Bundesverwaltungsgericht Urteil, 17. Aug. 2010 - 10 C 18/09

bei uns veröffentlicht am17.08.2010

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich nur noch gegen die ihm mit der Abschiebungsandrohung gesetzte Frist zur Ausreise innerhalb einer Woche.

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Der im Juli 2006 in Deutschland geborene Kläger ist das Kind abgelehnter Asylbewerber. Im September 2006 zeigte die Ausländerbehörde dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - gemäß § 14a Abs. 2 AslyVfG die Geburt des Klägers an. Daraufhin erklärten seine Eltern als gesetzliche Vertreter, dass dem Kläger keine politische Verfolgung drohe und auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet werde.

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Mit Bescheid vom 22. September 2006 stellte das Bundesamt das Asylverfahren ein (Nr. 1). Zugleich stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Außerdem forderte es - gestützt auf § 38 Abs. 2 AsylVfG - den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, und drohte für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung in die Republik Armenien oder die Russische Föderation an (Nr. 3).

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Im Klageverfahren wandte sich der Kläger gegen Nr. 2 und 3 des Bescheides. Mit Gerichtsbescheid vom 15. September 2008 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid des Bundesamts auf, soweit dem Kläger eine Frist zur Ausreise von einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides gesetzt worden ist. Im Übrigen wies es die Klage mit der Maßgabe ab, dass die Ausreisefrist einen Monat nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens endet. Dabei ging es davon aus, dass sich die Ausreisefrist bei einem Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens nach § 38 Abs. 1 AsylVfG richte. Einer erneuten Fristsetzung durch das Bundesamt bedürfe es nicht. Die richtige Ausreisefrist ergebe sich aus der im Tenor ausgesprochenen Maßgabe. Dies sei möglich, weil sich die Frist zwingend aus dem Gesetz ergebe und kein Spielraum der Beklagten bestehe.

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Die von der Beklagten hiergegen eingelegte Berufung hat das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 8. Juni 2009 zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Das Verwaltungsgericht habe die Fristbestimmung in der angefochtenen Verfügung zu Recht aufgehoben. § 38 Abs. 2 AsylVfG sei hier nicht anwendbar. Denn im Gegensatz zu anderen Bestimmungen enthalte diese Vorschrift keine Gleichstellung von Rücknahme und Verzicht. Nach dem Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens betrage die Ausreisefrist vielmehr gemäß § 38 Abs. 1 AsylVfG einen Monat. Dem stehe der Regelungszweck des § 14a AsylVfG nicht entgegen. Die Vorschrift solle lediglich sukzessive Antragstellungen einzelner Familienmitglieder verhindern.

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Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Revision. Sie trägt vor, für den Fall des Verzichts auf die Durchführung eines Asylverfahrens fehle eine ausdrückliche Regelung der Ausreisefrist. § 38 Abs. 1 AsylVfG setze, wie die amtliche Überschrift zeige, die Ablehnung des Asylantrags voraus. Da es daran bei einem Verzicht fehle, sei die Vorschrift nicht einschlägig. Auch § 38 Abs. 2 AsylVfG sei nicht unmittelbar anwendbar, da der Gesetzgeber zwischen Verzicht und Rücknahme unterscheide. Diese Regelungslücke sei über eine analoge Anwendung des § 38 Abs. 2 AsylVfG zu schließen. Eine analoge Anwendung des § 38 Abs. 1 AsylVfG würde dem Beschleunigungsgedanken zuwiderlaufen. Die dortige Monatsfrist mit der gesetzlichen Folge, dass der Klage aufschiebende Wirkung zukomme, gelte nur, wenn eine Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung nicht von vornherein ausgeschlossen sei. Es sei kein Grund ersichtlich, Personen, die auf einen Schutzanspruch ausdrücklich verzichteten, möglicherweise schutzbedürftigen Antragstellern gleichzustellen.

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Der Kläger verteidigt die angefochtene Berufungsentscheidung. Er ist der Auffassung, dass die Wochenfrist nach dem Willen des Gesetzgebers nur gelte, wenn dem Asylbewerber ein rechtsmissbräuchliches oder sonst unredliches Verhalten vorgeworfen oder ein unbegründetes Verfahren durch Rücknahme beendet werde. In den Fällen des § 14a AsylVfG werde hingegen erwartet, dass von der Möglichkeit des Verzichts Gebrauch gemacht werde.

Entscheidungsgründe

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Die Revision, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist teilweise begründet. Das Berufungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigt, soweit dieses der Klage stattgegeben und den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - vom 22. September 2006 aufgehoben hat. Zu Unrecht hat es die Berufung der Beklagten aber in vollem Umfang zurückgewiesen und damit im Ergebnis auch den Maßgabeausspruch des Verwaltungsgerichts bestätigt.

