Bundessozialgericht Urteil, 21. Juni 2018 - B 11 AL 13/17 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2018:210618UB11AL1317R0
bei uns veröffentlicht am21.06.2018

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. November 2016 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 26. Oktober 2015 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen das Ruhen des Anspruchs auf Alg wegen des Erhalts einer Entlassungsentschädigung.

2

Die 1957 geborene Klägerin war seit Oktober 2002 bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH) in M. beschäftigt. Nach dem Anstellungsvertrag fanden auf ihr Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) sowie die diesen ergänzenden und/oder ändernden Tarifverträge und Vorschriften Anwendung. Die KVH beschloss am 13.10.2009 mit dem Gesamtpersonalrat ein Umstrukturierungskonzept, das ein Standortkonzept, einen Sozialplan und eine Dienstvereinbarung zur Expressabfindung enthielt. Die Arbeitsplätze der Mitarbeiter, die in M. tätig waren, sollten ersatzlos entfallen. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten an einem anderen Standort der KVH sollten für die Betroffenen geprüft und letztlich betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden. Die Klägerin vereinbarte mit ihrer Arbeitgeberin in einem Aufhebungsvertrag vom 5.11.2009, dass ihr Arbeitsverhältnis zum 31.3.2010 beendet werde. Sie erhielt eine Sozialplanabfindung in Höhe von 15 234,20 Euro brutto, eine so genannte Expressabfindung in Höhe von 4570,26 Euro brutto und wegen des Eintritts einer Sperrzeit eine weitere Abfindung in Höhe von 2355 Euro.

3

Die Klägerin meldete sich am 26.1.2010 mit Wirkung zum 1.4.2010 arbeitslos und beantragte Alg. Für den Zeitraum vom 1.4.2010 bis 23.6.2010 stellte die Beklagte mit bindendem Bescheid den Eintritt einer Sperrzeit fest. Weiter lehnte sie Alg wegen der Entlassungsentschädigung für den Zeitraum vom 1.4.2010 bis 23.9.2010 ab. Da die Arbeitgeberin nicht habe kündigen dürfen, sei von einer fiktiven Kündigungsfrist von 18 Monaten auszugehen. Diese Frist sei bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht eingehalten worden (Bescheid vom 6.4.2010; Widerspruchsbescheid vom 30.4.2010). Die Beklagte bewilligte Alg erst mit Ablauf des Ruhenszeitraums ab 24.9.2010 (Bescheid vom 7.4.2010; Änderungsbescheid vom 26.7.2010).

4

Das SG hat die Bescheide der Beklagten vom 6.4.2010 und 7.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.4.2010 und des Änderungsbescheids vom 26.7.2010 aufgehoben, "soweit darin das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 24.06.2010 bis 23.09.2010 festgestellt worden ist". Weiter hat es die Beklagte verurteilt, "der Klägerin auch für die Zeit vom 24.06.2010 bis 23.09.2010 Arbeitslosengeld in Höhe von 17,79 Euro täglich zu gewähren" (Urteil vom 26.10.2015). Ein Ruhen des Anspruchs auf Alg wegen der Entlassungsentschädigung sei nicht eingetreten, weil das Arbeitsverhältnis nicht ohne Einhaltung einer der tatsächlichen ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden sei. Es liege auch keine der Fallgestaltungen des § 143a Abs 1 Satz 3 SGB III aF bzw des § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III aF mit Annahme von fiktiven Kündigungsfristen und entsprechenden Ruhensfolgen vor. Nach der von der Beklagten herangezogenen Regelung des § 5 Abs 2 des Tarifvertrags über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 9.1.1987 (RatSchTVAng) sei die Kündigungsmöglichkeit lediglich an die Durchführung eines bestimmten Verfahrens gebunden, die ordentliche Kündigung sei jedoch nicht ausgeschlossen.

5

Auf die Berufung der Beklagten, die mit einer Korrektur des Ruhenszeitraums auch für den 23.9.2010 Alg bewilligt hat (Bescheid vom 1.11.2016), hat das LSG das Urteil des SG vom 26.10.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 18.11.2016). Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig, soweit darin das Ruhen des Anspruchs auf Alg für den Zeitraum vom 24.6.2010 bis 22.9.2010 festgestellt worden sei. Ein Ausschluss der ordentlichen Kündigung iS von § 143a Abs 1 Satz 3 SGB III aF mit Ruhen des Anspruchs auf Alg trete nicht nur bei (vollständigem) Ausschluss einer ordentlichen Kündigung durch vertragliche, tarifliche, betriebliche oder gesetzliche Regelungen, sondern auch dann ein, wenn eine Kündigung wegen des Fehlens der dafür notwendigen Voraussetzungen ausgeschlossen sei. Auch dann könne sich der Arbeitgeber die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur durch die Zahlung einer Entschädigung, die das ausgefallene Entgelt ersetzen solle, erkaufen. Den Auskünften der Arbeitgeberin sei zu entnehmen, dass bis zum Abschluss des Aufhebungsvertrags noch nicht geprüft worden sei und damit zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgestanden habe, ob der Klägerin ein Ersatzarbeitsplatz habe angeboten werden können. Die Voraussetzungen, unter denen ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer nach § 5 Abs 2 RatSchTVAng kündigen könne, hätten daher nicht vorgelegen. Weitere Möglichkeiten des Arbeitgebers zu einer ordentlichen Kündigung hätten bei Abschluss der Abfindungsvereinbarung ebenfalls nicht vorgelegen. Ausgehend von einer fiktiven Kündigungsfrist von 18 Monaten ergebe sich ein Ruhen des Alg-Anspruchs bis zum 22.9.2010.

6

Mit ihrer vom BSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 143a Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB III aF. Wie den Gesetzesmaterialien zu entnehmen sei, erfasse diese Regelung nur Fallgestaltungen, in denen für den Arbeitgeber jede Möglichkeit der ordentlichen Beendigungskündigung ausgeschlossen sei.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. November 2016 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 26. Oktober 2015 zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

9

Sie führt aus, eine Kündigung iS von § 143a Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB III aF sei zeitlich unbegrenzt ausgeschlossen, wenn bei Rationalisierungsmaßnahmen tarifvertraglich ein Ersatzarbeitsplatz anzubieten sei. Es könne nicht zulässig sein, freiwillig auf einen bestehenden Kündigungsschutz zu verzichten, ohne dass die dann zustehende Abfindung zu einem Ruhen des Anspruchs auf Alg führe.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Die Berufung der Beklagten gegen das zusprechende Urteil des SG war zurückzuweisen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte hat die Zahlung von Alg für den Zeitraum vom 24.6. bis 22.9.2010 zu Unrecht abgelehnt, weil ein Ruhen des Anspruchs auf Alg wegen der Entlassungsentschädigung nicht eingetreten ist.

11

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - neben den vorinstanzlichen Entscheidungen - zunächst der Bescheid vom 6.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.4.2010 (§ 95 SGG), soweit die Beklagte Alg wegen des Ruhens des Anspruchs unter Berücksichtigung des Erhalts einer Entlassungsentschädigung für den Zeitraum vom 24.6. bis 23.9.2010 abgelehnt hat. Diese Verfügungen korrespondieren mit derjenigen des Bewilligungsbescheids vom 7.4.2010 über die Zahlung von Alg erst ab 24.9.2010. Diese Bescheide treffen eine einheitliche rechtliche Regelung und können von der Klägerin gemeinsam angefochten werden (vgl zuletzt BSG vom 13.3.2018 - B 11 AL 12/17 R - juris RdNr 11, zur Veröffentlichung in SozR und BSGE vorgesehen). Der Änderungsbescheid vom 26.7.2010 mit der Zuerkennung eines höheren Alg-Anspruchs ab 24.9.2010 ist nach § 96 Abs 1 SGG zum Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens geworden. Die Einbeziehung des Bescheids vom 1.11.2016 mit einer Bewilligung von Alg auch für den 23.9.2010 beruht auf § 153 Abs 1 SGG iVm § 96 Abs 1 SGG. Die Klägerin wendet sich gegen diese Bescheide zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage.

