Bundesgerichtshof Urteil, 11. Okt. 2005 - X ZR 76/04

bei uns veröffentlicht am11.10.2005
vorgehend
Landgericht München I, 21 O 16224/92, 29.11.2000
Oberlandesgericht München, 6 U 1644/01, 29.04.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 76/04 Verkündet am:
11. Oktober 2005
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Seitenspiegel
PatG 1968 § 6; PatG (1981) vor § 143

a) Der Tatrichter hat das Klagepatent eigenständig auszulegen und darf die
Auslegung nicht dem gerichtlichen Sachverständigen überlassen.

b) Da das Verständnis des Fachmanns von den im Patentanspruch verwendeten
Begriffen und vom Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs die
Grundlage der Auslegung bildet, muss sich der Tatrichter erforderlichenfalls
sachverständiger Hilfe bedienen. Das kommt etwa dann in Betracht, wenn
zu ermitteln ist, welche objektiven technischen Gegebenheiten, welches
Vorverständnis der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Sachkundigen,
welche Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen und welche methodische
Herangehensweise dieser Fachleute das Verständnis des Patentanspruchs
und der in ihm verwendeten Begriffe bestimmen oder beeinflussen können.
BGH, Urt. v. 11. Oktober 2005 - X ZR 76/04 - OLG München
LG München I
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof.
Dr. Meier-Beck und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 29. April 2004 aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 29. November 2000 teilweise abgeändert: Die Klägerin wird verurteilt, der Beklagten darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie in der Zeit vom 1. Januar 1986 bis zum 29. Juli 1988
a) Seitenrückblickspiegelanordnungen mit den folgenden Merkmalen (1) der Rückblickspiegel ist im vorderen Bereich einer Seitentüre angebracht; (2) die Seitentüre ist mit einer in Führungsschienen geführten versenkbaren Seitenscheibe ausgerüstet ; (3) die Tür weist einen von der Türoberkante und dem Fensterrahmen begrenzten Fensterausschnitt auf; (4) die versenkbare Seitenscheibe deckt nur einen Teilbereich des Fensterausschnitts ab; (5) die - ein- oder zweiteilige - vordere Führungsschiene für die Seitenscheibe ragt aus der Türoberkante heraus; (6) die vordere Führungsschiene ist - unmittelbar oder über ein einstückig mit dem Türblech ausgebildetes Blechteil - mit dem schräg nach oben hinten verlaufenden vorderen Teil des Fensterrahmens verbunden; (7) die vor der vorderen Führungsschiene befindliche , von der versenkbaren Seitenscheibe nicht bedeckte fensterfreie Fläche des Fensterausschnitts ist durch ein entsprechend ausgebildetes Halteteil des Rückblickspiegels abgedeckt und weist ein Blechteil zum Durchführen und Abstützen von Befestigungsschrauben für den Rückblickspiegel auf durch Einbau entsprechender Rückblickspiegel in Kraftfahrzeuge der Modellreihen X, Y und Z verwirklicht hat, und zwar unter Angabe der Anzahl der Spiegel und des kalkulierten Anteils am Werksabgabepreis (Verkaufspreis abzüglich Händlerrabatt), wobei auch solche Rückblickspiegel zu berücksichtigen sind, die von Deutschland nach Belgien geliefert, dort mit einer von Deutschland nach Belgien versandten Seitentüre zu der bezeichneten Seitenrückblickspiegelanordnung verbunden und nach Deutschland zur Fahrzeugendmontage zurückgeliefert worden sind,
b) Rückblickspiegel für Seitenrückblickspiegelanordnungen , wie sie zu a bezeichnet sind, in der Bundesrepublik Deutschland als Ersatzteile in den Verkehr gebracht hat, und zwar unter Angabe der Anzahl der Spiegel und der Werksabgabepreise (Verkaufspreise abzüglich Händlerrabatt). Im Übrigen wird der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil des Berufungsgerichts vorbehalten.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 29. Juli 1970 angemeldeten und schon vor Beginn des Rechtsstreits am 29. Juli 1988 durch Zeitablauf erloschenen deutschen Patents 20 37 555 (Anl. B 1). Mit der allein in die Revisionsinstanz gelangten (Stufen-)Widerklage nimmt die Beklagte die Klägerin wegen Verletzung dieses Patents (im Folgenden: Klagepatents) auf Auskunft und Zahlung einer Lizenzgebühr von 3 % in Anspruch. Die Parteien sind ferner in einem Zwischenvergleich übereingekommen, ursprünglich daneben geltend gemachte, auf ein (bis zum 22. Juli bzw. 24. Juni 1991 laufendes) italienisches und ein schweizerisches Parallelpatent gestützte Ansprüche der Beklagten entsprechend der gerichtlichen Entscheidung über die auf das Klagepatent gestützten Ansprüche zu behandeln. Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet: "Ausbildung und Anordnung eines außerhalb des Inneren von Kraftfahrzeugen , insbesondere von Personenkraftwagen, vorgesehenen Rückblickspiegels im vorderen Bereich einer Seitentüre, die mit einer in Führungsschienen geführten, versenkbaren Seitenscheibe ausgerüstet ist und einen von der Türoberkante und dem Fensterrahmen begrenzten Fensterausschnitt aufweist, wobei die vordere Führungsschiene für die nur einen Teilbereich des Fensterausschnittes abdeckende versenkbare Seitenscheibe aus der Türoberkante herausragt und mit dem schräg nach oben hinten verlaufenden vorderen Teil des Fensterrahmens verbunden ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die vor der vorderen Führungsschiene (50) befindliche, von der versenkbaren Seitenscheibe (2) nicht bedeckte fensterfreie Fläche des Fensterausschnitts (6) durch ein entsprechend ausgebildetes Halteteil des Rückblickspiegels (9) abgedeckt ist."
2
Gegen das Klagepatent, an dem zahlreiche Unternehmen der Automobilindustrie Lizenzen genommen haben, sind zwei Nichtigkeitsverfahren geführt worden, von denen die erste, von der A. AG erhobene Nichtigkeitsklage durch vor dem Senat geschlossenen Vergleich erledigt worden ist (Anl. B 7) und die zweite, von P. erhobene Nichtigkeitsklage durch Urteil des Senats vom 28. Januar 1997 (X ZR 43/94, bei Bausch 1994-1998, 348) abgewiesen worden ist.
3
Mit der Widerklage werden zwei Ausführungsformen einer Seitenrückspiegelanordnung angegriffen, von denen die erste in den 1988er X- und Y-Modellen (im Folgenden: Ausführungsform X) und die zweite in den 1988er Z-Modellen (im Folgenden: Ausführungsform Z) der Klägerin verwendet worden ist und die in den nachfolgenden, den Anlagen B 9a und 9b entnommenen Photographien sowie den nachfolgenden, dem Gutachten des Privatgutachters der Beklagten, Prof. Dr.-Ing. P. , vom 4. März 2003 (Anl. B 41) entnommenen Schnittzeichnungen dargestellt sind: Ausführungsform X: Ausführungsform Z:
4
Das Landgericht hat die Widerklage abgewiesen; die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
5
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die Widerklageanträge weiter. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


