Bundessozialgericht Urteil, 31. Aug. 2017 - B 2 U 2/16 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:310817UB2U216R0
31.08.2017

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. September 2015 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29. April 2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 12. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. September 2013 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, das Ereignis vom 17. März 2012 als Arbeitsunfall festzustellen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger am 17.3.2012 einen Wegeunfall erlitten hat, als er seine Wohnung durch ein Fenster verließ.

2

Der Kläger betrieb ein Unternehmen der Fahrzeugaufbereitung, dessen Betriebsstätte zwei Kilometer von seiner Dachgeschosswohnung entfernt lag. Die Wohnung befindet sich in einem 2 ½-stöckigen Mehrfamilienhaus. Das Erdgeschoss ist größer als die darüber liegenden Geschosse und springt zu einem Stichweg hin vor. Dieser Vorsprung hat ein Flachdach, das etwa 2,60 m über dem Niveau des Stichweges liegt. Mehrere Fenster der Wohnung im Obergeschoss gehen auf dieses Flachdach hinaus. Etwa 2,60 m oberhalb des Flachdaches liegt die Dachgeschosswohnung des Klägers, deren Fenster in einer Schleppgaube im Satteldach liegen. Unterhalb dieser Fenster befinden sich vier Ziegelreihen der Dachschräge mit abschließender Dachrinne.

3

Am Unfalltag war der Kläger um 15.30 Uhr an seiner Betriebsstätte geschäftlich verabredet. Als er die verriegelte Wohnungstür von innen aufschließen wollte, um zu seinem Geschäftstermin zu gelangen, brach der Wohnungstürschlüssel ab. Der Weg durch diese Tür war mithin versperrt, sodass er die Außentür des Hauses auf normalem Wege nicht erreichen konnte. Um den Geschäftstermin einzuhalten, verließ er - in Arbeitsmontur mit Overall und Sicherheitsschuhen - die Dachgeschosswohnung über ein Fenster, um sich auf das Flachdach vor der Obergeschosswohnung herabzulassen. Er stürzte jedoch ab, fiel auf das Flachdach und brach sich den rechten Unterschenkel. Die Blutuntersuchung ergab einen positiven Kokain-Befund. Eine konkrete Beeinträchtigung der Wahrnehmungsfähigkeit im Unfallzeitpunkt ließ sich nicht feststellen.

4

Die Beklagte lehnte Ansprüche auf Entschädigungsleistungen aus Anlass des Ereignisses vom 17.3.2012 ab, weil kein Arbeitsunfall vorliege (Bescheid vom 12.4.2013 und Widerspruchsbescheid vom 20.9.2013). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.4.2014). Nach Durchführung eines Ortstermins hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 2.9.2015) und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger habe keinen versicherten Wegeunfall und damit auch keinen Arbeitsunfall erlitten, weil der versicherte Weg im Unfallzeitpunkt noch nicht begonnen habe. Der Versicherungsschutz auf Wegen beginne grundsätzlich erst mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, durch die der häusliche Bereich verlassen werde. Sei die Außentür nicht erreich- oder benutzbar, so seien Fenster (auch im oberen Geschoss) der Außentür ausnahmsweise gleichzustellen, wenn der häusliche Bereich durch ein Fenster tatsächlich verlassen werde. Der Kläger habe sich auf dem Weg vom Dachgeschoss zu seinem "Zwischenziel" Flachdach aber noch im unversicherten häuslichen Bereich aufgehalten und den öffentlichen Raum - anders als beim Durchschreiten der Außentür - noch nicht erreicht gehabt. Ein solcher "öffentlicher Raum" setze in Abgrenzung zum "häuslichen Bereich" zumindest voraus, dass er von außen auf normalem Wege - ohne Betreten des Hauses - aufgesucht werden könne. Dies sei bei einer Dachfläche, wie auch zB bei einem Balkon, nicht der Fall. Als Teil des Hauses sei diese Fläche deshalb noch dem häuslichen Bereich zuzuordnen. Den häuslichen Bereich hätte er deshalb frühestens mit dem Überschreiten der Dachkante zum weiteren Abstieg von der Dachfläche in Richtung "Weg vor dem Haus" verlassen. Hierzu sei es nicht mehr gekommen. Die Grenzziehung müsse im Interesse der Rechtssicherheit nach klaren objektiven Kriterien erfolgen.

5

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts: Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 15.12.1959 - 2 RU 143/57 - BSGE 11, 156) sei das Besteigen einer an ein Wohnungsfenster gelehnten Leiter auf dem Weg zur Arbeitsstätte bereits versichert, obwohl der "öffentliche Bereich" im Sinne der Definition des LSG noch nicht erreicht sei. Dass es im vorliegenden Fall nicht möglich gewesen sei, eine Leiter anzustellen, dürfe keinen Unterschied machen.

6

Der Kläger beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. September 2015 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29. April 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. September 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Ereignis vom 17. März 2012 als Arbeitsunfall festzustellen.

7

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

8

Zu Recht habe das LSG entschieden, dass sich der Unfall noch vor Beginn des versicherten Weges ereignet habe, weil der Unfallort noch nicht zum öffentlichen Verkehrsraum zähle. Davon abgesehen sei der Kläger nicht auf dem Weg zur Wahrnehmung eines geschäftlichen Termins in seiner Werkstatt gewesen. Dass er im Unfallzeitpunkt seine Arbeitsmontur getragen habe, sei insofern kein tragfähiges Indiz. Soweit der Zeuge L. schriftlich bestätigt habe, dass dieser mit dem Kläger am Unfalltag um 15.30 Uhr geschäftlich verabredet gewesen sei, habe es das LSG versäumt, sich durch eine Vernehmung von der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen zu überzeugen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist begründet, sodass der Senat in der Sache selbst zu entscheiden hat (§ 170 Abs 2 S 1 SGG).

10

Zu Unrecht hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Denn der Bescheid vom 12.4.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.9.2013 (§ 95 SGG) ist rechtswidrig. Die hiergegen zulässigerweise erhobene, kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Var 1 und 3, § 56 SGG)ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, das Ereignis vom 17.3.2012 als Arbeitsunfall festzustellen, weil sich der Kläger bei dem Sturz auf einem gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII versicherten Weg nach dem Ort der Tätigkeit befand. Soweit der Kläger vorinstanzlich auch beantragt hatte, "Entschädigungsleistungen zu erstatten" bzw "das Ereignis vom 17.3.2012 … zu entschädigen", hat er diese Begehren im Revisionsverfahren nicht mehr weiterverfolgt, sodass darüber nicht mehr zu entscheiden war.

11

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs 1 S 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs 1 S 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt mithin voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität), und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; stRspr; vgl zuletzt BSG vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 60 RdNr 12, vom 15.11.2016 - B 2 U 12/15 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 37 RdNr 14 und vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 RdNr 9, jeweils mwN). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat einen "Unfall" (1.) als "Versicherter" (2.) infolge einer versicherten Tätigkeit - dem Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach dem Ort der Tätigkeit - erlitten. Das Sichfortbewegen erfolgte mit der (objektivierten) Handlungstendenz, den Ort der versicherten Tätigkeit zu erreichen (3.). Schließlich war die Verrichtung des Klägers auch rechtlich wesentlich für den eingetretenen Erfolg. Der Sturz vom Dach war vom Schutzzweck der Norm des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII umfasst, weil sich insofern eine "typische Wegegefahr" realisierte, bei deren Eintritt die Wegeunfallversicherung Schutz bieten soll (4.).

12

1. Der Kläger erlitt einen "Unfall", als er nach den unangegriffenen und damit für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG am 17.3.2012 auf das Flachdach unterhalb seiner Dachgeschosswohnung stürzte und sich dabei den rechten Unterschenkel brach. Bei dem Aufprall wirkte das Flachdach - als Teil der Außenwelt (BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 14 und vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31 RdNr 10) - zeitlich begrenzt auf seinen rechten Unterschenkel ein und diese Einwirkung führte zu einer Unterschenkelfraktur als Gesundheitserstschaden.

13

2. Im Zeitpunkt dieses Unfalls war der Kläger gemäß § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII iVm § 44 Abs 1, § 3 Abs 1 S 1 Nr 1 und S 2 Ziffer 1.5 ("Autowäsche und -pflege") der Satzung der BG für Transport und Verkehrswirtschaft idF des 3. Nachtrages (vom 10.10.2011) als selbständiger Betreiber eines Unternehmens der Fahrzeugaufbereitung "Versicherter" in der gesetzlichen Unfallversicherung.

14

3. Ferner legte der Kläger im Unfallzeitpunkt den unmittelbaren Weg nach dem Ort der Tätigkeit objektiv zurück (a) und seine Handlungstendenz war darauf auch subjektiv ausgerichtet (b).

15

a) "Weg" ist die Strecke zwischen einem Start- und Zielpunkt. Bei allen (Hin-)Wegen setzt § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII den Ort der versicherten Tätigkeit als Zielpunkt fest ("nach"), lässt aber zugleich den Startpunkt offen, sodass anstelle der Wohnung auch ein anderer (sog "dritter") Ort Ausgangspunkt sein kann, sofern sich der Versicherte an diesem dritten Ort mindestens zwei Stunden aufgehalten hat(vgl zuletzt BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 mwN). Zwischen dem in jedem Einzelfall zu ermittelnden Startpunkt und dem gesetzlich festgelegten Zielpunkt ist nicht der Weg an sich, sondern dessen Zurücklegen versichert, also der Vorgang des Sichfortbewegens auf der Strecke zwischen beiden Punkten mit der Handlungstendenz, den jeweils versicherten Ort zu erreichen (grundlegend zuletzt BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55; vgl auch BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 47, vom 25.1.1977 - 2 RU 57/75 - SozR 2200 § 550 Nr 24 S 52 und vom 15.12.1959 - 2 RU 143/57 - BSGE 11, 156, 157). Dabei steht nur das "Sichfortbewegen" auf dem direkten Weg bzw das Zurücklegen des direkten Weges nach dem Ort der Tätigkeit unter Versicherungsschutz, wie sich aus dem Tatbestandsmerkmal "unmittelbar" in § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII ergibt(zu den sog "Abwegen" grundlegend zuletzt BSG vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 60).

16

Startpunkt des versicherungsrechtlich geschützten direkten Weges zur Betriebsstätte des Klägers (als Zielpunkt) ist grundsätzlich die Außenhaustür des Mehrfamilienhauses, die von der Dachgeschosswohnung durch das Treppenhaus erreichbar war. Die Außenhaustür als Startpunkt des Weges und zugleich Grenze zwischen dem unversicherten häuslichen Lebensbereich und dem versicherten Zurücklegen eines Weges wird im Interesse der Rechtssicherheit bewusst als "starre" Größe behandelt, weil sie an objektive Merkmale anknüpft, die im Allgemeinen leicht feststellbar sind. Zugleich wird hierdurch die größere Einwirkungsmöglichkeit der Hausbewohner auf die innerhalb des Hauses liegenden Räumlichkeiten und ihre Gefahren berücksichtigt (vgl zum Ganzen zuletzt BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 5/15 R - BSGE = SozR 4-2700 § 2 Nr 35 RdNr 21). Ist die Außentür des Wohnhauses - wie hier wegen der durch den abgebrochenen Schlüssel versperrten Wohnungstür - nicht erreichbar, kann ausnahmsweise auch eine sonstige Gebäudeöffnung (zB ein Fenster) die mit der Außenhaustür vergleichbare Grenze zwischen dem unversicherten häuslichen und dem versicherten öffentlichen Bereich bilden und damit Startpunkt des versicherten Weges sein (ebenso BSGE 11, 156, 157 zum Sturz von einer an ein Fenster angelehnten Leiter), was auch das LSG nicht verkennt.

17

Nachdem der Kläger mit dem Durchsteigen der (Gauben-)Fensteröffnung den Startpunkt des versicherten Weges passiert und damit zugleich den häuslichen Bereich verlassen hatte, bewegte er sich im Unfallzeitpunkt bereits auf den (Ziel-)Ort der versicherten Tätigkeit zu, als er versuchte, sich auf das Flachdach vor der Wohnung des Obergeschosses herabzulassen. Da die Außenhaustür aufgrund der versperrten Wohnungstür nicht erreichbar war, befand er sich auf dem einzig verfügbaren und damit direkten Weg zu seiner Betriebsstätte, sodass er im Unfallzeitpunkt den unmittelbaren Weg nach dem Ort der Tätigkeit zurücklegte. Der Kläger befand sich damit auch nicht auf einem sog "Abweg", sodass insofern auch nicht zu klären war, ob die Voraussetzungen vorlagen, unter denen auch Abwege (etwa bei einem irrtümlichen "Verfahren" wegen Dunkelheit pp) versichert sein können (hierzu eingehend BSG vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 60).

18

Nur wenn der gewählte Weg - bei objektiver Betrachtungsweise - schlechthin ungeeignet gewesen wäre, den Ort der Tätigkeit zu erreichen, hätte er nicht mehr als unmittelbarer Weg iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII qualifiziert werden können. Bei den hier gegebenen räumlichen Umständen und einem Höhenunterschied von ca 2,60 m zwischen den Etagen durfte ein objektiver Beobachter aber noch annehmen, dem Kläger werde das Herabklettern aus dem Dachgeschossfenster unfallfrei gelingen.

19

b) Der Kläger handelte auch mit der Handlungstendenz, den Ort der versicherten Tätigkeit zu erreichen. Denn die konkrete nach außen beobachtbare Verrichtung des Versicherten wurde auch subjektiv zur Fortbewegung auf dem Weg zur versicherten Tätigkeit durchgeführt (BSG vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 60 RdNr 15, vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 14 und vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 11 mwN). Der Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII wird nicht schon dadurch begründet, dass der Versicherte auf dem unmittelbaren Weg zwischen seiner Wohnung und dem Ort der versicherten Tätigkeit verunglückt. Maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung der grundsätzlich versicherten Fortbewegung dient, ist die "objektivierte Handlungstendenz" des Versicherten (BSG vom 20.12.2016, aaO und vom 17.2.2015, aaO, RdNr 14), was bedeutet, dass das objektiv beobachtbare Handeln subjektiv - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweils versicherten Tätigkeit ausgerichtet sein muss (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 31 und vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 14). Die subjektive Handlungstendenz als von den Tatsachengerichten festzustellende innere Tatsache muss sich mithin im äußeren Verhalten des Handelnden (Verrichtung), so wie es objektiv beobachtbar ist, widerspiegeln (vgl BSG vom 17.12.2015, aaO, RdNr 14 mwN). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

20

Als sich der Kläger vom Spitz- auf das Flachdach herabließ, diente diese Verrichtung - nach seiner Vorstellung - allein der Fortbewegung auf der Strecke zum Ort der versicherten Tätigkeit, weil er seine Wohnung durch das Dachgeschossfenster nur deshalb verlassen hatte, um seine Betriebsstätte aufzusuchen und dort einen geschäftlichen Termin wahrzunehmen. Diese tatsächlichen Feststellungen zur Handlungstendenz des Klägers im Unfallzeitpunkt sind für den Senat bindend (§ 163 Halbs 1 SGG), weil die Beklagte in Bezug auf diese Feststellungen innerer Tatsachen keine zulässigen Revisionsgründe vorgebracht hat (§ 163 Halbs 2 SGG). Soweit sie mit der Gegenrüge geltend macht, das Tragen der Arbeitsmontur im Unfallzeitpunkt sei kein tragfähiges Indiz dafür, dass der Kläger auf dem Weg zur Wahrnehmung eines geschäftlichen Termins in seiner Betriebsstätte gewesen sei, macht sie sinngemäß eine Verletzung des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) geltend. Eine formgerechte Verfahrensgegenrüge liegt indes nicht vor, weil die Beklagte weder aufzeigt, dass das LSG das "Gesamtergebnis des Verfahrens" unzureichend berücksichtigt habe noch schlüssig darlegt, dass der festgestellte Sachverhalt nur eine Folgerung erlaube, jede andere nicht denkbar sei und das Gericht gerade die einzig denkbare Schlussfolgerung nicht gezogen, mithin gegen Denkgesetze verstoßen habe. Warum aus dem Tragen der Arbeitskleidung als Hilfstatsache schlechthin nicht auf den Willen des Betroffenen (als Haupttatsache) geschlossen werden kann, den Weg zur Arbeit zurückzulegen, erläutert die Revisionserwiderung nicht. Wenn die Beklagte darüber hinaus einwendet, das LSG habe es versäumt, sich durch eine Vernehmung des Zeugen L. von dessen Glaubwürdigkeit zu überzeugen, rügt sie im Kern Verstöße gegen die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 117 iVm § 153 Abs 1 SGG)und gegen § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 377 Abs 3 S 3 ZPO, wonach das Gericht die Ladung des Zeugen nach erteilter schriftlicher Auskunft anordnet, wenn es dies zur weiteren Klärung der Beweisfrage für notwendig erachtet. Diese Anordnung steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts (§ 398 ZPO iVm § 118 Abs 1 S 1 SGG), das sich nur ausnahmsweise zur Ladungspflicht verdichtet, wenn die schriftliche Aussage unzulänglich oder einseitig erscheint, der Verdacht einer unzulässigen Einflussnahme auf den Zeugen besteht oder dessen eigene Interessen die Glaubwürdigkeit vermindern (können). Derartige Umstände schildert die Beklagte indessen nicht; sie zeigt auch nicht auf, welche (unbekannten) Tatsachen der Zeuge bei einer Befragung in der mündlichen Verhandlung bekundet hätte und inwiefern die Entscheidung des LSG deshalb auf der unterbliebenen Befragung beruhen kann. Im Übrigen lässt sich dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme kein abstrakter Vorrang bestimmter - etwa unmittelbarer oder "sachnäherer" - Beweismittel vor anderen - mittelbaren oder weniger "sachnahen" - entnehmen (BVerwG vom 3.1.2012 - 2 B 72/11 - Juris RdNr 10 und vom 28.7.2011 - 2 C 28/10 - BVerwGE 140, 199 = Juris RdNr 17); vielmehr enthält § 117 SGG im Hinblick auf die schriftliche oder mündliche Zeugenvernehmung keine gesetzlich vorgegebene Anwendungsreihenfolge.

21

Andere konkurrierende Beweggründe (zB Imponiergehabe, Übermut, Nachweis turnerischer Gewandtheit; vgl dazu BSG vom 15.12.1959 - 2 RU 143/57 - BSGE 11, 156, 157 f; RVA, EuM, Bd 36 S 439, 440) für die Wahl der zurückgelegten Strecke über das Sattel- und Flachdach sind nicht festgestellt. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Blutuntersuchung, die nach dem Unfall durchgeführt wurde und einen positiven Kokainbefund ergab. Denn auf dessen Grundlage ließ sich keine konkrete Beeinträchtigung der Wegefähigkeit nachweisen.

22

4. Schließlich war der Gesundheitsschaden, den die versicherte Verrichtung bewirkte, auch vom Schutzzweck der Wegeunfallversicherung umfasst, denn es realisierte sich eine typische Wegegefahr des vom Kläger hier zulässigerweise gewählten Weges über die Außenfassade des Wohnhauses. Durch die versicherte Verrichtung wurde damit auch rechtlich wesentlich der Körperschaden verursacht.

23

Unerheblich ist dabei, dass der Kläger zwischen Dach- und Obergeschoss keinen "öffentlichen Verkehrsraum" im Sinne eines Verkehrsnetzes oder einer Verkehrsinfrastruktur benutzte, denn keinesfalls war das Flachdach noch dem unversicherten häuslichen Bereich zuzuordnen, wie das LSG meint. Der Kläger hatte den umbauten "häuslichen" Raum, in dem sich seine Wohnung befand, durch das Fenster verlassen, stürzte im unbebauten "öffentlichen" Raum zwischen Dach- und Obergeschoss ab und fiel von außen auf den umbauten Raum der Erdgeschosswohnung (das Flachdach). Soweit der Senat in jüngerer Zeit ausgeführt hat, der Versicherungstatbestand des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII schütze "nur gegen Gefahren …, die aus der Teilnahme am öffentlichen Verkehr … hervorgehen" und trage "allein Gefahren Rechnung, die sich während der gezielten Fortbewegung im Verkehr aus eigenem, gegebenenfalls auch verbotswidrigem Verhalten, dem Verkehrshandeln anderer Verkehrsteilnehmer oder Einflüssen auf das versicherte Zurücklegen des Weges ergeben, die aus dem benutzten Verkehrsraum oder Verkehrsmittel auf die Fortbewegung wirken"(BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 45 und 47 sowie BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 23, dazu kritisch Molkentin, SGb 2016, 621 ff), ist damit keine Einengung des Versicherungsschutzes auf öffentliche, beschränkt-öffentliche, private oder sonstige dem "Verkehr" gewidmete Wege (iS eines "Verkehrsnetzes" oder einer "Verkehrsinfrastruktur") verbunden. Vielmehr ist der Versicherte in der Wahl der Route, der Fortbewegungsart und des Fortbewegungsmittels frei (BSG vom 4.9.2007 - B 2 U 24/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 24 RdNr 19 und vom 31.1.1984 - 2 RU 15/83 - USK 8469, jeweils mwN). Deshalb kann er grundsätzlich - ggf auch verbotswidrig (§ 7 Abs 2 SGB VII) - den unmittelbaren Weg benutzen, auch wenn er über freies Gelände, den Luftraum oder nicht planmäßig angelegte, unbefestigte und erstmals genutzte Pfade führt. Folglich darf der Versicherungsschutz nicht bereits mit der Überlegung verneint werden, der Kläger habe sich im Luftraum zwischen Dach- und Obergeschoss schon begrifflich auf keinem "Weg" befunden (vgl dazu bereits BSG vom 15.12.1959 - 2 RU 143/57 - BSGE 11, 156, 157) bzw keinen "öffentlichen Verkehrsraum" benutzt, sodass sich keine "Verkehrsgefahr" verwirklicht habe. Vielmehr hat sich vorliegend gerade diejenige Gefahr realisiert, die sich während der gezielten Fortbewegung des Klägers "im Verkehr" zwischen Dach- und Obergeschoss sowohl aus eigenem Verhalten als auch aus dem gewählten "Verkehrsraum" ergab.

24

Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass die Freiheit der Routenwahl, der Fortbewegungsart und des Fortbewegungsmittels nicht unbegrenzt gilt. Hätte der Kläger seine Wohnungstür öffnen und das Treppenhaus benutzen können, wäre die versicherungsrechtliche Obliegenheit, diese Alternativstrecke als direkten, "unmittelbaren Weg" iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII zurückzulegen, geeignet, erforderlich und auch unter dem Aspekt zumutbar gewesen, dass der deutlich risikoärmere Weg durch das Treppenhaus bis zum Durchschreiten der Außenhaustür nicht (wege-)unfallversichert ist. Nach den bindenden Feststellungen des LSG war dem Kläger der Weg durch die verriegelte Wohnungstür jedoch versperrt, weil sein Schlüssel von innen im Schloss abgebrochen war, sodass er die Außenhaustür durch das Treppenhaus nicht erreichen konnte. Unter diesen Umständen kann der Unfallversicherungsschutz nicht mit dem Hinweis auf eine andere, direkte bzw unmittelbare Alternativroute verneint werden.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

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(1) Die Ladung der Zeugen ist von der Geschäftsstelle unter Bezugnahme auf den Beweisbeschluss auszufertigen und von Amts wegen mitzuteilen. Sie wird, sofern nicht das Gericht die Zustellung anordnet, formlos übermittelt. (2) Die Ladung muss enth

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 117


Das Gericht erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung, soweit die Beweiserhebung nicht einen besonderen Termin erfordert.

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Tenor Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Juli 2015 und des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 25. Juni 2013 aufgehoben und die Klage abgewi

Bundessozialgericht Urteil, 15. Nov. 2016 - B 2 U 12/15 R

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Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Januar 2015 aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz

Bundessozialgericht Urteil, 05. Juli 2016 - B 2 U 16/14 R

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Bundessozialgericht Urteil, 26. Juni 2014 - B 2 U 4/13 R

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Bundessozialgericht Urteil, 23. Jan. 2018 - B 2 U 3/16 R

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Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

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(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien, von nicht gewerbsmäßig betriebenen Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 und ihre Ehegatten oder Lebenspartner sowie Fischerei- und Jagdgäste,
2.
Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
3.
gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen,
4.
Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
5.
Personen, die ehrenamtlich für Parteien im Sinne des Parteiengesetzes tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 kann auch die Organisation, für die die Ehrenamtsträger tätig sind, oder ein Verband, in dem die Organisation Mitglied ist, den Antrag stellen; eine namentliche Bezeichnung der Versicherten ist in diesen Fällen nicht erforderlich. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 4 und 5 gilt Satz 2 entsprechend.

(2) Die Versicherung beginnt mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Die Versicherung erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuß binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Eine Neuanmeldung bleibt so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuß entrichtet worden ist.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Juli 2015 und des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 25. Juni 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten des gesamten Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle einen Arbeitsunfall erlitten hat.

2

Der in F. wohnende Kläger war als Lagerist bei einem Unternehmen in E. beschäftigt, das auch ein Lager in G. unterhielt. Der übliche Weg von der Wohnung des Klägers zu diesem Lager führte über zwei Autobahnen bis zur Abfahrt G. Nach dieser Abfahrt musste der Kläger rechts auf eine Bundesstraße in Richtung M. abbiegen, um zu seiner Arbeitsstätte zu gelangen. Am 7.1.2011 verließ der Kläger am frühen Abend seine Wohnung, um sich zu seinem Arbeitsplatz in dem Lager in G. zu begeben. Hierfür befuhr er zunächst die beiden Autobahnen bis zur Abfahrt G. Dort bog er aus unbekannter Ursache auf die Bundesstraße nicht in die auf seine Arbeitsstelle führende Richtung, sondern nach links in die Gegenrichtung ab und befuhr die Bundesstraße in dieser Richtung etwa 2,5 km. Er führte dann auf der vierspurigen Bundesstraße ein Wendemanöver durch, bei welchem er mit einem hinter ihm auf der Überholspur fahrenden Pkw zusammenstieß. Der Kläger erlitt erhebliche Verletzungen, ua ein Schädel-Hirn-Trauma. Er hat keine Erinnerung an die Gründe für sein Abbiegen in die falsche Richtung und an den Unfallhergang.

3

Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Der Kläger habe sich auf einem nicht versicherten Abweg befunden, weil er die Bundesstraße nicht in Richtung seiner Arbeitsstätte, sondern in die seiner Arbeitsstelle entgegengesetzte Richtung befahren habe, ohne dass hierfür betriebliche oder verkehrstechnische Gründe erkennbar gewesen seien (Bescheid vom 24.2.2011 und Widerspruchsbescheid vom 14.10.2011).

4

Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben und das Vorliegen eines Arbeitsunfalls festgestellt (Urteil vom 25.6.2013). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 14.7.2015). Der Verkehrsunfall sei ein Arbeitsunfall gewesen, weil er sich noch im inneren Zusammenhang mit dem gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII versicherten Weg zur Arbeitsstätte ereignet habe. Der Kläger sei am Unfalltag mit der Handlungstendenz aufgebrochen, seine Arbeitsstätte zu erreichen. Durch das falsche Abbiegen habe er keinen unversicherten Abweg angetreten, weil die Handlungstendenz unverändert darauf gerichtet gewesen sei, die Arbeitsstätte zu erreichen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Ursache, die zum Falschabbiegen geführt habe, nicht mehr aufklärbar sei. Denn unter Anwendung der Grundsätze des Beweisnotstandes sei zu Gunsten des Klägers davon auszugehen, dass bei ihm eine unveränderte Handlungstendenz bestanden habe. Es hätten keine Anhaltspunkte für ein privates eigenwirtschaftliches Ziel des Klägers in der von der Arbeitsstätte weg führenden Richtung vorgelegen. Das Wendemanöver auf einer vierspurigen Bundesstraße am konkreten Ort zur konkreten Zeit mache nur Sinn, wenn der Kläger seinen vorangegangenen Fehler beim Abbiegen habe korrigieren wollen, um noch rechtzeitig zu seiner Arbeitsstätte zu gelangen. Im Übrigen stünden die Länge der in falscher Richtung auf der Bundesstraße zurückgelegten Fahrstrecke von ca 2,5 km und die Dauer dieser Fahrt von nur wenigen Minuten dem Fortbestehen des inneren Zusammenhangs nicht entgegen. Das Zurücklegen des gesamten Weges stelle aufgrund der fortdauernden Handlungstendenz einen einheitlichen Vorgang dar. Eine den Unfallversicherungsschutz beendende Zäsur liege nicht vor.

5

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII. Ein innerer Zusammenhang zwischen dem Zurücklegen des Weges unmittelbar vor dem Unfall und der versicherten Tätigkeit liege nicht vor, denn eine objektiv feststellbare Zäsur, wie das Einschwenken in einen Abweg, indiziere regelmäßig, dass der innere Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit gelöst worden sei. Nach der Rechtsprechung des BSG lasse ein irrtümliches Verlassen des direkten Weges den inneren Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit auf einem Abweg nur dann fortbestehen, wenn äußere, mit der besonderen Art des Weges verbundene Gefahren, zB Dunkelheit, Sichtbehinderung durch Nebel, schlecht beschilderte Wege oder dergleichen, für das Verirren ursächlich gewesen seien. Faktisch habe das LSG zu Unrecht eine Beweislastumkehr vorgenommen, denn nach den Grundsätzen der Beweislastverteilung gehe es zu Lasten des Klägers, wenn der Grund für die Abweichung von dem direkten Weg nicht feststellbar sei.

6

Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Juli 2015 und des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 25. Juni 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat am 7.1.2011 keinen in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Arbeitsunfall erlitten, weil er sich auf einem unversicherten Abweg befand. Die Ablehnung eines Arbeitsunfalls durch die Beklagte in dem Bescheid vom 24.2.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2011 ist rechtmäßig. Das LSG hat deshalb zu Unrecht die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen. Die vom LSG vorgeschlagene Lösung, allein die subjektive Handlungstendenz auf einem objektiven Abweg für den Versicherungsschutz ausreichen zu lassen, verletzt § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII.

10

1. Die Revision ist zulässig. Die Revisionsbegründung entspricht noch den Begründungsanforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG, wonach die Begründung die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte herausarbeiten und die das Urteil des LSG tragenden Gründe in Frage stellen muss(vgl zB BSG vom 11.4.2013 - B 2 U 21/11 R - NZS 2013, 639 mwN). Auch wenn sich die Beklagte formal an der Begründung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision orientiert, setzt sie sich unter Darstellung des vom LSG festgestellten Sachverhalts mit dessen Entscheidungsgründen auseinander. Sie legt hinreichend dar, dass und warum nach ihrer Auffassung das LSG die als verletzt gerügte Vorschrift des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII nicht richtig angewandt hat.

11

2. a) Der Kläger verfolgt sein Begehren, unter Aufhebung der Verwaltungsakte in den Bescheiden der Beklagten einen Arbeitsunfall festzustellen, zulässig mit der hier statthaften kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (vgl § 54 Abs 1 Satz 1, § 55 Abs 1 Nr 1 SGG; vgl zB BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 9 mwN). Insbesondere ist das nach § 78 SGG erforderliche Widerspruchsverfahren durchgeführt worden. Es kann offenbleiben, ob der Kläger gegen den Bescheid vom 24.2.2011 erst nach Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist des § 84 Abs 1 SGG durch das Schreiben seines Bevollmächtigten am 1.4.2011 Widerspruch eingelegt hat. Denn dem Versicherungsträger steht es frei, trotz des Ablaufs der Widerspruchsfrist über den Widerspruch in der Sache zu entscheiden. Entscheidet der Versicherungsträger in diesem Fall - wie hier die Beklagte - auch sachlich über den Widerspruch, steht die Fristversäumnis der gerichtlichen Nachprüfung des mit dem Widerspruch angegriffenen Verwaltungsaktes nicht entgegen (vgl BSG vom 12.10.1979 - 12 RK 19/78 - BSGE 49, 85 = SozR 1500 § 84 Nr 3).

12

b) Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (stRspr; vgl zuletzt BSG vom 15.11.2016 - B 2 U 12/15 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58; BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 9; BSG vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 11; BSG vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27 RdNr 11; BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 12).

13

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger erlitt zwar bei dem Zusammenstoß mit dem auf der Überholspur fahrenden Pkw eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII. Dieser führte zu einem seine körperliche Unversehrtheit verletzenden Gesundheitserstschaden. Der Kläger war auch als Beschäftigter gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Seine Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses stand jedoch nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit dem hier allein als versicherte Tätigkeit in Betracht kommenden Zurücklegen des unmittelbaren Weges von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte.

14

Zu den in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Zum Unfallzeitpunkt legte der Kläger keinen solchen durch die Wegeunfallversicherung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII geschützten Weg zurück. Zwar bewegte er sich zu diesem Zeitpunkt mit der Handlungstendenz fort, den Ort seiner versicherten Tätigkeit zu erreichen (hierzu unter aa). Diese Handlungstendenz allein konnte - entgegen der Rechtsansicht des LSG - jedoch keinen Versicherungsschutz in der Wegeunfallversicherung auf der zum Unfallzeitpunkt zurückgelegten Wegstrecke begründen, denn der Kläger befand sich zum Zeitpunkt des Unfalls nicht auf dem grundsätzlich unter Unfallversicherungsschutz stehenden direkten Weg, sondern auf einem Abweg (hierzu unter bb). Umstände, die ausnahmsweise den Versicherungsschutz auf einem solchen Abweg begründen konnten, sind nicht feststellbar (hierzu unter cc). Die Nichterweislichkeit dieser Umstände geht nach den Grundsätzen der Beweislastverteilung zu Lasten des Klägers (hierzu unter dd).

15

aa) Der Kläger bewegte sich unmittelbar vor dem Unfallereignis mit der Handlungstendenz fort, seine Arbeitsstätte zu erreichen. Ein sachlicher Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen des Weges iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII besteht, wenn das konkrete Handeln des Versicherten zur Fortbewegung auf dem Weg zur oder von der versicherten Tätigkeit gehört(vgl BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 13 mwN). Maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung der grundsätzlich versicherten Fortbewegung dient, ist die Handlungstendenz des Versicherten. Das Handeln muss subjektiv - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen Tätigkeit ausgerichtet sein. Darüber hinaus muss sich die subjektive Handlungstendenz als von den Instanzgerichten festzustellende Tatsache im äußeren Verhalten des Handelnden (Verrichtung), so wie es objektiv beobachtbar ist, widerspiegeln (vgl BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 14 mwN).

16

Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffenen und damit für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG bewegte sich der Kläger nach dem Verlassen seiner Wohnung mit der Handlungstendenz, seine Arbeitsstätte zu erreichen und dort seine Beschäftigung aufzunehmen. Diese änderte sich nicht und bestand auch unmittelbar vor dem Unfall während des von ihm eingeleiteten Wendemanövers fort.

17

bb) Der Kläger befand sich zum Zeitpunkt des Unfallereignisses allerdings auf einem unversicherten Abweg, weil er den direkten Weg zur Arbeitsstätte verlassen hatte. § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII legt als End- oder Ausgangspunkt des Weges den Ort der versicherten Tätigkeit fest. Der Ort, von dem aus ein versicherter Weg zur Arbeitsstätte angetreten wird, kann auch ein anderer Ort als die Wohnung, sog dritter Ort, sein, wenn sich der Versicherte dort mindestens zwei Stunden aufgehalten hat (vgl zuletzt BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 mwN). Wie sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII und dem dort verwendeten Begriff "unmittelbar" ergibt, steht grundsätzlich nur das Zurücklegen des direkten Weges nach und von der versicherten Tätigkeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Allerdings berühren geringfügige Unterbrechungen, die auf einer Verrichtung beruhen, die bei natürlicher Betrachtung zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist, und gleichsam "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann, den Versicherungsschutz nicht (vgl zuletzt BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 mwN; BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 15; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 15; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 19). Bewegt sich der Versicherte dagegen nicht auf direktem Weg in Richtung seiner Arbeitsstätte oder seiner Wohnung, sondern in entgegengesetzter Richtung von diesem Ziel fort, befindet er sich auf einem sog Abweg. Wird ein solcher Abweg bei einer mehr als geringfügigen Unterbrechung des direkten Weges zurückgelegt, besteht, sobald der direkte Weg verlassen und der Abweg begonnen wird, kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Erst wenn sich der Versicherte wieder auf dem direkten Weg befindet und der Abweg beendet ist, besteht erneut Versicherungsschutz (vgl zuletzt BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 mwN).

18

Der Kläger befand sich nach den bindenden Feststellungen des LSG während des Wendemanövers unmittelbar vor dem Unfall nicht auf dem üblicherweise zurückgelegten direkten Weg von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte. Zwar hatte er zunächst die sonst von ihm befahrene direkte Wegstrecke von seiner Wohnung als Ausgangspunkt des Weges zu seiner Arbeitsstätte zurückgelegt. Diesen Weg unterbrach er jedoch, indem er auf die Bundesstraße anstatt nach rechts in Richtung G. in die zur Arbeitsstätte entgegengesetzte Richtung nach links abbog. Diese Bundesstraße befuhr er unmittelbar vor dem Unfall auf einer Strecke von 2,5 km in der von der Arbeitsstelle wegführenden Richtung. Damit war die Unterbrechung des direkten versicherten Weges mehr als geringfügig im Sinne der soeben angeführten Rechtsprechung. Der Ort des Unfallereignisses war aber auch kein "dritter Ort", von dem aus an Stelle der Wohnung der Weg zur Arbeitsstätte angetreten worden ist, denn die Unterbrechung dauerte nicht mindestens zwei Stunden. Der Kläger befand sich mithin vielmehr auf einem Abweg, der zum Zeitpunkt des Unfalls auch noch nicht beendet war. Auch wenn der Kläger ein Wendemanöver eingeleitet hatte, hatte er zum Zeitpunkt des Unfalls die üblicherweise genutzte direkte Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte noch nicht wieder erreicht.

19

cc) Umstände, die ausnahmsweise den Versicherungsschutz der Wegeunfallversicherung auch auf einem solchen Abweg begründen können, sind nicht feststellbar. Nicht jedes Abweichen vom direkten Weg führt zu einer Lösung des inneren Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit und damit zum Verlust des Versicherungsschutzes in der Wegeunfallversicherung. Versicherungsschutz kann ausnahmsweise auch auf einem Abweg bestehen, wenn dieser im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht (vgl BSG vom 24.3.1998 - B 2 U 4/97 R - SozR 3-2200 § 550 Nr 17 S 68 f). Der Senat hat bereits entschieden, dass der Versicherungsschutz erhalten bleibt, wenn der Versicherte irrtümlich von dem direkten Weg aus Gründen abweicht, die ihrerseits mit dem Zurücklegen des versicherten Weges, insbesondere seiner Beschaffenheit, in Zusammenhang stehen. So besteht Versicherungsschutz in der Wegeunfallversicherung auch auf irrtümlich befahrenen Wegstrecken, wenn der Irrtum auf äußeren, mit der besonderen Art des Weges verbundenen Gefahren, wie zB Dunkelheit, Sichtbehinderung durch Nebel, schlecht beschilderte Wege oder dergleichen, beruht. Das Verirren resultiert in einem solchen Fall aus Umständen, die sich gerade aus der äußeren Beschaffenheit des Verkehrsraumes ergeben, den der Versicherte zum Aufsuchen seiner Arbeitsstelle oder zur Rückkehr von seiner Arbeitsstelle zu seiner Wohnung - also betrieblich veranlasst - nutzen muss, und ist deshalb im Hinblick auf den Schutzzweck der Wegeunfallversicherung in den Versicherungsschutz einbezogen (vgl BSG vom 24.3.1998 - B 2 U 4/97 R - SozR 3-2200 § 550 Nr 17 S 68 f; vgl auch BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 7/99 R - HVBG-INFO 2000, 1846; BSG vom 12.6.1990 - 2 RU 58/89 - HV-INFO 1990, 2064; BSG vom 2.6.1959 - 2 RU 3/57 - SozR Nr 13 zu § 543 RVO; vgl auch BSG vom 28.4.1960 - 5 RKn 9/59 - SozR Nr 23 zu § 543 RVO). Dagegen besteht kein Versicherungsschutz, wenn die irrtümliche Abweichung von dem direkten Weg nicht auf äußeren, mit der besonderen Art des Weges und seinen Gefahren zusammenhängenden, sondern auf in der Person des Versicherten liegenden, eigenwirtschaftlichen Gründen - wie zB Unaufmerksamkeit aufgrund angeregter Unterhaltung - beruht. Denn in diesem Fall wird der Abweg aus Gründen zurückgelegt, die gerade nicht auf der Beschaffenheit der zurückzulegenden Wegstrecke, sondern auf Umständen aus dem eigenwirtschaftlichen Bereich beruhen (vgl BSG vom 24.3.1998 - B 2 U 4/97 R - SozR 3-2200 § 550 Nr 17 S 68 f).

20

An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Allein aus privatwirtschaftlichen Gründen veranlasste Wegstrecken oder Unterbrechungen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit stehen grundsätzlich nicht unter Unfallversicherungsschutz. Der Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung gebietet keine Ausweitung dieses Schutzes auf irrtümlich befahrene Abwege, wenn die Gründe hierfür nicht im Zusammenhang mit der Beschaffenheit der Wegstrecke stehen. Dies wäre nicht mehr vom Zweck der Wegeunfallversicherung gedeckt, Versicherungsschutz auf Wegen, die wegen der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden, und aufgrund von Gefahren, die aus der Beschaffenheit dieser Wege herrühren, zu gewähren (BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 48 RdNr 18; BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 13).

21

Dies gilt auch dann, wenn auf dem irrtümlich eingeschlagenen Abweg die Handlungstendenz des Versicherten fortbesteht, den Weg von und zu der Arbeitsstätte zurückzulegen. Für die Frage, ob auf einem irrtümlichen Abweg Versicherungsschutz besteht, ist nicht allein - wie das LSG angenommen hat - die Handlungstendenz des Versicherten auf dem Abweg maßgeblich, sondern die den Irrtum begründenden Umstände, weil grundsätzlich nur das Zurücklegen des unmittelbaren Weges und nur unter bestimmten Voraussetzungen ein Abweg unter Versicherungsschutz steht. Dementsprechend hat der Senat das Bestehen des Versicherungsschutzes in der Wegeunfallversicherung in Fallkonstellationen verneint, in denen der Versicherte eine Wegstrecke zwar subjektiv auch deshalb zurücklegte, weil er seine Arbeitsstelle bzw seine Wohnung erreichen wollte, sich aber aus eigenwirtschaftlichen Gründen im Unfallzeitpunkt objektiv auf einem Abweg befand (vgl BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 mwN; BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 7/99 R - HVBG-INFO 2000, 1846 ff; BSG vom 24.3.1998 - B 2 U 4/97 R - SozR 3-2200 § 550 Nr 17).

22

Der Kläger befuhr nach den bindenden Feststellungen des LSG zum Zeitpunkt des Unfalls nicht die unmittelbar zu seiner Arbeitsstätte führende Wegstrecke, sondern befand sich auf einem Abweg, weil er irrtümlich nach der Abfahrt von der Autobahn auf die Bundesstraße in die Gegenrichtung abgebogen war. Die Gründe für diesen Irrtum des Klägers konnte das LSG nicht mehr feststellen. Ob der Irrtum damit auf äußeren, mit der besonderen Art des Weges verbundenen Gefahren, wie zB Dunkelheit, Sichtbehinderung durch Nebel, schlecht beschilderte Wege oder dergleichen beruhte, ist nach den auch insoweit gemäß § 163 SGG den Senat bindenden Feststellungen des LSG(zur Bindungswirkung bei fehlender Aufklärbarkeit von Tatsachen: BSG vom 7.4.1987 - 11b RAr 7/86 - Juris RdNr 12 f; BSG vom 26.2.1992 - 1/3 RK 13/90 - Juris RdNr 22) nicht aufklärbar. Es ist danach nicht mehr feststellbar, ob der Irrtum des Klägers auf äußeren, mit der besonderen Art des Weges verbundenen Umständen, die Versicherungsschutz auf dem Abweg begründen könnten, beruhte.

23

dd) Die Nichterweislichkeit der für das Einschlagen der entgegengesetzten Fahrtrichtung maßgebenden Umstände geht nach den Grundsätzen der "objektiven" Beweislastverteilung zu Lasten des Klägers. Die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, müssen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, feststehen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst recht nicht die bloße Möglichkeit. Den Nachteil aus der tatsächlichen Unaufklärbarkeit anspruchsbegründender Tatsachen hat nach den Regeln der objektiven Beweislast der sich auf deren Vorliegen berufende Versicherte zu tragen. Dies gilt auch, wenn nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten die Nichterweislichkeit - wie hier - darauf beruht, dass der Versicherte keine Erinnerung an das zum Unfall führende Geschehen hat (vgl BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 24 f mwN).

24

Die Nichterweislichkeit der für den eingeschlagenen Abweg maßgeblichen, den Versicherungsschutz begründenden Gründe ist damit nach den Regeln der objektiven Beweislastverteilung zu Lasten des Versicherten zu berücksichtigen. Da die irrtümliche Nutzung eines objektiv nicht in Richtung der Arbeitsstätte führenden Weges nur unter bestimmten Umständen unter Versicherungsschutz steht, handelt es sich bei diesen Umständen um anspruchsbegründende Tatsachen (vgl BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 7/99 R - HVBG-INFO 2000, 1846). Der Kläger hat danach den Nachteil der Unaufklärbarkeit der seinen Irrtum verursachenden Umstände, die zu dem eingeschlagenen Abweg führten, zu tragen.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. März 2015 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Arbeitsunfalls streitig.