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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur (noch) die dem Kläger gesetzte Frist zur freiwilligen Ausreise. Die Revision der Beklagten ist - wie schon die Berufung - darauf gerichtet, dass die Klage auch hinsichtlich der dem Kläger im Bescheid vom 22. September 2006 gesetzten Ausreisefrist von einer Woche ab Bekanntgabe abgewiesen wird. Diesen Teil des Bescheids hat das Verwaltungsgericht aufgehoben. Zugleich hat es im Tenor seiner Entscheidung die "Maßgabe" ausgesprochen, dass die Ausreisefrist - ohne dass es einer erneuten Fristsetzung durch das Bundesamt bedarf - einen Monat nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens endet. Indem das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten in vollem Umfang zurückgewiesen hat, hat es diesen Teil der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ebenfalls bestätigt. Damit umfasst die Revision auch den in die Kompetenzen des Bundesamts eingreifenden gerichtlichen Maßgabeausspruch. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Übrigen geklärt, dass jedenfalls in Asylverfahren die Ausreisefrist unabhängig von der Abschiebungsandrohung zum Gegenstand einer gerichtlichen Nachprüfung und damit auch eines Revisionsverfahrens gemacht werden kann (Urteil vom 3. April 2001 - BVerwG 9 C 22.00 - BVerwGE 114, 122 <124 f.>).

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2. Der Kläger hat weiterhin ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung der - vom Bundesamt auf § 38 Abs. 2 AsylVfG gestützten - einwöchigen Ausreisefrist. Von dieser Festsetzung gehen für den Kläger auch nach Ablauf der Frist noch nachteilige Rechtswirkungen aus, da von ihrem Bestand die gegenwärtige Vollziehbarkeit der Abschiebung abhängt (Urteil vom 3. April 2001 a.a.O. <125>).

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3. Zu Recht ist das Berufungsgericht in der Sache davon ausgegangen, dass der Bescheid des Bundesamts hinsichtlich der dem Kläger gesetzten Ausreisefrist von einer Woche ab Bekanntgabe rechtswidrig und deshalb insoweit aufzuheben ist.

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Bei einer nach § 14a Abs. 1 oder 2 AsylVfG fingierten Asylantragstellung kann nach § 14a Abs. 3 AsylVfG jederzeit auf die Durchführung des Asylverfahrens verzichtet werden. In diesem Fall hat das Bundesamt festzustellen, dass das Verfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegt (§ 32 AsylVfG). Zugleich hat es dem Ausländer bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung nach §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG anzudrohen (vgl. Urteil des Senats vom 17. Dezember 2009 - BVerwG 10 C 27.08 - InfAuslR 2010, 263). Dabei soll gemäß § 59 Abs. 1 AufenthG die Abschiebung schriftlich unter Bestimmung einer Ausreisefrist angedroht werden. Hinsichtlich der im Fall des Verzichts zu setzenden Ausreisefrist gehen Rechtsprechung und Literatur inzwischen überwiegend von der Monatsfrist des § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG aus (vgl. u.a. OVG Münster, Urteil vom 11. August 2006 - 1 A 1437/06.A - ZAR 2006, 418; OVG Greifswald, Urteil vom 17. Juni 2008 - 3 L 224/06 - NordÖR 2008, 415; Hailbronner, AuslR, Stand Juni 2009, § 14a AsylVfG Rn. 24; inzwischen auch Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand Oktober 2009, § 38 Rn. 13 unter Aufgabe der früher vertretenen Auffassung). Nur vereinzelt wird vertreten, dass beim Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens - wie von der Beklagten angenommen - die Ausreisefrist in entsprechender Anwendung des § 38 Abs. 2 AsylVfG auf eine Woche festzusetzen ist (vgl. VG Wiesbaden, Urteil vom 30. Juni 2005 - 1 E 714/05.A - juris; Renner, AuslR, 8. Aufl. 2005, § 32 AsylVfG Rn. 6). Insoweit schließt sich der Senat der herrschenden Auffassung an, wonach sich beim Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens gemäß § 14a Abs. 3 AsylVfG die dem Ausländer vom Bundesamt mit der Abschiebungsandrohung zu setzende Ausreisefrist nach § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG richtet.

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Einer unmittelbaren Anwendung des § 38 Abs. 2 AsylVfG steht schon der Wortlaut der Vorschrift entgegen. Danach setzt die Anwendung der Wochenfrist die Rücknahme des Asylantrags voraus; der Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens wird in diesem Zusammenhang nicht erwähnt. Da die Rücknahme eines Asylantrags und der Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens nach einer fingierten Asylantragstellung selbständige Verfahrenshandlungen darstellen, sprechen auch systematische Gründe dafür, dass sie einzelne Rechtsfolgen nur dann miteinander teilen, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht. Der Gesetzgeber hat mit § 14a Abs. 3 AsylVfG den Verzicht in das Asylverfahrensgesetz eingeführt und andere Vorschriften (z.B. §§ 32, 71 Abs. 1 und § 72 Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG) hieran angepasst, indem er die Folgen eines Verzichts insoweit denen der Antragsrücknahme ausdrücklich gleichgestellt hat. Bei § 38 Abs. 2 AsylVfG wurde hingegen - ebenso wie bei § 67 Abs. 1 AsylVfG (Erlöschen der Aufenthaltsgestattung) und bei § 10 Abs. 3 AufenthG (Sperrwirkung bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels) - auf eine Gleichstellung verzichtet. An dieser Differenzierung hat der Gesetzgeber festgehalten, obwohl er 2007 im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - unter anderem auch § 14a AsylVfG zum Teil geändert hat und ihm zu diesem Zeitpunkt die vorliegende Problematik bereits bekannt war.