12

Die Klägerin hatte auch in dem streitigen Zeitraum vom 24.6. bis 22.9.2010 einen Anspruch auf Alg. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), hat sie sich nach frühzeitiger Arbeitsuchendmeldung am 26.1.2010 mit Wirkung zum 1.4.2010 arbeitslos gemeldet und Alg beantragt (§ 118 Abs 1 Nr 2 SGB III aF, § 122 SGB III aF), die Anwartschaftszeit erfüllt (§ 118 Abs 1 Nr 3 SGB III aF, § 123 SGB III aF) und war auch arbeitslos (§ 118 Abs 1 Nr 1 SGB III aF, § 119 SGB III aF). Zwar hat sie - wie vom LSG festgestellt - eine Abfindung in Höhe von insgesamt 22 159,46 Euro erhalten. Ein Ruhen des Anspruchs wegen der Entlassungsentschädigung ist dennoch nicht eingetreten, weil keine der Fallgestaltungen des § 143a Abs 1 SGB III in der bis zum 31.3.2012 geltenden Fassung des Entlassungsentschädigungs-Änderungsgesetzes (EEÄndG) vom 24.3.1999 (BGBl I 396; im Folgenden aF) gegeben ist, dem § 158 Abs 1 SGB III in der ab 1.4.2012 geltenden Fassung entspricht.

13

2. Als Rechtsgrundlagen für das von der Beklagten angenommene Ruhen des Alg-Anspruchs kommen die Regelungen des § 143a Abs 1 Satz 1 SGB III aF, des § 143a Abs 1 Satz 3 SGB III aF und des § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III aF in Betracht. § 143a Abs 1 Satz 1 SGB III aF bestimmt: "Hat der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte." In Abgrenzung zu § 143a Abs 1 Satz 1 SGB III aF erfassen die weiteren Regelungen des § 143a Abs 1 Satz 3 SGB III aF und des § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III aF diejenigen Arbeitnehmer, die ordentlich nicht mehr kündbar sind.

14

3. Einem Ruhen des Anspruchs auf Alg steht schon entgegen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin iS des § 143a Abs 1 Satz 1 SGB III aF ordentlich kündbar war und es durch die Abfindungsvereinbarung vom 5.11.2009 nicht ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist iS des § 143a Abs 1 Satz 1 SGB III aF entsprechenden Frist beendet worden ist(hierzu a). Entgegen der Rechtsauffassung des LSG ist der Ausschluss einer ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers mit der Konsequenz der Annahme von fiktiven Kündigungsfristen und entsprechend längeren Ruhenszeiträumen des Anspruchs auf Alg iS des § 143a Abs 1 Satz 3 SGB III aF bzw des § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III aF auch nicht bereits dann anzunehmen, wenn im Einzelfall die Voraussetzungen einer betriebsbedingten ordentlichen Kündigung vorliegen(hierzu b).

15

a) Das Arbeitsverhältnis mit der KVH ist nicht ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist iS des § 143a SGB III aF beendet worden.

16

(aa) Unter dem gesetzlich nicht normierten Begriff der "ordentlichen Kündigungsfrist" ist diejenige Frist zu verstehen, die der Kündigende nach gesetzlicher, kollektivvertraglicher oder einzelvertraglicher Regelung für seine Kündigungserklärung einhalten muss, um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis einseitig beenden zu können (vgl Zöllner, Arbeitsrecht, 7. Aufl 2015, § 25 RdNr 21). Im Gegensatz dazu steht die so genannte außerordentliche Kündigung, die unter bestimmten Voraussetzungen grundsätzlich ohne Frist möglich ist, aber auch befristet erfolgen kann (vgl BAG vom 8.10.1957 - 3 AZR 124/55 - AP Nr 15 zu § 626 BGB). Ob ein Arbeitsverhältnis (noch) ordentlich gekündigt werden kann, bestimmt sich nach dem Inhalt des Arbeitsvertrags (vgl BSG vom 21.5.1980 - 7 RAr 81/79 - BSGE 50, 121, 123 = SozR 4100 § 117 Nr 3 S 26). Dies ist ausgehend von dem Zeitpunkt der Kündigung bzw der Aufhebungsvereinbarung zu beurteilen (Leitherer in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 158 RdNr 84, Stand Dezember 2014). Die bei objektiver Betrachtung "richtige" ordentliche Kündigungsfrist ist unbesehen etwaiger (irrtümlicher) subjektiver Vorstellungen der Arbeitsvertragsparteien über die Kündigungsfristen zugrunde zu legen (BSG vom 25.10.1989 - 7 RAr 108/88 - SozR 4100 § 117 Nr 26 S 141; BSG vom 28.11.1996 - 7 RAr 56/96 - SozR 3-4100 § 117 Nr 13 S 91).

17

Hiervon ausgehend betrug die für das Arbeitsverhältnis der Klägerin maßgebende Kündigungsfrist drei Monate zum Quartalsende. Nach § 3 des Anstellungsvertrags waren auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des BAT anzuwenden. § 53 Abs 2 BAT enthält nach Beschäftigungszeiten gestaffelte Kündigungsfristen und bestimmt für eine längere Beschäftigungszeit von mindestens fünf Jahren bis zu einer Beschäftigungszeit von mindestens acht Jahren eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres. Nach § 53 Abs 3 BAT ist der Angestellte erst bei einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren, frühestens jedoch nach Vollendung des 40. Lebensjahres, unkündbar. Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Aufhebungsvertrags im November 2009 erst etwas mehr als sieben Jahre bei der KVH Hessen beschäftigt gewesen und noch ordentlich kündbar. Die maßgebende Kündigungsfrist von drei Monaten ist ausgehend von dem Datum des Aufhebungsvertrags (5.11.2009) durch die Beendigung mit Wirkung zum 31.3.2010 eingehalten.

18

(bb) Aus den wegen der Rationalisierungsmaßnahmen der KVH nach § 1 RatSchTVAng einschlägigen Regelungen des RatSchTVAng ergibt sich - seine Anwendbarkeit auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme unterstellt - vorliegend keine Modifikation der Kündigungsfristen des BAT.

19

§ 5 Abs 2 Satz 1 des RatSchTVAng bestimmt, dass eine Kündigung mit dem Ziel der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur ausgesprochen werden darf, wenn dem Angestellten ein Arbeitsplatz nach § 3 Abs 2 bis 5 RatSchTVAng nicht angeboten werden kann oder der Angestellte einen Arbeitsplatz entgegen § 3 Abs 6 RatSchTVAng nicht annimmt. Nach § 5 Abs 2 Satz 2 RatSchTVAng beträgt die Kündigungsfrist drei Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres, soweit sich nicht aus § 53 Abs 2 BAT eine längere Kündigungsfrist ergibt. Schon diesem Wortlaut des § 5 Abs 2 Satz 2 RatSchTVAng ist zu entnehmen, dass von den Kündigungsfristen des BAT - vorliegend derjenigen von drei Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres - nicht abgewichen werden soll.

20

Vielmehr bestimmt § 5 Abs 2 RatSchTVAng nach seinem Regelungsgehalt den Vorrang der Arbeitsplatzsicherung nach den §§ 3, 4 RatSchTVAng vor einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung(vgl BAG vom 13.6.1986 - 7 AZR 648/84 - juris RdNr 24 - zu der Vorgängerregelung des § 4 Abs 1 letzte Unterabsätze des RatSchTVAng vom 29.10.1971; BAG vom 15.11.2001 - 6 AZR 629/00 - ZTR 2002, 485 ff). Die Nichtbeachtung von Vorgaben zur Arbeitsplatzsicherung im Kündigungsverfahren kann im konkreten Einzelfall bewirken, dass eine ordentliche oder außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit notwendiger Auslauffrist sozial ungerechtfertigt ist (vgl BAG vom 6.10.2005 - 2 AZR 362/04 - AP Nr 8 zu § 53 BAT - juris RdNr 30 zur Berücksichtigung der Regelungen des Tarifvertrags über den Rationalisierungsschutz als Mindestvoraussetzung für die Rechtfertigung einer wirksamen außerordentlichen Kündigung). § 5 Abs 2 RatSchTVAng enthält aber keine in jedem Fall verbindliche Modifikation der tarifvertraglichen Kündigungsfristen des § 53 BAT, sondern nur eine abgestufte Arbeitsplatzsicherung als Schutzmechanismus vor Ausspruch einer betriebsbedingten Beendigungskündigung gegenüber ordentlich kündbaren Arbeitnehmern nach Maßgabe des RatSchTVAng(vgl hierzu im Einzelnen Wiesner in ZTR 2001, 304 ff, 306).

21

b) War die Klägerin danach grundsätzlich ordentlich kündbar und ist die ordentliche Kündigungsfrist bei Abschluss der Abfindungsvereinbarung eingehalten worden, kommt ein Ruhen des Anspruchs auf Alg auch nach den weiteren Ruhensvorschriften des § 143a Abs 1 SGB III aF von vornherein nicht in Betracht.