2

Der Kläger ist bei der S. Bank als Bankkaufmann beschäftigt. Die Bank kündigte im hausinternen Intranet mit einem mit den Worten "Liebe Fußballfans und Kicker" eingeleiteten Schreiben vom 21.1.2010 das "S. Fußballturnier in B. vom 28. - 30.05.2010" an. Mit weiterem Schreiben vom 10.3.2010 wies sie darauf hin, dass eine Anmeldung ab sofort möglich sei und auch "Externe (Familie und Bekannte)" über das Anmeldetool oder das Excel-Formular "(Anmeldung Externe)" anzumelden seien.

3

Die Veranstaltung begann am 28.5.2010 mit einem "Get-Together" und einer Begrüßung durch den Vorstandsvorsitzenden gegen 20.30 Uhr. Am nächsten Tag fand ab 9.00 Uhr das Fußballturnier und ab 19.00 Uhr eine Abendveranstaltung mit Siegerehrung statt. An der Veranstaltung nahmen 594 der etwa 3000 Mitarbeiter der S. Bank sowie 78 externe Personen teil. Bei den Externen handelte es sich um Angehörige von Tochtergesellschaften und Kooperationspartnern sowie um Familienmitglieder von Beschäftigten der Bank. Am Fußballturnier selbst wirkten 296 Mitarbeiter der Bank mit. Für nicht am Fußballturnier teilnehmende Personen war kein sonstiges Programm vorgesehen. Ihnen stand die Zeit des Turniers zur freien Verfügung.

4

Am 29.5.2010 zog sich der Kläger während des Fußballturniers eine traumatische Achillessehnenruptur rechts zu. Die Beklagte lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Das Fußballturnier habe sich in der Hauptsache an Fußballinteressierte gerichtet, so dass eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung ausscheide. Im Übrigen sei der Riss der Achillessehne nicht durch ein äußeres Ereignis verursacht worden (Bescheid vom 24.6.2010; Widerspruchsbescheid vom 20.8.2010).

5

Das SG Speyer hat die Verwaltungsentscheidungen aufgehoben und festgestellt, dass ein Zustand nach Ruptur der rechten Achillessehne Folge eines Arbeitsunfalls vom 29.5.2010 ist. Das Fußballturnier sei Bestandteil einer jährlich ausgerichteten unternehmensweiten Gemeinschaftsveranstaltung zur Förderung des Gemeinschaftsgefühls gewesen. Dass die Einladung formal "Fußballfans und Kicker" angesprochen habe, sei unschädlich. Fußball als Volkssport Nummer 1 mobilisiere auch nicht ausgewiesene Sport- und Fußballfans. Das Fußballspiel sei nach den medizinischen Ermittlungen auch Ursache der Achillessehnenruptur gewesen (Urteil vom 11.10.2012).

6

Das LSG Rheinland-Pfalz hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung stehe entgegen, dass sich das Fußballturnier allein an fußballinteressierte Belegschaftsmitglieder gerichtet habe. Die rein sportliche Veranstaltung mit Wettbewerbscharakter sei auch nicht in ein Tagungsprogramm integriert gewesen. Darüber hinaus hätten 78 Externe an der Veranstaltung teilgenommen. Eine Gemeinschaftsveranstaltung sei aber dadurch gekennzeichnet, dass sie den Beschäftigten und nicht dritten, außenstehenden Personen offenstehe. Die mit dem Unfallversicherungsschutz während einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung verbundene Zielsetzung komme jedenfalls dann nicht mehr zum Tragen, wenn ca ein Achtel der Teilnehmer nicht der Belegschaft angehörten (Urteil vom 18.3.2015).

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Das Fußballturnier sei Bestandteil einer dreitägigen Veranstaltung und in ein Rahmenprogramm eingegliedert gewesen. Zu dieser Veranstaltung seien sämtliche Beschäftigte und nicht nur ein begrenzter Personenkreis eingeladen worden. Die Teilnahme Externer schließe eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung nicht aus. Kooperationspartner und andere Dritte, die in beruflichem Kontakt mit den Beschäftigten ständen, machten einen Betrieb gerade aus und seien hinzunehmen. Mit der Veranstaltung sei die Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten sowie den Beschäftigten untereinander gefördert worden.

8

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. März 2015 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 11. Oktober 2012 zurückzuweisen.

9

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

10

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Die Veranstaltung habe sich nicht an die Belegschaft in ihrer Gesamtheit, sondern nur an einen eng begrenzten Kreis von Interessenten gerichtet. Der Wettkampfcharakter des sportlichen "Events" werde durch die Teilnahme externer Personen hervorgehoben.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Ablehnung eines Arbeitsunfalls im Bescheid der Beklagten vom 24.6.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.8.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat am 29.5.2010 während des Fußballspiels keinen Arbeitsunfall erlitten.

12

Der Kläger begehrt zulässig mit den kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklagen (§ 54 Abs 1 Satz 1, § 55 Abs 1 Nr 1 und 3 SGG), die Ablehnungsentscheidungen der Beklagten aufzuheben sowie einen am 29.5.2010 erlittenen Arbeitsunfall und einen Zustand nach Ruptur der rechten Achillessehne als Folge dieses Arbeitsunfalls festzustellen. Dem steht nicht entgegen, dass er vor dem SG neben der Aufhebung der angegriffenen Verwaltungsakte lediglich beantragt hatte, festzustellen, "dass ein Zustand nach Ruptur der rechten Achillessehne Folge eines Arbeitsunfalls vom 29.5.2010 ist", das SG diesem Begehren entsprochen hat und mit dem vor dem LSG gestellten Antrag, die Berufung zurückzuweisen, der erstinstanzliche Klageantrag aufrechterhalten worden ist. Damit hat der Kläger nicht nur die Feststellung einer Unfallfolge iS des § 55 Abs 1 Nr 3 SGG(vgl hierzu BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 12 ff) geltend gemacht. Umfang und Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens richten sich aufgrund der Dispositionsmaxime der Beteiligten (§ 123 SGG)nach deren jeweils gestellten Anträgen (BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 3/07 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr 13 RdNr 12). Die Auslegung des vom Kläger formulierten Antrags ergibt, dass es ihm ersichtlich nicht nur um die Feststellung der geltend gemachten Unfallfolge, sondern auch um die Anerkennung eines Arbeitsunfalls selbst ging. Davon sind auch die Vorinstanzen ausgegangen, die sich in ihren Entscheidungsgründen mit den Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls auseinandergesetzt haben.

13

Die Klage ist indes unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls und damit auch nicht auf Feststellung der geltend gemachten Unfallfolge. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem Fußballturnier nicht um eine unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehende betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt hat.

14

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; stRspr, vgl zuletzt BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 9; BSG vom 26.6.2014 - B 2 U 7/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 53 RdNr 11; BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 10 und - B 2 U 12/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 49 RdNr 14; BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 12; BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 20; BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 26 f).

15

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) einen Unfall und dadurch einen Gesundheitserstschaden erlitten hat. Zwar war er als Beschäftigter kraft Gesetzes nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versichert. Seine Verrichtung zur Zeit des geltend gemachten Unfallereignisses - das Fußballspielen - stand aber nicht in einem sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit. Das Fußballturnier war nicht Bestandteil einer von der Beschäftigtenversicherung (dazu 1.) umfassten betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung (dazu 2.).

16

1. Der Kläger ist während des Fußballspiels nicht seiner Beschäftigung bei der S. Bank nachgegangen.

17

Eine nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter liegt vor, wenn der Verletzte zur Erfüllung eines mit ihm begründeten Rechtsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses, eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen(vgl § 7 Abs 1 SGB IV) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse der Verrichtung dem Unternehmen und nicht dem Verletzten selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen (vgl § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII). Es kommt objektiv auf die Eingliederung des Handelns des Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile für das Unternehmen des anderen bringen soll. Eine Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII wird daher ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, entweder eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, oder der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt(BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 5/14 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 33 RdNr 14 mwN; BSG vom 26.6.2014 - B 2 U 7/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 53 RdNr 12; BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 27 ff; BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 27/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 45 RdNr 23 f; BSG vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27 RdNr 13). Mit seiner Teilnahme am Fußballspiel hat der Kläger indes offenkundig weder eine geschuldete noch eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt und auch kein unternehmensbezogenes Recht wahrgenommen.

18

2. Das Fußballspielen des Klägers kann auch nicht ausnahmsweise als Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung der versicherten Beschäftigung zugerechnet werden.

19

Eine Verrichtung, die nicht der Erfüllung einer Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis dient oder dienen soll, kann nur dann im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen, wenn der Beschäftigte sie wegen des Beschäftigungsverhältnisses vornimmt, um durch sie zumindest auch dem Unternehmen in nicht offensichtlich untauglicher Weise zu dienen. Diese Zurechnung kann bei der freiwilligen, dh rechtlich nicht geschuldeten und vom Unternehmen nicht abverlangten Teilnahme an einer sog betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung in Betracht kommen, weil der Beschäftigte wegen seiner Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers (§ 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV) durch seine freiwillige, aber vom Unternehmer erbetene Teilnahme das erklärte Unternehmensinteresse unterstützt, durch die Gemeinschaftsveranstaltung den Zusammenhalt in der Belegschaft zu fördern (vgl BSG vom 22.9.2009 - B 2 U 4/08 R - Juris RdNr 11). Die in die Arbeitsorganisation des Unternehmens eingegliederten Beschäftigten unterstützen durch ihre von der Unternehmensleitung gewünschte Teilnahme das Unternehmensinteresse, die betriebliche Verbundenheit zu stärken. Dieses unternehmensdienliche Verhalten rechtfertigt es, die Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung als Bestandteil der aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses geschuldeten versicherten Tätigkeit iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII zu betrachten(stRspr, vgl zuletzt BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 19/14 - Juris RdNr 13 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

20

Eine Teilnahme an Betriebsfesten, Betriebsausflügen oder ähnlichen betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen kann der versicherten Beschäftigung aber nur unter bestimmten Voraussetzungen zugerechnet werden. Der Senat verlangt in ständiger Rechtsprechung (vgl zuletzt Urteil vom 5.7.2016 - B 2 U 19/14 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), dass der Arbeitgeber die Veranstaltung als eigene betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung durchführt oder durchführen lässt. Er hat zu ihr alle Betriebsangehörigen oder bei Gemeinschaftsveranstaltungen für organisatorisch abgegrenzte Abteilungen des Betriebs alle Angehörigen dieser Abteilung eingeladen oder einladen lassen. Bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen in einzelnen organisatorischen Einheiten des Unternehmens, insbesondere wenn das Unternehmen über mehrere Betriebsstätten oder Dienststellen verfügt, genügt es, dass die Leitung der jeweiligen organisatorischen Einheit als Veranstalter auftritt. Mit der Einladung muss der Wunsch des Arbeitgebers deutlich werden, dass möglichst alle Beschäftigten sich freiwillig zu einer Teilnahme entschließen. Die Teilnahme muss daher vorab erkennbar grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens oder der betroffenen Abteilung offenstehen und objektiv möglich sein. Es reicht nicht aus, dass nur den Beschäftigten einer ausgewählten Gruppe die Teilnahme angeboten wird oder zugänglich ist. Nur in Ausnahmefällen, in denen Beschäftigte von vornherein nicht teilnehmen können, weil etwa aus Gründen der Daseinsvorsorge der Betrieb aufrechterhalten werden muss oder wegen der Größe der Belegschaft aus organisatorisch-technischen Gründen eine gemeinsame Betriebsveranstaltung ausscheidet, muss die umfassende Teilnahmemöglichkeit nicht für alle Mitarbeiter bestehen. An dem zunächst geforderten weiteren Kriterium der Teilnahme der Unternehmensleitung selbst an der Veranstaltung hat der Senat nicht mehr festgehalten (vgl Urteil vom 5.7.2016 - B 2 U 19/14 R - Juris RdNr 16 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Allerdings müssen betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen nach wie vor im Interesse des Arbeitgebers liegen und einen betrieblichen Zweck verfolgen. Die von der Unternehmensleitung getragene, im Einvernehmen mit ihr durchgeführte Veranstaltung muss darauf abzielen, die Zusammengehörigkeit der Beschäftigten untereinander zu fördern. An diesem betrieblichen Zusammenhang fehlt es, wenn stattdessen Freizeit, Unterhaltung, Erholung oder die Befriedigung sportlicher oder kultureller Interessen im Vordergrund steht. Für die Beurteilung, ob eine Veranstaltung die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist eine Gesamtbetrachtung aller tatsächlichen Umstände erforderlich (BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 19/14 R - Juris RdNr 14, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSG vom 22.9.2009 - B 2 U 4/08 R - Juris RdNr 12 mwN; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 5/04 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 4 RdNr 23; BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 47/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 11 RdNr 13; BSG vom 26.10.2004 - B 2 U 16/04 R - SozR 4-1500 § 163 Nr 1 RdNr 14; BSG vom 9.12.2003 - B 2 U 52/02 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 2 RdNr 14). Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat es sich bei dem Fußballturnier nicht um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt.

21

Es erscheint bereits zweifelhaft, ob das Fußballturnier allen Betriebsangehörigen in diesem Sinn offenstand. Dass die Teilnahme an der Veranstaltung allen Beschäftigten angeboten worden ist, ergibt sich nicht schon aufgrund der für den Senat bindenden, da nicht mit zulässig erhobenen Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG). Das Berufungsgericht hat zwar festgestellt, dass das Fußballturnier im hausinternen Intranet angekündigt worden ist und sämtliche Mitarbeiter der S. Bank an der unternehmensweiten Veranstaltung teilnehmen konnten. Gleichzeitig wurde aber auch festgestellt, dass sich die Einladung zum Fußballturnier vom 21.1.2010 an "Fußballfans und Kicker" richtete, die Veranstaltung Wettkampfcharakter hatte und darauf abzielte, fußballinteressierte Belegschaftsmitglieder zu einer Teilnahme zu motivieren. Damit liegt der Schluss nahe, dass es sich um eine rein sportliche Veranstaltung handelte, die von vornherein so geplant war, dass aufgrund ihrer Eigenart ein nennenswerter Teil der Belegschaft nicht teilnehmen wird.

22

Bei der notwendigen Gesamtschau ist auch zu berücksichtigen, dass das Fußballturnier nicht in ein Veranstaltungsprogramm integriert war. Eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung muss von ihrer Programmgestaltung her geeignet sein, dadurch zur Förderung des Gemeinschaftsgedankens im Unternehmen beizutragen, dass sie die Gesamtheit der Belegschaft und nicht nur einen begrenzten Teil anspricht. Ein Fußballturnier steht daher nur dann als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung unter Versicherungsschutz, wenn es im Rahmen einer Veranstaltung stattfindet, die alle Betriebsangehörigen, auch die nicht sportinteressierten, einbezieht. Hingegen ist die Teilnahme an reinen Freizeit- und Erholungsveranstaltungen selbst dann nicht versichert, wenn diese vom Unternehmen organisiert und finanziert werden. Stehen Freizeit, Unterhaltung oder Erholung im Vordergrund, fehlt es an einem wesentlichen betrieblichen Zusammenhang (BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 47/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 11 RdNr 20 ff). Das ist hier der Fall. Nach den für den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG (§ 163 SGG) sah die Veranstaltung für die nicht als Fußballspieler teilnehmenden Personen keine weiteren Programmpunkte außerhalb des Fußballturniers vor. Für diesen Personenkreis stand vielmehr die Zeit während des Turniers zur freien Verfügung. Den nicht fußballspielenden Teilnehmern war es freigestellt, den Tag des Fußballturniers jedenfalls bis zur Abendveranstaltung nach Belieben zu verbringen. Die Möglichkeit für die Teilnehmenden, den Tag in B. jeweils individuell zu gestalten, lässt zugleich zweifelhaft erscheinen, dass die Veranstaltung insgesamt dazu beitragen konnte, das "Wir-Gefühl" im Betrieb zu stärken (hierzu noch unten).

23

Schließlich scheidet im Wege der gebotenen Gesamtbetrachtung eine in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung fallende betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung hier jedenfalls auch deshalb aus, weil die Veranstaltung von vornherein nicht nur unwesentlich auch nicht dem Unternehmen angehörenden Personen (Externe, hier Familienangehörige und Bekannte) offenstand. In Übereinstimmung mit dem LSG ist eine Ausdehnung des Unfallversicherungsschutzes auf Veranstaltungen, an denen im Wesentlichen nicht nur Beschäftigte, sondern auch externe Personen teilnehmen (dürfen), nicht mit der Zielsetzung des für Beschäftigte während der Teilnahme an betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen eingeräumten Versicherungsschutzes zu vereinbaren.

24

An betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen nehmen zwar erfahrungsgemäß nicht alle Betriebsangehörigen teil. Für eine vom Arbeitgeber getragene betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung ist aber dessen objektivierte Zielsetzung entscheidend, mit der Veranstaltung jedenfalls die Verbundenheit aller Betriebsangehörigen untereinander zu fördern und zu pflegen (BSG vom 22.9.2009 - B 2 U 4/08 R - Juris RdNr 15; BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 19/14 - Juris RdNr 16 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Diesem Zweck wird nicht angemessen Rechnung getragen, wenn die Veranstaltung - wie hier - so geplant ist, dass zu einem nennenswerten Teil nicht der Belegschaft angehörende Personen teilnehmen dürfen. Die Veranstaltung der S. Bank zielte aber konzeptionell auf eine Beteiligung sowohl von Betriebsangehörigen als auch von externen Personen. In dem das an "Fußballfans und Kicker" gerichtete Einladungsschreiben vom 21.1.2010 ergänzende Schreiben vom 10.3.2010 über die Anmeldemodalitäten für das Fußballturnier wird ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen, auch "Externe (Familie und Bekannte)" anzumelden. Für diesen Personenkreis stand das eigenständige Anmeldeformular "Anmeldung Externe" zur Verfügung. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG haben von den insgesamt 672 angemeldeten Personen auch 78 Externe teilgenommen, die sich aus Mitarbeitern von Tochtergesellschaften und Kooperationspartnern sowie Familienangehörigen von Beschäftigten der S. Bank zusammensetzten. Damit stand das Fußballturnier jedem offen, der mit einem Mitglied der Unternehmensleitung oder einem Beschäftigten familiär verbunden oder lediglich bekannt war.

25

Voraussetzung für die Annahme einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung ist indes, dass die Zusammenkunft der Pflege der Verbundenheit zwischen den Beschäftigten untereinander dient. Um diese den Unfallversicherungsschutz bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen begründende wesentliche betriebliche Zielsetzung zu erreichen, genügt es nicht, dass die Veranstaltung grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens offensteht, was hier - wie ausgeführt - wegen ihres Charakters als sportliche Wettkampfveranstaltung bereits zweifelhaft war. Erforderlich ist darüber hinaus, dass die Veranstaltung im Wesentlichen allein für die Beschäftigten angeboten wird. Eine Veranstaltung, an der - wie hier - im Grunde jedermann als Bekannter teilnehmen kann, stellt den Gemeinschaftscharakter der Betriebsangehörigen, der gerade gestärkt werden soll, in Frage. Sie ist in diesem Fall nur eingeschränkt dem Gemeinsinn und dem Zusammengehörigkeitsgefühl der Beschäftigten dienlich.

26

Die Stärkung und Pflege der Verbundenheit unter den Betriebsangehörigen ist auch heute noch ein notwendiges Anliegen der Unternehmen. Sie hat Auswirkungen auf das Betriebsklima, das Verantwortungsbewusstsein des einzelnen Betriebsangehörigen und damit auf die vom arbeitsteiligen Zusammenwirken der Beschäftigten abhängige Leistungsfähigkeit des Betriebs (vgl schon BSG vom 22.8.1955 - 2 RU 49/54 - BSGE 1, 179, 182; BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 47/03 - SozR 4-2700 § 8 Nr 11 RdNr 26). Um eine Gemeinschaftsveranstaltung wegen dieses Zwecks dem Betrieb zurechnen und die Teilnahme daran einer Betriebstätigkeit gleichsetzen zu können, ist es daher notwendig, dass es sich um eine "echte" Gemeinschaftsveranstaltung handelt, die im Wesentlichen auf eine Teilnahme möglichst vieler Beschäftigter, auf deren Mitwirkung am Veranstaltungsprogramm, auf Kommunikation miteinander und damit auf eine Förderung des Gemeinschaftsgedankens und eine Stärkung des "Wir-Gefühls" innerhalb der Belegschaft abzielt. An diesem betrieblichen Zweck fehlt es hingegen bei Veranstaltungen, die - wie bereits ausgeführt - nahezu jedermann offenstehen und für die Teilnehmenden kein verbindliches (und damit das "Wir-Gefühl" stärkendes) Programm vorsehen. Zwar mag auch die Teilnahme externer Personen im Einzelfall betriebsdienlich und gemeinschaftsfördernd sein. Allerdings steht nicht jede betriebliche Veranstaltung, auch wenn sie wegen der daran teilnehmenden Personen für das Unternehmen insgesamt - etwa auch unter Werbungsgesichtspunkten - wertvoll ist, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 47/03 - SozR 4-2700 § 8 Nr 11 RdNr 27). Inwieweit an der früheren Rechtsprechung des Senats festzuhalten ist, dass die Erlaubnis, Familienangehörige mitzubringen, dem Versicherungsschutz nicht entgegensteht und die Anwesenheit der Familie sogar die Betriebsverbundenheit fördert (BSG vom 22.8.1955 - 2 RU 49/54 - BSGE 1, 179, 183), kann hier dahinstehen, da vorliegend auch "Bekannte" am Fußballturnier teilnehmen konnten und gerade dadurch der Kreis der zur Anmeldung berechtigten Personen in einem nicht mehr abgrenzbaren Maß erweitert wurde.

27

Im Übrigen haben es weder Unternehmen noch die Beschäftigten in der Hand, den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auf Tatbestände auszuweiten, die außerhalb der individuell getroffenen Vereinbarungen über den Inhalt des jeweiligen Beschäftigungsverhältnisses liegen und damit grundsätzlich unversichert sind. Welche Verrichtungen in sachlichem Zusammenhang mit der geschützten Beschäftigung stehen, ist vielmehr objektiv auf der Grundlage des konkret zustande gekommenen Beschäftigungsverhältnisses, des tatsächlichen Geschehens und nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils die Unfallversicherung begründenden Norm zu beurteilen. Eine rechtlich unzutreffende Auffassung von Unternehmen und Beschäftigten, eine bestimmte Verrichtung stehe im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, vermag keinen Versicherungsschutz zu begründen (vgl BSG vom 13.12.2005 - B 2 U 29/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 16 RdNr 22 mwN).

28

Da nach alledem die Voraussetzungen für die Feststellung eines Arbeitsunfalls nicht erfüllt sind, war die Entscheidung des LSG ferner insoweit zu bestätigen, als das Berufungsgericht auch die Klage auf Feststellung eines Zustands nach Ruptur der rechten Achillessehne als Unfallfolge abgewiesen hat.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. März 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls.

2

Der 1955 geborene Kläger ist seit Oktober 1974 bei der S-Bahn B. als Führer von Schienenfahrzeugen beschäftigt. Er löste am 30.3.2007 vor der Einfahrt in den S-Bahnhof B. eine Notbremsung aus. Insoweit ist im Durchgangsarztbericht des Dr. M. vom 12.4.2007 vermerkt, dass der Kläger einen den Bahnübergang trotz geschlossener Schranke überquerenden Fußgänger gesehen hätte und nach einer Vollbremsung ca 2 Meter vor dem Fußgänger zum Stehen gekommen sei. Als Diagnose ist eine "posttraumatische Belastungsreaktion" angegeben.

3

Die Beklagte lehnte die Feststellung eines Arbeitsunfalls ab, weil es an einem Unfallereignis iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII fehle(Bescheid vom 20.9.2007; Widerspruchsbescheid vom 21.1.2008). Das SG Berlin hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 16.1.2009). Das LSG Berlin-Brandenburg hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 17.3.2011). Als Unfallereignis lasse sich allein die Zugbremsung feststellen, die aufgrund der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes vom 20.12.2010 lediglich 1,33 oder 2,8 Sekunden früher als notwendig ausgelöst worden sei. Dass sich eine Person auf den Gleisen befunden hätte, sei nicht nachgewiesen. Eine unwesentlich frühere Zugbremsung stelle kein außergewöhnliches Ereignis dar. Die gesetzliche Unfallversicherung schütze nicht alltägliche Geschehensabläufe, die im Rahmen der versicherten Tätigkeit üblich und selbstverständlich seien, sondern nur die sich davon abhebenden Ereignisse. Allein die Vorstellung, es hätte zu einem Personenschaden kommen können oder ein solcher sei eingetreten, genüge nicht. Die Wahrnehmung sozialadäquater Geschehensabläufe sei ein Risiko, das seine Ursache nicht in der versicherten Tätigkeit habe.

4

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 8 Abs 1 SGB VII sowie eine fehlerhafte Beweiswürdigung und einen Verstoß gegen die Pflicht zur Amtsermittlung. Zur Begründung trägt er vor, der Unfallbegriff sei allgemein und nicht berufsbezogen definiert. Er beschränke sich nicht auf Ereignisse, die über die alltäglichen beruflichen Anforderungen hinausgingen. Abgesehen davon handele es sich bei der Gefahrenbremsung zur Vermeidung einer Kollision mit einem Menschen nicht um einen alltäglichen Vorgang, sondern um einen besonderen Betriebsvorfall. Im Übrigen sei das LSG aufgrund einer fehlerhaften Beweiswürdigung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Bei der Notbremsung sei eine sich am Bahnübergang aufhaltende Person klar zu erkennen gewesen. Schließlich habe es das LSG unterlassen, Feststellungen zu den Unfallfolgen zu treffen.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. März 2011, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2009 sowie die ablehnende Entscheidung im Bescheid der Beklagten vom 20. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Januar 2008 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 30. März 2007 ein Arbeitsunfall ist.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Ein Unfallereignis sei als selbstständiges Geschehen von der bloßen Ausübung der versicherten Tätigkeit abzugrenzen. Die Zugbremsung sei hingegen schlichte Ausübung der versicherten Tätigkeit. Auch sei die Unfreiwilligkeit der Einwirkung dem Unfallbegriff immanent.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist nicht begründet.

9

Die mit der Revision verfolgte kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und § 55 Abs 1 Nr 1 SGG)ist zulässig. Der Kläger begehrt nunmehr, die Ablehnungsentscheidung der Beklagten aufzuheben und festzustellen, dass er am 30.3.2007 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Zwar hat er vor dem LSG die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung des Ereignisses vom 30.3.2007 als Arbeitsunfall beantragt. Der Übergang von der Verpflichtungs- zur Feststellungsklage ist aber eine jedenfalls bei einem Streit um die Feststellung eines Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 99 Abs 3 SGG zulässige Antragsänderung. Wegen des Interesses des Klägers an einer baldigen gerichtlichen Feststellung besteht ein Wahlrecht zwischen beiden Rechtsschutzformen (BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - Juris RdNr 12, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

10

Anfechtungs- und Feststellungsklage sind nicht begründet. Die Ablehnungsentscheidung der Beklagten im Bescheid vom 20.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.1.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls. Durch das Abbremsen der S-Bahn hat er keinen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII erlitten.

11

Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Ein Arbeitsunfall eines Versicherten setzt danach voraus, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls einen gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden unmittelbaren oder mittelbaren Unfallfolgen (vgl hierzu BSG vom 5.7.2011 aaO) aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Tatbestandsvoraussetzung eines Arbeitsunfalls (vgl BSG vom 4.9.2007 - B 2 U 24/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 24 RdNr 9 mwN).

12

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kläger verrichtete zwar mit dem Fahren der S-Bahn eine nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter. Während dieser Verrichtung hat sich aber kein Unfall ereignet.

13

Nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Zu unterscheiden ist damit zwischen dem äußeren Ereignis als Ursache (Unfallereignis) und der Körperschädigung oder dem Tod als Wirkung, die erst den Unfall im Sinne der genannten Vorschrift eintreten lässt. Ob und - wenn ja - wann der Kläger einen Gesundheitsschaden davongetragen hat, ist vom LSG nicht festgestellt worden und bedarf vorliegend auch keiner Entscheidung. Jedenfalls fehlt es an einer äußeren Einwirkung auf den Körper des Klägers.

14

Allerdings erstreckt sich das Unfallereignis entgegen der Auffassung des LSG auch auf Geschehnisse, die im Rahmen der versicherten Tätigkeit "üblich" sind. Die gesetzliche Unfallversicherung schützt gerade, aber auch nur diejenigen Verrichtungen, die in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Der Begriff des Unfallereignisses setzt auch nicht ein außergewöhnliches Geschehen voraus. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats genügt vielmehr ein alltäglicher Vorgang, wie das Stolpern über die eigenen Füße oder das Aufschlagen auf den Boden, weil auch hierdurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt (zuletzt BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31 RdNr 10). Auch durch die versicherte Tätigkeit bedingte Unfälle des täglichen Lebens sind versichert (so schon BSG vom 13.3.1959 - 2 RU 167/57 - BSGE 9, 222, 224).

15

Einen Unfall hat der Kläger aber deshalb nicht erlitten, weil sich nach den Feststellungen des LSG während der Fahrt mit der S-Bahn kein Vorgang ereignet hat, durch dessen Ablauf zeitlich begrenzt von außen auf seinen Körper eingewirkt worden wäre. Als einziger Geschehensablauf während der Bahnfahrt ist vom Berufungsgericht das Abbremsen des Zuges festgestellt worden. In diesem Bremsvorgang ist ein von außen auf den Körper des Klägers einwirkendes Ereignis nicht zu erblicken. Insofern unterscheidet sich der Rechtsstreit von dem ebenfalls am 29.11.2011 entschiedenen weiteren Rechtsstreit des Klägers (B 2 U 23/10 R), wo es an entsprechenden Feststellungen durch das LSG fehlte.

16

Das Erfordernis der Einwirkung von außen dient der Abgrenzung von unfallbedingten Gesundheitsschäden zu Gesundheitsbeeinträchtigungen aus inneren Ursachen sowie zu Selbstschädigungen (vgl BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, RdNr 7). Nicht geschützt sollen Unfälle sein, die auf aus dem Menschen selbst kommenden Ereignissen beruhen (vgl BSG vom 29.2.1984 - 2 RU 24/83 - Juris RdNr 15; BSG vom 18.3.1997 - 2 RU 8/96 - Juris RdNr 22, jeweils mwN). Das ist hier der Fall. Denn das Abbremsen des Zuges war eine vom Willen des Versicherten getragene und gesteuerte Eigenbewegung. Ein Unfall ist typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass ein normaler Geschehensablauf plötzlich durch einen ungewollten Vorfall unterbrochen wird. Durch die Zugbremsung wirken zwar physikalisch betrachtet Trägheits- oder Scheinkräfte auf einen Körper ein. Unabhängig davon, ob diese unsichtbare physikalische Kraftentfaltung ein Ereignis iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII darstellt, ist dadurch aber nicht von außen auf den Kläger eingewirkt worden. Der den Trägheitskräften vorausgegangene Bremsvorgang war nicht durch eine Gefahrensituation veranlasst. Dass sich eine Person auf den Gleisen befunden hätte, war für das LSG gerade nicht feststellbar. Mit dem Abbremsen ist daher nicht von einem Teil der Außenwelt auf den Körper des Klägers, sondern von diesem ist seinerseits auf die S-Bahn eingewirkt worden. Solange der Versicherte - wie hier - in seiner von ihm gewollt herbeigeführten Einwirkung und damit in seiner Eigenbewegung nicht beeinträchtigt ist, wirkt kein äußeres Ereignis auf seinen Körper ein (vgl BGH vom 23.11.1988 - IVa ZR 38/88 - NJW-RR 1989 S 217).

17

Das hier gefundene Ergebnis steht nicht im Widerspruch zum Urteil des Senats vom 12.4.2005 (B 2 U 25/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15). In dem bezeichneten Verfahren hat der Senat die äußere Einwirkung der von dem schweren und festgefrorenen Stein ausgehenden unsichtbaren Kraft sowie der mit dem beabsichtigten Anheben des Steines einhergehenden Kraftanstrengung aufgrund der mit ihr verbundenen Gegenkräfte erblickt. Eine entsprechende Kraftentfaltung ist weder festgestellt worden noch ersichtlich.

18

An die Feststellungen des LSG, dass sich während der Bahnfahrt nur das Abbremsen des Zuges ereignete, ohne dass sich eine Person auf den Gleisen befunden hätte, ist der Senat gebunden (§ 163 SGG), weil sie nicht mit zulässig erhobenen Verfahrensrügen angegriffen worden sind.

19

Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt die Bezeichnung der Tatsachen voraus, die den behaupteten Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG) und aus denen die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachte Verfahrensverletzung anders entschieden hätte. Das Revisionsgericht muss in die Lage versetzt werden, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG vom 23.8.2007 - B 4 RS 3/06 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 31). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht.

20

Die Rüge des Klägers, das LSG habe gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) verstoßen, ist nicht ordnungsgemäß erhoben. Er hätte insoweit aufzeigen müssen, dass sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Dabei ist darzulegen, inwiefern nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen und medizinischen Sachverhalt aus seiner rechtlichen Sicht erkennbar offengeblieben sind und damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden hat und die so zu ermittelnden Tatsachen nach der Rechtsauffassung des LSG entscheidungserheblich sind. Außerdem ist anzugeben, wann und in welcher Form die zu ermittelnden Tatsachen in der Berufungsinstanz vorgebracht wurden (BSG vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - Juris RdNr 69 f). Weshalb das LSG Feststellungen zu den Unfallfolgen hätte treffen müssen, obwohl das Berufungsgericht bereits einen Unfall verneint hat, macht die Revision indes nicht deutlich.

21

Auch die Rüge des Klägers, das Berufungsgericht habe die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten, ist unzulässig. Die Beweiswürdigung des LSG ist nur eingeschränkt überprüfbar. Da das Tatsachengericht gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet, ist diese Vorschrift nur dann verletzt, wenn das Gericht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen oder das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend und umfassend berücksichtigt hat. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss im Einzelnen dargelegt werden (BSG vom 31.5.2005 - B 2 U 12/04 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 2 RdNr 9). Daran fehlt es hier.

22

Der Kläger hat weder ein Denkgesetz benannt, gegen das das LSG verstoßen haben soll, noch einen vom Berufungsgericht fehlerhaft angewendeten Erfahrungssatz aufgezeigt. Aus seinem Vortrag geht auch nicht hervor, dass das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht hinreichend berücksichtigt worden wäre. Der Hinweis darauf, dass sich das LSG "umfangreich" mit den Sachverhaltsdarstellungen in den einzelnen Verfahrensstadien und der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes auseinandergesetzt habe, macht vielmehr gerade die durchgeführte Gesamtwürdigung deutlich. Im Kern setzt der Kläger seine Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG. Allein damit ist aber eine Verletzung der Grenzen des Rechts auf freie Beweiswürdigung nicht formgerecht gerügt (BSG vom 23.8.2007 - B 4 RS 3/06 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 33).

23

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

(1) Solange Versicherte infolge des Versicherungsfalls für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang der Hilfe durch andere bedürfen, wird Pflegegeld gezahlt, eine Pflegekraft gestellt oder Heimpflege erbracht.

(2) Das Pflegegeld ist unter Berücksichtigung der Art oder Schwere des Gesundheitsschadens sowie des Umfangs der erforderlichen Hilfe auf einen Monatsbetrag zwischen 300 Euro und 1 199 Euro (Beträge am 1. Juli 2008) festzusetzen. Diese Beträge werden jeweils zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst werden, entsprechend dem Faktor angepasst, der für die Anpassung der vom Jahresarbeitsverdienst abhängigen Geldleistungen maßgebend ist. Übersteigen die Aufwendungen für eine Pflegekraft das Pflegegeld, kann es angemessen erhöht werden.

(3) Während einer stationären Behandlung oder der Unterbringung der Versicherten in einer Einrichtung der Teilhabe am Arbeitsleben oder einer Werkstatt für behinderte Menschen wird das Pflegegeld bis zum Ende des ersten auf die Aufnahme folgenden Kalendermonats weitergezahlt und mit dem ersten Tag des Entlassungsmonats wieder aufgenommen. Das Pflegegeld kann in den Fällen des Satzes 1 ganz oder teilweise weitergezahlt werden, wenn das Ruhen eine weitere Versorgung der Versicherten gefährden würde.

(4) Mit der Anpassung der Renten wird das Pflegegeld entsprechend dem Faktor angepaßt, der für die Anpassung der vom Jahresarbeitsverdienst abhängigen Geldleistungen maßgeblich ist.

(5) Auf Antrag der Versicherten kann statt des Pflegegeldes eine Pflegekraft gestellt (Hauspflege) oder die erforderliche Hilfe mit Unterkunft und Verpflegung in einer geeigneten Einrichtung (Heimpflege) erbracht werden. Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend.

(6) Die Bundesregierung setzt mit Zustimmung des Bundesrates die neuen Mindest- und Höchstbeträge nach Absatz 2 und den Anpassungsfaktor nach Absatz 4 in der Rechtsverordnung über die Bestimmung des für die Rentenanpassung in der gesetzlichen Rentenversicherung maßgebenden aktuellen Rentenwertes fest.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger auf dem Weg von einer Arztpraxis zu seiner Arbeitsstätte einen in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Arbeitsunfall erlitten hat.

2

Der als Lagerarbeiter beschäftigte Kläger verließ am 14.4.2011 gegen 8 Uhr seine Wohnung und fuhr mit dem Fahrrad zunächst in Richtung seiner südwestlich von der Wohnung gelegenen Arbeitsstätte. Sodann bog er in eine andere Straße ein, die er jedoch nicht in Richtung seiner Arbeitsstätte, sondern in entgegengesetzter Richtung befuhr, um zu der nördlich von seiner Wohnung gelegenen Praxis seines Hausarztes zu gelangen. Dort hatte er einen Termin zur Blutabnahme für Laboruntersuchungen, die regelmäßig drei- bis viermal im Jahr erfolgte. Mit seinem Arbeitgeber hatte der Kläger abgesprochen, dass der Arbeitsbeginn wegen dieses Arzttermins nicht wie üblich um 6 Uhr, sondern erst gegen 9.30 Uhr sein sollte. Von der Praxis wollte der Kläger anschließend direkt zu seiner Arbeitsstätte fahren. Der letzte Teil dieser Strecke war mit seinem üblichen Weg zur Arbeit identisch. In der Arztpraxis hielt sich der Kläger höchstens 40 Minuten auf. Nach dem Verlassen der Praxis fuhr er in Richtung seiner Arbeitsstätte. Schon kurze Zeit später stieß er mit einem Kraftfahrzeug zusammen und erlitt Verletzungen. Er hatte zum Zeitpunkt des Unfalls die übliche Wegstrecke zur Arbeit noch nicht erreicht.

3

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 1.2.2012 und Widerspruchsbescheid vom 7.8.2012 die Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall ab, weil der Kläger vor dem Unfall von seinem direkten Weg zur Arbeit abgewichen sei und sich auf einem unversicherten Abweg befunden habe. Das SG Regensburg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 6.3.2013) und das Bayerische LSG die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung seines Urteils vom 7.5.2014 hat das LSG ausgeführt, der vom Kläger zurückgelegte Weg habe in keinem Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit gestanden, weil der Besuch der Arztpraxis eine eigenwirtschaftliche Verrichtung gewesen sei. Der Kläger habe auch keinen versicherten Weg von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte zurückgelegt, weil dieser Weg durch den Umweg zu der Arztpraxis mehr als geringfügig unterbrochen gewesen sei. Angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer in der Arztpraxis sei schließlich auch kein versicherter Weg von einem sog dritten Ort - hier der Arztpraxis - zur Arbeitsstätte zurückgelegt worden, denn ein solcher Weg setze nach der Rechtsprechung des BSG voraus, dass der Aufenthalt dort mindestens zwei Stunden andauere. Dieses zeitliche Kriterium gelte sowohl für einen versicherten Weg von und zu einem dritten Ort als auch für den Wegfall des Versicherungsschutzes bei Unterbrechung eines versicherten Weges. Im Interesse der Rechtssicherheit sei es geboten, eine gewisse Mindestverweildauer an dem sog dritten Ort zu verlangen. Andernfalls würde zum einen der Umfang des Versicherungsschutzes unzulässig erweitert, wenn jeder kurze, geringfügige Aufenthalt auf dem Weg zur Arbeitsstätte als Ausgangspunkt eines eigenständigen, versicherten Weges Berücksichtigung finden könnte. Das gelte insbesondere, wenn die Angemessenheit der Wegstrecke im Vergleich zur üblichen Wegstrecke kein verlässliches Prüfungskriterium darstelle. Zum anderen würde sonst jede kurze, mehr als geringfügige Unterbrechung des Heimweges von der Arbeit zu privaten Zwecken den Versicherungsschutz trotz späterer Fortsetzung des Weges endgültig entfallen lassen.

4

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des § 8 Abs 1 und Abs 2 Nr 1 SGB VII. Er habe einen als Wegeunfall versicherten Arbeitsunfall erlitten. Seine Handlungstendenz und sein Verhalten am Unfalltag seien ausschließlich auf die Aufrechterhaltung seiner Gesundheit und damit seiner Arbeitskraft sowie darauf gerichtet gewesen, die Arbeitsstätte zu erreichen. Die medizinisch indizierte Blutentnahme habe im unmittelbaren Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung seines Leistungsvermögens als Beschäftigter gestanden und damit betrieblichen Zwecken gedient. Aufgrund der Einbahnstraßenregelung habe er nicht auf demselben Weg zurückfahren können, auf dem er zur Arztpraxis gelangt sei. Es habe somit ein versicherter Umweg vorgelegen. Im Übrigen sei der Weg von der Arztpraxis zur Arbeitsstätte als Weg von einem sog dritten Ort versichert gewesen. Voraussetzung sei hierfür nur, dass das Zurücklegen eines Weges, der in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblicherweise zurückgelegten Weg stehe, von dem Vorhaben bestimmt sei, die versicherte Tätigkeit aufzunehmen. Die Auslegung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII durch das LSG erscheine weder aufgrund des Wortlauts der Vorschrift noch im Hinblick auf den mit ihr verfolgten Zweck geboten. In Fortentwicklung der Rechtsprechung sei nicht auf eine starre Zwei-Stunden-Grenze, sondern darauf abzustellen, ob die konkreten Umstände des Einzelfalls eine Abweichung von dieser zeitlichen Grenze sachlich und rechtlich geboten erscheinen ließen. Dies sei hier der Fall.

5

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. Mai 2014 und das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 6. März 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. August 2012 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 14. April 2011 ein Arbeitsunfall ist.

6

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten sind rechtmäßig, denn der Kläger hat am 14.4.2011 keinen in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Arbeitsunfall erlitten.

9

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; stRspr; vgl zuletzt BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 9; BSG vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 11 und - B 2 U 7/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 53 RdNr 11; BSG vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27 RdNr 11; BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 10 und - B 2 U 12/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 49 RdNr 14; BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 12; BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 20 und BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 26 f).

10

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger erlitt zwar am 14.4.2011 durch den Zusammenstoß mit einem PKW eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII. Dieser führte zu seine körperliche Unversehrtheit verletzenden Gesundheitserstschäden. Er war zum Zeitpunkt des Unfalls auch in seiner Tätigkeit als Lagerarbeiter als Beschäftigter gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versichert. Seine Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses stand jedoch nicht in einem sachlichen Zusammenhang zu dieser versicherten Tätigkeit. Zum Unfallzeitpunkt legte er insbesondere keinen im Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit stehenden Betriebsweg iS von § 8 Abs 1 Satz 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII zurück(dazu 1.). Auch befand er sich nicht auf einem durch die Wegeunfallversicherung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII geschützten Weg(dazu unter 2.).

11

1. Der Kläger befand sich zum Unfallzeitpunkt nicht als Beschäftigter auf einem Betriebsweg iS des § 8 Abs 1 Satz 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII.

12

Eine nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter liegt vor, wenn der Verletzte zur Erfüllung eines von ihm begründeten Rechtsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses, eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen(vgl § 7 Abs 1 SGB IV) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse seiner Verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen (vgl § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII). Es kommt objektiv auf die Eingliederung des Handelns des Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile für das Unternehmen des anderen bringen soll. Eine Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII wird daher ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, entweder eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, oder der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt(stRspr; zuletzt BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 5/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 5/14 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 33 RdNr 14 mwN; BSG vom 26.6.2014 - B 2 U 7/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 53 RdNr 12; BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 27 ff; BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 27/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 45 RdNr 23 f; BSG vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27 RdNr 13).

13

Zur versicherten Tätigkeit als Beschäftigter zählt auch das Zurücklegen eines Betriebsweges. Betriebswege sind Wege, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden, Teil der versicherten Tätigkeit sind und damit der Betriebsarbeit gleichstehen (BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 5/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 35/08 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 36 RdNr 16 mwN; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 25/07 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 8 RdNr 24; BSG vom 12.12.2006 - B 2 U 1/06 R - BSGE 98, 20 = SozR 4-2700 § 8 Nr 21, RdNr 14 mwN; BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 33/02 R - Juris RdNr 15 mwN; BSG vom 7.11.2000 - B 2 U 39/99 R - SozR 3-2700 § 8 Nr 3 S 16 f). Sie werden im unmittelbaren Betriebsinteresse unternommen, unterscheiden sich von Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII dadurch, dass sie der versicherten Tätigkeit nicht lediglich vorausgehen oder sich ihr anschließen(vgl hierzu BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 35/08 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 36 RdNr 16 und vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 20). Sie sind nicht auf das Betriebsgelände beschränkt, sondern können auch außerhalb der Betriebsstätte anfallen (BSG vom 28.2.1990 - 2 RU 34/89 - SozR 3-2200 § 539 Nr 1 S 2). Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Weg im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ist die objektivierte Handlungstendenz des Versicherten, ob also der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (vgl BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 48 RdNr 13 mwN und vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 19 RdNr 14).