6
Die zulässige Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und auf die Widerklage zur antragsgemäßen Verurteilung der Klägerin zur Erteilung der Auskunft, die die Beklagte zur Bezifferung ihres Zahlungsbegehrens benötigt.
7
I. Das Klagepatent betrifft Ausbildung und Anordnung eines Seitenrückspiegels für ein Kraftfahrzeug. Die erfindungsgemäße Lehre hat der Senat in seinem Urteil vom 28. Januar 1997 wie folgt erläutert:
8
"Gegenstand der Lehre des Streitpatents sind Ausbildung und Anordnung eines Rückblickspiegels für Seitentüren von Kraftfahrzeugen, insbesondere Personenkraftwagen. Einen solchen Spiegel schildert die Streitpatentschrift einleitend als aus der deutschen Auslegeschrift 1 232 844 bekannt. Dieser sei teilweise in einem aus der Fahrzeugkontur nach außen ragenden Gehäuse untergebracht , das seinerseits unter einer ausstellbaren, vor der vorderen, bis zum horizontalen oberen Teil des Fensterrahmens verlaufenden Führungsschiene angeordnet ist. An dieser Konstruktion bemängelt sie, dass der Rückblickspiegel zwar weitgehend vor Witterungseinflüssen geschützt werde, seine Konstruktion und sein Einbau jedoch aufwendig und damit teuer und er selbst ästhetisch störend sei.
9
An weiter als bekannt dargestellten Anordnungen, bei denen der Rückblickspiegel auf die äußere Seite des Türaußenblechs geschraubt werde, beanstandet die Patentschrift, dass hierfür Bohrungen und besondere Befestigungselemente erforderlich seien. Das bedinge nicht nur einen erhöhten Fertigungsaufwand , sondern sei auch hinsichtlich der Stabilität der Befestigung unbefriedigend. Hinzu komme, dass bei dieser Befestigung wegen der Bohrungen im Türblech und insbesondere aufgrund der schon bei geringen Stößen gegen den Spiegel auftretenden Verbiegungen des Blechs die Gefahr vorzeitiger Korrosion bestehe. Schließlich erwähnt die Streitpatentschrift die britische Patentschrift 1 098 723, die die Verwendung von Führungsschienen zur Führung einer versenkbaren Seitenscheibe lehre, über die Anordnung von Rückblickspiegeln jedoch keine Aussage treffe.
10
Ausgehend von diesem Stand der Technik bezeichnet die Streitpatentschrift es als das zu lösende technische Problem, einen Rückblickspiegel zu schaffen, der mehrere Vorteile aufweisen soll. Als ein zu lösendes technisches Problem gibt die Streitpatentschrift eine sichere Führung der Fensterscheibe an. Hierfür werden - als solche im Stand der Technik bekannte - vertikal in die Fensteröffnung hineinreichende Führungsschienen verwendet, von denen die hintere die Fensteröffnung begrenzt und die vordere so verläuft, dass in Richtung auf die vordere Seitenkante der Tür eine dreieckige Öffnung verbleibt, die von der bei geschlossenem Fenster auf den Raum zwischen den Führungsschienen beschränkten Fensterscheibe nicht bedeckt wird. Weiter wird eine organische Verbindung von Tür und Spiegel angestrebt, die dadurch erreicht werden soll, dass seine Halterung nach Form und Größe an die Dreiecksfläche angepasst ist, die zwischen der vertikal verlaufenden vorderen Führungsschiene für die versenkbare Seitenscheibe und den in diesem Bereich schräg nach oben verlaufenden Rahmen entsteht, und so befestigt wird, dass sie diese Fläche dichtend abdeckt. Darüber hinaus will die Lehre des Streitpatents nach der in der Schrift formulierten Aufgabenstellung die von dem Spiegel ausgehende Unfallgefahr verringern. Dem dient eine glatte Form des Spiegels und seines Gehäuses sowie dessen dichte Anbringung an der Fahrzeugtür.
11
Durch die Lehre des Streitpatents gelöst werden soll darüber hinaus ein weiteres, in der in der Schrift genannten Aufgabenstellung nicht ausdrücklich erwähntes technisches Problem, das sich aus der Kritik der Schrift im Stand der Technik ergibt. Durch die gewählte Konstruktion soll eine Befestigung des Spiegels an der Türaußenwand vermieden werden, die nach den Angaben der Streitpatentschrift eine Ursache für eine verstärkte Korrosionsgefahr bildet."
12
Daran ist festzuhalten; tatsächliche Umstände, die ein anderes Verständnis gebieten könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
13
Zur Lösung dieser Probleme schlägt das Klagepatent eine Ausbildung und Anordnung eines außerhalb des Inneren von Kraftfahrzeugen vorgesehenen Rückblickspiegels mit folgenden Merkmalen vor:
(1)
Der Rückblickspiegel ist im vorderen Bereich einer Seitentüre angebracht. (2) Die Seitentüre ist mit einer in Führungsschienen geführten versenkbaren Seitenscheibe ausgerüstet. (3) Die Tür weist einen von der Türoberkante und dem Fensterrahmen begrenzten Fensterausschnitt auf. (4) Die versenkbare Seitenscheibe deckt nur einen Teilbereich des Fensterausschnitts ab. (5) Die vordere Führungsschiene für die Seitenscheibe ragt aus der Türoberkante heraus. (6) Die vordere Führungsschiene ist mit dem schräg nach oben hinten verlaufenden vorderen Teil des Fensterrahmens verbunden. (7) Die vor der vorderen Führungsschiene befindliche, von der versenkbaren Seitenscheibe nicht bedeckte fensterfreie Flä- che des Fensterausschnitts ist durch ein entsprechend ausgebildetes Halteteil des Rückblickspiegels abgedeckt.
14
Diese vom Berufungsgericht verwendete Merkmalsgliederung entspricht derjenigen des Senatsurteils vom 28. Januar 1997 mit der Maßgabe, dass die Merkmale 7 und 8 aus der Gliederung des Senats zusammengezogen worden sind; dagegen ist nichts zu erinnern.
15
II. Das Berufungsgericht verneint eine Verletzung des Klagepatents. Bei beiden angegriffenen Ausführungsformen seien die Merkmale 3, 6 und 7 nicht verwirklicht; bei der Ausführungsform X fehle es außerdem an Merkmal 5. Den Kern der Argumentation des Berufungsgerichts bildet dabei die an den Anfang der Begründung gestellte Verneinung des Merkmals 7; dass auch Merkmal 3 nicht verwirklicht werde, leitet das Berufungsgericht hieraus ab. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
16
1. Warum Merkmal 7 nicht verwirklicht werde, hat das Berufungsgericht wie folgt begründet: Aus Sicht des Sachverständigen, der als Durchschnittsfachmann das Patent auslege, fehle bei den angegriffenen Ausführungsformen jeweils eine nicht bedeckte fensterfreie Fläche eines Fensterausschnitts. Zu Recht habe der gerichtliche Sachverständige ausgeführt, dass der Auffassung des Privatgutachters der Klägerin nicht gefolgt werden könne, Blechteile, die über der Türoberkante nach oben gezogen seien und zugleich keine Außenhaut mehr darstellten, seien nicht als Türaußenblech im Sprachgebrauch des Klagepatents anzusprechen. In Fortführung seiner Darstellung zum Türaußenblech komme der gerichtliche Sachverständige daher folgerichtig zu dem Ergebnis, dass der Durchschnittsfachmann eine von einer Seitenscheibe nicht bedeckte fensterfreie Fläche des Fensterausschnitts als werkstoffbzw. blechfrei ansehe. Für eine ohnehin mit Außenblech abgedeckte Fläche benötige der Fachmann kein entsprechend ausgebildetes Halteteil zu deren Abdeckung. Zu Recht weise der gerichtliche Sachverständige darauf hin, dass sich in der Klagepatentschrift kein Hinweis befinde, dass die fensterfreie Fläche mit Türaußen- und/oder Türinnenblechteilen überdeckt sein solle. Nachdem die Frage, inwieweit der bei den angegriffenen Ausführungsformen vorhandene Blechzwickel dem Türinnen- oder Türaußenblech zuzurechnen sei, maßgebliche Grundlage auch für die Beurteilung des Privatgutachters zur Frage der fensterfreien Fläche sei, schließe sich der Senat insgesamt den tatsächlichen Feststellungen und der Auslegungshilfe des gerichtlichen Sachverständigen an und komme zu dem Ergebnis, dass die angegriffenen Ausführungsformen weder eine fensterfreie Fläche enthielten, noch dass durch ein entsprechend ausgebildetes Halteteil des Rückblickspiegels eine Abdeckung dieser fensterfreien Fläche erfolge.
17
2. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Verneinung der Verletzungsfrage liegt eine unzutreffende Auslegung des Patentanspruchs zugrunde.
18
a) Da einer der Schwerpunkte des Streits der Parteien in der Frage lag, ob die in Merkmal 7 erwähnte von der Seitenscheibe nicht bedeckte Fläche des Fensterausschnitts erfindungsgemäß nicht nur, wie der Patentanspruch sagt, "fensterfrei", sondern überhaupt materialfrei sein muss, hätte das Berufungsgericht sich zunächst Klarheit darüber verschaffen müssen, wie in dieser Hinsicht der Patentanspruch zu verstehen ist. Da in Merkmal 7 eine Aussage über eine Teilfläche des Fensterausschnitts getroffen wird, war es zudem unerlässlich , den Gesamtinhalt des Patentanspruchs zumindest insoweit zu klären, als er hierfür relevant ist. Das erforderte jedenfalls zu ermitteln, was in Merkmal 3 des Patentanspruchs als Fensterausschnitt definiert wird.
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Wie ein Patent auszulegen ist, ist eine Rechtsfrage, weshalb die Auslegung vom Revisionsgericht auch in vollem Umfang nachprüfbar ist (st. Rspr.; s.
nur BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild; Sen.Urt. v. 26.9.1996 - X ZR 72/94, GRUR 1997, 116 - Prospekthalter; Sen.Urt. v. 27.10.1998 - X ZR 56/96, Mitt. 1999, 365 - Sammelförderer). Der Tatrichter darf daher die richterliche Aufgabe der Auslegung des Patentanspruchs nicht dem gerichtlichen Sachverständigen überlassen , indem er wie das Berufungsgericht von der Annahme ausgeht, dass der gerichtliche Sachverständige "als Durchschnittsfachmann das Patent ausleg (e)". Zwar bildet das Verständnis des Fachmanns von den im Patentanspruch verwendeten Begriffen und vom Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs die Grundlage der Auslegung. Das bedeutet jedoch nur, dass sich der Tatrichter gegebenenfalls sachverständiger Hilfe bedienen muss, wenn es um die Frage geht, welche objektiven technischen Gegebenheiten, welches Vorverständnis der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Sachkundigen, welche Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen und welche methodische Herangehensweise dieser Fachleute das Verständnis des Patentanspruchs und der in ihm verwendeten Begriffe bestimmen oder jedenfalls beeinflussen können. Denn der gerichtliche Sachverständige hat insbesondere die Aufgabe, dem Gericht Kenntnisse und Fähigkeiten des Fachmanns sowie die Arbeitsweise zu vermitteln, mit der dieser technische Probleme seines Fachgebiets zu bewältigen trachtet (Sen.Urt. v. 25.11.2003 - X ZR 162/00, GRUR 2004, 411 - Diabehältnis ; dort für das Patentnichtigkeitsverfahren). Das Verständnis des Patentanspruchs selbst durch den Durchschnittsfachmann ist hingegen unmittelbarer Feststellung regelmäßig entzogen (BGHZ 160, 204, 213 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung ). Erst recht dürfen die Ausführungen des Sachverständigen zu seinem Verständnis des Patentanspruchs nicht als "Feststellungen" zum Inhalt des Patentanspruchs behandelt werden - wie dies im Berufungsurteil wiederholt und daher ersichtlich nicht nur im Sinne eines Vergreifens im Ausdruck geschieht -, die wie tatrichterliche Feststellungen nur noch einer Kontrolle auf Rechtsfehler unterzogen werden. Das Gericht darf die Ergebnisse eines Sach-
verständigengutachtens nicht ohne weiteres übernehmen; sachverständige Äußerungen sind vom Tatrichter vielmehr eigenverantwortlich daraufhin zu untersuchen , ob und inwieweit sie Angaben enthalten, die Aufklärung im Hinblick auf entscheidungserhebliche und allein von dem erkennenden Gericht zu beantwortende Fragen zu bieten vermögen (Sen.Urt. v. 7.3.2001 - X ZR 176/99, GRUR 2001, 770 - Kabeldurchführung II). Dem wird das Berufungsurteil nicht gerecht, zumal das Berufungsgericht nicht beachtet, dass der gerichtliche Sachverständige das Klagepatent nicht - wie geboten - aus sich heraus auslegt, sondern sich mit der Einbeziehung der angegriffenen Ausführungsformen den unbefangenen Blick auf den Inhalt des Patentanspruchs verstellt.
20
b) Erfindungsgemäß weist die Seitentür des Kraftfahrzeugs einen von der Türoberkante und dem Fensterrahmen begrenzten Fensterausschnitt auf (Merkmal 3). Dieser Fensterausschnitt ist nicht mit dem Bereich der Seitentür gleichzusetzen, der bei nicht-versenkter Seitenscheibe von dieser eingenommen wird. Denn die versenkbare Seitenscheibe deckt nur einen Teilbereich des Fensterausschnitts ab (Merkmal 4), während ein durch die vordere Führungsschiene abgetrennter anderer Teilbereich des Fensterausschnitts durch das Halteteil des Rückspiegels abgedeckt wird (Merkmale 5 - 7).
21
Der in Merkmal 3 definierte Fensterausschnitt ist auch nicht im Sinne eines Fensters zu verstehen, das aus den Türblechen ausgeschnitten worden ist. Das ist lediglich eine mögliche - und durchaus naheliegende - Methode der Bereitstellung eines Fensterausschnitts. Das Klagepatent beansprucht indes nicht Schutz für ein bestimmtes Herstellungsverfahren, sondern für eine bestimmte Anordnung des Rückspiegels, der an dem Kraftfahrzeug bzw. seiner Seitentür angebracht ist, und damit für ein fertiges Erzeugnis. Mit Fensterausschnitt im Sinne des Merkmals 3 wird derjenige räumliche Bereich der Seitentür definiert, der (nach außen) nicht vom Türblech abgedeckt ist, sondern einerseits in einem hinteren Teilbereich von der versenkbaren Seitenscheibe abgedeckt wird und andererseits in einem durch die vordere Führungsschiene für die Seitenscheibe von dem hinteren Teilbereich abgetrennten vorderen Teilbereich zur Anordnung des Rückspiegels mittels seines Halteteils dient, der seinerseits diesen Teilbereich abdeckt. Der Fensterausschnitt wird demgemäß in Merkmal 3 räumlichkörperlich durch die Rahmenelemente definiert, die einerseits (zusammen mit der vorderen Führungsschiene) die Führung für die versenkbare Seitenscheibe erzeugen, andererseits (wiederum unter Einschluss der vorderen Führungsschiene für die Seitenscheibe) eine Dreiecksstruktur bilden, die zur Aufnahme des Halteteils des Rückspiegels dient.
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Das bedeutet wiederum, dass die "vor der vorderen Führungsschiene befindliche , von der versenkbaren Seitenscheibe nicht bedeckte fensterfreie Fläche des Fensterausschnitts" (Dreiecksfläche) im Sinne des Merkmals 7 nichts anderes als der "andere" Teilbereich des so definierten Fensterausschnitts ist. Das Teilmerkmal "fensterfrei" stellt lediglich klar, dass sich in diesem Teilbereich nicht ein eine Durchsicht ermöglichendes Fenster wie etwa das im Stand der Technik bekannte Ausstellfenster befindet. Hingegen ist dem Patentanspruch nichts darüber zu entnehmen, dass die Dreiecksfläche überhaupt materialfrei sein müsse oder solle. Dazu gibt es auch keinen sachlichen Grund. Insbesondere liegt ein solcher nicht darin, dass etwa ein Durchblick durch die Dreiecksfläche möglich sein soll, denn das wird bereits dadurch ausgeschlossen , dass diese Fläche durch das Halteteil des Rückspiegels abgedeckt wird. Im Übrigen enthält der Patentanspruch keine Festlegung auf bestimmte Gehäuse - oder Befestigungsformen des Rückspiegels und stellt die nähere Ausgestaltung des Spiegels und seines Halteteils in das Belieben des Fachmanns (Sen.Urt. v. 28.1.1997 - X ZR 43/94, S. 17). Die Klagepatentschrift weist ausdrücklich darauf hin, dass die Dreiecksfläche günstig und in unauffälliger Weise zur Befestigung des Außenspiegels genutzt werden kann (Sp. 2 Z. 32 - 37). Die Art und Weise, wie er das Halteteil des Spiegels im Bereich der Dreiecksfläche befestigt, bleibt dem Fachmann überlassen, dem hierfür nach seinem Fachwissen vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die mangels abweichender Festlegungen durch das Klagepatent auch ein Verschrauben mit einem an dieser Stelle angeordneten Blech einschließen.
23
c) Danach kann die Beurteilung des Berufungsgerichts, die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten die Merkmale 3 und 7 nicht, keinen Bestand haben.
24
Das Berufungsgericht hat dies ausschließlich damit begründet, dass die erfindungsgemäße Dreiecksfläche bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht blechfrei sei und dass das dort angeordnete, einstückig mit dem Türblech ausgeführte, der Aufnahme und Befestigung des Spiegels dienende Blechteil einen Bestandteil des Türblechs bilde.
25
Das ist jedoch unerheblich. Die zwischen dem Sachverständigen und dem von der Beklagten beauftragten Privatgutachter in mehreren Gutachten diskutierte Frage, ob das in der Dreiecksfläche angeordnete Blechteil aus fachmännischer Sicht als Bestandteil des Tür(innen-, bei der Ausführungsform X auch -außen)blechs anzusehen sei oder nicht, stellt sich nach dem vorstehend zu b Ausgeführten nicht. Dem steht auch nicht entgegen, dass das Klagepatent bei verschiedenen bekannten Bauarten die Befestigung des Spiegelfußes mittels einer Schraubverbindung auf dem Türaußenblech aus mehreren Gründen als nachteilig ansieht. Denn durch die Anordnung des Halteteils des Rückspiegels in der erfindungsgemäßen Dreiecksfläche können - wegen der durch das Dreieck gebildeten Rahmenstruktur und weil das sichtbare Außenblech nicht mehr durchbohrt wird, das Blech vielmehr innen angeordnet ist und nach außen durch das Halteteil des Spiegels abgedeckt wird - diese Nachteile unabhängig davon vermieden werden, ob zur Befestigung des Halteteils ein materialeinheitlich und einstückig mit einem Türblech ausgeführtes Blechteil verwendet wird oder nicht.
26
3. Soweit das Berufungsgericht die Verwirklichung des Merkmals 6 und bei der Ausführungsform X auch des Merkmals 5 verneint hat, hält dies gleichfalls der Nachprüfung nicht stand.
27
Nach diesen Merkmalen ragt die vordere Führungsschiene für die Seitenscheibe aus der Türoberkante heraus und ist mit dem schräg nach oben hinten verlaufenden vorderen Teil des Fensterrahmens verbunden.
28
Das Berufungsgericht hat unter Berufung auf den gerichtlichen Sachverständigen gemeint, von einem Herausragen der vorderen Führungsschiene aus der Türoberkante im Sinne des Merkmals 5 könne bei der Ausführungsform X nicht gesprochen werden, weil die vordere Führungsschiene nicht einteilig, sondern zweiteilig realisiert sei und obere und untere Führungsschiene nur "relativ lose" miteinander verbunden seien und zwischen den Schienenteilen keine Kräfte übertragen werden könnten. Damit wird jedoch weder das Vorhandensein einer vorderen Führungsschiene, noch deren Herausragen aus der Türoberkante in Frage gestellt.
29
Entsprechendes gilt für die Verbindung zwischen vorderer Führungsschiene und dem schräg nach oben hinten verlaufenden vorderen Teil des Fensterrahmens. Das Berufungsgericht hat seine Auffassung, das Merkmal 6 werde nicht benutzt, bei der Ausführungsform X wiederum mit der Zweiteiligkeit der vorderen Führungsschiene begründet, die der dem Patentanspruch zu entnehmenden Forderung nach einer möglichst stabilen Verbindung widerspreche. Bei der Ausführungsform Z hat es die gleiche Beurteilung damit begründet , dass die vordere Führungsschiene nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar (nämlich über das Blechteil) mit dem Fensterrahmen verbunden sei. Auch insoweit gilt, dass mit diesen Erwägungen die unmittelbar gegenständliche Verwirklichung des Merkmals 6 nicht verneint werden kann, denn sie ändern bei beiden Ausführungsformen nichts an der bestehenden Verbindung zwischen Führungsschiene und Fensterrahmen.
30
Sowohl hinsichtlich des Merkmals 5 als auch hinsichtlich des Merkmals 6 steht hinter der Erwägung des Berufungsgerichts letztlich die Überlegung des gerichtlichen Sachverständigen, der Patentanspruch umschreibe mit den Merkmalen 5 und 6 eine stabile Rahmenstruktur für die Dreiecksfläche, während die angegriffenen Ausführungsformen mittels Blechteilen eine Kastenstruktur verwirklichten. Dabei beachtet das Berufungsgericht jedoch nicht, dass es sich, wenn eine Ausführungsform von den Merkmalen eines Patentanspruchs in deren räumlich-körperlicher Ausgestaltung identisch Gebrauch macht, bei der Prüfung der Patentverletzung grundsätzlich erübrigt, Erwägungen darüber anzustellen , ob die identisch vorhandenen Merkmale demselben Zweck dienen und dieselbe Wirkung und Funktion haben wie diejenigen des Klagepatents (Sen.Urt. v. 12.7.1990 - X ZR 121/88, GRUR 1991, 436 - Befestigungsvorrichtung II). Im Übrigen umfasst die Kastenstruktur die in ihr enthaltene und sie aussteifende Rahmenstruktur und versteht es sich für den Fachmann, dass er die Rahmenbestandteile einer Struktur nur für diejenigen Kräfte auslegen muss, die der Rahmen nach der Ausbildung der gesamten Struktur tatsächlich aufnehmen muss. Für weitergehende Anforderungen bieten weder der Wortlaut des Patentanspruchs noch die zu seiner Auslegung heranzuziehende Beschreibung einen Anhalt.
31
III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht bedarf es jedoch nicht, da alle erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen sind und der Senat daher in der Sache selbst entscheiden kann (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klägerin ist der Beklagten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zur Erteilung der begehrten Auskunft verpflichtet, da die mit der Widerklage angegriffenen Seitenrückspiegelanordnungen dem unmittelbaren Gegenstand des Klagepatents im Sinne des § 6 PatG 1968 entsprechen.
32
1. Die Benutzung der Merkmale 1 und 2 ist außer Streit und ergibt sich ohne weiteres aus der durch Bezugnahme auf die Anlagen B 9a und 9b festgestellten (BU 4) Beschaffenheit der angegriffenen Ausführungsformen.
33
2. Aus den Anlagen B 9a und 9b und der Feststellung, dass bei den angegriffenen Ausführungsformen in dem Bereich, der früher bei vielen Fahrzeugen für ein dreieckiges Ausstellfenster genutzt wurde und der durch Fensterrahmen und vordere Führungsschiene des Fensters begrenzt wird, ein Blechteil stehengelassen ist (BU 4 unten; s. auch Sachverständigengutachten 1, S. 16 [GA VI 833]: "Fensterrahmen entsprechend verbreitert"), ergibt sich gleichfalls die Verwirklichung des Merkmals 3: Es ist ein Fensterausschnitt vorhanden , der durch die Türoberkante und einen umlaufenden bis an das vordere Ende der Türoberkante reichenden (Fenster-)Rahmen begrenzt wird.
34
3. Nur der hintere Teilbereich dieses Fensterausschnitts wird von der versenkbaren Seitenscheibe abgedeckt (Merkmal 4).
35
4. Wie bereits ausgeführt, ragt die vordere Führungsschiene für die Seitenscheibe aus der Türoberkante heraus und ist mit dem schräg nach oben hinten verlaufenden vorderen Teil des Fensterrahmens verbunden (Merkmale 5 und 6).
36
5. Die Dreiecksfläche vor der vorderen Führungsschiene ist durch ein entsprechend ausgebildetes Halteteil des Rückspiegels abgedeckt, wie sich gleichfalls unmittelbar aus den Anlagen B 9a und 9b und damit aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt (Merkmal 7). Damit sind sämtliche Merkmale der erfindungsgemäßen Lehre unmittelbar gegenständlich verwirklicht.
37
6. Der Senat hat die Urteilsformel stärker an den Streitgegenstand angepasst, indem er die Anordnung des Blechteils in der vor der vorderen Führungsschiene befindlichen, von der versenkbaren Seitenscheibe nicht bedeckten fensterfreien Fläche des Fensterausschnitts, über dessen Bedeutung die Parteien streiten, berücksichtigt hat (vgl. Sen.Urt. v. 30.3.2005 - X ZR 126/01, GRUR 2005, 569 - Blasfolienherstellung [für BGHZ 162, 365 vorgesehen]). Bei der Formulierung der Urteilsformel hat der Senat ferner dem Umstand Rechnung getragen, dass die Lieferung von Rückspiegeln, die zum Einbau in entsprechend ausgebildete Seitentüren bestimmt sind, die Lieferung von Mitteln darstellt, die an den Erfindungsgedanken angepasst (erfindungsfunktionell individualisiert ) sind. Schließlich hat der Senat berücksichtigt, dass es Werksabgabepreise für in Neufahrzeuge eingebaute Rückspiegel nicht gibt. Er hat daher den Klageantrag dahin verstanden, dass sich das Auskunftsverlangen der Beklagten insoweit auf den kalkulatorischen Anteil der für erfindungsgemäße Rückblickspiegelanordnungen verwendeten Rückspiegel am Werksabgabepreis des jeweiligen Fahrzeugs bezieht.
38
IV. Die Kostenentscheidung ist dem vom Berufungsgericht - nach Aufnahme des Verfahrens in der zweiten Stufe der Widerklage - zu fällenden Schlussurteil vorzubehalten. Bei dieser Entscheidung wird das Berufungsgericht zu beachten haben, dass es seine mit diesem Urteil - notwendigerweise insgesamt - aufgehobene Kostenentscheidung insoweit zu wiederholen haben wird, als sie nach § 91a ZPO getroffen worden ist und daher der Nachprüfung im Revisionsverfahren nicht unterliegt (Sen.Urt. v. 7.3.2001 - X ZR 176/99, GRUR 2001, 770, 771 - Kabeldurchführung II; BGH, Beschl. v. 19.10.2000 - I ZR 176/00, BGHRep. 2001, 98).

Melullis Keukenschrijver Mühlens
Asendorf Meier-Beck
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 29.11.2000 - 21 O 16224/92 -
OLG München, Entscheidung vom 29.04.2004 - 6 U 1644/01 -

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Okt. 2005 - X ZR 76/04 zitiert 6 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91a Kosten bei Erledigung der Hauptsache


(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksich

Patentgesetz - PatG | § 6


Das Recht auf das Patent hat der Erfinder oder sein Rechtsnachfolger. Haben mehrere gemeinsam eine Erfindung gemacht, so steht ihnen das Recht auf das Patent gemeinschaftlich zu. Haben mehrere die Erfindung unabhängig voneinander gemacht, so steht da

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Bundesgerichtshof Urteil, 11. Okt. 2005 - X ZR 76/04 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Okt. 2005 - X ZR 76/04 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Nov. 2003 - X ZR 162/00

bei uns veröffentlicht am 25.11.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 162/00 Verkündet am: 25. November 2003 Mayer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein

Bundesgerichtshof Urteil, 07. März 2001 - X ZR 176/99

bei uns veröffentlicht am 07.03.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 176/99 Verkündet am: 7. März 2001 Fritz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein ZPO § 286 A Kabe

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Okt. 2000 - I ZR 176/00

bei uns veröffentlicht am 19.10.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZR 176/00 vom 19. Oktober 2000 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR : ja ZPO § 546 Abs. 2, §§ 91a, 93 Hat das Berufungsgericht auch über Kosten entschieden, die für einen durch Anerkenntn

Bundesgerichtshof Urteil, 30. März 2005 - X ZR 126/01

bei uns veröffentlicht am 30.03.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 126/01 Verkündet am: 30. März 2005 Groß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja .
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 11. Okt. 2005 - X ZR 76/04.