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Es besteht auch kein Bedürfnis für eine analoge Anwendung des § 38 Abs. 2 AsylVfG, da die Fälle des Verzichts auf die Durchführung eines Asylverfahrens von der Auffangregelung in § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erfasst werden. Danach beträgt die Ausreisefrist in den sonstigen Fällen, in denen das Bundesamt den Ausländer nicht als Asylberechtigten anerkennt, einen Monat. Die Formulierung "in den sonstigen Fällen" bezieht sich systematisch auf die vorangestellten Regelungen in §§ 36 und 37 AsylVfG, die die Ausreisefrist bei unbeachtlichen und offensichtlich unbegründeten Asylanträgen betreffen. Wird ein Asylantrag vom Bundesamt weder als unbeachtlich noch als offensichtlich unbegründet abgelehnt, gilt folglich § 38 Abs. 1 AsylVfG, solange nicht ausnahmsweise eine andere Regelung greift, wie etwa die kurze Ausreisefrist des § 38 Abs. 2 AsylVfG im Falle der Rücknahme des Asylantrags vor der Entscheidung des Bundesamts.

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Der unmittelbaren Anwendung des § 38 Abs. 1 AsylVfG steht die amtliche Überschrift des § 38 AsylVfG ("Ausreisefrist bei sonstiger Ablehnung und bei Rücknahme des Asylantrags") nicht entgegen. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist dadurch nicht auf Fälle beschränkt, in denen eine ablehnende Entscheidung über den Asylantrag ergeht. Die Überschrift stammt aus einer Zeit als das Gesetz die fiktive Antragstellung nach § 14a Abs. 1 und 2 AsylVfG und den in diesen Fällen möglichen Verzicht nach § 14a Abs. 3 AsylVfG noch nicht kannte. Dass § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG als Auffangnorm nicht nur bei der Ablehnung eines Asylantrags gilt, sondern grundsätzlich alle Entscheidungen des Bundesamts im Sinne des Dritten Unterabschnitts des Zweiten Abschnitts des Asylverfahrensgesetzes erfasst, durch die der Ausländer nicht als Asylberechtigter oder Flüchtling anerkannt worden ist, zeigt sich auch daran, dass der Gesetzgeber hier eine entsprechende Formulierung verwendet wie in § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in Bezug auf die Zuständigkeit des Bundesamts zum Erlass der Abschiebungsandrohung (vgl. dazu Urteil vom 17. Dezember 2009 a.a.O. - juris Rn. 11).

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Auch der Gesetzeszweck der Regelungen über das familieneinheitliche Asylverfahren in § 14a AsylVfG erfordert es nicht, dass den von der fiktiven Asylantragstellung betroffenen Kindern von Ausländern nach dem Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens mit der Einstellung des Verfahrens und der Entscheidung über Abschiebungsverbote (§ 32 AsylVfG) sowie der Androhung der Abschiebung (§ 34 Abs. 1 AsylVfG) eine Ausreisefrist von lediglich einer Woche gesetzt wird. § 14a AsylVfG wurde 2005 mit dem Zuwanderungsgesetz in das Asylverfahrensgesetz eingefügt. Mit der fingierten Asylantragstellung soll verhindert werden, dass durch sukzessive Antragstellungen überlange Aufenthaltszeiten in Deutschland ohne aufenthaltsrechtliche Perspektive für die Betroffenen entstehen (BTDrucks 15/420 S. 108, vgl. hierzu auch Urteil vom 21. November 2006 - BVerwG 1 C 10.06 - BVerwGE 127, 161 Rn. 30). Dieses Ziel wird nicht vereitelt, wenn beim Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens hinsichtlich der vom Bundesamt zu setzenden Ausreisefrist § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG Anwendung findet. In diesem Fall kommt der Klage gegen die Entscheidung des Bundesamts zwar nach § 75 Satz 1 AsylVfG aufschiebende Wirkung zu. Die darin liegende zeitliche Verzögerung ist aufgrund der vom Gesetzgeber getroffenen Regelung über die Rechtsfolgen des Verzichts aber hinzunehmen. Etwas anderes lässt sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch nicht aus der übergeordneten allgemeinen Zwecksetzung des Zuwanderungsgesetzes entnehmen. Zwar verfolgte der Gesetzgeber mit diesem Gesetz auch das Ziel, die Durchführung des Asylverfahrens zu straffen und zu beschleunigen sowie dem Missbrauch von Asylverfahren entgegenzuwirken (BTDrucks 15/420 S. 1). Die Regelung in § 14a Abs. 3 AsylVfG wäre aber nicht erforderlich gewesen, wenn die Rechtsfolgen des Verzichts in jeder Hinsicht denen der Antragsrücknahme hätten gleichgestellt werden sollen. Zur Erreichung dieses Ziels hätte es genügt, dass der fingierte Asylantrag jederzeit zurückgenommen werden kann. Stattdessen hat der Gesetzgeber den Verzicht als neue Verfahrenshandlung geschaffen und ihn der Rücknahme lediglich hinsichtlich einzelner asylverfahrensrechtlicher Folgen gleichgestellt (vgl. §§ 32, 71 Abs. 1 und § 72 Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG); bei den einschneidenden aufenthaltsrechtlichen Folgen einer Antragsrücknahme (vgl. § 38 Abs. 2, § 67 Abs. 1 AsylVfG und § 10 Abs. 3 AufenthG) hat er hingegen von einer Angleichung abgesehen. Dies zeigt, dass der Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens die aufenthaltsrechtliche Situation des Betroffenen nicht in gleichem Maße wie eine Rücknahme verschlechtern soll, auch um einen gewissen Anreiz zu schaffen, dass der Betroffene ein von ihm nicht eingeleitetes und in vielen Fällen von vornherein aussichtsloses Asylverfahren alsbald beendet. Ob dies auch dann gilt, wenn das Bundesamt den Asylantrag bereits vor Abgabe der Verzichtserklärung mit der Rechtsfolge des § 36 Abs. 1 AsylVfG als offensichtlich unbegründet oder unbeachtlich abgelehnt hat, bedarf hier keiner Entscheidung.