14

Der Kläger legte den Weg von der Arztpraxis zu seiner Arbeitsstelle indes nicht im unmittelbaren betrieblichen, sondern in eigenwirtschaftlichem Interesse zurück. Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffenen und deshalb gemäß § 163 SGG für den Senat bindenden Feststellungen des LSG suchte der Kläger die Arztpraxis für die regelmäßig stattfindende Kontrolle seiner Blutwerte zur Medikamenteneinstellung auf. Weder erfüllte er damit eine sich aus dem Arbeitsvertrag ergebende Hauptpflicht noch eine arbeitsrechtliche Nebenpflicht, denn eine arbeitsrechtliche Verpflichtung zu gesundheitsfördernden, der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit dienenden Handlungen besteht grundsätzlich nicht (BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 5/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, mit Hinweis auf Schäfer, NZA 1992, 529, 530). Maßnahmen der Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit sind wie zahlreiche sonstige Verrichtungen des täglichen Lebens, die gleichzeitig sowohl den eigenwirtschaftlichen Interessen des Versicherten als auch den betrieblichen Interessen des Arbeitgebers dienen können, grundsätzlich dem persönlichen Lebensbereich des Versicherten und nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen und stehen daher, solange dies das Gesetz nicht wegen besonderer Erfordernisse des sozialen Schutzes ausdrücklich anordnet, nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 35/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 6 RdNr 18 mwN; vgl auch BSG vom 5.5.1998 - B 2 U 40/97 R - BSGE 82, 138 = SozR 3-2200 § 550 Nr 18 und vom 12.6.1990 - 2 RU 31/89 - SozR 3-2200 § 550 Nr 2).

15

Der Kläger nahm auch keine objektiv nicht geschuldete Handlung in der vertretbaren, aber irrigen Annahme vor, damit eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen. Die Annahme dieser Pflicht ist nur vertretbar, wenn der Beschäftigte nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung (ex ante) aufgrund objektiver Anhaltspunkte und nach Treu und Glauben annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht (BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 72). Solche objektiven Anhaltspunkte sind jedoch weder festgestellt noch ersichtlich. Allein die Tatsache, dass der Arbeitgeber einem späteren Arbeitsbeginn zum Zwecke des Arztbesuchs zugestimmt hatte, konnte nicht die Annahme des Klägers begründen, es bestehe eine arbeitsrechtliche Pflicht zum Arztbesuch. Denn ein Arbeitgeber kann einer Änderung der Arbeitszeit zustimmen, um dem Arbeitnehmer eigenwirtschaftliche, nicht unmittelbar im Betriebsinteresse stehende Tätigkeiten, zB Behördengänge oder wie hier einen Arztbesuch, zu ermöglichen, ohne dass eine arbeitsvertragliche Pflicht besteht oder diese Tätigkeiten dadurch im Betriebsinteresse stehen.

16

Allerdings hat die Rechtsprechung bei eigenwirtschaftlichen Verrichtungen einen Versicherungsschutz bejaht, wenn die Gesamtumstände dafür sprachen, das unfallbringende Verhalten dem Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung zuzurechnen. Dabei handelte es sich um Sachverhalte, bei denen die betreffende Verrichtung während der Dienstzeit bzw bei der Zurücklegung des Betriebsweges oder des Weges zum oder vom Ort der Tätigkeit unerwartet notwendig geworden war, um weiterhin betriebliche Arbeit verrichten bzw den Weg zurücklegen zu können (vgl BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 35/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 6 RdNr 13 mwN). Eine solche Sachlage bestand hier jedoch nicht, denn der Kläger suchte die Arztpraxis zur Blutabnahme auf, die der regelmäßig alle drei bis vier Monate stattfindenden Kontrolle seiner Blutwerte und einer ggf erforderlichen Medikamenteneinstellung diente. Er unterlag hinsichtlich des Arztbesuchs aber gerade keinen betrieblichen Vorgaben oder Zwängen.

17

2. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Unfallereignisses auch nicht in der Wegeunfallversicherung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII versichert. Danach zählt zu den versicherten Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Einen solchen Weg legte der Kläger bei Eintritt des Unfallereignisses nicht zurück. Weder befand er sich zum Unfallzeitpunkt auf dem unmittelbaren Weg von der Wohnung zu seiner Arbeitsstätte (hierzu a) noch legte er einen versicherten Weg von einem sog dritten Ort zur Arbeitsstätte zurück (hierzu b).

18

a) Unmittelbar vor dem Unfallereignis befand sich der Kläger nicht auf dem direkten Weg von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte. Er hatte zwar zunächst die unmittelbare Wegstrecke von seiner Wohnung zu dem Betrieb zurückgelegt, dann aber diesen Weg für den Arztbesuch unterbrochen. Sobald er in entgegengesetzter Richtung zur Arztpraxis abbog, begab er sich auf einen Abweg. Da der Kläger bei Eintritt des Unfallereignisses die üblicherweise zurückgelegte unmittelbare Wegstrecke zwischen seiner Wohnung und seiner Arbeitsstätte noch nicht wieder erreicht hatte, befand er sich zum Unfallzeitpunkt weiterhin auf einem nicht versicherten Abweg.

19

§ 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII legt als End- oder Ausgangspunkt des Weges nur den Ort der versicherten Tätigkeit fest. Dabei steht, wie die Vorschrift durch das Wort "unmittelbar" klarstellt, nur das Zurücklegen des direkten Weges nach und von der versicherten Tätigkeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Eine geringfügige Unterbrechung, die auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist und gleichsam "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann, berührt den Versicherungsschutz nicht (vgl BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 15; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 12; BSG vom 9.12.2003 - B 2 U 23/03 R - BSGE 91, 293 RdNr 8 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3 RdNr 7). Bewegt sich der Versicherte dagegen nicht auf einem direkten Weg in Richtung seines Ziels, sondern in entgegengesetzter Richtung von seinem Ziel fort, befindet er sich auf einem sog Abweg (vgl hierzu BSG vom 5.5.1998 - B 2 U 40/97 R - BSGE 82, 138 = SozR 3-2200 § 550 Nr 18; BSG vom 19.3.1991 - 2 RU 45/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr 8). Wird der direkte Weg mehr als geringfügig unterbrochen und ein solcher Abweg allein aus eigenwirtschaftlichen Gründen zurückgelegt, besteht kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl hierzu BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 35/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 6; BSG vom 11.9.2001 - B 2 U 34/00 R - SozR 3-2700 § 8 Nr 9; BSG vom 5.5.1998 - B 2 U 40/97 R - BSGE 82, 138 = SozR 3-2200 § 550 Nr 18; BSG vom 30.4.1986 - 2 RU 44/85 - USK 8630; BSG vom 28.7.1983 - 2 RU 50/82 - SozR 2200 § 550 Nr 57). Der Versicherungsschutz endet, sobald der direkte Weg verlassen und der Abweg begonnen wird. Er besteht erst wieder, sobald sich der Versicherte wieder auf dem direkten Weg befindet und damit der Abweg beendet ist (stRspr; vgl zB BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 14 und - B 2 U 12/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 49 RdNr 18; BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 40/02 R - USK 2003, 103; BSG vom 5.5.1998 - B 2 U 40/97 R - BSGE 82, 138 = SozR 3-2200 § 550 Nr 18; BSG vom 19.3.1991 - 2 RU 45/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr 8; BSG vom 13.12.1984 - 2 RU 80/83 - SozR 2200 § 550 Nr 69 und BSG vom 28.7.1983 - 2 RU 50/82 - SozR 2200 § 550 Nr 57).

20

Danach befand sich der Kläger unmittelbar vor dem Unfallereignis nicht auf dem direkten Weg von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte. Er hatte zwar zunächst die direkte Wegstrecke von seiner Wohnung zu dem Betrieb zurückgelegt, dann aber diesen Weg für den Arztbesuch unterbrochen. Sobald er in entgegengesetzter Richtung zur Arztpraxis abbog, begab er sich auf einen Abweg. Da der Kläger bei Eintritt des Unfallereignisses die üblicherweise zurückgelegte unmittelbare Wegstrecke zwischen seiner Wohnung und seiner Arbeitsstätte noch nicht wieder erreicht hatte, befand er sich auch zum Unfallzeitpunkt weiterhin auf einem Abweg.

21

Das Verlassen des direkten Weges zur Arbeitsstätte hat auch nicht zu einer nur geringfügigen Unterbrechung geführt. Der allein privatwirtschaftlich veranlasste Besuch der Arztpraxis zum Zweck einer Blutentnahme war nicht "ganz nebenher" oder "im Vorübergehen" zu erledigen. Damit war bereits mit dem ersten Schritt in entgegengesetzter Richtung zu einer nicht nur geringfügigen Unterbrechung der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gelöst (BSG vom 19.3.1991 - 2 RU 45/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr 8; vgl auch BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 15) und der Versicherungsschutz zum Unfallzeitpunkt, zu dem der direkte Weg nicht wieder erreicht war, nicht erneut begründet worden.

22

b) Der Kläger befand sich unmittelbar vor dem Unfall auch nicht auf einem versicherten Weg von einem sog dritten Ort (der Arztpraxis) zu seiner Arbeitsstätte.

23

Grundsätzlich kann ein versicherter Weg zur Arbeitsstätte iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auch von einem anderen Ort als der Wohnung angetreten werden, denn § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII legt - wie bereits ausgeführt - als End- oder Ausgangspunkt des Weges nur den Ort der versicherten Tätigkeit fest. Die Norm lässt hingegen offen, wo der Weg nach dem Ort der Tätigkeit beginnt oder wo der Weg von dem Ort der Tätigkeit endet. Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine versicherte Tätigkeit gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII deshalb auch das Zurücklegen eines Weges zwischen einem anderen Ort als der Wohnung, dem sog dritten Ort, und der Arbeitsstätte sein, ohne dass es dabei darauf ankommt, aus welchen Gründen sich der Versicherte an jenem Ort aufhält. Auch Wege von anderen Orten als dem häuslichen Bereich zum Ort der versicherten Tätigkeit werden nicht aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit, also mit einer auf deren Verrichtung bezogenen Handlungstendenz unternommen (vgl zB BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 13 und - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29, RdNr 21; BSG vom 5.5.1998 - B 2 U 40/97 R - BSGE 82, 138, 140 = SozR 3-2200 § 550 Nr 18 S 71 f). Unter dieser Voraussetzung ist grundsätzlich auch das Zurücklegen des Weges nach und von dem von der Wohnung abweichenden Ort, dem sog dritten Ort, in der gesetzlichen Unfallversicherung geschützt.

24

Zur Abgrenzung eines versicherten Weges mit einer unversicherten Unterbrechung an einem dritten Ort von einem erst an diesem Ort beginnenden versicherten Weg hat der Senat aus Gründen der Rechtssicherheit auf die Dauer des Aufenthalts an diesem sog dritten Ort abgestellt und gefordert, dass der Aufenthalt an dem sog dritten Ort mindestens zwei Stunden dauert (vgl hierzu BSG vom 5.5.1998 - B 2 U 40/97 R - BSGE 82, 138, 141 f = SozR 3-2200 § 550 Nr 18 S 73 f; hierzu kritisch Heinz, Unfälle auf Wegen, 25. Jahresarbeitstagung Deutsches Anwaltsinstitut eV Sozialrecht 2013, S 34, 40, sowie ders, Versicherte und unversicherte Wege in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, Sozialrecht als Menschenrecht 2011, 273, 283). Der Kläger hat sich indes keine zwei Stunden, sondern höchstens 40 Minuten in der Arztpraxis aufgehalten, sodass diese - nach der nach wie vor maßgeblichen Rechtsprechung des Senats (vgl nachfolgend) - keinen dritten Ort darstellt. Die bei der Prüfung des Vorliegens eines dritten Ortes bislang auch aufgeworfene Frage, ob der Weg von einem dritten Ort zudem in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblicherweise zurückzulegenden Arbeitsweg stehen muss (hierzu Krasney, SGb 2013, 313, 316 f; vgl BSG vom 2.5.2001 - B 2 U 33/00 R - SozR 3-2700 § 8 Nr 6), kann hier folglich dahinstehen.

25

Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass ein Ort erst dann zu einem sog dritten Ort wird, von dem aus ein versicherter Weg zur Arbeitsstätte angetreten werden kann, wenn der Versicherte sich dort zwei Stunden oder länger aufhält. Voraussetzung für den Versicherungsschutz auf einem Weg von einem sog dritten Ort zur Arbeitsstätte ist, dass die Dauer des dortigen Aufenthalts so erheblich ist, dass der vorangegangene Weg zu diesem Ort eine selbstständige Bedeutung erlangt und deshalb nicht mehr in einem rechtlich erheblichen Zusammenhang mit der Aufnahme der Arbeit an der Arbeitsstätte steht. Nachdem zunächst hierfür keine einheitliche Zeitgrenze bestand, hat der Senat seit seiner Entscheidung vom 5.5.1998 (B 2 U 40/97 R - BSGE 82, 138 = SozR 3-2200 § 550 Nr 18; vgl auch BSG vom 3.12.2002 - B 2 U 19/02 R - SozR 3-2700 § 8 Nr 14) auf eine Aufenthaltsdauer an dem dritten Ort von zwei Stunden und mehr abgestellt. Er hat damit der in der Literatur geübten Kritik (vgl hierzu BSG vom 5.5.1998 - B 2 U 40/97 R - BSGE 82, 138, 141 f = SozR 3-2200 § 550 Nr 18 S 73) an den zuvor bestehenden unterschiedlichen zeitlichen Grenzen für den Wegfall des Versicherungsschutzes bei einer Unterbrechung des direkten Weges zur Arbeitsstätte einerseits und dem Versicherungsschutz auf einem Weg nach und von einem sog dritten Ort andererseits Rechnung getragen. Weil es bei beiden Konstellationen im Kern um dieselbe Frage nach der Teilung des Weges in zwei selbstständige Wege geht, die aus Gründen der Gleichbehandlung und Systemgerechtigkeit nur einheitlich beantwortet werden kann, hat der Senat mit der zeitlichen Dauer von zwei Stunden ein einfach zu beurteilendes Kriterium entwickelt und die zeitlichen Maßstäbe für Unterbrechungen sowie für Wege nach und von einem sog dritten Ort vereinheitlicht. Dies ist weiterhin erforderlich, um die bestehende Rechtssicherheit bei der Beurteilung der Reichweite des Unfallversicherungsschutzes der Wegeunfallversicherung aufrechtzuerhalten (vgl BSG vom 5.5.1998 - B 2 U 40/97 R - BSGE 82, 138, 142 = SozR 3-2200 § 550 Nr 18 S 73 f).

26

Für die Abgrenzung von versicherten zu unversicherten Wegen iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII bei nicht nur geringfügigen Unterbrechungen ist die Dauer des Aufenthalts an dem sog dritten Ort ein geeignetes Kriterium. Bei einer längeren Unterbrechung des Weges durch einen längeren Aufenthalt an einem sog dritten Ort ist davon auszugehen, dass kein zusammenhängender einheitlicher Weg nach oder von der Arbeitsstätte zurückgelegt wird, sondern vielmehr zwei getrennte Wege vorliegen, von denen nur einer dem versicherten Zurücklegen des Weges nach und von der Arbeitsstätte dient. Dagegen kann bei einer Unterbrechung des Weges von kurzer Dauer davon ausgegangen werden, dass der Versicherte insgesamt einen, wenn auch unterbrochenen, versicherten Weg nach oder von seiner Arbeitsstätte zurücklegt. Das Kriterium der Aufenthaltsdauer grenzt damit versicherte von unversicherten Wegen zumindest praktikabel ab und schafft Rechtssicherheit (vgl zu den erheblichen Rechtsunsicherheiten bei Zugrundelegung anderer Kriterien für die Abgrenzung des dritten Ortes Schulin, in ders (Hrsg), Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, 1996, § 33 RdNr 58 ff mwN). Dass eine andere Zeitspanne als mindestens zwei Stunden praktikabler oder angemessener wäre, kann ebenfalls nicht festgestellt werden (vgl zur Beibehaltung der Zwei-Stunden-Grenze auch Schur/Spellbrink, SGb 2014, 589).

27

Zwar stehen aufgrund dieser starren Zeitgrenze Versicherte auf von der direkten Wegstrecke abweichenden Wegen von einem anderen Ort zu ihrer Arbeitsstätte bei einem Aufenthalt von weniger als zwei Stunden nicht unter Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII und werden damit im Vergleich zu Versicherten mit einem Aufenthalt an einem sog dritten Ort von zwei Stunden und länger ungleich behandelt. Darin liegt jedoch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Das Gleichbehandlungsgebot ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (stRspr des BVerfG; vgl zB vom 27.2.2007 - 1 BvL 10/00 - BVerfGE 117, 272, 300 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 70; vgl auch BSG vom 19.12.2013 - B 2 U 17/12 R - SozR 4-2700 § 73 Nr 1). Ein solcher rechtfertigender Grund ist hier gegeben, zumal die Zwei-Stunden-Grenze nicht an personenbezogene Merkmale wie Geschlecht oder Alter anknüpft, sondern eine rein technische Regelung darstellt. Es bestehen bei Anwendung dieses Maßstabs hinreichende Unterschiede zwischen den genannten Versichertengruppen. Versicherte legen bei längeren Unterbrechungen einer Wegstrecke typischerweise zwei getrennte Wege zurück, während der Weg der Versicherten bei einer kürzeren Unterbrechung noch als "einheitlicher" Weg angesehen werden kann. Zur Abgrenzung ist die Aufenthaltsdauer - hier in der Arztpraxis - nach wie vor ein geeignetes und angemessenes sachliches Kriterium.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Arbeitsunfalls streitig.

2

Der Kläger war an der Universität B. als Student eingeschrieben. Am 15.12.2008 fiel er auf einem Bahnsteig des Hauptbahnhofs B., an dem die zur Universität führende Bahn abfährt, um. Er prallte mit dem Kopf auf den Boden und blieb liegen. Durch den Aufprall erlitt er ein Schädel-Hirntrauma mit Blutungen im Gehirn. Die Beklagte lehnte die Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall ab (Bescheid vom 29.4.2009) und wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 9.3.2010). Der Kläger habe keinen Arbeitsunfall erlitten. Zwar habe eine innere Ursache für den Sturz nicht festgestellt werden können, dies lasse aber nicht den Schluss zu, dass eine versicherte Tätigkeit oder andere betrieblich bedingte Umstände für das Unfallereignis ursächlich gewesen seien.

3

Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, das Ereignis vom 15.12.2008 als Arbeitsunfall anzuerkennen (Urteil vom 30.7.2012). Neben der versicherten Tätigkeit des Zurücklegens des Weges zur Universität sei keine weitere Ursache feststellbar, sondern allenfalls denkbar, sodass mangels Konkurrenzursache keine Zweifel an der Unfallkausalität bestünden. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 6.5.2014). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zwar einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII erlitten. Der Unfall sei jedoch nicht "infolge" einer versicherten Tätigkeit eingetreten. Die Einwirkung auf den Körper des Klägers sei zwar objektiv, dh im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn, nicht aber rechtlich wesentlich durch dessen zuvor verrichtete Tätigkeit (Zurücklegen des Weges von der Wohnung zur Universität) verursacht worden. Weshalb der Kläger umgefallen sei, sei nicht aufklärbar. Das BSG fordere im Kontext der Wegeunfallversicherung bei der Wesentlichkeitsprüfung, dass sich bei dem Geschehen eine dem Schutzzweck der Wegeversicherung entsprechende, spezifische Gefahr realisiere. Die Wesentlichkeit der Wirkursache sei eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen. Wie und warum der Kläger umgefallen sei, sei nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht mehr feststellbar. Damit könne auch die Verwirklichung einer spezifischen Verkehrsgefahr nicht festgestellt werden. Allein im Umfallen und Aufschlagen auf dem Boden habe sich kein spezifisches Wegerisiko verwirklicht.

4

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 8 Abs 1 SGB VII. Die Unfallkausalität sei immer gegeben, wenn neben der versicherten Tätigkeit keine weiteren konkurrierenden Ursachen festgestellt werden könnten. Die Prüfung, ob die versicherte Tätigkeit rechtlich wesentlich gewesen sei, habe nur zu erfolgen, wenn noch weitere Ursachen festgestellt würden. Dies folge aus dem Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung, weil bei vielen Unfällen der genaue Hergang nicht geklärt werden könne. Das Vorliegen einer inneren Ursache oder anderer konkurrierender Ursachen habe das LSG gerade nicht festgestellt.

5

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 30. Juli 2012 zurückzuweisen.

6

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Die Ablehnung der Feststellung des Ereignisses vom 15.12.2008 als Arbeitsunfall in den angefochtenen Bescheiden der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Arbeitsunfall iS des § 8 Abs 1 iVm Abs 2 Nr 1 SGB VII erlitten.

9

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; stRspr, vgl zuletzt BSG vom 4.12.2014 - B 2 U 18/13 R - SozR 4-2700 § 101 Nr 2 RdNr 16 ff mwN, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; vgl auch BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 20).

10

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar erlitt der Kläger einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII(dazu unter 1.). Den Feststellungen des LSG ist jedoch bereits nicht zu entnehmen, welche konkrete Verrichtung mit welcher Handlungstendenz der Kläger in dem Moment des Unfalls ausübte, sodass schon fraglich ist, ob der Kläger unmittelbar vor dem Unfall als Studierender iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c SGB VII in der Wegeunfallversicherung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auf einem Weg nach dem Ort seiner Studientätigkeit versichert war(dazu 2.). Dies kann aber letztlich offen bleiben, denn der Unfall stellt jedenfalls schon deshalb keinen Arbeitsunfall iS des § 8 SGB VII dar, weil das Unfallereignis dem allein hier als versicherte Tätigkeit in Betracht kommenden Zurücklegen eines solchen Weges rechtlich nicht zugerechnet werden kann(dazu 3.).

11

1. Der Kläger erlitt am 15.12.2008 auf dem Bahnsteig eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII. Er schlug mit dem Kopf auf den Boden auf, wodurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkte (vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 14). Dies führte zu einem seine körperliche Unversehrtheit verletzenden Schädel-Hirntrauma mit Blutungen im Bereich des Gehirns.

12

2. Offen bleiben kann, ob der Kläger unmittelbar vor dem Unfall einer versicherten Verrichtung iS des § 8 Abs 2 Nr 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c SGB VII nachgegangen ist. Als eingeschriebener Student einer Universität war der Kläger am 15.12.2008 Studierender iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c SGB VII(vgl zu diesem Begriff BSG vom 13.2.2013 - B 2 U 24/11 R - SozR 4-2200 § 539 Nr 2 RdNr 13 ff) und damit während seiner Ausbildung an der Hochschule in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert (vgl zur versicherten Tätigkeit zuletzt BSG vom 4.12.2014 - B 2 U 14/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 30 RdNr 13 ff und - B 2 U 10/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 32 RdNr 15 ff, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, sowie - B 2 U 13/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 31 RdNr 15 f; vgl auch BSG vom 26.9.1996 - 2 RU 12/96 - SozR 3-2200 § 539 Nr 36 und vom 4.7.1995 - 2 RU 45/94 - HVBG-INFO 1995, 2377 jeweils mit weiteren Nachweisen). Damit stand er grundsätzlich gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auf einem mit dieser versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weg nach und von dem Ort dieser Tätigkeit unter Versicherungsschutz. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) befand sich der Kläger auf dem unmittelbaren Weg von seiner Wohnung zum Ort seiner versicherten Tätigkeit, der Universität. Der Unfall ereignete sich auf dem Bahnsteig, von dem eine zur Universität führende Bahn abfuhr.

13

Dass der Versicherte sich auf dem unmittelbaren Weg zwischen dem Ort seiner versicherten Tätigkeit und seiner Wohnung befindet, reicht jedoch für den Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII nicht aus. Vielmehr muss auch die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses in einem sachlichen Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen des Weges stehen. Ein solcher sachlicher Zusammenhang besteht, wenn das konkrete Handeln des Versicherten zur Fortbewegung auf dem Weg zur oder von der versicherten Tätigkeit gehört (BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 11 mwN). Andernfalls wäre jede Handlung auf einem Weg iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII vom Versicherungsschutz umfasst. Einen solchen "Wegebann" kennt die gesetzliche Unfallversicherung hingegen nicht.

14

Wie das BSG seit seiner Entscheidung vom 9.12.2003 (B 2 U 23/03 R - BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3) in ständiger Rechtsprechung betont hat (vgl nur Urteile vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 25, vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 und - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29, RdNr 22 f sowie vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32), ist maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung der grundsätzlich versicherten Fortbewegung dient, die Handlungstendenz des Versicherten (zuletzt Urteile vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 12 und - B 2 U 12/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 49 RdNr 18). Das Handeln muss subjektiv - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen Tätigkeit ausgerichtet sein (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 31 und vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 14). Darüber hinaus muss sich die subjektive Handlungstendenz als von den Instanzgerichten festzustellende Tatsache im äußeren Verhalten des Handelnden (Verrichtung), so wie es objektiv beobachtbar ist, widerspiegeln (vgl BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 11 mwN). Eine Verrichtung in diesem Sinne ist jedes konkrete, räumlich und zeitlich bestimmte Verhalten eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar ist. Für die Prüfung ist dabei regelmäßig die kleinste beobachtbare Handlungssequenz maßgebend (vgl Spellbrink, WzS 2011, 351, 354).

15

Das LSG hat offen gelassen, ob der Kläger unmittelbar vor dem Sturz gestanden hat oder gegangen ist. Auch eine andere Verrichtung ist den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen. Selbst wenn der Aufenthalt des Klägers auf dem Bahnsteig an sich - allerdings als dann nicht mehr kleinste beobachtbare Handlungssequenz - ausnahmsweise als die maßgebliche Verrichtung angesehen würde, bleibt dennoch die objektivierte Handlungstendenz im Zeitpunkt des Unfallereignisses, zu dem Ort der Tätigkeit - hier der Universität - zu gelangen, mangels entsprechender Feststellungen durch das LSG offen. Daher kann schon nicht beurteilt werden, ob ein sachlicher Zusammenhang der zur Zeit des Unfallereignisses ausgeübten Verrichtung mit dem grundsätzlich versicherten Zurücklegen des Weges bestand.

16

Ungeachtet dessen, ob sich die Verrichtung und Handlungstendenz überhaupt noch aufklären lassen, kann im vorliegenden Fall aber dahinstehen, ob der soeben dargestellte sachliche Zusammenhang mit der Verrichtung im Zeitpunkt des Unfallereignisses gegeben war. Denn selbst wenn ein solcher sachlicher Zusammenhang angenommen würde, scheitert der Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Arbeitsunfalls jedenfalls daran, dass der Unfall nicht "infolge" des Zurücklegens dieses Weges eingetreten und ihm deshalb rechtlich nicht zuzurechnen ist.

17

3. Der Unfall ist nicht einer versicherten Tätigkeit iS des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII zuzurechnen, weil sich nicht feststellen lässt, dass sich mit dem Aufprall auf dem Bahnsteig eine Gefahr verwirklicht hat, die in den Schutzbereich der Wegeunfallversicherung fällt.

18

a) Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung haben Schutz gegen Gefahren zu gewähren, die sich durch die ihre Verbandszuständigkeit, den Versicherungsschutz und das Versichertsein des Verletzten begründende Verrichtung von im jeweiligen Versicherungstatbestand konkret umschriebenen Tätigkeiten realisieren können. Ihre Einstandspflicht besteht nur dann, wenn sich durch eine Handlung des Geschädigten, die den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht hat, gegen dessen Eintritt nicht die Unfallversicherung "allgemein", sondern der jeweils durch die Handlung erfüllte Versicherungstatbestand schützen soll. Die Zurechnung des Schadens eines Versicherten zum Versicherungsträger erfordert daher zweistufig die Erfüllung erstens tatsächlicher und zweitens darauf aufbauender rechtlicher Voraussetzungen. Die Verrichtung der versicherten Tätigkeit muss die Einwirkung und in gleicher Weise muss die Einwirkung den Gesundheitserstschaden oder den Tod sowohl objektiv (1. Stufe) als auch rechtlich wesentlich (2. Stufe) verursacht haben (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 32 ff mwN).

19

Auf der ersten Stufe setzt die Zurechnung mithin voraus, dass die Einwirkung durch die versicherte Verrichtung objektiv (mit-)verursacht wurde. Für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine Wirkursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und hat der Unfallversicherungsträger nicht einzustehen. Wirkursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. In der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die im Sinne der "conditio-Formel" eine erforderliche Bedingung des Erfolges war, in einer besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss Wirkursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine bloß im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein. Ob die versicherte Verrichtung eine Wirkursache für die festgestellte Einwirkung war, ist eine rein tatsächliche Frage. Wie bereits ausgeführt, ist die Verrichtung des Klägers vor dem Unfallereignis vom LSG nicht festgestellt worden, sodass die Annahme eines Ursachenzusammenhangs bereits an der ersten Stufe scheitert. Dies kann - wie bereits angedeutet - aber letztlich dahinstehen, weil sich jedenfalls bei dem Unfall des Klägers kein spezifisches Wegerisiko verwirklicht hat.

20

Selbst wenn eine versicherte Tätigkeit als Wirkursache feststeht, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten weiteren mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der "Wesentlichkeit" der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll. Eine Rechtsvermutung dafür, dass eine versicherte Verrichtung - wie hier ggf das Stehen auf dem Bahnsteig - wegen ihrer objektiven (Mit-)Verursachung der Einwirkung - die hier gerade nicht festgestellt ist - auch rechtlich wesentlich war, besteht nicht. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist vielmehr zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R, aaO, RdNr 33 ff).

21

Ob eine Ursache rechtlich wesentlich ist, ist auch dann zu prüfen, wenn sie als alleinige Ursache festgestellt ist, weil andere (Mit-)Ursachen nicht erwiesen oder nicht in Betracht zu ziehen sind. Denn auch in diesem Fall wird die Einstandspflicht des Unfallversicherungsträgers nur begründet, wenn sich durch den Unfall, der durch die versicherte Verrichtung objektiv verursacht wurde, eine Gefahr verwirklicht hat, gegen die die Versicherung schützen soll. Diese Voraussetzung wird zumeist erfüllt sein, bedarf aber stets der Entscheidung (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R, aaO, RdNr 42). Dem stehen die vom Kläger benannten Urteile des Senats vom 30.1.2007 (B 2 U 23/05 R - BSGE 98, 79 = SozR 4-2700 § 8 Nr 22) und vom 17.2.2009 (B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31) nicht entgegen. Nach den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten waren die dort vom LSG festgestellten Verrichtungen unmittelbar vor dem Unfall der jeweiligen versicherten Tätigkeit zuzurechnen und die nichtversicherten Ursachen waren lediglich mögliche Wirkursachen. Entscheidend war aber auch dort, dass sich durch den Unfall jeweils eine Gefahr verwirklicht hatte, vor der der jeweilige Versicherungstatbestand gerade schützen sollte, nämlich die Gefahr eines Sturzes während des der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Laufens bzw eines Verkehrsunfalls während des dem Zurücklegen des Weges zuzurechnenden Steuerns eines Kraftfahrzeugs. Somit war dort die im vorliegenden Fall zu verneinende Frage, ob sich jeweils im Hinblick auf diese Verrichtung durch das Unfallereignis eine Gefahr verwirklicht hatte, vor der die gesetzliche Unfallversicherung schützen soll, unproblematisch zu bejahen.

22

b) Das Umfallen und der Aufprall des Klägers auf den Bahnsteig war danach jedenfalls nicht rechtlich wesentlich durch eine zuvor versicherte Tätigkeit verursacht worden. Wie ausgeführt, ist den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG lediglich zu entnehmen, dass sich der Kläger auf dem Bahnsteig befand. Das LSG konnte jedoch nicht feststellen, von welchen konkreten Umständen das Unfallereignis begleitet war. Insbesondere steht nicht fest und ist nach den insoweit unangegriffenen Beweiswürdigungen des LSG auch nicht mehr feststellbar, ob der Kläger unmittelbar vor dem Ereignis sich bewegt hat, sodass er dabei möglicherweise stolperte oder ausrutschte, oder ob er aus dem Stand umfiel, ob er angerempelt wurde, gegen eine Vitrine stieß, ob die Bodenverhältnisse auf dem Bahnsteig den Sturz bewirkten oder ob ggf eine (innere) Erkrankung bestand. Mithin ist nicht feststellbar, welche Faktoren im Zeitpunkt des Sturzes und Aufpralls auf den Kläger eingewirkt haben. Damit kann auch nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sich durch das Unfallereignis ein Risiko verwirklicht hat, vor dem gerade die Wegeunfallversicherung Schutz gewähren soll.

23

Die Wegeunfallversicherung schützt, wie der Senat zuletzt entschieden hat, vor Gefahren für Gesundheit und Leben, die aus der Teilnahme am öffentlichen Verkehr als Fußgänger oder Benutzer eines Verkehrsmittels, also aus eigenem oder fremdem Verkehrsverhalten oder äußeren Einflüssen während der Zurücklegung des Weges hervorgehen (BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 20 und vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 45). Zwar könnte das Risiko, beim Gehen durch Stolpern oder Ausrutschen, durch einen Zusammenstoß mit einer Vitrine oder durch den Anstoß anderer Personen zu stürzen, jeweils von dem Schutzzweck der Wegeunfallversicherung umfasst sein. Solche äußeren Einwirkungen auf den Körper des Klägers müssten als solche aber zunächst konkret festgestellt sein, was hier gerade nicht der Fall ist. Ihre Nichterweislichkeit geht zu Lasten des Klägers.

24

c) Die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, müssen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, feststehen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 mwN). In der Wegeunfallversicherung wie auch sonst bei anderen Versicherungstatbeständen der gesetzlichen Unfallversicherung besteht keine Vermutungsregel, dass bei Verrichtung einer versicherten Tätigkeit unmittelbar vor dem Unfallereignis der Unfall objektiv und rechtlich wesentlich durch diese versicherte Tätigkeit verursacht wurde. Sind - wie hier - die Umstände, die vor dem Unfallereignis unmittelbar auf den Kläger eingewirkt haben, unbekannt, kann nicht mit dem erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Sturz durch ein Risiko verursacht wurde, gegen das die gesetzliche Unfallversicherung beim Zurücklegen des Weges nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII Schutz gewähren soll.

25

Den Nachteil aus der tatsächlichen Unaufklärbarkeit anspruchsbegründender Tatsachen hat nach den Regeln der objektiven Beweislast der Kläger zu tragen. Für die erforderlichen Feststellungen der Tatsachen können ua die Angaben des Versicherten, Bekundungen von Zeugen und Sachverständigen sowie sonstige Umstände herangezogen werden. Die Beklagte und die Vorinstanzen haben - soweit ersichtlich - alle denkbaren Beweismittel ausgeschöpft. Insofern werden auch von der Revision keine Rügen erhoben. Ist danach dennoch das zum Unfallereignis führende Geschehen und insbesondere - wie hier - die zum Unfallereignis führende Kausalkette nicht aufklärbar, geht dies zu Lasten des Versicherten (vgl hierzu BSG vom 27.3.1990 - 2 RU 45/89 - HV-INFO 1990, 1181 mwN; vgl auch BSG vom 28.6.1984 - 2 RU 54/83 - HV-INFO 1984, Nr 15, 40 bis 44). Wie bereits oben ausgeführt, kann ohne Feststellung der konkreten Kausalkette nicht aus der bloßen Tatsache des "auf dem Wege seins" abgeleitet werden, dass sich auch eine Gefahr realisiert hat, die in den Schutzbereich der Wegeunfallversicherung fällt. Ein solcher "Wegebann" entspricht nicht dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Entgegen der Auffassung der Revision führt auch der allgemeine Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung nicht dazu, dass die Nichterweislichkeit der Ursache bei ungeklärtem Unfallhergang jeweils zu Lasten des Unfallversicherungsträgers geht. Denn die Einstandspflicht und damit der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung besteht auch in der Wegeunfallversicherung nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII nur dann, wenn sich durch eine Handlung des Geschädigten, die den gesetzlichen Tatbestand dieser versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht hat, gegen dessen Eintritt nicht die Unfallversicherung "allgemein", sondern der jeweils durch die Verrichtung erfüllte Versicherungstatbestand der Wegeunfallversicherung schützen soll. Ein solches spezifisches Wegerisiko als Unfallursache ist hier aber nicht feststellbar, was zu Lasten des Klägers geht.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Juli 2015 und des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 25. Juni 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten des gesamten Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle einen Arbeitsunfall erlitten hat.

2

Der in F. wohnende Kläger war als Lagerist bei einem Unternehmen in E. beschäftigt, das auch ein Lager in G. unterhielt. Der übliche Weg von der Wohnung des Klägers zu diesem Lager führte über zwei Autobahnen bis zur Abfahrt G. Nach dieser Abfahrt musste der Kläger rechts auf eine Bundesstraße in Richtung M. abbiegen, um zu seiner Arbeitsstätte zu gelangen. Am 7.1.2011 verließ der Kläger am frühen Abend seine Wohnung, um sich zu seinem Arbeitsplatz in dem Lager in G. zu begeben. Hierfür befuhr er zunächst die beiden Autobahnen bis zur Abfahrt G. Dort bog er aus unbekannter Ursache auf die Bundesstraße nicht in die auf seine Arbeitsstelle führende Richtung, sondern nach links in die Gegenrichtung ab und befuhr die Bundesstraße in dieser Richtung etwa 2,5 km. Er führte dann auf der vierspurigen Bundesstraße ein Wendemanöver durch, bei welchem er mit einem hinter ihm auf der Überholspur fahrenden Pkw zusammenstieß. Der Kläger erlitt erhebliche Verletzungen, ua ein Schädel-Hirn-Trauma. Er hat keine Erinnerung an die Gründe für sein Abbiegen in die falsche Richtung und an den Unfallhergang.

3

Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Der Kläger habe sich auf einem nicht versicherten Abweg befunden, weil er die Bundesstraße nicht in Richtung seiner Arbeitsstätte, sondern in die seiner Arbeitsstelle entgegengesetzte Richtung befahren habe, ohne dass hierfür betriebliche oder verkehrstechnische Gründe erkennbar gewesen seien (Bescheid vom 24.2.2011 und Widerspruchsbescheid vom 14.10.2011).

4

Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben und das Vorliegen eines Arbeitsunfalls festgestellt (Urteil vom 25.6.2013). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 14.7.2015). Der Verkehrsunfall sei ein Arbeitsunfall gewesen, weil er sich noch im inneren Zusammenhang mit dem gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII versicherten Weg zur Arbeitsstätte ereignet habe. Der Kläger sei am Unfalltag mit der Handlungstendenz aufgebrochen, seine Arbeitsstätte zu erreichen. Durch das falsche Abbiegen habe er keinen unversicherten Abweg angetreten, weil die Handlungstendenz unverändert darauf gerichtet gewesen sei, die Arbeitsstätte zu erreichen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Ursache, die zum Falschabbiegen geführt habe, nicht mehr aufklärbar sei. Denn unter Anwendung der Grundsätze des Beweisnotstandes sei zu Gunsten des Klägers davon auszugehen, dass bei ihm eine unveränderte Handlungstendenz bestanden habe. Es hätten keine Anhaltspunkte für ein privates eigenwirtschaftliches Ziel des Klägers in der von der Arbeitsstätte weg führenden Richtung vorgelegen. Das Wendemanöver auf einer vierspurigen Bundesstraße am konkreten Ort zur konkreten Zeit mache nur Sinn, wenn der Kläger seinen vorangegangenen Fehler beim Abbiegen habe korrigieren wollen, um noch rechtzeitig zu seiner Arbeitsstätte zu gelangen. Im Übrigen stünden die Länge der in falscher Richtung auf der Bundesstraße zurückgelegten Fahrstrecke von ca 2,5 km und die Dauer dieser Fahrt von nur wenigen Minuten dem Fortbestehen des inneren Zusammenhangs nicht entgegen. Das Zurücklegen des gesamten Weges stelle aufgrund der fortdauernden Handlungstendenz einen einheitlichen Vorgang dar. Eine den Unfallversicherungsschutz beendende Zäsur liege nicht vor.

5

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII. Ein innerer Zusammenhang zwischen dem Zurücklegen des Weges unmittelbar vor dem Unfall und der versicherten Tätigkeit liege nicht vor, denn eine objektiv feststellbare Zäsur, wie das Einschwenken in einen Abweg, indiziere regelmäßig, dass der innere Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit gelöst worden sei. Nach der Rechtsprechung des BSG lasse ein irrtümliches Verlassen des direkten Weges den inneren Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit auf einem Abweg nur dann fortbestehen, wenn äußere, mit der besonderen Art des Weges verbundene Gefahren, zB Dunkelheit, Sichtbehinderung durch Nebel, schlecht beschilderte Wege oder dergleichen, für das Verirren ursächlich gewesen seien. Faktisch habe das LSG zu Unrecht eine Beweislastumkehr vorgenommen, denn nach den Grundsätzen der Beweislastverteilung gehe es zu Lasten des Klägers, wenn der Grund für die Abweichung von dem direkten Weg nicht feststellbar sei.

6

Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Juli 2015 und des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 25. Juni 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat am 7.1.2011 keinen in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Arbeitsunfall erlitten, weil er sich auf einem unversicherten Abweg befand. Die Ablehnung eines Arbeitsunfalls durch die Beklagte in dem Bescheid vom 24.2.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2011 ist rechtmäßig. Das LSG hat deshalb zu Unrecht die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen. Die vom LSG vorgeschlagene Lösung, allein die subjektive Handlungstendenz auf einem objektiven Abweg für den Versicherungsschutz ausreichen zu lassen, verletzt § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII.

10

1. Die Revision ist zulässig. Die Revisionsbegründung entspricht noch den Begründungsanforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG, wonach die Begründung die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte herausarbeiten und die das Urteil des LSG tragenden Gründe in Frage stellen muss(vgl zB BSG vom 11.4.2013 - B 2 U 21/11 R - NZS 2013, 639 mwN). Auch wenn sich die Beklagte formal an der Begründung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision orientiert, setzt sie sich unter Darstellung des vom LSG festgestellten Sachverhalts mit dessen Entscheidungsgründen auseinander. Sie legt hinreichend dar, dass und warum nach ihrer Auffassung das LSG die als verletzt gerügte Vorschrift des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII nicht richtig angewandt hat.

11

2. a) Der Kläger verfolgt sein Begehren, unter Aufhebung der Verwaltungsakte in den Bescheiden der Beklagten einen Arbeitsunfall festzustellen, zulässig mit der hier statthaften kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (vgl § 54 Abs 1 Satz 1, § 55 Abs 1 Nr 1 SGG; vgl zB BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 9 mwN). Insbesondere ist das nach § 78 SGG erforderliche Widerspruchsverfahren durchgeführt worden. Es kann offenbleiben, ob der Kläger gegen den Bescheid vom 24.2.2011 erst nach Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist des § 84 Abs 1 SGG durch das Schreiben seines Bevollmächtigten am 1.4.2011 Widerspruch eingelegt hat. Denn dem Versicherungsträger steht es frei, trotz des Ablaufs der Widerspruchsfrist über den Widerspruch in der Sache zu entscheiden. Entscheidet der Versicherungsträger in diesem Fall - wie hier die Beklagte - auch sachlich über den Widerspruch, steht die Fristversäumnis der gerichtlichen Nachprüfung des mit dem Widerspruch angegriffenen Verwaltungsaktes nicht entgegen (vgl BSG vom 12.10.1979 - 12 RK 19/78 - BSGE 49, 85 = SozR 1500 § 84 Nr 3).

12

b) Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (stRspr; vgl zuletzt BSG vom 15.11.2016 - B 2 U 12/15 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58; BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 9; BSG vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 11; BSG vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27 RdNr 11; BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 12).

13

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger erlitt zwar bei dem Zusammenstoß mit dem auf der Überholspur fahrenden Pkw eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII. Dieser führte zu einem seine körperliche Unversehrtheit verletzenden Gesundheitserstschaden. Der Kläger war auch als Beschäftigter gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Seine Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses stand jedoch nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit dem hier allein als versicherte Tätigkeit in Betracht kommenden Zurücklegen des unmittelbaren Weges von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte.

14

Zu den in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Zum Unfallzeitpunkt legte der Kläger keinen solchen durch die Wegeunfallversicherung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII geschützten Weg zurück. Zwar bewegte er sich zu diesem Zeitpunkt mit der Handlungstendenz fort, den Ort seiner versicherten Tätigkeit zu erreichen (hierzu unter aa). Diese Handlungstendenz allein konnte - entgegen der Rechtsansicht des LSG - jedoch keinen Versicherungsschutz in der Wegeunfallversicherung auf der zum Unfallzeitpunkt zurückgelegten Wegstrecke begründen, denn der Kläger befand sich zum Zeitpunkt des Unfalls nicht auf dem grundsätzlich unter Unfallversicherungsschutz stehenden direkten Weg, sondern auf einem Abweg (hierzu unter bb). Umstände, die ausnahmsweise den Versicherungsschutz auf einem solchen Abweg begründen konnten, sind nicht feststellbar (hierzu unter cc). Die Nichterweislichkeit dieser Umstände geht nach den Grundsätzen der Beweislastverteilung zu Lasten des Klägers (hierzu unter dd).

