Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 16. Aug. 2011 - 2 BvR 287/10

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2011:rk20110816.2bvr028710
bei uns veröffentlicht am16.08.2011

Gründe

A

I.

1

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Versagung von Beihilfe für bestimmte Aufwendungen und gegen die Anwendung eines Beihilfebemessungssatzes von lediglich 70 % auf andere Aufwendungen.

2

Der Beschwerdeführer war zunächst Angestellter und dann bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand Beamter im Dienst der Bundesrepublik Deutschland. Früher war er freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenkasse. Seit 1983 bezieht er eine Berufsunfähigkeitsrente und ist Pflichtmitglied in der Krankenversicherung der Rentner. Bei seiner Krankenkasse nimmt er am Kostenerstattungsverfahren teil.

3

Mit Beihilfefestsetzungsbescheid der Oberfinanzdirektion Karlsruhe, Nachberechnungsbescheid der Oberfinanzdirektion Koblenz und Widerspruchsbescheid der Oberfinanzdirektion Koblenz wurde für eine Reihe geltend gemachter Aufwendungen des Beschwerdeführers eine Beihilfe versagt, für andere Aufwendungen Beihilfe zu einem Satz von 70 % gewährt.

4

Eine auf Aufhebung der Bescheide und Festsetzung einer Beihilfe bezüglich aller eingereichten Rechnungen mit dem Beihilfebemessungssatz von 100 % gerichtete Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg nahm der Beschwerdeführer teilweise zurück. Hinsichtlich der noch streitgegenständlichen Aufwendungen wies das Verwaltungsgericht Freiburg die Klage mit Urteil vom 30. Juni 2005 ab.

5

Mit seiner vom Verwaltungsgericht Freiburg zugelassenen Berufung verfolgte der Beschwerdeführer noch Ansprüche auf Beihilfe für zahnärztliche Leistungen wie folgt:

6

Beleg Nr. 15:

1,20 €

Beleg Nr. 16:

10,90 €

Beleg Nr. 18:

124,76 €

Beleg Nr. 19:

10,90 €

7

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg wies die Berufung mit Urteil vom 1. Oktober 2008 zurück. Hinsichtlich der Belege Nr. 15 und 18 sei der angewandte Bemessungssatz von 70 % nicht zu beanstanden. Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Allgemeine Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen in der Fassung vom 10. Juli 1995 (GMBl S. 470) mit der hier maßgeblichen letzten Änderung vom 8. Januar 1999 (GMBl S. 58) - BhV - setze die Erhöhung des Bemessungssatzes auf 100 % voraus, dass der Beamte freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung sei. Der Beschwerdeführer sei dagegen pflichtversichert. § 14 Abs. 4 BhV verstoße nicht gegen Art. 14, Art. 33 Abs. 5 oder Art. 3 GG. Das Bundesverfassungsgericht habe anerkannt, dass die Anrechnung von Leistungen aus anderen öffentlichen Kassen auf Versorgungsbezüge verfassungsrechtlich zulässig sei. Hinsichtlich der Beihilfe könne nichts anderes gelten. Die zahnärztlichen Leistungen nach den Belegen Nr. 16 und 19 seien nach § 5 Abs. 4 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe b BhV nicht beihilfefähig. Sie würden als Sachleistungen angeboten. Da der Beschwerdeführer Kostenerstattung gewählt habe, habe die Krankenkasse ihm seine Aufwendungen weitgehend erstattet. Bei dem nicht erstatteten Betrag von jeweils 10,90 € handle es sich wohl um Abschläge für Verwaltungskosten und/oder fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen.

8

Mit Beschluss vom 21. Dezember 2009 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Nichtzulassung der Revision zurück. Der Umstand, dass im Kostenerstattungsverfahren - anders als bei der bedarfsdeckenden Gewährung von Dienst- und Sachleistungen - Aufwendungen teilweise ungedeckt blieben, beruhe auf der Wahlentscheidung des Pflichtversicherten. Der Dienstherr sei nicht verpflichtet, die finanziell nachteiligen Folgen dieser Entscheidung vollständig auszugleichen. Dass sich der für Empfänger von Versorgungsleistungen vorgesehene Bemessungssatz für Beihilfeleistungen von 70 % nur für freiwillig versicherte Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung auf 100 % erhöhe, sei nicht zu beanstanden. Die freiwillig versicherten Mitglieder finanzierten ihren Krankenversicherungsschutz vollständig aus eigenen Mitteln. Dies sei bei Pflichtversicherten, deren Krankenversicherungsbeiträge zu einem substantiellen Teil von dritter Seite - etwa der gesetzlichen Rentenversicherung - übernommen würden, nicht der Fall. Die Berücksichtigung der Ansprüche des Beschwerdeführers aus der gesetzlichen Krankenversicherung als Bestimmungsfaktor für die Beihilfebemessung berühre auch weder die Höhe noch den Bestand seiner Ansprüche gegenüber dem Rententräger.

II.

9

Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die ergangenen Verwaltungsakte und Gerichtsentscheidungen. Er rügt insbesondere die Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG.

10

Er führt aus, die Beschwerde erfolge mit der in früheren Verfassungsbeschwerden genannten Maßgabe, dass sich jeder Richter für wissenschaftliche Erkenntnisse zugänglich erweise. Widrigenfalls sei jeder Richter von vornherein aufgrund allgemein in der Gesellschaft verbreiteter Vorurteile als nicht gesetzlicher Richter abzulehnen, weil er nicht mit genügendem Wissen urteilen könne. Abgelehnt blieben daher die Richter des Bundesverfassungsgerichts Broß, Di Fabio und Landau, da sie sich vorsätzlich über die Maßgabe der früheren Verfassungsbeschwerden hinweggesetzt hätten. Abgelehnt blieben ferner die Richter des Bundesverfassungsgerichts Hohmann-Dennhardt, Gaier und Kirchhof, da sie den Kern einer früheren Verfassungsbeschwerde nicht begriffen hätten.

