Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 11. Mai 2010 - 2 B 5/10

published on 11/05/2010 00:00
Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 11. Mai 2010 - 2 B 5/10
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Gericht

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Gründe

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Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache und auf Verfahrensrügen im Sinne des § 73 HDG, § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde des Beklagten ist unbegründet.

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1. Für grundsätzlich klärungsbedürftig hält die Beschwerde,

ob das in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK enthaltene Beschleunigungsgebot auf die Rechtsfolge im Disziplinarverfahren Einfluss hat in der Weise, dass unter bestimmten, hier gegebenen Voraussetzungen auf Grund eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot die Höchststrafe, nämlich die Aberkennung des Ruhegehalts a) unzulässig ist oder b) mit einer Kompensation gemäß § 13 Abs. 3 HDG verbunden werden muss, die die überlange Verfahrensdauer angemessen ausgleicht.

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Zunächst ist klarzustellen, dass das Disziplinarverfahren anderen Zwecken dient als das Strafverfahren und dass im Disziplinarverfahren deshalb keine Strafen, sondern disziplinarische Maßnahmen verhängt werden. Hiervon abgesehen ist die aufgeworfene Frage nicht klärungsbedürftig. Sie ist vielmehr durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahingehend geklärt, dass - unabhängig davon, ob darin zugleich ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK zu sehen ist (vgl. hierzu Beschluss vom 16. Februar 2010 - BVerwG 2 B 62.09 - juris) - eine überlange Verfahrensdauer sich bei solchen Disziplinarmaßnahmen als Milderungsgrund auswirken kann und u.U. muss, die der Pflichtenmahnung dienen. Hierbei steht die Überlegung im Vordergrund, dass das Disziplinarverfahren als solches belastend ist und der von ihm ausgehende andauernde Leidensdruck und die mit ihm verbundenen Nachteile bereits pflichtenmahnende Wirkung haben. Deswegen kann eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme unvereinbar mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit werden, wenn das Disziplinarverfahren unverhältnismäßig lange dauert. Bei Fortbestand des Beamtenverhältnisses kann das durch ein Dienstvergehen ausgelöste Sanktionsbedürfnis gemindert werden oder sogar entfallen, weil die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen wirtschaftlichen und dienstlichen Nachteile positiv auf den Beamten eingewirkt haben (Beschlüsse vom 26. August 2009 - BVerwG 2 B 66.09 - juris und vom 5. März 2010 - BVerwG 2 B 22.09 - juris; vgl. auch Urteil vom 14. November 2007 - BVerwG 1 D 6.06 - ZBR 2008, 200 = NVwZ 2008, 1375 ).

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Demgegenüber ist geklärt, dass die Verfahrensdauer es nicht rechtfertigt, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder der Aberkennung des Ruhegehalts abzusehen, wenn diese Maßnahme geboten ist. Bei der Dienstentfernung geht es darum, das Beamtenverhältnis in Fällen besonders schwerwiegender Dienstvergehen zu beenden, weil der Beamte im öffentlichen Dienst untragbar geworden ist. An dem endgültigen Vertrauensverlust, den er durch sein Fehlverhalten herbeigeführt hat, vermag eine lange Verfahrensdauer nichts zu ändern. Das verlorene Vertrauen kann nicht durch Zeitablauf wiederhergestellt werden. Dies gilt gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 HDG gleichermaßen für die Aberkennung des Ruhegehalts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1977 - 2 BvR 80/77 - BVerfGE 46, 17 <28 f.>; Kammerbeschluss vom 9. August 2006 - 2 BvR 1003/05 - DVBl 2006, 1372; BVerwG, Urteile vom 22. Februar 2005 - BVerwG 1 D 30.03 - juris Rn. 80 und vom 8. Juni 2005 - BVerwG 1 D 3.04 - juris Rn. 27; Beschlüsse vom 13. Oktober 2005 - BVerwG 2 B 19.05 - Buchholz 235.1 § 15 BDG Nr. 2 Rn. 8, vom 28. Oktober 2008 - BVerwG 2 B 53.08 juris, vom 26. August 2009 - BVerwG 2 B 66.09 juris und vom 16. Februar 2010 - BVerwG 2 B 62.09 juris).

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2. Auch die Verfahrensrügen greifen nicht durch.

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a) Die Beschwerde beanstandet als Verfahrensmangel, dass dem Beklagten das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen nicht mitgeteilt und ihm die Möglichkeit nicht eingeräumt worden sei, weitere Ermittlungen zu beantragen und sich abschließend zu äußern.

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Das Berufungsgericht hat diesen im behördlichen Verfahren unterlaufenen Fehler erkannt und den Kläger unter Fristsetzung aufgefordert, die Mitteilung und die Anhörung nachzuholen. Wie der Beklagte selbst vorträgt, ist dies geschehen. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Rüge (noch) durchgreifen könnte.