15

aa) Der Kläger bewegte sich unmittelbar vor dem Unfallereignis mit der Handlungstendenz fort, seine Arbeitsstätte zu erreichen. Ein sachlicher Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen des Weges iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII besteht, wenn das konkrete Handeln des Versicherten zur Fortbewegung auf dem Weg zur oder von der versicherten Tätigkeit gehört(vgl BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 13 mwN). Maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung der grundsätzlich versicherten Fortbewegung dient, ist die Handlungstendenz des Versicherten. Das Handeln muss subjektiv - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen Tätigkeit ausgerichtet sein. Darüber hinaus muss sich die subjektive Handlungstendenz als von den Instanzgerichten festzustellende Tatsache im äußeren Verhalten des Handelnden (Verrichtung), so wie es objektiv beobachtbar ist, widerspiegeln (vgl BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 14 mwN).

16

Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffenen und damit für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG bewegte sich der Kläger nach dem Verlassen seiner Wohnung mit der Handlungstendenz, seine Arbeitsstätte zu erreichen und dort seine Beschäftigung aufzunehmen. Diese änderte sich nicht und bestand auch unmittelbar vor dem Unfall während des von ihm eingeleiteten Wendemanövers fort.

17

bb) Der Kläger befand sich zum Zeitpunkt des Unfallereignisses allerdings auf einem unversicherten Abweg, weil er den direkten Weg zur Arbeitsstätte verlassen hatte. § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII legt als End- oder Ausgangspunkt des Weges den Ort der versicherten Tätigkeit fest. Der Ort, von dem aus ein versicherter Weg zur Arbeitsstätte angetreten wird, kann auch ein anderer Ort als die Wohnung, sog dritter Ort, sein, wenn sich der Versicherte dort mindestens zwei Stunden aufgehalten hat (vgl zuletzt BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 mwN). Wie sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII und dem dort verwendeten Begriff "unmittelbar" ergibt, steht grundsätzlich nur das Zurücklegen des direkten Weges nach und von der versicherten Tätigkeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Allerdings berühren geringfügige Unterbrechungen, die auf einer Verrichtung beruhen, die bei natürlicher Betrachtung zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist, und gleichsam "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann, den Versicherungsschutz nicht (vgl zuletzt BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 mwN; BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 15; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 15; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 19). Bewegt sich der Versicherte dagegen nicht auf direktem Weg in Richtung seiner Arbeitsstätte oder seiner Wohnung, sondern in entgegengesetzter Richtung von diesem Ziel fort, befindet er sich auf einem sog Abweg. Wird ein solcher Abweg bei einer mehr als geringfügigen Unterbrechung des direkten Weges zurückgelegt, besteht, sobald der direkte Weg verlassen und der Abweg begonnen wird, kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Erst wenn sich der Versicherte wieder auf dem direkten Weg befindet und der Abweg beendet ist, besteht erneut Versicherungsschutz (vgl zuletzt BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 mwN).

18

Der Kläger befand sich nach den bindenden Feststellungen des LSG während des Wendemanövers unmittelbar vor dem Unfall nicht auf dem üblicherweise zurückgelegten direkten Weg von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte. Zwar hatte er zunächst die sonst von ihm befahrene direkte Wegstrecke von seiner Wohnung als Ausgangspunkt des Weges zu seiner Arbeitsstätte zurückgelegt. Diesen Weg unterbrach er jedoch, indem er auf die Bundesstraße anstatt nach rechts in Richtung G. in die zur Arbeitsstätte entgegengesetzte Richtung nach links abbog. Diese Bundesstraße befuhr er unmittelbar vor dem Unfall auf einer Strecke von 2,5 km in der von der Arbeitsstelle wegführenden Richtung. Damit war die Unterbrechung des direkten versicherten Weges mehr als geringfügig im Sinne der soeben angeführten Rechtsprechung. Der Ort des Unfallereignisses war aber auch kein "dritter Ort", von dem aus an Stelle der Wohnung der Weg zur Arbeitsstätte angetreten worden ist, denn die Unterbrechung dauerte nicht mindestens zwei Stunden. Der Kläger befand sich mithin vielmehr auf einem Abweg, der zum Zeitpunkt des Unfalls auch noch nicht beendet war. Auch wenn der Kläger ein Wendemanöver eingeleitet hatte, hatte er zum Zeitpunkt des Unfalls die üblicherweise genutzte direkte Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte noch nicht wieder erreicht.

19

cc) Umstände, die ausnahmsweise den Versicherungsschutz der Wegeunfallversicherung auch auf einem solchen Abweg begründen können, sind nicht feststellbar. Nicht jedes Abweichen vom direkten Weg führt zu einer Lösung des inneren Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit und damit zum Verlust des Versicherungsschutzes in der Wegeunfallversicherung. Versicherungsschutz kann ausnahmsweise auch auf einem Abweg bestehen, wenn dieser im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht (vgl BSG vom 24.3.1998 - B 2 U 4/97 R - SozR 3-2200 § 550 Nr 17 S 68 f). Der Senat hat bereits entschieden, dass der Versicherungsschutz erhalten bleibt, wenn der Versicherte irrtümlich von dem direkten Weg aus Gründen abweicht, die ihrerseits mit dem Zurücklegen des versicherten Weges, insbesondere seiner Beschaffenheit, in Zusammenhang stehen. So besteht Versicherungsschutz in der Wegeunfallversicherung auch auf irrtümlich befahrenen Wegstrecken, wenn der Irrtum auf äußeren, mit der besonderen Art des Weges verbundenen Gefahren, wie zB Dunkelheit, Sichtbehinderung durch Nebel, schlecht beschilderte Wege oder dergleichen, beruht. Das Verirren resultiert in einem solchen Fall aus Umständen, die sich gerade aus der äußeren Beschaffenheit des Verkehrsraumes ergeben, den der Versicherte zum Aufsuchen seiner Arbeitsstelle oder zur Rückkehr von seiner Arbeitsstelle zu seiner Wohnung - also betrieblich veranlasst - nutzen muss, und ist deshalb im Hinblick auf den Schutzzweck der Wegeunfallversicherung in den Versicherungsschutz einbezogen (vgl BSG vom 24.3.1998 - B 2 U 4/97 R - SozR 3-2200 § 550 Nr 17 S 68 f; vgl auch BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 7/99 R - HVBG-INFO 2000, 1846; BSG vom 12.6.1990 - 2 RU 58/89 - HV-INFO 1990, 2064; BSG vom 2.6.1959 - 2 RU 3/57 - SozR Nr 13 zu § 543 RVO; vgl auch BSG vom 28.4.1960 - 5 RKn 9/59 - SozR Nr 23 zu § 543 RVO). Dagegen besteht kein Versicherungsschutz, wenn die irrtümliche Abweichung von dem direkten Weg nicht auf äußeren, mit der besonderen Art des Weges und seinen Gefahren zusammenhängenden, sondern auf in der Person des Versicherten liegenden, eigenwirtschaftlichen Gründen - wie zB Unaufmerksamkeit aufgrund angeregter Unterhaltung - beruht. Denn in diesem Fall wird der Abweg aus Gründen zurückgelegt, die gerade nicht auf der Beschaffenheit der zurückzulegenden Wegstrecke, sondern auf Umständen aus dem eigenwirtschaftlichen Bereich beruhen (vgl BSG vom 24.3.1998 - B 2 U 4/97 R - SozR 3-2200 § 550 Nr 17 S 68 f).

20

An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Allein aus privatwirtschaftlichen Gründen veranlasste Wegstrecken oder Unterbrechungen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit stehen grundsätzlich nicht unter Unfallversicherungsschutz. Der Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung gebietet keine Ausweitung dieses Schutzes auf irrtümlich befahrene Abwege, wenn die Gründe hierfür nicht im Zusammenhang mit der Beschaffenheit der Wegstrecke stehen. Dies wäre nicht mehr vom Zweck der Wegeunfallversicherung gedeckt, Versicherungsschutz auf Wegen, die wegen der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden, und aufgrund von Gefahren, die aus der Beschaffenheit dieser Wege herrühren, zu gewähren (BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 48 RdNr 18; BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 13).

21

Dies gilt auch dann, wenn auf dem irrtümlich eingeschlagenen Abweg die Handlungstendenz des Versicherten fortbesteht, den Weg von und zu der Arbeitsstätte zurückzulegen. Für die Frage, ob auf einem irrtümlichen Abweg Versicherungsschutz besteht, ist nicht allein - wie das LSG angenommen hat - die Handlungstendenz des Versicherten auf dem Abweg maßgeblich, sondern die den Irrtum begründenden Umstände, weil grundsätzlich nur das Zurücklegen des unmittelbaren Weges und nur unter bestimmten Voraussetzungen ein Abweg unter Versicherungsschutz steht. Dementsprechend hat der Senat das Bestehen des Versicherungsschutzes in der Wegeunfallversicherung in Fallkonstellationen verneint, in denen der Versicherte eine Wegstrecke zwar subjektiv auch deshalb zurücklegte, weil er seine Arbeitsstelle bzw seine Wohnung erreichen wollte, sich aber aus eigenwirtschaftlichen Gründen im Unfallzeitpunkt objektiv auf einem Abweg befand (vgl BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 mwN; BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 7/99 R - HVBG-INFO 2000, 1846 ff; BSG vom 24.3.1998 - B 2 U 4/97 R - SozR 3-2200 § 550 Nr 17).

22

Der Kläger befuhr nach den bindenden Feststellungen des LSG zum Zeitpunkt des Unfalls nicht die unmittelbar zu seiner Arbeitsstätte führende Wegstrecke, sondern befand sich auf einem Abweg, weil er irrtümlich nach der Abfahrt von der Autobahn auf die Bundesstraße in die Gegenrichtung abgebogen war. Die Gründe für diesen Irrtum des Klägers konnte das LSG nicht mehr feststellen. Ob der Irrtum damit auf äußeren, mit der besonderen Art des Weges verbundenen Gefahren, wie zB Dunkelheit, Sichtbehinderung durch Nebel, schlecht beschilderte Wege oder dergleichen beruhte, ist nach den auch insoweit gemäß § 163 SGG den Senat bindenden Feststellungen des LSG(zur Bindungswirkung bei fehlender Aufklärbarkeit von Tatsachen: BSG vom 7.4.1987 - 11b RAr 7/86 - Juris RdNr 12 f; BSG vom 26.2.1992 - 1/3 RK 13/90 - Juris RdNr 22) nicht aufklärbar. Es ist danach nicht mehr feststellbar, ob der Irrtum des Klägers auf äußeren, mit der besonderen Art des Weges verbundenen Umständen, die Versicherungsschutz auf dem Abweg begründen könnten, beruhte.

23

dd) Die Nichterweislichkeit der für das Einschlagen der entgegengesetzten Fahrtrichtung maßgebenden Umstände geht nach den Grundsätzen der "objektiven" Beweislastverteilung zu Lasten des Klägers. Die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, müssen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, feststehen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst recht nicht die bloße Möglichkeit. Den Nachteil aus der tatsächlichen Unaufklärbarkeit anspruchsbegründender Tatsachen hat nach den Regeln der objektiven Beweislast der sich auf deren Vorliegen berufende Versicherte zu tragen. Dies gilt auch, wenn nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten die Nichterweislichkeit - wie hier - darauf beruht, dass der Versicherte keine Erinnerung an das zum Unfall führende Geschehen hat (vgl BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 24 f mwN).

24

Die Nichterweislichkeit der für den eingeschlagenen Abweg maßgeblichen, den Versicherungsschutz begründenden Gründe ist damit nach den Regeln der objektiven Beweislastverteilung zu Lasten des Versicherten zu berücksichtigen. Da die irrtümliche Nutzung eines objektiv nicht in Richtung der Arbeitsstätte führenden Weges nur unter bestimmten Umständen unter Versicherungsschutz steht, handelt es sich bei diesen Umständen um anspruchsbegründende Tatsachen (vgl BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 7/99 R - HVBG-INFO 2000, 1846). Der Kläger hat danach den Nachteil der Unaufklärbarkeit der seinen Irrtum verursachenden Umstände, die zu dem eingeschlagenen Abweg führten, zu tragen.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Januar 2015 aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 29. April 2014 zurückgewiesen.

Kosten sind für den gesamten Rechtsstreit nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Arbeitsunfalls streitig.

2

Die Klägerin ist beim Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz beschäftigt. Sie arbeitet aufgrund einer Dienstvereinbarung mit ihrem Arbeitgeber zur Regelung der Telearbeit auf einem in ihrer Wohnung eingerichteten Telearbeitsplatz. Die Arbeitsmittel werden danach vom Dienstherrn zur Verfügung gestellt und dürfen nicht für private Zwecke genutzt werden. Die häusliche Arbeitsstätte wird hingegen von der Klägerin kostenlos bereit gestellt. Der Arbeitsplatz ist im Dachgeschoss des Wohngebäudes gelegen, in dem sich außerdem ein kleines Bad, das Arbeitszimmer des Ehemanns der Klägerin sowie ein Schlafraum befinden. Diese Räume sind über eine Treppe zu erreichen. Im Erdgeschoss liegen Küche, Wohnzimmer und ein weiteres Bad.

3

Die Klägerin, die unter Asthma sowie COPD leidet und daher mehrmals am Tag viel trinken muss, arbeitete am 21.9.2012 an ihrem Telearbeitsplatz. Weil die mitgenommenen Wasserflaschen bereits leer waren, verließ sie ihren Arbeitsplatz, um in der Küche Wasser zu holen. Auf der Treppe rutschte sie ab, knickte mit dem linken Fuß um und erlitt dadurch eine Metatarsale V Schrägfraktur links.

4

Die beklagte Unfallkasse lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab (Bescheid vom 11.10.2012, Widerspruchsbescheid vom 5.11.2012). Das SG Mainz hat die Klage abgewiesen. Ein Weg zur Nahrungsaufnahme sei nur dann vom Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst, wenn er durch die Notwendigkeit geprägt sei, persönlich am Beschäftigungsort anwesend zu sein. Die Klägerin habe hingegen den von ihr beherrschten privaten Bereich nicht verlassen und sich nur Risiken ausgesetzt, die aus dem privaten Bereich stammten (Urteil vom 29.4.2014). Das LSG Rheinland-Pfalz hat das Urteil des SG sowie die Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Unfallkasse verurteilt, eine Metatarsale V Schrägfraktur links als Folge des Arbeitsunfalls vom 21.9.2012 anzuerkennen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe einen Betriebsweg zurückgelegt. Insoweit komme es darauf an, ob der Ort, an dem sich der Unfall ereignet hat, wesentlich auch Betriebszwecken diene. Das sei der Fall, weil die Klägerin ihren Arbeitsplatz ausschließlich über die Treppe erreichen könne. Das Begehen der Treppe habe zum Unfallzeitpunkt auch im inneren Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit gestanden. Zwar sei die Nahrungsaufnahme grundsätzlich dem unversicherten privaten Bereich zuzuordnen. Allerdings seien die Voraussetzungen, unter denen die Rechtsprechung des BSG Unfallversicherungsschutz auf Wegen zum Ort der Nahrungsaufnahme im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit grundsätzlich anerkenne, erfüllt. Das Handlungsziel der Klägerin sei auf die Aufrechterhaltung der Arbeitskraft gerichtet gewesen. Darüber hinaus habe die Notwendigkeit bestanden, persönlich im Beschäftigungsbetrieb anwesend zu sein. Dass sich die Klägerin die Arbeitszeit frei einteilen könne, stehe dem Unfallversicherungsschutz nicht entgegen. Die vom BSG in einer früheren Entscheidung angesprochene Gefahr des "Versicherungsschutzes rund um die Uhr" rechtfertige nicht dessen grundlegende Einschränkung (Urteil des LSG vom 27.1.2015).

5

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 8 Abs 1 SGB VII. Das BSG fordere die ständige und nicht nur gelegentliche Nutzung der Treppe zu betrieblichen Zwecken. Weil die Treppe aber nicht nur genutzt werde, um die Arbeitsstätte, sondern auch die anderen Räumlichkeiten im Dachgeschoss zu erreichen, habe das Begehen der Treppe nicht wesentlich dem Zweck des Unternehmens, hier der Telearbeit, gedient.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Januar 2015 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 29. April 2014 zurückzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Die Arbeitsstätte sei vom privaten Lebensbereich innerhalb der Wohnung abgegrenzt. Um ihrer Telearbeit nachgehen zu können, sei sie auf die Nutzung der Treppe angewiesen. Sie dürfe nicht gegenüber Beschäftigten benachteiligt werden, die ihrer Arbeit außerhalb der Wohnung nachgingen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist begründet. Das LSG hat zu Unrecht auf die Berufung der Klägerin entschieden, dass das Abrutschen von einer Treppenstufe auf dem Weg von ihrem Telearbeitsplatz zur Küche, um Wasser zu holen, als Arbeitsunfall anzuerkennen ist. Die Ablehnung eines Arbeitsunfalls im Bescheid der Beklagten vom 11.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.11.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Daher war das die Klage abweisende Urteil des SG wiederherzustellen.

10

Die Klägerin begehrt zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG), die Ablehnungsentscheidung der Beklagten aufzuheben und die Unfallkasse zu verurteilen, einen am 21.9.2012 erlittenen Arbeitsunfall anzuerkennen. Zwar hat sie sowohl vor dem SG als auch dem LSG jeweils zuletzt neben der Aufhebung der angegriffenen Verwaltungsakte beantragt, die Beklagte zu verurteilen, eine Metatarsale V Schrägfraktur links als Folge des Arbeitsunfalls anzuerkennen. Gleichwohl hat sie damit nicht die Feststellung einer Unfallfolge iS des § 55 Abs 1 Nr 3 SGG(vgl hierzu BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1), sondern angesichts dieser zwischen den Beteiligten nicht streitigen Unfallerstverletzung vielmehr die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Arbeitsunfalls geltend gemacht. Davon sind auch die Vorinstanzen ausgegangen. Auch wenn das LSG die Beklagte verurteilt hat, die Metatarsale V Schrägfraktur links als Folge des Arbeitsunfalls anzuerkennen, setzt es sich in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils - ebenso wie das SG - lediglich mit den Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls auseinander. Allein in diesem Zusammenhang wird die Schrägfraktur als unzweifelhaft eingetretener Gesundheitserstschaden als Tatbestandsmerkmal eines (vermeintlichen) Arbeitsunfalls zugrunde gelegt.

11

Dass die Klägerin vor dem SG zunächst nur die Feststellung eines Arbeitsunfalls beantragt hatte (Feststellungsklage iS des § 55 Abs 1 Nr 1 SGG), steht der Zulässigkeit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nicht entgegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats haben die Verletzten ein Wahlrecht zwischen einer zulässigen Feststellungs- und einer zulässigen Verpflichtungsklage (BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 13 mwN). Der Übergang von der einen zu der anderen Klage ist jedenfalls bei einem Streit um die Feststellung eines Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung eine nach § 99 Abs 3 SGG zulässige Antragsänderung(BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 9).

12

Die Klage ist indes unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls durch die Beklagte.

13

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; stRspr, vgl zuletzt BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 9; BSG vom 26.6.2014 - B 2 U 7/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 53 RdNr 11; BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 10 und - B 2 U 12/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 49 RdNr 14; BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 12; BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 20; BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 26 f).

14

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Klägerin hat zwar einen Unfall und dadurch - wie bereits ausgeführt - einen Gesundheitserstschaden erlitten. Sie war auch als Beschäftigte kraft Gesetzes versichert. Ihre Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses - das Hinabsteigen der Treppe - stand aber nicht in einem sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit. Zum Unfallzeitpunkt übte sie weder ihre Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII aus(dazu 1.) noch legte sie im Zusammenhang mit dieser einen Betriebsweg zurück (dazu 2.). Die Klägerin befand sich auch nicht auf einem versicherten Weg zum Ort der Nahrungsaufnahme und wird deshalb nicht in höherrangigem Recht verletzt (dazu 3.). Schließlich war sie im Unfallzeitpunkt nicht durch die Wegeunfallversicherung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII geschützt(dazu 4.).

15

1. Versicherter iS des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII ist jemand nur, wenn, solange und soweit er den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit durch eigene Verrichtungen erfüllt. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar und (subjektiv) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Diese innere Tatsache der subjektiven Ausrichtung des objektiven konkreten Handelns des Verletzten wird als "Handlungstendenz" bezeichnet. Wenn das beobachtbare objektive Verhalten allein noch keine abschließende Subsumtion unter den jeweiligen Tatbestand der versicherten Tätigkeit erlaubt, diese aber auch nicht ausschließt, kann die finale Ausrichtung des Handelns auf die Erfüllung des jeweiligen Tatbestands, soweit die Intention objektiviert ist (sog objektivierte Handlungstendenz), die Subsumtion tragen. Die bloße Absicht einer Tatbestandserfüllung reicht hingegen nicht (zur Handlungstendenz zuletzt BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 14 mwN; BSG vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 14 mwN; BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 12 und - B 2 U 12/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 49 RdNr 18).

16

Das Hinabsteigen der Treppe zum Unfallzeitpunkt ist ein solches von außen beobachtbares Handeln an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit. Bei dieser Tätigkeit war die objektivierte Handlungstendenz der Klägerin aber nicht auf die Erfüllung des gesetzlichen Versicherungstatbestands als Beschäftigte iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII gerichtet.

17

Eine nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigte liegt vor, wenn die Verletzte zur Erfüllung eines von ihr begründeten Rechtsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses, eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen(vgl § 7 Abs 1 SGB IV) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse ihrer Verrichtung diesem und nicht ihr selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen (vgl § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII). Es kommt objektiv auf die Eingliederung des Handelns der Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile für das Unternehmen des anderen bringen soll. Eine Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII wird daher ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, entweder eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, oder die Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern sie nach den besonderen Umständen ihrer Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, sie treffe eine solche Pflicht, oder sie unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt(BSG vom 23.4.2015 -B 2 U 5/14 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 33 RdNr 14 mwN; BSG vom 26.6.2014 - B 2 U 7/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 53 RdNr 12; BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 27 ff; BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 27/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 45 RdNr 23 f; BSG vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27 RdNr 13).

18

Das Holen des Wassers gehörte unzweifelhaft nicht zu der sich aus dem Beschäftigungsverhältnis ergebenden Hauptpflicht der Klägerin. Sie hat dadurch auch keine aus dem Beschäftigungsverhältnis resultierende Nebenpflicht erfüllt. Eine arbeitsrechtliche Verpflichtung zu gesundheitsfördernden, der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit dienenden Handlungen besteht grundsätzlich nicht (vgl Schäfer NZA 1992, 529, 530). Etwas anderes gilt bei einem bereits arbeitsunfähigen Arbeitnehmer. Ihm wird aufgrund seiner Treue- und Rücksichtnahmepflicht gegenüber seinem Arbeitgeber abverlangt, sich so zu verhalten, dass er möglichst bald wieder gesund wird, und alles zu unterlassen, was seine Genesung verzögern könnte. Ein pflichtwidriges Verhalten liegt daher vor, wenn ein Arbeitnehmer bei bescheinigter Arbeitsunfähigkeit den Heilungserfolg durch gesundheitswidriges Verhalten gefährdet (BAG vom 2.3.2006 - 2 AZR 53/05 - Juris RdNr 23 f). Zu diesem Personenkreis zählt die Klägerin aber nicht. Sie hat ferner keine objektiv nicht geschuldete Handlung vorgenommen in der vertretbaren, aber irrigen Annahme, damit eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen. Die Annahme dieser Pflicht ist nur vertretbar, wenn der Beschäftigte nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung (ex ante) aufgrund objektiver Anhaltspunkte und nach Treu und Glauben annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht (BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 72). Solche objektiven Anhaltspunkte sind jedoch weder festgestellt noch ersichtlich. Schließlich hat die Klägerin durch das beabsichtigte Holen von Wasser auch kein eigenes unternehmensbezogenes, innerbetrieblichen Belangen dienendes Recht wahrgenommen.

19

2. Die Klägerin befand sich zum Unfallzeitpunkt nicht auf einem Betriebsweg iS des § 8 Abs 1 Satz 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Ein im unmittelbaren Betriebsinteresse liegender Weg kommt grundsätzlich nur außerhalb des (privaten) Wohngebäudes in Betracht (dazu a). Befinden sich die Wohnung und die Arbeitsstätte im selben Gebäude, ist ein Betriebsweg ausnahmsweise auch im häuslichen Bereich denkbar, wenn er in Ausführung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt wird. Das war bei der Klägerin nicht der Fall (dazu b).

20

a) Betriebswege sind Wege, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden, Teil der versicherten Tätigkeit sind und damit der Betriebsarbeit gleichstehen (BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 35/08 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 36 RdNr 16 mwN; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 25/07 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 8 RdNr 24; BSG vom 12.12.2006 - B 2 U 1/06 R - BSGE 98, 20 = SozR 4-2700 § 8 Nr 21, RdNr 14 mwN; BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 33/02 R - Juris RdNr 15 mwN; BSG vom 7.11.2000 - B 2 U 39/99 R - SozR 3-2700 § 8 Nr 3 S 16 f). Sie werden im unmittelbaren Betriebsinteresse unternommen, unterscheiden sich von Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit iS von § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII dadurch, dass sie der versicherten Tätigkeit nicht lediglich vorausgehen oder sich ihr anschließen(BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 48 RdNr 13). Sie sind nicht auf das Betriebsgelände beschränkt, sondern können auch außerhalb der Betriebsstätte anfallen (BSG vom 28.2.1990 - 2 RU 34/89 - SozR 3-2200 § 539 Nr 1 S 2).

21

Sowohl bei Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit als auch bei einem direkt von der Wohnung aus angetretenen Betriebsweg (Dienstweg oder Dienstreise) beginnt die versicherte Tätigkeit allerdings grundsätzlich erst mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes (Mehr- oder Einfamilienhaus), in dem sich die Wohnung des Versicherten befindet. Diese vom BSG stets beibehaltene Grenze zwischen dem unversicherten häuslichen Lebensbereich und dem versicherten Zurücklegen eines (Betriebs-)Weges ist im Interesse der Rechtssicherheit bewusst starr gezogen, weil sie an objektive Merkmale anknüpft, die im allgemeinen leicht feststellbar sind. Damit wird zugleich der die gesetzliche Unfallversicherung kennzeichnenden Freistellung des Unternehmers von der Haftung für Betriebsgefahren Rechnung getragen. Das BSG hat im Interesse der Rechtssicherheit insbesondere auch deshalb keine Veranlassung gesehen, die bisherige Rechtsprechung zur Außentür als der Grenze zwischen häuslichem Bereich und versichertem Weg aufzugeben oder zu modifizieren, weil mit der verbreiteten Einführung von Telearbeit am PC eine Verlagerung vieler den Unternehmen dienenden Verrichtungen in den häuslichen Bereich einhergeht (BSG vom 12.12.2006 - B 2 U 1/06 R - BSGE 98, 20 = SozR 4-2700 § 8 Nr 21, RdNr 14; BSG vom 7.11.2000 - B 2 U 39/99 R - SozR 3-2700 § 8 Nr 3 S 17). Daran hält der Senat weiterhin fest. Da sich der Unfall der Klägerin nicht außerhalb des Wohngebäudes ereignet hat, ist nur Raum für einen Betriebsweg innerhalb des häuslichen Bereichs.

22

b) Den Weg zur Küche hat die Klägerin indes nicht in unmittelbarem betrieblichen, sondern in eigenwirtschaftlichem Interesse zurückgelegt. Unfallversicherungsschutz an der Unfallstelle könnte hier zwar unter dem Gesichtspunkt eines versicherten Betriebswegs ausnahmsweise dann bestehen, wenn der Weg bereits zwischen dem häuslichen Arbeitszimmer - und nicht erst nach Durchschreiten der Außentür - und der Küche als Weg in Ausführung der versicherten Tätigkeit anzusehen wäre. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

23

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSG vom 12.12.2006 - B 2 U 1/06 R - BSGE 98, 20 = SozR 4-2700 § 8 Nr 21, RdNr 15 und - B 2 U 28/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 20 RdNr 17), greift die unter a) aufgezeigte Grenzziehung durch die Außentür des Wohngebäudes nicht, wenn sich sowohl die Wohnung des Versicherten als auch seine Arbeitsstätte im selben Haus befinden. In diesem Zusammenhang hat der Senat auf rechtliche Schwierigkeiten hinsichtlich der Zurechnung von Wegen zur versicherten Tätigkeit vor allem in zwei Fallgestaltungen hingewiesen. Bei der ersten Fallgestaltung handelt es sich um Unfälle, die sich in Räumen oder auf Treppen ereignen, die weder eindeutig der Privatwohnung noch der Betriebsstätte zugeordnet werden können. Insoweit ist zur Entscheidung über den Versicherungsschutz darauf abgestellt worden, ob der Ort, an dem sich der Unfall ereignete, auch Betriebszwecken (wesentlich) dient, ob der rein persönliche Lebensbereich schon verlassen wurde oder wie sich der Nutzungszweck zum Unfallzeitpunkt darstelle. Als Kriterium für die Wesentlichkeit wurden eine ständige und nicht nur gelegentliche Nutzung des Unfallorts für betriebliche Zwecke angeführt. Die zweite - hier aber nicht einschlägige - Fallgestaltung betraf Unfälle im rein persönlichen Wohnbereich, bei denen die Situation durch eine Art Rufbereitschaft und die Notwendigkeit, sofort zu handeln, geprägt war (BSG vom 12.12.2006, aaO, RdNr 15 ff und 18 ff, jeweils mit zahlreichen Nachweisen).

24

Der Senat hat Zweifel, ob an dieser Rechtsprechung, die bei der Feststellung eines Betriebswegs im häuslichen Bereich an die Häufigkeit der Nutzung des konkreten Unfallorts anknüpft, festzuhalten ist (vgl hierzu auch LSG Baden-Württemberg vom 25.2.2016 L 10 U 1241/14 - Juris, Revision anhängig unter B 2 U 9/16 R). Ob das Ausmaß der Nutzung auch weiterhin ein sachgerechtes Beurteilungskriterium bildet, kann jedenfalls im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, denn die im Urteil des Senats vom 12.12.2006 (aaO) in Bezug genommenen Entscheidungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sich der jeweils zugrunde liegende Unfall auf einem Weg zur Ausübung der versicherten Tätigkeit ereignet hatte. Demgegenüber ist die Klägerin auf dem Weg von der Arbeitsstätte zur Küche und damit in den persönlichen Lebensbereich ausgerutscht.

25

Unabhängig von dem konkreten Umfang der betrieblichen oder privaten Nutzung der in das Dachgeschoss führenden Treppe vermag entgegen der Auffassung des LSG allein der Umstand, dass die Klägerin darauf angewiesen ist, die Treppe zu benutzen, um ihrer Beschäftigung überhaupt nachgehen zu können, das unmittelbare Betriebsinteresse nicht zu begründen. Entscheidend ist vielmehr, welche konkrete Verrichtung mit welchem Zweck sie in dem Moment des Unfalls ausübte. Da es außer in der Schifffahrt (vgl § 10 SGB VII) keinen Betriebsbann gibt, sind nicht alle Verrichtungen eines Beschäftigten während der Arbeitszeit und auf der Arbeitsstätte versichert. Dementsprechend stehen auch nicht alle Wege eines Beschäftigten während der Arbeitszeit und/oder auf der Arbeitsstätte unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern nur solche Wege, bei denen ein sachlicher Zusammenhang zwischen der nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit und dem Zurücklegen des Weges gegeben ist, weil der Weg durch die Ausübung des Beschäftigungsverhältnisses oder den Aufenthalt auf der Betriebsstätte bedingt ist. Darüber hinaus ist zu beachten, dass das Zurücklegen von Wegen in aller Regel nicht die Ausübung der versicherten Tätigkeit selbst darstellt, sondern zu der eigentlichen Tätigkeit, weswegen das Beschäftigungsverhältnis eingegangen wurde, in einer mehr (zB Betriebswege) oder weniger engen Beziehung (zB Weg zur Arbeit) steht (BSG vom 12.12.2006 - B 2 U 1/06 R - BSGE 98, 20 = SozR 4-2700 § 8 Nr 21, RdNr 13). Ob ein Weg im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, bestimmt sich wiederum nach der objektivierten Handlungstendenz des Versicherten, also danach, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 48 RdNr 13 mwN). Diese für außerhalb des Wohngebäudes zurückgelegte Wege geltende ständige Rechtsprechung des Senats ist auch bei Wegen innerhalb der häuslichen Sphäre von der Arbeitsstätte in den persönlichen Lebensbereich heranzuziehen.

26

Nach Maßgabe dieser Grundsätze war die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls nicht im unmittelbaren Betriebsinteresse tätig. Sie ist die Treppe nicht hinabgestiegen, um ihre versicherte Beschäftigung auszuüben, sondern um in der Küche Wasser zum Trinken zu holen und demnach einer typischen eigenwirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen. Als sich der Unfall ereignete, hatte sie ihre Arbeitsstätte verlassen und bereits den persönlichen häuslichen Lebensbereich erreicht. Ihre als Beschäftigte des Landesbetriebs versicherte Tätigkeit war mangels entgegenstehender Feststellungen und Anhaltspunkte spätestens mit dem Verlassen des Arbeitszimmers beendet. Daher kann offenbleiben, inwieweit innerhalb eines zur Telearbeit eingerichteten Arbeitsraumes Unfallversicherungsschutz besteht. Dass gerade die versicherte Tätigkeit ein besonderes Durstgefühl verursacht hätte (vgl hierzu zusammenfassend BSG vom 24.2.2000 - B 2 U 20/99 R - SozR 3-2700 § 8 Nr 2 mwN) und die Klägerin unabhängig von ihrer Erkrankung betriebsbedingt veranlasst gewesen wäre, sich Wasser zu besorgen, ist vom LSG weder festgestellt noch ersichtlich.

27

Dass die Ausübung einer Beschäftigung in einem Home-Office zu einer Verlagerung von den Unternehmen dienenden Verrichtungen in den häuslichen Bereich führt (zum Unfallversicherungsschutz bei häuslicher Telearbeit vgl Spellbrink, NZS 2016, 527; Leube, SGb 2012, 380; Wolber, SozVers 1997, 239), rechtfertigt auch in diesem Zusammenhang keine andere Beurteilung. Die betrieblichen Interessen dienende Arbeit in der Wohnung eines Versicherten nimmt dieser außerhalb des konkreten Arbeitszimmers oder -raums nicht den Charakter der häuslichen Lebenssphäre (vgl BSG vom 7.11.2000 - B 2 U 39/99 R - SozR 3-2700 § 8 Nr 3 S 17). Die der privaten Wohnung innewohnenden Risiken hat nicht der Arbeitgeber zu verantworten und vermag der Versicherte selbst am besten zu beherrschen. Der Wohnbereich ist dem Versicherten im Regelfall besser bekannt als anderen. Für die mit ihm einhergehenden Gefahren ist der Versicherte selbst verantwortlich. Kraft seiner Verfügungsmacht über die Wohnung kann er die private Risikosphäre durch entsprechendes Verhalten weitgehend beseitigen oder zumindest reduzieren. In der häuslichen Lebenssphäre vermag sich mangels einer betrieblichen Gefahrengemeinschaft ein betriebsbezogenes Haftungsrisiko nicht zu verwirklichen.

28

Auch ist es dem Arbeitgeber außerhalb des Betriebsgeländes regelmäßig verwehrt, präventive, gefahrenreduzierende Maßnahmen zu ergreifen. Unternehmer sind zwar für die Durchführung der Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, für die Verhütung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie für eine wirksame Erste Hilfe verantwortlich (§ 21 Abs 1 SGB VII). Ungeachtet der Frage, inwieweit Arbeitgeber rechtlich durchsetzbar in die Lage versetzt sein müssen, diese Verantwortung in Bezug auf betriebliche Arbeitsplätze im häuslichen Bereich nachzukommen, beschränkt sich die Verpflichtung zur Durchführung von Präventionsmaßnahmen aber auf die jeweilige Betriebsstätte, zu der jedenfalls häusliche Örtlichkeiten außerhalb eines räumlich abgegrenzten Home-Office nicht zählen. Zudem ist zu beachten, dass es den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung außerhalb der Betriebsstätten ihrer Mitglieder (der Arbeitgeber) nur bedingt möglich ist, präventiv zu handeln. Die Unfallversicherungsträger haben mit allen geeigneten Mitteln ebenfalls für die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie für eine wirksame Erste Hilfe zu sorgen; sie sollen dabei auch den Ursachen von arbeitsbedingten Gefahren für Leben und Gesundheit nachgehen (§ 14 Abs 1 SGB VII). In diesem Zusammenhang obliegt ihnen die Überwachung des nach § 21 Abs 1 SGB VII den Unternehmern übertragenen Arbeitsschutzes durch fachkundige Aufsichtspersonen(§ 17 Abs 1, § 18 SGB VII). Im Rahmen der Überwachung sind die Aufsichtspersonen insbesondere befugt, zu den Betriebs- und Geschäftszeiten Grundstücke und Betriebsstätten zu betreten, zu besichtigen und zu prüfen (§ 19 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VII idF des Unfallversicherungsmodernisierungsgesetzes vom 30.10.2008, BGBl I 2130). Eine solche Maßnahme kann auch für Wohnräume zu jeder Tages- und Nachtzeit getroffen werden. Insoweit ist das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art 13 GG) eingeschränkt. Allerdings muss die Überwachung von Wohnräumen zur Verhütung dringender Gefahren geboten sein (§ 19 Abs 2 Satz 3 und 4 SGB VII idF des UVMG, aaO; zur Prävention und Überwachung häuslicher Arbeitsplätze vgl auch Spellbrink, NZS 2016, 527, 530; Leube, SGb 2012, 380, 384). Sowohl Arbeitgeber als auch die Unfallversicherungsträger sind demnach nur eingeschränkt zu präventiven, der sicheren Gestaltung der Arbeitsplätze dienenden Maßnahmen in der Lage. Daher ist es sachgerecht und nicht unbillig, das vom häuslichen und damit persönlichen Lebensbereich ausgehende Unfallrisiko den Versicherten und nicht der gesetzlichen Unfallversicherung, mit der gerade die Unternehmerhaftung abgelöst werden soll, anzulasten (vgl BSG vom 7.11.2000 - B 2 U 39/99 R - SozR 3-2700 § 8 Nr 3 S 18 mwN).

29

3. Die Klägerin befand sich zum Unfallzeitpunkt auch nicht auf einem versicherten Weg zum Ort einer Nahrungsaufnahme. Insoweit liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG nicht vor. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Dieser ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG vom 19.12.2012 - 1 BvL 18/11 - BVerfGE 133, 1 RdNr 44 mwN; BVerfG vom 30.3.2007 - 1 BvR 3144/06 - SozR 4-2700 § 9 Nr 10 RdNr 18 mwN). Solche rechtfertigenden Gründe sind hier gegeben.

30

Das Zurücklegen eines Weges durch einen Beschäftigten mit der Handlungstendenz, sich an einem vom Ort der Tätigkeit verschiedenen Ort Nahrungsmittel zu besorgen oder einzunehmen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats grundsätzlich versichert (vgl BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 48 RdNr 20; BSG vom 27.4.2010 - B 2 U 23/09 R - UV-Recht Aktuell 2010, 897, Juris RdNr 15; BSG vom 20.2.2001 - B 2 U 6/00 R - Juris RdNr 20 mwN; BSG vom 27.6.2000 - B 2 U 22/99 R - SozR 3-2200 § 548 Nr 38 S 135 f mwN). Dieser Versicherungsschutz beruht darauf, dass der während einer Arbeitspause zurückgelegte Weg zur Nahrungsaufnahme oder zum Einkauf von Lebensmitteln für den alsbaldigen Verzehr am Arbeitsplatz in zweierlei Hinsicht mit der Betriebstätigkeit verknüpft ist. Zum einen dient die beabsichtigte Nahrungsaufnahme während der Arbeitszeit im Gegensatz zur bloßen Vorbereitungshandlung vor der Arbeit der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit und damit der Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit. Zum anderen handelt es sich um einen Weg, der in seinem Ausgangs- und Zielpunkt durch die Notwendigkeit geprägt ist, persönlich im Beschäftigungsbetrieb anwesend zu sein und dort betriebliche Tätigkeiten zu verrichten. Aufgrund des Zusammentreffens dieser beiden betriebsbezogenen Merkmale, des Handlungsziels und der Betriebsbedingtheit des Weges, ist der wesentliche innere Zusammenhang zwischen dem Betrieb und einem zur Nahrungsaufnahme zurückgelegten Weg angenommen worden (vgl BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 48 RdNr 21 mwN; BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 30 f; BSG vom 2.7.1996 - 2 RU 34/95 - SozR 3-2200 § 550 Nr 15 S 55 mwN).

31

Diese Betriebsbedingtheit des Weges liegt bei der Klägerin entgegen der Rechtsansicht des LSG gerade nicht vor. Sie ist jedenfalls nicht bereits darin zu sehen, dass die Klägerin den Weg zur Küche über die Treppe deshalb zurücklegen musste, weil sie sich zuvor in ihrem Arbeitszimmer aufgehalten hatte. Die Klägerin unterlag hinsichtlich der beabsichtigten Flüssigkeitszufuhr keinen betrieblichen Vorgaben oder Zwängen. Es stand vielmehr in ihrem Belieben, ob und wann sie sich wegen des nicht betriebs-, sondern krankheitsbedingten Trinkbedürfnisses Wasser aus der Küche holt. Der Weg zur Küche war weder räumlich durch einen außerhalb der Wohnung gelegenen Betriebsort vorgegeben noch innerhalb eines zeitlichen Rahmens zu erledigen und stand in keinem Zusammenhang mit bereits erbrachter Arbeit. Dieser vom LSG nicht gesehene, aber offenkundige grundlegende Unterschied steht der von der Klägerin geforderten gebotenen Gleichbehandlung mit Versicherten, die außerhalb der Wohnung einer Beschäftigung nachgehen, entgegen (vgl insoweit auch BSG vom 31.10.1968 - 2 RU 122/66 - Juris RdNr 18; BSG vom 29.6.1971 - 2 RU 117/69 - Juris RdNr 20 f; BSG vom 25.1.1977 - 2 RU 57/75 - SozR 2200 § 550 Nr 24 S 53; BSG vom 19.5.1983 - 2 RU 44/82 - BSGE 55, 139, 140 = SozR 2200 § 550 Nr 54 S 136; BSG vom 6.12.1989 - 2 RU 5/89 - SozR 2200 § 548 Nr 97 S 275; BSG vom 11.5.1995 - 2 RU 30/94 - Juris RdNr 16). Auch die weitere Überlegung des LSG, dass Unfallversicherungsschutz gleichheitswidrig nicht an der Möglichkeit einer freien Arbeitszeiteinteilung und einer schwierigen Beweislage scheitern dürfe, überzeugt nicht. Das Berufungsgericht übersieht insoweit, dass vorliegend nicht die Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Arbeitszeit oder Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsaufklärung, sondern das Zurücklegen eines Wegs mit dem Ziel, eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit innerhalb des persönlichen Lebens- und Risikobereichs zu verrichten, den Versicherungsschutz ausschließt.

32

4. Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt schließlich nicht durch die Wegeunfallversicherung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII geschützt. Danach zählt zu den versicherten Tätigkeiten zwar auch das Zurücklegen des mit einer gemäß §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Allerdings beginnt und endet der Weg zur oder von der Arbeit nach ständiger Rechtsprechung des Senats erst mit dem Durchschreiten der Außentür des Hauses, in dem die Wohnung liegt (BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 14; BSG vom 4.9.2007 - B 2 U 39/06 R - Juris RdNr 10; BSG vom 12.12.2006 - B 2 U 28/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 20 RdNr 16 und - B 2 U 1/06 R - BSGE 98, 20 = SozR 4-2700 § 8 Nr 21, RdNr 14). Die Wegeunfallversicherung erstreckt sich damit nicht auf Unfälle innerhalb des Gebäudes, in dem sich die Wohnung des Verletzten befindet. Der Unfall der Klägerin hat sich indes innerhalb ihrer Wohnung ereignet.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Juli 2015 und des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 25. Juni 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten des gesamten Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle einen Arbeitsunfall erlitten hat.

2

Der in F. wohnende Kläger war als Lagerist bei einem Unternehmen in E. beschäftigt, das auch ein Lager in G. unterhielt. Der übliche Weg von der Wohnung des Klägers zu diesem Lager führte über zwei Autobahnen bis zur Abfahrt G. Nach dieser Abfahrt musste der Kläger rechts auf eine Bundesstraße in Richtung M. abbiegen, um zu seiner Arbeitsstätte zu gelangen. Am 7.1.2011 verließ der Kläger am frühen Abend seine Wohnung, um sich zu seinem Arbeitsplatz in dem Lager in G. zu begeben. Hierfür befuhr er zunächst die beiden Autobahnen bis zur Abfahrt G. Dort bog er aus unbekannter Ursache auf die Bundesstraße nicht in die auf seine Arbeitsstelle führende Richtung, sondern nach links in die Gegenrichtung ab und befuhr die Bundesstraße in dieser Richtung etwa 2,5 km. Er führte dann auf der vierspurigen Bundesstraße ein Wendemanöver durch, bei welchem er mit einem hinter ihm auf der Überholspur fahrenden Pkw zusammenstieß. Der Kläger erlitt erhebliche Verletzungen, ua ein Schädel-Hirn-Trauma. Er hat keine Erinnerung an die Gründe für sein Abbiegen in die falsche Richtung und an den Unfallhergang.