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Nov. 2010 - X ZR 104/08

bei uns veröffentlicht am 16.11.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZR 104/08 vom 16. November 2010 in dem Rechtsstreit Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. November 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck und die Richter Gröning, Dr. Berger, Dr. Grabin

Bundesgerichtshof Urteil, 02. Juni 2015 - X ZR 103/13

bei uns veröffentlicht am 02.06.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X Z R 1 03/ 1 3 Verkündet am: 2. Juni 2015 Hartmann Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Feb. 2015 - X ZR 76/13

bei uns veröffentlicht am 03.02.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X Z R 7 6 / 1 3 Verkündet am: 3. Februar 2015 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Referenzen

Das Recht auf das Patent hat der Erfinder oder sein Rechtsnachfolger. Haben mehrere gemeinsam eine Erfindung gemacht, so steht ihnen das Recht auf das Patent gemeinschaftlich zu. Haben mehrere die Erfindung unabhängig voneinander gemacht, so steht das Recht dem zu, der die Erfindung zuerst beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 162/00 Verkündet am:
25. November 2003
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
Diabehältnis
Der gerichtliche Sachverständige hat insbesondere die Aufgabe, dem Gericht
Kenntnisse und Fähigkeiten des Fachmanns sowie die Arbeitsweise zu vermitteln
, mit der dieser technische Probleme seines Fachgebiets zu bewältigen
trachtet. Ob die erfindungsgemäße Lösung für den Fachmann nach seinem
festgestellten Wissen und Können nahegelegen hat, ist als Akt wertender Erkenntnis
nicht vom Sachverständigen zu beurteilen.
BGH, Urt. v. 25. November 2003 - X ZR 162/00 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 11. April 2000 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 228 536 (Streitpatents). Das Streitpatent , das auf einer Anmeldung vom 5. November 1986 beruht, für die italienische Prioritäten vom 11. November 1985 in Anspruch genommen werden, betrifft ein Diabehältnis und umfaßt in der Fassung, die es im Einspruchsverfahren erhalten hat, fünf Verwendungsansprüche und sechs weitere Ansprüche, die sich mit Verfahren zum automatischen Verpacken von gerahmten Dias in dem Behältnis befassen.
Patentanspruch 1 hat (ohne Bezugszeichen) folgenden Wortlaut:
"Use of a container consisting of a continuous strip of transparent material folded longitudinally and welded together along transverse lines to define a plurality of transverse pockets closed at one end and open at the other end, said strip bearing a plurality of reference marks separated by a distance equal to the distance between the axes of adjacent transverse pockets, as container housing mounted slides, wherein each pocket is adapted to contain a predetermined plural number of mounted slides and is constructed such that the slides are inserted into the pocket through its open end and the insertion of a slide moves a previously inserted slide forward into the pocket."
Seine deutsche Fassung lautet:
"Verwendung eines Behälters, bestehend aus einem kontinuierlichen Streifen aus transparentem Material, welcher längs gefaltet und entlang Querlinien verschweißt ist, um eine Vielzahl von Quertaschen zu bilden, die an einem Ende geschlossen und am anderen Ende offen sind, wobei der Streifen eine Vielzahl von Referenzmarken aufweist, die durch einen Abstand gleich dem Abstand zwischen den Achsen benachbarter Quertaschen voneinander getrennt sind, als Behälter zur Aufnahme montierter Dias, wobei jede Tasche angepaßt ist, um eine vorbestimmte Vielzahl montierter Dias zu enthalten, und so ausgebildet ist, daß die Dias in die Tasche durch deren offenes Ende eingeführt werden
und das Einführen eines Dias das vorher eingeführte Dia in der Tasche vorwärts bewegt."
Wegen des Wortlauts der weiteren Patentansprüche wird auf die neue europäische Patentschrift (B2-Schrift) verwiesen.
Mit der Nichtigkeitsklage hat die Klägerin die Patentansprüche 1 bis 5 angegriffen und geltend gemacht, der Gegenstand des Patents sei insoweit nicht neu und beruhe jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 5 mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie weiterhin die Abweisung der Nichtigkeitsklage erstrebt und hilfsweise das Streitpatent mit zwei Hilfsanträgen verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. habil. H. G., Geschäftsführender Direktor des Instituts für Verarbeitungsmaschinen, Landmaschinen und Verarbeitungstechnik der ... Universität ..., ein schriftliches Gutachten erstattet. Der Senat hat ferner Zeugenbeweis erhoben.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent zurecht im Umfang des Klageangriffs für nichtig erklärt, da sein Gegenstand insoweit dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war und daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. 52 Abs. 1, 56, 138 Abs. 1 lit. a EPÜ; Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG).
I. Das Streitpatent betrifft die Verwendung eines Streifens aus transparentem Material als Diabehältnis.
Die Streitpatentschrift schildert es einleitend als bekannt, in Photolabors gerahmte Dias zum Versand entweder in einer steifen Schachtel oder in einer faltbaren, mit Taschen versehenen Sichthülle zu verpacken. Die Verwendung einer Schachtel als Diabehältnis sieht die Streitpatentschrift u.a. wegen deren Größe und Gewicht sowie wegen des notwendigen Arbeitsaufwands als nachteilig an. An der Verwendung von Sichthüllen beanstandet sie die Notwendigkeit , jedes Dia einzeln von Hand in eine Tasche der Hülle einzusetzen.
Durch das Streitpatent soll ein leichtes, kleinvolumiges und kostengünstiges Diabehältnis bereitgestellt werden, das einfach und schnell und gegebenenfalls auch automatisch zu befüllen ist.
Patentanspruch 1 lehrt hierzu die Verwendung eines Behältnisses zur Aufnahme gerahmter Dias, das durch folgende Merkmale umschrieben ist:
1. Das Behältnis besteht aus einem fortlaufenden Streifen aus transparentem Material, der
1.1 längsgefaltet und 1.2 entlang Querlinien geschweißt ist und 1.3 eine Mehrzahl von querverlaufenden Taschen bildet.
2. Die Taschen sind an einem Ende verschlossen und am anderen Ende offen.
3. Jede Tasche ist so ausgebildet, daß 3.1 sie eine vorbestimmte Mehrzahl ("plural number") gerahmter Dias aufnehmen kann, 3.2 die Dias durch ihr offenes Ende eingeführt werden und 3.3 das Einführen eines Dias ein zuvor eingeführtes in die Tasche hineinschiebt.
4. Der transparente Streifen trägt eine Mehrzahl von Referenzmarken , deren Abstand voneinander dem Achsabstand benachbarter Taschen entspricht.
Zur Aufnahme gerahmter Dias wird damit erfindungsgemäß ein einfaches und leichtes Behältnis verwendet, das durch das Einschieben einer vorbestimmten Anzahl von Dias in eine Tasche unschwer zu befüllen ist, wobei die Referenzmarken die exakte Positionierung eines Automaten zur Einführung der Dias erleichtern.
II. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, daß die erfindungsgemäße Verwendung eines Behältnisses
mit den Merkmalen 1 bis 4 dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war.
1. Der hier angesprochene Fachmann ist, wie auch die Parteien an- nehmen, ein erfahrener Meister oder Techniker, der aufgrund mehrjähriger Praxis mit den Problemen der Verpackung und Versendung in einem Photolabor erzeugter oder bearbeiteter Produkte vertraut ist.
2. Dieser Fachmann kannte bereits Hüllen aus transparentem Material , bei denen durch Längsfalten und Querschweißen eines fortlaufenden Materialstreifens eine Mehrzahl querverlaufender, einseitig offener Taschen gebildet wird (Merkmale 1 und 2), die jeweils zur Aufnahme von zwei durch das offene Ende eingeführten gerahmten Dias bestimmt und entsprechend dimensioniert sind (Merkmale 3.1 und 3.2).

a) Solche Diadoppeltaschenhüllen wurden, wie die Vernehmung der Zeugen U. und R. zur Überzeugung des Senats ergeben hat, vor dem Prioritätstag von der G. mbH in S. (im folgenden: G.) an Photolabors vertrieben und damit offenkundig vorbenutzt.
Als Doppeltaschen ausgebildete Dia-Taschen werden in der Preisliste "Verbrauchsmaterialien für Fotofinishing" der G. vom 4. Oktober 1982 aufgeführt. Der Geschäftsführer der G., der Zeuge U., hat geschildert, daß entsprechend den Merkmalen 1 bis 3.2 ausgebildete und als Rollenware gelieferte Taschen auf Kundenwunsch in das Vertriebsprogramm der G. aufgenommen wurden, um Photolaboren insbesondere für die Rücksendung einer kleineren Anzahl gerahmter Dias nach der Ausführung von Nachbestellungen ein geeig-
netes und kostengünstiges Transportmedium zur Verfügung stellen zu können. Der Zeuge hat hierzu ein an G. gerichtetes Angebot des Herstellers L. & Co. vom 23. September 1981 vorgelegt und erläutert, daß das Produkt tatsächlich durch den Zeugen R. hergestellt worden sei. Der Zeuge R. hat dies bestätigt und geschildert, daß er zunächst als Betriebsleiter des Herstellers H. und sodann, nachdem er sich zum 30. Juni 1984 selbständig gemacht hatte, in seinem eigenen Betrieb Dia-Doppeltaschen hergestellt hat. Die Taschen sind hinsichtlich ihrer technischen Beschaffenheit von den Zeugen sachlich übereinstimmend geschildert worden. Ihre Aussagen sind glaubhaft und Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der eingehend befragten Zeugen nicht hervorgetreten; insbesondere hat der Zeuge R. seine Tätigkeit in den Jahren vor und nach seinem Wechsel in die Selbständigkeit auch außerhalb des eigentlichen Beweisthemas so anschaulich und plausibel geschildert, daß trotz des erheblichen seither verstrichenen Zeitraums seine Aussagen zu den für G. produzierten Diataschen einleuchtend und nachvollziehbar sind.

b) Daß bei der bestimmungsgemäßen Benutzung der vorbenutzten Diataschen das zweite Dia das zunächst eingeführte (weiter) in die Tasche hineinschiebt (Merkmal 3.3), ergibt sich bei unter Berücksichtigung des benötigten Spiels (annähernd) der Größe gerahmter Dias angepaßter Taschen zwangsläufig und wird entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dadurch in Frage gestellt , daß es, wie der Zeuge U. bekundet hat, zu einem Übereinanderschieben von Dias kommen konnte. Es mag auch sein, daß die Nutzer der Diataschen , die nach der Aussage des Zeugen U. nicht maschinell, sondern von Hand befüllt wurden, häufig das erste Dia mit dem Finger bis zum anderen Ende in die Tasche hineingeschoben haben, so daß es eines Einsatzes des zweiten Dias als Werkzeug zum Transport des ersten nicht bedurfte. Nach der Lebenserfahrung kann jedoch ausgeschlossen werden, daß das erste Dia stets
bis zum Anschlag in die Tasche hineingeschoben worden ist. Das Hineinschie- ben wird vielfach mehr oder weniger unvollständig erfolgt sein, und in diesem Fall dient das zweite Dia zwangsläufig als Werkzeug zur weiteren Einführung des ersten in die Tasche.
3. Um zu der erfindungsgemäßen Verwendung zu gelangen, mußte der Fachmann daher den transparenten Streifen nur noch entsprechend Merkmal 4 mit einer Mehrzahl von Referenzmarken versehen. Das lag jedoch ohne weiteres nahe.

a) Denn dem Fachmann war nicht nur bekannt, solche transparenten Streifen zu den vorbenutzten Diadoppeltaschen zu formen. Er kannte vielmehr auch ein Behältnis (eine Hülle) zur Aufnahme entwickelter Filmabschnitte mit mehreren Einzelbildern, wie es in dem als Anlage K 6 (= E 9) zu den Akten gereichten Informationsblatt "Film Sleeves" dargestellt ist.
Dieses Behältnis besteht, wie der Abbildung auf der Vorderseite der Anlage K 6 zu entnehmen ist, aus einem fortlaufenden Streifen aus transparentem Material, der längs gefaltet und entlang von Querlinien verschweißt ist, so daß sich quer über den Streifen verlaufende, auf einer Seite offene Taschen ergeben , in die die Filmabschnitte eingeschoben werden. Jeweils zwischen zwei benachbarten Schweißlinien ist am geschlossenen Ende der Taschen eine als Referenz dienende Markierung angebracht.
Die Beweisaufnahme hat zur Überzeugung des Senats ergeben, daß derartige Filmhüllen vor dem Prioritätstag der Streitpatents in den Verkehr gebracht worden sind. Die Vorbekanntheit derartiger Behältnisse ist bereits im Einspruchsverfahren von der Technischen Beschwerdekammer (Beschl. v.
21. September 1995 - T 32/93, S. 6) als unbestritten behandelt worden. Für sie sprechen nicht nur die im Einspruchsverfahren zu den Akten des Europäischen Patentamts gereichten Unterlagen (= Anlagen E 2 bis 10), die nach den dort verwendeten Produktkennungen deutliche Indizien dafür liefern, daß das japanische Unternehmen D. International Co. Ltd. 1983 Eintaschmaterial für Filme, wie es in der Anlage K 6 dargestellt ist, u.a. in den "Japan Camera Trade News" von Mai 1983 beworben und in den Jahren 1982 und 1983 beispielsweise in die Schweiz geliefert hat. Vielmehr hat auch der Zeuge R. - ohne daß für ihn die Erheblichkeit dieser Umstände erkennbar war und daher glaubhaft - geschildert , daß er zu Beginn seiner Selbständigkeit mit einer Ende 1984 erworbenen und von ihm wieder instandgesetzten "Schrottmaschine" entsprechende Filmabschnitthüllen mit Ansteuerungsmarken für eine automatische Bestückung als Rollenware hergestellt und vertrieben hat.

b) In Kenntnis der vorbenutzten Diadoppeltaschenhüllen lag es für den Fachmann ebenso auf der Hand, daß er entsprechend aufgebaute Filmhüllen , wie sie etwa in dem Informationsblatt "Film Sleeves" dargestellt sind, bei geeigneter Dimensionierung auch für gerahmte Dias verwenden konnte, wie er umgekehrt ohne weiteres die vorbekannten Diadoppeltaschenhüllen, wenn er deren automatische Befüllung in Erwägung zog, mit Referenzmarken gemäß Merkmal 4 versehen konnte, wie sie ihm von den Filmhüllen bekannt waren.
Für diese Schlußfolgerung bedarf der Senat keiner sachverständigen Beratung , die wegen der Erkrankung des gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung nicht zur Verfügung gestanden hat. Denn aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme stehen die Kenntnisse fest, die dem Fachmann am Prioritätstag zur Verfügung standen. Weiterer Überlegungen, für die geklärt werden müßte, ob sie vom Durchschnittsfachmann nach seiner Aus-
bildung, seiner praktischen Erfahrung und seiner hierdurch bestimmten Metho- dik der Lösung technischer Probleme seines Fachgebiets erwartet werden konnten, bedurfte es nicht. Der gerichtliche Sachverständige hat indes in diesem Zusammenhang die Aufgabe, dem Gericht Kenntnisse und Fähigkeiten des Fachmanns sowie die Arbeitsweise zu vermitteln, mit der dieser technische Probleme seines Fachgebiets zu bewältigen trachtet. Die Beurteilung, ob die erfindungsgemäße Lösung für den Fachmann nach seinem festgestellten Wissen und Können nahegelegen hat, ist nicht Aufgabe des Sachverständigen. Sie ist ein Akt wertender Erkenntnis (Senat, BGHZ 128, 270, 275 - elektrische Steckverbindung), der dem Gericht obliegt.
III. Hilfsweise verteidigt die Beklagte Patentanspruch 1 in einer Fassung , bei der die Worte "as container housing mounted slides" durch die Wendung ersetzt sind "as container for automatic packaging of mounted slides". Auch in dieser - in zulässiger Weise beschränkten Fassung - kann Patentanspruch 1 jedoch keinen Bestand haben. Die Verwendung des Behältnisses zur automatischen Verpackung gerahmter Dias lag für den Fachmann gleichfalls nahe, wenn er die vorbekannten Filmhüllen, die nach der Aussage des Zeugen R. und ausweislich der Werbung in "Japan Camera Trade News" von Mai 1983 (Anl. E 10) bereits automatisch befüllt wurden ("film advance and sleeve feeding are automatically controlled by motor") und hierzu mit den Referenzmarken versehen waren, für Dias verwendete.
Es mag zwar zutreffen, daß die erfindungsgemäße Verwendung, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben hat, gegenüber einer Einführung jedes Dias in eine Einzeltasche eine erhebliche Steigerung der Bestückungsgeschwindigkeit erlaubt. Ob vom Durchschnittsfachmann auch diese Erkenntnis erwartet werden konnte, ist jedoch unerheblich. Es genügt, daß es
für ihn überhaupt nahelag, die vorbekannten Behältnisse maschinell zu bestükken.
Nach Hilfsantrag II soll Patentanspruch 1 in der Fassung des ersten Hilfsantrags der dem erteilten Patentanspruch 5 entsprechende Halbsatz angefügt werden "wherein each weld has a length less than the width of the folded strip and stops before the free edge of its two side portions". Hierfür gilt nichts anderes als für den ersten Hilfsantrag, denn die Filmhüllen, deren Verwendung für den erfindungsgemäßen Zweck für den Fachmann nahelag, weisen bereits Schweißnähte auf, die kürzer sind als die Breite des gefalteten transparenten Streifens und vor dessen freien Enden enden.
IV. Zu den Gegenständen der Unteransprüche 2 bis 4 konnte der Fachmann gleichfalls ohne erfinderische Tätigkeit finden. Sie entsprechen hinsichtlich der Ausgestaltung der Behältnisse ebenfalls dem Stand der Technik nach dem Informationsblatt "Film Sleeves". Auch die Beklagte macht insoweit für eine erfinderische Tätigkeit nichts geltend.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 176/99 Verkündet am:
7. März 2001
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Kabeldurchführung II
Der Tatrichter darf die Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens nicht
ohne weiteres übernehmen. Sachverständige Ä ußerungen sind vom Tatrichter
eigenverantwortlich daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie Angaben
enthalten, die Aufklärung im Hinblick auf entscheidungserhebliche und allein
von dem erkennenden Gericht zu beantwortende Fragen zu bieten vermögen.
Das Urteil muß erkennen lassen, daß dies geschehen ist.
BGH, Urteil vom 07.03.2001 - X ZR 176/99 - OLG München
LG München I
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter
Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter Dr. MeierBeck