22

(aa) Die Ruhensfolgen unter Anordnung von fiktiven Kündigungsfristen nach § 143a Abs 1 Satz 3 SGB III aF bzw § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III aF beziehen sich ausdrücklich nur auf Fallgestaltungen, in denen die ordentliche Kündigung kraft Gesetzes oder Vertrags uneingeschränkt oder eingeschränkt ausgeschlossen ist, indem sie für Fälle wiedereröffnet wird, in denen eine Abfindung gezahlt wird. Insofern gilt bei zeitlich unbegrenztem Ausschluss der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber eine Kündigungsfrist von 18 Monaten (§ 143a Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB III aF); bei zeitlich begrenztem Ausschluss oder bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund gilt jedoch die Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre (§ 143a Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB III aF). Schließlich findet für die weitere Gruppe der eingeschränkt - nämlich nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung - (wieder) ordentlich kündbaren Arbeitnehmer eine fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr Anwendung, wenn der Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden kann (§ 143a Abs 1 Satz 4 SGB III aF). Werden diese fiktiven Kündigungsfristen bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht eingehalten, gilt die Beendigung nach der typisierenden Wertung des Gesetzgebers jeweils als vorzeitig mit der Folge der Anrechnung eines Teils der Abfindung nach Maßgabe des § 143a Abs 2 SGB III aF (vgl BSG vom 29.1.2001 - B 7 AL 62/99 R - BSGE 87, 250, 253 = SozR 3-4100 § 117 Nr 22 S 154 ff mwN; vgl Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 117 Abs 2 und 3 AFG durch das 4. AFG-ÄndG vom 12.12.1977 - BT-Drucks 8/857 S 9).

23

Mit diesen Vorschriften wird in typisierender Betrachtung nur bei einem grundsätzlichen Ausschluss der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit ein Zusammenhang zwischen der Abfindungsleistung und dem "Verzicht" des Arbeitnehmers auf den ihm zustehenden Kündigungsschutz unwiderlegbar vermutet. In diesem Fall wird zum Nachteil des Betroffenen davon ausgegangen, dass in einer Entlassungsentschädigung ein anrechenbarer Anteil von Arbeitsentgelt enthalten ist (BSG vom 29.1.2001 - B 7 AL 62/99 R - BSGE 87, 250, 255 = SozR 3-4100 § 117 Nr 22 S 156; BSG vom 8.2.2001 - B 11 AL 59/00 R - SozR 3-4100 § 117 Nr 23 S 166). Aus dieser generellen und typisierenden Anknüpfung der unterschiedlichen Ruhensfolgen an das Vorhandensein und die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfristen folgt zugleich, dass bei deren Beachtung auch nach § 143a Abs 1 Satz 3 SGB III aF und § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III aF gerade keine einzelfallbezogene Bewertung möglicher Kündigungsumstände zu Lasten der Betroffenen zu erfolgen hat.

24

(bb) Die hiervon abweichend vom LSG bei der Anwendung der Ruhensregelungen zugrunde gelegte Einzelfallprüfung, ob eine betriebsbedingte ordentliche Kündigung unter Berücksichtigung von vorrangigen Maßnahmen der Arbeitsplatzsicherung nach dem RatSchTVAng möglich war, ist mit dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck des § 143a SGB III aF nicht vereinbar. Bereits dem Wortlaut des § 143a Abs 1 SGB III aF lässt sich entnehmen, dass die abgestuften Ruhensfolgen bei Erhalt einer Entlassungsentschädigung in typisierender Betrachtung an eine grundsätzlich noch vorhandene bzw nicht mehr vorhandene Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung zu beenden, und an die Einhaltung einer vorhandenen ordentlichen Kündigungsfrist anknüpfen. Die einleitende Formulierung in § 143a Abs 1 Satz 3 SGB III aF ("Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen...") spricht dagegen, dass der Gesetzgeber im Wege einer konkreten Betrachtung sämtliche Fallgestaltungen nicht ausreichender Kündigungsgründe einbeziehen wollte, in denen eine ordentliche Kündigung im Einzelfall erschwert ist.

25

Die vom Berufungsgericht zugrunde gelegte konkrete Betrachtung bei der Auslegung des § 143a Abs 1 SGB III aF ist auch nicht mit der historischen Entwicklung der Ruhensregelungen bei Erhalt von Entlassungsentschädigungen vereinbar. In Abgrenzung zu den Vorgängervorschriften wollte der Gesetzgeber gerade keine einzelfallbezogene Bewertung einer Entlassungsentschädigung als Arbeitsentgelt oder Entschädigung des sozialen Besitzstandes anhand von konkreten Kündigungsumständen zugrunde legen. Nach § 96 Abs 1 Satz 1 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) ruhte der Anspruch auf Alg für die Zeit, für die der Arbeitslose Arbeitsentgelt bezog oder zu beanspruchen hatte. § 96 Abs 1 Satz 2 AVAVG, wonach als Arbeitsentgelt auch sonstige an den Arbeitnehmer gezahlte Beträge galten, wenn nach den Umständen des Einzelfalls anzunehmen war, dass sie zur Abfindung von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt erbracht worden waren, erforderte eine aufwändige Einzelfallprüfung(vgl zB BSG vom 29.8.1963 - 7 RAr 21/62 - BSGE 20, 20 = SozR Nr 2 zu § 96 AVAVG; BSG vom 17.3.1972 - 7 RAr 18/69 - juris RdNr 13). Die Schwierigkeiten in der Sachaufklärung, die mit dieser Vorgängerregelung des § 96 AVAVG verbunden waren, sollten durch die typisierenden und vereinfachten Nachfolgeregelungen in § 117 Abs 1 AFG und § 143a Abs 1 SGB III aF vermieden werden(BT-Drucks V/2291 S 82; V/4110 S 54 zu den Ruhensregelungen nach dem Entwurf eines Arbeitsförderungsgesetzes; vgl BSG vom 21.9.1995 - 11 RAr 41/95 - BSGE 76, 294, 297 = SozR 3-4100 § 117 Nr 12 S 82; BSG vom 29.1.2001 - B 7 AL 62/99 R - BSGE 87, 250, 254 = SozR 3-4100 § 117 Nr 22 S 155 f).

26

Eine vom Gesetzgeber nach dem Sinn und Zweck der Ruhensregelungen nicht mehr beabsichtigte Einzelfallprüfung, ob der Arbeitgeber im Hinblick auf mögliche Gründe für eine verhaltens-, personen- oder betriebsbedingte Kündigung oder weitere verfahrensrechtliche Umstände nicht wirksam kündigen kann und sich die Auflösung des Arbeitsverhältnisses "erkaufen" muss (BSG vom 29.1.2001 - B 7 AL 62/99 R - BSGE 87, 250, 254 = SozR 3-4100 § 117 Nr 22 S 155), wäre aber die Konsequenz der "erweiternden Auslegung" des LSG. Bezogen auf den vorliegenden Sachverhalt hätte nach arbeitsrechtlicher Rechtsprechung geprüft werden müssen, ob objektiv ein anderer Arbeitsplatz bei der KVH vorhanden gewesen ist, auf den die Klägerin hätte verwiesen werden können (BAG vom 13.6.1986 - 7 AZR 648/84 - juris RdNr 24). Dies liefe dem Zweck der typisierenden Fallgestaltungen des § 143a Abs 1 SGB III aF zuwider.

27

4. Dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass die Klägerin in dem streitigen Zeitraum Alg auch in der zuerkannten Höhe von 17,79 Euro beanspruchen kann. Die zwischenzeitliche Ausschöpfung der Gesamtanspruchsdauer des Alg-Anspruchs steht einem Zahlungsanspruch für die Zeit vom 24.6.2010 bis 22.9.2010 nicht entgegen (vgl BSG vom 17.12.2013 - B 11 AL 13/12 R - BSGE 115, 106 = SozR 4-4300 § 143a Nr 2, RdNr 19).

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Bundessozialgericht Urteil, 13. März 2018 - B 11 AL 12/17 R

bei uns veröffentlicht am 13.03.2018

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Januar 2017 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 17. Dez. 2013 - B 11 AL 13/12 R

bei uns veröffentlicht am 17.12.2013

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Januar 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren noch Alg für den Zeitraum vom 1.1.2013 bis 7.1.2013. Streitig ist insbesondere, ob der Anspruch auf Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung geruht hat.