3

Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Der Kläger habe sich auf einem nicht versicherten Abweg befunden, weil er die Bundesstraße nicht in Richtung seiner Arbeitsstätte, sondern in die seiner Arbeitsstelle entgegengesetzte Richtung befahren habe, ohne dass hierfür betriebliche oder verkehrstechnische Gründe erkennbar gewesen seien (Bescheid vom 24.2.2011 und Widerspruchsbescheid vom 14.10.2011).

4

Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben und das Vorliegen eines Arbeitsunfalls festgestellt (Urteil vom 25.6.2013). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 14.7.2015). Der Verkehrsunfall sei ein Arbeitsunfall gewesen, weil er sich noch im inneren Zusammenhang mit dem gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII versicherten Weg zur Arbeitsstätte ereignet habe. Der Kläger sei am Unfalltag mit der Handlungstendenz aufgebrochen, seine Arbeitsstätte zu erreichen. Durch das falsche Abbiegen habe er keinen unversicherten Abweg angetreten, weil die Handlungstendenz unverändert darauf gerichtet gewesen sei, die Arbeitsstätte zu erreichen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Ursache, die zum Falschabbiegen geführt habe, nicht mehr aufklärbar sei. Denn unter Anwendung der Grundsätze des Beweisnotstandes sei zu Gunsten des Klägers davon auszugehen, dass bei ihm eine unveränderte Handlungstendenz bestanden habe. Es hätten keine Anhaltspunkte für ein privates eigenwirtschaftliches Ziel des Klägers in der von der Arbeitsstätte weg führenden Richtung vorgelegen. Das Wendemanöver auf einer vierspurigen Bundesstraße am konkreten Ort zur konkreten Zeit mache nur Sinn, wenn der Kläger seinen vorangegangenen Fehler beim Abbiegen habe korrigieren wollen, um noch rechtzeitig zu seiner Arbeitsstätte zu gelangen. Im Übrigen stünden die Länge der in falscher Richtung auf der Bundesstraße zurückgelegten Fahrstrecke von ca 2,5 km und die Dauer dieser Fahrt von nur wenigen Minuten dem Fortbestehen des inneren Zusammenhangs nicht entgegen. Das Zurücklegen des gesamten Weges stelle aufgrund der fortdauernden Handlungstendenz einen einheitlichen Vorgang dar. Eine den Unfallversicherungsschutz beendende Zäsur liege nicht vor.

5

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII. Ein innerer Zusammenhang zwischen dem Zurücklegen des Weges unmittelbar vor dem Unfall und der versicherten Tätigkeit liege nicht vor, denn eine objektiv feststellbare Zäsur, wie das Einschwenken in einen Abweg, indiziere regelmäßig, dass der innere Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit gelöst worden sei. Nach der Rechtsprechung des BSG lasse ein irrtümliches Verlassen des direkten Weges den inneren Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit auf einem Abweg nur dann fortbestehen, wenn äußere, mit der besonderen Art des Weges verbundene Gefahren, zB Dunkelheit, Sichtbehinderung durch Nebel, schlecht beschilderte Wege oder dergleichen, für das Verirren ursächlich gewesen seien. Faktisch habe das LSG zu Unrecht eine Beweislastumkehr vorgenommen, denn nach den Grundsätzen der Beweislastverteilung gehe es zu Lasten des Klägers, wenn der Grund für die Abweichung von dem direkten Weg nicht feststellbar sei.

6

Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Juli 2015 und des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 25. Juni 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat am 7.1.2011 keinen in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Arbeitsunfall erlitten, weil er sich auf einem unversicherten Abweg befand. Die Ablehnung eines Arbeitsunfalls durch die Beklagte in dem Bescheid vom 24.2.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2011 ist rechtmäßig. Das LSG hat deshalb zu Unrecht die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen. Die vom LSG vorgeschlagene Lösung, allein die subjektive Handlungstendenz auf einem objektiven Abweg für den Versicherungsschutz ausreichen zu lassen, verletzt § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII.

10

1. Die Revision ist zulässig. Die Revisionsbegründung entspricht noch den Begründungsanforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG, wonach die Begründung die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte herausarbeiten und die das Urteil des LSG tragenden Gründe in Frage stellen muss(vgl zB BSG vom 11.4.2013 - B 2 U 21/11 R - NZS 2013, 639 mwN). Auch wenn sich die Beklagte formal an der Begründung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision orientiert, setzt sie sich unter Darstellung des vom LSG festgestellten Sachverhalts mit dessen Entscheidungsgründen auseinander. Sie legt hinreichend dar, dass und warum nach ihrer Auffassung das LSG die als verletzt gerügte Vorschrift des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII nicht richtig angewandt hat.

11

2. a) Der Kläger verfolgt sein Begehren, unter Aufhebung der Verwaltungsakte in den Bescheiden der Beklagten einen Arbeitsunfall festzustellen, zulässig mit der hier statthaften kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (vgl § 54 Abs 1 Satz 1, § 55 Abs 1 Nr 1 SGG; vgl zB BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 9 mwN). Insbesondere ist das nach § 78 SGG erforderliche Widerspruchsverfahren durchgeführt worden. Es kann offenbleiben, ob der Kläger gegen den Bescheid vom 24.2.2011 erst nach Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist des § 84 Abs 1 SGG durch das Schreiben seines Bevollmächtigten am 1.4.2011 Widerspruch eingelegt hat. Denn dem Versicherungsträger steht es frei, trotz des Ablaufs der Widerspruchsfrist über den Widerspruch in der Sache zu entscheiden. Entscheidet der Versicherungsträger in diesem Fall - wie hier die Beklagte - auch sachlich über den Widerspruch, steht die Fristversäumnis der gerichtlichen Nachprüfung des mit dem Widerspruch angegriffenen Verwaltungsaktes nicht entgegen (vgl BSG vom 12.10.1979 - 12 RK 19/78 - BSGE 49, 85 = SozR 1500 § 84 Nr 3).

12

b) Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (stRspr; vgl zuletzt BSG vom 15.11.2016 - B 2 U 12/15 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58; BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 9; BSG vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 11; BSG vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27 RdNr 11; BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 12).

13

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger erlitt zwar bei dem Zusammenstoß mit dem auf der Überholspur fahrenden Pkw eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII. Dieser führte zu einem seine körperliche Unversehrtheit verletzenden Gesundheitserstschaden. Der Kläger war auch als Beschäftigter gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Seine Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses stand jedoch nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit dem hier allein als versicherte Tätigkeit in Betracht kommenden Zurücklegen des unmittelbaren Weges von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte.

14

Zu den in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Zum Unfallzeitpunkt legte der Kläger keinen solchen durch die Wegeunfallversicherung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII geschützten Weg zurück. Zwar bewegte er sich zu diesem Zeitpunkt mit der Handlungstendenz fort, den Ort seiner versicherten Tätigkeit zu erreichen (hierzu unter aa). Diese Handlungstendenz allein konnte - entgegen der Rechtsansicht des LSG - jedoch keinen Versicherungsschutz in der Wegeunfallversicherung auf der zum Unfallzeitpunkt zurückgelegten Wegstrecke begründen, denn der Kläger befand sich zum Zeitpunkt des Unfalls nicht auf dem grundsätzlich unter Unfallversicherungsschutz stehenden direkten Weg, sondern auf einem Abweg (hierzu unter bb). Umstände, die ausnahmsweise den Versicherungsschutz auf einem solchen Abweg begründen konnten, sind nicht feststellbar (hierzu unter cc). Die Nichterweislichkeit dieser Umstände geht nach den Grundsätzen der Beweislastverteilung zu Lasten des Klägers (hierzu unter dd).

15

aa) Der Kläger bewegte sich unmittelbar vor dem Unfallereignis mit der Handlungstendenz fort, seine Arbeitsstätte zu erreichen. Ein sachlicher Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen des Weges iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII besteht, wenn das konkrete Handeln des Versicherten zur Fortbewegung auf dem Weg zur oder von der versicherten Tätigkeit gehört(vgl BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 13 mwN). Maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung der grundsätzlich versicherten Fortbewegung dient, ist die Handlungstendenz des Versicherten. Das Handeln muss subjektiv - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen Tätigkeit ausgerichtet sein. Darüber hinaus muss sich die subjektive Handlungstendenz als von den Instanzgerichten festzustellende Tatsache im äußeren Verhalten des Handelnden (Verrichtung), so wie es objektiv beobachtbar ist, widerspiegeln (vgl BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 14 mwN).

16

Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffenen und damit für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG bewegte sich der Kläger nach dem Verlassen seiner Wohnung mit der Handlungstendenz, seine Arbeitsstätte zu erreichen und dort seine Beschäftigung aufzunehmen. Diese änderte sich nicht und bestand auch unmittelbar vor dem Unfall während des von ihm eingeleiteten Wendemanövers fort.

17

bb) Der Kläger befand sich zum Zeitpunkt des Unfallereignisses allerdings auf einem unversicherten Abweg, weil er den direkten Weg zur Arbeitsstätte verlassen hatte. § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII legt als End- oder Ausgangspunkt des Weges den Ort der versicherten Tätigkeit fest. Der Ort, von dem aus ein versicherter Weg zur Arbeitsstätte angetreten wird, kann auch ein anderer Ort als die Wohnung, sog dritter Ort, sein, wenn sich der Versicherte dort mindestens zwei Stunden aufgehalten hat (vgl zuletzt BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 mwN). Wie sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII und dem dort verwendeten Begriff "unmittelbar" ergibt, steht grundsätzlich nur das Zurücklegen des direkten Weges nach und von der versicherten Tätigkeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Allerdings berühren geringfügige Unterbrechungen, die auf einer Verrichtung beruhen, die bei natürlicher Betrachtung zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist, und gleichsam "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann, den Versicherungsschutz nicht (vgl zuletzt BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 mwN; BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 15; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 15; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 19). Bewegt sich der Versicherte dagegen nicht auf direktem Weg in Richtung seiner Arbeitsstätte oder seiner Wohnung, sondern in entgegengesetzter Richtung von diesem Ziel fort, befindet er sich auf einem sog Abweg. Wird ein solcher Abweg bei einer mehr als geringfügigen Unterbrechung des direkten Weges zurückgelegt, besteht, sobald der direkte Weg verlassen und der Abweg begonnen wird, kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Erst wenn sich der Versicherte wieder auf dem direkten Weg befindet und der Abweg beendet ist, besteht erneut Versicherungsschutz (vgl zuletzt BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 mwN).

18

Der Kläger befand sich nach den bindenden Feststellungen des LSG während des Wendemanövers unmittelbar vor dem Unfall nicht auf dem üblicherweise zurückgelegten direkten Weg von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte. Zwar hatte er zunächst die sonst von ihm befahrene direkte Wegstrecke von seiner Wohnung als Ausgangspunkt des Weges zu seiner Arbeitsstätte zurückgelegt. Diesen Weg unterbrach er jedoch, indem er auf die Bundesstraße anstatt nach rechts in Richtung G. in die zur Arbeitsstätte entgegengesetzte Richtung nach links abbog. Diese Bundesstraße befuhr er unmittelbar vor dem Unfall auf einer Strecke von 2,5 km in der von der Arbeitsstelle wegführenden Richtung. Damit war die Unterbrechung des direkten versicherten Weges mehr als geringfügig im Sinne der soeben angeführten Rechtsprechung. Der Ort des Unfallereignisses war aber auch kein "dritter Ort", von dem aus an Stelle der Wohnung der Weg zur Arbeitsstätte angetreten worden ist, denn die Unterbrechung dauerte nicht mindestens zwei Stunden. Der Kläger befand sich mithin vielmehr auf einem Abweg, der zum Zeitpunkt des Unfalls auch noch nicht beendet war. Auch wenn der Kläger ein Wendemanöver eingeleitet hatte, hatte er zum Zeitpunkt des Unfalls die üblicherweise genutzte direkte Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte noch nicht wieder erreicht.

19

cc) Umstände, die ausnahmsweise den Versicherungsschutz der Wegeunfallversicherung auch auf einem solchen Abweg begründen können, sind nicht feststellbar. Nicht jedes Abweichen vom direkten Weg führt zu einer Lösung des inneren Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit und damit zum Verlust des Versicherungsschutzes in der Wegeunfallversicherung. Versicherungsschutz kann ausnahmsweise auch auf einem Abweg bestehen, wenn dieser im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht (vgl BSG vom 24.3.1998 - B 2 U 4/97 R - SozR 3-2200 § 550 Nr 17 S 68 f). Der Senat hat bereits entschieden, dass der Versicherungsschutz erhalten bleibt, wenn der Versicherte irrtümlich von dem direkten Weg aus Gründen abweicht, die ihrerseits mit dem Zurücklegen des versicherten Weges, insbesondere seiner Beschaffenheit, in Zusammenhang stehen. So besteht Versicherungsschutz in der Wegeunfallversicherung auch auf irrtümlich befahrenen Wegstrecken, wenn der Irrtum auf äußeren, mit der besonderen Art des Weges verbundenen Gefahren, wie zB Dunkelheit, Sichtbehinderung durch Nebel, schlecht beschilderte Wege oder dergleichen, beruht. Das Verirren resultiert in einem solchen Fall aus Umständen, die sich gerade aus der äußeren Beschaffenheit des Verkehrsraumes ergeben, den der Versicherte zum Aufsuchen seiner Arbeitsstelle oder zur Rückkehr von seiner Arbeitsstelle zu seiner Wohnung - also betrieblich veranlasst - nutzen muss, und ist deshalb im Hinblick auf den Schutzzweck der Wegeunfallversicherung in den Versicherungsschutz einbezogen (vgl BSG vom 24.3.1998 - B 2 U 4/97 R - SozR 3-2200 § 550 Nr 17 S 68 f; vgl auch BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 7/99 R - HVBG-INFO 2000, 1846; BSG vom 12.6.1990 - 2 RU 58/89 - HV-INFO 1990, 2064; BSG vom 2.6.1959 - 2 RU 3/57 - SozR Nr 13 zu § 543 RVO; vgl auch BSG vom 28.4.1960 - 5 RKn 9/59 - SozR Nr 23 zu § 543 RVO). Dagegen besteht kein Versicherungsschutz, wenn die irrtümliche Abweichung von dem direkten Weg nicht auf äußeren, mit der besonderen Art des Weges und seinen Gefahren zusammenhängenden, sondern auf in der Person des Versicherten liegenden, eigenwirtschaftlichen Gründen - wie zB Unaufmerksamkeit aufgrund angeregter Unterhaltung - beruht. Denn in diesem Fall wird der Abweg aus Gründen zurückgelegt, die gerade nicht auf der Beschaffenheit der zurückzulegenden Wegstrecke, sondern auf Umständen aus dem eigenwirtschaftlichen Bereich beruhen (vgl BSG vom 24.3.1998 - B 2 U 4/97 R - SozR 3-2200 § 550 Nr 17 S 68 f).

20

An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Allein aus privatwirtschaftlichen Gründen veranlasste Wegstrecken oder Unterbrechungen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit stehen grundsätzlich nicht unter Unfallversicherungsschutz. Der Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung gebietet keine Ausweitung dieses Schutzes auf irrtümlich befahrene Abwege, wenn die Gründe hierfür nicht im Zusammenhang mit der Beschaffenheit der Wegstrecke stehen. Dies wäre nicht mehr vom Zweck der Wegeunfallversicherung gedeckt, Versicherungsschutz auf Wegen, die wegen der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden, und aufgrund von Gefahren, die aus der Beschaffenheit dieser Wege herrühren, zu gewähren (BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 48 RdNr 18; BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 13).

21

Dies gilt auch dann, wenn auf dem irrtümlich eingeschlagenen Abweg die Handlungstendenz des Versicherten fortbesteht, den Weg von und zu der Arbeitsstätte zurückzulegen. Für die Frage, ob auf einem irrtümlichen Abweg Versicherungsschutz besteht, ist nicht allein - wie das LSG angenommen hat - die Handlungstendenz des Versicherten auf dem Abweg maßgeblich, sondern die den Irrtum begründenden Umstände, weil grundsätzlich nur das Zurücklegen des unmittelbaren Weges und nur unter bestimmten Voraussetzungen ein Abweg unter Versicherungsschutz steht. Dementsprechend hat der Senat das Bestehen des Versicherungsschutzes in der Wegeunfallversicherung in Fallkonstellationen verneint, in denen der Versicherte eine Wegstrecke zwar subjektiv auch deshalb zurücklegte, weil er seine Arbeitsstelle bzw seine Wohnung erreichen wollte, sich aber aus eigenwirtschaftlichen Gründen im Unfallzeitpunkt objektiv auf einem Abweg befand (vgl BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 mwN; BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 7/99 R - HVBG-INFO 2000, 1846 ff; BSG vom 24.3.1998 - B 2 U 4/97 R - SozR 3-2200 § 550 Nr 17).

22

Der Kläger befuhr nach den bindenden Feststellungen des LSG zum Zeitpunkt des Unfalls nicht die unmittelbar zu seiner Arbeitsstätte führende Wegstrecke, sondern befand sich auf einem Abweg, weil er irrtümlich nach der Abfahrt von der Autobahn auf die Bundesstraße in die Gegenrichtung abgebogen war. Die Gründe für diesen Irrtum des Klägers konnte das LSG nicht mehr feststellen. Ob der Irrtum damit auf äußeren, mit der besonderen Art des Weges verbundenen Gefahren, wie zB Dunkelheit, Sichtbehinderung durch Nebel, schlecht beschilderte Wege oder dergleichen beruhte, ist nach den auch insoweit gemäß § 163 SGG den Senat bindenden Feststellungen des LSG(zur Bindungswirkung bei fehlender Aufklärbarkeit von Tatsachen: BSG vom 7.4.1987 - 11b RAr 7/86 - Juris RdNr 12 f; BSG vom 26.2.1992 - 1/3 RK 13/90 - Juris RdNr 22) nicht aufklärbar. Es ist danach nicht mehr feststellbar, ob der Irrtum des Klägers auf äußeren, mit der besonderen Art des Weges verbundenen Umständen, die Versicherungsschutz auf dem Abweg begründen könnten, beruhte.

23

dd) Die Nichterweislichkeit der für das Einschlagen der entgegengesetzten Fahrtrichtung maßgebenden Umstände geht nach den Grundsätzen der "objektiven" Beweislastverteilung zu Lasten des Klägers. Die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, müssen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, feststehen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst recht nicht die bloße Möglichkeit. Den Nachteil aus der tatsächlichen Unaufklärbarkeit anspruchsbegründender Tatsachen hat nach den Regeln der objektiven Beweislast der sich auf deren Vorliegen berufende Versicherte zu tragen. Dies gilt auch, wenn nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten die Nichterweislichkeit - wie hier - darauf beruht, dass der Versicherte keine Erinnerung an das zum Unfall führende Geschehen hat (vgl BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 24 f mwN).

24

Die Nichterweislichkeit der für den eingeschlagenen Abweg maßgeblichen, den Versicherungsschutz begründenden Gründe ist damit nach den Regeln der objektiven Beweislastverteilung zu Lasten des Versicherten zu berücksichtigen. Da die irrtümliche Nutzung eines objektiv nicht in Richtung der Arbeitsstätte führenden Weges nur unter bestimmten Umständen unter Versicherungsschutz steht, handelt es sich bei diesen Umständen um anspruchsbegründende Tatsachen (vgl BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 7/99 R - HVBG-INFO 2000, 1846). Der Kläger hat danach den Nachteil der Unaufklärbarkeit der seinen Irrtum verursachenden Umstände, die zu dem eingeschlagenen Abweg führten, zu tragen.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Juli 2015 und des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 25. Juni 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten des gesamten Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle einen Arbeitsunfall erlitten hat.

2

Der in F. wohnende Kläger war als Lagerist bei einem Unternehmen in E. beschäftigt, das auch ein Lager in G. unterhielt. Der übliche Weg von der Wohnung des Klägers zu diesem Lager führte über zwei Autobahnen bis zur Abfahrt G. Nach dieser Abfahrt musste der Kläger rechts auf eine Bundesstraße in Richtung M. abbiegen, um zu seiner Arbeitsstätte zu gelangen. Am 7.1.2011 verließ der Kläger am frühen Abend seine Wohnung, um sich zu seinem Arbeitsplatz in dem Lager in G. zu begeben. Hierfür befuhr er zunächst die beiden Autobahnen bis zur Abfahrt G. Dort bog er aus unbekannter Ursache auf die Bundesstraße nicht in die auf seine Arbeitsstelle führende Richtung, sondern nach links in die Gegenrichtung ab und befuhr die Bundesstraße in dieser Richtung etwa 2,5 km. Er führte dann auf der vierspurigen Bundesstraße ein Wendemanöver durch, bei welchem er mit einem hinter ihm auf der Überholspur fahrenden Pkw zusammenstieß. Der Kläger erlitt erhebliche Verletzungen, ua ein Schädel-Hirn-Trauma. Er hat keine Erinnerung an die Gründe für sein Abbiegen in die falsche Richtung und an den Unfallhergang.

3

Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Der Kläger habe sich auf einem nicht versicherten Abweg befunden, weil er die Bundesstraße nicht in Richtung seiner Arbeitsstätte, sondern in die seiner Arbeitsstelle entgegengesetzte Richtung befahren habe, ohne dass hierfür betriebliche oder verkehrstechnische Gründe erkennbar gewesen seien (Bescheid vom 24.2.2011 und Widerspruchsbescheid vom 14.10.2011).

4

Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben und das Vorliegen eines Arbeitsunfalls festgestellt (Urteil vom 25.6.2013). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 14.7.2015). Der Verkehrsunfall sei ein Arbeitsunfall gewesen, weil er sich noch im inneren Zusammenhang mit dem gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII versicherten Weg zur Arbeitsstätte ereignet habe. Der Kläger sei am Unfalltag mit der Handlungstendenz aufgebrochen, seine Arbeitsstätte zu erreichen. Durch das falsche Abbiegen habe er keinen unversicherten Abweg angetreten, weil die Handlungstendenz unverändert darauf gerichtet gewesen sei, die Arbeitsstätte zu erreichen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Ursache, die zum Falschabbiegen geführt habe, nicht mehr aufklärbar sei. Denn unter Anwendung der Grundsätze des Beweisnotstandes sei zu Gunsten des Klägers davon auszugehen, dass bei ihm eine unveränderte Handlungstendenz bestanden habe. Es hätten keine Anhaltspunkte für ein privates eigenwirtschaftliches Ziel des Klägers in der von der Arbeitsstätte weg führenden Richtung vorgelegen. Das Wendemanöver auf einer vierspurigen Bundesstraße am konkreten Ort zur konkreten Zeit mache nur Sinn, wenn der Kläger seinen vorangegangenen Fehler beim Abbiegen habe korrigieren wollen, um noch rechtzeitig zu seiner Arbeitsstätte zu gelangen. Im Übrigen stünden die Länge der in falscher Richtung auf der Bundesstraße zurückgelegten Fahrstrecke von ca 2,5 km und die Dauer dieser Fahrt von nur wenigen Minuten dem Fortbestehen des inneren Zusammenhangs nicht entgegen. Das Zurücklegen des gesamten Weges stelle aufgrund der fortdauernden Handlungstendenz einen einheitlichen Vorgang dar. Eine den Unfallversicherungsschutz beendende Zäsur liege nicht vor.

5

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII. Ein innerer Zusammenhang zwischen dem Zurücklegen des Weges unmittelbar vor dem Unfall und der versicherten Tätigkeit liege nicht vor, denn eine objektiv feststellbare Zäsur, wie das Einschwenken in einen Abweg, indiziere regelmäßig, dass der innere Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit gelöst worden sei. Nach der Rechtsprechung des BSG lasse ein irrtümliches Verlassen des direkten Weges den inneren Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit auf einem Abweg nur dann fortbestehen, wenn äußere, mit der besonderen Art des Weges verbundene Gefahren, zB Dunkelheit, Sichtbehinderung durch Nebel, schlecht beschilderte Wege oder dergleichen, für das Verirren ursächlich gewesen seien. Faktisch habe das LSG zu Unrecht eine Beweislastumkehr vorgenommen, denn nach den Grundsätzen der Beweislastverteilung gehe es zu Lasten des Klägers, wenn der Grund für die Abweichung von dem direkten Weg nicht feststellbar sei.

6

Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Juli 2015 und des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 25. Juni 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat am 7.1.2011 keinen in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Arbeitsunfall erlitten, weil er sich auf einem unversicherten Abweg befand. Die Ablehnung eines Arbeitsunfalls durch die Beklagte in dem Bescheid vom 24.2.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2011 ist rechtmäßig. Das LSG hat deshalb zu Unrecht die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen. Die vom LSG vorgeschlagene Lösung, allein die subjektive Handlungstendenz auf einem objektiven Abweg für den Versicherungsschutz ausreichen zu lassen, verletzt § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII.

10

1. Die Revision ist zulässig. Die Revisionsbegründung entspricht noch den Begründungsanforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG, wonach die Begründung die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte herausarbeiten und die das Urteil des LSG tragenden Gründe in Frage stellen muss(vgl zB BSG vom 11.4.2013 - B 2 U 21/11 R - NZS 2013, 639 mwN). Auch wenn sich die Beklagte formal an der Begründung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision orientiert, setzt sie sich unter Darstellung des vom LSG festgestellten Sachverhalts mit dessen Entscheidungsgründen auseinander. Sie legt hinreichend dar, dass und warum nach ihrer Auffassung das LSG die als verletzt gerügte Vorschrift des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII nicht richtig angewandt hat.

11

2. a) Der Kläger verfolgt sein Begehren, unter Aufhebung der Verwaltungsakte in den Bescheiden der Beklagten einen Arbeitsunfall festzustellen, zulässig mit der hier statthaften kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (vgl § 54 Abs 1 Satz 1, § 55 Abs 1 Nr 1 SGG; vgl zB BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 9 mwN). Insbesondere ist das nach § 78 SGG erforderliche Widerspruchsverfahren durchgeführt worden. Es kann offenbleiben, ob der Kläger gegen den Bescheid vom 24.2.2011 erst nach Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist des § 84 Abs 1 SGG durch das Schreiben seines Bevollmächtigten am 1.4.2011 Widerspruch eingelegt hat. Denn dem Versicherungsträger steht es frei, trotz des Ablaufs der Widerspruchsfrist über den Widerspruch in der Sache zu entscheiden. Entscheidet der Versicherungsträger in diesem Fall - wie hier die Beklagte - auch sachlich über den Widerspruch, steht die Fristversäumnis der gerichtlichen Nachprüfung des mit dem Widerspruch angegriffenen Verwaltungsaktes nicht entgegen (vgl BSG vom 12.10.1979 - 12 RK 19/78 - BSGE 49, 85 = SozR 1500 § 84 Nr 3).

12

b) Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (stRspr; vgl zuletzt BSG vom 15.11.2016 - B 2 U 12/15 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58; BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 9; BSG vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 11; BSG vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27 RdNr 11; BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 12).

13

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger erlitt zwar bei dem Zusammenstoß mit dem auf der Überholspur fahrenden Pkw eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII. Dieser führte zu einem seine körperliche Unversehrtheit verletzenden Gesundheitserstschaden. Der Kläger war auch als Beschäftigter gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Seine Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses stand jedoch nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit dem hier allein als versicherte Tätigkeit in Betracht kommenden Zurücklegen des unmittelbaren Weges von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte.

14

Zu den in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Zum Unfallzeitpunkt legte der Kläger keinen solchen durch die Wegeunfallversicherung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII geschützten Weg zurück. Zwar bewegte er sich zu diesem Zeitpunkt mit der Handlungstendenz fort, den Ort seiner versicherten Tätigkeit zu erreichen (hierzu unter aa). Diese Handlungstendenz allein konnte - entgegen der Rechtsansicht des LSG - jedoch keinen Versicherungsschutz in der Wegeunfallversicherung auf der zum Unfallzeitpunkt zurückgelegten Wegstrecke begründen, denn der Kläger befand sich zum Zeitpunkt des Unfalls nicht auf dem grundsätzlich unter Unfallversicherungsschutz stehenden direkten Weg, sondern auf einem Abweg (hierzu unter bb). Umstände, die ausnahmsweise den Versicherungsschutz auf einem solchen Abweg begründen konnten, sind nicht feststellbar (hierzu unter cc). Die Nichterweislichkeit dieser Umstände geht nach den Grundsätzen der Beweislastverteilung zu Lasten des Klägers (hierzu unter dd).

15

aa) Der Kläger bewegte sich unmittelbar vor dem Unfallereignis mit der Handlungstendenz fort, seine Arbeitsstätte zu erreichen. Ein sachlicher Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen des Weges iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII besteht, wenn das konkrete Handeln des Versicherten zur Fortbewegung auf dem Weg zur oder von der versicherten Tätigkeit gehört(vgl BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 13 mwN). Maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung der grundsätzlich versicherten Fortbewegung dient, ist die Handlungstendenz des Versicherten. Das Handeln muss subjektiv - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen Tätigkeit ausgerichtet sein. Darüber hinaus muss sich die subjektive Handlungstendenz als von den Instanzgerichten festzustellende Tatsache im äußeren Verhalten des Handelnden (Verrichtung), so wie es objektiv beobachtbar ist, widerspiegeln (vgl BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 14 mwN).

16

Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffenen und damit für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG bewegte sich der Kläger nach dem Verlassen seiner Wohnung mit der Handlungstendenz, seine Arbeitsstätte zu erreichen und dort seine Beschäftigung aufzunehmen. Diese änderte sich nicht und bestand auch unmittelbar vor dem Unfall während des von ihm eingeleiteten Wendemanövers fort.

17

bb) Der Kläger befand sich zum Zeitpunkt des Unfallereignisses allerdings auf einem unversicherten Abweg, weil er den direkten Weg zur Arbeitsstätte verlassen hatte. § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII legt als End- oder Ausgangspunkt des Weges den Ort der versicherten Tätigkeit fest. Der Ort, von dem aus ein versicherter Weg zur Arbeitsstätte angetreten wird, kann auch ein anderer Ort als die Wohnung, sog dritter Ort, sein, wenn sich der Versicherte dort mindestens zwei Stunden aufgehalten hat (vgl zuletzt BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 mwN). Wie sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII und dem dort verwendeten Begriff "unmittelbar" ergibt, steht grundsätzlich nur das Zurücklegen des direkten Weges nach und von der versicherten Tätigkeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Allerdings berühren geringfügige Unterbrechungen, die auf einer Verrichtung beruhen, die bei natürlicher Betrachtung zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist, und gleichsam "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann, den Versicherungsschutz nicht (vgl zuletzt BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 mwN; BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 15; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 15; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 19). Bewegt sich der Versicherte dagegen nicht auf direktem Weg in Richtung seiner Arbeitsstätte oder seiner Wohnung, sondern in entgegengesetzter Richtung von diesem Ziel fort, befindet er sich auf einem sog Abweg. Wird ein solcher Abweg bei einer mehr als geringfügigen Unterbrechung des direkten Weges zurückgelegt, besteht, sobald der direkte Weg verlassen und der Abweg begonnen wird, kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Erst wenn sich der Versicherte wieder auf dem direkten Weg befindet und der Abweg beendet ist, besteht erneut Versicherungsschutz (vgl zuletzt BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 mwN).

18

Der Kläger befand sich nach den bindenden Feststellungen des LSG während des Wendemanövers unmittelbar vor dem Unfall nicht auf dem üblicherweise zurückgelegten direkten Weg von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte. Zwar hatte er zunächst die sonst von ihm befahrene direkte Wegstrecke von seiner Wohnung als Ausgangspunkt des Weges zu seiner Arbeitsstätte zurückgelegt. Diesen Weg unterbrach er jedoch, indem er auf die Bundesstraße anstatt nach rechts in Richtung G. in die zur Arbeitsstätte entgegengesetzte Richtung nach links abbog. Diese Bundesstraße befuhr er unmittelbar vor dem Unfall auf einer Strecke von 2,5 km in der von der Arbeitsstelle wegführenden Richtung. Damit war die Unterbrechung des direkten versicherten Weges mehr als geringfügig im Sinne der soeben angeführten Rechtsprechung. Der Ort des Unfallereignisses war aber auch kein "dritter Ort", von dem aus an Stelle der Wohnung der Weg zur Arbeitsstätte angetreten worden ist, denn die Unterbrechung dauerte nicht mindestens zwei Stunden. Der Kläger befand sich mithin vielmehr auf einem Abweg, der zum Zeitpunkt des Unfalls auch noch nicht beendet war. Auch wenn der Kläger ein Wendemanöver eingeleitet hatte, hatte er zum Zeitpunkt des Unfalls die üblicherweise genutzte direkte Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte noch nicht wieder erreicht.

19

cc) Umstände, die ausnahmsweise den Versicherungsschutz der Wegeunfallversicherung auch auf einem solchen Abweg begründen können, sind nicht feststellbar. Nicht jedes Abweichen vom direkten Weg führt zu einer Lösung des inneren Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit und damit zum Verlust des Versicherungsschutzes in der Wegeunfallversicherung. Versicherungsschutz kann ausnahmsweise auch auf einem Abweg bestehen, wenn dieser im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht (vgl BSG vom 24.3.1998 - B 2 U 4/97 R - SozR 3-2200 § 550 Nr 17 S 68 f). Der Senat hat bereits entschieden, dass der Versicherungsschutz erhalten bleibt, wenn der Versicherte irrtümlich von dem direkten Weg aus Gründen abweicht, die ihrerseits mit dem Zurücklegen des versicherten Weges, insbesondere seiner Beschaffenheit, in Zusammenhang stehen. So besteht Versicherungsschutz in der Wegeunfallversicherung auch auf irrtümlich befahrenen Wegstrecken, wenn der Irrtum auf äußeren, mit der besonderen Art des Weges verbundenen Gefahren, wie zB Dunkelheit, Sichtbehinderung durch Nebel, schlecht beschilderte Wege oder dergleichen, beruht. Das Verirren resultiert in einem solchen Fall aus Umständen, die sich gerade aus der äußeren Beschaffenheit des Verkehrsraumes ergeben, den der Versicherte zum Aufsuchen seiner Arbeitsstelle oder zur Rückkehr von seiner Arbeitsstelle zu seiner Wohnung - also betrieblich veranlasst - nutzen muss, und ist deshalb im Hinblick auf den Schutzzweck der Wegeunfallversicherung in den Versicherungsschutz einbezogen (vgl BSG vom 24.3.1998 - B 2 U 4/97 R - SozR 3-2200 § 550 Nr 17 S 68 f; vgl auch BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 7/99 R - HVBG-INFO 2000, 1846; BSG vom 12.6.1990 - 2 RU 58/89 - HV-INFO 1990, 2064; BSG vom 2.6.1959 - 2 RU 3/57 - SozR Nr 13 zu § 543 RVO; vgl auch BSG vom 28.4.1960 - 5 RKn 9/59 - SozR Nr 23 zu § 543 RVO). Dagegen besteht kein Versicherungsschutz, wenn die irrtümliche Abweichung von dem direkten Weg nicht auf äußeren, mit der besonderen Art des Weges und seinen Gefahren zusammenhängenden, sondern auf in der Person des Versicherten liegenden, eigenwirtschaftlichen Gründen - wie zB Unaufmerksamkeit aufgrund angeregter Unterhaltung - beruht. Denn in diesem Fall wird der Abweg aus Gründen zurückgelegt, die gerade nicht auf der Beschaffenheit der zurückzulegenden Wegstrecke, sondern auf Umständen aus dem eigenwirtschaftlichen Bereich beruhen (vgl BSG vom 24.3.1998 - B 2 U 4/97 R - SozR 3-2200 § 550 Nr 17 S 68 f).

20

An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Allein aus privatwirtschaftlichen Gründen veranlasste Wegstrecken oder Unterbrechungen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit stehen grundsätzlich nicht unter Unfallversicherungsschutz. Der Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung gebietet keine Ausweitung dieses Schutzes auf irrtümlich befahrene Abwege, wenn die Gründe hierfür nicht im Zusammenhang mit der Beschaffenheit der Wegstrecke stehen. Dies wäre nicht mehr vom Zweck der Wegeunfallversicherung gedeckt, Versicherungsschutz auf Wegen, die wegen der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden, und aufgrund von Gefahren, die aus der Beschaffenheit dieser Wege herrühren, zu gewähren (BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 48 RdNr 18; BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 13).

21

Dies gilt auch dann, wenn auf dem irrtümlich eingeschlagenen Abweg die Handlungstendenz des Versicherten fortbesteht, den Weg von und zu der Arbeitsstätte zurückzulegen. Für die Frage, ob auf einem irrtümlichen Abweg Versicherungsschutz besteht, ist nicht allein - wie das LSG angenommen hat - die Handlungstendenz des Versicherten auf dem Abweg maßgeblich, sondern die den Irrtum begründenden Umstände, weil grundsätzlich nur das Zurücklegen des unmittelbaren Weges und nur unter bestimmten Voraussetzungen ein Abweg unter Versicherungsschutz steht. Dementsprechend hat der Senat das Bestehen des Versicherungsschutzes in der Wegeunfallversicherung in Fallkonstellationen verneint, in denen der Versicherte eine Wegstrecke zwar subjektiv auch deshalb zurücklegte, weil er seine Arbeitsstelle bzw seine Wohnung erreichen wollte, sich aber aus eigenwirtschaftlichen Gründen im Unfallzeitpunkt objektiv auf einem Abweg befand (vgl BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 mwN; BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 7/99 R - HVBG-INFO 2000, 1846 ff; BSG vom 24.3.1998 - B 2 U 4/97 R - SozR 3-2200 § 550 Nr 17).

22

Der Kläger befuhr nach den bindenden Feststellungen des LSG zum Zeitpunkt des Unfalls nicht die unmittelbar zu seiner Arbeitsstätte führende Wegstrecke, sondern befand sich auf einem Abweg, weil er irrtümlich nach der Abfahrt von der Autobahn auf die Bundesstraße in die Gegenrichtung abgebogen war. Die Gründe für diesen Irrtum des Klägers konnte das LSG nicht mehr feststellen. Ob der Irrtum damit auf äußeren, mit der besonderen Art des Weges verbundenen Gefahren, wie zB Dunkelheit, Sichtbehinderung durch Nebel, schlecht beschilderte Wege oder dergleichen beruhte, ist nach den auch insoweit gemäß § 163 SGG den Senat bindenden Feststellungen des LSG(zur Bindungswirkung bei fehlender Aufklärbarkeit von Tatsachen: BSG vom 7.4.1987 - 11b RAr 7/86 - Juris RdNr 12 f; BSG vom 26.2.1992 - 1/3 RK 13/90 - Juris RdNr 22) nicht aufklärbar. Es ist danach nicht mehr feststellbar, ob der Irrtum des Klägers auf äußeren, mit der besonderen Art des Weges verbundenen Umständen, die Versicherungsschutz auf dem Abweg begründen könnten, beruhte.

23

dd) Die Nichterweislichkeit der für das Einschlagen der entgegengesetzten Fahrtrichtung maßgebenden Umstände geht nach den Grundsätzen der "objektiven" Beweislastverteilung zu Lasten des Klägers. Die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, müssen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, feststehen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst recht nicht die bloße Möglichkeit. Den Nachteil aus der tatsächlichen Unaufklärbarkeit anspruchsbegründender Tatsachen hat nach den Regeln der objektiven Beweislast der sich auf deren Vorliegen berufende Versicherte zu tragen. Dies gilt auch, wenn nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten die Nichterweislichkeit - wie hier - darauf beruht, dass der Versicherte keine Erinnerung an das zum Unfall führende Geschehen hat (vgl BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 24 f mwN).

24

Die Nichterweislichkeit der für den eingeschlagenen Abweg maßgeblichen, den Versicherungsschutz begründenden Gründe ist damit nach den Regeln der objektiven Beweislastverteilung zu Lasten des Versicherten zu berücksichtigen. Da die irrtümliche Nutzung eines objektiv nicht in Richtung der Arbeitsstätte führenden Weges nur unter bestimmten Umständen unter Versicherungsschutz steht, handelt es sich bei diesen Umständen um anspruchsbegründende Tatsachen (vgl BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 7/99 R - HVBG-INFO 2000, 1846). Der Kläger hat danach den Nachteil der Unaufklärbarkeit der seinen Irrtum verursachenden Umstände, die zu dem eingeschlagenen Abweg führten, zu tragen.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Arbeitsunfalls streitig.

2

Der Kläger war an der Universität B. als Student eingeschrieben. Am 15.12.2008 fiel er auf einem Bahnsteig des Hauptbahnhofs B., an dem die zur Universität führende Bahn abfährt, um. Er prallte mit dem Kopf auf den Boden und blieb liegen. Durch den Aufprall erlitt er ein Schädel-Hirntrauma mit Blutungen im Gehirn. Die Beklagte lehnte die Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall ab (Bescheid vom 29.4.2009) und wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 9.3.2010). Der Kläger habe keinen Arbeitsunfall erlitten. Zwar habe eine innere Ursache für den Sturz nicht festgestellt werden können, dies lasse aber nicht den Schluss zu, dass eine versicherte Tätigkeit oder andere betrieblich bedingte Umstände für das Unfallereignis ursächlich gewesen seien.

3

Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, das Ereignis vom 15.12.2008 als Arbeitsunfall anzuerkennen (Urteil vom 30.7.2012). Neben der versicherten Tätigkeit des Zurücklegens des Weges zur Universität sei keine weitere Ursache feststellbar, sondern allenfalls denkbar, sodass mangels Konkurrenzursache keine Zweifel an der Unfallkausalität bestünden. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 6.5.2014). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zwar einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII erlitten. Der Unfall sei jedoch nicht "infolge" einer versicherten Tätigkeit eingetreten. Die Einwirkung auf den Körper des Klägers sei zwar objektiv, dh im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn, nicht aber rechtlich wesentlich durch dessen zuvor verrichtete Tätigkeit (Zurücklegen des Weges von der Wohnung zur Universität) verursacht worden. Weshalb der Kläger umgefallen sei, sei nicht aufklärbar. Das BSG fordere im Kontext der Wegeunfallversicherung bei der Wesentlichkeitsprüfung, dass sich bei dem Geschehen eine dem Schutzzweck der Wegeversicherung entsprechende, spezifische Gefahr realisiere. Die Wesentlichkeit der Wirkursache sei eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen. Wie und warum der Kläger umgefallen sei, sei nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht mehr feststellbar. Damit könne auch die Verwirklichung einer spezifischen Verkehrsgefahr nicht festgestellt werden. Allein im Umfallen und Aufschlagen auf dem Boden habe sich kein spezifisches Wegerisiko verwirklicht.

4

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 8 Abs 1 SGB VII. Die Unfallkausalität sei immer gegeben, wenn neben der versicherten Tätigkeit keine weiteren konkurrierenden Ursachen festgestellt werden könnten. Die Prüfung, ob die versicherte Tätigkeit rechtlich wesentlich gewesen sei, habe nur zu erfolgen, wenn noch weitere Ursachen festgestellt würden. Dies folge aus dem Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung, weil bei vielen Unfällen der genaue Hergang nicht geklärt werden könne. Das Vorliegen einer inneren Ursache oder anderer konkurrierender Ursachen habe das LSG gerade nicht festgestellt.

5

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 30. Juli 2012 zurückzuweisen.

6

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Die Ablehnung der Feststellung des Ereignisses vom 15.12.2008 als Arbeitsunfall in den angefochtenen Bescheiden der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Arbeitsunfall iS des § 8 Abs 1 iVm Abs 2 Nr 1 SGB VII erlitten.

9

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; stRspr, vgl zuletzt BSG vom 4.12.2014 - B 2 U 18/13 R - SozR 4-2700 § 101 Nr 2 RdNr 16 ff mwN, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; vgl auch BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 20).

10

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar erlitt der Kläger einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII(dazu unter 1.). Den Feststellungen des LSG ist jedoch bereits nicht zu entnehmen, welche konkrete Verrichtung mit welcher Handlungstendenz der Kläger in dem Moment des Unfalls ausübte, sodass schon fraglich ist, ob der Kläger unmittelbar vor dem Unfall als Studierender iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c SGB VII in der Wegeunfallversicherung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auf einem Weg nach dem Ort seiner Studientätigkeit versichert war(dazu 2.). Dies kann aber letztlich offen bleiben, denn der Unfall stellt jedenfalls schon deshalb keinen Arbeitsunfall iS des § 8 SGB VII dar, weil das Unfallereignis dem allein hier als versicherte Tätigkeit in Betracht kommenden Zurücklegen eines solchen Weges rechtlich nicht zugerechnet werden kann(dazu 3.).

11

1. Der Kläger erlitt am 15.12.2008 auf dem Bahnsteig eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII. Er schlug mit dem Kopf auf den Boden auf, wodurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkte (vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 14). Dies führte zu einem seine körperliche Unversehrtheit verletzenden Schädel-Hirntrauma mit Blutungen im Bereich des Gehirns.