11

Die Verfassungsbeschwerde begründet der Beschwerdeführer damit, er begehre Beihilfeleistungen wie für einen privat oder freiwillig in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versicherten Beihilfeberechtigten. Da er ursprünglich freiwillig versichert gewesen sei und nun Kostenerstattung gewählt habe, beziehe er nach wie vor Leistungen aus einem freiwilligen Versichertenverhältnis. Aufgrund von Art. 14 GG dürfe der Sozialleistungsanspruch des Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht durch Kürzung oder Verweigerung von Beihilfe angetastet werden. Eine durch Rentenbeiträge (mit)finanzierte Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung sei beihilferechtlich neutral zu behandeln, wenn die Pflichtversicherung eigentumsrechtlich aus eigenen Beiträgen - einschließlich der Beiträge des Rentenversicherungsträgers - des Rentnerpensionärs finanziert werde. Beim Beitragsanteil aus der Rente handle es sich um keinen Zuschuss, sondern um eine der Eigentumsgarantie unterliegende Finanzierung. Der Dienstherr könne seine Fürsorgepflicht nicht auf dem Umweg über eine Krankenkasse, die ihre Leistungen von ausschließlich eigenen Beiträgen des Beamten refinanzieren lasse, auf den Beamten abwälzen. Die Argumentation, die gesetzliche Krankenversicherung und private Eigenvorsorge mit ergänzender Beihilfe seien nicht miteinander vergleichbar, sei nach der Erhebung von GKV-Pflichtbeiträgen auf Versorgungsbezüge und der Anrechnung von Leistungen der GKV auf die Beihilfe nicht mehr haltbar.

B

I.

12

Über die Ablehnungsgesuche kann in der gewöhnlichen Besetzung zusammen mit der Sachentscheidung entschieden werden, ohne dass es einer dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richter bedürfte. Die Ablehnungsgesuche sind offensichtlich unzulässig.

13

Ein Ablehnungsgesuch nach § 19 BVerfGG, das keine Begründung oder lediglich Ausführungen enthält, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind, ist unzulässig (vgl. BVerfGE 11, 1 <3>; BVerfGK 8, 59 <60>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. April 2009 - 1 BvR 887/09 -, juris). Die bloße Mitwirkung an einem vorangegangenen verfassungsgerichtlichen Verfahren vermag die Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich nicht zu begründen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. Juli 2001 - 1 BvR 730/01 -, NJW 2001, S. 3533; BVerfGK 8, 59 <60>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. April 2009 - 1 BvR 887/09 -, juris). Richtet sich ein Ablehnungsgesuch gegen einen Richter, dessen Mitwirkung - etwa wegen Ausscheidens aus dem Spruchkörper oder der Zugehörigkeit zu einem anderen Senat - ohnehin nicht in Betracht kommt, ist es mangels Rechtsschutzbedürfnisses offensichtlich unzulässig (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. April 2009 - 1 BvR 887/09 -, juris; vgl. auch BGH, Beschluss vom 21. Februar 2011 - II ZB 2/10 -, NJW 2011, S. 1358 <1359>). Bei offensichtlicher Unzulässigkeit bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters; dieser ist auch von der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch nicht ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 11, 1 <3>; BVerfGK 8, 59 <60>).

14

Nach diesen Maßstäben sind die Ablehnungsgesuche offensichtlich unzulässig. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers zur Ablehnung des Richters Prof. Dr. Dr. Di Fabio und des Richters Prof. Landau ist kein sachlich nachvollziehbarer Bezug zur Verfassungsbeschwerde zu entnehmen. Es ist bei vernünftiger Würdigung offensichtlich ungeeignet, Anlass für eine Besorgnis der Befangenheit zu bieten. Neben Spekulationen erschöpft es sich im Hinweis auf die Mitwirkung an einer früher ergangenen, für den Beschwerdeführer ungünstigen Entscheidung. Dies ist nach den obigen Maßstäben grundsätzlich nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. In Bezug auf den ehemaligen Richter Prof. Dr. Dr. h.c. Broß, die ehemalige Richterin Dr. Hohmann-Dennhardt, den Richter Prof. Dr. Gaier und Vizepräsident Prof. Dr. Kirchhof ist das Ablehnungsgesuch schon mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Ihre Mitwirkung kommt wegen Ausscheidens aus dem Gericht beziehungsweise der Zugehörigkeit zu einem anderen Senat nicht in Betracht.

II.

15

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht erfüllt sind. Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist die Annahme zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt.

16

1. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Versagung von Beihilfeleistungen für andere Aufwendungen als die "Belege 15, 16, 18 und 19" wendet, ist die Verfassungsbeschwerde mangels Rechtswegerschöpfung bereits unzulässig (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit seine Klage vor dem Verwaltungsgericht zurückgenommen beziehungsweise keine Berufung eingelegt.

17

2. Es kann dahinstehen, ob die Verfassungsbeschwerde im Übrigen mangels Vorlage der Ausgangsbescheide, deren Inhalt sich allerdings aus dem vorgelegten Widerspruchsbescheid weitgehend ergibt, schon nicht hinreichend substantiiert ist (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Sie ist jedenfalls unbegründet. Die angegriffenen Verwaltungsakte und gerichtlichen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinen verfassungsmäßigen Rechten.

18

a) Die angegriffenen Verwaltungsakte und gerichtlichen Entscheidungen verstoßen nicht gegen Art. 14 GG. Dessen Schutzbereich ist nicht eröffnet. Die dem Beschwerdeführer zustehenden Kranken- und Rentenversicherungsansprüche, die grundsätzlich den Schutz des Art. 14 GG genießen, werden durch die Bemessung der Beihilfe weder in ihrem Bestand noch in ihrer Höhe entwertet oder sonst wie berührt. Solche Ansprüche werden nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass sie einen der Bestimmungsfaktoren dafür bilden, in welchem Umfang Beihilfe geleistet wird (vgl. BVerfGE 76, 256 <293 f.>; 83, 89 <109>). Die Beihilfeleistung selbst ist nicht an Art. 14 GG zu messen. Ansprüche auf Beihilfe haben als öffentlich-rechtliche vermögensrechtliche Ansprüche ihre Grundlage in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, das in Art. 33 Abs. 5 GG eine verfassungsrechtliche Sonderregelung erfahren hat. Art. 33 Abs. 5 GG geht daher als lex specialis Art. 14 GG vor (stRspr seit BVerfGE 3, 58<153>).

