Bundessozialgericht Beschluss, 02. Dez. 2014 - B 14 AS 30/14 B

bei uns veröffentlicht am02.12.2014

Tenor

Der Klägerin wird auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 10. Januar 2014 gewährt.

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 10. Januar 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Mit Beschluss vom 10.1.2014 hat das Landessozialgericht (LSG) Berufungen der Klägerin gegen Urteile des Sozialgerichts zurückgewiesen, durch die ihre Klagen wegen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch abgewiesen worden waren. Daran mitgewirkt hat ua die Richterin am LSG E, die zuvor durch Beschluss vom 18.11.2011 wegen Besorgnis der Befangenheit von der weiteren Beteiligung am Verfahren ausgeschlossen worden war, nachdem sie gemäß § 48 Zivilprozessordnung (ZPO) angezeigt hatte, dass die zu diesem Zeitpunkt mit der Prozessvertretung der Klägerin beauftragt gewesene Rechtsanwältin freie Mitarbeiterin in der Kanzlei des Ehemannes der Richterin ist.

2

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG macht die Klägerin einen Verfahrensmangel geltend und rügt die Mitwirkung der durch den Beschluss vom 18.11.2011 ausgeschlossenen Richterin. Dadurch sei Art 101 Abs 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) verletzt.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig - insbesondere nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Senatsbeschluss vom 15.7.2014 unter Beantragung von Wiedereinsetzung in die Einlegungsfrist innerhalb der Monatsfrist des § 67 Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt - und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

4

Der Beschluss des LSG vom 10.1.2014 beruht auf einem von der Klägerin hinreichend bezeichneten (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Bei Erlass der Entscheidung war das LSG nicht vorschriftsmäßig besetzt (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 SGG), weil an ihr die durch Beschluss vom 18.11.2011 ausgeschlossene Richterin am LSG E mitgewirkt hat (§ 60 Abs 1 SGG iVm §§ 48, 47 ZPO). Von diesem Zeitpunkt an stand die Richterin einem iS von § 41 ZPO von Gesetzes wegen ausgeschlossenen Richter gleich(vgl Gehrlein in Münchener Kommentar zur ZPO, Bd 1, 4. Aufl 2013, § 46 RdNr 1) und hatte sich demzufolge jeder weiteren richterlichen Beteiligung an dem Berufungsverfahren zu enthalten (vgl nur Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 73. Aufl 2015, § 41 RdNr 6; Heinrich in Musielak, ZPO, 11. Aufl 2014, § 41 RdNr 2; Gehrlein in Münchener Kommentar zur ZPO, Bd 1, 4. Aufl 2013, § 41 RdNr 28; Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl 2014, § 41 RdNr 15). Verletzt hierdurch ist auch das grundrechtsgleiche Recht der Klägerin auf den gesetzlichen Richter iS von Art 101 Abs 1 Satz 2 GG (vgl BSG Urteil vom 23.8.2007 - B 4 RS 2/06 R - SozR 4-1500 § 155 Nr 1 RdNr 12 mwN).

5

Da das Recht auf den gesetzlichen Richter zu den Grundlagen des Prozessrechts gehört, bei deren Verletzung gesetzlich vermutet wird (§ 202 SGG iVm § 547 Nr 2 ZPO), dass die ergangene Entscheidung auf der Verletzung von Verfahrensrechten beruht (vgl BSG Beschluss vom 13.11.2012 - B 2 U 218/12 B - Juris RdNr 11), war die Entscheidung nach § 160a Abs 5 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

6

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160a


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 202


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Zivilprozessordnung - ZPO | § 547 Absolute Revisionsgründe


Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges

Zivilprozessordnung - ZPO | § 41 Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes


Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen: 1. in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht;2.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 47 Unaufschiebbare Amtshandlungen


(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten. (2) Wird ein Richter während der Verhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung eine Verta

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 60


(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten die §§ 41 bis 46 Absatz 1 und die §§ 47 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend. (2) Von der Ausübung des Amtes als Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 48 Selbstablehnung; Ablehnung von Amts wegen


Das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht hat auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus

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Bundessozialgericht Beschluss, 13. Nov. 2012 - B 2 U 218/12 B

bei uns veröffentlicht am 13.11.2012

Tenor Auf die Beschwerde des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 7. Mai 2012 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

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Das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht hat auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen sei.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten die §§ 41 bis 46 Absatz 1 und die §§ 47 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.

