Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 24. Apr. 2012 - 2 B 80/11
Gericht
Gründe
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Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.
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Der Kläger war vom 1. Januar 1999 bis zum 13. Januar 2002 im Einsatzdienst der Berufsfeuerwehr der Beklagten. Er leistete während dieser Zeit eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 50 Stunden einschließlich des Bereitschaftsdienstes. Im März 2001 beantragte er unter Hinweis auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 3. Oktober 2000 die Anerkennung von Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit und den Ausgleich der von ihm über das europarechtlich zulässige Maß hinaus geleisteten Arbeit in Freizeit oder Geld. Gegen den im selben Monat ergangenen Ablehnungsbescheid ging er nicht vor. Ein von ihm im Dezember 2005 unter Hinweis auf die neueste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gestellter nochmaliger Antrag wurde in der Sache ablehnend beschieden, Klage und Berufung blieben erfolglos. Das Berufungsgericht stellte darauf ab, dass der Anspruch des Klägers verjährt sei und EU-Recht der Annahme der Verjährung auch nicht entgegenstehe.
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Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger geltend, die vom Berufungsgericht angenommene Verjährung verstoße gegen die vom Europäischen Gerichtshof in seinem Urteil vom 25. November 2010 - Rs. C 429/09, Fuß - NZA 2011, 53, vorgenommene Auslegung des Unionsrechts und auch die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Verjährung lägen nicht vor.
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Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18; Beschluss vom 2. Februar 2011 - BVerwG 6 B 37.10 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 173 = NVwZ 2011, 507; stRspr).
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Wenn man zugunsten des Klägers annimmt, dass er nicht lediglich die - aus seiner Sicht - unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall rügt, sondern es für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob der Ausgleichsanspruch wegen Zuvielarbeit der Verjährung unterliegt, zeigt er damit jedoch keine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage auf.
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Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass bei (etwaigen) europarechtlichen Ansprüchen das Institut der Verjährung mit dem europäischen Effektivitätsgrundsatz vereinbar ist. Der Europäische Gerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, dass die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenen Rechte gewährleisten sollen, Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, soweit gemeinschaftsrechtliche Regelungen nicht vorhanden sind. Allerdings dürfen die Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein als bei nur innerstaatliches Recht betreffenden Verfahren (Äquivalenzgrundsatz) und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Zum Effektivitätsgrundsatz hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. zum Ganzen: EuGH, Urteile vom 17. November 1998 - Rs. C-228/96, Aprile - Slg. 1998, I-7164 Rn. 19 und vom 11. Juli 2002 - Rs. C-62/00, Marks & Spencer - Slg. 2002, I-6348 Rn. 35, jeweils m.w.N.). Das vom Kläger angeführte Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 25. November 2010, a.a.O., stellt dies nicht in Frage. Soweit dort entschieden worden ist, dass das Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, die den Schadensersatzanspruch davon abhängig macht, dass zuvor ein Antrag auf Einhaltung der Bestimmung beim Arbeitgeber gestellt worden ist, ergibt daraus nicht, dass eine Verjährung des Schadensersatzanspruches von vornherein ausgeschlossen ist. Auch der Senat geht von der Möglichkeit der Verjährung bei sich aus Unionsrecht ergebenden Ansprüchen aus und hat dies auch für den Ausgleichsanspruch wegen Zuvielarbeit angenommen (Urteil vom 29. September 2011 - BVerwG 2 C 32.10 - Rn. 19, zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen).
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Die Frage, ob die gerichtliche Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs wegen Zuvielarbeit eines hierauf gerichteten vorherigen Antrags bei der Behörde bedarf, kann die Zulassung der Revision nicht begründen weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Das Berufungsgericht hat - anders als das Verwaltungsgericht - nicht auf das Fehlen eines entsprechenden Antrags abgestellt. Entscheidungstragend für das Berufungsurteil ist ausschließlich die Annahme der Verjährung.
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Das Vorbringen, die Berufungsentscheidung verstoße gegen das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 25. November 2010, a.a.O., kann auch nicht im Wege der Divergenzrüge zur Zulassung der Revision führen. Das ergibt sich schon daraus, dass der Europäische Gerichtshof in der Aufzählung der Gerichte in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, deren Entscheidungen divergenzfähig sind, nicht genannt ist (Beschluss vom 23. Januar 2001 - BVerwG 6 B 35.00 - WissR 2001, 377).
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Soweit die Beschwerde ausführt, die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Verjährung lägen nicht vor, rügt sie lediglich die - aus ihrer Sicht - unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall, formuliert aber keine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage und zeigt eine solche auch nicht auf. Die Frage, wann eine Verjährungsfrist in Fällen der vorliegenden Art zu laufen beginnt, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und nicht allgemein zu beantworten. Im Übrigen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht aus dem Umstand, dass der Kläger bereits im Jahre 2001 einen Ausgleichsanspruch geltend gemacht hat - dann allerdings den ablehnenden Bescheid hat bestandskräftig werden lassen -, geschlossen hat, dass er zum damaligen Zeitpunkt auch Kenntnis von einem solchen Anspruch hatte.
Annotations
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.