19

b) Die Verwaltungsakte und gerichtlichen Entscheidungen verstoßen nicht gegen Art. 33 Abs. 5 GG.

20

aa) Die Beihilfe in ihrer gegenwärtigen Gestalt gehört nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Dementsprechend besteht auch keine spezielle verfassungsrechtliche Verpflichtung, den Beamten und Versorgungsempfängern für Krankheitsfälle und vergleichbare Belastungen Unterstützung gerade in Form von Beihilfen oder gar von solchen Beihilfen in einer bestimmten Höhe zu gewähren (vgl. BVerfGE 58, 68 <77>; 79, 223 <235>; 83, 89 <98>; 106, 225 <232>; BVerfGK 13, 278 <281>).

21

Eine solche Pflicht kann auch nicht aus dem hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums hergeleitet werden, wonach der Dienstherr die Beamten und ihre Familien amtsangemessen zu alimentieren hat. Der beamtenrechtliche Alimentationsgrundsatz wäre erst dann verletzt, wenn die zur Abwendung von krankheitsbedingten Belastungen erforderlichen Krankenversicherungsprämien einen solchen Umfang erreichten, dass der angemessene Lebensunterhalt der Beamten und Versorgungsempfänger nicht mehr gewährleistet wäre. Bei einer solchen Sachlage wäre verfassungsrechtlich nicht eine Anpassung der Beihilfesätze, sondern eine entsprechende Korrektur der Besoldungs- und Versorgungsgesetze, die das Alimentationsprinzip konkretisieren, geboten (vgl. BVerfGE 58, 68 <77 f.>; BVerfGK 13, 278 <282>).

22

Die Gewährung von Beihilfen findet ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. BVerfGE 83, 89 <99>; 106, 225 <232>). Der Dienstherr muss Vorkehrungen dafür treffen, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten bei Eintritt besonderer finanzieller Belastungen durch Krankheits-, Geburts- oder Todesfälle nicht gefährdet wird. Ob er dieser Pflicht über eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise Genüge tut, bleibt von Verfassungs wegen seiner Entscheidung überlassen. Entscheidet sich der Dienstherr, seiner Fürsorgepflicht durch die Eigenvorsorge des Beamten ergänzende Beihilfen nachzukommen, so muss er sicherstellen, dass der Beamte nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenvorsorge nicht absichern kann. Der Dienstherr darf somit die Beihilfe - da er sie als eine die Eigenvorsorge ergänzende Leistung konzipiert hat - nicht ohne Rücksicht auf die vorhandenen Versicherungsmöglichkeiten ausgestalten. Eine in Ergänzung der zumutbaren Eigenvorsorge lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen verlangt die Fürsorgepflicht dagegen nicht (vgl. BVerfGE 106, 225 <233>; BVerfGK 13, 278 <282>; vgl. auch BVerfGE 83, 89 <101 f.>). Der Dienstherr ist nicht verpflichtet, die Beihilfevorschriften so an den verschiedenen Krankenversicherungssystemen auszurichten, dass die Entscheidung eines Beihilfeberechtigten für die eine oder die andere Versicherungsart in jeder Hinsicht wirtschaftlich neutral ist (BVerfGK 13, 278 <284>).

23

bb) Hiervon ausgehend begegnen die vorliegende Festsetzung der Beihilfe und deren Billigung durch die Gerichte keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

24

Nach dem dargelegten Maßstab verstößt der auf den Beschwerdeführer angewandte Beihilfebemessungssatz von 70 % nicht gegen Art. 33 Abs. 5 GG. Art. 33 Abs. 5 GG gibt keinen Beihilfebemessungssatz in einer bestimmten Höhe vor. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn verlangt keine lückenlose Erstattung sämtlicher Aufwendungen. Dass der Beschwerdeführer durch den angewandten Beihilfesatz mit erheblichen, ihm nicht zumutbaren Kosten belastet würde und eine Selbstvorsorge unzumutbar sei, ist nicht vorgetragen und liegt angesichts der geringen Höhe der begehrten weiteren Beihilfe auch nicht nahe.

25

Dass in Bezug auf zahnärztliche Leistungen ein Betrag von jeweils 10,90 € nicht erstattet wurde, stellt ebenfalls keinen Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG dar, den die Fachgerichte hätten beanstanden müssen. Die Nichterstattung orientiert sich an § 5 Abs. 4 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe b, Abs. 4 Nr. 9 der in Konkretisierung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn erlassenen Beihilferegelungen (BhV). Danach sind solche Aufwendungen von der Beihilfe ausgeschlossen, die darauf beruhen, dass ein Beihilfeberechtigter Sach- und Dienstleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in Anspruch genommen hat. Abschläge für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die die gesetzlichen Krankenkassen bei der Kostenerstattung vornehmen, sind von der Beihilfe ausgenommen. Die durch diese Vorschriften begründete Erstattungslücke knüpft an eine autonome Entscheidung des Beihilfeberechtigten für die Kostenerstattung an und hätte von diesem durch die unmittelbare Inanspruchnahme der von der gesetzlichen Krankenversicherung angebotenen Sach- und Dienstleistungen vermieden werden können. Die Fürsorgepflicht gebietet in solchen Fällen ein Eingreifen des Dienstherrn nicht (vgl. BVerfGK 13, 278 <282 f.>). Es ist auch nicht erkennbar, dass nach der Kostenerstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung eine erhebliche Kostenbelastung des Beschwerdeführers verblieben ist (vgl. BVerfGK 13, 278 <283>).