(3) Die Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozeßordnung gilt stets als begründet, wenn der Richter dem Vorstand einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts angehört, deren Interessen durch das Verfahren unmittelbar berührt werden.

(4) (weggefallen)

Das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht hat auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen sei.

(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten.

(2) Wird ein Richter während der Verhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung eine Vertagung der Verhandlung erfordern, so kann der Termin unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, so ist der nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegende Teil der Verhandlung zu wiederholen.

Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen:

1.
in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht;
2.
in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war;
4.
in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist;
5.
in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist;
6.
in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt;
7.
in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren, wenn er in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird;
8.
in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

Tenor

Auf die Beschwerde des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 7. Mai 2012 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt die Feststellung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall eines Nothelfers. Mit Urteil des Berichterstatters beim LSG vom 7.5.2012 wurde auf die Berufung des Klägers "das Ereignis vom 26.1.1998" als Arbeitsunfall festgestellt, für den der Beklagte zuständig sei.

2

Der Beklagte hat die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. Er rügt insbesondere, das Urteil sei unter Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG, §§ 33, 153 SGG) ergangen. Durch Beschluss des LSG vom 3.11.2011 sei die Sache dem Berichterstatter zur Entscheidung über die Berufung gemäß "§ 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz" übertragen worden. Dieser Beschluss sei offensichtlich fehlerhaft gewesen. Der Berichterstatter habe danach einen Erörterungstermin durchgeführt, ohne hierzu gesetzlich befugt zu sein. Mit Beschluss vom 26.4.2012 habe das LSG den früheren Beschluss zwar berichtigt und dem Berichterstatter die Entscheidung über die Berufung nach § 155 Abs 4 SGG übertragen. Dieser Beschluss sei den Beteiligten aber erst mit dem Urteil des LSG zugestellt worden. Die Entscheidung des LSG sei deshalb unter Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter ergangen. Die erteilten Einverständnisse der Beteiligten zur Entscheidung des Berichterstatters als Einzelrichter seien zudem verbraucht gewesen. Im Übrigen sei die Entscheidung auch unter Verletzung der §§ 117, 118 SGG ergangen, weil das LSG im Wege des Urkundenbeweises Zeugenaussagen, die vor anderen Gerichten gemacht wurden, unangekündigt anders als diese Gerichte gewürdigt habe.

3

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

4

1. Der von dem Beklagten gerügte Verfahrensfehler, eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter, liegt vor. Auf diesem absoluten Revisionsgrund kann das Urteil des LSG in der Hauptsache beruhen (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

5

Das LSG hat durch den Beschluss vom 3.11.2011, der den Beteiligten zugestellt und dadurch wirksam wurde, die Sache dem Berichterstatter zur Entscheidung "nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz" übertragen. Obwohl dieser Beschluss rechtswidrig war, weil eine solche Übertragung nur in Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1 SGG, also nach einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid, in Betracht kommt und diese Voraussetzung nicht vorlag, ist er nicht nichtig(vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 142 RdNr 3c und § 125 RdNr 5b). Der Beschluss ist vielmehr wirksam (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 142 RdNr 3c), da er nach Maßgabe der §§ 142 Abs 1, 133 Satz 2 SGG den Beteiligten zugestellt und auch nicht wieder aufgehoben worden ist(vgl BSG vom 27.4.2010 - B 2 U 344/09 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 8; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 142 RdNr 7). Aufgrund dieses Beschlusses war der Berichterstatter nur gemeinsam mit den ehrenamtlichen Richtern als gesetzlicher Richter bestimmt worden (§ 153 Abs 5 SGG). Die Entscheidung ist aber allein durch den Berichterstatter ohne ehrenamtliche Richter, also in einer Besetzung, die dem Beschluss nicht entspricht, getroffen worden.

6

Das LSG hat zwar versucht, den Beschluss vom 3.11.2011 mit Beschluss vom 26.4.2012 zu "berichtigen". Ein Fall der Beschlussberichtigung (§§ 142 Abs 1, 138 SGG) lag aber nicht vor. Denn es ging nicht um einen Schreibfehler, Rechenfehler oder "ähnliche offenbare Unrichtigkeiten" iS des § 138 Satz 1 SGG. Vielmehr lag die dargestellte Gesetzwidrigkeit vor.