für Recht erkannt:
Unter Zurückweisung der Revision des Klägers im übrigen wird das am 22. Juli 1999 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben, soweit es die auf Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten gerichteten Klageanträge unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts München I vom 18. Dezember 1992 abgewiesen und insoweit die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger war bis zu dessen Ablauf eingetragener Inhaber des Gebrauchsmusters 89 13 829.5 (Klagegebrauchsmusters), das auf eine Anmeldung vom 23. November 1989 zurückgeht. Die Beklagte hat das Löschungsverfahren betrieben. Das Klagegebrauchsmuster ist teilweise gelöscht worden; Schutzanspruch 1 ist in folgender Fassung aufrechterhalten worden:
"Vorrichtung zum Abdichten eines in einer Schrankwand eines Schaltschranks angebrachten Lochs zur Durchführung eines Kabels in den Schaltschrank mit zwei an der Außenseite der Schrankwand an gegenüberliegenden Seiten des Lochs angeordneten Teilen, wobei jedes der beiden Teile innen mit einem Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff versehen ist, welche das Kabel umschließen, wobei an einem der beiden Teile wenigstens eine Schelle zur Befestigung des Kabels befestigt ist und die beiden Teile durch Schrauben miteinander verbunden sind, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die beiden Teile durch die beiden Teile eines zweiteiligen rechteckigen Gehäuses (1) gebildet sind, welches an seiner von der Schrankwand (6) abgewandten Seite (8) wenigstens eine Öffnung (9-11) und an seiner der Schrankwand (6) zugewandte Seite eine Öffnung (4) um das Loch in der Schrankwand zur Durchführung des Kabels (7) aufweist, daß die Teilungsfuge (12), die das Gehäuse (1) der Länge nach teilt, durch die Kabelöffnungen (9-11) an der von der Schaltschrankwand (6) abgewandten Seite (8) des
Gehäuses (1) hindurchgeht, daß die Schelle (18-20) zur Kabelbefestigung an der Innenseite eines der beiden Gehäuseteile (3) befestigt ist, daß die Schrauben (22, 23), die in hülsenförmigen Vorsprüngen (27, 28) an der Innenseite eines Gehäuseteils (3) vorgesehene Gewinde eingreifen, das Gehäuse (1) zusammenhalten und das von den Schrauben (22, 23) zusammengehaltene Gehäuse (1) an der Schrankwand (6) befestigbar ist."
Ein weiteres, von einem Dritten betriebenes Gebrauchsmusterlöschungsverfahren ist wegen Ablaufs des Klagegebrauchsmusters in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden.
Die Beklagte stellte her und vertrieb vor Ablauf des Klagegebrauchsmusters eine Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 in Form eines eckigen Gehäuses , in das in jeweils eigene Kammern Schaumstoffmanschetten zur Einlage der Kabel und Zugentlastungsschellen eingefügt sind. Der Kläger sieht hierdurch sein Klagegebrauchsmuster verletzt.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt und - jeweils im wesentlichen wie beantragt - auf Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung erkannt.
Das mit der Berufung angerufene Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der Senat dieses Berufungsurteil aufgehoben (Urt. v. 04.02.1997, BGHZ 134, 353 - Kabeldurchführung). Das Berufungsgericht, an das die Sache zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen worden ist, hat ein Sachverständigengutachten
eingeholt und die auf Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung gerichtete Klage erneut abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat das Oberlandesgericht dem Kläger auferlegt, wobei es erkannt hat, daß der Kläger im Umfang des aufgrund des Zeitablaufs des Klagegebrauchsmusters übereinstimmend für erledigt erklärten Unterlassungsantrags die Kosten gemäß § 91 a ZPO zu tragen habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die erneute Revision des Klägers, mit der beantragt wird,
das Berufungsurteil aufzuheben und nach den Schlußanträgen des Klägers in der Berufungsinstanz zu erkennen.
Die Beklagte ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.

Entscheidungsgründe:


I. Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die nach § 91 a ZPO ergangene Kostenentscheidung des Oberlandesgerichts wendet. Eine Kostenentscheidung eines Oberlandesgerichts nach § 91 a ZPO ist nicht anfechtbar (§§ 567 Abs. 4, 99 Abs. 1 ZPO). Dies gilt auch dann, wenn sie als sogenannte Mischentscheidung im Rahmen eines streitigen Urteils getroffen wird (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 91 a Rdn. 27, 56 jeweils m.w.N.).
II. Im übrigen ist die Revision zulässig und auch begründet.

1. Das Berufungsgericht hat in der Sache ausgeführt: Das Klagegebrauchsmuster gehe von einem Stand der Technik aus, bei dem das in der Wand eines Schaltschranks zum Durchführen eines Kabels mit angebrachtem Stecker vorzusehende Loch mit zwei Platten abgedeckt werde. Die Platten wiesen halbkreisförmige Ausnehmungen auf und würden links und rechts des Kabels so auf das Loch gelegt, daß sie aneinanderstießen und sich eine kreisrunde Öffnung für das Kabel ergebe. Wegen der Fuge zwischen den beiden Platten und der kreisförmigen Öffnung für das Kabel werde bei dieser Abdekkung die gewünschte Dichtigkeit nicht erreicht. Auch werde das Kabel nicht fixiert; der Stecker im Schaltschrank werde schon bei nur relativ geringem Zug auf das Kabel herausgezogen. Hiernach liege der Erfindung zugrunde, eine Vorrichtung zur Verfügung zu stellen, die eine hohe Dichtigkeit und eine Zugentlastung des Kabels gewährleiste. Gelöst werde die damit verbundene Problematik durch den Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters, der sich - wie auch die Parteien übereinstimmend meinten - in folgende Merkmale gliedern lasse:
1. Vorrichtung zum Abdichten eines in einer Schrankwand eines Schaltschranks angebrachten Lochs zur Durchführung eines Kabels in den Schaltschrank mit
2. zwei an der Außenseite der Schrankwand an gegenüberliegenden Seiten des Lochs angeordneten Teilen,
2.1. wobei jedes der beiden Teile innen mit einem Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff versehen ist, welche das Kabel umschließen,
2.2. wobei an einem der beiden Teile wenigstens eine Schelle zur Befestigung des Kabels befestigt ist,
2.3. die beiden Teile durch Schrauben miteinander verbunden sind,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß
3. die beiden Teile durch die beiden Teile eines zweiteiligen rechteckigen Gehäuses gebildet sind,
3.1. welches an seiner von der Schrankwand abgewandten Seite wenigstens eine Öffnung
3.2. und an seiner der Schrankwand zugewandten Seite eine Öffnung
3.2.1. um das Loch in der Schrankwand
zur Durchführung des Kabels aufweist,
3.3. daß die Teilungsfuge, die das Gehäuse der Länge nach teilt,
3.4. durch die Kabelöffnungen an der von der Schaltschrankwand abgewandten Seite des Gehäuses hindurchgeht,
3.5. daß die Schelle zur Kabelbefestigung an der Innenseite eines der beiden Gehäuseteile befestigt ist,
4.1. daß die Schrauben, die in hülsenförmigen Vorsprüngen an der Innenseite eines Gehäuseteils vorgesehene Gewinde eingreifen, das Gehäuse zusammenhalten und
4.2. das zusammengehaltene Gehäuse an der Schrankwand befestigbar ist.
Diese Feststellungen des Berufungsgerichts einschließlich seiner Merkmalsanalyse lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Auch die Revision erhebt insoweit keine Beanstandungen.
2. Das Berufungsgericht hat die auf Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung gerichteten Klageanträge abgewiesen, weil die durch die angegriffene Ausführungsform verkörperte Lösung Erfindungsqualität besitze und deshalb vom Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters nicht umfaßt werde. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die Merkmale 2.1 (Schaumgummiabdichtung) und 2.2/3.5 (Schellenbefestigung an der Innenseite ) seien bei der Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 nicht in einer mit der Anweisung des Schutzanspruchs 1 identischen Form verwirklicht. Der Dichtungskörper fülle die Gehäusehälften nicht aus; für die Schaumstoffkörper der angegriffenen Ausführungsform seien vielmehr eigene Facheinteilungen ge-
schaffen. Das Kabel sei nicht mit einer Schelle an einem Gehäuseteil befestigt; bei der angegriffenen Ausführungsform sei es mittels Schellenverbindung in einer weiteren Facheinteilung eingespannt. Das führe zwar zu Funktions- und Wirkungsgleichheit, bedeute aber konstruktive Unterschiede zur Lehre des Klagegebrauchsmusters. Die Überwindung dieser Unterschiede beruhe nach den Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen auf eigenständigen erfinderischen Überlegungen des Durchschnittsfachmanns, die vom Stand der Technik in keiner Weise beeinflußt seien.

a) Bei der Feststellung, daß die angegriffene Ausführungsform auf eigenständiger erfinderischer Überlegung beruhe, ist das Berufungsgericht nicht den Anforderungen gerecht geworden, denen der Tatrichter bei der Würdigung dessen zu genügen hat, was als wahr zu erachten ist.
Der Tatrichter hat nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO den Streitstoff in tatsächlicher Hinsicht erschöpfend zu prüfen und zu würdigen. Von einer eigenen Bewertung ist er auch dann nicht enthoben, wenn er ein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Dessen Ergebnisse dürfen deshalb nicht ohne weiteres übernommen werden; auch sachverständige Ä ußerungen sind eigenverantwortlich daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie Angaben enthalten, die Aufklärung im Hinblick auf entscheidungserhebliche und allein von dem erkennenden Gericht zu beantwortende Fragen zu bieten vermögen. Die einzelnen Schritte der vorgenommenen Prüfung und Würdigung müssen in dem daraufhin ergehenden Urteil zwar nicht in allen Einzelheiten dargelegt werden (§ 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO); das Urteil muß jedoch erkennen lassen, daß der Tatrichter die erforderlichen Schritte vollzogen hat; es muß die tragenden Gesichtspunkte
für die der Entscheidung zugrundeliegende Überzeugung in der Begründung nachvollziehbar darlegen.
Daran fehlt es hier. Was die Frage einer sich in der angegriffenen Ausführungsform verkörpernden erfinderischen Leistung anlangt, verweist das angefochtene Urteil ausschließlich auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen. Diese beschränken sich ihrerseits im schriftlichen Gutachten auf die Aussage, die Überwindung der konstruktiven Unterschiede, welche die Schaffung einer Facheinteilung mit Einstichen für die Aufnahme eines Abdichtungskörpers , einer davon beabstandeten weiteren Facheinteilung für die Aufnahme der das Kabel einspannenden und fixierenden Schellenverbindung und die Abkehr von der unmittelbaren Befestigung des Kabels mittels einer Schelle an einer der beiden Gehäuseteile umfaßten, hätten mehr als nur einen erfinderischen Schritt erfordert, um zu der angegriffenen Ausführungsform zu gelangen ; der Durchschnittsfachmann werde nämlich jeden dieser zu überwindenden Unterschiede als nicht von der Lehre des Klagegebrauchsmusters umfaßt begreifen. Das ist - auch wenn man die ansonsten umfangreichen schriftlichen und mündlichen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen mitheranzieht - kaum mehr als eine Behauptung. Schon das hätte Anlaß zu näherer Darlegung geben müssen, warum das Berufungsgericht sich gleichwohl von der Meinung des gerichtlichen Sachverständigen hat überzeugen lassen.
Bei der Feststellung, daß der angegriffenen Ausführungsform eine erfinderische Tätigkeit zugrunde liegt, hat das Berufungsgericht außerdem die aktenkundig gemachten Ä ußerungen des vom Kläger hinzugezogenen Privatgutachters nicht berücksichtigt. Dieser Sachverständige ist ausweislich seines Ergänzungsgutachtens zu dem Ergebnis gelangt, die angegriffene Ausführungs-
form verkörpere die Entwicklung einer durch Spritzguß herstellbaren serienreifen Vorrichtung, wie man sie von einem Durchschnittsfachmann bei Beachtung der allgemeinen Gestaltungsrichtlinien erwarten müsse. Mit dieser dem gerichtlichen Gutachten entgegenstehenden Bewertung hat das Berufungsgericht sich - anders als hinsichtlich anderer Differenzen in der Begutachtung durch die beiden Sachverständigen - in keiner Weise befaßt. Das widerspricht dem Grundsatz, daß zu der dem Tatrichter gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO obliegenden Beweiswürdigung insbesondere gehört, sich auch mit solchen Umständen und Beweismitteln auseinanderzusetzen, die zu einer anderen als der getroffenen Beurteilung führen können (Sen.Urt. v. 16.09.1997 - X ZR 54/95, GRUR 1998, 366, 368 - Ladewagen). Das schließt ein, auch das in Erwägung zu ziehen, was einem vorgelegten Privatgutachten über einen entscheidungserheblichen Punkt zu entnehmen ist. Denn jede widersprüchliche Begutachtung kann Anlaß zu Zweifeln geben, ob die von Gerichtsseite eingeholte Begutachtung ausreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung bietet (vgl. Sen.Urt. v. 20.07.1999 - X ZR 121/96, GRUR 2000, 138 - Knopflochnähmaschinen).
Daß ein Anlaß zu solchen Zweifeln gerade auch hier nicht von vornherein ausgeschlossen werden konnte, ergibt die durch Ausbildung und beruflichen Werdegang belegte Qualifikation des gerichtlichen Sachverständigen einerseits und des von dem Kläger eingeschalteten Privatgutachters andererseits. Der gerichtliche Sachverständige ist nach seinem Studium und seiner etwa fünfjährigen Industrietätigkeit Metallurge; es ist auch nicht ersichtlich, daß er aufgrund seiner sich daran anschließenden Tätigkeit beim Deutschen Patentamt und am Bundespatentgericht besondere Erfahrungen auf dem hier interessierenden technischen Gebiet der Schaltschrankabdichtung hat erwerben
können. Das schließt zwar nicht aus, daß sein Gesamtkenntnis- und Erfahrungsschatz - wie es das Berufungsgericht angenommen hat - für die Beantwortung der Streitfragen des vorliegenden Falles ausreichend ist, zumal der gerichtliche Gutachter während seiner patentrechtlichen Tätigkeit mit Schutzrechten auch auf Gebieten wie Bauzubehör, Beschläge, Sicherheitseinrichtungen und Brandschutz befaßt war. Der Privatgutachter kann aber als Professor der Fachhochschule München, der als solcher den Fachbereich Feinwerk- und Mikrotechnik/Physikalische Technik, Entwicklungsmethodik, Mechatronik, Konstruktionstechnik betreut, als gerade auf dem hier interessierenden Gebiet der Technik besonders sachkundig gelten. Auch das hätte nähere eigene Darlegungen des Berufungsgerichts erfordert, warum es in der eingangs genannten Frage dem gerichtlichen Sachverständigen folgt (Sen., aaO - Ladewagen).

b) Die Feststellung, die angegriffene Ausführungsform liege außerhalb des äquivalente Lösungen umfassenden Schutzbereichs des Klagegebrauchsmusters , ist schließlich deshalb von Rechtsirrtum geprägt, weil der gerichtliche Sachverständige und ihm folgend das Berufungsgericht sie allein aufgrund einer Bewertung der Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 in ihrer konkreten Gestaltung getroffen haben.
Der Umstand, daß eine angegriffene Ausführungsform ihrerseits eine nicht durch den Stand der Technik nahegelegte erfinderische Lehre zum technischen Handeln verkörpert, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (zuletzt BGHZ 142, 7 - Räumschild, m.w.N.) noch kein hinreichender Grund, eine Benutzung einer durch ein (älteres) Patent geschützten Lehre zu verneinen. Für das Gebrauchsmuster gilt nichts anderes. Auch hier kann die angegriffene Ausführungsform zugleich eine allgemeinere Lehre verkörpern
und wegen ihrer sie konkretisierenden Gestaltung erfinderischen Charakter haben. Beinhaltet eine angegriffene Ausführungsform eine erfinderische Leistung , ist deshalb auch dann, wenn die Verletzungsklage auf ein Gebrauchsmuster gestützt ist, regelmäßig zu prüfen, ob die angegriffene Ausführungsform vom Fachmann als Ausgestaltung einer - konkrete Gestaltungsmerkmale der angegriffenen Ausführungsform außer Betracht lassenden, von der angegriffenen Ausführungsform aber gleichwohl verkörperten - allgemeineren Lehre zum technischen Handeln erkannt werden kann, die entweder wortsinngemäß mit einem Anspruch des Klageschutzrechts übereinstimmt oder sich diesem gegenüber als äquivalent darstellt (vgl. wiederum zum Patent: Sen.Urt. v. 12.07.1990 - X ZR 121/88, GRUR 1991, 436, 440 - Befestigungsvorrichtung II). Diese Möglichkeit ist auch im vorliegenden Fall nicht von vornherein ausgeschlossen , weil das Berufungsgericht gerade wegen der Abkammerungen im Inneren des Gehäuses der angegriffenen Ausführungsform, also wegen einer zu gebrauchsmustergemäßen Merkmalen hinzutretenden besonderen Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform deren Erfindungsqualität bejaht hat.
Die danach erforderliche Prüfung geht im Falle abgewandelter, aber gleichwirkender Ausführungsformen dahin, ob für eine die angegriffene Ausführungsform erfassende allgemeinere Lehre festgestellt werden kann, daß sie vom Durchschnittsfachmann aufgrund von Überlegungen aufgefunden werden konnte, die sich an der in dem Schutzanspruch umschriebenen Erfindung orientieren. Diese Prüfung hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen. Auch der gerichtliche Sachverständige hat sich mit dieser Frage nicht befaßt.
3. Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben; die Sache ist vielmehr an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem zur Herbei-
führung einer einheitlichen Kostenentscheidung auch die Befugnis einzuräumen ist, über die das Revisionsverfahren betreffenden Kosten zu befinden. Das Berufungsgericht wird dabei Rechnung zu tragen haben, daß rechtskräftig entschieden ist, daß der Kläger hinsichtlich des erledigten Teils des Rechtsstreit (Unterlassungsklage) gemäß § 91 a ZPO die Kosten zu tragen hat. Die für eine eigene abschließende Sach- und Kostenentscheidung des Senats notwendige Entscheidungsreife kann nicht festgestellt werden, weil noch tatrichterliche, Kenntnisse und Fähigkeit des Durchschnittsfachmanns betreffende Feststellungen notwendig sein können.
Die Entscheidungsreife folgt insbesondere nicht aus einem Geständnis der Beklagten. Zu Unrecht rügt die Revision, das Berufungsgericht habe übersehen , daß die Beklagte im Sinne des § 288 ZPO zugestanden habe, die angegriffene Ausführungsform beruhe wegen ihrer abweichenden Merkmale nicht auf einem erfinderischen Schritt.
Ein Geständnis ist Zugestehen der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung des Gegners. Vorhandensein oder Fehlen eines erfinderischen Schrittes sind keine Tatsachen; denn sie können nur aufgrund einer komplexen Bewertung erkannt werden, die sich sowohl an rechtlichen als auch an tatsächlichen Maßstäben zu orientieren hat.
Deshalb geht auch der Vorwurf der Revision fehl, das Berufungsgericht habe eine etwaige Erfindungsqualität der angegriffenen Ausführungsform nicht berücksichtigen dürfen, weil dies in eindeutigem Widerspruch zu dem jahrelangen früheren Tatsachenvortrag der Beklagten stehe, ohne daß nachvollziehbare Gründe für die Ä nderung dieses Vortrags angegeben seien.