2

Der Kläger war seit Dezember 2007 bei der Firma B M, N (im Folgenden: Arbeitgeberin) als Kraftfahrer beschäftigt. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.12.2012 und informierte ihn über seine Pflicht, sich frühzeitig arbeitsuchend zu melden (Schreiben vom 5.7.2012). Der Kläger meldete sich jedoch erst am 22.10.2012 bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) zum 1.1.2013 arbeitslos und beantragte Alg. Am 7.1.2013 legte er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) seines behandelnden Arztes mit attestierter Arbeitsunfähigkeit (AU) am 4.1.2013 und am 9.1.2013 eine AU-Bescheinigung über eine AU vom 8.1.2013 bis 11.1.2013 vor.

3

Die Beklagte stellte wegen des Eintritts einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung von einer Woche (1.1.2013 bis 7.1.2013) das Ruhen des Alg-Anspruchs in diesem Zeitraum sowie die Minderung der Anspruchsdauer um sieben Tage fest (Bescheid vom 30.1.2013). Ab 12.1.2013 bewilligte sie Alg (Bescheid vom 31.1.2013). Der Widerspruch gegen diese Bescheide blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 24.4.2013).

4

Das SG hat die auf die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 1.1.2013 bis 11.1.2013 gerichtete Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 4.3.2015). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 26.1.2017). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass der Kläger in dem Zeitraum vom 1.1.2013 bis zum 7.1.2013 keinen Anspruch auf Alg habe, weil eine einwöchige Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung eingetreten sei, die erst ab dem 1.1.2013 begonnen habe. Auch für den Zeitraum vom 8.1.2013 bis zum 11.1.2013 bestehe kein Anspruch auf Alg, weil der Kläger durch die Vorlage der AU-Bescheinigungen jedenfalls seine fehlende subjektive Verfügbarkeit zum Ausdruck gebracht habe. Mangels eines vorangegangenen rechtmäßigen Leistungsbezugs sei keine Fortzahlung des Alg bei AU möglich.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 159 Abs 2 SGB III. Ausgehend von dessen Wortlaut beginne die Sperrzeit mit dem Tag der verspäteten Arbeitsuchendmeldung. Daher solle festgestellt werden, dass die Sperrzeit nicht in der Zeit vom 1.1.2013 bis 7.1.2013, sondern in der Zeit vom 2.10.2012 bis 8.10.2012 eingetreten sei. Im Revisionsverfahren begehre er nur noch Alg für den Zeitraum vom 1.1.2013 bis 7.1.2013.

6

Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Januar 2017 sowie des Urteils des Sozialgerichts Koblenz vom 4. März 2015 und der Bescheide vom 30. Januar 2013 und 31. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2013 zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 7. Januar 2013 Arbeitslosengeld zu zahlen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie verteidigt das angefochtene Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger wegen des Eintritts einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung keinen Anspruch auf Alg für den Zeitraum vom 1.1.2013 bis 7.1.2013 hat.

10

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den Entscheidungen der Vorinstanzen die Bescheide vom 30.1.2013 und 31.1.2013, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.4.2013. Mit dem Bescheid vom 30.1.2013 hat die Beklagte die Bewilligung von Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit vom 1.1.2013 bis 7.1.2013 und das Ruhen des Anspruchs auf Alg für diesen Zeitraum abgelehnt und gleichzeitig über die Anspruchsdauer durch Feststellung ihrer Minderung um insgesamt sieben Tage verfügt. Diese Verfügungen korrespondieren mit denjenigen des Bewilligungsbescheids vom 31.1.2013 über die Zahlung von Alg erst ab 12.1.2013 mit einer Anspruchsdauer von nur noch 353 Kalendertagen. Alle Bescheide stellen eine einheitliche Regelung dar (BSG vom 5.8.1999 - B 7 AL 14/99 R - BSGE 84, 225, 227 = SozR 3-4100 § 119 Nr 17 S 78; vgl zuletzt BSG vom 12.10.2017 - B 11 AL 17/16 R - SozR 4-4300 § 159 Nr 4 RdNr 11). Im Revisionsverfahren hat der Kläger sein Begehren beschränkt, weil er sich nicht mehr dagegen wendet, dass die Beklagte die Zahlung von Alg für den Zeitraum vom 8.1.2013 bis 11.1.2013 abgelehnt hat. Auch wendet er sich im Revisionsverfahren nicht mehr gegen die Minderung der Anspruchsdauer. Dies entnimmt der Senat in Auslegung des Revisionsbegehrens (§ 123 SGG) dem Umstand, dass der Kläger ausdrücklich nur Alg für den begrenzten Zeitraum vom 1.1.2013 bis 7.1.2013 begehrt und damit weder in seinem Revisionsantrag noch in seinem Revisionsvorbringen auf die Verfügungen der Beklagten zur Minderung des Anspruchs auf Alg Bezug nimmt.

11

Zwar hat der Kläger mit seiner Arbeitslosmeldung am 1.1.2013 ein Stammrecht auf Alg erworben, weil er die Regelvoraussetzungen des Anspruchs auf Alg erfüllte. Nach den Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), hat er sich am 22.10.2012 mit Wirkung zum 1.1.2013 arbeitslos gemeldet (§§ 137 Abs 1 Nr 2, 141 SGB III), die Anwartschaftszeit erfüllt (§§ 137 Abs 1 Nr 3, 142 SGB III) und war auch arbeitslos (§§ 137 Abs 1 Nr 1, 138 SGB III). Insbesondere war seine Verfügbarkeit als Merkmal der Arbeitslosigkeit iS des § 138 Abs 1 Nr 3 SGB III iVm § 138 Abs 5 SGB III zum Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs nicht durch eine zuvor bestehende und noch andauernde AU eingeschränkt. Das Berufungsgericht ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass der Auszahlungsanspruch auf Alg in dem Zeitraum vom 1.1.2013 bis 7.1.2013 wegen des Eintritts einer Sperrzeit geruht hat.

12

Nach § 159 Abs 1 Satz 1 SGB III ruht der Anspruch auf Alg für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich ein Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB III vor, wenn die oder der Arbeitslose der Meldepflicht nach § 38 SGB III nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung). Nach § 38 Abs 1 Satz 1 SGB III sind Personen, deren Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis endet, verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Über seinen Wortlaut hinaus setzt § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB III als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein Verschulden des Arbeitsuchenden voraus. Zwar gehört das Merkmal der "Unverzüglichkeit" der Arbeitsuchendmeldung in der Vorgängerregelung des § 37b SGB III in der Fassung des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl I 4607), welches das BSG als rechtlichen Ansatzpunkt für das Verschuldenserfordernis erachtet hat (vgl nur BSG vom 18.8.2005 - B 7a/7 AL 94/04 R - BSGE 95, 80 = SozR 4-4300 § 140 Nr 2 mwN), nicht mehr zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Arbeitsuchendmeldung nach dem jetzigen § 38 SGB III. Gegenstand einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung ist jedoch weiterhin die Verletzung einer versicherungsrechtlichen Obliegenheit. Dabei ist Anknüpfungspunkt einer Obliegenheitsverletzung nicht der Eintritt eines bestimmten Erfolges (etwa Arbeitslosigkeit), sondern das dem Erfolgseintritt vorgelagerte schuldhafte Fehlverhalten (vgl Voelzke, Die Herbeiführung des Versicherungsfalls im Sozialversicherungsrecht, 2004, S 222 ff). Insofern hat das BSG bezogen auf die Ausgestaltung der versicherungsrechtlichen Obliegenheiten im Arbeitsförderungsrecht bereits betont, dass dem Leistungsberechtigten eine Obliegenheitsverletzung mit nachteiligen Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch - auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten (s dazu BVerfG vom 10.2.1987 - 1 BvL 15/83 - BVerfGE 74, 203, 216 f = SozR 4100 § 120 Nr 2 S 4) - nur entgegengehalten werden kann, wenn er gegen diese subjektiv vorwerfbar verstößt (vgl BSG vom 11.5.2000 - B 7 AL 54/99 R - BSGE 86, 147, 150 = SozR 3-4300 § 156 Nr 1 S 5; BSG vom 27.5.2003 - B 7 AL 4/02 R - BSGE 91, 90, 94 = SozR 4-4300 § 144 Nr 3 S 12; BSG vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R - BSGE 95, 8 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1, RdNr 11; BSG vom 20.10.2005 - B 7a AL 18/05 R - BSGE 95, 176 = SozR 4-4300 § 119 Nr 3, RdNr 33).