26

c) Auch Art. 3 Abs. 1 GG ist durch die Entscheidungen nicht verletzt.

27

aa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (stRspr seit BVerfGE 1, 14<52>). Bei der Regelung des Beihilferechts steht dem Dienstherrn ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 58, 68 <79>; BVerfGK 13, 278 <284>), der dem oben geschilderten Gestaltungsspielraum nach Art. 33 Abs. 5 GG inhaltlich entspricht (vgl. BVerfGE 110, 353 <364 f., 369>). Der Gleichheitssatz ist nicht schon dann verletzt, wenn der Dienstherr nicht die gerechteste, zweckmäßigste oder vernünftigste Lösung gewählt hat. Die Gerichte können vielmehr nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen, sofern nicht von der Verfassung selbst getroffene Wertentscheidungen entgegenstehen (vgl. BVerfGE 65, 141 <148 f.>; 103, 310 <319 f.>; 110, 353 <364 f.>).

28

bb) Hiervon ausgehend begegnet der auf den Beschwerdeführer angewandte Beihilfesatz von 70 % auch unter Gleichheitsaspekten keinen Bedenken. Die Verwaltungsvorschrift des § 14 BhV sieht für den beihilfeberechtigten Empfänger von Versorgungsbezügen einen Beihilfesatz von 70 % vor (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2), welcher sich für freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung mit der Höhe nach gleichen Leistungsansprüchen wie Pflichtversicherte auf 100 % der sich nach der Anrechnung der Kassenleistung ergebenden beihilfefähigen Aufwendungen erhöht (Abs. 4). Der Beschwerdeführer ist Pflichtmitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung. Mit seinem Vorbringen, er sei weiterhin freiwillig versichert, setzt er fälschlicherweise das Kostenerstattungsprinzip mit einer freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung gleich. Zwischen dem in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Beschwerdeführer und den freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung, auf die ein Beihilfebemessungssatz von 100 % angewandt wird, bestehen hinreichende Differenzierungsmerkmale. So unterscheidet sich der Beschwerdeführer dadurch von freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung, dass ihm ein Zuschuss der Rentenversicherung zum Krankenversicherungsbeitrag zugute kommt, während jene ihren Beitrag vollständig aus eigenen Mitteln finanzieren. Der Dienstherr darf sich bei der Bemessung der Beihilfe grundsätzlich im Hinblick auf andere Leistungen aus einer öffentlichen Kasse entlasten (vgl. BVerfGE 76, 256 <298 ff.>), zumal die Beihilfe lediglich die Versorgung ergänzenden Charakter hat. Obwohl der Versicherte den Zuschuss der Rentenversicherung durch Eigenleistungen in Form von Rentenversicherungsbeiträgen mitfinanziert (vgl. BVerfGK 13, 372 <376>), handelt es sich bei dem Zuschuss um eine solche berücksichtigungsfähige Leistung einer - im Umlageverfahren finanzierten - öffentlichen Kasse (vgl. BVerfGE 76, 256 <302>).

29

cc) Auch die Nichterstattung von jeweils 10,90 € für zahnärztliche Leistungen nach § 5 Abs. 4 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe b und Nr. 9 BhV begegnet im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Soweit der Beschwerdeführer darin eine Benachteiligung gesetzlich versicherter gegenüber privat versicherten Beihilfeberechtigten erblickt, ist diese Ungleichbehandlung durch die grundlegenden Systemunterschiede zwischen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung gerechtfertigt (vgl. BVerfGK 13, 278 <285>). Wie Art. 33 Abs. 5 GG verpflichtet auch Art. 3 Abs. 1 GG nicht dazu, die Beihilfe so auszugestalten, dass die grundsätzlich freie Entscheidung des Beihilfeberechtigten für die gesetzliche oder private Krankenversicherung beihilferechtlich neutral ist. Der Beschwerdeführer hätte den verbliebenen Aufwendungen zudem durch Inanspruchnahme von Sach- und Dienstleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entgehen können.

30

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

31

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2011 - II ZB 2/10

bei uns veröffentlicht am 21.02.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZB 2/10 vom 21. Februar 2011 in dem Spruchverfahren Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Februar 2011 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bergmann sowie die Richter Maihold, Dr. Matthias, Pamp und Dr. Ne

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(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Wird ein Richter des Bundesverfassungsgerichts wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so entscheidet das Gericht unter Ausschluß des Abgelehnten; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(2) Die Ablehnung ist zu begründen. Der Abgelehnte hat sich dazu zu äußern. Die Ablehnung ist unbeachtlich, wenn sie nicht spätestens zu Beginn der mündlichen Verhandlung erklärt wird.

(3) Erklärt sich ein Richter, der nicht abgelehnt ist, selbst für befangen, so gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Hat das Bundesverfassungsgericht die Ablehnung oder Selbstablehnung eines Richters für begründet erklärt, wird durch Los ein Richter des anderen Senats als Vertreter bestimmt. Die Vorsitzenden der Senate können nicht als Vertreter bestimmt werden. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 2/10
vom
21. Februar 2011
in dem Spruchverfahren
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Februar 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Bergmann sowie die Richter Maihold,
Dr. Matthias, Pamp und Dr. Nedden-Boeger

