Bundessozialgericht Beschluss, 09. März 2011 - B 4 AS 60/10 BH

09.03.2011

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. August 2010 - L 6 AS 381/08 - vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin A beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

1

I. Streitig sind Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit von Januar 2005 bis Juni 2008.

2

Der Berufungsschriftsatz des Klägers gegen das am 7.10.2008 zugestellte klageabweisende Urteil des SG vom 11.9.2008 trägt den Eingangsstempel des SG vom 10.11.2008. Der zugehörige Umschlag enthält als vom Kläger unterschriebenen Vermerk ua "Einwurf Fristenbriefkasten, Sozialgericht MR am 7.11.2008 um 19.30 Uhr" (Unterschrift). Nachdem dem Kläger zunächst mitgeteilt worden war, die Berufung sei fristgerecht eingelegt worden, weil der 10.11.2008 ein Montag sei (Schreiben vom 20.11.2008), hat das LSG nach Berichterstatterwechsel im März 2010 Auskünfte des SG Marburg angefordert, danach den früheren Leiter der Poststelle des SG zur Frage des Eingangs der Berufungsschrift vernommen und die Berufung als unzulässig verworfen (Urteil des LSG vom 18.8.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, ausweislich des Eingangsstempels sei die Berufungsschrift erst am Montag, dem 10.11.2008, und damit verspätet beim SG eingegangen. Der Vermerk auf dem Umschlag spreche gegen den fristgerechten Einwurf in den Gerichtsbriefkasten. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass und/oder warum er Anlass gehabt habe, der Fristendokumentation des Briefkastens zu misstrauen. Der als Zeuge vernommene ehemalige Leiter der Poststelle habe ausgeführt, dass er sich an den Vorgang noch gut erinnern könne, weil der Berufungsschriftsatz mit dem auffallenden Umschlag am 10.11.2008 auf der Klappe des Nachtbriefkastens zusammen mit der Tagespresse vom selben Tag gelegen habe, also nach Schließen der Klappe eingeworfen worden sei. Eine Störung des Mechanismus sei ihm nicht erinnerlich und wäre selbst bei einem Stromausfall nicht anzunehmen, weil dann der Kontakt zur Klappenschließung nicht ausgelöst worden wäre.

3

II. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens ist abzulehnen. Nach § 73a SGG iVm § 114 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es hier. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG unter Berücksichtigung der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgezählten Zulassungsgründe erfolgreich begründen könnte.

4

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG die hier angestrebte Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und tatsächlich vorliegt. Weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Klägervorbringen wird deutlich, worin eine grundsätzliche, über den Fall des Klägers hinausgehende allgemeine Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG liegen könnte, die rechtlich noch ungeklärte Fragestellungen aufwirft. Auch eine Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG ist weder zu erkennen noch geltend gemacht.

5

Aus dem Akteninhalt und dem Vortrag des Klägers ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Prozessbevollmächtigter des Klägers erfolgreich einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend machen kann, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist(§ 160 Abs 2 Satz 1 Nr 3 Halbs 2 SGG). Soweit der Kläger als Verstoß gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens (vgl hierzu zB BSG vom 21.7.2009 - B 7 AL 9/09 B) rügt, das LSG habe die angebotene Gegenbeweisführung vereitelt, indem es ihm erst 20 Monate nach Eingang des Rechtsmittels der Berufung mitgeteilt habe, dass diese verfristet sei, liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass das LSG zu einem anderen Beweisergebnis hätte gelangen können. Ein entsprechender Beweisantrag liegt nicht vor. Das LSG hat insofern eine Beweiswürdigung vorgenommen, die einer Überprüfung im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht zugänglich ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Gerichtliche Eingangsstempel erbringen im Übrigen regelmäßig den Beweis für Zeit und Ort des Eingangs eines Schreiben oder eines Schriftsatzes (BGH Beschluss vom 30.10.1997 - VII ZB 19/97 - NJW 1998, 461). Wird die Unrichtigkeit eines gerichtlichen Eingangsstempels nach Einwurf eines Schriftsatzes in den Nachtbriefkasten vorgetragen, muss das Gericht zunächst durch Einholung einer dienstlichen Äußerung der Wachtmeisterei aufklären, ob es im Hinblick auf die Funktionsweise des Nachtbriefkastens oder das bei der Leerung zu beachtende Verfahren einen Fehler gegeben hat (vgl zB BGH Beschluss vom 3.7.2008 - IX ZB 169/07 - NJW 2008, 3501). Diese Überprüfung hat das LSG mit für den Kläger negativem Ergebnis durchgeführt, welches durch die Vernehmung des Zeugen B bestätigt worden ist. Dabei ist in Ausnahmefällen - hier der vorgelagerten Prüfung der Zulässigkeit der Berufung - die Vernehmung von Zeugen im Verfahren der Bewilligung von PKH nach § 118 Abs 2 Satz 3 ZPO möglich.