13

Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass diese tatbestandlichen Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung vorlagen. Da das der Versicherungspflicht unterliegende Beschäftigungsverhältnis des Klägers zum 31.12.2012 endete und er sich erst am 22.10.2012 und damit nicht - wie gesetzlich in § 38 Abs 1 Satz 1 SGB III gefordert - drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsuchend gemeldet hat, liegt eine verspätete Arbeitsuchendmeldung vor. Der Kläger ist seiner Obliegenheit zur frühzeitigen Meldung auch subjektiv vorwerfbar nicht nachgekommen. Ein Verschulden ist zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer nach seinem individuellen Vermögen fahrlässig in Unkenntnis über die ihm auferlegte Obliegenheit war und sich fahrlässig nicht unmittelbar nach dem Zeitpunkt der Kenntnis über die Beendigung des Versicherungspflichtverhältnisses bei der zuständigen Agentur für Arbeit gemeldet hat (vgl zur "doppelten Verschuldensprüfung": BSG vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 56/06 R - SozR 4-4300 § 37b Nr 5, RdNr 13; Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 5. Aufl 2017, § 159 SGB III RdNr 69 ff; Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 159 RdNr 474 und 490, Stand Oktober 2015). Insofern ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), dass der Kläger in einem im August 2012 geführten Telefongespräch mit der Beklagten über seine Verpflichtung zur Arbeitsuchendmeldung bis spätestens zum 1.10.2012, dem auf den 30.9.2012 nächstfolgenden Werktag (vgl § 26 Abs 3 Satz 1 SGB X), zutreffend informiert worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass er diese Informationen nicht verstehen konnte oder es Hinderungsgründe für eine rechtzeitige Meldung gab, sind nicht erkennbar.

14

Der Kläger kann sich für sein pflichtwidriges Verhalten auch auf keinen wichtigen Grund iS des § 159 Abs 1 Satz 1 SGB III berufen. Ein solcher ist anzunehmen, wenn dem Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden kann (vgl nur BSG vom 12.9.2017 - B 11 AL 25/16 R - juris, RdNr 16, vorgesehen zur Veröffentlichung in SozR 4-4300 § 159 Nr 3). Entgegen der Rechtsauffassung des LSG kommt es im Rahmen dieser Gesamtabwägung nicht auf ein vorwerfbares Fehlverhalten des Arbeitsuchenden an, weil - wie dargelegt - bereits kein versicherungswidriges Verhalten iS von § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB III gegeben ist, wenn der Leistungsberechtigte unverschuldet der Meldepflicht des § 38 SGB III nicht nachgekommen ist(ebenso Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 159 RdNr 493, Stand Oktober 2015; Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 5. Aufl 2017, § 159 SGB III RdNr 91; Giesen, NJW 2006, 721, 726 f; vgl auch BSG vom 14.7.2004 - B 11 AL 67/03 R - BSGE 93, 105, 107 f = SozR 4-4300 § 144 Nr 8 S 34 f und 35 zur Sperrzeit bei Arbeitsablehnung; aA Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, § 159 SGB III RdNr 337, Stand März 2015; Preis/Schneider, NZA 2006, 177, 179). Soweit aus der früheren Rechtsprechung etwas anderes abgeleitet werden kann (vgl insbesondere BSG vom 25.8.2011 - B 11 AL 30/10 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 22 RdNr 21), hält der Senat hieran nicht fest. Unzumutbare Umstände im vorbezeichneten Sinne hat das LSG nicht festgestellt. Insbesondere verfügte der Kläger über keine verbindliche Zusage für ein nahtloses Anschlussbeschäftigungsverhältnis, was abhängig von weiteren konkreten Umständen des Einzelfalls ggf zur Unzumutbarkeit einer Arbeitsuchendmeldung führen kann (vgl Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 159 RdNr 493, Stand Oktober 2015).

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Die Vorinstanzen sind auch zutreffend davon ausgegangen, dass die einwöchige Sperrzeit in dem Zeitraum vom 1.1.2013 bis 7.1.2013 eingetreten ist. Nach § 159 Abs 2 Satz 1 SGB III beginnt die Sperrzeit mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit. Das Ereignis iS des § 159 Abs 2 Satz 1 SGB III, das den Lauf der einwöchigen Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung in Gang setzt, ist nicht bereits die verspätete Arbeitsuchendmeldung, sondern (erst) der Eintritt der Beschäftigungslosigkeit(ebenso Voelzke in Küttner, Personalbuch, 24. Aufl 2017, Sperrzeit RdNr 23 aE; Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 5. Aufl 2017, § 159 SGB III RdNr 99a; Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 159 RdNr 526, Stand März 2015; Karmanski in Brand, SGB III, 8. Aufl 2018, § 159 RdNr 153; Scholz in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 6. Aufl 2017, § 159 RdNr 183; Rolfs, DB 2006, 1009, 1011; aA Lüdtke in LPK-SGB III, 2. Aufl 2015, § 159 RdNr 46). Bereits der Wortlaut des § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB III iVm § 159 Abs 2 Satz 1 SGB III verweist mit der Verwendung des Begriffs des "Arbeitslosen" und der Vergangenheitsform der versäumten Handlung ("Meldepflicht... nicht nachgekommen ist") auf einen (notwendigen) Zusammenhang zwischen der versäumten Arbeitsuchendmeldung und dem Eintritt von Beschäftigungslosigkeit. Beschäftigungslos ist ein Arbeitnehmer erst nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im leistungsrechtlichen Sinne. Dies folgt auch aus einer an Systematik, Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck der Regelungen orientierten Auslegung.

16

In systematischer Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass die unmittelbare und regelmäßige Rechtsfolge des Ruhens des Anspruchs auf Alg für sämtliche Sperrzeittatbestände nach § 159 Abs 1 Satz 1 SGB III einheitlich geregelt ist, wobei Unterschiede hinsichtlich der Dauer der Sperrzeiten bestehen. Das BSG hat bereits entschieden, dass die Sperrzeit kraft Gesetzes eintritt und unabhängig vom Bestehen eines Leistungsanspruchs und einer Arbeitslosmeldung kalendermäßig abläuft (BSG vom 25.4.1990 - 7 RAr 106/89 - SozR 3-4100 § 119 Nr 3 S 10). Für Beginn und Ablauf der Sperrzeit ist es daher unerheblich, wenn ein Anspruch auf Alg - etwa wegen Ruhens des Anspruchs aus anderen Gründen - nicht geltend gemacht werden kann. Der Arbeitslose kann zB durch eine spätere Antragstellung die unmittelbaren Rechtsfolgen des Ruhens seines Alg-Anspruchs vermeiden, nicht jedoch den Eintritt einer Sperrzeit und das kalendermäßige Ablaufen dieser Sperrzeit verhindern (vgl BSG vom 5.8.1999 - B 7 AL 14/99 R - BSGE 84, 225, 234 = SozR 3-4100 § 119 Nr 17 S 86; BSG vom 5.8.1999 - B 7 AL 38/98 R - SozR 3-4100 § 110 Nr 2 S 5 f). Vor Eintritt der objektiven Tatsache der faktischen Beschäftigungslosigkeit als eines wesentlichen Elements der Arbeitslosigkeit im rechtlichen Sinne des § 138 SGB III kann - unabhängig vom Vorliegen der weiteren Merkmale der Arbeitslosigkeit als Leistungsvoraussetzung (Verfügbarkeit, Beschäftigungssuche) - von vornherein kein Anspruch iS von § 159 Abs 1 Satz 1 SGB III entstanden sein, der zum Ruhen gebracht werden könnte(BSG vom 25.4.2002 - B 11 AL 65/01 R - BSGE 89, 243, 249 = SozR 3-4300 § 144 Nr 8 S 19; BSG vom 17.10.2002 - B 7 AL 136/01 R - SozR 3-4300 § 144 Nr 12 S 33). Für dieses Verständnis spricht auch die Regelung des § 159 Abs 4 Satz 2 SGB III, wonach im Falle der Ablehnung eines Arbeitsangebots oder einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme während der frühzeitigen Arbeitsuche(§ 38 SGB III) die Sperrzeit erst "mit der Entstehung des Anspruchs" auf Alg beginnt (vgl auch Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 5. Aufl 2017, § 159 SGB III RdNr 115). Anders als der Kläger meint, ergibt sich aus den von ihm zitierten Urteilen des 7. Senats des BSG nicht, dass eine Sperrzeit ablaufen könne, ohne dass eine Beschäftigungslosigkeit begonnen hat. Vielmehr wird in diesen Entscheidungen davon ausgegangen, dass der Eintritt der Arbeitslosigkeit, die nach der dort zugrunde gelegten Regelung des § 101 AFG nur die Beschäftigungslosigkeit umfasste, zum Tatbestand der Sperrzeit (bei Arbeitsaufgabe) gehöre, die nicht ohne Arbeitslosigkeit (in diesem Sinne) beginnen könne (BSG vom 25.4.1990 - 7 RAr 106/89 - BSGE 67, 26, 28 = SozR 3-4100 § 119 Nr 3 S 10; BSG vom 5.8.1999 - B 7 AL 14/99 R - BSGE 84, 225, 231 = SozR 3-4100 § 119 Nr 17 S 82).