4. Bei der erneuten Verhandlung wird das Berufungsgericht sich nicht auf eine Befassung mit der Frage beschränken können, ob die Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 als abgewandelte Ausführungsform in den Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters fällt. Es wird vielmehr - vorrangig - auch noch einmal der Behauptung des Klägers nachzugehen haben, daß die angegriffene Ausführungsform den Anweisungen zu 2.1 (Schaumgummiabdichtung) und 2.2/3.5 (Schellenbefestigung an der Innenseite) ihrem vernünftig verstandenen Wortsinne nach genüge, was - ausgehend von den Feststellungen des Berufungsgerichts zu den sonstigen Merkmalen des Schutzanspruchs - bedeuten würde, daß die Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 insgesamt von der Lehre des Schutzanspruchs 1 wortlautgemäß Gebrauch macht. Denn die Auslegung des Schutzanspruchs durch das Berufungsgericht, die zur Verneinung einer wortsinngemäßen Benutzung der Merkmale 2.1 und 2.2/3.5 geführt hat, ist ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei.

a) Zur Begründung seiner Annahme, Merkmal 2.1 (Schaumgummiabdichtung ) sei bei der angegriffenen Ausführungsform nicht identisch verwirklicht , hat das Berufungsgericht wiederum nur auf das eingeholte Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen verwiesen. Ergänzend ist lediglich ausgeführt, es sei verständlich, wenn der Gerichtssachverständige Schlüsse daraus ziehe, daß die Gebrauchsmusterschrift in der Beschreibung auf S. 2 unten sowie S. 4 unten angebe, die beiden Gehäusehälften seien bzw. jede Gehäusehälfte sei "gefüllt"; das sei auch aus der Zeichnung, welche die Erfindung näher erläutere , zu entnehmen. Hieraus ergibt sich, daß nach Ansicht des Berufungsgerichts die Anweisung zu Merkmal 2.1 dahin geht, daß Schaumgummi oder Kunststoff-
schaumstoff das zweiteilige, rechteckige Gehäuse in Form von Körpern aus diesem Material ausfüllt. Das kann in dieser Form keinen Bestand haben.
Die Verständlichkeit eines Schlusses, den ein gerichtlicher Sachverständiger zieht, bietet für sich allein keine Gewähr dafür, daß das richtige Ergebnis gefunden worden ist. Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen außerdem nicht erkennen, daß die maßgeblichen Auslegungsgrundsätze beachtet worden sind.
Der Gegenstand eines Gebrauchsmusterschutzanspruchs wird durch den Anspruchswortlaut definiert (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 GebrMG). Er, nicht die Beschreibung oder die Zeichnungen, ist deshalb maßgeblich. Entscheidend ist, welche Lehre zum technischen Handeln der Durchschnittsfachmann den durch den Schutzanspruch in Worte gefaßten Anweisungen entnimmt. Dies verbietet eine einengende Auslegung von in den Schutzanspruch aufgenommenen allgemein gehaltenen Anweisungen jedenfalls dann, wenn ihre Befolgung trotz der allgemeinen Fassung geeignet ist, zu der Lösung des Problems beizutragen , das dem Schutzrecht zugrunde liegt. Die betreffende Anweisung hat dann eine ohne weiteres im Sinne des Schutzrechts liegende sinnvolle Bedeutung und bedarf nach Aufgabe und Lösung des Schutzrechts keiner Konkretisierung. Sofern die Beschreibung oder die Zeichnungen des Schutzrechts konkretisierte Gestaltungen beschreiben, kennzeichnen sie unter diesen Umständen lediglich bevorzugte Ausführungen der allgemeiner gefaßten Anweisung des Schutzanspruchs.
Ein solcher Fall kann auch hier gegeben sein, weil - worauf die Revision zu Recht hinweist - der Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters seinem
Wortlaut nach nur verlangt, daß beide Gehäuseteile innen mit einem Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff versehen sind, wodurch das Kabel umschlossen wird.
Der Merkmal 2.1 betreffende Wortlaut geht danach zunächst ganz allgemein dahin, die beiden Teile des Gehäuses der Vorrichtung innen mit einem Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff zu versehen. Einem Fachmann, der das Problem bewältigen will, das durch das Klagegebrauchsmuster gelöst werden soll, muß es nicht notwendig erscheinen, das gesamte Gehäuseinnere mit dem vorgeschlagenen Material zu füllen. Bei einer Kabeldurchführung vermittels gattungsgemäßer Vorrichtung ergeben sich verschiedene Stellen bzw. Bereiche, die einer Abdichtung bedürfen; das sind zum einen die Trennfuge zwischen den beiden Teilen der Vorrichtung (Teilungsfuge gemäß Merkmal 3.3), zum anderen die zwischen Kabel und Vorrichtung umlaufende Fuge und schließlich die Fuge, die bei stirnseitiger Anlage der Vorrichtung zwischen dieser und der Schrankwand entsteht. Bei der den Stand der Technik betreffenden Nachteilsschilderung in der Beschreibung (S. 2 2. Abs.) sind nur die beiden ersten als die Dichtigkeit beeinträchtigende Gegebenheiten erwähnt. Hieraus kann entnommen werden, daß die Fuge zwischen der Vorrichtung und der Schrankwand - ohne daß es einer Festlegung durch den Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters bedürfte - anderweit zuverlässig abgedichtet werden kann. Bestätigt wird dies durch die Beschreibung des Ausführungsbeispiels und die Fig. 2. Danach kann diese Abdichtung beispielsweise durch ein umlaufendes Profilgummi erfolgen (S. 6 2. Abs.). Aber auch bezüglich der Teilungsfuge (Merkmal 3.3) erwähnt die Beschreibung einen Dichtring als Abdichtung (S. 6 1. Abs.). Dies läßt es entbehrlich erscheinen , im Inneren Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff zu ha-
ben, welche diese Fuge über ihre gesamte Länge abdecken. Lediglich für den umlaufenden Spalt zwischen dem Kabel und den Gehäusehälften der Vorrichtung gilt etwas anderes. Insoweit ist eine andere Abdichtungsmöglichkeit nicht erwähnt. Hier muß sich deshalb der jeweilige Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff bewähren. Hierzu muß das Kabel von dem Schaumstoffmaterial umschlossen sein, wie es im Schutzanspruch 1 auch ausdrücklich und die im übrigen allgemeine Anweisung konkretisierend heißt. Im Lichte der den Schutzanspruch 1 erläuternden Beschreibung kann damit in dieser Notwendigkeit das die Lösung gemäß Merkmal 2.1 Kennzeichnende liegen. Dies wird bestätigt durch Seite 2 letzter Abs. der Beschreibung, weil es dort heißt, dadurch, daß das Kabel umschlossen werde, werde es sicher abgedichtet. Angesichts der in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters angegebenen Möglichkeiten, Trennfuge und Fuge zwischen Vorrichtung und Schrankwand undurchlässig zu machen, ist hiermit dann auch die eigentliche Abdichtung des Lochs in der Schrankwand beschrieben, wie auf S. 6 1. Abs. der Beschreibung erwähnt ist. Mithin legt das Klagegebrauchsmuster dem Fachmann nahe, Merkmal 2.1 lediglich die Anweisung zu entnehmen, in beiden Teilen des Gehäuses einen das Kabel umschließenden Körper aus Schaumgummi bzw. Kunststoffschaumstoff vorzusehen.
Dies hat das Berufungsgericht unbeachtet gelassen, weil es - wiederum - kritiklos die Ansicht des gerichtlichen Sachverständigen übernommen hat. Befaßt sich ein gerichtlicher Sachverständiger mit der Auslegung des Wortlauts eines Schutzanspruchs, gehört zu der vom Tatrichter vorzunehmenden Würdigung vor allem auch die Überprüfung, ob dabei den Auslegungsregeln genügt ist. Diese Prüfung hätte hier ergeben, daß der gerichtliche Sachverständige bei seiner Bewertung des Schutzanspruchs 1 den Vorrang der An-
spruchsfassung vor der Beschreibung und den Zeichnungen mißachtet hat. Überdies fehlt selbst in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters jeglicher Hinweis für die Richtigkeit der die abschließende Meinung des gerichtlichen Sachverständigen prägenden Ansicht, erfindungsgemäß sorge das Zusammenpressen der beiden Gehäuseschalen dafür, daß das darin angeordnete gummielastische Dichtungsmaterial aus der kabelaustrittsseitigen Öffnung teilweise herausgepreßt und gegen den Randbereich des Lochs der Schrankwand abdichtend gedrückt werde. Ein solcher Vorgang ist im Klagegebrauchsmuster weder beschrieben noch gezeigt. Dafür, daß er nach dem fachmännischen Verständnis erfindungswesentlich sei, fehlt damit jeder Beleg.

b) Auch der Verneinung einer wortsinngemäßen Verwirklichung der Merkmale 2.2/3.5 (Schellenbefestigung an der Innenseite) liegt keine Auslegung des Schutzanspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters zugrunde, wie sie nach dem Vorgesagten im Verletzungsrechtsstreit erforderlich ist. Der Senat hat bereits im ersten Urteil beanstandet, daß das Berufungsgericht nicht auf den Vortrag des Klägers eingegangen sei, die Schellen seien bei der angegriffenen Ausführungsform in Ausnehmungen einer Gehäusehälfte so angeordnet , daß sie beim Schließen der Gehäusehälften in den Ausnehmungen und damit an der Innenseite einer Gehäusehälfte befestigt seien. Dies habe eine Darlegung erfordert, warum nach dem Verständnis des Durchschnittsfachmanns eine in drei Ebenen unbewegliche Anbringung erforderlich sei und warum der Durchschnittsfachmann aufgrund des Schutzanspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters in Verbindung mit der Beschreibung des Schutzrechts eine formschlüssige Verbindung, die eine Zugentlastung des Kabels in axialer Richtung bewirke, nicht für ausreichend erachte. Auf diese Darlegung habe nicht verzichtet werden können, weil gegen das Verständnis des Berufungsge-
richts die Zielsetzung des Klagegebrauchsmusters spreche, auch eine Zugentlastung des Kabels zu erreichen (S. 2 Abs. 2 u. 3, insbes. S. 3 Abs. 2 der Beschreibung). Zwar seien in den Ausführungsbeispielen nach Fig. 1 des Klagegebrauchsmusters die Schellen in allen drei Ebenen unbeweglich, weil sie mit Schrauben befestigt seien (S. 5 Abs. 2 der Beschreibung). Auf eine solche Befestigung stelle aber der Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters nicht ab; ausweislich S. 3 Abs. 2 der Beschreibung genüge es, eine Schelle vorzusehen, mit der das Kabel befestigt werde. Hierzu sei eine unbewegliche Befestigung in drei Ebenen nicht ohne weiteres erforderlich. Bei vernachlässigbarem Spiel des Kabels in der dritten Ebene, wie es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der angegriffenen Ausführungsform gegeben sei, könne eine Sicherung des Kabels in zwei Richtungsebenen genügen.
Diesen Beanstandungen trägt das angefochtene Urteil nicht Rechnung. Wiederum ist nur ein Schluß des gerichtlichen Sachverständigen als verständlich bezeichnet. Er ist allein daraus gezogen worden, daß nach der Beschreibung S. 5 oben die jeweilige Schelle an dem Steg der Gehäusehälfte mit Schrauben befestigt sei, während bei der angegriffenen Ausführungsform ein das Kabel umgreifende Schellenpaar in ein eigenes Fach allein formschlüssig eingelegt sei. Das ist keine Befassung mit den vom Senat genannten Gesichtspunkten. Vor allem die Erläuterung des Schutzanspruchs 1 auf S. 3 Abs. 2 der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters haben der gerichtliche Sachverständige und demgemäß auch das Berufungsgericht vernachlässigt. Hierdurch ist dem Fachmann nahegelegt, daß nach Schutzanspruch 1 jede Befestigung einer Kabelschelle an der Innenseite des Gehäuses ausreicht, die bei in der Schelle eingeklemmtem Kabel verhindert, daß der Stecker in dem Schaltschrank herausgezogen wird, wenn Zug auf das Kabel wirkt.

5. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, daß der Fachmann, der sich mit der Lehre des Klagegebrauchsmusters beschäftigt, keine sich etwa aus seinem allgemeinen Fachwissen ergebende Hinderungsgründe sieht, die Merkmale 2.1 und 2.2/3.5 in der wie vorstehend ausgeführt durch das Schutzrecht nahegelegten Weise zu verstehen, und sollte der nochmalige Vergleich der angegriffenen Ausführungsform mit der Lehre des Gebrauchsmusters ergeben, daß eine wortsinngemäße Benutzung vorliegt, kann es aus Rechtsgründen nicht auf die Frage ankommen, ob der angegriffenen Ausführungsform eine erfinderische Leistung zugrunde liegt. Diese Frage ist allein von Bedeutung, wenn eine angegriffene Ausführungsform in mindestens einer Hinsicht von den Anweisungen des sinnvoll verstandenen Wortlauts des Schutzanspruchs abweicht und deshalb zu klären ist, ob sie gleichwohl vom Ausschließlichkeitsschutz umfaßt ist.
Sollte das Berufungsgericht hingegen wiederum zu dem Ergebnis gelangen , daß die Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 lediglich als abgewandelte Ausführungsform zum Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters gehören kann, wird es für den Fall, daß die Prüfung, die nach den zu 2. gemachten Ausführungen nachzuholen ist, eine Einbeziehung der angegriffenen Ausführungsform in den Schutzbereich ergibt, dem sogenannten FormsteinEinwand nach Maßgabe der Ausführungen des Senats in dem ersten Revisionsurteil nachzugehen haben.
Rogge Jestaedt Scharen

Mühlens Meier-Beck

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Das Recht auf das Patent hat der Erfinder oder sein Rechtsnachfolger. Haben mehrere gemeinsam eine Erfindung gemacht, so steht ihnen das Recht auf das Patent gemeinschaftlich zu. Haben mehrere die Erfindung unabhängig voneinander gemacht, so steht das Recht dem zu, der die Erfindung zuerst beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 126/01 Verkündet am:
30. März 2005
Groß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Blasfolienherstellung
Streiten die Parteien darüber, ob und mit welchen Mitteln oder mit welcher räumlichkörperlichen
Ausgestaltung die im Patentverletzungsprozeß angegriffene Ausführungsform
Merkmale des Patentanspruchs verwirklicht, so hat das Gericht darauf
hinzuwirken, daß die Mittel, aus denen sich nach dem Klagevorbringen die Benutzung
des Patentanspruchs ergeben soll, im Klageantrag so konkret bezeichnet werden
, daß eine dem Klageantrag entsprechende Urteilsformel die Grundlage für die
Zwangsvollstreckung bilden kann. Die Wiedergabe des Wortlauts des Patentanspruchs
reicht insoweit auch dann nicht aus, wenn der Kläger eine wortsinngemäße
Verletzung geltend macht.
BGH, Urt. v. 30. März 2005 - X ZR 126/01 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. März 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. MeierBeck
und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision und die Anschlußrevision wird das am 10. Mai 2001 verkündete Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision und der Anschlußrevision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung der Rechte aus dem deutschen Anteil des europäischen Patents 0 478 641 (Klagepatents I)
und aus dem parallelen deutschen Patent 40 01 287 (Klagepatent II) auf Auskunft , Rechnungslegung sowie Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht in Anspruch. Die Klägerin ist Inhaberin ausschließlicher Lizenzen an beiden Klagepatenten. Der Patentinhaber hat der Klägerin alle Ansprüche wegen Verletzung seines deutschen Anteils an dem Klagepatent I und wegen Verletzung des Klagepatents II abgetreten.
Das Klagepatent I ist am 19. Juni 1990 angemeldet worden unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 39 20 194 vom 21. Juni 1989 und der Anmeldung des Klagepatents II vom 18. Januar 1990. Am 25. August 1993 wurde die Erteilung des Klagepatents I und am 21. Mai 1992 wurde die Erteilung des Klagepatents II veröffentlicht.
Patentansprüche 8, 9 und 12 des Klagepatents I lauten in der Verfahrenssprache Deutsch:
8. Verfahren zur Herstellung von Blasfolien in einer Folienblasanlage mit einem die Folienblase (110) umgebenden, einen ringförmigen Austrittsspalt (118) für Kühlluft aufweisenden Kühlring (116), bei dem zur Korrektur des Dickenprofils der Folienblase der Kühlluft-Durchsatz in den einzelnen Umfangsbereichen des Kühlrings (116) gesteuert wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß ma n zur gesteuerten Verringerung der Kühlluftströmung an der Folienblase (110) an in Umfangsrichtung des Kühlrings verteilten Positionen jeweils einen Teil (B) der Kühlluft abzweigt, indem man die Luft mittels einstellbarer Leitkörper oder Leitschaufeln
(128; 144; 156; 228) umlenkt, und daß man den GesamtStrömungswiderstand für die abgezweigte Kühlluft in dem betreffenden Umfangssegment unabhängig von der Position der Leitschaufeln konstant hält.
9. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 8, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß de r Kühlring (116) radial außerhalb des Austrittsspaltes (118) einen Kranz von Austrittsöffnungen (126) aufweist und daß einstellbare Leitkörper oder Leitschaufeln (128; 144; 228) derart in der Kühlluftströmung (A) im Inneren des Kühlrings (116) angeordnet sind, daß sie einen Teil (B) des Kühlluftstromes an die Austrittsöffnungen (126) umlenken und bei ihrer Verstellung die Durchschnittsquerschnitte zu den Austrittsöffnungen und zum Austrittsspalt so verändern, daß der GesamtStrömungswiderstand im wesentlichen gleich bleibt.
12. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 8, g e k e n n z e i c h n e t d u r c h in der Kühlluf tströmung oder stromabwärts des Austrittsspaltes (118) angeordnete Leitschaufeln (156), deren Radialposition und/oder Anstellwinkel steuerbar ist.
Figur 5 zeigt einen radialen Teilschnitt durch einen Kühlring einer Folienblasanlage nach dem Klagepatent I.