6

Auch soweit der Kläger als Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 GG) geltend macht, mangels zeitnaher Entscheidung über seinen PKH-Antrag habe das LSG seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vom 18.8.2010 vereitelt und ihm die Möglichkeit genommen, dem Zeugen Fragen zu stellen, ist nicht erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter insofern erfolgreich einen Verfahrensfehler im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde geltend machen könnte. Prüfungsgegenstand bei der Nichtzulassungsbeschwerde ist insofern nicht die Rechtmäßigkeit des Beschlusses über die Ablehnung der PKH, sondern die Frage, ob dem Kläger durch rechtswidrige Vorenthaltung der beantragten PKH eine sachgerechte Prozessführung und insbesondere die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts vom 18.8.2010 verwehrt und dadurch sein in Art 103 Abs 1 GG verfassungsrechtlich garantierter Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden ist. Insofern muss rückschauend beurteilt werden, ob dem Kläger bei zeitgerechter Entscheidung über seinen Antrag PKH zugestanden hätte (BSG Beschluss vom 4.12.2007 - B 2 U 165/06 B - SozR 4-1500 § 62 Nr 9, RdNr 10). Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg iS des § 114 ZPO ist ua gegeben, wenn das Gericht in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Umgekehrt kann die Erfolgsaussicht verneint werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (BVerfGE 81, 347, 356 ff). Nach diesen Maßstäben war - wegen der Beweiskraft des gerichtlichen Eingangsstempels - im konkreten Fall bereits bei Einlegung der Berufung im November 2008 eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht anzunehmen.

7

Mit der Ablehnung der beantragten PKH entfällt zugleich die Beiordnung von Rechtsanwältin A im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 ZPO).

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Zivilprozessordnung - ZPO | § 121 Beiordnung eines Rechtsanwalts


(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet. (2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 73a


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 103


Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 128


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 109


(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß

Zivilprozessordnung - ZPO | § 118 Bewilligungsverfahren


(1) Dem Gegner ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob er die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für gegeben hält, soweit dies aus besonderen Gründen nicht unzweckmäßig erscheint. Die Stellungnahme kann vor der Geschäft

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 62


Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 73


(1) Die Beteiligten können vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht den Rechtsstreit selbst führen. (2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschu

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Bundessozialgericht Urteil, 07. Sept. 2017 - B 10 LW 1/16 R

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Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. September 2015 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Beschluss, 08. Feb. 2012 - B 5 RS 76/11 B

bei uns veröffentlicht am 08.02.2012

Tenor Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. August 2011 aufgehoben.

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(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Beteiligten können vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Rentenberater im Umfang ihrer Befugnisse nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, auch in Verbindung mit Satz 2, des Rechtsdienstleistungsgesetzes,
4.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten nach den §§ 28h und 28p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch,
5.
selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
6.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
7.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
8.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
9.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 bis 8 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter. § 157 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen. Satz 3 gilt nicht für Beschäftigte eines Sozialleistungsträgers oder eines Spitzenverbandes der Sozialversicherung.

(4) Vor dem Bundessozialgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind außer den in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen nur die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 bezeichneten Organisationen zugelassen. Diese müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des Satzes 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten; Satz 3 bleibt unberührt.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Bei Ehegatten oder Lebenspartnern und Verwandten in gerader Linie kann unterstellt werden, dass sie bevollmächtigt sind. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten. Im Übrigen gelten die §§ 81, 83 bis 86 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 169/07
vom
3. Juli 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Partei muss im Rahmen ihres Antrages auf Wiedereinsetzung in die versäumte
Frist die tatsächlichen Abläufe verständlich und geschlossen schildern, aus denen
sich ergibt, auf welchen Umständen die Fristversäumnis beruht. Kann eine Partei
einen derartigen Sachverhalt nicht darlegen, geht dies auch dann zur ihren Lasten,
wenn ihr Unvermögen durch Zeitablauf mitbedingt ist.
BGH, Beschluss vom 3. Juli 2008 - IX ZB 169/07 - LG Landshut
AG Landshut
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Raebel und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter
Dr. Pape
am 3. Juli 2008

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Landshut vom 7. August 2007 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.