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Auch der entstehungsgeschichtliche Zusammenhang der hier streitigen Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung mit der Vorgängerregelung des § 140 SGB III(idF des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl I 4607) steht der vom Kläger begehrten Auslegung entgegen. Die als versicherungsrechtliche Obliegenheit ausgestaltete Pflicht zur frühzeitigen Arbeitslosmeldung (§ 37b SGB III aF) wurde erstmals durch Art 1 Nr 6 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl I 4607) mit Wirkung ab dem 1.7.2003 eingeführt. Die leistungsrechtlichen Folgen, die im Falle der Arbeitslosigkeit eintraten, wenn Arbeitsuchende ihrer Meldepflicht nicht genügten, ergaben sich aus § 140 SGB III aF. Danach minderte sich in bestimmter Höhe das Alg, das dem Arbeitslosen aufgrund des Anspruchs zustand, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Die Minderung trat demnach nicht vor Eintritt der Beschäftigungslosigkeit ein und war in leistungsrechtlicher Hinsicht zwingend (vgl auch Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 159 RdNr 526, Stand März 2015). Durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2005 (BGBl I 3676) wurde die Vorschrift des § 140 SGB III aF aufgehoben und die verspätete Arbeitsuchendmeldung zum 31.12.2005 als eigenständiger Sperrzeittatbestand in § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB III aF/§ 159 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB III ausgestaltet. Die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung bezeichnet dabei allein die Vereinfachung und Überschaubarkeit des Rechts sowie eine größere Einzelfallgerechtigkeit als das mit der Novellierung verfolgte wesentliche Ziel (vgl BT-Drucks 16/109 S 7). Dass eine wesentliche Besserstellung bei den Rechtsfolgen der Obliegenheitsverletzung der frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung bezweckt war, lässt sich den in den Gesetzesmaterialien niedergelegten Erwägungen nicht entnehmen. Dementsprechend heißt es in der Entwurfsbegründung ausdrücklich, dass "das die Sperrzeit begründende Ereignis der Eintritt der Beschäftigungslosigkeit" ist (vgl BT-Drucks 16/109 S 7; bestätigt in BT-Drucks 16/10810 S 38 anlässlich der Novellierung des § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB III aF durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 ).

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Schließlich spricht auch der Sinn und Zweck der Bestimmungen zum Sperrzeitenrecht dafür, den Eintritt der Beschäftigungslosigkeit als maßgebend für deren Beginn zu erachten. Durch die Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe soll die Gemeinschaft der Beitragszahler vor der Inanspruchnahme durch Leistungsberechtigte geschützt werden, die den Eintritt des versicherten Risikos der Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt haben. Der Versicherte selbst soll durch die Sperrzeitregelung an der Herbeiführung des Versicherungsfalls gehindert werden (BSG vom 17.11.2005 - B 11a/11 AL 69/04 R - BSGE 95, 232 = SozR 4-4300 § 144 Nr 11, RdNr 18; BSG vom 2.5.2012 - B 11 AL 18/11 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 24 RdNr 29). § 38 SGB III, mit dem § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB III logisch verknüpft ist, verfolgt das vorrangige Ziel, auf das Verhalten des Arbeitnehmers einzuwirken, um den Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitslosigkeit möglichst zu vermeiden bzw die Dauer der Arbeitslosigkeit zu begrenzen(vgl BT-Drucks 15/25 S 27; BSG vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R - BSGE 95, 8, 10 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1 S 3; BSG vom 18.8.2005 - B 7a/7 AL 94/04 R - BSGE 95, 80, 85 = SozR 4-4300 § 140 Nr 2 S 14 f). Diese Zielsetzung würde nicht in gleicher Weise verwirklicht, wenn die Sperrzeit bereits am Tage nach der erforderlichen Arbeitsuchendmeldung beginnen würde. Die Sperrzeit liefe dann faktisch ins Leere, weil das Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis noch mindestens drei Monate fortbesteht und sie wegen ihrer Dauer von nur einer Woche (vgl § 159 Abs 6 SGB III) regelmäßig abgelaufen wäre, bevor das Arbeitsverhältnis beendet bzw eine Beschäftigungslosigkeit eingetreten ist. Die Sperrzeit hätte dann allenfalls Bedeutung bei der das Stammrecht betreffenden Regelung der Minderung des Anspruchs (§ 148 Abs 1 Nr 3 SGB III), ohne dass hiermit zwingend leistungsrechtliche Folgen einhergehen müssten (vgl Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, K § 159 SGB III RdNr 445 f, Stand September 2014; Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 159 RdNr 526, Stand März 2015).

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Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ergibt sich aus der Auslegungsregel des § 2 Abs 2 SGB I zur Beachtung der im SGB I formulierten sozialen Rechte nicht, dass zu seinen Gunsten entschieden werden müsste. Folgt - wie hier - bereits anhand der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation, dass die überwiegenden Gründe für eine Begrenzung eines sozialen Anspruchs sprechen, so tritt § 2 Abs 2 SGB I zurück(vgl nur BSG vom 18.12.2008 - B 11 AL 48/07 R - SozR 4-4300 § 158 Nr 4 RdNr 21-22).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Die besonderen Leistungen umfassen

1.
das Übergangsgeld,
2.
das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann,
3.
die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

(1) Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Ausbildungsgeld während

1.
einer Berufsausbildung oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme einschließlich einer Grundausbildung,
2.
einer individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches und
3.
einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches,
wenn Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann.

(2) Für das Ausbildungsgeld gelten die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe entsprechend, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.

Die besonderen Leistungen umfassen

1.
das Übergangsgeld,
2.
das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann,
3.
die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

Bei einer Berufsausbildung und bei einer individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung wird folgender Bedarf zugrunde gelegt:

1.
bei Unterbringung im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils der jeweils geltende Bedarf nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zuzüglich des jeweils geltenden Bedarfs für die Unterkunft nach § 13 Absatz 2 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes,
2.
bei Unterbringung in einem Wohnheim, einem Internat oder einer besonderen Einrichtung für Menschen mit Behinderungen 126 Euro monatlich, wenn die Kosten für Unterbringung und Verpflegung von der Agentur für Arbeit oder einem anderen Leistungsträger übernommen werden,
3.
bei anderweitiger Unterbringung der jeweils geltende Bedarf nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zuzüglich des jeweils geltenden Bedarfs für die Unterkunft nach § 13 Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes; § 128 ist mit Ausnahme der Erstattung behinderungsbedingter Mehraufwendungen nicht anzuwenden.
Bei einer Berufsausbildung ist in den Fällen der Nummern 1 und 3 mindestens ein Betrag zugrunde zu legen, der der Ausbildungsvergütung nach § 17 Absatz 2 des Berufsbildungsgesetzes nach Abzug der Steuern und einer Sozialversicherungspauschale nach § 153 Absatz 1 entspricht. Übersteigt in den Fällen der Nummer 2 die Ausbildungsvergütung nach § 17 Absatz 2 des Berufsbildungsgesetzes nach Abzug der Steuern und einer Sozialversicherungspauschale nach § 153 Absatz 1 den Bedarf zuzüglich der Beträge nach § 2 Absatz 1 und 3 Nummer 2 der Sozialversicherungsentgeltverordnung, so wird die Differenz als Ausgleichsbetrag gezahlt.