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4. Die gerichtliche Aufhebung der vom Bundesamt gesetzten Wochenfrist hat entgegen dem - vom Berufungsgericht bestätigten - Maßgabeausspruch im Tenor des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts aber nicht zur Folge, dass die Ausreisefrist nunmehr - ohne dass es einer erneuten Fristsetzung durch das Bundesamt bedarf - einen Monat nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens endet. Mit dieser Feststellung ist das Verwaltungsgericht nicht nur über das - nur auf Aufhebung der gesetzten Ausreisefrist gerichtete - Klagebegehren des Klägers hinausgegangen (§ 88 VwGO), seine Auffassung zur Entbehrlichkeit einer erneuten Fristsetzung durch das Bundesamt ist auch in der Sache unzutreffend.

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Die Ausreisefrist soll es dem Ausländer ermöglichen, seine beruflichen und persönlichen Lebensverhältnisse im Bundesgebiet abzuwickeln und einer Abschiebung durch freiwillige Ausreise zuvorzukommen. Darüber hinaus gewährleistet sie im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, dass der Ausländer wirksamen Rechtsschutz erlangen kann (Urteil vom 22. Dezember 1997 - BVerwG 1 C 14.96 - Buchholz 402.240 § 50 AuslG 1990 Nr. 3). Auch wenn für Asylverfahren die Dauer der mit der Abschiebungsandrohung zu setzenden Ausreisefrist zwingend vorgegeben ist (vgl. § 36 Abs. 1, §§ 38, 39 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG), ist es Sache des Bundesamts, diese Frist festzusetzen. In Fällen, in denen das Bundesamt - wie hier - in Verkennung der Rechtslage rechtswidrig eine zu kurze Ausreisefrist gesetzt hat und diese deshalb im gerichtlichen Verfahren aufgehoben wird, bedarf es einer (erneuten) Fristsetzung durch das Bundesamt mit der Folge, dass der Ausländer erst nach Ablauf dieser Frist abgeschoben werden kann.

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Soweit nach § 37 Abs. 2 AsylVfG in Fällen, in denen das Bundesamt den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt und gemäß §§ 34, 36 Abs. 1 AsylVfG eine Abschiebungsandrohung mit einwöchiger Ausreisefrist erlassen hat, die Ausreisefrist kraft Gesetzes einen Monat nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens endet, wenn das Verwaltungsgericht zuvor einem Antrag des Asylbewerbers nach § 80 Abs. 5 VwGO stattgegeben hat, handelt es sich um eine Sonderregelung, die die erforderlichen Konsequenzen aus der Änderung des Aufenthaltsstatus eines Ausländers zieht, die dieser mit einem erfolgreichen Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erstritten hat (Urteil vom 3. April 2001 a.a.O. S. 129). § 37 Abs. 2 AsylVfG ist auf den Fall, dass das Bundesamt nach dem Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens in Verkennung der Rechtslage eine zu kurze Ausreisefrist setzt, weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. Wird ein Asylverfahren auf einen fingierten Asylantrag hin eingeleitet und nach einer Verzichtserklärung eingestellt, trifft das Bundesamt - anders als im Falle der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet oder unbeachtlich - keine Entscheidung über das Asylbegehren in der Sache. Damit fehlt es auch an einer die Anwendung des § 37 Abs. 2 AsylVfG rechtfertigenden nachträglichen Änderung der aufenthaltsrechtlichen Stellung des Klägers im Hinblick auf sein asylrechtlich begründetes vorläufiges Bleiberecht durch eine vom Bundesamt abweichende Beurteilung der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylbegehrens oder der Erheblichkeit des Folgeantrags durch das Verwaltungsgericht in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren.

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Auch § 38 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG, demzufolge die Ausreisefrist im Falle der Klageerhebung einen Monat nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens endet, hilft hier nicht weiter. Diese Vorschrift bezieht sich auf die in § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG geregelten Fälle, in denen das Bundesamt dem Ausländer eine Ausreisefrist von einem Monat gesetzt hat und der Klage damit nach § 75 AsylVfG aufschiebende Wirkung zukommt. Hierdurch ist die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht für die Dauer des Rechtsstreits ausgesetzt und entsteht erst wieder mit dem unanfechtbaren, für den Ausländer negativen Abschluss des Asylverfahrens. Auf diesen Zeitpunkt verschiebt § 38 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG den Beginn der vom Bundesamt nach § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gesetzten einmonatigen Ausreisefrist und zieht damit die notwendige Folgerung aus der Tatsache, dass in den Fällen des § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebungsandrohung samt Ausreisepflicht während des gerichtlichen Verfahrens nicht vollziehbar ist (Urteil vom 3. April 2001 a.a.O. S. 130). Die Vorschrift greift dagegen nicht, wenn das Bundesamt dem Kläger keine oder - wie hier - eine zu kurze und deshalb im gerichtlichen Verfahren aufzuhebende Ausreisefrist gesetzt hat.