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Die Ablehnungsgesuche der Antragstellerinnen zu 63, 71 und 75 sowie der Antragsteller zu 40, 53 und 57 werden zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Die Antragstellerin zu 63 hat durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten II. Instanz vom 17. November 2010 die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Strohn, Caliebe, Dr. Drescher, Born und Sunder sowie den Vorsitzenden Richter i.R. Prof. Dr. Goette (für die Amtszeit bis zum 30. September 2010) wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Mit weiterem Schriftsatz vom 26. November 2011 hat die Antragstellerin zu 63 das gegen die Richterin am Bundesgerichtshof Caliebe gerichtete Ablehnungsgesuch zurückgenommen, da diese nach der Besetzungsauskunft des Senats vom 15. November 2010 nicht an der zuständigen Spruchgruppe beteiligt sei, und ein weiteres Ablehnungsgesuch gegen die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Reichart erhoben. Zur Begründung ihrer Ablehnungsgesuche hat sie ausgeführt, dass der ehemalige Vorsitzende des II. Zivilsenats Prof. Dr. Goette mit Wirkung vom 1. Oktober 2010 als "of counsel" in die Dienste der Anwaltskanzlei G. , S. , getreten sei. Im Hinblick darauf habe der frühere Senatsvorsitzende schon vor dem 1. Oktober 2010 wegen seiner Nähe und Beziehung zu dieser Anwaltskanzlei nicht mehr unbefangen und unparteiisch als Richter handeln können. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der ausgeschiedene Senatsvorsitzende bei der Vorbereitung des Spruchverfahrens, in dem die Antragsgegnerin in beiden Vorinstanzen von Anwälten der Kanzlei G. vertreten worden sei, "prägend" mitgewirkt habe. Die übrigen abgelehnten Senatsmitglieder hätten die Pflicht verletzt, den Prozessbeteiligten den beabsichtigten Eintritt des früheren Senatsvorsitzenden in die Anwaltskanzlei G. anzuzeigen. Das Gericht als Ganzes sei verpflichtet gewesen, alle Umstände offen zu legen, die Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit eines mitwirkenden Richters wecken könnten. Die Verletzung dieser Pflicht begründe ihnen gegenüber ebenso die Besorgnis der Befangenheit wie der Loyalitätskonflikt, der entstehe, wenn die verbliebenen Senatsmitglieder sich mit dem Führungsstil des früheren Senatsvorsitzenden nun in Gestalt von Parteivorbringen auseinandersetzen müssten. Richter am Bundesgerichtshof Dr. Drescher sei auch dadurch befangen , dass in allen drei Instanzenzügen Richter entschieden hätten, die dem gesellschaftsrechtlichen Senat des Oberlandesgerichts Stuttgart angehörten oder angehört hätten. Komme es in solcher Konstellation zu einem Dialog zwischen dem Bundesgerichtshof und den unteren Instanzen, dann vermittle dies keine unabhängige Rechtsfindung, sondern eine instanzenbürokratisch vorgeprägte.
2
Die Antragstellerinnen zu 71 und 75 haben sich dem Ablehnungsgesuch durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten II. Instanz vom 15. Dezember 2010 angeschlossen und die vorgebrachten Befangenheitsgründe vertieft, ebenso die Antragsteller zu 40 und 57, soweit es den Vorsitzenden Richter i.R. Prof. Dr. Goette und den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Drescher betrifft, durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten II. Instanz vom 2. Januar 2011. Der Antragsteller zu 53 hat sich dem Ablehnungsgesuch mit Schreiben vom 3. Januar 2011 unter ausdrücklicher Einbeziehung der Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Reichart sowie des Richters am Bundesgerichtshof Dr. Löffler (als Mitwirkender am Verfahren II ZB 18/09) ebenfalls angeschlossen und - ebenso wie der Antragsteller zu 49 - weitergehende Auskünfte und Stellungnahmen der abgelehnten Richter erbeten. Der Antragsteller zu 42 hat ohne Anbringung eines eigenen Ablehnungsgesuchs Stellung genommen. Mit Schreiben vom 10. Februar 2011 hat der Antragsteller zu 53 die Richterin am Bundesgerichtshof Caliebe (Beschwerdeführerin des Verfahrens 4 S 1/11 VGH Mannheim) in sein Ablehnungsgesuch einbezogen und weitere Auskünfte über die Senatsmitglieder , die Mitwirkungsgrundsätze des Senats und einzelne Erwägungen des Gerichtspräsidiums erbeten.
3
Mit Schriftsatz vom 3. Januar 2011 hat die Antragstellerin zu 63 ihr Ablehnungsgesuch bezüglich des Richters am Bundesgerichtshof Sunder zurückgenommen und zu den dienstlichen Äußerungen der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Strohn, Dr. Drescher und Born sowie der Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Reichart Stellung genommen und dabei ausgeführt, diese vertieften und verstärkten die Besorgnis der Befangenheit und gäben Anlass und Gründe für eine erneute Ablehnung der Richter. Mit Schreiben vom 15. Februar 2011 hat sie das Ablehnungsgesuch erneut auch auf Richterin am Bundesgerichtshof Caliebe erstreckt, nunmehr wegen einer bestehenden Nähebeziehung zu einem Angehörigen der Rechtsanwaltssozietät H.
4
II. Der Senat entscheidet in der Besetzung ohne die Richterin am Bundesgerichtshof Caliebe und ohne die abgelehnten Richter.
5
Gemäß Ziffer I.3 der nach § 21g GVG beschlossenen Mitwirkungsgrundsätze des Senats werden Sachen, in denen die Rechtsanwaltssozietät H. in den Vorinstanzen als Bevollmächtigte einer der Beteiligten tätig war, ohne Richterin am Bundesgerichtshof Caliebe - auch in Vertretungsfällen - bearbeitet. Diese Regelung, die in den Mitwirkungsgrundsätzen des Senats bereits seit dem 7. Juli 2008 verankert ist, dient der Vermeidung möglicher Interessenkollisionen, welche aufgrund einer persönlichen Nähebeziehung der Richterin am Bundesgerichtshof Caliebe zu einem Angehörigen der Rechtsanwaltssozietät H. entstehen könnten.
6
Zwar ist die Rechtsanwaltssozietät H. in der hier zur Entscheidung stehenden Sache nicht in den Vorinstanzen als Bevollmächtigte einer der Beteiligten tätig geworden. Die Sache ist jedoch wegen Sachzusammenhangs mit dem weiteren Verfahren II ZB 10/10, in dem die Rechtsanwaltssozietät H. tätig geworden ist und somit die Interessenlage einer der Beteiligten teilt, derjenigen Spruchgrupe zugewiesen worden, der Richterin am Bundesgerichtshof Caliebe nicht angehört. Darauf beruht die Besetzungsauskunft des Senats vom 15. November 2010.
7
III. Die Ablehnungsgesuche haben keinen Erfolg.
8
1. Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) das bis zum 31. August 2009 geltende Verfahrensrecht anwendbar, da der das Verfahren einleitende Antrag vor dem 1. September 2009 gestellt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2010 - II ZB 1/10, ZIP 2010, 446 Rn. 7).
9
Auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist, seitdem das Bundesverfassungsgericht die frühere Regelung des § 6 Abs. 2 Satz 2 FGG für verfassungswidrig erklärt hat (BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 1967 - 2 BvR 235/64, BVerfGE 21, 139), die Ablehnung von Richtern wegen Besorg- http://www.juris.de/jportal/portal/t/epp/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE150300301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 6 - nis der Befangenheit zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung und ganz herrschender Meinung werden hierbei die §§ 42 ff. ZPO entsprechend angewendet (BGH, Beschluss vom 31. Oktober 1966 - AnwZ (B) 3/66, BGHZ 46, 195; BayObLG, NJW 2002, 3262; Keidel/Kuntze/Winkler/Zimmermann, FGG, 15. Aufl., § 6 Rn. 56; Bassenge/Roth, FGG, 11. Aufl., § 6 Rn. 1).