12

2. Offen bleiben kann, ob der Kläger unmittelbar vor dem Unfall einer versicherten Verrichtung iS des § 8 Abs 2 Nr 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c SGB VII nachgegangen ist. Als eingeschriebener Student einer Universität war der Kläger am 15.12.2008 Studierender iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c SGB VII(vgl zu diesem Begriff BSG vom 13.2.2013 - B 2 U 24/11 R - SozR 4-2200 § 539 Nr 2 RdNr 13 ff) und damit während seiner Ausbildung an der Hochschule in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert (vgl zur versicherten Tätigkeit zuletzt BSG vom 4.12.2014 - B 2 U 14/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 30 RdNr 13 ff und - B 2 U 10/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 32 RdNr 15 ff, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, sowie - B 2 U 13/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 31 RdNr 15 f; vgl auch BSG vom 26.9.1996 - 2 RU 12/96 - SozR 3-2200 § 539 Nr 36 und vom 4.7.1995 - 2 RU 45/94 - HVBG-INFO 1995, 2377 jeweils mit weiteren Nachweisen). Damit stand er grundsätzlich gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auf einem mit dieser versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weg nach und von dem Ort dieser Tätigkeit unter Versicherungsschutz. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) befand sich der Kläger auf dem unmittelbaren Weg von seiner Wohnung zum Ort seiner versicherten Tätigkeit, der Universität. Der Unfall ereignete sich auf dem Bahnsteig, von dem eine zur Universität führende Bahn abfuhr.

13

Dass der Versicherte sich auf dem unmittelbaren Weg zwischen dem Ort seiner versicherten Tätigkeit und seiner Wohnung befindet, reicht jedoch für den Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII nicht aus. Vielmehr muss auch die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses in einem sachlichen Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen des Weges stehen. Ein solcher sachlicher Zusammenhang besteht, wenn das konkrete Handeln des Versicherten zur Fortbewegung auf dem Weg zur oder von der versicherten Tätigkeit gehört (BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 11 mwN). Andernfalls wäre jede Handlung auf einem Weg iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII vom Versicherungsschutz umfasst. Einen solchen "Wegebann" kennt die gesetzliche Unfallversicherung hingegen nicht.

14

Wie das BSG seit seiner Entscheidung vom 9.12.2003 (B 2 U 23/03 R - BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3) in ständiger Rechtsprechung betont hat (vgl nur Urteile vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 25, vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 und - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29, RdNr 22 f sowie vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32), ist maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung der grundsätzlich versicherten Fortbewegung dient, die Handlungstendenz des Versicherten (zuletzt Urteile vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 12 und - B 2 U 12/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 49 RdNr 18). Das Handeln muss subjektiv - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen Tätigkeit ausgerichtet sein (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 31 und vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 14). Darüber hinaus muss sich die subjektive Handlungstendenz als von den Instanzgerichten festzustellende Tatsache im äußeren Verhalten des Handelnden (Verrichtung), so wie es objektiv beobachtbar ist, widerspiegeln (vgl BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 11 mwN). Eine Verrichtung in diesem Sinne ist jedes konkrete, räumlich und zeitlich bestimmte Verhalten eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar ist. Für die Prüfung ist dabei regelmäßig die kleinste beobachtbare Handlungssequenz maßgebend (vgl Spellbrink, WzS 2011, 351, 354).

15

Das LSG hat offen gelassen, ob der Kläger unmittelbar vor dem Sturz gestanden hat oder gegangen ist. Auch eine andere Verrichtung ist den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen. Selbst wenn der Aufenthalt des Klägers auf dem Bahnsteig an sich - allerdings als dann nicht mehr kleinste beobachtbare Handlungssequenz - ausnahmsweise als die maßgebliche Verrichtung angesehen würde, bleibt dennoch die objektivierte Handlungstendenz im Zeitpunkt des Unfallereignisses, zu dem Ort der Tätigkeit - hier der Universität - zu gelangen, mangels entsprechender Feststellungen durch das LSG offen. Daher kann schon nicht beurteilt werden, ob ein sachlicher Zusammenhang der zur Zeit des Unfallereignisses ausgeübten Verrichtung mit dem grundsätzlich versicherten Zurücklegen des Weges bestand.

16

Ungeachtet dessen, ob sich die Verrichtung und Handlungstendenz überhaupt noch aufklären lassen, kann im vorliegenden Fall aber dahinstehen, ob der soeben dargestellte sachliche Zusammenhang mit der Verrichtung im Zeitpunkt des Unfallereignisses gegeben war. Denn selbst wenn ein solcher sachlicher Zusammenhang angenommen würde, scheitert der Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Arbeitsunfalls jedenfalls daran, dass der Unfall nicht "infolge" des Zurücklegens dieses Weges eingetreten und ihm deshalb rechtlich nicht zuzurechnen ist.

17

3. Der Unfall ist nicht einer versicherten Tätigkeit iS des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII zuzurechnen, weil sich nicht feststellen lässt, dass sich mit dem Aufprall auf dem Bahnsteig eine Gefahr verwirklicht hat, die in den Schutzbereich der Wegeunfallversicherung fällt.

18

a) Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung haben Schutz gegen Gefahren zu gewähren, die sich durch die ihre Verbandszuständigkeit, den Versicherungsschutz und das Versichertsein des Verletzten begründende Verrichtung von im jeweiligen Versicherungstatbestand konkret umschriebenen Tätigkeiten realisieren können. Ihre Einstandspflicht besteht nur dann, wenn sich durch eine Handlung des Geschädigten, die den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht hat, gegen dessen Eintritt nicht die Unfallversicherung "allgemein", sondern der jeweils durch die Handlung erfüllte Versicherungstatbestand schützen soll. Die Zurechnung des Schadens eines Versicherten zum Versicherungsträger erfordert daher zweistufig die Erfüllung erstens tatsächlicher und zweitens darauf aufbauender rechtlicher Voraussetzungen. Die Verrichtung der versicherten Tätigkeit muss die Einwirkung und in gleicher Weise muss die Einwirkung den Gesundheitserstschaden oder den Tod sowohl objektiv (1. Stufe) als auch rechtlich wesentlich (2. Stufe) verursacht haben (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 32 ff mwN).

19

Auf der ersten Stufe setzt die Zurechnung mithin voraus, dass die Einwirkung durch die versicherte Verrichtung objektiv (mit-)verursacht wurde. Für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine Wirkursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und hat der Unfallversicherungsträger nicht einzustehen. Wirkursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. In der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die im Sinne der "conditio-Formel" eine erforderliche Bedingung des Erfolges war, in einer besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss Wirkursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine bloß im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein. Ob die versicherte Verrichtung eine Wirkursache für die festgestellte Einwirkung war, ist eine rein tatsächliche Frage. Wie bereits ausgeführt, ist die Verrichtung des Klägers vor dem Unfallereignis vom LSG nicht festgestellt worden, sodass die Annahme eines Ursachenzusammenhangs bereits an der ersten Stufe scheitert. Dies kann - wie bereits angedeutet - aber letztlich dahinstehen, weil sich jedenfalls bei dem Unfall des Klägers kein spezifisches Wegerisiko verwirklicht hat.

20

Selbst wenn eine versicherte Tätigkeit als Wirkursache feststeht, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten weiteren mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der "Wesentlichkeit" der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll. Eine Rechtsvermutung dafür, dass eine versicherte Verrichtung - wie hier ggf das Stehen auf dem Bahnsteig - wegen ihrer objektiven (Mit-)Verursachung der Einwirkung - die hier gerade nicht festgestellt ist - auch rechtlich wesentlich war, besteht nicht. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist vielmehr zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R, aaO, RdNr 33 ff).

21

Ob eine Ursache rechtlich wesentlich ist, ist auch dann zu prüfen, wenn sie als alleinige Ursache festgestellt ist, weil andere (Mit-)Ursachen nicht erwiesen oder nicht in Betracht zu ziehen sind. Denn auch in diesem Fall wird die Einstandspflicht des Unfallversicherungsträgers nur begründet, wenn sich durch den Unfall, der durch die versicherte Verrichtung objektiv verursacht wurde, eine Gefahr verwirklicht hat, gegen die die Versicherung schützen soll. Diese Voraussetzung wird zumeist erfüllt sein, bedarf aber stets der Entscheidung (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R, aaO, RdNr 42). Dem stehen die vom Kläger benannten Urteile des Senats vom 30.1.2007 (B 2 U 23/05 R - BSGE 98, 79 = SozR 4-2700 § 8 Nr 22) und vom 17.2.2009 (B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31) nicht entgegen. Nach den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten waren die dort vom LSG festgestellten Verrichtungen unmittelbar vor dem Unfall der jeweiligen versicherten Tätigkeit zuzurechnen und die nichtversicherten Ursachen waren lediglich mögliche Wirkursachen. Entscheidend war aber auch dort, dass sich durch den Unfall jeweils eine Gefahr verwirklicht hatte, vor der der jeweilige Versicherungstatbestand gerade schützen sollte, nämlich die Gefahr eines Sturzes während des der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Laufens bzw eines Verkehrsunfalls während des dem Zurücklegen des Weges zuzurechnenden Steuerns eines Kraftfahrzeugs. Somit war dort die im vorliegenden Fall zu verneinende Frage, ob sich jeweils im Hinblick auf diese Verrichtung durch das Unfallereignis eine Gefahr verwirklicht hatte, vor der die gesetzliche Unfallversicherung schützen soll, unproblematisch zu bejahen.

22

b) Das Umfallen und der Aufprall des Klägers auf den Bahnsteig war danach jedenfalls nicht rechtlich wesentlich durch eine zuvor versicherte Tätigkeit verursacht worden. Wie ausgeführt, ist den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG lediglich zu entnehmen, dass sich der Kläger auf dem Bahnsteig befand. Das LSG konnte jedoch nicht feststellen, von welchen konkreten Umständen das Unfallereignis begleitet war. Insbesondere steht nicht fest und ist nach den insoweit unangegriffenen Beweiswürdigungen des LSG auch nicht mehr feststellbar, ob der Kläger unmittelbar vor dem Ereignis sich bewegt hat, sodass er dabei möglicherweise stolperte oder ausrutschte, oder ob er aus dem Stand umfiel, ob er angerempelt wurde, gegen eine Vitrine stieß, ob die Bodenverhältnisse auf dem Bahnsteig den Sturz bewirkten oder ob ggf eine (innere) Erkrankung bestand. Mithin ist nicht feststellbar, welche Faktoren im Zeitpunkt des Sturzes und Aufpralls auf den Kläger eingewirkt haben. Damit kann auch nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sich durch das Unfallereignis ein Risiko verwirklicht hat, vor dem gerade die Wegeunfallversicherung Schutz gewähren soll.

23

Die Wegeunfallversicherung schützt, wie der Senat zuletzt entschieden hat, vor Gefahren für Gesundheit und Leben, die aus der Teilnahme am öffentlichen Verkehr als Fußgänger oder Benutzer eines Verkehrsmittels, also aus eigenem oder fremdem Verkehrsverhalten oder äußeren Einflüssen während der Zurücklegung des Weges hervorgehen (BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 20 und vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 45). Zwar könnte das Risiko, beim Gehen durch Stolpern oder Ausrutschen, durch einen Zusammenstoß mit einer Vitrine oder durch den Anstoß anderer Personen zu stürzen, jeweils von dem Schutzzweck der Wegeunfallversicherung umfasst sein. Solche äußeren Einwirkungen auf den Körper des Klägers müssten als solche aber zunächst konkret festgestellt sein, was hier gerade nicht der Fall ist. Ihre Nichterweislichkeit geht zu Lasten des Klägers.

24

c) Die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, müssen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, feststehen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 mwN). In der Wegeunfallversicherung wie auch sonst bei anderen Versicherungstatbeständen der gesetzlichen Unfallversicherung besteht keine Vermutungsregel, dass bei Verrichtung einer versicherten Tätigkeit unmittelbar vor dem Unfallereignis der Unfall objektiv und rechtlich wesentlich durch diese versicherte Tätigkeit verursacht wurde. Sind - wie hier - die Umstände, die vor dem Unfallereignis unmittelbar auf den Kläger eingewirkt haben, unbekannt, kann nicht mit dem erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Sturz durch ein Risiko verursacht wurde, gegen das die gesetzliche Unfallversicherung beim Zurücklegen des Weges nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII Schutz gewähren soll.

25

Den Nachteil aus der tatsächlichen Unaufklärbarkeit anspruchsbegründender Tatsachen hat nach den Regeln der objektiven Beweislast der Kläger zu tragen. Für die erforderlichen Feststellungen der Tatsachen können ua die Angaben des Versicherten, Bekundungen von Zeugen und Sachverständigen sowie sonstige Umstände herangezogen werden. Die Beklagte und die Vorinstanzen haben - soweit ersichtlich - alle denkbaren Beweismittel ausgeschöpft. Insofern werden auch von der Revision keine Rügen erhoben. Ist danach dennoch das zum Unfallereignis führende Geschehen und insbesondere - wie hier - die zum Unfallereignis führende Kausalkette nicht aufklärbar, geht dies zu Lasten des Versicherten (vgl hierzu BSG vom 27.3.1990 - 2 RU 45/89 - HV-INFO 1990, 1181 mwN; vgl auch BSG vom 28.6.1984 - 2 RU 54/83 - HV-INFO 1984, Nr 15, 40 bis 44). Wie bereits oben ausgeführt, kann ohne Feststellung der konkreten Kausalkette nicht aus der bloßen Tatsache des "auf dem Wege seins" abgeleitet werden, dass sich auch eine Gefahr realisiert hat, die in den Schutzbereich der Wegeunfallversicherung fällt. Ein solcher "Wegebann" entspricht nicht dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Entgegen der Auffassung der Revision führt auch der allgemeine Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung nicht dazu, dass die Nichterweislichkeit der Ursache bei ungeklärtem Unfallhergang jeweils zu Lasten des Unfallversicherungsträgers geht. Denn die Einstandspflicht und damit der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung besteht auch in der Wegeunfallversicherung nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII nur dann, wenn sich durch eine Handlung des Geschädigten, die den gesetzlichen Tatbestand dieser versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht hat, gegen dessen Eintritt nicht die Unfallversicherung "allgemein", sondern der jeweils durch die Verrichtung erfüllte Versicherungstatbestand der Wegeunfallversicherung schützen soll. Ein solches spezifisches Wegerisiko als Unfallursache ist hier aber nicht feststellbar, was zu Lasten des Klägers geht.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die gerichtliche Feststellung, dass sein Bandscheibenvorfall im Bereich C 6/7 seiner Halswirbelsäule (HWS) ein weiterer Gesundheitserstschaden seines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 3.7.2005 ist.

2

Der Kläger absolvierte an diesem Tag als Arbeitnehmer eines Automobilherstellers aufgabengemäß eine Testfahrt auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke in Italien. Dabei platzte bei einer Geschwindigkeit von 295 km/h ein Hinterreifen seines Fahrzeugs. Es kam von der Fahrbahn ab, durchbrach die Leitplanke und kam in einem Wäldchen zum Stehen.

3

Bei der Erstuntersuchung des Klägers erbrachten die Röntgenaufnahmen keinen Anhalt für Frakturen. Am 6.7.2005 diagnostizierte ein Facharzt für Chirurgie ua eine Halswirbelsäulen-Distorsion (Verstauchung, Zerrung). In der Kernspintomographie der HWS vom 4.8.2005 wurden erhebliche degenerative Veränderungen bei multisegmentaler Osteochondrose sowie für den Bereich von C 6/7 eine fast normal hohe Bandscheibe mit normal weiten Neuroforamina (Wurzelkanälen) beschrieben. Eine weitere Kernspintomographie der HWS vom 30.8.2005 ergab zwischen den Halswirbelkörpern C 6/7 einen links gelegenen Bandscheibenvorfall mit intraforaminaler Vorfallskomponente. Eine Begleitverletzung wurde nicht benannt.

4

Im Bescheid vom 18.10.2007 anerkannte die Beklagte den Unfall vom 3.7.2005 als Arbeitsunfall. Als "Unfallfolgen" wurden "Druck- und Klopfschmerz über der oberen Brustwirbelsäule nach unter keilförmiger Deformierung knöchern verheilter Deckplattenimpressionsfraktur des 2. Brustwirbelkörpers" anerkannt.

5

Ferner wurde festgestellt, der Bandscheibenvorfall zwischen dem 6. und 7. Halswirbelkörper sei keine "Folge des Arbeitsunfalls", weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung. Ein traumatischer Bandscheibenvorfall sei angesichts des MRT-Befundes vom 4.8.2005, in dem eine Traumatisierung des Segments C 6/7 nicht beschrieben sei, zu verneinen. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28.2.2008).

6

Das SG Karlsruhe hat mit Urteil vom 14.7.2010 festgestellt, dass "die Versteifung im Bewegungssegment C 6/7 mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik … Folge des Arbeitsunfalls vom 03.07.2005" sei.

7

Die Beklagte hat mit ihrer Berufung geltend gemacht, das Urteil sei in seiner Kausalitätsbeurteilung mit dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht vereinbar. Im Standardwerk der gesetzlichen Unfallversicherung von Schönberger/Mehrtens/Valentin, das den anerkannten neuesten medizinischen Kenntnisstand dokumentiere, werde seit der 7. Auflage ausgeführt, dass die traumatische Verursachung eines isolierten Bandscheibenschadens ohne Begleitverletzung nicht möglich sei. Dazu sei Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

8

Das LSG hat die Berufung durch Beschluss vom 22.12.2010 zurückgewiesen. Es sei vorliegend zumindest wahrscheinlich, dass der Unfall vom 3.7.2005 naturwissenschaftliche Ursache des beim Kläger aufgetretenen Bandscheibenvorfalls im Bewegungssegment C 6/7 gewesen sei. Hierfür sprächen vor allem jene Indizien, die auf eine akute Schädigung im Bereich des Bewegungssegments C 6/7 und damit eine Substanzschädigung der betreffenden Bandscheibe in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfallereignis hinwiesen. Vor dem Unfall sei der Kläger trotz bestehender degenerativer Veränderungen gerade auch im Bereich der HWS beschwerdefrei gewesen. Der Unfall habe zu einer Einwirkung auf den oberen Bereich der Wirbelsäule geführt. Umstände, die üblicherweise gegen einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang sprächen, hätten im vorliegenden Fall keine durchgreifende Bedeutung.

9

Zu Unrecht berufe sich die Beklagte auf das Werk von Schönberger/Mehrtens/Valentin und meine, es sei dort dokumentierter neuester medizinischer Kenntnisstand, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall immer mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen einhergehe. Diesen Ausführungen könne aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Denn dieses Standardwerk der unfallmedizinischen Literatur vermenge die Prüfung der naturwissenschaftlichen Kausalität auf der ersten Stufe mit der wertenden Entscheidung der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung (Wesentlichkeit). Bei der Prüfung der Wesentlichkeit handele es sich um eine wertende Entscheidung, die dem juristischen Betrachter vorbehalten sei.

10

Der Antrag der Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens werde abgelehnt. Selbst wenn die von Schönberger/Mehrtens/Valentin vertretene Auffassung den herrschenden medizinischen Kenntnisstand der Kausalitätsbetrachtung wiedergeben sollte, ändere dies nichts daran, dass dieser Kenntnisstand der Kausalitätsbetrachtung nicht zugrunde gelegt werden dürfe, weil er die maßgebenden rechtlichen Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG vernachlässige.

11

Lägen - wie hier - Hinweise auf eine traumatische Schädigung vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall "örtlich-zeitlich in Rede" stehe, sei ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen.

12

Sei der naturwissenschaftliche Zusammenhang zu bejahen, stelle sich die Frage (zweite Stufe der Kausalitätsprüfung), ob das Unfallereignis auch wesentlich gewesen sei. Hierbei sei vor dem Hintergrund der Schwere des Unfalltraumas mit einer plötzlichen unphysiologischen Belastung der HWS den bereits vorliegenden degenerativen Veränderungen im Hinblick auf den aufgetretenen Bandscheibenvorfall keine überragende Bedeutung beizumessen gewesen. Demnach sei das Unfallereignis wesentliche Mitursache des erlittenen Bandscheibenvorfalls und die beim Kläger in der Folge erforderlich gewordene Versteifung im Bewegungssegment einschließlich der fortbestehenden Schmerzsymptomatik als Unfallfolge festzustellen.

13

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII und einen Verstoß gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung(§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Bandscheibenvorfall liege nicht vor. Das LSG habe nicht den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ermittelt.

14

Die Beklagte beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Juli 2010 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

15

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Beschlusses des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet.

17

1. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann das BSG nicht abschließend darüber befinden, ob die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, die die Verbandszuständigkeit der Beklagten begründet und eine Einwirkung auf die HWS des Klägers wesentlich mitverursacht hat (dazu unter 3.), dadurch auch eine objektive und zudem rechtlich wesentliche Mitursache des Bandscheibenvorfalls auf der Höhe des 6./7. Halswirbelkörpers geworden ist. Nur dann wäre dieser ein Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls.

18

Das LSG hat nicht festgestellt, ob dieser Schaden nach Maßgabe des derzeit anerkannten Standes der medizinischen Wissenschaft durch die verrichtungsbedingte und deshalb versicherte Einwirkung unmittelbar objektiv mitverursacht wurde (dazu unter 4.). Seine Ansicht, dies könne durch "eine wertende Entscheidung …, die … dem juristischen Betrachter vorbehalten" sei, im Rahmen der rechtlichen "Wesentlichkeitsbeurteilung" ersetzt werden, verfehlt den Rechtsbegriff der unfallversicherungsrechtlichen "Wesentlichkeit" einer Ursache für eine bestimmte Wirkung (dazu unter 3. und 5.).

19

2. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Revision gegen die Zurückweisung ihrer zulässigen Berufung durch das LSG. Mit ihr wandte sie sich erstens gegen die Aufhebung ihres Verwaltungsakts durch das SG, der Kläger habe gegen sie keinen Anspruch auf Feststellung seines Bandscheibenvorfalls C 6/7 als "Folge des Arbeitsunfalls". Zweitens begehrte sie die Aufhebung des Feststellungsurteils des SG, dass die "Versteifung im Bewegungssegment C 6/7 mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik … Folge des Arbeitsunfalls vom 03.07.2005" sei. Der Erfolg ihrer Rechtsmittel hängt davon ab, ob die zulässige Kombination der zulässigen Anfechtungs- mit der zulässigen Feststellungsklage des Klägers begründet ist. Das wäre dann der Fall, wenn sie durch ihren negativ feststellenden Verwaltungsakt einen Anspruch des Klägers auf die Feststellung eines Bandscheibenvorfalls C 6/7 als Gesundheitserstschaden zu Unrecht abgelehnt hätte. Dann wäre dieser (insoweit unter klarstellender Änderung des bisherigen Ausspruchs des SG) durch Feststellungsurteil als weiterer Erstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls festzustellen. Andernfalls hätte ihre Revision durchgreifenden Erfolg.

20

Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG zwischen den Beteiligten klargestellt werden konnte, richtete sich das Begehren des Klägers von Anfang an nicht auf die Feststellung seines Bandscheibenvorfalls als eine (unmittelbare) Unfallfolge. Ihm kam es vielmehr stets auf die Feststellung dieses Gesundheitsschadens als weiteren Erstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls an. Eine unmittelbare Unfallfolge kann sich hingegen nur infolge eines Gesundheitserstschadens einstellen, der selbst als Tatbestandsvoraussetzung des Unfallbegriffs iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII dem Begriff des Arbeitsunfalls unterfällt. Der Bandscheibenvorfall war zudem ersichtlich keine Wirkung eines bereits anerkannten Erstschadens. Bei sachgerechter Auslegung war auch die angefochtene negative Feststellung der Beklagten auf die Ablehnung der Anerkennung eines Erstschadens gerichtet.

21

3. Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG ist nicht abschließend beurteilbar, aber möglich, dass dem Kläger der erhobene Feststellungsanspruch gegen die Beklagte zusteht. Jeder Versicherte hat nämlich das Recht, vom zuständigen Unfallversicherungsträger gemäß § 102 SGB VII die Feststellung aller Erstschäden (Gesundheitserstschäden oder Tod) eines Arbeitsunfalls iS von § 8 Abs 1 SGB VII zu verlangen, wenn ein solcher eingetreten ist(vgl BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 8 Nr 43 vorgesehen, Juris RdNr 15 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - SozR 4-2700 § 11 Nr 1 RdNr 15 f).

22

a) Der Anspruch scheitert nicht schon daran, dass die Beklagte eine insoweit unanfechtbar gewordene Feststellung getroffen hat, der Kläger habe infolge seiner versicherten Testfahrt einen Arbeitsunfall mit folgenden Gesundheitserstschäden erlitten: "Druck- und Klopfschmerz über der oberen Brustwirbelsäule nach unter keilförmiger Deformierung knöchern verheilter Deckplattenimpressionsfraktur des 2. Brustwirbelkörpers".

23

Die rechtliche Bindungswirkung dieses Verwaltungsakts erstreckt sich nicht auf die hier umstrittene Frage, ob die infolge der Testfahrt eingetretene Einwirkung auf den Körper des Klägers weitere Gesundheitserstschäden (objektiv und unfallversicherungsrechtlich wesentlich) mitverursacht hat. Werden die Erstschäden anfangs nur unvollständig anerkannt, hat der Versicherte Anspruch auf eine vollständige Feststellung aller objektiv vom Arbeitsunfall umfassten Gesundheitserstschäden. Entscheidet der Versicherungsträgerbei seiner Feststellung eines Arbeitsunfalls, wie hier, dass der Versicherte keinen Anspruch auf Feststellung bestimmter weiterer Erstschäden habe, oder stellt er die Gesundheitserstschäden ausdrücklich abschließend (positiv oder negativ) fest, ist dagegen der Widerspruch gegeben (nach Fristablauf allein §§ 44 f SGB X). Da hier erstmals um einen weiteren, von der Beklagten abgelehnten Gesundheitserstschaden gestritten wird, erfasst die rechtliche Bindungswirkung des den Arbeitsunfall feststellenden Verwaltungsakts den hier rechtshängigen Streitgegenstand nicht.

24

b) Die Feststellungen des LSG lassen erkennen, dass der Kläger möglicherweise einen Anspruch auf Feststellung der umstrittenen Gesundheitserstschäden hat. Denn danach hat er eine versicherte Tätigkeit als Beschäftigter verrichtet und infolge dessen ein Unfallereignis erlitten (dazu sogleich).

25

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 (oder 8 Abs 2) SGB VII begründenden Tätigkeit(versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs 1 Satz 2).

26

Daher muss eine Verrichtung des Verletzten vor dem fraglichen Unfallereignis, das "infolge" also ua nach dieser Verrichtung eingetreten sein muss, den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Nur dies begründet seine Versichertenstellung in und seinen Versicherungsschutz aus der jeweiligen Versicherung.

27

Diese (versicherte) Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis), kurz gesagt: eine Einwirkung, objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese (versicherte) Einwirkung muss einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).

28

Die den Versicherungsschutz in der jeweiligen Versicherung begründende "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" müssen (vom Richter im Überzeugungsgrad des Vollbeweises) festgestellt sein.

29

aa) § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII setzt voraus, dass der Verletzte eine "den Versicherungsschutz" begründende "Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)" verrichtet hat und dass der Unfall (iS von Satz 2 aaO) "infolge" dieser versicherten Tätigkeit eingetreten ist.

30

Diese gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen umschreiben den Rechtsgrund, aufgrund dessen der wegen einer Verrichtung einer versicherten Tätigkeit durch den Verletzten verbandszuständige Unfallversicherungsträger überhaupt versicherungsrechtlich für die Schäden, Nachteile und Bedarfe des verunfallten Verletzten einstehen soll. Er soll nur verpflichtet sein, soweit der Versicherungsschutz durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit in der jeweiligen Versicherung begründet ist. Er soll deshalb (grundsätzlich) nur einstehen müssen für Gesundheitsschäden (oder Tod und ggf wirtschaftliche Folgen etc), die "infolge" der versicherten Verrichtung eingetreten sind und ein Risiko realisieren, gegen das die jeweils begründete Versicherung schützen soll. Zurechnungsvoraussetzungen sind somit auf der ersten Stufe die (faktisch-objektive) Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung des Verletzten für den Schaden und auf der darauf aufbauenden zweiten Stufe dessen rechtliche Erfassung vom jeweiligen Schutzzweck der begründeten Versicherung.

31

bb) Die Zurechnung setzt somit erstens voraus, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit den Schaden (ggf neben anderen konkret festgestellten unversicherten Wirkursachen) objektiv mitverursacht hat. Denn für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Verrichtung keine Wirkursache war, ist schlechthin kein Versicherungsschutz begründet, hat also der Versicherungsträger nicht einzustehen. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar (BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 22) und (subjektiv, also jedenfalls in laienhafter Sicht) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist (innere Tatsache). Als (objektives) Handeln des Verletzten kann es erste Ursache einer objektiven Verursachungskette sein. Diese kann über die Einwirkung auf den Körper, über Gesundheitserstschäden oder Tod hinaus bis zu unmittelbaren oder iS von § 11 SGB VII, der für die zweite Stufe andere Zurechnungsgründe als die "Wesentlichkeit" regelt, mittelbaren Unfallfolgen sowie ua zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zu den Bedarfen reichen, derentwegen das SGB VII Leistungsrechte vorsieht.

32

Erst dann, wenn die "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" festgestellt sind, kann und darf (auf der ersten Stufe der Zurechnung) über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung (objektive Verursachung) zwischen der Verrichtung und der Einwirkung (mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit) entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und ggf mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung (ggf neben anderen konkret festgestellten unversicherten Wirkursachen) eine Wirkursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper des Versicherten war.

33

cc) Zweitens muss der (letztlich) durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll.

34

Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage (so schon BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17), ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, "wesentlich", war. Denn die unfallversicherungsrechtliche Wesentlichkeit der Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung (etc) muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden.

35

Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstatbestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl hierzu BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 21 vorgesehen - RdNr 21 ff - Lebendnierenspende).

36

Bei der folgenden Subsumtion muss vorab entschieden werden, ob die versicherte Verrichtung durch ihren auf der ersten Stufe festgestellten Verursachungsbeitrag überhaupt ein Risiko verwirklicht hat, das in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fällt. Nur wenn dies, wie zumeist, zu bejahen ist, kommt es darauf an, ob ggf konkret festgestellte unversicherte Mitursachen, die selbst die Zurechnung zum Unfallversicherungsträger nie begründen können, gleichwohl die Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die unversicherten Wirkursachen das gesamte Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass die Wirkung insgesamt trotz des Mitwirkungsanteils der versicherten Verrichtung nicht mehr unter den Schutzbereich der jeweiligen Versicherung fällt. Bei dieser Subsumtion sind alle auf der ersten Stufe im Einzelfall konkret festgestellten versicherten und unversicherten Wirkursachen mit ihren ggf festgestellten Mitwirkungsanteilen in einer rechtlichen Gesamtabwägung nach Maßgabe des jeweilig festgestellten Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes zu bewerten.

37

Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als "wesentliche Ursache" (vgl schon RVA vom 24.5.1912, AN 1912, 930 = Breithaupt 1912, 212; GS RVA vom 26.2.1914, AN 1914, 411 <2690>; vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R -; BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 17).

38

dd) In gleicher Weise muss zum Vorliegen eines Arbeitsunfalls ggf die versicherte Einwirkung den Erstschaden (ggf den Tod) a) objektiv und b) rechtlich wesentlich verursacht haben. Dabei kommt es schon wegen der Einheit des jeweiligen Versicherungsfalls stets auch darauf an, dass die Zurechnungskette auf ein- und dieselbe versicherte und den Versicherungsschutz bei dem Unfallversicherungsträger begründende Verrichtung zurückzuführen ist.

39

ee) Diese Voraussetzungen müssen für jeden einzelnen Gesundheitserstschaden erfüllt sein. "Gesundheitserstschaden" ist jeder abgrenzbare Gesundheitsschaden, der unmittelbar durch eine versicherte Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde, die durch ein- und dieselbe versicherte Verrichtung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde. Es handelt sich also um die ersten voneinander medizinisch abgrenzbaren Gesundheitsschäden (oder den Tod), die "infolge" ein- und derselben versicherten Verrichtung eintreten.

40

c) Nach den Feststellungen des LSG liegt eine versicherte Verrichtung des Klägers vor, die eine Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat.

41

aa) Der Kläger hat durch seine Testfahrt den Tatbestand der versicherten Tätigkeit als "Beschäftigter" iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII erfüllt(zu den Voraussetzungen dieses Tatbestandes näher BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2700 § 2 Nr 20 vorgesehen). Denn er hat dadurch zur Erfüllung einer Hauptpflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis mit dem Automobilhersteller zumindest angesetzt, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG auch in tatsächlicher Hinsicht abschließend außer Streit gestellt werden konnte. Er war daher in der Beschäftigtenversicherung grundsätzlich gegen alle Gefahren unfallversichert, die sich "infolge" der versicherten Testfahrt verwirklichten.

42

bb) Das LSG hat ferner bindend festgestellt, dass es infolge der Testfahrt zu einer "Einwirkung auf den oberen Bereich der Wirbelsäule" gekommen ist. Unter "Einwirkung" (als Kurzbezeichnung für das von außen kommende, zeitlich begrenzt einwirkende Unfallereignis) ist die durch einen solchen Vorgang ausgelöste Änderung des physiologischen Körperzustandes zu verstehen, die von dem (möglicherweise zeitnah danach eintretenden) Gesundheitserstschaden zu unterscheiden ist. Das LSG hat zur Natur der körperlichen Veränderung festgestellt, dass ein Chirurg am 6.7.2005 beim Kläger eine "HWS-Distorsion" diagnostiziert habe. Nach dem Gesamtzusammenhang des Beschlusses des LSG hat es sich diese Diagnose zu eigen gemacht. Eine solche HWS-Verstauchung genügt jedenfalls dem (weiten) Einwirkungsbegriff.

43

cc) Das LSG hat auch noch festgestellt, dass die versicherte Testfahrt mit äußerst hoher Geschwindigkeit, das Platzen des Autoreifens, das Abkommen von der Testbahn, das Durchbrechen der Leitplanke und das Abstoppen im Wäldchen diese Einwirkung auf die HWS objektiv mitverursacht haben. Auch wenn das LSG keine näheren Feststellungen zur Ursache des Platzens des Reifens (ua Materialfehler, äußere Ursache) und auch nicht dazu getroffen hat, ob es bei der Testfahrt gerade um die Prüfung der Belastbarkeit der Reifen ging, ist seine Feststellung rechtlich nicht zu beanstanden, dass die versicherte Testfahrt als Grundvoraussetzung des Unfallhergangs eine mitwirkende Ursache für die Einwirkung war. Wie zudem vor dem BSG zur Gehörsgewährung eingeführt und von den Beteiligten bestätigt wurde, entspricht es dem heutigen allgemeinkundigen Stand der Erfahrung, dass ein solcher Ablauf einer Autofahrt Ursache eines starken Aufpralls mit der Wirkung ua einer Verstauchung der HWS sein kann und nach den konkreten Umständen des Falles hier auch war. Weitere Mitursachen wurden vom LSG nicht festgestellt und von der Beklagten nicht behauptet.

44

dd) Das LSG hat sinngemäß auch die rechtliche Beurteilung geäußert, dass das versicherte Handeln des Klägers eine mit der Erfüllung dieser Pflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis verbundene Gefahr für seine Gesundheit verwirklicht hat. Das trifft bundesrechtlich zu. Denn die Beschäftigtenversicherung soll grundsätzlich in allen Lebens- und Gesundheitsgefahren schützen, die sich aus dem Handeln zur Erfüllung von Pflichten oder zur Wahrnehmung unternehmensbezogener Rechte aus dem Beschäftigungsverhältnis unter Eingliederung in einen vom Unternehmer bestimmten Gefahrenbereich ergeben. Der Kläger hat infolge der ihm aufgetragenen Testfahrt mit äußerst hoher Geschwindigkeit Gesundheitsgefahren eingehen müssen, die sich in der Einwirkung realisiert haben. Damit fällt die durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Einwirkung auf die HWS unter den Schutzbereich der hier begründeten Beschäftigtenversicherung. Die konkret festgestellten Mitursachen der Einwirkung, das Platzen des Reifens, der Widerstand der durchbrochenen Leitplanke schließen in der gebotenen rechtlichen Gesamtabwägung die Zuordnung der HWS-Verstauchung zum Schutzbereich der Beschäftigtenversicherung nicht aus. Denn in ihnen hat sich gerade die besondere Gefahr verwirklicht, die mit der vom Kläger zu erfüllenden Pflicht verbunden war.

45

ee) Das LSG hat schließlich bindend festgestellt, dass der vom Kläger als Gesundheitserstschaden geltend gemachte Bandscheibenvorfall C 6/7 vorliegt.

46

d) Damit sind die Voraussetzungen für den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Feststellung dieses Vorfalls C 6/7 als weiteren Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls mit der Ausnahme erfüllt, dass das BSG noch nicht entscheiden kann, ob die Testfahrt mit der durch sie rechtlich wesentlich mitverursachten Einwirkung auf die HWS des Klägers auch rechtserhebliche (Mit-)Wirkursache dieses Bandscheibenvorfalls war.

47

4. Das LSG hat zwar ausgeführt, die versicherte Einwirkung und letztlich die versicherte Testfahrt hätten auch den Bandscheibenvorfall objektiv und wesentlich verursacht. Dies ist jedoch für das BSG nicht bindend. Es darf dies seiner Entscheidung nicht zugrunde legen.

48

a) Dies folgt für die Rechtsfrage der unfallversicherungsrechtlichen Wesentlichkeit schon daraus, dass es hier allein um Rechtsanwendung, also um die rechtliche Subsumtion der auf der ersten Stufe der Zurechnung festgestellten Tatsachen unter den Schutzbereich der für die konkrete Beschäftigung begründeten Beschäftigtenversicherung geht. Hier muss das Revisionsgericht in vollem Umfang die Beachtung des Bundesrechts überprüfen. Das LSG hat hierbei den Rechtsbegriff der unfallversicherungsrechtlichen "Wesentlichkeit" einer Ursache unzutreffend angewandt (dazu unter 5.).

49

b) Auf der ersten Stufe der Zurechnung hat das LSG keine das BSG bindenden tatsächlichen Feststellungen zur objektiven Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch die versicherte Einwirkung/versicherte Verrichtung getroffen.

50

Allerdings hat das LSG ausdrücklich festgestellt, dass die (versicherte) Einwirkung auf die HWS des Klägers "naturwissenschaftliche Ursache des beim Kläger aufgetretenen Bandscheibenvorfalls im Bewegungssegment C 6/7" gewesen ist.

51

aa) Grundsätzlich ist das Revisionsgericht an eine solche Tatsachenfeststellung, zu der auch der konkrete objektive Kausalzusammenhang im Einzelfall gehört, gebunden (§ 163 SGG). Hier tritt diese Bindung jedoch nicht ein, weil das LSG zum einen von einem unzutreffenden Rechtsbegriff der objektiven ("wissenschaftlich-philosophischen") Kausalität ausgegangen ist. Zum anderen hat es, wie die Beklagte zulässig und begründet rügt, die Grenzen der Befugnis zur freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschritten. Es hat seinem Beschluss einen nicht existierenden Erfahrungssatz zugrunde gelegt und deshalb davon abgesehen aufzuklären, ob es einen nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft anerkannten Erfahrungssatz gibt, nach dem isolierte Bandscheibenvorfälle durch Unfalleinwirkungen nur verursacht werden können, wenn ein unfallbedingter Begleitschaden vorliegt.

52

bb) Das LSG hat seine Kausalitätsbeurteilung auch auf folgenden nicht existierenden Erfahrungssatz gestützt: Liegen - wie hier - Hinweise auf eine traumatische Schädigung vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall örtlich-zeitlich in Rede steht, ist ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen.

53

Daran ist das BSG nicht gebunden. Ein solcher Erfahrungssatz ist nicht allgemeinkundig oder dem BSG gerichtsbekannt. Die Revisionsführerin bestreitet seine Existenz. Das LSG hat nicht mitgeteilt, woher es diese Erkenntnis gewonnen hat. Soweit die Formulierung auch als generelle weitere "Beweiserleichterung" bei der richterlichen Überzeugungsbildung zum Grad der (juristischen) Wahrscheinlichkeit gemeint sein könnte, wäre sie bundesrechtswidrig. Denn der juristische Überzeugungsgrad der Wahrscheinlichkeit knüpft an die Würdigung der Einzelfallumstände nach Maßgabe der im jeweiligen Lebensbereich vorhandenen aktuell anerkannten wissenschaftlichen Erfahrung, hilfsweise der sonstigen einschlägigen Fachkunde, und deren ggf vorhandene Unsicherheiten an. Er erlaubt es aber nicht, an dem vorhandenen Erfahrungswissen durch "juristische Betrachtungen" vorbeizugehen.

54

c) Das LSG hat auch im Übrigen einen unzutreffenden Rechtsbegriff der objektiven Verursachung (der "philosophisch-wissenschaftlichen Kausalität") zugrunde gelegt.

55

Objektive Verursachung bedeutet einen nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand der einschlägigen Erfahrung (insbesondere der Wissenschaft, hilfsweise der sonstigen Fachkunde) geprüften und festgestellten Wirkungszusammenhang zwischen einer bestimmten Wirkursache und ihrer Wirkung. Dabei gibt es keine Ursache ohne Wirkung und keine Wirkung ohne Ursache.

56

Die versicherte Verrichtung muss also eine Wirkursache (ggf neben anderen Wirkursachen) der Einwirkung, die Einwirkung eine Wirkursache (ggf neben anderen Wirkursachen) des Gesundheitserstschadens sein. Ob die Verrichtung Wirkursache der Einwirkung (etc) war, ist eine Frage, die nur auf der Grundlage von Erfahrung über Kausalbeziehungen beantwortet werden kann.

57

Auch der Satz der Bedingungstheorie, ein tatsächlicher Umstand sei "notwendige Bedingung" (nicht: Ursache) eines anderen Umstandes, wenn der erste nicht "hinweggedacht" werden könne, ohne dass der zweite (der "Erfolg") entfiele ("conditio sine qua non"), ist kein logischer Schluss. Er verlangt eine hypothetische, dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich fremde, alternative Zusammenhangserwägung ohne Berücksichtigung eines in Wirklichkeit vorhandenen Umstandes und mit Unterstellung eines in Wirklichkeit nicht erfolgten Geschehensablaufs. Darüber hinaus verweist er auf Erfahrungswissen über den Zusammenhang von Bedingungen.

58

Die Erwägung nach dieser Formel führt zur Unbeachtlichkeit von Bedingungen, die nach Erfahrung die Wirkung nicht mitverursacht haben können. Insoweit kann sie zur ersten negativen Vorklärung, dem Ausscheiden von als Ursachen von vornherein nicht in Betracht kommender Bedingungen, beitragen. Sie erfasst aber alle Bedingungen, die nach Erfahrung möglicherweise die fragliche Wirkung (den "Erfolg") verursacht haben könnten. Aus sich heraus gibt sie aber keinen Maßstab dafür, ob ein solcher als für das Geschehen erforderliche (und nur in diesem Sinne "notwendige") Bedingung erkannter Umstand den "Erfolg" wirklich bewirkt, also die Wirkung mitverursacht hat, worauf schon der große Senat des RVA (aaO) hingewiesen hat. Eine solche Bedingung kann Wirkursache sein, muss es aber nicht. Sie kann auch bloße Randbedingung sein. Die Formel schließt nur "Bedingungen" aus, die nach Erfahrung unmöglich Wirkursachen sein können.

59

Entscheidend ist aber, ob die versicherte Verrichtung die Einwirkung und ob diese den Erstschaden bewirkt hat. Wenn die festgestellte versicherte Verrichtung nach Erfahrung eine "Bedingung eines Erfolgs", also einer Einwirkung und des Gesundheitserstschadens (etc) ist, wären diese (hypothetisch) ohne sie nicht eingetreten. Gleiches gilt für eine kaum abzählbare Menge anderer Bedingungen für den konkreten Unfall. Die Verrichtung war aber nur dann eine Wirkursache der Einwirkung/des Gesundheitserstschadens, wenn sie das Unfallereignis hervorgerufen oder in Gang gehalten und dadurch die Einwirkung herbeigeführt hat, welche den Körper des Verletzten, seinen physiologischen Zustand verändert und dadurch den Gesundheitsschaden mitbewirkt hat. Ob dies der Fall war, ist nach dem neuesten anerkannten Stand des einschlägigen Fachwissens zu beurteilen.

60

aa) Dies gilt auch für die Beantwortung der Frage, ob der festgestellte Bandscheibenvorfall des Klägers Wirkung der festgestellten versicherten Einwirkung/versicherten Testfahrt als Ursache war. Dafür kommt es, weil es sich um eine in den Fachbereich der medizinischen Wissenschaft fallende Frage handelt, allein darauf an, ob ein Wirkungszusammenhang zwischen dieser Testfahrt und dieser Einwirkung auf die HWS des Klägers und diesem Bandscheibenvorfall nach dem aktuellen Stand des anerkannten medizinischen Erfahrungswissens vorliegt. Dafür reicht ein bloßer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang nicht aus.

61

Vielmehr ist der jeweils neueste anerkannte Stand des einschlägigen Erfahrungswissens zugrunde zu legen. Dies wird in der Regel die Auffassung der Mehrheit der im jeweiligen Fragenbereich veröffentlichenden Wissenschaftler/Fachkundigen eines Fachgebiets sein. Lässt sich eine solche "herrschende Meinung" nicht feststellen, so darf der Richter nicht gleichsam als Schiedsrichter im Streit einer Wissenschaft fungieren und selbst eine (von ihm anerkannte) Ansicht zur maßgeblichen des jeweiligen für ihn fachfremden Wissenschaftsgebietes erklären. Vielmehr kommt, falls auch durch staatliche Merkblätter, Empfehlungen der Fachverbände etc kein von den Fachkreisen mehrheitlich anerkannter neuester Erfahrungsstand festgestellt werden kann, eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen in Betracht (anders offenbar noch BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 18).