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b) Ferner rügt die Beschwerde, dass der Kläger zwei im Zuge der Anhörung gestellten Beweisanträgen des Beklagten nicht stattgegeben hat. Hierin liege ein Mangel, da der Dienstherr innerhalb der ihm zur Nachbesserung gesetzten Frist die aufgezeigten Mängel zu beheben, nicht aber neue zu produzieren habe.

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Auch diese Rüge greift nicht durch. Zwar ist der Dienstherr nach pflichtgemäßem Ermessen verpflichtet, Beweisanträgen nachzugehen (§ 27 Abs. 3 Satz 1 HDG). Verletzt er diese Pflicht, stellt dies jedoch keinen zur Einstellung des Disziplinarverfahrens führenden Verfahrensmangel dar; vielmehr kann der Fehler im gerichtlichen Verfahren geheilt werden, weil die Festsetzung der zu treffenden Disziplinarmaßnahme Sache des Gerichts ist. Das Berufungsgericht hat im Einzelnen ausgeführt (UA S. 19), dass dem Beklagten aus einem Schriftsatz des Klägers die Gründe bekannt waren, weshalb der Kläger den Anträgen des Beklagten auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens und auf Vernehmung des Vertreters der Einleitungsbehörde nicht nachgegangen war. Wie das Berufungsgericht hierzu zutreffend ausgeführt hat, war es dem Beklagten möglich, hierzu Stellung zu nehmen, und dem Kläger, den Vortrag des Beklagten während des laufenden Klageverfahrens zur Kenntnis zu nehmen und hierauf zu reagieren. Schließlich hat das Berufungsgericht mit Recht auf die Möglichkeit des Beklagten hingewiesen, im gerichtlichen Verfahren Beweisanträge zu stellen.

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c) Ohne Erfolg bleibt auch die weitere Rüge des Beklagten, verfahrensfehlerhaft sei seinem Antrag nicht entsprochen worden, ein Sachverständigengutachten zu seiner Behauptung einzuholen, er sei im Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Straftat dienstunfähig gewesen.

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Bei der Prüfung, ob das Berufungsgericht seine Aufklärungspflicht verletzt hat, ist seine materiell-rechtliche Auffassung zu Grunde zu legen. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kam es darauf an, ob der Beklagte krankheitsbedingt nur eingeschränkt für sein Handeln verantwortlich gemacht werden konnte, nicht dagegen darauf, ob seine Dienstfähigkeit zum Tatzeitpunkt eingeschränkt war. Von diesem materiell-rechtlichen Standpunkt aus war die beantragte Beweisaufnahme nicht erforderlich.

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(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

(1) Sind seit der Vollendung eines Dienstvergehens mehr als zwei Jahre vergangen, darf ein Verweis nicht mehr erteilt werden. (2) Sind seit der Vollendung eines Dienstvergehens mehr als drei Jahre vergangen, darf eine Geldbuße, eine Kürzung der Dien
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published on 28/09/2016 00:00

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Tatbestand I. Der 19... geborene Beamte beendete 1978 seine Schullaufbahn mit dem qualifizie
published on 15/08/2012 00:00

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 9. November 2011 wird zurückgewiesen.
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Annotations

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Sind seit der Vollendung eines Dienstvergehens mehr als zwei Jahre vergangen, darf ein Verweis nicht mehr erteilt werden.

(2) Sind seit der Vollendung eines Dienstvergehens mehr als drei Jahre vergangen, darf eine Geldbuße, eine Kürzung der Dienstbezüge oder eine Kürzung des Ruhegehalts nicht mehr ausgesprochen werden.

(3) Sind seit der Vollendung eines Dienstvergehens mehr als sieben Jahre vergangen, darf auf Zurückstufung nicht mehr erkannt werden.

(4) Die Fristen der Absätze 1 bis 3 werden durch die Einleitung oder Ausdehnung des Disziplinarverfahrens, die Erhebung der Disziplinarklage, die Erhebung der Nachtragsdisziplinarklage oder die Anordnung oder Ausdehnung von Ermittlungen gegen Beamte auf Probe und Beamte auf Widerruf nach § 34 Abs. 3 Satz 2 und § 37 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 3 Satz 2 des Bundesbeamtengesetzes unterbrochen.

(5) Die Fristen der Absätze 1 bis 3 sind für die Dauer des Widerspruchsverfahrens, des gerichtlichen Disziplinarverfahrens, für die Dauer einer Aussetzung des Disziplinarverfahrens nach § 22 oder für die Dauer der Mitwirkung des Personalrats gehemmt. Ist vor Ablauf der Frist wegen desselben Sachverhalts ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet oder eine Klage aus dem Beamtenverhältnis erhoben worden, ist die Frist für die Dauer dieses Verfahrens gehemmt.