Bei diesem Ausführungsbeispiel kann die Öffnung (126) über den Leitkörper (die Leitschaufel) (128) verkleinert bzw. verschlossen werden. Damit wird der zur Kühlung über die Öffnung (118) zur Verfügung stehende Luftstrom beeinflußt.
Patentanspruch 10 des Klagepatents II lautet:
10. Vorrichtung zur Korrektur des Dickenprofils bei der Herstellung von Blasfolien in einer Folienblasanlage mit einem die Folienblase (10) umgebenden, einen ringförmigen Austrittsspalt für Kühlluft aufweisenden Kühlring (16) und mit am Umfang der Folienblase stromabwärts des Austrittsspaltes des Kühlrings angeordneten, einzeln steuerbaren Stellorganen (56) zur Beeinflussung der Kühlluftströmung, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß di e Stellorgane als Leitschaufeln (56) ausgebildet sind, die so in der Kühlluftströmung angeordnet sind, daß sie abhängig von ihrer Radialposition und/oder ihres Anstellwinkels einen mehr oder weniger großen Teil der Kühlluftströmung zu der von der Folienblase (10) abgewandten Seite ablenken, und deren Radialposition und/oder Anstellwinkel steuerbar ist.
Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, bietet an und vertreibt unter der Bezeichnung "S. L. " bzw. "S. L. M" Vorrichtungen zur Korrektur des Dickenprofils bei der Herstellung von Blasfolien in einer Blasfolienanlage. Diese sind wie folgt ausgestaltet:

Bei diesen Vorrichtungen strömt die Kühlluft, wie aus der vorstehenden Abbildung ersichtlich, durch die Kammer (120) in den Bereich des Austrittsspalts (118). Dort ist eine Lippe (128/156) angeordnet, die verschwenkt werden kann. Bei einer Stellung dieser Lippe wird Kühlluft in der Weise abgezweigt, daß sie zur Austrittsöffnung (126) gelangt und dann nicht oder in geringerem Maße als bei vollständigem Schließen des Schlauchs zur Öffnung (126) als Kühlluft auf die Folie auftrifft.
In erster Instanz hat die Klägerin ihre auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz und Entschädigung gerichtete Klage darauf gestützt, daß die Beklagten den Verfahrensanspruch 8 des Klagepatents I durch Anbieten des geschützten Verfahrens verwirklichten und den Vorrichtungsanspruch 12 des Klagepatents I durch die von ihnen angebotenen und in den Verkehr gebrachten Vorrichtungen.
Das Landgericht hat die Beklagten wegen Verletzung des Patentanspruchs 12 des Klagepatents I verurteilt; die auf Verletzung des Patentanspruchs 8 gestützte Klage hat das Landgericht abgewiesen.
Die Beklagten haben gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Im Wege der Anschlußberufung hat die Klägerin die Beklagten weiterhin wegen Verletzung des Patentanspruchs 12 des Klagepatents I und zusätzlich wegen mittelbarer Patentverletzung des Verfahrensanspruchs 8 des Klagepatents I, wegen Verletzung des Patentanspruchs 9 des Klagepatents I sowie wegen Verletzung des Patentanspruchs 1 und des Patentanspruchs 10 des Klagepatents II in Anspruch genommen, wobei die Parteien die auf das Klagepatent II gestützten Unterlassungsansprüche in der Berufungsinstanz für erledigt erklärt haben.
Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung der weitergehenden Anschlußberufung der Klägerin die Beklagten wegen mittelbarer Patentverletzung des Verfahrensanspruchs 8 des Klagepatents I sowie wegen Verletzung des Patentanspruchs 9 des Klagepatents I und des Patentanspruchs 1 des Klagepatents II verurteilt. Soweit die Klage auch auf die Verletzung von Patentanspruch 12 des Klagepatents I gestützt worden war, hat das Berufungsgericht sie abgewiesen.
Mit der Revision wollen die Beklagten die Aufhebung des Berufungsurteils erreichen, soweit sie wegen Verletzung des Klagepatents I zu Unterlassung und Rechnungslegung verurteilt worden sind und ihre Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz und Entschädigung festgestellt worden ist. Sie streben insoweit die Abweisung der Klage an.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen. Mit ihrer Anschlußrevision verfolgt sie gestützt auf Patentanspruch 12 des Klagepatents I ihre Ansprüche auf Unterlassung und Rechnungslegung weiter und strebt die Feststellung an, daß die Beklagten auch insoweit zu Schadensersatz und Entschädigung verpflichtet sind. Weiterhin macht sie gestützt auf Patentanspruch 10 des Klagepatents II ebenfalls Ansprüche auf Rechnungslegung, Schadensersatz und Entschädigung geltend.
Die Beklagten treten der Anschlußrevision entgegen.

Entscheidungsgründe:


Revision und Anschlußrevision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision und der Anschlußrevision. Das Berufungsgericht hat nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die Beklagten das Klagepatent I verletzen. Dies führt dazu, daß auch die mit der Anschlußrevision angegriffenen Feststellungen im Ergebnis keinen Bestand haben.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagten verletzten mit den angegriffenen Vorrichtungen mittelbar den Verfahrensanspruch 8 des Klagepatents I. Die konkreten Mittel der angegriffenen Ausführungsform hat das Berufungsgericht im Tenor seines Urteils nicht bezeichnet. Damit umfaßt der Tenor zur mittelbaren Patentverletzung Vorrichtungen zur Ausführung des Ver-
fahrens nach Anspruch 8, für den das Klagepatent I mit den Unteransprüchen 9 und 12 zwei verschiedene, auf Anspruch 8 rückbezogene Vorrichtungen schützt. Das Berufungsgericht hält jedoch Anspruch 9 für wortsinngemäß verwirklicht , nicht aber Anspruch 12. Das Berufungsgericht hat weiter angenommen , die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten die technischen Lehren des Patentanspruchs 9 des Klagepatents I und des Patentanspruchs 1 des Klagepatents II.
Die Revision rügt, es fehle, soweit eine Verurteilung erfolgt sei, dem Klageantrag und dem diesem entsprechenden Urteilstenor an der erforderlichen Bestimmtheit, weil der Verletzungsgegenstand lediglich mit den Verfahrensmerkmalen von Patentanspruch 8 umschrieben werde. Klageantrag und Urteilstenor seien nicht der angegriffenen konkreten Ausführungsform angepaßt, so daß die Frage der Patentverletzung in das Vollstreckungsverfahren verschoben werde. Der Urteilstenor umfasse in seiner Allgemeinheit auch Ausführungsformen nach Anspruch 12, die nach der Entscheidung des Berufungsgerichts die Klagepatente nicht verletzten, und weitere Ausführungsformen, die nicht in den Schutzbereich der Klagepatente fielen.
Entgegen der Auffassung der Revision ist die Klage nicht unzulässig. Dem Klageantrag, der die Patentansprüche des Klagepatents wiedergibt und darauf gerichtet ist, Verletzungen des so angegebenen Gegenstands des Klagepatents zu unterlassen und, soweit sie eingetreten sind, Schadensersatz oder Entschädigung zu leisten, mangelt es nicht an Bestimmtheit. Das Klagebegehren ergibt sich daraus hinreichend deutlich. Gegenstand des Verletzungsprozesses ist jedoch die Frage, ob die angegriffene Ausführungsform in ihrer konkreten Ausgestaltung von der technischen Lehre des Klagepatents
Gebrauch macht. Ein Klageantrag, der der konkreten Ausführungsform nicht Rechnung trägt, geht daher allenfalls inhaltlich insofern zu weit, als er nicht nur die konkrete Verletzungsform erfaßt. Die Klage bleibt indes auch mit einem solchen zu weitgehenden Antrag zulässig. Das Gericht hat jedoch nach § 139 Abs. 1 ZPO auf eine sachgerechte Fassung des Klageantrags, die die konkrete Verletzungsform umschreibt, hinzuwirken (Sen. BGHZ 98, 12, 23 - Formstein).
2. Die Lehre des Klagepatents I betrifft mit den Patentansprüchen 8, 9 und 12, über deren Verletzung die Parteien streiten, Verfahren und Vorrichtungen zur Blasfolienherstellung. Bei der Blasfolienherstellung wird eine schlauchförmige Folienblase aus einem Extrusionswerkzeug mit einem ringförmigen Austrittsspalt extrudiert. In der sich anschließenden Kühlzone wird die Folienblase verstreckt und durch Anblasen mit Kühlluft von innen und/oder außen gekühlt, bis das Folienmaterial erstarrt. Die Klagepatentschrift I schildert eingangs herkömmliche Verfahren zur Blasfolienherstellung und beanstandet daran , daß es zu relativ großen Dickeabweichungen der Folien komme, die bis zu 20 % betragen könnten. Die bekannten Vorrichtungen und Werkzeuge, mit denen die Foliendicke dadurch gesteuert werde, daß die Flußgeschwindigkeit der Schmelze innerhalb des Werkzeugs durch gezielte Heizung oder Kühlung des Werkzeugs in bestimmten Umfangsbereichen verändert werde, seien sehr aufwendig. Außerdem sei das Regelsystem zur Korrektur der Foliendicke relativ träge, da bei der Heizung und Kühlung der Werkzeugbereiche große Verzögerungszeiten aufträten.
Ziel der Erfindung nach dem Klagepatent I ist es, Verfahren und Vorrichtung zur Verfügung zu stellen, die es ermöglichen, die Kühlluftströmung derart zu steuern, daß eine unabhängige feinfühlige und schnelle Änderung der Kühl-
wirkung in den einzelnen Umfangsbereichen der Folienblase ermöglicht wird und extreme örtliche Schwankungen der Kühlwirkung vermieden werden (Klagepatentschrift I S. 2 Z. 56-58).
Das Berufungsgericht hat die folgenden Merkmalsgliederungen der Patentansprüche 8, 9 und 12 zugrunde gelegt:
Patentanspruch 8:
Verfahren zur Herstellung von Blasfolien in einer Folienblasanlage
1. mit einem die Folienblase (110) umgebenden, einen ringförmigen Austrittsspalt (118) für Kühlluft aufweisenden Kühlring (116),
2. bei dem zur Korrektur des Dickenprofils der Folienblase der Kühlluft-Durchsatz in den einzelnen Umfangsbereichen des Kühlrings (116) gesteuert wird,
3. bei dem man zur gesteuerten Verringerung der Kühlluftströmung an der Folienblase (110) an in Umfangsrichtung des Kühlrings verteilten Positionen jeweils einen Teil (B) der Kühlluft abzweigt, indem man die Luft mittels einstellbarer Leitkörper oder Leitschaufeln (128; 144; 156; 228) umlenkt und
4. bei dem man den Gesamt-Strömungswiderstand für die abgezweigte und die nicht abgezweigte Kühlluft in dem betreffenden
Umfangssegment unabhängig von der Position der Leitschaufeln konstant hält.
Patentanspruch 9:
1. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 8,
2. bei der der Kühlring (116) radial außerhalb des Austrittsspaltes (118) einen Kranz von Austrittsöffnungen (126) aufweist und
3. bei der einstellbare Leitkörper oder Leitschaufeln (128; 144; 228) derart in der Kühlluftströmung (A) im Inneren des Kühlrings (116) angeordnet sind,
4. daß sie einen Teil (B) des Kühlluftstromes an die Austrittsöffnungen (126) umlenken und
5. bei ihrer Verstellung die Durchschnittsquerschnitte zu den Austrittsöffnungen und zum Austrittsspalt so verändern, daß der Gesamt-Strömungswiderstand im wesentlichen gleich bleibt.
Patentanspruch 12:
1. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 8,
2. bei der Leitschaufeln (156) in der Kühlluftströmung an oder stromabwärts des Austrittsspaltes (118) angeordnet sind und
3. bei der die Radialposition und/oder der Anstellwinkel der Leitschaufeln (156) steuerbar ist.
Das Berufungsgericht hat der Klagepatentschrift I Seite 3 Zeilen 2/3 entnommen , daß es Grundgedanke der Erfindung ist, wenigstens einen in einzelne Umfangssegmente unterteilten Kühlring vorzusehen. Nach dem Verständnis des Durchschnittsfachmanns sei mit diesem Grundgedanken der Erfindung die Funktion angesprochen, die Kühlströmungen in den einzelnen Umfangsbereichen oder -segmenten unabhängig voneinander zu steuern oder zu regeln. Die Kühlluftdurchsätze in den einzelnen Segmenten sollten sich danach nicht gegenseitig beeinflussen, und über den Umfang des Kühlrings sollten keine sprunghafte Änderungen der Kühlwirkung auftreten. Zu Merkmal 4 des Patentanspruchs 8 und Merkmal 5 des Patentanspruchs 9 hat das Berufungsgericht ausgeführt, es solle danach der Gesamtströmungswiderstand für die abgezweigte und die nicht abgezweigte Kühlluft "konstant gehalten" werden bzw. im wesentlichen gleich bleiben; dies bedeute, daß bei bestimmungsgemäßem Gebrauch der Gesamtströmungswiderstand für die abgezweigte und die nicht abgezweigte Kühlluft unabhängig von der Position der Leitschaufeln konstant gehalten werden solle. Dem Durchschnittsfachmann sei dabei klar, daß jegliche Bewegung der Leitkörper oder Leitschaufeln in dem Kühlluftstrom zwangsläufig zu einer gewissen Veränderung des Strömungswiderstandes führen müsse.
Da bei der angegriffenen Ausführungsform die Lippe 128/156 im Sinne von Patentanspruch 9 des Klagepatents I im Inneren des Kühlrings angeordnet sei, den Luftstrom aber lediglich teile und nicht den Gesamtquerschnitt des
Luftzuführkanals verändere, bleibe der Gesamtströmungswiderstand im wesentlichen konstant.
Die Revision nimmt die Auslegung der Merkmale 4 des Patentanspruchs 8 und 5 des Patentanspruchs 9 durch das Berufungsgericht hin, meint aber, fehlerhaft sei die Annahme des Berufungsgerichts, auch bei den Kühlringen der Beklagten werde der Gesamtströmungswiderstand bei Verstellen der Leitkörper noch im wesentlichen konstant gehalten. Das Berufungsgericht habe zunächst nicht geklärt, bis zu welchen Abweichungen und Schwankungen der Druckverhältnisse bei Verstellung der Leitschaufeln der Gesamtströmungswiderstand noch als im wesentlichen konstant oder gleichbleibend anzusehen sei. Die Beklagten hätten unter Beweis gestellt, daß die Länge des Abluftkanals in Verbindung mit dem relativ geringen Durchmesser bei der angegriffenen Ausführungsform gerade zu einer Erhöhung des Gesamtströmungswiderstands führe. Dies hätten auch die von den Beklagten durchgeführten Messungen bestätigt. Sie hätten ergeben, daß der Gesamtströmungswiderstand nicht im wesentlichen konstant geblieben sei; je mehr Luft über den Abluftkanal abgeführt werde, um so höher sei der Gesamtströmungswiderstand in dem betrachteten Segment.
Die Angriffe der Revision sind begründet. Angesichts des rechtsfehlerfreien Verständnisses des Merkmals 4 bedurfte es zwar nicht, wie die Revision meint, zusätzlich einer ausdrücklichen Klärung, bis zu welchen Abweichungen und Schwankungen der Druckverhältnisse bei Verstellen der Leitschaufeln der Gesamtströmungswiderstand noch als im wesentlichen konstant anzusehen ist. Erforderlich war aber die Feststellung, daß auch bei den angegriffenen Ausführungsformen der Gesamtströmungswiderstand im vorbezeichneten Sinne im
wesentlichen gleich gehalten wird, so daß die aufgezeigten Nachteile vermieden werden. Dem genügen die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht. Das Berufungsgericht ist im Ansatz davon ausgegangen, daß die Lehre des Patentanspruchs 9 des Klagepatents I eine Vorrichtung zuläßt, bei der die Leitkörper oder Leitschaufeln im Inneren des Kühlrings angeordnet sind. Soweit sich allein dadurch der Gesamtströmungswiderstand erhöhe, genüge dies dem, was das Klagepatent unter dem im wesentlichen Konstanthalten verstehe. Das Berufungsgericht geht sodann aber davon aus, daß jegliche Bewegung der Leitkörper oder Leitschaufeln in dem Kühlluftstrom zwangsläufig zu einer gewissen Erhöhung des Strömungswiderstands führt. Es fährt fort, angesichts des Umstands, daß das Verhältnis des Durchmessers des Abluftkanals zu seiner Länge etwa 1:10 betrage, komme es entgegen dem Vorbringen der Beklagten auch dann nicht zu einer nennenswerten Erhöhung des Strömungswiderstands und zu nennenswerten Druckerhöhungen in den benachbarten Umfangssegmenten , wenn sich die Lippe 128/156 in einer Stellung befinde, bei welcher ein überwiegender Anteil der Strömung abgeführt und nur ein geringerer Anteil durch den Austrittsspalt geführt werde. Wie es zu dieser Folgerung gelangt ist, hat das Berufungsgericht nicht näher dargelegt. Seine Ausführungen lassen nicht erkennen, daß es insofern selbst über besondere Sachkunde verfügt. Das wäre indessen erforderlich gewesen. Nach der Rechtsprechung des Senats kann zwar ein in Patentsachen erfahrenes Gericht technische Fragen gegebenenfalls auch ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen beurteilen, soweit es den erforderlichen Sachverstand besitzt; dieser muß jedoch, soweit er sich - wie hier - nicht schon aus der Sache selbst ergibt, dargelegt werden. Der Revision ist deshalb darin zuzustimmen, daß das Berufungsgericht insbesondere angesichts der von den Beklagten durchgeführten Messungen, die anderes ergeben hatten, nicht ohne Darlegung eigener Sachkunde diesen unter Beweis
gestellten Vortrag abtun konnte. Daß es diese besitzt, hat das Berufungsgericht auch nicht durch seine Begründung erkennen lassen.
3. Auch die Anschlußrevision ist begründet. Mit ihr macht die Klägerin geltend, das Berufungsgericht habe zu Unrecht festgestellt, daß sich die Leitschaufeln der angegriffenen Ausführungsform, die Lippen 128/156, im Inneren des Kühlrings befänden und daher Merkmal 2 des Patentanspruchs 12 nicht benutzt werde. Entsprechendes gelte für Patentanspruch 10 des Klagepatents II. Das Berufungsgericht hat dazu festgestellt, da bei der angegriffenen Ausführungsform die Lippe 128/156, die nicht im Sinne des Patentanspruchs 12 des Klagepatents I "an oder stromabwärts des Austrittsspalts", sondern im Sinne des Patentanspruchs 9 des Klagepatents I im Inneren des Kühlrings angeordnet sei, den Luftstrom lediglich teile, den Gesamtquerschnitt des Luftzuführkanals aber nicht verändere, bleibe auch der Gesamtströmungswiderstand im wesentlichen konstant.
Da diese Feststellung des Berufungsgerichts keinen Bestand hat, das Berufungsgericht hierzu vielmehr erneut Feststellungen zu treffen haben wird, wird es sich bei der Beantwortung dieser Frage auch erneut damit befassen müssen, was die zu treffenden Feststellungen für die Anordnung der Leitschaufeln und deren Wirkung zur Folge haben. Eine isolierte Betrachtung nur der Aussage der Klagepatente über die Anordnung der Leitschaufeln ist so lange nicht möglich, wie die Strömungsverhältnisse der abgezweigten und nicht abgezweigten Kühlluft nicht geklärt sind.
4. Das Berufungsgericht wird daher zunächst auf Anträge hinzuwirken haben, die die Verletzungsform bezeichnen. Die bloße Wiedergabe der Pa-
tentansprüche genügt dazu nicht, sie gibt für die Verletzungsform, über die die Parteien streiten, nichts her. Die Parteien streiten, wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist, über die Frage, welche Bedeutung der Vorgabe zukommt, den Gesamtströmungswiderstand für die abgezweigte und die nicht abgezweigte Kühlluft in dem betreffenden Umfangssegment unabhängig von der Position der Leitschaufeln konstant zu halten, und ob und mit welchen Mitteln dies bei der angegriffenen Ausführung erreicht wird. Die Angabe dieses Merkmals und der Mittel, mit denen dieses bei der Verletzungsform verwirklicht wird, ist daher in den Klageanträgen und im Tenor so konkret zu fassen, daß sie die Grundlage für die Zwangsvollstreckung bilden können (vgl. Sen. BGHZ aaO - Formstein; Sen.Urt. v. 24.09.1991 - X ZR 37/90, GRUR 1992, 40, 41 - Beheizbarer Atemluftschlauch; Busse, PatG, 6. Aufl., § 143 Rdn. 159; MeierBeck , GRUR 1998, 276).
Das Berufungsgericht wird sodann Feststellungen dazu zu treffen haben , ob bei der angegriffenen Ausführungsform der Gesamtströmungswiderstand für die abgezweigte und die nicht abgezweigte Kühlluft in dem betreffenden Umfangssegment unabhängig von der Position der Leitschaufeln konstant gehalten wird. Gegebenenfalls wird es weiter die von der Anschlußrevision aufgeworfenen Fragen zu beantworten haben.
Schließlich wird es im Falle einer danach auszusprechenden Verurteilung die Entscheidung des Senats vom 3. Juni 2004 (X ZR 82/03, GRUR 2004, 845 – Drehzahlermittlung) zu berücksichtigen haben.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Kirchhoff