7

Ferner hat das LSG in diesem "Berichtigungsbeschluss" seine rechtswidrige Übertragungsentscheidung aus dem Beschluss vom 3.11.2011 nicht ausdrücklich aufgehoben. Es hat nur eine andere Übertragungsentscheidung - nun auf den Berichterstatter allein "nach § 155 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz" - ausgesprochen. Es ist nicht zu entscheiden, ob darin sinngemäß und hinreichend bestimmt eine schlüssige Aufhebung der ersten Übertragungsentscheidung miterklärt worden sein könnte. Denn der zweite Übertragungsbeschluss ist erst nach dem Erlass des Urteils des Einzelrichters und zusammen mit diesem durch Zustellung wirksam geworden.

8

Der Übertragungsbeschluss vom 26.4.2012 wurde den Beteiligten nicht vor der Entscheidung in der Sache zugestellt. Bei Erlass und Zugang des Urteils des LSG war daher weiterhin die Übertragung vom 3.11.2011 wirksam, nach der der Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter zu gesetzlichen Richtern bestimmt waren.

9

Auch stand dem Senat des LSG keine Übertragungskompetenz auf den Einzelrichter nach § 155 Abs (3 oder) 4 SGG zu. Die Bestellung eines Vorsitzenden oder Berichterstatters zum Einzelrichter tritt nicht durch einen in § 155 SGG nicht vorgesehenen Beschluss des Senats beim LSG, sondern kraft Gesetzes ein, falls die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer solchen Entscheidung durch den Einzelrichter wirksam erklärt haben. Erst dann hat dieser zu befinden, ob seine Entscheidungskompetenz begründet ist oder nicht.

10

Im Übrigen ist auch fraglich, ob das Einverständnis der Beteiligten mit einer Entscheidung nach § 155 Abs 4 und 5 SGG durch den Beschluss vom 3.11.2011 nicht verbraucht war, da durch Übertragung der Sache nach § 153 Abs 5 SGG eine neue prozessuale Situation eingetreten sein könnte. Diese Frage kann aber dahingestellt bleiben, da der "Berichtigungsbeschluss" die Zuständigkeit des Einzelrichters nicht wirksam begründet hat.

11

Das angefochtene Urteil des LSG ist aufzuheben, da die Entscheidung nicht durch den gesetzlichen Richter getroffen worden ist. Das LSG hat hierdurch § 33 Satz 1 SGG und § 155 Abs 3 und 4 SGG verletzt und damit die Beteiligten ihrem gesetzlichen Richter(Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) entzogen. Der gerügte Verfahrensfehler iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist auch von Amts wegen zu beachten. Das Recht auf den gesetzlichen Richter gehört zu den Grundlagen des Prozessrechts, bei deren Verletzung vermutet wird, dass die ergangene Entscheidung auf der Verletzung von Verfahrensrechten beruht.

12

Der als Berichterstatter bestellte Richter war allerdings - entgegen der Auffassung des Beklagten - beim Erörterungstermin vom 5.12.2011 der gesetzliche Richter, da der Vorsitzende seine Aufgaben nach §§ 104, 106 bis 108 SGG gemäß § 155 Abs 1 SGG auf den Berichterstatter übertragen hatte. Dieser konnte ohne Zustimmung der Beteiligten einen Erörterungstermin mit Beweisaufnahme durchführen.

13

2. Da das Urteil des LSG schon wegen der Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter aufzuheben war, kann der Senat dahingestellt lassen, ob auch die von dem Beklagten gerügte Verletzung der §§ 117, 118 SGG vorliegt.

14

Nur beiläufig sei darauf hingewiesen, dass es bei dem gegebenen Sachverhalt und den schon bei anderen Gerichten und der Staatsanwaltschaft durchgeführten Beweisaufnahmen auch verfahrensrechtlich angezeigt sein dürfte, wenn man meint, die Zeugen abweichend von der Beurteilung der anderen Stellen der Justiz würdigen zu sollen, diese persönlich zu hören, um sich einen unmittelbaren Eindruck davon zu verschaffen, ob der Kläger hier als Nothelfer einer dritten Person tätig geworden sein kann.

15

3. Der Senat macht von der durch § 160a Abs 5 SGG eröffneten Möglichkeit Gebrauch, das angefochtene Urteil wegen des festgestellten Verfahrensfehlers aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, weil ein nicht heilbarer Verfahrensmangel vorliegt.

16

Das LSG wird in der nun zu treffenden Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.