1
Das Amtsgericht hat die Klage auf Zahlung von Rechtsanwaltshonorar durch Urteil vom 21. Dezember 2006 abgewiesen und die Klägerin auf Widerklage verurteilt, an die Beklagte zu 1 Unterlagen herauszugeben. Gegen das am 22. Dezember 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5. Januar 2007 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung vom 22. Februar 2007 ist bei Gericht am 23. Februar 2007 eingegangen.
2
Mit Verfügung vom 23. April 2007 wurde die Klägerin darauf hingewiesen , dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe. Hierzu nahm die Klägerin Stellung; die Beklagten beantragten die Zurückweisung der Berufung. Nach einer weiteren Stellungnahme der Klägerin wurde Termin zur Berufungsverhandlung bestimmt, aber mit Verfügung vom 25. Juni 2007 wieder abgesetzt, nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 13. Juni 2007 die Unzulässigkeit der Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gerügt hatte. Die Klägerin wurde am 25. Juni 2007 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung zu verwerfen.
3
Am 9. Juli 2007 hat die Klägerin beantragt, ihr gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung zu gewähren. Die Versäumung der Frist sei unverschuldet. Der Ablauf der Frist für die Berufungsbegründung am 22. Februar 2007 sei sowohl auf dem Urteil wie im Fristenkalender notiert worden. Aufgrund der Büroorganisation sei gewährleistet, dass Fristsachen termingerecht bei Gericht eingingen. Für den detaillierten Ablauf am 22. Februar 2007 fehle es aufgrund der zwischenzeitlich vergangenen Zeit an einer detailgetreuen Erinnerung.
4
Einmal habe die Klägerin Tagespost in den Nachtbriefkasten des Gerichts eingeworfen. Dabei sei die Post fast beim Einwurfsschlitz hängen geblieben ; sie sei erst beim Nachstochern mit einem Stock durchgefallen. Sie vermute daher, dass hin und wieder bei Einwurf in den Nachtbriefkasten dieser hake und sich daraus der Anschein ergebe, es sei erst am folgenden Tag der Einwurf erfolgt.
5
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag und die Berufung der Klägerin verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.