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5. Das Bundesamt muss dem Kläger folglich in einem neuen Bescheid erneut eine Ausreisefrist setzen. Dem steht der vom Gesetzgeber in Asylverfahren verfolgte Beschleunigungs- und Konzentrationsgedanke nicht entgegen. Es handelt sich hier um ein Übergangsproblem, das allein darauf beruht, dass das Bundesamt in Verkennung der Rechtslage rechtswidrig eine zu kurze Ausreisefrist gesetzt hat. Hinsichtlich der vom Bundesamt nachzuholenden Fristsetzung weist der Senat allerdings klarstellend darauf hin, dass in diesem besonderen Fall der nachträglichen Fristsetzung als Rechtsgrundlage für die vom Bundesamt zu setzende Ausreisefrist von einem Monat nicht § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, sondern § 39 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG anzusehen ist.

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§ 38 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG betrifft ersichtlich nicht die Fälle, in denen das Bundesamt nur noch über die Ausreisefrist entscheidet, das Asylverfahren aber einschließlich der Abschiebungsandrohung bereits unanfechtbar abgeschlossen ist. In diesen Fällen ist es nicht gerechtfertigt, dass der Klage über § 75 AsylVfG aufschiebende Wirkung zukommt und der Beginn der Frist über § 38 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG bis zum unanfechtbaren Abschluss des Verfahrens hinausgeschoben wird. Den Fall einer vom Bundesamt entgegen der zwingenden gesetzlichen Vorgaben zu kurz bemessenen und deshalb im gerichtlichen Verfahren aufzuhebenden Ausreisefrist hatte der Gesetzgeber bei diesen Vorschriften nicht vor Augen. Eine Anwendung des § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG würde hier zudem zu einem Wertungswiderspruch mit § 39 Abs. 1 AsylVfG führen, wonach bei einer erfolgreichen Beanstandungsklage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten die dem Ausländer vom Bundesamt (nachträglich) mit der Abschiebungsandrohung zu setzende Ausreisefrist zwar ebenfalls einen Monat beträgt, eine Klage hiergegen nach § 75 AsylVfG aber keine aufschiebende Wirkung hat. Die bestehende Regelungslücke bei der nachträglichen Fristsetzung ist hier daher nicht über § 38 Abs. 1 AsylVfG, sondern im Wege einer analogen Anwendung des § 39 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG zu schließen, mit der Folge, dass das Bundesamt dem Kläger nachträglich eine einmonatige Frist zur Ausreise zu setzen hat, einer etwaigen hiergegen erhobenen Klage nach § 75 AsylVfG aber keine aufschiebende Wirkung zukommt.

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(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Für die Revision gelten die Vorschriften über die Berufung entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. Die §§ 87a, 130a und 130b finden keine Anwendung.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

Tenor

Das Verfahren wird, soweit es die Beteiligten hinsichtlich der Festsetzung der Ausreisefrist für erledigt erklärt haben, eingestellt. Insoweit wird das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 06.06.2006 für unwirksam erklärt.

Die Berufung wird, soweit sie zugelassen worden ist, zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 3/4, die Beklagte zu 1/4. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Kostengläubiger Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist am 07.03.1996 in der Bundesrepublik Deutschland geboren. Ihre Eltern hatten Anträge auf Gewährung von Asyl gestellt, die durch Bescheid vom 12.08.1999 unanfechtbar abgelehnt worden sind (OVG Greifswald 3 L 268/98).

2

Unter dem 05.04.2006 wurde der zuständigen Ausländerbehörde Parchim die Geburt der Klägerin angezeigt. Ihre Eltern verzichteten als gesetzliche Vertreter mit Schreiben vom 21.04.2006 auf die Durchführung eines Asylverfahrens und erklärten, dass ihr keine politische Verfolgung drohe.

3

Mit Bescheid vom 05.05.2006 stellte die Beklagte unter Ziffer 1) das Asylverfahren ein. Sie stellte unter Ziffer 2) fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen und forderte die Klägerin unter Ziffer 3) auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Die Beklagte drohte die Abschiebung in die russische Föderation an. Die Klägerin könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den sie einreisen dürfe oder der zu ihrer Rücknahme verpflichtet sei. Zur Begründung des Bescheids verwies die Beklagte auf § 32 AsylVfG, wonach das Asylverfahren einzustellen sei. Die Abschiebungsandrohung sei nach § 34 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen, weil die Klägerin weder als Asylberechtigte anerkannt noch einen Aufenthaltstitel besitze. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 38 Abs. 2 AsylVfG.

4

Dieser Bescheid wurde der Klägerin per am 05.05.2006 zur Post gegebenen Einschreibens zugestellt.