10
2. Die Ablehnungsgesuche sind als unzulässig zurückzuweisen, soweit sie den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof i.R. Prof. Dr. Goette, den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Löffler und die Richterin am Bundesgerichtshof Caliebe betreffen. Das Recht einer Partei, einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen (§ 42 Abs. 1 ZPO), ist darauf gerichtet, eine weitere Mitwirkung des befangenen Richters zu verhindern. Für ein Ablehnungsgesuch , das gegen einen Richter gerichtet ist, dessen weitere Mitwirkung ohnehin nicht mehr in Betracht kommt, weil er durch Eintritt in den Ruhestand (Prof. Dr. Goette) oder wegen Wechsels in einen anderen Senat (Dr. Löffler) aus dem Spruchkörper ausgeschieden ist, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BFH, NJW-RR 1996, 57 f.; Musielak/Heinrich, ZPO, 7. Aufl., § 44 Rn. 5; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 42 Rn. 14, § 44 Rn. 9).
11
Ebenso sind die von den Antragstellern zu 53 und 63 mit Schreiben vom 10. und 15. Februar 2011 gegen die Richterin am Bundesgerichtshof Caliebe angebrachten Ablehnungsgesuche unzulässig, da die abgelehnte Richterin bereits aufgrund Ziffer I.3 der Mitwirkungsgrundsätze des Senats nicht an dem Verfahren mitwirkt.
12
3. Die Ablehnungsgesuche sind in der Sache nicht begründet.
13
a) Nach § 42 ZPO kann ein Richter von den Prozessparteien außer in den Fällen seines Ausschlusses kraft Gesetzes auch wegen Besorgnis der Be- fangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters vermögen nur objektive Gründe zu rechtfertigen , die vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber (vgl. BGH, Beschluss vom 6. April 2006 - V ZB 194/05, NJW 2006, 2492, 2494; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 42 Rn. 9, jeweils m.w.N.).
14
b) Derartige Gründe sind bezüglich der abgelehnten Richter nicht gegeben. Die Ablehnenden beanstanden in erster Linie das in den Ablehnungsgesuchen vorgetragene Verhalten von Prof. Dr. Goette im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden zum 30. September 2010 aus dem Richterdienst und der daran unmittelbar anschließenden Aufnahme einer Rechtsanwaltstätigkeit. Hinsichtlich der abgelehnten Richter Dr. Strohn, Dr. Reichart, Dr. Drescher, Born und Sunder halten die Ablehnenden die Besorgnis der Befangenheit deshalb für begründet, weil keinerlei Distanzierung erkennbar sei und weil sich diese im weiteren Verfahren mit dem beanstandeten Verhalten ihres ehemaligen Senatsvorsitzenden auseinandersetzen müssten und deshalb in einen Loyalitätskonflikt gerieten. Außerdem hätten sie ihr Wächteramt, das sie zur Wahrung der Integrität ihres Spruchkörpers verpflichte, nicht wahrgenommen.
15
Die abgelehnten Richter haben sich dienstlich dahin geäußert, dass sie vor dem Ausscheiden von Prof. Dr. Goette zum 30. September 2010 von dessen Absicht, als "of counsel" in die Rechtsanwaltskanzlei G. einzutreten , von der Umsetzung dieses Entschlusses sowie von Angeboten anderer Anwaltskanzleien für Prof. Dr. Goette und Verhandlungen darüber keine Kenntnis hatten. Schon deshalb ist auch aus der Sicht der Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung das in den Ablehnungsgesuchen vorgetragene Verhalten von Prof. Dr. Goette als solches nicht geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der im Spruchkörper verbliebenen Richter zu erwecken.
16
Das in den Ablehnungsgesuchen beanstandete Verhalten von Prof. Dr. Goette rechtfertigt ferner nicht deshalb die Ablehnung der übrigen Senatsmitglieder , weil diese in jedem Fall in einen Loyalitätskonflikt gerieten, unabhängig davon, wie sie sich zu dem Verhalten und der Einstellung ihres ehemaligen Vorsitzenden stellten. Es besteht - auch aus vernünftiger Sicht der Ablehnenden - kein hinreichender Anlass für die Annahme, dass die abgelehnten Richter, die zur Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten verpflichtet sind, nicht (mehr) in der Lage sind, das Parteivorbringen unvoreingenommen zu würdigen, weil der ehemalige Senatsvorsitzende nunmehr der Kanzlei der vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin angehört und er, wie die Antragstellerin zu 63 geltend macht, über Spezialwissen um die Interna der Einstellungen des Senats verfüge, das er aufgrund seiner neuen Stellung in die Sozietät G. einzubringen habe. Soweit sich Prof. Dr. Goette nach dem Vorbringen der Antragstellerin zu 63 auf Tagungen oder in Aufsätzen zu Fragen geäußert haben soll, die der Senat im vorliegenden Verfahren, an dem die Kanzlei G. beteiligt ist, "nur noch … zu definieren" habe, begründet dies bei objektiver Betrachtung gleichfalls nicht die Befürchtung, die zur Entscheidung berufenen Richter könnten sich dadurch in einer Weise beeinflussen lassen, dass sie der Sache nicht mehr mit der gebotenen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit gegenüberstünden. Die dienstlichen Äußerungen lassen auch aus der Sicht der Ablehnenden keine Zweifel daran aufkommen, dass die abgelehnten Richter diese - und weitere in den Ablehnungsgesuchen vorgetragene - mündlichen und schriftlichen Kundgaben von Prof. Dr. Goette nicht anders würdigen, als sie sich bei objektiver Betrachtung darstellen: als persönliche Meinungsäußerungen eines aus dem aktiven Dienst ausgeschiedenen, an den zukünftigen Entscheidungen des Se- nats nicht mehr beteiligten Richters, der aufgrund seiner jetzigen Tätigkeit in der Rechtsanwaltskanzlei G. die Interessen der von ihm vertretenen Mandanten wahrzunehmen hat (vgl. § 1 Abs. 3 BORA).
17
Das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin zu 63 ist auch insoweit unbegründet , als sie es darauf stützt, die dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter verhielten sich nicht zu allen geltend gemachten Ablehnungsgründen. Der abgelehnte Richter hat sich gemäß § 44 Abs. 3 ZPO über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern. Wie sich aus § 44 Abs. 2 ZPO ergibt, hat sich diese dienstliche Äußerung auf die Tatsachen zu beziehen, die der Ablehnende zur Begründung seines Ablehnungsgesuchs vorgetragen hat. Die dienstliche Äußerung des Richters ist dessen Zeugnis, auf das sich der Ablehnende zur Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Ablehnungsgrundes beziehen darf, § 44 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters muss sich daher nicht auf Vorbringen erstrecken, das keiner Glaubhaftmachung bedarf , weil damit ein Ablehnungsgrund offensichtlich schon nicht hinreichend dargelegt ist. Ausführungen zur Begründetheit des Ablehnungsgesuchs - also zur Frage, ob die vorgetragenen Tatsachen die Besorgnis der Befangenheit begründen - haben zu unterbleiben. Ebenso muss sich der abgelehnte Richter nicht, wie von den Antragstellern zu 29, 49 und 53 verlangt, einer Ausforschung solcher Umstände stellen, bezüglich derer ein substantiierter Ablehnungsgrund schon nicht dargetan ist.
18