6
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Sätze 3 und 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die angefochtene Entscheidung weicht von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Gegenbeweis gemäß § 418 Abs. 2 ZPO ab.
7
1. Das Berufungsgericht hat in der Vermutung der Klägerin, dass der Schriftsatz fristgerecht in den Nachtbriefkasten eingeworfen worden sei und dieser nicht ordnungsgemäß funktioniert habe, zutreffend die Behauptung gesehen , das fristgebundene Schriftstück sei rechtzeitig in den Gerichtseinlauf gebracht worden. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Klägerin ausdrücklich ausgeführt hat, dies sei (im Grunde) die einzig mögliche Erklärung für den auf dem Schriftsatz angebrachten Eingangsstempel des 23. Februar 2007.
8
Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht die Feststellung der fristgerechten Einreichung des Schriftsatzes bereits an einem fehlenden Beweisangebot der Klägerin scheitern lassen.
9
a) Das Berufungsgericht hat es dahingestellt sein lassen, ob glaubhaft gemacht ist, dass die Berufungsbegründungsschrift von der Klägerin am 22. Februar 2007 geschrieben und unterschrieben worden sei. Hiervon ist je- denfalls in der Rechtsbeschwerdeinstanz zugunsten der Klägerin auszugehen. Es liegt im Übrigen nahe, dass sich die Glaubhaftmachung der Klägerin durch eidesstattliche Versicherung auch hierauf bezog, was von ihr gegebenenfalls noch klargestellt werden kann (§ 236 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 Alt. 2 ZPO).
10
b) Die rechtzeitige Vornahme einer Prozesshandlung - hier der Einreichung der Berufungsbegründung - wird im Regelfall durch den Eingangsstempel des angegangenen Gerichts auf dem entsprechenden Schriftstück nachgewiesen (§ 418 Abs. 1 ZPO). Der im Wege des Freibeweises zu führende Gegenbeweis ist aber zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Er erfordert mehr als bloße Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO). Notwendig ist vielmehr die volle Überzeugung des Gerichts von dem rechtzeitigen Eingang (BGH, Beschl. v. 27. November 1996 - XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312; Urt. v. 30. März 2000 - IX ZR 251/99, NJW 2000, 1872, 1873; v. 14. Oktober 2004 - VII ZR 33/04, NJW-RR 2005, 75; Beschl. v. 15. September 2005 - III ZB 81/04, NJW 2005, 3501; v. 8. Mai 2007 - VI ZB 80/06, NJW 2007, 3069 Rn. 12).
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c) Auf der anderen Seite dürfen wegen der Beweisnot der betroffenen Partei die Anforderungen an den Gegenbeweis nicht überspannt werden. Da der Außenstehende in der Regel keinen Einblick in die Funktionsweise des gerichtlichen Nachtbriefkastens sowie des Verfahrens bei dessen Leerung und damit keinen Anhaltspunkt für etwaige Fehlerquellen hat, ist es zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur Aufklärung nötigen Maßnahmen zu ergreifen. Das Berufungsgericht war deshalb verpflichtet, dienstliche Äußerungen der für die Leerung des Nachtbriefkastens zuständigen Beamten über seine Funktionstüchtigkeit im fraglichen Zeitraum einzuholen (BGH, Urt. v. 30. März 2000 aaO; v. 14. Oktober 2004 aaO; v. 8. Mai 2007 aaO; vgl. auch BGH, Beschl. v.
16. März 2000 - VII ZB 36/99, NJW 2000, 2280). Diese Feststellungen werden nachzuholen sein.
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Erst nach Ausschöpfung der nahe liegenden innerdienstlichen Erkenntnisquellen bezüglich der gerichtsinternen Vorgänge kann sodann entscheidend darauf abgestellt werden, dass die Klägerin für den rechtzeitigen Einwurf in den Nachtbriefkasten keinen Beweis angetreten hat.
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Die 2. Rechtsbeschwerde rügt dagegen zu Unrecht, dass das Berufungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist als unzulässig angesehen hat.
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a) Das Berufungsgericht hat, ohne die Frage allerdings zu vertiefen, richtig gesehen, dass ein Wiedereinsetzungsantrag auch hilfsweise zu der behaupteten Zulässigkeit des Rechtsmittels geltend gemacht werden kann. Es steht der Partei frei, die rechtzeitige Einlegung zu behaupten und zugleich für den Fall, dass das Gericht den Gegenbeweis des § 418 Abs. 2 ZPO nicht als geführt ansieht, Wiedereinsetzung gegen die dann anzunehmende Fristversäumnis zu beantragen (BGH, Beschl. v. 27. November 1996 aaO S. 1313; v. 16. März 2000 aaO; Urt. v. 2. November 2006 - III ZR 10/06, NJW 2007, 603 Rn. 6).
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b) Die Partei muss im Rahmen ihres Antrages auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gemäß § 236 Abs. 2 ZPO die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen vortragen und glaubhaft machen. Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe , aus denen sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumnis beruht (BGH, Beschl. v. 14. Juni 1978 - VIII ZB 6/78, VersR 1978, 942; Urt. v. 7. März 2002 - IX ZR 235/01, NJW 2002, 2107, 2108; Beschl. v. 17. Mai 2004 - II ZB 22/03, NJW 2004, 2525; 2526; v. 14. März 2005 - II ZB 31/03, NJW-RR 2005, 793, 794). Der Antragsteller muss sich auf einen Sachverhalt festlegen. Er kann nicht alternativ vortragen oder den tatsächlichen Geschehensablauf offen lassen, wenn dabei die Möglichkeit der verschuldeten Fristversäumung offen bleibt (BGH, Beschl. v. 22. Oktober 1981 - VII ZB 17/81, VersR 1982, 144; Musielak/Grandel, ZPO 6. Aufl. § 236 Rn. 4; Hk-ZPO/ Saenger, 2. Aufl. § 236 Rn. 4).
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Es kann zwar nicht verlangt werden, dass Details vorgetragen werden, die nicht mehr aufklärbar sind, etwa wie es zu einer versehentlich falschen Handhabung durch eine sonst zuverlässige und regelmäßig überwachte Anwaltsgehilfin gekommen ist. Insoweit wird die Ursache häufig ohnehin nur vermutet werden können, weil die Feststellung des Fehlers bei der falschen Handhabung selbst den Fehler häufig vermieden hätte (BGH, Beschl. v. 8. Oktober 1998 - X ZB 33/97, NJW-RR 1999, 428, 429). Zur Darlegung eines Versehens gehören demgemäß nicht die Gründe, die das Versehen erklären können (BGH, Beschl. v. 16. November 2004 - VIII ZB 32/04, NJW-RR 2005, 1006, 1007).
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Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde wurde die erforderliche Darstellung aber nicht dadurch entbehrlich, dass der Klägerin nach ihrer Behauptung vier Monate nach Einreichung der Berufungsbegründung und dem erstmaligen Hinweis auf die Verfristung eine genaue Erinnerung an die Vorgänge im Zusammenhang mit der Einreichung der Berufungsbegründung fehlte. Mag auch im Regelfall auf eine derartige Fristversäumnis vom Gericht früher hingewiesen werden, ist es doch Aufgabe der Partei selbst, fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig einzureichen. Wiedereinsetzung kann nur gewährt wer- den, wenn das fehlende Verschulden der Partei an der Fristversäumnis dargelegt und glaubhaft gemacht ist, § 236 Abs. 2 ZPO. Kann eine Partei einen derartigen Sachverhalt nicht darlegen, geht dies auch dann zu ihren Lasten, wenn ihr Unvermögen durch den Zeitablauf mitbedingt ist. Dies ist ihr auch zumutbar, weil sie sich zeitnah über den rechtzeitigen Eingang des fristwahrenden Schriftsatzes unterrichten oder in anderer Weise Vorsorge treffen kann.
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c) Aus dem Sachvortrag der Klägerin lässt sich nicht entnehmen, worauf die Fristversäumnis konkret beruht haben soll, aber auch nicht, warum insoweit ein Verschulden der Klägerin für die Fristversäumnis nicht vorgelegen haben soll. Die Schilderung der allgemein in der Kanzlei der Klägerin getroffenen Vorkehrungen genügt dem Erfordernis des Sachvortrages nicht. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass insbesondere offen geblieben ist, ob die Fristversäumnis auf einem eigenen Verschulden der Klägerin beruhte.
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3. Da nicht in der erforderlichen Weise festgestellt ist, ob die Berufungsbegründung rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist, kann die Verwerfung der Berufung keinen Bestand haben. Ist sie rechtzeitig eingegangen, war über den Antrag auf Wiedereinsetzung nicht zu entscheiden. Der angefochtene Beschluss ist deshalb insgesamt aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO.
Ganter Raebel Vill
Lohmann Pape
Vorinstanzen:
AG Landshut, Entscheidung vom 21.12.2006 - 8 C 1432/06 -
LG Landshut, Entscheidung vom 07.08.2007 - 14 S 59/07 -

