forderungseinzug bezogen habe. Dem Forderungseinzug wurde im Ertragsteuerrecht gewerblicher und damit unternehmerischer, nicht aber vermögensverwaltender Charakter beigemessen. Eine ansonsten gebotene Vorsteueraufteilung habe im Streitfall nach § 43 Nr. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) zu unterbleiben. Im Übrigen werde sie "den in der Rechnung bislang ausgewiesenen Steuerbetrag von ... € unter Beachtung der weiteren Voraussetzungen des § 14c UStG entsprechend § 17 Abs. 1 UStG berichtigen".

Entscheidungsgründe

28

II. Die Revision des FA ist im Ergebnis begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Zwar hat das FG zu Recht entschieden, dass die Klägerin mit dem Ankauf der Forderungen keine steuerpflichtige Leistung an den Forderungsverkäufer erbracht hat. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif, da das FG keine Feststellungen zur Frage eines Steuerausweises in einer Rechnung und zum Vorsteuerabzug getroffen hat.

29

1. Wie das FG zu Recht entschieden hat, erbrachte die Klägerin als Organträgerin der GmbH mit dem Erwerb der zahlungsgestörten Forderungen keine steuerpflichtige Leistung an den Forderungsverkäufer.

30

Der EuGH hat im Urteil GFKL in UR 2011, 933, DStR 2011, 2093 die erste Vorlagefrage des erkennenden Senats, ob beim Verkauf (Kauf) zahlungsgestörter Forderungen aufgrund der Übernahme von Forderungseinzug und Ausfallrisiko auch dann eine entgeltliche Leistung und eine wirtschaftliche Tätigkeit des Forderungskäufers vorliegt, wenn sich der Kaufpreis nach dem für die jeweilige Forderung geschätzten Ausfallrisiko richtet und dem Forderungseinzug im Verhältnis zu dem auf das Ausfallrisiko entfallenden Abschlag nur untergeordnete Bedeutung zukommt, mit der Begründung verneint, dass im "Ausgangsverfahren ..., anders als in dem Rechtsstreit, zu dem das Urteil MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring ergangen ist, der Erwerber der Forderungen vom Veräußerer keine Gegenleistung [erhält], so dass er weder eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 4 der Sechsten Richtlinie ausübt noch eine Dienstleistung im Sinne von Art. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie erbringt" (Rdnr. 22), dass anders "als bei der Factoringgebühr und der Delkrederegebühr, die der Factor in dem Rechtsstreit, zu dem das Urteil MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring ergangen ist, erhielt, ... diese Differenz im Ausgangsrechtsstreit jedoch keine Vergütung dar[stellt], mit der unmittelbar eine vom Käufer der veräußerten Forderungen erbrachte Dienstleistung entgolten werden soll" (Rdnr. 24) und dass die "Differenz zwischen dem Nennwert der übertragenen Forderungen und deren Kaufpreis ... nicht die Gegenleistung für eine solche Dienstleistung dar [stellt], sondern den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert dieser Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung wider[spiegelt], der auf die Zahlungsstörungen und ein erhöhtes Risiko des Ausfalls der Schuldner zurückzuführen ist" (Rdnr. 25).

31

Der EuGH hat damit in Kenntnis aller den Streitfall betreffenden Umstände eine entgeltliche Leistung abgelehnt. Zwar steht das Fehlen einer entgeltlichen Leistung und einer wirtschaftlichen Tätigkeit nach dem Leitsatz des EuGH-Urteils unter dem Vorbehalt, dass "die Differenz zwischen dem Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelt". Aus dem --neben dem abgezinsten wirtschaftlichen Nennwert-- vereinbarten Abschlag lässt sich aber nicht ableiten, dass die Parteien einen Forderungskauf zu einem unter dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert liegenden Kaufpreis vereinbaren wollten. Die Vereinbarung eines wirtschaftlichen Werts und des vom FA als Entgelt angesehenen Abschlags erfolgte erst und nur aufgrund der Vorgaben der Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 737, und später Abschn. 2.4 Abs. 8 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses), wie der Senat in seinem Vorlagebeschluss in BFHE 227, 528, BStBl II 2010, 654, unter II.3.b bb (3) ausführlich dargelegt hat. Die gegenteilige Verwaltungsauffassung ist mit dem EuGH-Urteil GFKL in UR 2011, 933, DStR 2011, 2093 nicht vereinbar.

32

2. Das Urteil des FG war gleichwohl aufzuheben, da die Sache im Hinblick auf den in Frage stehenden Steuerausweis in einer Rechnung und den Vorsteuerabzug nicht spruchreif ist.

33

a) Hat die Klägerin für den Erwerb der Forderungen eine Rechnung mit Steuerausweis erteilt, schuldet sie die in dieser Rechnung ausgewiesene Steuer nach § 14c des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Eine Rechnungsberichtigung wäre entgegen der Auffassung der Klägerin nur zu berücksichtigen, wenn sie noch im Streitjahr erfolgt wäre. Eine erst spätere Rechnungsberichtigung wirkt nicht auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung zurück (BFH-Urteil vom 1. Februar 2001 V R 23/00, BFHE 194, 493, BStBl II 2003, 673, Leitsatz 3).