Die besonderen Leistungen umfassen

1.
das Übergangsgeld,
2.
das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann,
3.
die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Übergangsgeld, wenn

1.
die Voraussetzung der Vorbeschäftigungszeit für das Übergangsgeld erfüllt ist und
2.
sie an einer Maßnahme der Berufsausbildung, der Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung, der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches, einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung teilnehmen, für die die besonderen Leistungen erbracht werden.
Im Übrigen gelten die Vorschriften des Kapitels 11 des Teils 1 des Neunten Buches, soweit in diesem Buch nichts Abweichendes bestimmt ist. Besteht bei Teilnahme an einer Maßnahme, für die die allgemeinen Leistungen erbracht werden, kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung, erhalten Menschen mit Behinderungen Übergangsgeld in Höhe des Arbeitslosengeldes, wenn sie bei Teilnahme an einer Maßnahme, für die die besonderen Leistungen erbracht werden, Übergangsgeld erhalten würden.

(1) Hat die oder der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Diese Frist beginnt mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tag der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt bei

1.
zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine Kündigungsfrist von 18 Monaten,
2.
zeitlich begrenztem Ausschluss oder Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund die Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre.
Kann der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden, so gilt eine Kündigungsfrist von einem Jahr. Hat die oder der Arbeitslose auch eine Urlaubsabgeltung (§ 157 Absatz 2) erhalten oder zu beanspruchen, verlängert sich der Ruhenszeitraum nach Satz 1 um die Zeit des abgegoltenen Urlaubs. Leistungen, die der Arbeitgeber für eine arbeitslose Person, deren Arbeitsverhältnis frühestens mit Vollendung des 50. Lebensjahres beendet wird, unmittelbar für deren Rentenversicherung nach § 187a Absatz 1 des Sechsten Buches aufwendet, bleiben unberücksichtigt. Satz 6 gilt entsprechend für Beiträge des Arbeitgebers zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung.

(2) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nach Absatz 1 längstens ein Jahr. Er ruht nicht über den Tag hinaus,

1.
bis zu dem die oder der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von 60 Prozent der nach Absatz 1 zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung als Arbeitsentgelt verdient hätte,
2.
an dem das Arbeitsverhältnis infolge einer Befristung, die unabhängig von der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden hat, geendet hätte, oder
3.
an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können.
Der nach Satz 2 Nummer 1 zu berücksichtigende Anteil der Entlassungsentschädigung vermindert sich sowohl für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen als auch für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres um je 5 Prozent; er beträgt nicht weniger als 25 Prozent der nach Absatz 1 zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung. Letzte Beschäftigungszeit sind die am Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der letzten zwölf Monate; § 150 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 und Absatz 3 gilt entsprechend. Arbeitsentgeltkürzungen infolge von Krankheit, Kurzarbeit, Arbeitsausfall oder Arbeitsversäumnis bleiben außer Betracht.

(3) Hat die oder der Arbeitslose wegen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses eine Entlassungsentschädigung erhalten oder zu beanspruchen, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Soweit die oder der Arbeitslose die Entlassungsentschädigung (Arbeitsentgelt im Sinne des § 115 des Zehnten Buches) tatsächlich nicht erhält, wird das Arbeitslosengeld auch für die Zeit geleistet, in der der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht. Hat der Verpflichtete die Entlassungsentschädigung trotz des Rechtsübergangs mit befreiender Wirkung an die Arbeitslose, den Arbeitslosen oder an eine dritte Person gezahlt, hat die Bezieherin oder der Bezieher des Arbeitslosengeldes dieses insoweit zu erstatten.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch deren außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1.1.2008 bis 22.5.2008.

2

Die 1955 geborene Klägerin war seit 1988 als Raumpflegerin bei einer Sparkasse (Arbeitgeberin) beschäftigt. Die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren tariflichen Bestimmungen sahen vor, dass Arbeitnehmern nach einer Beschäftigungszeit von zwölf Jahren nur mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende und nach Vollendung des 40. Lebensjahrs bei einer Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren nur aus wichtigem Grund gekündigt werden konnte.

3

Die Arbeitgeberin kündigte aufgrund eines Beschlusses ihres Vorstands, die Reinigungsarbeiten künftig von einem externen Unternehmen ausführen zu lassen, der Klägerin mit Schreiben vom 23.5.2007 das Arbeitsverhältnis wegen Ausgliederung des Reinigungsdienstes zum 31.12.2007. Gegen die Kündigung erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht; das Verfahren endete durch Vergleich, in dem sich die Arbeitgeberin verpflichtete, der Klägerin für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 20 000 Euro zu zahlen.

4

Nachdem sich die Klägerin zum 1.1.2008 arbeitslos gemeldet hatte, bewilligte ihr die Beklagte dem Grunde nach Alg ab 1.1.2008, stellte jedoch gleichzeitig für die Zeit vom 1.1.2008 bis 22.5.2008 das Ruhen des Anspruchs wegen Erhalts einer Entlassungsentschädigung gemäß § 143a Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) fest(Bescheide vom 16.1.2008). Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 6.2.2008).

5

In der Folgezeit bezog die Klägerin mit Unterbrechungen Alg bis einschließlich 29.12.2009 unter Ausschöpfung der ihr insgesamt zustehenden Anspruchsdauer.

6

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung des Ruhensbescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheids verurteilt, der Klägerin Alg bereits ab 1.1.2008 zu gewähren (Urteil vom 26.10.2011). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen (Urteil vom 21.5.2012). Es hat angenommen, die Arbeitgeberin sei aufgrund ihrer unternehmerischen Entscheidung, den Reinigungsdienst auszugliedern, zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist berechtigt gewesen. Die somit im Rahmen des § 143a SGB III geltende ordentliche Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende sei eingehalten worden, weshalb der Alg-Anspruch nicht geruht habe. Dem Anspruch für den streitigen Zeitraum stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte später Alg für die gesamte Anspruchsdauer geleistet habe.

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Beklagte geltend, die Unkündbarkeit der Klägerin führe gemäß § 143a Abs 1 S 3 SGB III zu einer fiktiven Kündigungsfrist von 18 Monaten, die nicht eingehalten sei. Es komme nicht darauf an, ob die Arbeitgeberin der Klägerin individualarbeitsrechtlich wirksam habe kündigen können. Die Beklagte macht weiter geltend, dass Alg für den streitgegenständlichen Zeitraum auch deshalb nicht nachzuzahlen sei, weil die Klägerin durch den Erhalt späterer Zahlungen bis einschließlich 29.12.2009 die ihr zustehende Anspruchsdauer vollständig ausgeschöpft habe. Es sei Erfüllung analog § 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bzw Annahme an Erfüllungs statt analog § 364 Abs 1 BGB eingetreten.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 21.5.2012 und das Urteil des SG vom 26.10.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz).

12

1. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass der Anspruch der Klägerin auf Alg in der Zeit vom 1.1.2008 bis 22.5.2008 nicht geruht hat.

13

Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum ab 1.1.2008 die Anspruchsvoraussetzungen für Alg (§§ 117 ff SGB III, jeweils in der im Jahre 2008 geltenden Fassung) erfüllt hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen die Voraussetzungen für ein Ruhen des Anspruchs gemäß § 143a SGB III - hier anwendbar in der Fassung, die die Vorschrift durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2848) gefunden hat - nicht vor.

14

Nach § 143a SGB III in der einschlägigen Fassung(vgl seit 1.4.2012 § 158 SGB III) ruht der Anspruch auf Alg, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist, von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte (Abs 1 S 1). Die Frist beginnt grundsätzlich mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist (Abs 1 S 2). Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt bei zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine Kündigungsfrist von 18 Monaten (Abs 1 S 3 Nr 1), bei zeitlich begrenztem Ausschluss oder bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund jedoch die Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre (Abs 1 S 3 Nr 2).

15

Im vorliegenden Fall fehlt es an der für ein Ruhen des Alg-Anspruchs erforderlichen vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses iS des § 143a Abs 1 SGB III. Den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist zunächst zu entnehmen, dass die für das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin geltenden tariflichen Bestimmungen eine ordentliche Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende vorsahen und dass diese Frist eingehalten wurde (Kündigung im Mai 2007 zum 31.12.2007). Diese Frist ist maßgebend, weil - wie sich ebenfalls aus den Feststellungen des LSG ergibt - die Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund vorlagen (§ 143 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB III).