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 176/99 Verkündet am:
7. März 2001
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Kabeldurchführung II
Der Tatrichter darf die Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens nicht
ohne weiteres übernehmen. Sachverständige Ä ußerungen sind vom Tatrichter
eigenverantwortlich daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie Angaben
enthalten, die Aufklärung im Hinblick auf entscheidungserhebliche und allein
von dem erkennenden Gericht zu beantwortende Fragen zu bieten vermögen.
Das Urteil muß erkennen lassen, daß dies geschehen ist.
BGH, Urteil vom 07.03.2001 - X ZR 176/99 - OLG München
LG München I
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter
Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter Dr. MeierBeck

für Recht erkannt:
Unter Zurückweisung der Revision des Klägers im übrigen wird das am 22. Juli 1999 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben, soweit es die auf Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten gerichteten Klageanträge unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts München I vom 18. Dezember 1992 abgewiesen und insoweit die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger war bis zu dessen Ablauf eingetragener Inhaber des Gebrauchsmusters 89 13 829.5 (Klagegebrauchsmusters), das auf eine Anmeldung vom 23. November 1989 zurückgeht. Die Beklagte hat das Löschungsverfahren betrieben. Das Klagegebrauchsmuster ist teilweise gelöscht worden; Schutzanspruch 1 ist in folgender Fassung aufrechterhalten worden:
"Vorrichtung zum Abdichten eines in einer Schrankwand eines Schaltschranks angebrachten Lochs zur Durchführung eines Kabels in den Schaltschrank mit zwei an der Außenseite der Schrankwand an gegenüberliegenden Seiten des Lochs angeordneten Teilen, wobei jedes der beiden Teile innen mit einem Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff versehen ist, welche das Kabel umschließen, wobei an einem der beiden Teile wenigstens eine Schelle zur Befestigung des Kabels befestigt ist und die beiden Teile durch Schrauben miteinander verbunden sind, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die beiden Teile durch die beiden Teile eines zweiteiligen rechteckigen Gehäuses (1) gebildet sind, welches an seiner von der Schrankwand (6) abgewandten Seite (8) wenigstens eine Öffnung (9-11) und an seiner der Schrankwand (6) zugewandte Seite eine Öffnung (4) um das Loch in der Schrankwand zur Durchführung des Kabels (7) aufweist, daß die Teilungsfuge (12), die das Gehäuse (1) der Länge nach teilt, durch die Kabelöffnungen (9-11) an der von der Schaltschrankwand (6) abgewandten Seite (8) des
Gehäuses (1) hindurchgeht, daß die Schelle (18-20) zur Kabelbefestigung an der Innenseite eines der beiden Gehäuseteile (3) befestigt ist, daß die Schrauben (22, 23), die in hülsenförmigen Vorsprüngen (27, 28) an der Innenseite eines Gehäuseteils (3) vorgesehene Gewinde eingreifen, das Gehäuse (1) zusammenhalten und das von den Schrauben (22, 23) zusammengehaltene Gehäuse (1) an der Schrankwand (6) befestigbar ist."
Ein weiteres, von einem Dritten betriebenes Gebrauchsmusterlöschungsverfahren ist wegen Ablaufs des Klagegebrauchsmusters in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden.
Die Beklagte stellte her und vertrieb vor Ablauf des Klagegebrauchsmusters eine Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 in Form eines eckigen Gehäuses , in das in jeweils eigene Kammern Schaumstoffmanschetten zur Einlage der Kabel und Zugentlastungsschellen eingefügt sind. Der Kläger sieht hierdurch sein Klagegebrauchsmuster verletzt.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt und - jeweils im wesentlichen wie beantragt - auf Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung erkannt.
Das mit der Berufung angerufene Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der Senat dieses Berufungsurteil aufgehoben (Urt. v. 04.02.1997, BGHZ 134, 353 - Kabeldurchführung). Das Berufungsgericht, an das die Sache zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen worden ist, hat ein Sachverständigengutachten
eingeholt und die auf Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung gerichtete Klage erneut abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat das Oberlandesgericht dem Kläger auferlegt, wobei es erkannt hat, daß der Kläger im Umfang des aufgrund des Zeitablaufs des Klagegebrauchsmusters übereinstimmend für erledigt erklärten Unterlassungsantrags die Kosten gemäß § 91 a ZPO zu tragen habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die erneute Revision des Klägers, mit der beantragt wird,
das Berufungsurteil aufzuheben und nach den Schlußanträgen des Klägers in der Berufungsinstanz zu erkennen.
Die Beklagte ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.

Entscheidungsgründe:


I. Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die nach § 91 a ZPO ergangene Kostenentscheidung des Oberlandesgerichts wendet. Eine Kostenentscheidung eines Oberlandesgerichts nach § 91 a ZPO ist nicht anfechtbar (§§ 567 Abs. 4, 99 Abs. 1 ZPO). Dies gilt auch dann, wenn sie als sogenannte Mischentscheidung im Rahmen eines streitigen Urteils getroffen wird (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 91 a Rdn. 27, 56 jeweils m.w.N.).
II. Im übrigen ist die Revision zulässig und auch begründet.

1. Das Berufungsgericht hat in der Sache ausgeführt: Das Klagegebrauchsmuster gehe von einem Stand der Technik aus, bei dem das in der Wand eines Schaltschranks zum Durchführen eines Kabels mit angebrachtem Stecker vorzusehende Loch mit zwei Platten abgedeckt werde. Die Platten wiesen halbkreisförmige Ausnehmungen auf und würden links und rechts des Kabels so auf das Loch gelegt, daß sie aneinanderstießen und sich eine kreisrunde Öffnung für das Kabel ergebe. Wegen der Fuge zwischen den beiden Platten und der kreisförmigen Öffnung für das Kabel werde bei dieser Abdekkung die gewünschte Dichtigkeit nicht erreicht. Auch werde das Kabel nicht fixiert; der Stecker im Schaltschrank werde schon bei nur relativ geringem Zug auf das Kabel herausgezogen. Hiernach liege der Erfindung zugrunde, eine Vorrichtung zur Verfügung zu stellen, die eine hohe Dichtigkeit und eine Zugentlastung des Kabels gewährleiste. Gelöst werde die damit verbundene Problematik durch den Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters, der sich - wie auch die Parteien übereinstimmend meinten - in folgende Merkmale gliedern lasse:
1. Vorrichtung zum Abdichten eines in einer Schrankwand eines Schaltschranks angebrachten Lochs zur Durchführung eines Kabels in den Schaltschrank mit
2. zwei an der Außenseite der Schrankwand an gegenüberliegenden Seiten des Lochs angeordneten Teilen,
2.1. wobei jedes der beiden Teile innen mit einem Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff versehen ist, welche das Kabel umschließen,
2.2. wobei an einem der beiden Teile wenigstens eine Schelle zur Befestigung des Kabels befestigt ist,
2.3. die beiden Teile durch Schrauben miteinander verbunden sind,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß
3. die beiden Teile durch die beiden Teile eines zweiteiligen rechteckigen Gehäuses gebildet sind,
3.1. welches an seiner von der Schrankwand abgewandten Seite wenigstens eine Öffnung
3.2. und an seiner der Schrankwand zugewandten Seite eine Öffnung
3.2.1. um das Loch in der Schrankwand
zur Durchführung des Kabels aufweist,
3.3. daß die Teilungsfuge, die das Gehäuse der Länge nach teilt,
3.4. durch die Kabelöffnungen an der von der Schaltschrankwand abgewandten Seite des Gehäuses hindurchgeht,
3.5. daß die Schelle zur Kabelbefestigung an der Innenseite eines der beiden Gehäuseteile befestigt ist,
4.1. daß die Schrauben, die in hülsenförmigen Vorsprüngen an der Innenseite eines Gehäuseteils vorgesehene Gewinde eingreifen, das Gehäuse zusammenhalten und
4.2. das zusammengehaltene Gehäuse an der Schrankwand befestigbar ist.
Diese Feststellungen des Berufungsgerichts einschließlich seiner Merkmalsanalyse lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Auch die Revision erhebt insoweit keine Beanstandungen.
2. Das Berufungsgericht hat die auf Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung gerichteten Klageanträge abgewiesen, weil die durch die angegriffene Ausführungsform verkörperte Lösung Erfindungsqualität besitze und deshalb vom Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters nicht umfaßt werde. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die Merkmale 2.1 (Schaumgummiabdichtung) und 2.2/3.5 (Schellenbefestigung an der Innenseite ) seien bei der Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 nicht in einer mit der Anweisung des Schutzanspruchs 1 identischen Form verwirklicht. Der Dichtungskörper fülle die Gehäusehälften nicht aus; für die Schaumstoffkörper der angegriffenen Ausführungsform seien vielmehr eigene Facheinteilungen ge-
schaffen. Das Kabel sei nicht mit einer Schelle an einem Gehäuseteil befestigt; bei der angegriffenen Ausführungsform sei es mittels Schellenverbindung in einer weiteren Facheinteilung eingespannt. Das führe zwar zu Funktions- und Wirkungsgleichheit, bedeute aber konstruktive Unterschiede zur Lehre des Klagegebrauchsmusters. Die Überwindung dieser Unterschiede beruhe nach den Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen auf eigenständigen erfinderischen Überlegungen des Durchschnittsfachmanns, die vom Stand der Technik in keiner Weise beeinflußt seien.

a) Bei der Feststellung, daß die angegriffene Ausführungsform auf eigenständiger erfinderischer Überlegung beruhe, ist das Berufungsgericht nicht den Anforderungen gerecht geworden, denen der Tatrichter bei der Würdigung dessen zu genügen hat, was als wahr zu erachten ist.
Der Tatrichter hat nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO den Streitstoff in tatsächlicher Hinsicht erschöpfend zu prüfen und zu würdigen. Von einer eigenen Bewertung ist er auch dann nicht enthoben, wenn er ein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Dessen Ergebnisse dürfen deshalb nicht ohne weiteres übernommen werden; auch sachverständige Ä ußerungen sind eigenverantwortlich daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie Angaben enthalten, die Aufklärung im Hinblick auf entscheidungserhebliche und allein von dem erkennenden Gericht zu beantwortende Fragen zu bieten vermögen. Die einzelnen Schritte der vorgenommenen Prüfung und Würdigung müssen in dem daraufhin ergehenden Urteil zwar nicht in allen Einzelheiten dargelegt werden (§ 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO); das Urteil muß jedoch erkennen lassen, daß der Tatrichter die erforderlichen Schritte vollzogen hat; es muß die tragenden Gesichtspunkte
für die der Entscheidung zugrundeliegende Überzeugung in der Begründung nachvollziehbar darlegen.
Daran fehlt es hier. Was die Frage einer sich in der angegriffenen Ausführungsform verkörpernden erfinderischen Leistung anlangt, verweist das angefochtene Urteil ausschließlich auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen. Diese beschränken sich ihrerseits im schriftlichen Gutachten auf die Aussage, die Überwindung der konstruktiven Unterschiede, welche die Schaffung einer Facheinteilung mit Einstichen für die Aufnahme eines Abdichtungskörpers , einer davon beabstandeten weiteren Facheinteilung für die Aufnahme der das Kabel einspannenden und fixierenden Schellenverbindung und die Abkehr von der unmittelbaren Befestigung des Kabels mittels einer Schelle an einer der beiden Gehäuseteile umfaßten, hätten mehr als nur einen erfinderischen Schritt erfordert, um zu der angegriffenen Ausführungsform zu gelangen ; der Durchschnittsfachmann werde nämlich jeden dieser zu überwindenden Unterschiede als nicht von der Lehre des Klagegebrauchsmusters umfaßt begreifen. Das ist - auch wenn man die ansonsten umfangreichen schriftlichen und mündlichen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen mitheranzieht - kaum mehr als eine Behauptung. Schon das hätte Anlaß zu näherer Darlegung geben müssen, warum das Berufungsgericht sich gleichwohl von der Meinung des gerichtlichen Sachverständigen hat überzeugen lassen.
Bei der Feststellung, daß der angegriffenen Ausführungsform eine erfinderische Tätigkeit zugrunde liegt, hat das Berufungsgericht außerdem die aktenkundig gemachten Ä ußerungen des vom Kläger hinzugezogenen Privatgutachters nicht berücksichtigt. Dieser Sachverständige ist ausweislich seines Ergänzungsgutachtens zu dem Ergebnis gelangt, die angegriffene Ausführungs-
form verkörpere die Entwicklung einer durch Spritzguß herstellbaren serienreifen Vorrichtung, wie man sie von einem Durchschnittsfachmann bei Beachtung der allgemeinen Gestaltungsrichtlinien erwarten müsse. Mit dieser dem gerichtlichen Gutachten entgegenstehenden Bewertung hat das Berufungsgericht sich - anders als hinsichtlich anderer Differenzen in der Begutachtung durch die beiden Sachverständigen - in keiner Weise befaßt. Das widerspricht dem Grundsatz, daß zu der dem Tatrichter gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO obliegenden Beweiswürdigung insbesondere gehört, sich auch mit solchen Umständen und Beweismitteln auseinanderzusetzen, die zu einer anderen als der getroffenen Beurteilung führen können (Sen.Urt. v. 16.09.1997 - X ZR 54/95, GRUR 1998, 366, 368 - Ladewagen). Das schließt ein, auch das in Erwägung zu ziehen, was einem vorgelegten Privatgutachten über einen entscheidungserheblichen Punkt zu entnehmen ist. Denn jede widersprüchliche Begutachtung kann Anlaß zu Zweifeln geben, ob die von Gerichtsseite eingeholte Begutachtung ausreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung bietet (vgl. Sen.Urt. v. 20.07.1999 - X ZR 121/96, GRUR 2000, 138 - Knopflochnähmaschinen).
Daß ein Anlaß zu solchen Zweifeln gerade auch hier nicht von vornherein ausgeschlossen werden konnte, ergibt die durch Ausbildung und beruflichen Werdegang belegte Qualifikation des gerichtlichen Sachverständigen einerseits und des von dem Kläger eingeschalteten Privatgutachters andererseits. Der gerichtliche Sachverständige ist nach seinem Studium und seiner etwa fünfjährigen Industrietätigkeit Metallurge; es ist auch nicht ersichtlich, daß er aufgrund seiner sich daran anschließenden Tätigkeit beim Deutschen Patentamt und am Bundespatentgericht besondere Erfahrungen auf dem hier interessierenden technischen Gebiet der Schaltschrankabdichtung hat erwerben
können. Das schließt zwar nicht aus, daß sein Gesamtkenntnis- und Erfahrungsschatz - wie es das Berufungsgericht angenommen hat - für die Beantwortung der Streitfragen des vorliegenden Falles ausreichend ist, zumal der gerichtliche Gutachter während seiner patentrechtlichen Tätigkeit mit Schutzrechten auch auf Gebieten wie Bauzubehör, Beschläge, Sicherheitseinrichtungen und Brandschutz befaßt war. Der Privatgutachter kann aber als Professor der Fachhochschule München, der als solcher den Fachbereich Feinwerk- und Mikrotechnik/Physikalische Technik, Entwicklungsmethodik, Mechatronik, Konstruktionstechnik betreut, als gerade auf dem hier interessierenden Gebiet der Technik besonders sachkundig gelten. Auch das hätte nähere eigene Darlegungen des Berufungsgerichts erfordert, warum es in der eingangs genannten Frage dem gerichtlichen Sachverständigen folgt (Sen., aaO - Ladewagen).