34

Hieran hat sich durch das EuGH-Urteil vom 15. Juli 2010 C-368/09, Pannon Gép (DStR 2010, 1475) nichts geändert. Denn dieses Urteil betrifft nur die Frage, ob eine Rechnungsberichtigung für Zwecke des Vorsteuerabzugs auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zurückwirkt, ist demgegenüber aber für die sich aus § 14c UStG ergebende Steuerschuld ohne Bedeutung. Wie sich aus der ausdrücklichen Verweisung in § 14c UStG auf § 17 Abs. 1 UStG ergibt, wirkt die Rechnungsberichtigung erst für den Besteuerungszeitraum der Berichtigung ohne Rückwirkung auf den Besteuerungszeitraum der Rechnungserteilung. Jede andere Auslegung wäre mit dem Normzweck des § 14c UStG, einer Gefährdung des Steueraufkommens durch einen unzutreffenden Steuerausweis in Rechnungen entgegenzuwirken (vgl. hierzu Senatsurteil vom 17. Februar 2011 V R 39/09, BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734), nicht zu vereinbaren.

35

Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass der von der GmbH abgeschlossene Vertrag über den Kauf der Forderungen die Anforderungen an eine Rechnung i.S. von § 14c UStG (vgl. auch insoweit das Senatsurteil in BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734) mangels Leistungsbeschreibung nicht erfüllt.

36

b) Sollte im Streitfall keine Steuerschuld nach § 14c UStG vorliegen, ist zu prüfen, ob die Klägerin im Streitjahr einen Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) für den Erwerb der Forderungen und deren Einziehung zu Unrecht in Anspruch genommen hat.

37

aa) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.

38

Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) setzt der Vorsteuerabzug voraus, dass der Unternehmer die bezogene Leistung für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG) und damit für seine wirtschaftliche Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 9. Dezember 2010 V R 17/10, BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53, unter II.1.; vom 13. Januar 2011 V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, unter II.1.; vom 27. Januar 2011 V R 38/09, BFHE 232, 278, BStBl II 2012, 68, unter II.2., und vom 3. März 2011 V R 23/10, BFHE 233, 274, BStBl II 2012, 74, unter II.1.).

39

Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats, der bereits in der Vergangenheit für den Vorsteuerabzug auf die Absicht abgestellt hat, die bezogene Leistung für eine wirtschaftliche Tätigkeit und damit für gegen Entgelt erbrachte Leistungen zu verwenden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 28. November 2002 V R 18/01, BFHE 200, 440, BStBl II 2003, 443, unter II.1., und vom 6. September 2007 V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710, unter II.1.) und der EuGH-Rechtsprechung, nach der wirtschaftliche Tätigkeiten i.S. von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige (Unternehmer) Leistungen erbringt, die nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG der Mehrwertsteuer unterliegen (EuGH-Urteil MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 Rdnrn. 41 und 46 f.).

40

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin reicht es zur Begründung der für den Vorsteuerabzug erforderlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nicht aus, dass die Klägerin beabsichtigte, durch den Forderungseinzug Einnahmen zu erzielen. Denn wirtschaftliche Tätigkeiten setzen die Erbringung entgeltlicher Leistungen voraus; diese liegen nur vor, wenn zwischen dem Unternehmer und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, so dass das Entgelt als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Dezember 2007 V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, unter II.1.a, m.w.N. zur Rechtsprechung von EuGH und BFH).

41

Der Einzug von Forderungen, die die Klägerin --als Organträgerin der GmbH-- nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erworben hat (s. oben II.1.), erfolgte ebenso wie der Erwerb nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit, da die Klägerin mit dem Forderungseinzug keine Leistung gegenüber einer anderen Person erbrachte und dem eingezogenen Forderungsbetrag darüber hinaus auch kein Entgeltcharakter zukam. Ob insoweit nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt, ist für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung unerheblich. Die Klägerin ist daher weder für den Forderungserwerb noch für den Forderungseinzug zum Vorsteuerabzug berechtigt.

42

cc) Gegenteiliges ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus § 43 Nr. 1 UStDV. Danach sind "Umsätze von Geldforderungen, denen zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze des Unternehmers zugrunde liegen" nur dann vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, "wenn sie diesen Umsätzen ausschließlich zuzurechnen sind". Die Vorschrift kann einen Vorsteuerabzug ermöglichen, wenn ein Unternehmer z.B. Forderungen aus seinen steuerpflichtigen Umsatzgeschäften steuerfrei verkauft und abtritt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen aber im Streitfall nicht vor, da die Klägerin weder beim Erwerb (s. oben II.1.) noch bei der Einziehung (s. oben II.2.b bb) der zahlungsgestörten Forderungen zum Vorsteuerabzug berechtigende Leistungen ausgeführt hat.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.