16

Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) unter Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ausnahmsweise in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz vollständigen Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für erhebliche Zeiträume vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (vgl bereits BAGE 2, 214 = AP Nr 4 zu § 626 BGB; BAGE 48, 220 = AP Nr 86 zu § 626 BGB; zuletzt BAG, Urteil vom 24.1.2013 - 2 AZR 453/11 - NZA 2013, 959). Nach dieser Rechtsprechung, die der Vorschrift des § 143 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB III zugrunde liegt(vgl zur Vorgängerregelung in § 117 Abs 2 S 3 Arbeitsförderungsgesetz BT-Drucks 12/3211 S 22 f, zu Nr 31), darf der Arbeitgeber im Rahmen seiner durch das Grundgesetz (GG) geschützten unternehmerischen Freiheit (vgl insbesondere Art 12 und Art 14 GG) auch darüber entscheiden, ob er bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausführen lassen oder ob er Arbeiten im Wege der Fremdvergabe ausgliedern will (näher dazu BAGE 103, 31 = NZA 2003, 549; BAG, Urteil vom 22.11.2012 - 2 AZR 673/11 - NZA 2013, 730 mwN). Die zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit führende unternehmerische Entscheidung ist durch die Gerichte nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG aaO).

17

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat die Arbeitgeberin der Klägerin ihre unternehmerische Entscheidung, anfallende Reinigungsarbeiten an ein Fremdunternehmen zu vergeben, damit begründet, die Beschaffung dieser Dienstleistungen bei externen Anbietern sei kostengünstiger als die Verrichtung der Arbeiten durch eigene Arbeitnehmer. Diese Erwägungen der Arbeitgeberin sind weder als sachfremd noch als willkürlich anzusehen. Es ist auch evident, dass infolge der vollständigen Ausgliederung der Reinigungsarbeiten für die Arbeitgeberin keine Möglichkeit mehr bestand, die Klägerin noch zu beschäftigen, weil dieser nach den getroffenen Feststellungen die Kompetenz für eine Wahrnehmung anderer Aufgaben fehlte. Das LSG ist deshalb rechtsfehlerfrei vom vollständigen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit und demgemäß von der Berechtigung der Arbeitgeberin zur außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist iS der Rechtsprechung des BAG ausgegangen.

18

Der Ansicht der Revision, es komme im Rahmen des § 143a Abs 1 S 3 SGB III nicht darauf an, ob die Arbeitgeberin der Klägerin individualarbeitsrechtlich wirksam habe kündigen können, folgt der Senat nicht. Die Ausführungen der Revisionsbegründung beziehen sich vorwiegend auf die Vorgängerregelung zu § 143a Abs 1 S 4 SGB III (Kündigung nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung), die für die vorliegende Fallgestaltung offensichtlich nicht einschlägig ist. Aus Wortlaut wie auch aus Sinn und Zweck des hier anzuwendenden § 143a Abs 1 S 3 SGB III ergibt sich eindeutig, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund nicht eine fiktive Kündigungsfrist von 18 Monaten, sondern die im Einzelfall geltende ordentliche Kündigungsfrist zugrunde zu legen ist(vgl ua Voelzke in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 12 RdNr 171, 221 ff; Henke in Eicher/Schlegel, SGB III, § 143a RdNr 119, Stand Einzelkommentierung Mai 2008; Siefert in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl 2013, § 158 RdNr 35 f).

19

2. Dem Zahlungsanspruch der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum (1.1. bis 22.5.2008) stehen auch sonstige Einwendungen nicht entgegen. Insbesondere ist dem Vorbringen der Revision, die Anspruchsdauer habe sich durch spätere Zahlungen gemindert bzw die Ansprüche seien erfüllt worden oder die Klägerin habe spätere Zahlungen an Erfüllungs statt angenommen, nicht zu folgen.

20

a) Eine Minderung der Anspruchsdauer gemäß § 128 Abs 1 Nr 1 SGB III(in der im Jahre 2008 geltenden alten Fassung , vgl ab 1.4.2012 § 148 Abs 1 Nr 1 SGB III) ist nicht eingetreten. Nach dieser Vorschrift mindert sich die Dauer des Anspruchs auf Alg um die Anzahl von Tagen, für die der Anspruch auf Alg erfüllt worden ist. Die Vorschrift bezieht sich auf das Stammrecht (vgl Leitherer in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand 2013, § 148 RdNr 48 mwN). Sie kann für den streitgegenständlichen Zeitraum ab 1.1.2008 nicht eingreifen, weil nach den getroffenen Feststellungen zum 1.1.2008 ein neues Stammrecht der Klägerin entstanden ist und die daraus erwachsenden Zahlungsansprüche der Klägerin im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum ungemindert zur Verfügung standen.

21

Dass eine Minderung nach § 128 Abs 1 Nr 1 SGB III aF(jetzt § 148 Abs 1 Nr 1 SGB III) unter den Umständen des vorliegenden Falls in dem Zeitraum, in dem die Zahlungsansprüche noch ungemindert zur Verfügung standen, nicht eintreten kann, folgt bereits aus dem Charakter des Alg als für bestimmte Kalendertage vorgesehene Versicherungsleistung. Der Alg-Anspruch erschöpft sich nicht etwa in der Auszahlung eines Gesamtbetrags; vielmehr hängen Dauer und Höhe von den im jeweiligen Zeitraum gegebenen Umständen ab (ua Vorliegen von Arbeitslosigkeit, Arbeitslosmeldung oder von Ruhenstatbeständen, Erzielung von Nebeneinkommen). Der Leistungsberechtigte ist deshalb stets so zu stellen, als sei im jeweiligen Zeitraum von vornherein rechtmäßig entschieden worden. Dies schließt es aus, eine später eintretende Minderung der Anspruchsdauer durch Erfüllung einem früheren Zahlungsanspruch entgegenzuhalten (in diesem Sinne auch Hessisches LSG, Urteil vom 21.5.2010 - L 7 AL 108/09 - info also 2010, 159, 162; Bienert SGb 2009, 576, 579 f und info also 2011, 256, 258). Eine andere Sichtweise würde es der Beklagten ermöglichen, nach Belieben über eine Verschiebung des Leistungszeitraums zu entscheiden, was nicht mit dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) zu vereinbaren wäre.

22

b) Die der Klägerin aus dem zum 1.1.2008 entstandenen Stammrecht erwachsenen Zahlungsansprüche sind auch nicht in entsprechender Anwendung der §§ 362 ff BGB erloschen. Zwar ist auch in Fällen der Erfüllung von Sozialleistungen auf die Vorschriften des BGB zurückzugreifen (vgl BSGE 80, 41, 42 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6; Mutschler in Kreikebohm/Spellbrink/ Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 148 SGB III RdNr 4). Die Voraussetzungen für ein Erlöschen des streitgegenständlichen Zahlungsanspruchs liegen jedoch nicht vor.

23

Nach § 362 Abs 1 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Liegen Verpflichtungen aus mehreren Schuldverhältnissen vor, ist für die Tilgungswirkung gemäß § 366 Abs 1 BGB in erster Linie die Bestimmung des Schuldners maßgebend, wobei der innere Wille des Leistenden dem Leistungsempfänger gegenüber zum Ausdruck gebracht werden muss(vgl BGHZ 106, 163 = NJW 1989, 1792). Die Beklagte macht jedoch gar nicht geltend, sie habe mit den späteren Zahlungen auch die der Klage zugrunde liegenden Ansprüche für die Zeit vom 1.1. bis 22.5.2008 erfüllen wollen; auszugehen ist vielmehr davon, dass die Beklagte die späteren Zahlungen im Hinblick auf gesonderte, die späteren Zeiträume betreffende Bewilligungsbescheide geleistet hat. Von dieser Tilgungsbestimmung kann sich die Beklagte nicht nachträglich lösen, zumal der Klägerin aufgrund der Bewilligungsbescheide formal auch ein Anspruch auf Alg für die späteren Zeiträume bis einschließlich 29.12.2009 zustand.

24

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Hinweis der Revision auf § 364 Abs 1 BGB, wonach das Schuldverhältnis erlischt, wenn der Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllungs statt annimmt. Denn die späteren Alg-Zahlungen betrafen - wie ausgeführt - Zeitabschnitte, in denen die Beklagte aufgrund vorliegender Bescheide zur Leistung verpflichtet war; sie stellen deshalb keine "anderen" Leistungen iS des § 364 Abs 1 BGB dar(vgl Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate sowie das Erlöschen des Schuldverhältnisses aus anderen Gründen, 2. Aufl 1994, S 192). Außerdem fehlt es an einer "Annahme" iS des § 364 Abs 1 BGB durch die Klägerin, die durch Erhebung und Aufrechterhaltung ihrer Rechtsbehelfe stets deutlich gemacht hat, dass sie auf Nachzahlung von Alg für den streitgegenständlichen Zeitraum besteht.

25

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.