62

Dazu muss dieser Erfahrungsstand inhaltlich festgestellt und so rechtzeitig mit seiner Erkenntnisquelle (zB medizinisches Fachbuch) in das Gerichtsverfahren eingeführt werden, dass die Beteiligten sich darüber fachkundig machen und ggf konkrete Beweiserhebungen beantragen können. Das gilt auch dann, wenn das Gericht meint, der Stand des einschlägigen Erfahrungswissens sei gerichtsbekannt, allgemeinkundig oder könne vom Gericht aus eigener, stets rechtzeitig offenzulegender Fachkompetenz beurteilt werden.

63

bb) Soweit ein nicht allgemeinkundiges oder gerichtsbekanntes Erfahrungswissen Gegenstand einer staatlich anerkannten Wissenschaft, hilfsweise einer sonstigen fachkundigen Profession, ist, muss das Gericht, sofern es keine nachweisbare eigene Fachkompetenz oder Gerichtskenntnis auf diesem Gebiet hat, aufgrund der Ermessensreduktion im Rahmen seiner Sachaufklärung nach § 103 SGG sich die erforderliche Kenntnis durch Sachverständige verschaffen. Es ist gerade Aufgabe der Sachverständigen, dem Richter den aktuellen anerkannten Stand des Wissens darüber zu vermitteln, ob es Erfahrungssätze über Ursache-Wirkung-Beziehungen der fraglichen Art gibt und ggf welche Anwendungsbedingungen für die Anwendung dieser Sätze im Einzelfall erfüllt sein müssen. Soweit auch die Anwendung der Erfahrungssätze im Einzelfall, wie häufig, ebenfalls besondere Sachkunde erfordert, kann der Sachverständige auch damit beauftragt werden.

64

Gegenstand solcher Erfahrungssätze und ihrer generellen Anwendungsbedingungen ist, ob Vorgänge der Art des vorderen Kausalgliedes - hier: die Einwirkung auf den HWS-Bereich durch den Aufprall unter Absehung von bloßen Randbedingungen des konkreten Falles - allein oder im Zusammenwirken mit anderen nach dieser Erfahrung ursächlichen Bedingungen Vorgänge der Art des zweiten Kausalgliedes - hier: Bandscheibenvorfall C 6/7 als Gesundheitserstschaden - bewirken. Sofern diese Kausalbeziehung zwischen den beiden Arten der Kausalglieder besteht, ist das vordere eine hinreichende Ursache des folgenden Kausalgliedes. Tritt das zweite Kausalglied (hier: der Gesundheitserstschaden) immer und nur dann auf, wenn das vordere Kausalglied vorliegt, handelt es sich bei diesem um eine notwendige Ursache, bei dem zweiten um eine notwendige Wirkung. Bedingungen im Sinne der Bedingungstheorie, die erfahrungsgemäß keine solchen hinreichenden oder sogar notwendigen Wirkursachen sind, bleiben schon deshalb bei der Zurechnung außer Betracht.

65

cc) Allerdings darf das Gericht die jeweils einschlägige Wissenschaft (oder Fachkunde) auch nicht mit gebietsfremden Anforderungen überfordern, welchen dieser Erfahrungsbereich nicht genügen kann. Das Rechtssystem knüpft in den Grenzen der Rechtslogik an den jeweiligen aktuell anerkannten Stand der einschlägigen empirischen Wissenschaft (oder Fachkunde) an.

66

Es sind - gerade auch im Bereich der Medizin - nicht immer deterministische Erfahrungssätze vorhanden oder anerkannt. Sehr häufig werden nur wissenschaftlich begründete Wahrscheinlichkeitssätze (die nichts mit dem juristischen Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit zu tun haben) festgestellt werden können. Dabei gibt es in den verschiedenen Wissenschaften unterschiedliche Begriffe von empirischer Wahrscheinlichkeit bis hin zu probabilistischen Erfahrungssätzen. Sie werden nach entsprechenden Untersuchungen gelegentlich mathematisch formuliert, häufig aber allein durch tradierte Erfahrung im jeweiligen Fachkreis mit geringer Überprüfungsdichte gelehrt und/oder bloß unausgesprochen in der Praxis vorausgesetzt (begründete Vermutungen). Hier sind Unterschiede ferner zwischen Fachbereichen zu beachten, in denen es wissenschaftliche Fachdisziplinen gibt, und solchen, in denen es überwiegend nur die tradierte Erfahrung des Kreises der professionell im jeweiligen Gebiet Tätigen gibt.

67

dd) Maßstab für die objektive Kausalitätsbeurteilung ist also der neueste anerkannte Stand des Erfahrungswissens (vgl hierzu zuletzt auch BSG Urteil vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 23 f "in der Regel 100 Feinstaubjahre"). Als Maßstäbe sind jeweils, soweit vorhanden, die aktuell anerkannten Erfahrungssätze festzustellen und anzuwenden. Dies ist eine reine Tatsachenfeststellung bei der der Richter der Hilfe des Sachverständigen bedarf. Hinsichtlich der richterlichen Feststellung des Inhalts der Erfahrungssätze genügt der richterliche Beweisgrad der juristischen Wahrscheinlichkeit. Der Sachverständige muss bei seiner Begutachtung also gerade verdeutlichen, welche Erfahrungssätze er seiner Begutachtung zugrunde legt und dass dieses Erfahrungswissen in der einschlägigen Wissenschaft (oder Fachkunde) aktuell als neuester Stand anerkannt ist.

68

ee) Die Feststellung des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes ist für eine objektive Urteilsfindung unerlässlich (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 24 ff). Ausgangsbasis der richterlichen Erkenntnisbildung über wissenschaftliche Erfahrungssätze sind auch bei Fragen der objektiven Verursachung die Fachbücher und Standardwerke insbesondere zur Begutachtung im jeweiligen Bereich. Außerdem sind die jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zu berücksichtigen. Hinzu kommen andere aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen. Diese Quellen hat der Richter jeweils kritisch zu würdigen.

69

Eine bloße Literaturauswertung durch auf dem einschlägigen Gebiet nicht fachgerecht ausgebildete Richter genügt zur Feststellung des (nicht allgemeinkundigen oder gerichtsbekannten) aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über Kausalbeziehungen in der Regel nicht. Vielmehr wird dessen Klärung im Rahmen des ohnehin benötigten Gutachtens erfolgen. Dieser Erkenntnisstand ist aber die Basis für die Beurteilung durch den Sachverständigen, die er stets zugrunde legen muss und von der er nur durch zusätzliche Ausführungen, weshalb er ihr nicht folgt, mit wissenschaftlicher Begründung abweichen darf.

70

Bestreitet nach rechtzeitiger Einführung eines solchen Erfahrungssatzes in den Prozess einer der Beteiligten dessen Vorliegen oder Tragweite mit nicht offenkundig fernliegenden Sachargumenten, so wird das Gericht im Regelfall diesem Vorbingen durch (zumindest schriftliche) Befragung eines Sachverständigen nachzugehen haben (vgl BSG Beschluss vom 24.7.2012 - B 2 U 100/12 B - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

71

d) Das LSG hat hinsichtlich der strittigen Verursachung des Bandscheibenvorfalls schon keinen neuesten anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft festgestellt, sondern einen anderen Verursachungsbegriff zugrunde gelegt.

72

aa) Die Beklagte hatte unter Zitierung des Werks von Schönberger/Mehrtens/Valentin dargelegt, dass es dem dort dokumentierten Stand der medizinischen Wissenschaft entspreche, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall nur mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen vorkommen könne. Das LSG hätte hierauf selbst die Existenz oder Nichtexistenz dieses oder eines anderen anerkannten Erfahrungssatzes in der medizinischen Wissenschaft feststellen müssen.

73

bb) Dies war nicht etwa deshalb gerechtfertigt, weil das LSG davon ausgegangen ist, dass sich eine Feststellung des einschlägigen medizinischen Erfahrungssatzes erübrige, weil die Autoren Schönberger/Mehrtens/Valentin von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab bei der Kausalitätsbetrachtung ausgegangen seien. Sie hätten Aspekte der rechtlichen Wesentlichkeit im Sinne der Rechtsprechung des BSG mit naturwissenschaftlichen Aussagen verquickt.

74

Es ist hier nicht darauf einzugehen, ob diese Behauptungen zutreffen. Beiläufig ist darauf hinzuweisen, dass nicht jeder Gebrauch des Wortes "wesentlich" zugleich eine Äußerung zur "Theorie der wesentlichen Bedingung" sein muss. Soweit Nichtjuristen sich zu solchen juristischen Problemen äußern, liegen keine Stellungnahmen eines Sachverständigen, möglicherweise aber dennoch bedenkenswerte oder richtige Argumente vor. In keinem Fall durfte das LSG davon absehen, den aktuellen Stand der anerkannten medizinischen Erfahrung über durch Unfälle verursachte Bandscheibenvorfälle festzustellen.

75

e) Es ist nicht tunlich (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), dass das BSG das Bestehen und den Inhalt des von der Beklagten behaupteten oder eines sonstigen aktuell anerkannten medizinischen Erfahrungssatzes über die Verursachung von Bandscheibenvorfällen durch Unfalleinwirkungen und dessen generelle Anwendungsbedingungen selbst feststellt. Zwar gehören solche generellen Erfahrungssätze dem revisiblen Bundesrecht (§ 162 SGG) an. Jedoch bedürfte es zu einer Entscheidung darüber, ob im Fall des Klägers die Vorgaben eines solchen Erfahrungssatzes erfüllt sind, der Feststellung von Einzelfalltatsachen und deren fachgerechte Zuordnung zum generellen medizinischen Erfahrungssatz. Das BSG müsste daher voraussichtlich nach Klärung des generellen Standes der anerkannten Erfahrung die Sache dennoch an das LSG zurückverweisen, dem die Feststellung von Tatsachen des Einzelfalles grundsätzlich vorbehalten ist.

76

Das LSG wird folglich nach der Zurückverweisung durch Einholung von Sachverständigengutachten und die anderen aufgezeigten Ermittlungsmöglichkeiten festzustellen haben, ob der von der Beklagten behauptete wissenschaftliche Erfahrungssatz oder ein anderer von der Mehrheit der Wissenschaftler des einschlägigen medizinischen Wissenschaftszweiges vertreten wird.

77

Lässt sich dies zur vollen richterlichen Überzeugung bejahen, so ist er nebst seinen in gleicher Weise wissenschaftlich anerkannten generellen Anwendungsbedingungen der (mindestens im richterlichen Beweisgrad der juristischen Wahrscheinlichkeit zu treffenden) Feststellung zwingend zugrunde zu legen, ob im vorliegenden Fall die versicherte Einwirkung faktische Mitursache des Bandscheibenvorfalls C 6/7 war. Stellt das LSG hingegen fest, dass nicht dieser Erfahrungssatz, sondern ein anderer entsprechend anerkannt ist, ist dieser zwingend maßgeblich. In jedem Fall ist dann über die Mitursächlichkeit der Testfahrt und der durch sie verursachten Einwirkung für den Vorfall C 6/7 und dabei auch der Mitverursachungsanteil anderer Wirkursachen zu entscheiden.

78

5. Von diesen Feststellungen darf das LSG nicht wegen der zweiten Zurechnungsstufe, der rechtlichen "Wesentlichkeit" der Wirkursache für den Schaden, absehen. Das LSG hat nämlich in seinem Beschluss den dargelegten bundesrechtlichen Begriff der Wesentlichkeit unzutreffend auf den Bereich der objektiven Verursachung angewandt. Er betrifft aber allein die zweite Stufe der Zurechnung. Auf ihr geht es ausschließlich um die Rechtsfrage, ob die auf der ersten Stufe abschließend festzustellende faktische Mitverursachung des Gesundheitsschadens durch die versicherte Verrichtung/versicherte Einwirkung überhaupt ein versichertes Risiko der Beschäftigtenversicherung verwirklicht hat. Ggf hängt - wie oben gezeigt - diese Rechtserheblichkeit davon ab, ob unversicherte Mitursachen und ihr Mitwirkungsanteil nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweiligen Versicherung in einer Gesamtabwägung dieser Umstände des Einzelfalls die Schadensverursachung derart prägen, dass dieser nicht mehr dem Schutzbereich der Versicherung, sondern dem allgemeinen Lebensrisiko unterfällt.

79

Hierbei geht es ausschließlich um rechtliche Bewertungen (Auslegung und Subsumtion). Die Wirkursachen und ihre Mitwirkungsanteile (Tatsachenfrage) sind bereits auf der ersten Stufe der objektiven Verursachung abschließend festzustellen. Insbesondere kann die ordnungsgemäße Tatsachenfeststellung auf der ersten Stufe nicht durch Wertungen auf der zweiten ersetzt werden.

80

Das LSG wird daher, falls es auf der ersten Stufe die objektive Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch die versicherte Verrichtung/Einwirkung nach neuer Prüfung bejahen wird, auf der zweiten Stufe erstmals die vorgenannte Rechtsfrage beantworten müssen.

81

6. Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls.

2

Die Klägerin ist bei der J. als Altenpflegerin beschäftigt. Sie unternahm am 10.1.2010 während ihrer Rufbereitschaft einen Spaziergang mit ihrem Hund. Beim Überqueren einer Straße klingelte das ihr überlassene Rufbereitschaftshandy. Die Klägerin, die aufgrund ihrer Tätigkeit zur Entgegennahme der auf diesem Handy eingehenden Anrufe verpflichtet ist, nahm das Telefonat an. Kurz nach Beginn des Telefonats, mit dem ein Pflegetermin abgesagt werden sollte, übersah die Klägerin eine schneebedeckte Bordsteinkante. Sie stürzte und zog sich dabei eine Knöchelfraktur zu.

3

Die Beklagte lehnte es ab, dieses Geschehen als Arbeitsunfall anzuerkennen, weil es ohne die eigenwirtschaftliche Tätigkeit des Spaziergangs nicht zur Verletzung gekommen wäre (Bescheid vom 13.4.2010, Widerspruchsbescheid vom 29.6.2011). Das SG Duisburg hat diese Verwaltungsentscheidung aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Leistungen aufgrund des Arbeitsunfalls vom 10.1.2010 zu zahlen (Urteil vom 10.4.2012). Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der angefochtene Bescheid aufgehoben und festgestellt wird, dass das Ereignis vom 10.1.2010 ein Arbeitsunfall ist. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe sich als Beschäftigte unfallbedingt verletzt. Sie sei im Zeitpunkt des Unfallereignisses einer gemischten Tätigkeit nachgegangen, bei der das pflichtgemäße Telefonieren im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden habe. Da es im Wesen einer Rufbereitschaft liege, Anrufe während einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit anzunehmen, könne es nicht darauf ankommen, ob der Schaden auch ohne die private Handlung eingetreten wäre. Entscheidend sei vielmehr, dass die Klägerin in jedem Fall telefoniert hätte (Urteil vom 18.12.2012).

4

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung der § 2 Abs 1 Nr 1, § 8 Abs 1, § 121 Abs 1, § 122 Abs 2 und § 128 Abs 1 Nr 6 SGB VII. Da sich die Altenpflege nicht der beitragsfreien Unglückshilfe zurechnen lasse, sei nicht sie, sondern die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege zuständig. Die zum Unfallzeitpunkt verrichtete gemischte Tätigkeit sei durch die privatwirtschaftliche Tätigkeit des Spazierengehens geprägt gewesen, die ohne den Sturz den versicherten Einschub überdauert hätte und damit den Versicherungsschutz insgesamt ausschließe. Bei dem Telefonieren habe es sich nur um einen unwesentlichen Nebenzweck gehandelt, der gelegentlich einer privaten Verrichtung verfolgt worden sei. Abgesehen davon fehle es an der Unfallkausalität. Mit dem Sturz habe sich ein durch die eigenwirtschaftliche Verrichtung bedingtes Risiko realisiert.

5

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 2012 und des Sozialgerichts Duisburg vom 10. April 2012 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angegriffenen Entscheidungen für zutreffend. Es erscheine nicht sachgerecht, allein den Versicherten das Risiko eines Unfalles während eines Bereitschaftsdienstes aufzubürden.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen nicht für eine abschließende Entscheidung darüber aus, ob überhaupt ein Arbeitsunfall iS des § 8 SGB VII vorliegt und welcher Verwaltungsträger für dessen Anerkennung zuständig wäre.

9

Die Feststellungen des Berufungsgerichts erlauben schon keine Beurteilung, ob die beklagte Unfallkasse des Landes Nordrhein-Westfalen als zuständige Unfallversicherungsträgerin für die Anerkennung des gelten gemachten Arbeitsunfalls und dessen evtl Entschädigung passivlegitimiert ist oder ein anderer Unfallversicherungsträger als leistungspflichtig in Betracht kommt und daher nach § 75 Abs 2 Alt 2 SGG notwendig beizuladen gewesen wäre. Nach § 128 Abs 1 Nr 6 SGB VII sind die Unfallversicherungsträger im Landesbereich zuständig für Personen, die in Einrichtungen zur Hilfe bei Unglücksfällen tätig sind. Zu einer solchen Einrichtung gehört zwar auch der J. Allerdings erstreckt sich die genannte Sonderregelung nicht auf das Unternehmen als Ganzes, sondern nur auf diejenigen Personen, die innerhalb eines Unternehmens in Einrichtungen zur Hilfe bei Unglücksfällen tätig sind und damit eine der staatlichen Gemeinschaft obliegende Aufgabe erfüllen. Maßgebender Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des zuständigen Unfallversicherungsträgers ist die jeweilige Einrichtung, sodass für die bei demselben Unternehmen in Einrichtungen des Gesundheitswesens oder der Wohlfahrtspflege tätigen Mitarbeiter die allgemeinen Zuständigkeitsregeln gelten (BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2, RdNr 21 f). In welcher Einrichtung die Klägerin für den J. als Altenpflegerin beschäftigt ist, hat das LSG indes nicht festgestellt. Da die Notwendigkeit der Beiladung eines anderen Unfallversicherungsträgers von der Klärung des konkreten Einsatzbereichs der Klägerin abhängt, ist für eine Beiladung im Revisionsverfahren unter den Voraussetzungen des § 168 Satz 2 Alt 2 SGG kein Raum.

10

Anhand der vom LSG getroffenen Feststellungen lässt sich auch nicht abschließend beurteilen, ob die Klägerin einen Arbeitsunfall erlitten hat.

11

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - BSGE 111, 52 = SozR 4-2700 § 2 Nr 21, RdNr 10 mwN; vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 26 f; vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 20 ; vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 12; zuletzt vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 10 und - B 2 U 12/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 49 RdNr 14).

12

Die Klägerin hat unzweifelhaft durch den Sturz einen Unfall und dadurch einen Gesundheitserstschaden erlitten. Sie war auch zum Unfallzeitpunkt als Beschäftigte kraft Gesetzes versichert. Ihre auf die Beschäftigung bezogene Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses - das Telefonieren - gehörte zur versicherten Tätigkeit und stand daher mit dieser in einem sachlichen Zusammenhang (dazu 1.). Dem steht die weitere Verrichtung des Spazierengehens während des Telefonats und damit das Vorliegen einer gemischten Tätigkeit nicht entgegen (dazu 2.). Allerdings kann aufgrund fehlender Feststellungen des LSG nicht entschieden werden, ob das Unfallereignis und der Gesundheitserstschaden der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind (dazu 3.).

13

1. Die Klägerin hat zum Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit als Beschäftigte iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII verrichtet und war damit Versicherte.

14

Versicherter iS des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII ist jemand nur, wenn, solange und soweit er den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit durch eigene Verrichtungen erfüllt. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar und (subjektiv) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Diese innere Tatsache der subjektiven Ausrichtung des objektiven konkreten Handelns des Verletzten wird auch als "Handlungstendenz" bezeichnet. Wenn das beobachtbare objektive Verhalten allein noch keine abschließende Subsumtion unter den jeweiligen Tatbestand der versicherten Tätigkeit erlaubt, diese aber auch nicht ausschließt, kann die finale Ausrichtung des Handelns auf die Erfüllung des jeweiligen Tatbestandes, soweit die Intention objektiviert ist (sog objektivierte Handlungstendenz), die Subsumtion tragen. Die bloße Absicht einer Tatbestandserfüllung reicht hingegen nicht (BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 21 f).

15

Ein von außen beobachtbares Handeln an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit liegt bei der Klägerin zum Unfallzeitpunkt in zweifacher Hinsicht vor. Sie hat einerseits telefoniert und andererseits ihren Spaziergang mit dem Hund fortgesetzt. Spätestens mit der Entgegennahme des Anrufs ihrer Kollegin hat die Klägerin die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII erfüllt.

16

Eine Tätigkeit als Beschäftigter wird verrichtet, wenn der Verletzte zur Erfüllung eines von ihm begründeten Rechts- und damit Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse seiner Verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen. Dabei kommt es objektiv auf die Eingliederung des Handelns des Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile für das Unternehmen des anderen bringen soll. Eine Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII wird daher ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt(BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 27 ff; vom 13.11.2012 - B 2 U 27/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 45 RdNr 23 f; zuletzt vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

17

Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat die Klägerin im Unfallzeitpunkt eine versicherte Beschäftigung verrichtet. Sie war nach den nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) verpflichtet, während ihrer Rufbereitschaft auf dem Rufbereitschaftshandy eingehende Anrufe anzunehmen. Mit der Entgegennahme des Anrufs ist sie damit einer sich aus einem zuvor begründeten Rechtsverhältnis ergebenden Pflicht nachgekommen.

18

Die Erfüllung des Versicherungstatbestandes (nach früherem Sprachgebrauch: der innere oder sachliche Zusammenhang zwischen der Verrichtung und der versicherten Tätigkeit) der Beschäftigung ist auch subjektiv gegeben. Die darauf abzielende Intention liegt vor, wenn der Verletzte den Willen hat, durch die Verrichtung eine seiner Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen oder die Erfüllung von Vor- und Nachbereitungshandlungen, die das Gesetz versichert, zu ermöglichen, zu fördern oder zu sichern (BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 48 RdNr 14). Das war bei der Entgegennahme des Anrufs durch die Klägerin offenkundig der Fall.

19

2. Dass die Klägerin neben dem Telefonat einer weiteren Verrichtung nachging und ihren Spazierweg mit dem Hund fortsetzte, vermag ihr die Eigenschaft als versicherte Beschäftigte nicht wieder zu entziehen.

20

Dadurch, dass die Klägerin beim Überqueren der Straße telefonierte, ist sie einer gemischten Tätigkeit nachgegangen. Gemischte Tätigkeiten setzen (zumindest) zwei gleichzeitig ausgeübte untrennbare Verrichtungen voraus, von denen (wenigstens) eine den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt (grundlegend BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 22; vgl auch BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 75; hierzu Spellbrink, WzS 2011, 351). Das ist hier der Fall. Die Klägerin hat sich sowohl eigenwirtschaftlich und damit unversichert fortbewegt, um mit ihrem Hund spazieren zu gehen, als auch in Ausübung ihrer Beschäftigung als Altenpflegerin und damit versichert telefoniert. Beide gleichzeitig ausgeübten Verrichtungen lassen sich auch nicht in nacheinander liegende Anteile zerlegen (vgl BSG vom 14.11.2013 - B 2 U 27/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 51 RdNr 13). Von der gemischten Tätigkeit ist ein Handeln mit gemischter Motivationslage abzugrenzen. Bei diesem wird nur eine einzige Verrichtung ausgeübt, die aber gleichzeitig sowohl einen privatwirtschaftlichen als auch betrieblichen, auf die Erfüllung eines Versicherungstatbestandes gerichteten Zweck verfolgt. Daher wird auch von Tätigkeiten mit einer gespaltenen Handlungstendenz gesprochen ( BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 23 und vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 48 RdNr 14 mwN). Eine solche Verrichtung mit gemischter Motivationslage erfüllt dann den Tatbestand der versicherten Tätigkeit, wenn das konkrete Geschehen hypothetisch auch ohne die private Motivation des Handelns vorgenommen worden wäre, wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der versicherten Handlungstendenz findet. Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung und der objektivierten Handlungstendenz, sondern nur auf die konkrete Verrichtung selbst abzustellen. Es ist zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt (BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 24 mwN).

21

An dieser rechtlichen Differenzierung zwischen einer gemischten Tätigkeit und Verrichtungen mit gemischter Motivationslage ist festzuhalten. Sie ist durch die Systematik des Unfallversicherungsrechts geboten, das den Unfallversicherungsschutz nicht abstrakt für einzelne Personengruppen vorsieht, sondern die Versicherteneigenschaft von bestimmten höchstpersönlichen, unvertretbaren Handlungen abhängig macht und deshalb auch eine Zurechnung des Verhaltens Dritter durch positives Tun oder Unterlassen ausschließt (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 23 mwN). In der gesetzlichen Unfallversicherung sind Rechte auf Versicherungsleistungen nach den §§ 26 ff SGB VII bei Arbeitsunfällen iS des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII nur wegen solcher Unfälle vorgesehen, die infolge "einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)" entstanden sind. Die abschließend genannten Tatbestände der versicherten Tätigkeiten sind jeweils gesondert materiell gesetzlich bestimmt und begründen eigenständige "Sparten" der gesetzlichen Unfallversicherung mit eigenen Schutzbereichen. Nur wenn, solange und soweit jemand den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit durch eine eigene Verrichtung erfüllt, ist er gegen Unfälle versichert, die rechtlich wesentlich durch diese Verrichtung verursacht werden (BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 25 und - B 2 U 16/11 R - BSGE 111, 52 = SozR 4-2700 § 2 Nr 21, RdNr 21 ff; vgl auch Meyer, RV, Beilage zu 5/2014 S 13 f). Für die Beurteilung der Versicherteneigenschaft maßgebender Ausgangspunkt ist damit die unmittelbar vor Eintritt des Unfallereignisses jeweils ausgeübte Verrichtung. Sie ist möglichst konkret zu beschreiben (vgl Krasney, NZS 2013, 681; Spellbrink, WzS 2011, 351, 352). Die Unterscheidung zwischen gemischten Tätigkeiten und Verrichtungen mit gemischter Motivationslage stellt mithin darauf ab, ob der Unfallhergang durch eine oder mehrere höchstpersönliche Handlungen geprägt ist.

22

Diese Abgrenzung zwischen gemischten Tätigkeiten und gemischten Motivationslagen führt zu einer je differenzierten Schwerpunktprüfung der Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls. Während bei Verrichtungen mit einer gemischten Motivationslage bereits die Versicherteneigenschaft und damit der sachliche Zusammenhang zwischen der Verrichtung und der versicherten Tätigkeit besonders zu klären ist, steht bei einer gemischten Tätigkeit die Prüfung der Unfallkausalität im Vordergrund. Wie bereits ausgeführt wurde, setzt ein Arbeitsunfall voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist (Voraussetzung 1), diese versicherte Verrichtung zu einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt hat (Voraussetzung 2) und dieses Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (Voraussetzung 3). Da im Falle einer gemischten Motivationslage nur eine einzige Verrichtung, jedoch mit unterschiedlichen Handlungstendenzen vorliegt, ist jeweils zu prüfen, ob das Handeln trotz der mit ihm verbundenen privaten Zweckverfolgung insgesamt betrachtet darauf abzielte, den in Betracht kommenden Versicherungstatbestand zu erfüllen. Demgegenüber ist eine gemischte Tätigkeit gerade dadurch gekennzeichnet, dass zumindest eine von mehreren ausgeübten Verrichtungen den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt. Folglich ist bei diesen Fallgestaltungen bereits positiv geklärt, dass jedenfalls eine Verrichtung im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht und damit die 1. Voraussetzung des Begriffs des Arbeitsunfalls erfüllt ist.

23

Ist die Versicherteneigenschaft gegeben, weil zumindest eine Verrichtung kraft Gesetzes versichert war, kann sich im Rahmen der Prüfung des sachlichen Zusammenhangs nicht auch noch die bei Verrichtungen mit einer gemischten Motivationslage zu beantwortende Frage stellen, ob die konkrete versicherte Handlung hypothetisch auch ohne die private Motivation des Geschehens vorgenommen worden wäre. Ein Arbeitsunfall der Klägerin scheidet mithin nicht schon deshalb aus, weil es ohne den eigenwirtschaftlichen Spaziergang mit dem Hund erst gar nicht zu dem Telefonat gekommen wäre. Im Falle einer gemischten Tätigkeit, die begrifflich gerade den sachlichen Zusammenhang zwischen einer Verrichtung und der versicherten Tätigkeit voraussetzt, ist somit die Versicherteneigenschaft nicht erneut (hypothetisch) zu hinterfragen. Vielmehr ist hier als 2. und 3. Voraussetzung des Arbeitsunfalls die Zurechnung des Unfallereignisses und des Gesundheitserstschadens oder Todes zur versicherten Tätigkeit (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität) zu klären (vgl Ziegler, in: SGB VII, Lehr- und Praxiskomm, 4. Aufl 2014, § 8 RdNr 110).

24

3. Ob die sturzbedingte Einwirkung auf den Körper der Klägerin und der dadurch verursachte Gesundheitsschaden "infolge" der Verrichtung der versicherten Tätigkeit eingetreten und ihr damit zuzurechnen sind, kann mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des LSG nicht abschließend beurteilt werden.

25

Bei der objektiven Verursachung kommt es darauf an, dass die versicherte Verrichtung für das Unfallereignis und dadurch für den Gesundheitserstschaden oder den Tod eine Wirkursache war (BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 31 ff; hierzu auch Ricke, WzS 2013, 241). Wirkursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Ob die versicherte Verrichtung eine Wirkursache in diesem Sinne war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht (ex post) nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen (gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten) beantwortet werden (grundlegend BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 55 ff; BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 31 ff).

26

Steht die versicherte Tätigkeit als eine der Wirkursachen fest, muss sich auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller weiteren auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr darstellen. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der "Wesentlichkeit" der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll (BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37).

27

Welche Ursachen am Eintritt des Unfallereignisses objektiv mitgewirkt haben, hat das LSG nicht dargelegt. Das Berufungsgericht wird daher festzustellen haben, ob das Spazierengehen mit dem Hund oder das Telefonieren eine Wirkursache für den Sturz der Klägerin darstellte. War nach diesen noch zu treffenden Feststellungen das Telefonieren die Wirkursache des Sturzes, so dürfte sich dieser auch bei der anschließenden rechtlichen Wertung als Realisierung einer in den Schutzbereich der Beschäftigtenversicherung fallenden Gefahr darstellen. Waren nach den Feststellungen des LSG beide Verrichtungen jeweils Wirkursachen, so kommt es darauf an, welche dieser tatsächlichen Verrichtungen das Unfallereignis und den Gesundheitserstschaden rechtlich wesentlich herbeigeführt hat. Zu fragen wäre dann, ob der Sturz durch das vom Telefonieren unabhängige Spazierengehen mit dem Hund oder das die Fortbewegung beeinflussende Telefonat rechtlich wesentlich bedingt war.

28

Allerdings lässt sich die rechtliche Wesentlichkeit des versicherten Telefonierens als mögliche Wirkursache nicht schon allein auf die Rufbereitschaft der Klägerin an sich zurückführen. Bei einem nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherten Beschäftigten sind zwar Verrichtungen im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses Teil der versicherten Tätigkeit. Dies bedeutet aber nicht, dass alle Verrichtungen eines Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstages auf der Arbeitsstätte oder während einer Geschäftsreise versichert sind, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII nur Unfälle "infolge" der versicherten Tätigkeit Arbeitsunfälle sind und es einen sogenannten Betriebsbann nur in der Schifffahrt(§ 10 SGB VII), nicht aber in der übrigen gesetzlichen Unfallversicherung gibt (BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 31/07 R - juris RdNr 11). Dasselbe gilt für eine Rufbereitschaft, die nicht per se und damit für alle während ihrer Dauer ausgeübten Verrichtungen Unfallversicherungsschutz eröffnet. Entscheidend ist auch insoweit, ob sich infolge der während der Rufbereitschaft konkret ausgeübten und versicherten Verrichtung eine durch einen Versicherungstatbestand des SGB VII geschützte Gefahr verwirklicht hat oder ob stattdessen eine unversicherte Wirkursache für das Unfallereignis verantwortlich ist.

29

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Das Gericht erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung, soweit die Beweiserhebung nicht einen besonderen Termin erfordert.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung nach § 387 der Zivilprozeßordnung ergeht durch Beschluß.

(2) Zeugen und Sachverständige werden nur beeidigt, wenn das Gericht dies im Hinblick auf die Bedeutung des Zeugnisses oder Gutachtens für die Entscheidung des Rechtsstreits für notwendig erachtet.

(3) Der Vorsitzende kann das Auftreten eines Prozeßbevollmächtigten untersagen, solange die Partei trotz Anordnung ihres persönlichen Erscheinens unbegründet ausgeblieben ist und hierdurch der Zweck der Anordnung vereitelt wird.

(1) Die Ladung der Zeugen ist von der Geschäftsstelle unter Bezugnahme auf den Beweisbeschluss auszufertigen und von Amts wegen mitzuteilen. Sie wird, sofern nicht das Gericht die Zustellung anordnet, formlos übermittelt.

(2) Die Ladung muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien;
2.
den Gegenstand der Vernehmung;
3.
die Anweisung, zur Ablegung des Zeugnisses bei Vermeidung der durch das Gesetz angedrohten Ordnungsmittel in dem nach Zeit und Ort zu bezeichnenden Termin zu erscheinen.

(3) Das Gericht kann eine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage anordnen, wenn es dies im Hinblick auf den Inhalt der Beweisfrage und die Person des Zeugen für ausreichend erachtet. Der Zeuge ist darauf hinzuweisen, dass er zur Vernehmung geladen werden kann. Das Gericht ordnet die Ladung des Zeugen an, wenn es dies zur weiteren Klärung der Beweisfrage für notwendig erachtet.

(1) Das Prozessgericht kann nach seinem Ermessen die wiederholte Vernehmung eines Zeugen anordnen.

(2) Hat ein beauftragter oder ersuchter Richter bei der Vernehmung die Stellung der von einer Partei angeregten Frage verweigert, so kann das Prozessgericht die nachträgliche Vernehmung des Zeugen über diese Frage anordnen.

(3) Bei der wiederholten oder der nachträglichen Vernehmung kann der Richter statt der nochmaligen Beeidigung den Zeugen die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf den früher geleisteten Eid versichern lassen.

(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung nach § 387 der Zivilprozeßordnung ergeht durch Beschluß.

(2) Zeugen und Sachverständige werden nur beeidigt, wenn das Gericht dies im Hinblick auf die Bedeutung des Zeugnisses oder Gutachtens für die Entscheidung des Rechtsstreits für notwendig erachtet.

(3) Der Vorsitzende kann das Auftreten eines Prozeßbevollmächtigten untersagen, solange die Partei trotz Anordnung ihres persönlichen Erscheinens unbegründet ausgeblieben ist und hierdurch der Zweck der Anordnung vereitelt wird.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

Der Beklagte bekleidet das Amt eines Postobersekretärs und war als Finanzdienstleistungsberater für Postbankprodukte bei der Deutschen Post AG beschäftigt. Im Januar 2004 wurde gegen ihn ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachts der Untreue eingeleitet. Nachdem im April 2006 das gegen ihn geführte Strafverfahren gemäß § 153a Abs. 2 StPO eingestellt worden war, wurde das Disziplinarverfahren fortgeführt. Mit der im August 2007 erhobenen Disziplinarklage wurde dem Beklagten vorgeworfen, in 15 Fällen mit Hilfe von Falschbuchungen Auszahlungen fingiert zu haben und sich insgesamt etwa 4 500 € aus den Beständen der Deutschen Post AG angeeignet zu haben. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten aus dem Dienst entfernt. Das Berufungsgericht hat das Disziplinarverfahren auf den Vorwurf beschränkt, der Beklagte habe am 15. November 2003 einen Betrag von 437,50 € aus der ihm anvertrauten Kasse entnommen und für sich behalten, und hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

3

Die von der Beschwerde gerügten Verfahrensfehler - Verletzung der Amtsaufklärungspflicht sowie Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme - liegen nicht vor.

4

Der Grundsatz der Sachverhaltsermittlung von Amts wegen gemäß § 58 Abs. 1 BDG, § 3 BDG, § 86 Abs. 1 VwGO verpflichtet das Tatsachengericht, diejenigen Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen, insbesondere Beweiserhebungen vorzunehmen, die sich nach Lage der Dinge aufdrängen. Dies ist der Fall, wenn das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Aufklärung sehen muss, d.h. wenn die bisherigen Tatsachenfeststellungen eine Entscheidung noch nicht sicher tragen (Urteil vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 28.10 - DÖD 2011, 282, Rn. 25 m.w.N.). Eine weitere Sachverhaltsaufklärung kann etwa dann geboten sein, wenn ein Verfahrensbeteiligter gegen das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme begründete Einwände erhebt. Denn in einem solchen Fall ist das Gericht gehindert, seine Entscheidung unter Übergehung der Einwände auf das angegriffene Beweisergebnis zu stützen. Hiervon unabhängig gebietet auch die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), dass das zur Amtsaufklärung verpflichtete Gericht sich nicht mit den von einem Beteiligten angebotenen Behauptungen oder Beweisen begnügt, sondern seine Entscheidung auf vollständiger und richtiger Tatsachengrundlage trifft.

5

Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht nicht gegen § 58 Abs. 1 BDG, § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen. Es hat seine Überzeugung, der Beklagte habe einen Betrag von 437,50 € aus der Kasse für sich entnommen und dies durch eine Falschbuchung zu verschleiern versucht, auf die u.a. aus der Vernehmung von fünf Zeugen gewonnenen Feststellungen über den Ablauf von Zollerstattungen im Jahre 2003 sowie über den Geschehensablauf am Tattag gestützt. Danach sind Zollerstattungen der Art, wie sie der Beklagte als Erklärung für die Entnahme der fraglichen Summe aus der Kasse angeführt hat, in Dienststellen ohne besondere Zuständigkeit für solche Erstattungen praktisch nicht vorgekommen, da derartige Rückzahlungen an die Empfänger von Sendungen aus dem Ausland regelmäßig nur schriftlich und durch die zuständigen Stellen der Deutschen Post - zu denen die Dienststelle des Beklagten nicht gehört habe - abgewickelt wurden. Keiner der als Zeugen vernommenen Kollegen des Beklagten konnte sich zudem an Umstände erinnern, wie sie der Beklagte als Geschehensablauf geschildert hatte; Belege für die vom Beklagten behauptete Erstattung waren nicht auffindbar. Zudem war die Auszahlungsart, unter der die Entnahme des Geldes aus der Kasse verbucht wurde, lediglich für den Umtausch verdorbener Postwertzeichen in einem Umfang von bis zu 50 € vorgesehen, nicht aber für Zollerstattungsvorgänge über deutlich höhere Summen. Schließlich hat es im Jahre 2003 einen Briefbogen der Art, wie ihn die Erstattungsempfängerin nach Schilderung des Beklagten vorgelegt hatte, im Bereich der Deutschen Post und des Unternehmens DHL nicht gegeben.

6

Demgegenüber beschränkt sich die Beschwerde auf die Behauptung, es habe derartige Briefbögen durchaus gegeben. Dies führe dazu, dass die Argumentationskette des Berufungsgerichts insgesamt fehlerhaft sei. Die Beweiserhebung habe allenfalls ergeben, dass die Deutsche Post selbst solche Briefbögen nicht benutzt habe, nicht aber, dass dies auch auf das Unternehmen DHL zutreffe. Die Beschwerde sieht einen Aufklärungsmangel darin, dass das Berufungsgericht zwar den Zeugen H. als Mitarbeiter der Deutschen Post gehört, aber darauf verzichtet habe, einen dem Unternehmen DHL angehörenden Zeugen zu hören, der etwas über die Briefbögen dieses Unternehmens hätte aussagen können.

7

Dieser Einwand begründet indes angesichts der Umstände des Falles und im Hinblick auf die vom Berufungsgericht durchgeführte Beweiserhebung die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung aus mehreren Gründen nicht. Er stellt weder die für die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts maßgebenden Annahmen des Berufungsgerichts zur Unüblichkeit bzw. Unzulässigkeit des vom Beklagten geschilderten Erstattungsverfahrens in Frage noch die Feststellungen zum Geschehensablauf am Tattag, zum Verschwinden des Kassenbelegs über die Auszahlung sowie zur Problematik der für Zollerstattungen unpassenden Auszahlungsart "Umtausch verdorbener Postwertzeichen". Bereits diese vom Beklagten mit seiner Verfahrensrüge nicht angegriffenen Feststellungen tragen den Disziplinarausspruch. Zudem erschüttert der Einwand des Beklagten die Annahme des Berufungsgerichts nicht, dass auch ein Mitarbeiter der Deutschen Post über einen Briefkopf hätte informiert sein müssen, der neben dem Logo von DHL auch dasjenige der Deutschen Post aufweise. Schließlich bieten weder das im Verfahren vorgelegte Schreiben, das die Logos beider Unternehmen aufweist, noch der Hinweis der Beschwerde auf die gemeinsame Website beider Unternehmen ("www.dp-dhl.com") Anlass, der Frage nachzugehen, ob die vom Beklagten behauptete Zusammenarbeit von DHL und Deutscher Post bis in das maßgebliche Jahr 2003 zurückreicht. Vielmehr weist das vorgelegte Schreiben ein Datum von Dezember 2009 auf und lässt Rückschlüsse auf das Jahr 2003 damit nicht zu, und aus der vom Beklagten angeführten Website ergibt sich, dass der Konzern Deutsche Post World Net erst seit 2009 unter dem Namen "Deutsche Post DHL" als Kooperation zwischen beiden Unternehmen auftritt. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht als Überraschungsentscheidung dar, weil das Gericht die nach Auffassung der Beschwerde "allgegenwärtigen Zeugnisse" einer Zusammenarbeit von DHL und Deutscher Post in einer für die Verfahrensbeteiligten überraschenden und damit ihr rechtliches Gehör verletzenden Weise nicht beachtet oder fehlerhaft gewürdigt hätte. Vielmehr ist die Frage der Zusammenarbeit von DHL und Deutscher Post bereits in der ersten mündlichen Verhandlung am 29. September 2010 thematisiert worden, sodass der Beklagte - zumal er das vorzitierte Schreiben mit den Logos beider Unternehmen selbst zu den Akten gereicht hatte - damit rechnen musste, dass das Berufungsgericht sich mit dieser Frage auseinandersetzen würde. Die Gelegenheit, hierzu vorzutragen oder Beweisanträge zu stellen, hat er nicht genutzt. Dass das Gericht die derzeit wahrnehmbaren Zeichen für eine Zusammenarbeit von DHL und Deutscher Post nicht besonders gewürdigt hat, kann im Hinblick darauf, dass es um Indizien für das Bestehen einer Zusammenarbeit im Jahre 2003 ging, nicht als überraschend angesehen werden. Der Umstand, dass das Berufungsgericht dabei zu anderen Ergebnissen gekommen ist als der Beklagte sie für richtig hält, begründet den Vorwurf einer Überraschungsentscheidung ebenfalls nicht.

8

Die Rüge, das Berufungsgericht habe das festgestellte Beweisergebnis fehlerhaft gewertet, ist unzulässig. Die Beweiswürdigungsgrundsätze sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zugeordnet und infolgedessen grundsätzlich nicht geeignet, einen Zulassungsgrund i.S.d. § 132 Abs. 2 VwGO zu begründen. Dass die Voraussetzungen einer ausnahmsweise verfahrensfehlerhaften Sachverhalts- und Beweiswürdigung erfüllt sind, legt die Beschwerde nicht dar. Insbesondere hat das Berufungsgericht mit seiner Annahme, einen Briefbogen mit den Logos sowohl der Deutschen Post AG als auch der DHL habe es im Jahr 2003 nicht gegeben, nicht gegen die Denkgesetze verstoßen. Ein solcher Verstoß liegt nicht schon dann vor, wenn das Tatsachengericht - nach Meinung der Beschwerde - unrichtige oder fernliegende Schlüsse gezogen hat; es muss sich vielmehr um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln. Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein.

9

Auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme liegt nicht vor.

10

Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 VwGO erhebt das Gericht Beweis in der mündlichen Verhandlung. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass das Gericht seiner Entscheidung das in der jeweiligen prozessualen Situation geeignete und erforderliche Beweismittel zu Grunde legt, um dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs, dem Gebot des fairen Verfahrens und insbesondere dem Recht der Verfahrensbeteiligten auf Beweisteilhabe gerecht zu werden. Die Sachaufklärung soll in einer Art und Weise durchgeführt werden, die zu einer vollständigen und zutreffenden tatsächlichen Entscheidungsgrundlage führt und es zugleich jedem Verfahrensbeteiligten ermöglicht, auf die Ermittlung des Sachverhalts Einfluss zu nehmen. Dagegen lässt sich dem Grundsatz der materiellen Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nach der Rechtsprechung nicht ein abstrakter Vorrang bestimmter - etwa unmittelbarer oder "sachnäherer" - Beweismittel vor anderen - mittelbaren oder weniger "sachnahen" - entnehmen. Ebenso wenig lässt sich der Vorschrift entnehmen, mit welcher Intensität und Detailschärfe das Gericht den Sachverhalt zu erforschen hat; diese Frage wird vielmehr von § 86 Abs. 1 VwGO beantwortet (Urteil vom 28. Juli 2011 a.a.O. Rn. 16 ff.).