Danach war eine Äußerung der abgelehnten Richter zur Frage des Kontakts zwischen Mitgliedern des II. Zivilsenats und Tatrichtern der Instanzgerichte nicht veranlasst. Die Antragstellerin zu 63 hatte in ihrem Ablehnungsgesuch vom 17. November 2010 lediglich auszugsweise Teile von Äußerungen aus einem Interview von Prof. Dr. Goette in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 22. September 2010 zu einem "von Herrn Goette 'erwähnten' Dialog 'mit den unteren Instanzen' " angeführt. Sodann hatte sie in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Spruchverfahren in allen drei Rechtszügen Richter entschieden, die dem gesellschaftsrechtlichen Senat des Oberlandesgerichts Stuttgart angehörten oder angehört hätten. So sei der Vorsitzende Richter am Landgericht V. ebenso Richter des Senats unter Leitung des Präsidenten des Oberlandesgerichts S. gewesen wie der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Drescher. Komme es in solcher Konstellation, so wird in dem Ablehnungsgesuch im Anschluss daran ausgeführt, noch zum "Dialog" zwischen dem Bundesgerichtshof und den "unteren Instanzen", dann vermittele dies einem objektiven Betrachter keine unabhängige Rechtsfindung mehr, sondern ein uniformes Entscheidungsprodukt, das über alle Instanzen hinweg bereits höchstrichterlich begleitet und damit instanzenbürokratisch vorgeprägt worden sei. Die insoweit vorgetragenen Tatsachen erschöpfen sich darin, dass Prof. Dr. Goette in dem angeführten Interview für einen Dialog des II. Zivilsenats mit den unteren Instanzen eingetreten sein soll und Richter am Bundesgerichtshof Dr. Drescher vor seiner Ernennung zum Bundesrichter neben anderen Instanzrichtern dem vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Stuttgart angeführten Senat angehört hat. Diese Tatsachen vermögen ersichtlich die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter nicht zu rechtfertigen, so dass sich deren dienstliche Stellungnahme dazu erübrigt.
19
Dasselbe gilt für das Vorbringen der Antragstellerin zu 63 zu den von ihr als unausgewogene Dienstauffassung gerügten intensiven außergerichtlichen Nebentätigkeiten von Prof. Dr. Goette. Es ist nicht erkennbar, aus welchem Grund der Umfang der Nebentätigkeiten des früheren Senatsvorsitzenden vor seinem Ausscheiden bei objektiver Betrachtung Zweifel daran begründen könnte , dass die im Spruchkörper verbliebenen Senatsmitglieder bei zukünftigen Entscheidungen der Sache unvoreingenommen gegenüber stehen.
20
Die Ablehnungsgesuche sind ferner unschlüssig, soweit sie Äußerungen von Prof. Dr. Goette in dem genannten Interview in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu Gesprächen mit Rechtsanwälten und Unternehmensjuristen betreffen. Die Antragstellerin zu 63 führt in ihren ergänzenden Ausführungen vom 26. November 2010 insoweit an, Prof. Dr. Goette habe in dem Interview geäußert , dass zur "Erweiterung des Erfahrungshorizontes" bei gerichtlichen Auseinandersetzungen nach einer Hauptversammlung "besonders wichtig … die Gespräche , Fragen und Diskussionen mit Wissenschaftlern, Anwälten und Praktikern aus Unternehmen sind, wie sie bei zahlreichen Fachtagungen stattfinden". Den aus seiner Sicht wünschenswerten Weg der Rechtsfindung habe er dahin definiert, dass "ein Gedankenaustausch mit Wissenschaft und Praxis … unerlässlich für eine weitsichtige Entscheidungsfindung (ist), die nicht auf dem Buchstaben des Gesetzes fixiert ist, sondern den Unternehmen den gebotenen Freiraum gebe". Die Antragstellerinnen zu 71 und 75 haben dazu ergänzend unter Bezugnahme auf den Beitrag von Prof. Dr. Goette in der NZG 2010, 1293 angeführt, die dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter gingen nicht in dem erforderlichen Umfang auf die Verflechtung zwischen den "meisten Mitgliedern des II. Zivilsenats" durch das Gespräch "mit Rechtsanwälten und Unternehmensjuristen" ein, das bei dem erkennenden Senat "bewährte Tradition" sein solle.
21
Die Teilnahme von Richtern am Bundesgerichtshof an Tagungen und anderen wissenschaftlichen Veranstaltungen dient der Darstellung und Vermittlung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und dem Austausch von Meinungen, auch in Bezug auf sich in der Praxis neu stellende Probleme und deren wirtschaftlichen Hintergrund. Ein wissenschaftlicher Austausch in diesem Sinne ist insbesondere für ein oberstes Bundesgericht unverzichtbar. Damit geht einher, dass die Teilnahme von Richtern an solchen Tagungen und ihre Meinungsbekundungen dort grundsätzlich nicht geeignet sind, ihre Befangen- heit zu begründen. Dies gilt auch dann, wenn wissenschaftliche Äußerungen über die bereits vorliegende Rechtsprechung hinausgehen (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2002 - XI ZR 14/02, juris).
22
Ebenfalls haben sich die Senatsmitglieder nicht dadurch befangen gemacht , dass sie der von Prof. Dr. Goette publizierten Auffassung über die in Freigabeverfahren gebotene Prüfungsdichte der Instanzgerichte "ersichtlich keinen Widerstand entgegensetzt" hätten. Bloßen Meinungsäußerungen des früheren Vorsitzenden mussten die Senatsmitglieder nicht entgegentreten.
23
Auch haben sich die Senatsmitglieder nicht dadurch befangen gemacht, dass sie einem "offensichtlich über Jahre andauernden verfahrensübergreifenden Interessenkonflikt", der aus der Nähebeziehung zwischen der Richterin am Bundesgerichtshof Caliebe und einem Mitglied der Rechtsanwaltssozietät H. herrühre, nicht Einhalt geboten hätten. Unmittelbar nachdem die betroffene Richterin die Nähebeziehung anzeigte und in dem Verfahren II ZR 170/07 die Selbstablehnung erklärte, hat der Senat seine Mitwirkungsgrundsätze darauf eingestellt und die Mitwirkung der betroffenen Richterin in Sachen ausgeschlossen, in denen die Rechtsanwaltssozietät H. in den Vorinstanzen als Bevollmächtigte einer der Beteiligten tätig war. Aufgrund der entsprechenden Regelung in den Mitwirkungsgrundsätzen kann die Ausschlussklausel auch in Verfahren Wirkung erlangen, die mit solchen Sachen im Sachzusammenhang stehen. Damit hat der Senat hinreichende Maßnahmen zur Vermeidung möglicher Interessenkollisionen getroffen.
24
Schließlich wird eine Befangenheit der Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Reichart sowie der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Drescher und Born nicht durch deren Vorbefassung mit der Sache II ZB 18/09 (Stollwerck) begründet , in welcher rechtliche Fragestellungen aufgeworfen waren, die auch für die Entscheidung des vorliegenden Falls von Bedeutung sein könnten. Das deutsche Verfahrensrecht wird von der Auffassung getragen, dass der Richter auch dann unvoreingenommen an die Beurteilung einer Sache herantritt, wenn er sich schon früher über denselben Sachverhalt ein Urteil gebildet hat. Der unabhängige Richter unterliegt der Verpflichtung zur Unbefangenheit und Unparteilichkeit. Erst die Übernahme von Entscheidungsverantwortung im konkreten Rechtsstreit führt daher zu der Gefahr einer Vorfestlegung. Ausschließend wirkt daher nur eine richterliche Tätigkeit, die im Ausgangsverfahren erfolgte (BVerfG, Beschluss vom 15. Mai 2007 - 1 BvR 971/07, juris). Das ist hier nicht der Fall.
Bergmann Maihold Matthias
Pamp Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 06.03.2008 - 31 O 32/07 KfH AktG -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 18.12.2009 - 20 W 2/08 -