5

Am 09.05.2006 erhob die Klägerin Klage und begehrte zugleich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht Schwerin durch Beschluss vom 07.06.2006 - 3 B 197/06 As - ab.

6

Die Klägerin beantragte im Klageverfahren,

7

den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 05.05.2006 aufzuheben.

8

Die Beklagte beantragte schriftsätzlich,

9

die Klage abzuweisen.

10

Das Verwaltungsgericht wies die Klage durch Urteil vom 06.06.2006 ab. Zur Begründung führte es aus: § 14 a Abs. 1 AsylVfG sei auf die Klägerin anzuwenden. Die für die Klägerin Vertretungsberechtigten hätten auf die Durchführung des Verfahrens verzichtet. Demgemäß sei gemäß § 32 Satz 1 AsylVfG festzustellen gewesen, dass das Verfahren eingestellt sei. Nach derselben Vorschrift sei die Beklagte verpflichtet, Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 67 Abs. 2 bis 7 AufenthG zu treffen. Deren Vorliegen habe die Beklagte zutreffenderweise verneint. Die ausgesprochene mit einer Abschiebungsandrohung verknüpfte Ausreiseaufforderung sei ebenfalls ohne Bedenken. Die Ermächtigung und Verpflichtung zum Erlass dieser Entscheidungen ergebe sich aus den in dem Bescheid bezeichneten Vorschriften.

11

Die Prüfung von Abschiebungsverboten und Abschiebungsandrohung seien in erster Linie auf die russische Föderation zu beziehen. Allerdings sei nicht nachzuvollziehen, warum die Beklagte von der russischen Staatsangehörigkeit der Klägerin ausgehe. Sie sei zwar Tochter einer Staatsangehörigen dieses Landes. Da jedoch der Vater der Klägerin nach allen vorliegenden Angaben nicht Staatsangehöriger der russischen Föderation gewesen sei oder jetzt sei, sei nach Art. 15 Abs. 2 des damaligen Staatsangehörigkeitsgesetzes der Erwerb jener Staatsangehörigkeit durch die Klägerin mit ihrer Geburt 1996 von einer entsprechenden schriftlichen Vereinbarung ihrer Eltern, der Geburt auf dem Territorium der Russischen Föderation oder einer anderenfalls drohenden Staatenlosigkeit abhängig. Indessen seien nach Angaben der Ausländerbehörde in dem Verfahren 6 A 819/04 auch für die Klägerin durch die russische Seite Passersatzpapiere zugesichert worden, was für zutreffende Ausführungen zur klägerischen Staatsangehörigkeit in dem angefochtenen Bescheid spreche.

12

Schließlich sei auch die Ausreisefrist von einer Woche nicht zu beanstanden. Sie ergebe sich aus § 38 Abs. 2 AsylVfG. Dass in dieser Vorschrift der Verzicht nicht genannt sei, beruhe auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers.

13

Gegen dieses ihr am 08.06.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin den Antrag auf Zulassung der Berufung am 12.06.2006 beim Verwaltungsgericht Schwerin gestellt. Durch Beschluss vom 07.02.2008 hat der Senat die Berufung insoweit zugelassen, als die Klage Ziffer 2 und 3 des Bescheids der Beklagten vom 05.05.2006 betrifft.

14

Dieser Beschluss wurde der Klägerin am 14.02.2008 zugestellt. Mit am 11.03.2008 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin die Klage begründet: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und der Beklagten sei § 34 AsylVfG in den Fällen des § 14 Abs. 1 Abs. 3 AsylVfG nicht anwendbar. Die Einstellung des Verfahrens auf Grund der Verzichtserklärung habe die rechtliche Konsequenz aus § 32 Satz 1 AsylVfG. Diese Vorschrift stelle eine Spezialregelung für den Umfang der zu treffenden Entscheidung dar: Es sei die Einstellung des Verfahrens festzustellen und die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 5 oder 7 AufenthG zu beantworten. Weitere Entscheidungen seien nicht vorgesehen und deswegen unzulässig. Ein Rückgriff auf allgemeine Regelungen sei neben der Spezialregelung rechtssystematisch unzulässig. Eine derartige Beschränkung des Entscheidungsbereichs sei auch nach dem Sinn der Regelung des § 14 a Abs. 2 AsylVfG sachgerecht. Diese Vorschrift bezwecke nämlich ausschließlich, zeitlich gestreckte Antragstellungen bei Kindern von (ehemaligen) Asylbewerbern zu verhindern. Dieses Ziel werde durch die Einleitung des Asylverfahrens nach § 14 a Abs. 2 AsylVfG und die Einstellung auf eine Verzichtserklärung vollständig erreicht. Eine Abschiebungsandrohung sei auch deswegen nicht veranlasst, weil in den in Betracht kommenden Fällen auch eine ausländerrechtlich vollziehbare Ausreisepflicht bestehe oder ohne Schwierigkeiten herbeigeführt werden könne.