11

Nach diesen Grundsätzen liegt ein Verstoß gegen das Gebot der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nicht vor. Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe die Vernehmung des Zeugen S., eines Mitarbeiters der DHL, versäumt und statt dessen seine gegenüber dem Zeugen H. geäußerten Angaben über die Existenz eines gemeinsamen Briefbogens von DHL und Deutscher Post als unzulässige Zeugenaussage "vom Hörensagen" verwendet. Dies trifft nicht zu. Denn das Berufungsgericht hat die vom Zeugen H. wiedergegebene Äußerung des Herrn S. nicht als - mittelbare - Aussage eines dritten Zeugen vom Hörensagen gewertet, sondern zutreffend lediglich angenommen, der Zeuge H. habe seine eigene Wahrnehmung über die Existenz eines gemeinsamen Briefbogens und seinen Versuch geschildert, die für seine Aussage erforderlichen Informationen einzuholen. Im Gegenteil war das Berufungsgericht - wie ausgeführt - der Auffassung, dass es einer zusätzlichen Zeugenaussage aus dem Bereich von DHL nicht bedürfe, weil auch ein Mitarbeiter der Deutschen Post über einen gemeinsamen Briefkopf der beiden Unternehmen informiert sein musste.

Tatbestand

1

Der 1983 geborene Kläger wehrt sich gegen seine fristlose Entlassung aus dem Soldatenverhältnis. Er leistete ab April 2002 Grundwehrdienst und verpflichtete sich in der Folge als Zeitsoldat auf vier Jahre bis zum 31. März 2006.

2

Im März 2006 wurden Vorwürfe bekannt, wonach mehrere Soldaten, unter ihnen der Kläger, im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2005 außerhalb des Dienstes, aber in der Kaserne Betäubungsmittel konsumiert hätten. Zur Klärung der Vorwürfe wurden sechs Kameraden des Klägers durch einen vorgesetzten Offizier vernommen. Fünf von ihnen belasteten den Kläger, während der sechste Soldat aussagte, der Kläger habe während des Konsums "meist" die Stube verlassen. In einer weiteren Vernehmung präzisierte dieser Zeuge auf Nachfrage, er könne nicht ausschließen, dass der Kläger bei anderen Gelegenheiten Betäubungsmittel konsumiert habe. Im Rahmen der ebenfalls eingeleiteten Strafverfahren bestätigten die Soldaten im Wesentlichen ihre früheren Angaben. Ein gegen den Kläger eingeleitetes Strafverfahren wurde gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt. Disziplinarische Maßnahmen wurden bei denjenigen Soldaten, die wegen des Betäubungsmittelkonsums entlassen wurden, nicht ergriffen. Der Kläger selbst verweigerte bei Vernehmungen die Aussage und wies die Vorwürfe in einer schriftlichen Stellungnahme als unzutreffend zurück. Das bei ihm durchgeführte Drogenscreening fiel negativ aus.

3

Durch Bescheid des Befehlshabers des Wehrbereichskommandos II vom 29. März 2006 wurde der Kläger nach Anhörung der Vertrauensperson der Soldaten, gestützt auf § 55 Abs. 5 SG, fristlos aus dem Soldatenverhältnis entlassen. Die Beschwerde des Klägers blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht wies seine Klage ab, nachdem die Beteiligten einvernehmlich auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet hatten.

4

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung durch Urteil vom 23. Juli 2009 ohne vorherige Zeugenvernehmung zurückgewiesen. Die Entlassungsvoraussetzungen lägen vor. Nach dem Inhalt der Akten, insbesondere der Protokolle über die Vernehmungen der Kameraden des Klägers als Beweisurkunden, stehe fest, dass die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe zuträfen. Auch der einmalige Betäubungsmittelkonsum erfülle den Tatbestand des § 55 Abs. 5 SG. Vorsatz sei gegeben. Der Kläger habe durch sein Verhalten die militärische Ordnung und das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet. Die angegriffene Entscheidung der Beklagten sei ermessensfehlerfrei, weil ein atypischer Fall nicht vorliege; eine Entlassung unmittelbar vor Ablauf der regulären Dienstzeit sei nicht zu beanstanden. Rechtliche Hindernisse stünden der Verwertung der polizeilichen und behördlichen Vernehmungsprotokolle nicht entgegen. § 96 VwGO gebiete lediglich die formelle Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, nicht aber einen Vorrang unmittelbarer vor mittelbaren Beweismitteln. Ein solcher Vorrang könne im Einzelfall allenfalls aus § 86 VwGO folgen. Die tendenziell geringere Zuverlässigkeit mittelbarer Beweismittel könne bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden. Im vorliegenden Fall habe es einer Zeugenvernehmung nicht bedurft. Beweisanträge seien nicht gestellt worden; eine Beweiserhebung habe sich nicht aufgedrängt, da die Glaubhaftigkeit der protokollierten Aussagen und die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen unzweifelhaft seien. Die negativen Ergebnisse der beim Kläger durchgeführten Drogenscreenings seien nicht geeignet, die belastenden Zeugenaussagen zu erschüttern, da sie für das vierte Quartal des Jahres 2005 irrelevant seien.

5

Der Kläger begründet seine Revision mit einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflichten durch das Berufungsgericht und beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Juli 2009 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 21. Mai 2007 sowie den Entlassungsbescheid des Befehlshabers des Wehrbereichskommandos II vom 29. März 2006 und den Beschwerdebescheid des Befehlshabers des Streitkräfteunterstützungskommandos vom 5. Mai 2006 aufzuheben.

6

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Sie verteidigt das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist mit der Maßgabe begründet, dass das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Das Berufungsurteil leidet an Verfahrensmängeln, nämlich an Verstößen gegen § 96 Abs. 1 und § 86 Abs. 1 VwGO. Die Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts reichen, soweit sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen sind, nicht aus, dem Senat eine abschließende Entscheidung zu ermöglichen.

9

1. Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass eine fristlose Entlassung aus dem Soldatenverhältnis auf der Grundlage von § 55 Abs. 5 des Soldatengesetzes (SG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Mai 2005 (BGBl I S. 1482) auch nach einmaligem Betäubungsmittelkonsum und unmittelbar vor dem regulären Ende der Dienstzeit in Betracht kommen kann.

10

Nach § 55 Abs. 5 SG kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre ohne vorherige Durchführung eines Disziplinarverfahrens fristlos entlassen werden, wenn er Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben im Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde. Die fristlose Entlassung nach dieser Vorschrift ist keine disziplinarische Maßnahme, sondern soll die personelle und materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr gewährleisten (Beschluss vom 16. August 2010 - BVerwG 2 B 33.10 - NVwZ-RR 2010, 896 = juris Rn. 6 ff.). Sie stellt ein Mittel dar, um eine Beeinträchtigung der uneingeschränkten Einsatzbereitschaft zu vermeiden. Bereits aus dem Wortlaut des § 55 Abs. 5 SG ergibt sich, dass diese Gefahr gerade als Auswirkung einer Dienstpflichtverletzung des Soldaten drohen muss. Dies ist von den Verwaltungsgerichten auf Grund einer nachträglichen Prognose zu beurteilen (Urteile vom 9. Juni 1971 - BVerwG 8 C 180.67 - BVerwGE 38, 178 <180 f.> = Buchholz 238.4 § 55 SG Nr. 5 S. 2 f., vom 31. Januar 1980 - BVerwG 2 C 16.78 - BVerwGE 59, 361 <362 f.> = Buchholz 238.4 § 55 SG Nr. 8 S. 5 f. und vom 24. September 1992 - BVerwG 2 C 17.91 - BVerwGE 91, 62 <63 f.> = Buchholz 236.1 § 55 SG Nr. 13 S. 2 f.).

11

Mit dem Erfordernis, dass die Gefährdung der militärischen Ordnung ernstlich sein muss, entscheidet das Gesetz selbst die Frage der Angemessenheit der fristlosen Entlassung im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck und konkretisiert so den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zwar können Dienstpflichtverletzungen auch dann eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung herbeiführen, wenn es sich um ein leichteres Fehlverhalten handelt oder mildernde Umstände hinzutreten. Jedoch ist im Rahmen der Gefährdungsprüfung zu berücksichtigen, ob die Gefahr für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr durch eine Disziplinarmaßnahme abgewendet werden kann (Urteile vom 9. Juni 1971 a.a.O., vom 31. Januar 1980 a.a.O., vom 20. Juni 1983 - BVerwG 6 C 2.81 - Buchholz 238.4 § 55 SG Nr. 11 S. 13 f. und vom 24. September 1992 a.a.O.).

12

Eine fristlose Entlassung aus dem Soldatenverhältnis kommt auch unmittelbar vor dem Ende der Dienstzeit noch in Betracht, ohne an dem Verbot unverhältnismäßiger Grundrechtseingriffe zu scheitern; dies kann allenfalls in atypischen Fallkonstellationen anders sein. Denn bei Dienstpflichtverletzungen, von denen eine negative Vorbildwirkung ausgeht, entfällt diese nicht durch das Ausscheiden des Soldaten aus dem Dienst, sondern kann nur durch eine disziplinarische oder anderweitige Reaktion des Dienstherrn beseitigt werden.

13

Auf dieser Grundlage haben sich in der Rechtsprechung Fallgruppen herausgebildet, bei denen eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung im Sinne des § 55 Abs. 5 SG regelmäßig anzunehmen ist: Dies gilt vor allem für Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich, die unmittelbar die Einsatzbereitschaft beeinträchtigen. Bei Dienstpflichtverletzungen außerhalb dieses Bereichs kann regelmäßig auf eine ernstliche Gefährdung geschlossen werden, wenn es sich entweder um Straftaten von erheblichem Gewicht handelt, wenn die begründete Befürchtung besteht, der Soldat werde weitere Dienstpflichtverletzungen begehen (Wiederholungsgefahr) oder es sich bei dem Fehlverhalten um eine Disziplinlosigkeit handelt, die in der Truppe als allgemeine Erscheinung auftritt oder um sich zu greifen droht (Nachahmungsgefahr). Jedenfalls die beiden letztgenannten Fallgruppen erfordern eine einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Dienstpflichtverletzung, um die Auswirkungen für die Einsatzbereitschaft oder das Ansehen der Bundeswehr beurteilen zu können (vgl. Urteile vom 9. Juni 1971, vom 31. Januar 1980, vom 20. Juni 1983 und vom 24. September 1992, jeweils a.a.O.).

14

Der Konsum von Betäubungsmitteln in der Kaserne stellt nach ständiger Rechtsprechung eine Dienstpflichtverletzung dar (Urteile vom 13. Dezember 1990 - BVerwG 2 WD 25.90 - BVerwGE 93, 3, vom 24. September 1992 a.a.O. und vom 10. August 1994 - BVerwG 2 WD 24.94 - BVerwGE 103, 148). Ein solches Verhalten verletzt die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) und die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) im militärischen Kernbereich, weil es unmittelbar die Einsatzbereitschaft der Truppe gefährdet. Regelmäßig liegt darin auch ein Verstoß gegen die Gehorsamspflicht (§ 11 SG), wenn der Soldat - wie der Kläger - über das Verbot des unbefugten Besitzes und des Konsums von Betäubungsmitteln in militärischen Anlagen belehrt worden ist. Das Verbleiben eines Soldaten im Dienst, der in militärischen Unterkünften Betäubungsmittel konsumiert hat, stellt deshalb in der Regel eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung dar; es hätte negative Vorbildwirkung, die es der Bundeswehr erschweren würde, ihren Verteidigungsauftrag zu erfüllen.

15

2. Das Oberverwaltungsgericht hat sich jedoch seine Überzeugung, dass der Kläger an dem Betäubungsmittelkonsum seiner Kameraden im letzten Quartal des Jahres 2005 beteiligt war, in verfahrensfehlerhafter Weise gebildet. Es hat seiner Urteilsfindung im Wesentlichen lediglich die Protokolle der außergerichtlichen Vernehmungen von Kameraden des Klägers zu Grunde gelegt, obwohl eine weitere Beweisaufnahme durch Vernehmung zumindest dieser Kameraden als Zeugen erforderlich gewesen wäre. Damit hat es gegen den Grundsatz der materiellen Unmittelbarkeit der Beweiserhebung (§ 96 Abs. 1 VwGO) sowie gegen seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen.

16

2.1 Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 VwGO erhebt das Gericht Beweis in der mündlichen Verhandlung. Die Vorschrift regelt die Art und Weise der gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung. Sie erfordert nach ihrem Wortlaut zunächst, dass diejenigen Richter, die über einen Rechtsstreit entscheiden, regelmäßig auch die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung durchführen, um ihre Entscheidung auf den unmittelbaren Eindruck der Beweisaufnahme stützen zu können (formelle Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme). Nach ihrem Sinn lassen sich ihr indes auch Maßstäbe für die Auswahl zwischen mehreren zur Verfügung stehenden Beweismitteln entnehmen (materielle Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme).

17

§ 96 Abs. 1 VwGO soll sicherstellen, dass das Gericht seiner Entscheidung das in der jeweiligen prozessualen Situation geeignete und erforderliche Beweismittel zu Grunde legt, um dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs, dem Gebot des fairen Verfahrens und insbesondere dem Recht der Verfahrensbeteiligten auf Beweisteilhabe gerecht zu werden. Dagegen lässt sich dem Grundsatz der materiellen Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nach der Rechtsprechung nicht ein abstrakter Vorrang bestimmter - etwa unmittelbarer oder "sachnäherer" - Beweismittel vor anderen - mittelbaren oder weniger "sachnahen" - entnehmen. Vielmehr hängt es von der jeweiligen prozessualen Situation ab, ob ein mittelbares Beweismittel wie die Verlesung eines Vernehmungsprotokolls ausreicht oder ob das unmittelbare Beweismittel (erneute oder erstmalige gerichtliche Vernehmung des Zeugen) zu nutzen ist.

18

Die Sachaufklärung soll in einer Art und Weise durchgeführt werden, die zu einer vollständigen und zutreffenden tatsächlichen Entscheidungsgrundlage führt und es zugleich jedem Verfahrensbeteiligten ermöglicht, auf die Ermittlung des Sachverhalts Einfluss zu nehmen. Das Recht eines Verfahrensbeteiligten, im Rahmen eines geordneten Verfahrens an der Sachaufklärung durch das Gericht teilzuhaben, ist unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) geboten, insbesondere wenn aus den vom Gericht ermittelten Tatsachen nachteilige Folgen für diesen Verfahrensbeteiligten gezogen werden können. Ihm muss deshalb die Möglichkeit eingeräumt sein, an der Erhebung von Beweisen mitzuwirken, um sich ein eigenes Bild von den Beweismitteln machen zu können, sein Fragerecht auszuüben und durch eigene Anträge der Beweiserhebung ggf. eine andere Richtung zu geben. Aus dem Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) folgt darüber hinaus, dass der Verfahrensbeteiligte hinreichend Gelegenheit haben muss, sich mit den Ergebnissen der Beweisaufnahme auf der Grundlage eines eigenen unmittelbaren Eindrucks auseinanderzusetzen und ggf. dazu Stellung zu nehmen (vgl. Urteile vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 2 A 4.04 - Buchholz 235.1 § 24 BDG Nr. 1, vom 24. September 2009 - BVerwG 2 C 80.08 - BVerwGE 135, 24 = Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 4 und vom 27. Januar 2011 - BVerwG 2 A 5.09 - juris; Beschlüsse vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - § 55 bdg nr. 2> und vom 18. November 2008 - BVerwG 2 B 63.08 - § 17 bdg nr. 1>).

19

Es ist jedoch grundsätzlich nicht erforderlich, eine in erster Instanz durchgeführte Zeugenvernehmung in zweiter Instanz zu wiederholen; wenn allerdings das Oberverwaltungsgericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders beurteilen will als die Vorinstanz, bedarf es in aller Regel einer erneuten Einvernahme des Zeugen (Beschlüsse vom 10. September 1979 - BVerwG 3 CB 117.79 - Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 38, vom 28. April 2000 - BVerwG 9 B 137.00 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 235, vom 20. November 2001 - BVerwG 1 B 297.01 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 251 und vom 17. November 2008 - BVerwG 3 B 4.08 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 58). Ebenso wenig ist es stets ausgeschlossen, Protokolle behördlicher Vernehmungen als Urkundsbeweis zu verwenden; dabei müssen allerdings die Grenzen dieses Beweismittels berücksichtigt werden. Denn die Beweiserhebung im Verwaltungsverfahren ist nicht in gleicher Weise mit rechtlichen Garantien ausgestattet wie eine Beweisaufnahme im gerichtlichen Verfahren. Auch steht auf Grund einer Verwendung von Vernehmungsprotokollen als Urkundsbeweis nur fest, dass der Zeuge die protokollierte Aussage gemacht hat, nicht aber, ob sie inhaltlich richtig ist; dies ist vielmehr eine Frage der Beweiswürdigung (Beschluss vom 15. Februar 1984 - BVerwG 9 CB 149.83 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 30). Denn Grundlage der Wahrheitsfindung ist in einem solchen Fall nur die Urkunde und nicht der Eindruck der behördlichen Verhörsperson von der Glaubwürdigkeit des Vernommenen; das Gericht darf sich von der Beweiswürdigung der Behörde nicht leiten lassen (Beschluss vom 10. Mai 2002 - BVerwG 1 B 392.01 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 259). Aussagen zur Glaubhaftigkeit der Aussage oder - erst recht - zur Glaubwürdigkeit der außergerichtlich vernommenen Zeugen bedürfen daher einer zusätzlichen Grundlage und sind häufig - so auch im vorliegenden Fall - kaum begründbar (Urteil vom 9. Dezember 2010 - BVerwG 10 C 13.09 - DVBl 2011, 366).

20

Demgegenüber verbietet § 96 Abs. 1 Satz 1 VwGO jedoch eine Entscheidung des Gerichts allein auf Grund des Inhalts von Vernehmungsprotokollen, wenn einem Beteiligten nicht die Möglichkeit eröffnet war, an den Vernehmungen teilzunehmen und Fragen zu stellen, und wenn dieser Beteiligte begründet die Vernehmung der - erreichbaren - Zeugen verlangt. Es verstößt daher gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, wenn ohne allseitiges Einverständnis tatsächliche Feststellungen ohne erneute Prüfung durch das Gericht auf eine bloße schriftliche Wiedergabe der Erklärungen von Personen gestützt werden, die als Zeugen hätten vernommen werden können (Urteile vom 25. Mai 1960 - BVerwG 8 C 110.59 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 1 und vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 21; Beschlüsse vom 29. Oktober 1998 - BVerwG 1 B 103.98 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 42 und vom 25. August 2008 - BVerwG 2 B 18.08 - juris; ebenso für das Disziplinarverfahren Beschluss vom 4. September 2008 - BVerwG 2 B 61.07 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 4). Denn durch die Verwendung von Beweismitteln, die in anderen Verfahren entstanden sind, im anhängigen Gerichtsverfahren dürfen die Beteiligten keine Rechte verlieren, die ihnen zustehen würden, wenn die Beweismittel gerade in ihrem Prozess eingeholt worden wären (Beschluss vom 18. Juli 1997 - BVerwG 5 B 156.96 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 281). In einem solchen Fall kann ein Vorrang des unmittelbaren Beweismittels vor dem mittelbaren bestehen.

21

Das Oberverwaltungsgericht hat zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass die regelmäßig geringere Zuverlässigkeit mittelbarer im Vergleich zu unmittelbaren Beweismitteln im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden kann (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1981 - 2 BvR 215/81 - BVerfGE 57, 250 <277>, Nichtannahmebeschluss vom 20. Dezember 2000 - 2 BvR 591/00 - NJW 2001, 2245). Dies vermag jedoch einen Verzicht auf die Einvernahme von Zeugen anstelle einer urkundlichen Verwertung der Vernehmungsprotokolle in der hier gegebenen Fallkonstellation nicht zu rechtfertigen. Denn eine Beweiswürdigung kann insbesondere die vorherige Missachtung des Rechts auf Beweisteilhabe nicht ausgleichen und hilft auch nicht über das Fehlen einer hinreichenden Grundlage für Aussagen über die Glaubwürdigkeit der Zeugen hinweg, da diese auf der persönlichen Einschätzung der Richter beruhen müssen.

22

Nach diesen Grundsätzen bedurfte es im vorliegenden Fall einer weiteren Beweisaufnahme zumindest durch Einvernahme der Belastungszeugen, ggf. auch der Verhörspersonen oder weiterer Zeugen, die über die Teilnahme des Klägers an dem ihm vorgehaltenen Geschehen Auskunft hätten geben können. Der Kläger hat im gerichtlichen Verfahren einer Verwendung der Vernehmungsprotokolle ausdrücklich widersprochen. Dabei hat er geltend gemacht, ihm müsse die Möglichkeit eingeräumt werden, der Vernehmung seiner Kameraden beiwohnen zu dürfen, um ggf. von seinem Fragerecht Gebrauch machen zu können; dies war im behördlichen Verfahren schon deshalb unterblieben, weil es sich um Vernehmungen der Kameraden als Beschuldigte im Disziplinar- bzw. polizeilichen Ermittlungsverfahren gehandelt hatte. Der Kläger hatte deshalb keine Möglichkeit, das Zustandekommen der im Gerichtsverfahren als maßgeblich eingestuften Vernehmungsprotokolle zu beeinflussen oder in Frage zu stellen. Seine Erklärung hierzu ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht protokolliert worden. Sie stellt zwar keinen Beweisantrag dar, obwohl die Formulierung eines Beweisantrages in der gegebenen prozessualen Situation ohne weiteres möglich gewesen wäre. Doch war ein förmlicher Beweisantrag nicht erforderlich, weil der Widerspruch gegen die Verwendung der Protokolle der behördlichen Vernehmungen unmissverständlich war und die vom Kläger gewünschten Beweismittel hinreichend deutlich aufgezeigt hat. Der Umstand, dass der Kläger in erster Instanz auf mündliche Verhandlung verzichtet hatte, ändert hieran nichts, weil aus diesem Verhalten mangels entsprechender Rechtsgrundlage keine für den Kläger nachteilige Folgen gezogen werden durften; er hat auf seine prozessualen Rechte in der Berufungsinstanz weder verzichtet noch hat er sie verwirkt.

23

2.2 Das Oberverwaltungsgericht hat durch die Beschränkung auf die Protokolle der behördlichen Vernehmungen anstelle einer (erstmaligen) gerichtlichen Vernehmung der Zeugen auch gegen § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen.

24

Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Während § 96 Abs. 1 VwGO das gerichtliche Ermessen bei der Auswahl zwischen mehreren zur Verfügung stehenden Beweismitteln sowie bei der Art und Weise der Beweisaufnahme einschränkt, regelt § 86 Abs. 1 VwGO die Erforderlichkeit und die gebotene Intensität der Beweisaufnahme. Der Untersuchungsgrundsatz verpflichtet das Gericht, alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Aufklärungsmöglichkeiten bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu nutzen; dies schließt eine Bindung an die im vorangegangenen Verwaltungsverfahren ermittelten tatsächlichen Feststellungen grundsätzlich aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34).

25

Das Gericht muss daher alle Aufklärungsbemühungen unternehmen, auf die die Beteiligten - insbesondere durch begründete Beweisanträge - hinwirken oder die sich hiervon unabhängig aufdrängen (Beschluss vom 13. Oktober 2008 - BVerwG 2 B 119.07 - Buchholz 235.1 § 69 BDG Nr. 5; Urteil vom 22. Februar 1996 - BVerwG 2 C 12.94 - Buchholz 237.6 § 86 NdsLBG Nr. 4; vgl. auch Urteil vom 10. Juni 1955 - BVerwG 4 C 55.54 - Buchholz 427.3 § 339 LAG Nr. 4 und zur Kritik der neueren Rechtsprechung Rixen, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 86 Rn. 15). Eine weitere Sachverhaltsaufklärung drängt sich auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag dann auf, wenn das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Aufklärung sehen muss (Urteil vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- und Asylrecht Nr. 21; Beschluss vom 14. September 2007 - BVerwG 4 B 37.07 - juris), wenn also die bisherigen Tatsachenfeststellungen eine Entscheidung noch nicht sicher tragen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn ein Verfahrensbeteiligter gegen das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme begründete Einwände erhebt. Denn in einem solchen Fall ist das Gericht gehindert, seine Entscheidung unter Übergehung der Einwände auf das angegriffene Beweisergebnis zu stützen. Hiervon unabhängig gebietet auch die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), dass das zur Amtsaufklärung verpflichtete Gericht sich nicht mit den von einem Beteiligten angebotenen Behauptungen oder Beweisen begnügt, sondern seine Entscheidung auf vollständiger und richtiger Tatsachengrundlage trifft.

26

Nach diesen Grundsätzen musste sich die Notwendigkeit einer Zeugenvernehmung anstelle der bloßen Verwendung der Vernehmungsprotokolle dem Oberverwaltungsgericht aufdrängen. Zwar lagen Vernehmungsprotokolle vor, die den Kläger belasten, ohne dass Gründe erkennbar wären, die die vernommenen Kameraden zu einem abgestimmten Handeln gegen den Kläger hätten motivieren können. Auf der anderen Seite hat der Kläger die Aussagen der Zeugen in einer schriftlichen Stellungnahme als falsch gerügt und kann mehrere negative Drogenscreenings aufweisen. Auch ein im unmittelbaren Zusammenhang mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen durchgeführtes Drogenscreening war - anders als bei mehreren der Belastungszeugen - negativ. Dies musste ungeachtet der eingeschränkten Aussagekraft dieser Untersuchungen, im Zusammenhang mit seiner schriftlichen Stellungnahme zu den Vorwürfen, zumindest Zweifel an der Richtigkeit des zu seinen Lasten angenommenen Sachverhalts wecken. Die Vernehmung des sechsten Zeugen wirft weitere Zweifel auf, die ebenfalls nur durch eine auf dem unmittelbaren Eindruck von dem Zeugen beruhende eigene Einschätzung des Tatsachengerichts von seiner Glaubwürdigkeit und der Glaubhaftigkeit seiner unterschiedlich akzentuierten Aussagen in zwei Vernehmungsterminen zu überwinden waren.

27

3. Der Senat ist an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil die Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts, soweit sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen sind, hierfür nicht ausreichen. Es bedarf der Klärung, ob der Kläger im Zeitraum zwischen Oktober und Dezember 2005 in der Kaserne Betäubungsmittel konsumiert hat. Sollte es für diese Frage auf die als Beweismittel in das Verfahren eingebrachte Filmsequenz ankommen - das Oberverwaltungsgericht hat diese von seinem Rechtsstandpunkt aus für unerheblich gehalten -, wären auch Zeit und Umstände ihrer Entstehung sowie ihr Inhalt durch geeignete Aufklärungsmaßnahmen zu ermitteln.

Das Gericht erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung, soweit die Beweiserhebung nicht einen besonderen Termin erfordert.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Arbeitsunfalls streitig.

2

Der Kläger war an der Universität B. als Student eingeschrieben. Am 15.12.2008 fiel er auf einem Bahnsteig des Hauptbahnhofs B., an dem die zur Universität führende Bahn abfährt, um. Er prallte mit dem Kopf auf den Boden und blieb liegen. Durch den Aufprall erlitt er ein Schädel-Hirntrauma mit Blutungen im Gehirn. Die Beklagte lehnte die Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall ab (Bescheid vom 29.4.2009) und wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 9.3.2010). Der Kläger habe keinen Arbeitsunfall erlitten. Zwar habe eine innere Ursache für den Sturz nicht festgestellt werden können, dies lasse aber nicht den Schluss zu, dass eine versicherte Tätigkeit oder andere betrieblich bedingte Umstände für das Unfallereignis ursächlich gewesen seien.

3

Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, das Ereignis vom 15.12.2008 als Arbeitsunfall anzuerkennen (Urteil vom 30.7.2012). Neben der versicherten Tätigkeit des Zurücklegens des Weges zur Universität sei keine weitere Ursache feststellbar, sondern allenfalls denkbar, sodass mangels Konkurrenzursache keine Zweifel an der Unfallkausalität bestünden. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 6.5.2014). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zwar einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII erlitten. Der Unfall sei jedoch nicht "infolge" einer versicherten Tätigkeit eingetreten. Die Einwirkung auf den Körper des Klägers sei zwar objektiv, dh im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn, nicht aber rechtlich wesentlich durch dessen zuvor verrichtete Tätigkeit (Zurücklegen des Weges von der Wohnung zur Universität) verursacht worden. Weshalb der Kläger umgefallen sei, sei nicht aufklärbar. Das BSG fordere im Kontext der Wegeunfallversicherung bei der Wesentlichkeitsprüfung, dass sich bei dem Geschehen eine dem Schutzzweck der Wegeversicherung entsprechende, spezifische Gefahr realisiere. Die Wesentlichkeit der Wirkursache sei eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen. Wie und warum der Kläger umgefallen sei, sei nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht mehr feststellbar. Damit könne auch die Verwirklichung einer spezifischen Verkehrsgefahr nicht festgestellt werden. Allein im Umfallen und Aufschlagen auf dem Boden habe sich kein spezifisches Wegerisiko verwirklicht.

4

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 8 Abs 1 SGB VII. Die Unfallkausalität sei immer gegeben, wenn neben der versicherten Tätigkeit keine weiteren konkurrierenden Ursachen festgestellt werden könnten. Die Prüfung, ob die versicherte Tätigkeit rechtlich wesentlich gewesen sei, habe nur zu erfolgen, wenn noch weitere Ursachen festgestellt würden. Dies folge aus dem Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung, weil bei vielen Unfällen der genaue Hergang nicht geklärt werden könne. Das Vorliegen einer inneren Ursache oder anderer konkurrierender Ursachen habe das LSG gerade nicht festgestellt.

5

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 30. Juli 2012 zurückzuweisen.

6

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Die Ablehnung der Feststellung des Ereignisses vom 15.12.2008 als Arbeitsunfall in den angefochtenen Bescheiden der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Arbeitsunfall iS des § 8 Abs 1 iVm Abs 2 Nr 1 SGB VII erlitten.

9

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; stRspr, vgl zuletzt BSG vom 4.12.2014 - B 2 U 18/13 R - SozR 4-2700 § 101 Nr 2 RdNr 16 ff mwN, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; vgl auch BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 20).

10

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar erlitt der Kläger einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII(dazu unter 1.). Den Feststellungen des LSG ist jedoch bereits nicht zu entnehmen, welche konkrete Verrichtung mit welcher Handlungstendenz der Kläger in dem Moment des Unfalls ausübte, sodass schon fraglich ist, ob der Kläger unmittelbar vor dem Unfall als Studierender iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c SGB VII in der Wegeunfallversicherung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auf einem Weg nach dem Ort seiner Studientätigkeit versichert war(dazu 2.). Dies kann aber letztlich offen bleiben, denn der Unfall stellt jedenfalls schon deshalb keinen Arbeitsunfall iS des § 8 SGB VII dar, weil das Unfallereignis dem allein hier als versicherte Tätigkeit in Betracht kommenden Zurücklegen eines solchen Weges rechtlich nicht zugerechnet werden kann(dazu 3.).

11

1. Der Kläger erlitt am 15.12.2008 auf dem Bahnsteig eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII. Er schlug mit dem Kopf auf den Boden auf, wodurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkte (vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 14). Dies führte zu einem seine körperliche Unversehrtheit verletzenden Schädel-Hirntrauma mit Blutungen im Bereich des Gehirns.

12

2. Offen bleiben kann, ob der Kläger unmittelbar vor dem Unfall einer versicherten Verrichtung iS des § 8 Abs 2 Nr 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c SGB VII nachgegangen ist. Als eingeschriebener Student einer Universität war der Kläger am 15.12.2008 Studierender iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c SGB VII(vgl zu diesem Begriff BSG vom 13.2.2013 - B 2 U 24/11 R - SozR 4-2200 § 539 Nr 2 RdNr 13 ff) und damit während seiner Ausbildung an der Hochschule in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert (vgl zur versicherten Tätigkeit zuletzt BSG vom 4.12.2014 - B 2 U 14/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 30 RdNr 13 ff und - B 2 U 10/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 32 RdNr 15 ff, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, sowie - B 2 U 13/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 31 RdNr 15 f; vgl auch BSG vom 26.9.1996 - 2 RU 12/96 - SozR 3-2200 § 539 Nr 36 und vom 4.7.1995 - 2 RU 45/94 - HVBG-INFO 1995, 2377 jeweils mit weiteren Nachweisen). Damit stand er grundsätzlich gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auf einem mit dieser versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weg nach und von dem Ort dieser Tätigkeit unter Versicherungsschutz. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) befand sich der Kläger auf dem unmittelbaren Weg von seiner Wohnung zum Ort seiner versicherten Tätigkeit, der Universität. Der Unfall ereignete sich auf dem Bahnsteig, von dem eine zur Universität führende Bahn abfuhr.

13

Dass der Versicherte sich auf dem unmittelbaren Weg zwischen dem Ort seiner versicherten Tätigkeit und seiner Wohnung befindet, reicht jedoch für den Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII nicht aus. Vielmehr muss auch die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses in einem sachlichen Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen des Weges stehen. Ein solcher sachlicher Zusammenhang besteht, wenn das konkrete Handeln des Versicherten zur Fortbewegung auf dem Weg zur oder von der versicherten Tätigkeit gehört (BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 11 mwN). Andernfalls wäre jede Handlung auf einem Weg iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII vom Versicherungsschutz umfasst. Einen solchen "Wegebann" kennt die gesetzliche Unfallversicherung hingegen nicht.

14

Wie das BSG seit seiner Entscheidung vom 9.12.2003 (B 2 U 23/03 R - BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3) in ständiger Rechtsprechung betont hat (vgl nur Urteile vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 25, vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 und - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29, RdNr 22 f sowie vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32), ist maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung der grundsätzlich versicherten Fortbewegung dient, die Handlungstendenz des Versicherten (zuletzt Urteile vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 12 und - B 2 U 12/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 49 RdNr 18). Das Handeln muss subjektiv - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen Tätigkeit ausgerichtet sein (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 31 und vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 14). Darüber hinaus muss sich die subjektive Handlungstendenz als von den Instanzgerichten festzustellende Tatsache im äußeren Verhalten des Handelnden (Verrichtung), so wie es objektiv beobachtbar ist, widerspiegeln (vgl BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 11 mwN). Eine Verrichtung in diesem Sinne ist jedes konkrete, räumlich und zeitlich bestimmte Verhalten eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar ist. Für die Prüfung ist dabei regelmäßig die kleinste beobachtbare Handlungssequenz maßgebend (vgl Spellbrink, WzS 2011, 351, 354).

15

Das LSG hat offen gelassen, ob der Kläger unmittelbar vor dem Sturz gestanden hat oder gegangen ist. Auch eine andere Verrichtung ist den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen. Selbst wenn der Aufenthalt des Klägers auf dem Bahnsteig an sich - allerdings als dann nicht mehr kleinste beobachtbare Handlungssequenz - ausnahmsweise als die maßgebliche Verrichtung angesehen würde, bleibt dennoch die objektivierte Handlungstendenz im Zeitpunkt des Unfallereignisses, zu dem Ort der Tätigkeit - hier der Universität - zu gelangen, mangels entsprechender Feststellungen durch das LSG offen. Daher kann schon nicht beurteilt werden, ob ein sachlicher Zusammenhang der zur Zeit des Unfallereignisses ausgeübten Verrichtung mit dem grundsätzlich versicherten Zurücklegen des Weges bestand.

16

Ungeachtet dessen, ob sich die Verrichtung und Handlungstendenz überhaupt noch aufklären lassen, kann im vorliegenden Fall aber dahinstehen, ob der soeben dargestellte sachliche Zusammenhang mit der Verrichtung im Zeitpunkt des Unfallereignisses gegeben war. Denn selbst wenn ein solcher sachlicher Zusammenhang angenommen würde, scheitert der Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Arbeitsunfalls jedenfalls daran, dass der Unfall nicht "infolge" des Zurücklegens dieses Weges eingetreten und ihm deshalb rechtlich nicht zuzurechnen ist.

17

3. Der Unfall ist nicht einer versicherten Tätigkeit iS des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII zuzurechnen, weil sich nicht feststellen lässt, dass sich mit dem Aufprall auf dem Bahnsteig eine Gefahr verwirklicht hat, die in den Schutzbereich der Wegeunfallversicherung fällt.

18

a) Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung haben Schutz gegen Gefahren zu gewähren, die sich durch die ihre Verbandszuständigkeit, den Versicherungsschutz und das Versichertsein des Verletzten begründende Verrichtung von im jeweiligen Versicherungstatbestand konkret umschriebenen Tätigkeiten realisieren können. Ihre Einstandspflicht besteht nur dann, wenn sich durch eine Handlung des Geschädigten, die den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht hat, gegen dessen Eintritt nicht die Unfallversicherung "allgemein", sondern der jeweils durch die Handlung erfüllte Versicherungstatbestand schützen soll. Die Zurechnung des Schadens eines Versicherten zum Versicherungsträger erfordert daher zweistufig die Erfüllung erstens tatsächlicher und zweitens darauf aufbauender rechtlicher Voraussetzungen. Die Verrichtung der versicherten Tätigkeit muss die Einwirkung und in gleicher Weise muss die Einwirkung den Gesundheitserstschaden oder den Tod sowohl objektiv (1. Stufe) als auch rechtlich wesentlich (2. Stufe) verursacht haben (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 32 ff mwN).

19

Auf der ersten Stufe setzt die Zurechnung mithin voraus, dass die Einwirkung durch die versicherte Verrichtung objektiv (mit-)verursacht wurde. Für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine Wirkursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und hat der Unfallversicherungsträger nicht einzustehen. Wirkursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. In der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die im Sinne der "conditio-Formel" eine erforderliche Bedingung des Erfolges war, in einer besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss Wirkursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine bloß im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein. Ob die versicherte Verrichtung eine Wirkursache für die festgestellte Einwirkung war, ist eine rein tatsächliche Frage. Wie bereits ausgeführt, ist die Verrichtung des Klägers vor dem Unfallereignis vom LSG nicht festgestellt worden, sodass die Annahme eines Ursachenzusammenhangs bereits an der ersten Stufe scheitert. Dies kann - wie bereits angedeutet - aber letztlich dahinstehen, weil sich jedenfalls bei dem Unfall des Klägers kein spezifisches Wegerisiko verwirklicht hat.

20

Selbst wenn eine versicherte Tätigkeit als Wirkursache feststeht, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten weiteren mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der "Wesentlichkeit" der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll. Eine Rechtsvermutung dafür, dass eine versicherte Verrichtung - wie hier ggf das Stehen auf dem Bahnsteig - wegen ihrer objektiven (Mit-)Verursachung der Einwirkung - die hier gerade nicht festgestellt ist - auch rechtlich wesentlich war, besteht nicht. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist vielmehr zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R, aaO, RdNr 33 ff).

21

Ob eine Ursache rechtlich wesentlich ist, ist auch dann zu prüfen, wenn sie als alleinige Ursache festgestellt ist, weil andere (Mit-)Ursachen nicht erwiesen oder nicht in Betracht zu ziehen sind. Denn auch in diesem Fall wird die Einstandspflicht des Unfallversicherungsträgers nur begründet, wenn sich durch den Unfall, der durch die versicherte Verrichtung objektiv verursacht wurde, eine Gefahr verwirklicht hat, gegen die die Versicherung schützen soll. Diese Voraussetzung wird zumeist erfüllt sein, bedarf aber stets der Entscheidung (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R, aaO, RdNr 42). Dem stehen die vom Kläger benannten Urteile des Senats vom 30.1.2007 (B 2 U 23/05 R - BSGE 98, 79 = SozR 4-2700 § 8 Nr 22) und vom 17.2.2009 (B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31) nicht entgegen. Nach den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten waren die dort vom LSG festgestellten Verrichtungen unmittelbar vor dem Unfall der jeweiligen versicherten Tätigkeit zuzurechnen und die nichtversicherten Ursachen waren lediglich mögliche Wirkursachen. Entscheidend war aber auch dort, dass sich durch den Unfall jeweils eine Gefahr verwirklicht hatte, vor der der jeweilige Versicherungstatbestand gerade schützen sollte, nämlich die Gefahr eines Sturzes während des der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Laufens bzw eines Verkehrsunfalls während des dem Zurücklegen des Weges zuzurechnenden Steuerns eines Kraftfahrzeugs. Somit war dort die im vorliegenden Fall zu verneinende Frage, ob sich jeweils im Hinblick auf diese Verrichtung durch das Unfallereignis eine Gefahr verwirklicht hatte, vor der die gesetzliche Unfallversicherung schützen soll, unproblematisch zu bejahen.

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b) Das Umfallen und der Aufprall des Klägers auf den Bahnsteig war danach jedenfalls nicht rechtlich wesentlich durch eine zuvor versicherte Tätigkeit verursacht worden. Wie ausgeführt, ist den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG lediglich zu entnehmen, dass sich der Kläger auf dem Bahnsteig befand. Das LSG konnte jedoch nicht feststellen, von welchen konkreten Umständen das Unfallereignis begleitet war. Insbesondere steht nicht fest und ist nach den insoweit unangegriffenen Beweiswürdigungen des LSG auch nicht mehr feststellbar, ob der Kläger unmittelbar vor dem Ereignis sich bewegt hat, sodass er dabei möglicherweise stolperte oder ausrutschte, oder ob er aus dem Stand umfiel, ob er angerempelt wurde, gegen eine Vitrine stieß, ob die Bodenverhältnisse auf dem Bahnsteig den Sturz bewirkten oder ob ggf eine (innere) Erkrankung bestand. Mithin ist nicht feststellbar, welche Faktoren im Zeitpunkt des Sturzes und Aufpralls auf den Kläger eingewirkt haben. Damit kann auch nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sich durch das Unfallereignis ein Risiko verwirklicht hat, vor dem gerade die Wegeunfallversicherung Schutz gewähren soll.

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Die Wegeunfallversicherung schützt, wie der Senat zuletzt entschieden hat, vor Gefahren für Gesundheit und Leben, die aus der Teilnahme am öffentlichen Verkehr als Fußgänger oder Benutzer eines Verkehrsmittels, also aus eigenem oder fremdem Verkehrsverhalten oder äußeren Einflüssen während der Zurücklegung des Weges hervorgehen (BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 20 und vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 45). Zwar könnte das Risiko, beim Gehen durch Stolpern oder Ausrutschen, durch einen Zusammenstoß mit einer Vitrine oder durch den Anstoß anderer Personen zu stürzen, jeweils von dem Schutzzweck der Wegeunfallversicherung umfasst sein. Solche äußeren Einwirkungen auf den Körper des Klägers müssten als solche aber zunächst konkret festgestellt sein, was hier gerade nicht der Fall ist. Ihre Nichterweislichkeit geht zu Lasten des Klägers.

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c) Die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, müssen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, feststehen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 mwN). In der Wegeunfallversicherung wie auch sonst bei anderen Versicherungstatbeständen der gesetzlichen Unfallversicherung besteht keine Vermutungsregel, dass bei Verrichtung einer versicherten Tätigkeit unmittelbar vor dem Unfallereignis der Unfall objektiv und rechtlich wesentlich durch diese versicherte Tätigkeit verursacht wurde. Sind - wie hier - die Umstände, die vor dem Unfallereignis unmittelbar auf den Kläger eingewirkt haben, unbekannt, kann nicht mit dem erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Sturz durch ein Risiko verursacht wurde, gegen das die gesetzliche Unfallversicherung beim Zurücklegen des Weges nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII Schutz gewähren soll.

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Den Nachteil aus der tatsächlichen Unaufklärbarkeit anspruchsbegründender Tatsachen hat nach den Regeln der objektiven Beweislast der Kläger zu tragen. Für die erforderlichen Feststellungen der Tatsachen können ua die Angaben des Versicherten, Bekundungen von Zeugen und Sachverständigen sowie sonstige Umstände herangezogen werden. Die Beklagte und die Vorinstanzen haben - soweit ersichtlich - alle denkbaren Beweismittel ausgeschöpft. Insofern werden auch von der Revision keine Rügen erhoben. Ist danach dennoch das zum Unfallereignis führende Geschehen und insbesondere - wie hier - die zum Unfallereignis führende Kausalkette nicht aufklärbar, geht dies zu Lasten des Versicherten (vgl hierzu BSG vom 27.3.1990 - 2 RU 45/89 - HV-INFO 1990, 1181 mwN; vgl auch BSG vom 28.6.1984 - 2 RU 54/83 - HV-INFO 1984, Nr 15, 40 bis 44). Wie bereits oben ausgeführt, kann ohne Feststellung der konkreten Kausalkette nicht aus der bloßen Tatsache des "auf dem Wege seins" abgeleitet werden, dass sich auch eine Gefahr realisiert hat, die in den Schutzbereich der Wegeunfallversicherung fällt. Ein solcher "Wegebann" entspricht nicht dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Entgegen der Auffassung der Revision führt auch der allgemeine Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung nicht dazu, dass die Nichterweislichkeit der Ursache bei ungeklärtem Unfallhergang jeweils zu Lasten des Unfallversicherungsträgers geht. Denn die Einstandspflicht und damit der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung besteht auch in der Wegeunfallversicherung nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII nur dann, wenn sich durch eine Handlung des Geschädigten, die den gesetzlichen Tatbestand dieser versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht hat, gegen dessen Eintritt nicht die Unfallversicherung "allgemein", sondern der jeweils durch die Verrichtung erfüllte Versicherungstatbestand der Wegeunfallversicherung schützen soll. Ein solches spezifisches Wegerisiko als Unfallursache ist hier aber nicht feststellbar, was zu Lasten des Klägers geht.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.