(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung.

(2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen,

a)
soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,
b)
wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.

(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben.

(2) Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde.

(3) Das Recht, eine Verfassungsbeschwerde an das Landesverfassungsgericht nach dem Recht der Landesverfassung zu erheben, bleibt unberührt.

(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben.

(2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kommt, der Berichterstatter stellt den Antrag dem Antragsgegner, den übrigen Beteiligten sowie den Dritten, denen nach § 27a Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, unverzüglich mit der Aufforderung zu, sich binnen einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern.

(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann jedem Beteiligten aufgeben, binnen einer zu bestimmenden Frist die erforderliche Zahl von Abschriften seiner Schriftsätze und der angegriffenen Entscheidungen für das Gericht und für die übrigen Beteiligten nachzureichen.

In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.

(2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsbeschwerde entschieden hat, kann die Kammer alle das Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffenden Entscheidungen erlassen. Eine einstweilige Anordnung, mit der die Anwendung eines Gesetzes ganz oder teilweise ausgesetzt wird, kann nur der Senat treffen; § 32 Abs. 7 bleibt unberührt. Der Senat entscheidet auch in den Fällen des § 32 Abs. 3.

(3) Die Entscheidungen der Kammer ergehen durch einstimmigen Beschluß. Die Annahme durch den Senat ist beschlossen, wenn mindestens drei Richter ihr zustimmen.