15

Die Ausreisefrist richte sich nicht nach § 38 Abs. 2 AsylVfG, weil hier ausschließlich die Frage der Rücknahme eines Asylantrages angesprochen sei. Der Fall des Verzichts sei nicht erfasst, obwohl dem Gesetzgeber die Unterschiede bekannt seien. Eine erweiternde Auslegung sei nicht nur nicht veranlasst, sondern rechtssystematisch unzulässig, weil in § 38 Abs. 1 AsylVfG eine allgemeine "Auffangregelung" bestehe, die der Annahme einer Regelungslücke offensichtlich entgegenstehe. Der Hinweis aus ein "Redaktionsversehen" greife nicht durch. Im Übrigen erweise sich eine Ausreisefrist von einer Woche nur dann als verhältnismäßig, wenn dem Antragsteller Missbrauch der Asylantragstellung entgegengehalten werden könne und es deswegen angemessen sei, eine schnellstmögliche Aufenthaltsbeendigung zu ermöglichen. Diese Voraussetzung lägen hier nicht vor.

16

Mit Schreiben vom 06.06.2008 änderte die Beklagte den angefochtenen Bescheid insoweit, als die Ausreisefrist auf einen Monat festgesetzt wird.

17

Die Klägerin erklärt die Hauptsache insoweit für erledigt, als durch den angegriffenen Bescheid § 14a Abs. 2 AsylVfG als für Kinder anwendbar bezeichnet wird, die am 01.01.2005 bereits geboren waren und insoweit, als in dem angefochtenen Bescheid die Ausreisefrist auf eine Woche festgesetzt worden war.

18

Die Klägerin beantragt nunmehr,

19

das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 06.06.2006 teilweise abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 05.05.2006 hinsichtlich Ziffer 3) Satz 3 des Tenors aufzuheben.

20

Die Beklagte hat schriftsätzlich keinen Antrag gestellt.

21

Die Beklagte hat zu dem Berufungsvorbringen inhaltlich keine Stellung genommen.

22

Die Beklagte stimmt der Erledigungserklärung der Klägerin hinsichtlich Satz 3 des Tenors des angefochtenen Bescheids zu.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses und des Verfahrens VG Schwerin 3 B 167/06 und 3 L 268/98 sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen; sie sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe

24

Soweit die Klägerin die Hauptsache für erledigt erklären will in Hinblick darauf, dass die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid von der Anwendbarkeit des § 14a AsylVfG ausgegangen ist, geht diese Erklärung ins Leere. Insoweit ist das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin rechtskräftig geworden, nachdem der Senat durch Beschluss vom 07.02.2008 den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt hat.

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Soweit die Klägerin das Verfahren im Hinblick auf die Festsetzung der Ausreisefrist von einer Woche im Bescheid vom 05.05.2006 für erledigt erklärt hat, hat dem die Beklagte zugestimmt. Das Verfahren ist daher entsprechend § 92 Abs. 2 VwGO einzustellen.

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Soweit die Berufung noch anhängig ist, kann der Senat ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierauf verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

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Die Berufung ist unbegründet.

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Die Vorschrift des § 34 AsylVfG ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch in den Fällen des § 14 a Abs. 3 AsylVfG anwendbar.

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Nach § 14 a Abs. 3 AsylVfG kann der Vertreter des Kindes im Sinne von § 12 Abs. 3 des Gesetzes jederzeit auf die Durchführung eines Asylverfahrens für das Kind verzichten, indem er erklärt, dass dem Kind keine politische Verfolgung droht. Nach § 32 AsylVfG stellt im Falle des Verzichts gemäß § 14 a Abs. 3 des Gesetzes das Bundesamt in seiner Entscheidung fest, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob die in den § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes bezeichneten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung vorliegen. In § 32 Satz 1 AsylVfG ist keine Entscheidung darüber getroffen, ob mit ihr eine Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylVfG verbunden werden kann. Hierbei handelt es sich um eine eigenständige Regelung, die in einem Bescheid zusammengefasst werden kann, soweit dessen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Es handelt sich insoweit um ein selbstständig anfechtbaren Verwaltungsakt (BVerwG, U. v. 07.10.1975 - I C 46.69 - BVerwGE 49, 202 (209)). Im Falle des Verzichts nach § 14 a Abs. 3 AsylVfG liegen zugleich die Voraussetzungen des Erlasses einer Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylVfG vor. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erlässt das Bundesamt nach §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG die Abschiebungsandrohung, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird und keinen Aufenthaltstitel besitzt. Gemäß § 32 Abs. 2 AsylVfG soll die Abschiebungsandrohung mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Diese Entscheidung liegt in Fällen wie den vorliegenden mit der Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens nach § 32 AsylVfG.

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Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG sind erfüllt. Die Frage, ob vorliegend ein Aufenthaltstitel vorliegt, richtet sich nach § 10 AufenthG. Nach § 10 Abs. 1 AufenthG kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern. Anhaltspunkte dafür, dass in diesem Sinne der Klägerin ein Aufenthaltstitel gegeben worden wäre, bestehen nicht und ergeben sich auch nicht aus den Verwaltungsvorgängen.