(1) Dem Gegner ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob er die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für gegeben hält, soweit dies aus besonderen Gründen nicht unzweckmäßig erscheint. Die Stellungnahme kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Das Gericht kann die Parteien zur mündlichen Erörterung laden, wenn eine Einigung zu erwarten ist; ein Vergleich ist zu gerichtlichem Protokoll zu nehmen. Dem Gegner entstandene Kosten werden nicht erstattet. Die durch die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen nach Absatz 2 Satz 3 entstandenen Auslagen sind als Gerichtskosten von der Partei zu tragen, der die Kosten des Rechtsstreits auferlegt sind.

(2) Das Gericht kann verlangen, dass der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht, es kann insbesondere auch die Abgabe einer Versicherung an Eides statt fordern. Es kann Erhebungen anstellen, insbesondere die Vorlegung von Urkunden anordnen und Auskünfte einholen. Zeugen und Sachverständige werden nicht vernommen, es sei denn, dass auf andere Weise nicht geklärt werden kann, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint; eine Beeidigung findet nicht statt. Hat der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet, so lehnt das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab.

(3) Die in Absatz 1, 2 bezeichneten Maßnahmen werden von dem Vorsitzenden oder einem von ihm beauftragten Mitglied des Gerichts durchgeführt.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet.

(2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

(3) Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.

(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden.

(5) Findet die Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihr auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.