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Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Festsetzung der Ausreisefrist für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Danach entspricht es billigem Ermessen, die Kosten insoweit der Beklagten aufzuerlegen, da die Klage vor Änderung des angefochtenen Bescheides durch die Beklagte Erfolg gehabt hätte. Dies ergibt sich aus Folgendem:

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Im vorliegenden Fall war die einmonatige Ausreisefrist nach § 38 Abs. 2 AsylVfG maßgebend. Die gegenteilige Auffassung, auch des angefochtenen Urteils geht wesentlich davon aus, dass der Verzicht in der Sache einer Rücknahme des Asylantrages gleichzustellen sei. Der Gesetzgeber habe den Begriff des Verzichts gewählt, da die Einleitung des Verfahrens kraft Gesetzes fingiert werde, den Eltern mithin insoweit ihre Dispositionsbefugnis genommen worden sei. Verzicht auf die "weitere" Durchführung eines Verfahrens heiße jedoch nichts anderes als die verfahrensrechtliche Rücknahme des kraft Gesetzes fingierten Antrags (vgl. Marx, AsylVfG, Kommentar, 6. Aufl. § 14 a Rn. 30). Insofern geht die gegenteilige Rechtsprechung davon aus, dass ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers vorliege, wenn er, anders als in etlichen anderen Vorschriften, eine Gleichstellung der Rücknahme mit dem Verzicht nach § 14 a AsylVfG nicht vorgenommen habe.

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Der Annahme eines Redaktionsversehens steht entgegen, dass der Gesetzgeber an drei Stellen eine Gleichstellung der Rücknahme mit dem Verzicht nach § 14 a Abs. 3 AsylVfG vorgenommen hat, nämlich in §§ 32, 71 Abs. 1 Satz 2 und 72 Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG. Es handelt sich danach nicht um ein einfaches Redaktionsversehen im Sinne einer offenbaren Unrichtigkeit, die zu berichtigen wäre. Vielmehr stellt sich die Frage, ob ein sogenanntes qualifiziertes Redaktionsversehen vorliegt, wonach wegen der Sinnhaftigkeit der neuen Regelung davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber auch die nicht geänderten bzw. angepassten Vorschriften hätte ändern wollen (vgl. Riedl, Die Rechtsfigur des Redaktionsversehens des Gesetzgebers, AöR 119 (1994) S. 642, 651 ff.). Gegen die Annahme des derartigen Redaktionsversehens spricht zunächst bereits, dass § 38 Abs. 1 AsylVfG mit der Regelung der "sonstigen Fälle" geeignet ist, sämtliche Fälle zu erfassen, die nicht unter Abs. 2 der Vorschrift fallen. Für die Bestimmung der Ausreisepflicht entsteht daher nach dem Wortlaut des Gesetzes keine Regelungslücke. Es müsste mithin erkennbar werden können, dass diese Rechtsfolge, das heißt die einmonatige Ausreisefrist nach systematischen und teleologischen Gesichtspunkten mit den übrigen Regelungen des Gesetzes nicht vereinbar ist. Dies ist nicht der Fall. Durch die einmonatige Ausreisefrist wird die Zielsetzung des § 14 a AsylVfG, der sukzessiven Antragstellung einzelner Familienmitglieder zur Verhinderung einer Aufenthaltsbeendigung vorzubeugen (so BVerwG, U. v. 21.11.2006 - 1 C 10.06 - BVerwGE 127, 161) nicht beeinträchtigt. Davon geht im Übrigen auch der Beklagte in diesem Verfahren aus, wenn er erklärt, eine Abschiebung innerhalb einer Woche komme nicht in Betracht. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber denjenigen, dessen Asylantrag als nach § 14 a AslyVfG gestellt gilt, durch die Möglichkeit eines Verzichts in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht (vgl. § 10 Abs. 3 AufenthG) teilweise privilegieren wollte, um einen gewissen Anreiz dafür zu bieten, ein vielfach von vornherein aussichtsloses Asylverfahren - was der Betroffene nicht eingeleitet hat - zu beenden. Schließlich steht gegen die Annahme eines Redaktionsversehens nunmehr, dass der Gesetzgeber trotz Kenntnis der hier zu entscheidenden Problematik im Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl I S. 1970) eine Änderung des § 38 Abs. 2 AsylVfG nicht vorgenommen hat, obwohl § 14 a AsylVfG durch dieses Gesetz (Art. 3 Nr. 10) modifiziert worden ist (vgl. zu alledem auch OVG Münster, U. v. 11.08.2006 - 1 A 1437/06.A.).

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Soweit der Antrag auf Zulassung der Berufung bzw. die zugelassene Berufung zurückgewiesen worden ist, beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 2 VwGO.

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Das Verfahren ist gemäß § 80 AsylVfG gerichtskostenfrei. Die Quotelung der Kostenentscheidung beruht auf der Wertung des § 30 RVG.

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Soweit die Entscheidung auf § 161 Abs. 2 VwGO beruht, ist sie unanfechtbar (§ 152 Satz 1 VwGO).

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Im Übrigen ist die Revision nicht zuzulassen, da Gründe gemäß § 132 VwGO nicht vorliegen.

(1) Einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern.

(2) Ein nach der Einreise des Ausländers von der Ausländerbehörde erteilter oder verlängerter Aufenthaltstitel kann nach den Vorschriften dieses Gesetzes ungeachtet des Umstandes verlängert werden, dass der Ausländer einen Asylantrag gestellt hat.

(3) Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, darf vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nummer 1 bis 6 des Asylgesetzes abgelehnt wurde, darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Die Sätze 1 und 2 finden im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung; Satz 2 ist ferner nicht anzuwenden, wenn der Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 erfüllt.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.