b) Die Feststellung, die angegriffene Ausführungsform liege außerhalb des äquivalente Lösungen umfassenden Schutzbereichs des Klagegebrauchsmusters , ist schließlich deshalb von Rechtsirrtum geprägt, weil der gerichtliche Sachverständige und ihm folgend das Berufungsgericht sie allein aufgrund einer Bewertung der Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 in ihrer konkreten Gestaltung getroffen haben.
Der Umstand, daß eine angegriffene Ausführungsform ihrerseits eine nicht durch den Stand der Technik nahegelegte erfinderische Lehre zum technischen Handeln verkörpert, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (zuletzt BGHZ 142, 7 - Räumschild, m.w.N.) noch kein hinreichender Grund, eine Benutzung einer durch ein (älteres) Patent geschützten Lehre zu verneinen. Für das Gebrauchsmuster gilt nichts anderes. Auch hier kann die angegriffene Ausführungsform zugleich eine allgemeinere Lehre verkörpern
und wegen ihrer sie konkretisierenden Gestaltung erfinderischen Charakter haben. Beinhaltet eine angegriffene Ausführungsform eine erfinderische Leistung , ist deshalb auch dann, wenn die Verletzungsklage auf ein Gebrauchsmuster gestützt ist, regelmäßig zu prüfen, ob die angegriffene Ausführungsform vom Fachmann als Ausgestaltung einer - konkrete Gestaltungsmerkmale der angegriffenen Ausführungsform außer Betracht lassenden, von der angegriffenen Ausführungsform aber gleichwohl verkörperten - allgemeineren Lehre zum technischen Handeln erkannt werden kann, die entweder wortsinngemäß mit einem Anspruch des Klageschutzrechts übereinstimmt oder sich diesem gegenüber als äquivalent darstellt (vgl. wiederum zum Patent: Sen.Urt. v. 12.07.1990 - X ZR 121/88, GRUR 1991, 436, 440 - Befestigungsvorrichtung II). Diese Möglichkeit ist auch im vorliegenden Fall nicht von vornherein ausgeschlossen , weil das Berufungsgericht gerade wegen der Abkammerungen im Inneren des Gehäuses der angegriffenen Ausführungsform, also wegen einer zu gebrauchsmustergemäßen Merkmalen hinzutretenden besonderen Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform deren Erfindungsqualität bejaht hat.
Die danach erforderliche Prüfung geht im Falle abgewandelter, aber gleichwirkender Ausführungsformen dahin, ob für eine die angegriffene Ausführungsform erfassende allgemeinere Lehre festgestellt werden kann, daß sie vom Durchschnittsfachmann aufgrund von Überlegungen aufgefunden werden konnte, die sich an der in dem Schutzanspruch umschriebenen Erfindung orientieren. Diese Prüfung hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen. Auch der gerichtliche Sachverständige hat sich mit dieser Frage nicht befaßt.
3. Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben; die Sache ist vielmehr an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem zur Herbei-
führung einer einheitlichen Kostenentscheidung auch die Befugnis einzuräumen ist, über die das Revisionsverfahren betreffenden Kosten zu befinden. Das Berufungsgericht wird dabei Rechnung zu tragen haben, daß rechtskräftig entschieden ist, daß der Kläger hinsichtlich des erledigten Teils des Rechtsstreit (Unterlassungsklage) gemäß § 91 a ZPO die Kosten zu tragen hat. Die für eine eigene abschließende Sach- und Kostenentscheidung des Senats notwendige Entscheidungsreife kann nicht festgestellt werden, weil noch tatrichterliche, Kenntnisse und Fähigkeit des Durchschnittsfachmanns betreffende Feststellungen notwendig sein können.
Die Entscheidungsreife folgt insbesondere nicht aus einem Geständnis der Beklagten. Zu Unrecht rügt die Revision, das Berufungsgericht habe übersehen , daß die Beklagte im Sinne des § 288 ZPO zugestanden habe, die angegriffene Ausführungsform beruhe wegen ihrer abweichenden Merkmale nicht auf einem erfinderischen Schritt.
Ein Geständnis ist Zugestehen der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung des Gegners. Vorhandensein oder Fehlen eines erfinderischen Schrittes sind keine Tatsachen; denn sie können nur aufgrund einer komplexen Bewertung erkannt werden, die sich sowohl an rechtlichen als auch an tatsächlichen Maßstäben zu orientieren hat.
Deshalb geht auch der Vorwurf der Revision fehl, das Berufungsgericht habe eine etwaige Erfindungsqualität der angegriffenen Ausführungsform nicht berücksichtigen dürfen, weil dies in eindeutigem Widerspruch zu dem jahrelangen früheren Tatsachenvortrag der Beklagten stehe, ohne daß nachvollziehbare Gründe für die Ä nderung dieses Vortrags angegeben seien.

4. Bei der erneuten Verhandlung wird das Berufungsgericht sich nicht auf eine Befassung mit der Frage beschränken können, ob die Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 als abgewandelte Ausführungsform in den Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters fällt. Es wird vielmehr - vorrangig - auch noch einmal der Behauptung des Klägers nachzugehen haben, daß die angegriffene Ausführungsform den Anweisungen zu 2.1 (Schaumgummiabdichtung) und 2.2/3.5 (Schellenbefestigung an der Innenseite) ihrem vernünftig verstandenen Wortsinne nach genüge, was - ausgehend von den Feststellungen des Berufungsgerichts zu den sonstigen Merkmalen des Schutzanspruchs - bedeuten würde, daß die Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 insgesamt von der Lehre des Schutzanspruchs 1 wortlautgemäß Gebrauch macht. Denn die Auslegung des Schutzanspruchs durch das Berufungsgericht, die zur Verneinung einer wortsinngemäßen Benutzung der Merkmale 2.1 und 2.2/3.5 geführt hat, ist ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei.

a) Zur Begründung seiner Annahme, Merkmal 2.1 (Schaumgummiabdichtung ) sei bei der angegriffenen Ausführungsform nicht identisch verwirklicht , hat das Berufungsgericht wiederum nur auf das eingeholte Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen verwiesen. Ergänzend ist lediglich ausgeführt, es sei verständlich, wenn der Gerichtssachverständige Schlüsse daraus ziehe, daß die Gebrauchsmusterschrift in der Beschreibung auf S. 2 unten sowie S. 4 unten angebe, die beiden Gehäusehälften seien bzw. jede Gehäusehälfte sei "gefüllt"; das sei auch aus der Zeichnung, welche die Erfindung näher erläutere , zu entnehmen. Hieraus ergibt sich, daß nach Ansicht des Berufungsgerichts die Anweisung zu Merkmal 2.1 dahin geht, daß Schaumgummi oder Kunststoff-
schaumstoff das zweiteilige, rechteckige Gehäuse in Form von Körpern aus diesem Material ausfüllt. Das kann in dieser Form keinen Bestand haben.
Die Verständlichkeit eines Schlusses, den ein gerichtlicher Sachverständiger zieht, bietet für sich allein keine Gewähr dafür, daß das richtige Ergebnis gefunden worden ist. Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen außerdem nicht erkennen, daß die maßgeblichen Auslegungsgrundsätze beachtet worden sind.
Der Gegenstand eines Gebrauchsmusterschutzanspruchs wird durch den Anspruchswortlaut definiert (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 GebrMG). Er, nicht die Beschreibung oder die Zeichnungen, ist deshalb maßgeblich. Entscheidend ist, welche Lehre zum technischen Handeln der Durchschnittsfachmann den durch den Schutzanspruch in Worte gefaßten Anweisungen entnimmt. Dies verbietet eine einengende Auslegung von in den Schutzanspruch aufgenommenen allgemein gehaltenen Anweisungen jedenfalls dann, wenn ihre Befolgung trotz der allgemeinen Fassung geeignet ist, zu der Lösung des Problems beizutragen , das dem Schutzrecht zugrunde liegt. Die betreffende Anweisung hat dann eine ohne weiteres im Sinne des Schutzrechts liegende sinnvolle Bedeutung und bedarf nach Aufgabe und Lösung des Schutzrechts keiner Konkretisierung. Sofern die Beschreibung oder die Zeichnungen des Schutzrechts konkretisierte Gestaltungen beschreiben, kennzeichnen sie unter diesen Umständen lediglich bevorzugte Ausführungen der allgemeiner gefaßten Anweisung des Schutzanspruchs.
Ein solcher Fall kann auch hier gegeben sein, weil - worauf die Revision zu Recht hinweist - der Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters seinem
Wortlaut nach nur verlangt, daß beide Gehäuseteile innen mit einem Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff versehen sind, wodurch das Kabel umschlossen wird.
Der Merkmal 2.1 betreffende Wortlaut geht danach zunächst ganz allgemein dahin, die beiden Teile des Gehäuses der Vorrichtung innen mit einem Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff zu versehen. Einem Fachmann, der das Problem bewältigen will, das durch das Klagegebrauchsmuster gelöst werden soll, muß es nicht notwendig erscheinen, das gesamte Gehäuseinnere mit dem vorgeschlagenen Material zu füllen. Bei einer Kabeldurchführung vermittels gattungsgemäßer Vorrichtung ergeben sich verschiedene Stellen bzw. Bereiche, die einer Abdichtung bedürfen; das sind zum einen die Trennfuge zwischen den beiden Teilen der Vorrichtung (Teilungsfuge gemäß Merkmal 3.3), zum anderen die zwischen Kabel und Vorrichtung umlaufende Fuge und schließlich die Fuge, die bei stirnseitiger Anlage der Vorrichtung zwischen dieser und der Schrankwand entsteht. Bei der den Stand der Technik betreffenden Nachteilsschilderung in der Beschreibung (S. 2 2. Abs.) sind nur die beiden ersten als die Dichtigkeit beeinträchtigende Gegebenheiten erwähnt. Hieraus kann entnommen werden, daß die Fuge zwischen der Vorrichtung und der Schrankwand - ohne daß es einer Festlegung durch den Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters bedürfte - anderweit zuverlässig abgedichtet werden kann. Bestätigt wird dies durch die Beschreibung des Ausführungsbeispiels und die Fig. 2. Danach kann diese Abdichtung beispielsweise durch ein umlaufendes Profilgummi erfolgen (S. 6 2. Abs.). Aber auch bezüglich der Teilungsfuge (Merkmal 3.3) erwähnt die Beschreibung einen Dichtring als Abdichtung (S. 6 1. Abs.). Dies läßt es entbehrlich erscheinen , im Inneren Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff zu ha-
ben, welche diese Fuge über ihre gesamte Länge abdecken. Lediglich für den umlaufenden Spalt zwischen dem Kabel und den Gehäusehälften der Vorrichtung gilt etwas anderes. Insoweit ist eine andere Abdichtungsmöglichkeit nicht erwähnt. Hier muß sich deshalb der jeweilige Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff bewähren. Hierzu muß das Kabel von dem Schaumstoffmaterial umschlossen sein, wie es im Schutzanspruch 1 auch ausdrücklich und die im übrigen allgemeine Anweisung konkretisierend heißt. Im Lichte der den Schutzanspruch 1 erläuternden Beschreibung kann damit in dieser Notwendigkeit das die Lösung gemäß Merkmal 2.1 Kennzeichnende liegen. Dies wird bestätigt durch Seite 2 letzter Abs. der Beschreibung, weil es dort heißt, dadurch, daß das Kabel umschlossen werde, werde es sicher abgedichtet. Angesichts der in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters angegebenen Möglichkeiten, Trennfuge und Fuge zwischen Vorrichtung und Schrankwand undurchlässig zu machen, ist hiermit dann auch die eigentliche Abdichtung des Lochs in der Schrankwand beschrieben, wie auf S. 6 1. Abs. der Beschreibung erwähnt ist. Mithin legt das Klagegebrauchsmuster dem Fachmann nahe, Merkmal 2.1 lediglich die Anweisung zu entnehmen, in beiden Teilen des Gehäuses einen das Kabel umschließenden Körper aus Schaumgummi bzw. Kunststoffschaumstoff vorzusehen.
Dies hat das Berufungsgericht unbeachtet gelassen, weil es - wiederum - kritiklos die Ansicht des gerichtlichen Sachverständigen übernommen hat. Befaßt sich ein gerichtlicher Sachverständiger mit der Auslegung des Wortlauts eines Schutzanspruchs, gehört zu der vom Tatrichter vorzunehmenden Würdigung vor allem auch die Überprüfung, ob dabei den Auslegungsregeln genügt ist. Diese Prüfung hätte hier ergeben, daß der gerichtliche Sachverständige bei seiner Bewertung des Schutzanspruchs 1 den Vorrang der An-
spruchsfassung vor der Beschreibung und den Zeichnungen mißachtet hat. Überdies fehlt selbst in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters jeglicher Hinweis für die Richtigkeit der die abschließende Meinung des gerichtlichen Sachverständigen prägenden Ansicht, erfindungsgemäß sorge das Zusammenpressen der beiden Gehäuseschalen dafür, daß das darin angeordnete gummielastische Dichtungsmaterial aus der kabelaustrittsseitigen Öffnung teilweise herausgepreßt und gegen den Randbereich des Lochs der Schrankwand abdichtend gedrückt werde. Ein solcher Vorgang ist im Klagegebrauchsmuster weder beschrieben noch gezeigt. Dafür, daß er nach dem fachmännischen Verständnis erfindungswesentlich sei, fehlt damit jeder Beleg.

b) Auch der Verneinung einer wortsinngemäßen Verwirklichung der Merkmale 2.2/3.5 (Schellenbefestigung an der Innenseite) liegt keine Auslegung des Schutzanspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters zugrunde, wie sie nach dem Vorgesagten im Verletzungsrechtsstreit erforderlich ist. Der Senat hat bereits im ersten Urteil beanstandet, daß das Berufungsgericht nicht auf den Vortrag des Klägers eingegangen sei, die Schellen seien bei der angegriffenen Ausführungsform in Ausnehmungen einer Gehäusehälfte so angeordnet , daß sie beim Schließen der Gehäusehälften in den Ausnehmungen und damit an der Innenseite einer Gehäusehälfte befestigt seien. Dies habe eine Darlegung erfordert, warum nach dem Verständnis des Durchschnittsfachmanns eine in drei Ebenen unbewegliche Anbringung erforderlich sei und warum der Durchschnittsfachmann aufgrund des Schutzanspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters in Verbindung mit der Beschreibung des Schutzrechts eine formschlüssige Verbindung, die eine Zugentlastung des Kabels in axialer Richtung bewirke, nicht für ausreichend erachte. Auf diese Darlegung habe nicht verzichtet werden können, weil gegen das Verständnis des Berufungsge-
richts die Zielsetzung des Klagegebrauchsmusters spreche, auch eine Zugentlastung des Kabels zu erreichen (S. 2 Abs. 2 u. 3, insbes. S. 3 Abs. 2 der Beschreibung). Zwar seien in den Ausführungsbeispielen nach Fig. 1 des Klagegebrauchsmusters die Schellen in allen drei Ebenen unbeweglich, weil sie mit Schrauben befestigt seien (S. 5 Abs. 2 der Beschreibung). Auf eine solche Befestigung stelle aber der Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters nicht ab; ausweislich S. 3 Abs. 2 der Beschreibung genüge es, eine Schelle vorzusehen, mit der das Kabel befestigt werde. Hierzu sei eine unbewegliche Befestigung in drei Ebenen nicht ohne weiteres erforderlich. Bei vernachlässigbarem Spiel des Kabels in der dritten Ebene, wie es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der angegriffenen Ausführungsform gegeben sei, könne eine Sicherung des Kabels in zwei Richtungsebenen genügen.
Diesen Beanstandungen trägt das angefochtene Urteil nicht Rechnung. Wiederum ist nur ein Schluß des gerichtlichen Sachverständigen als verständlich bezeichnet. Er ist allein daraus gezogen worden, daß nach der Beschreibung S. 5 oben die jeweilige Schelle an dem Steg der Gehäusehälfte mit Schrauben befestigt sei, während bei der angegriffenen Ausführungsform ein das Kabel umgreifende Schellenpaar in ein eigenes Fach allein formschlüssig eingelegt sei. Das ist keine Befassung mit den vom Senat genannten Gesichtspunkten. Vor allem die Erläuterung des Schutzanspruchs 1 auf S. 3 Abs. 2 der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters haben der gerichtliche Sachverständige und demgemäß auch das Berufungsgericht vernachlässigt. Hierdurch ist dem Fachmann nahegelegt, daß nach Schutzanspruch 1 jede Befestigung einer Kabelschelle an der Innenseite des Gehäuses ausreicht, die bei in der Schelle eingeklemmtem Kabel verhindert, daß der Stecker in dem Schaltschrank herausgezogen wird, wenn Zug auf das Kabel wirkt.

5. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, daß der Fachmann, der sich mit der Lehre des Klagegebrauchsmusters beschäftigt, keine sich etwa aus seinem allgemeinen Fachwissen ergebende Hinderungsgründe sieht, die Merkmale 2.1 und 2.2/3.5 in der wie vorstehend ausgeführt durch das Schutzrecht nahegelegten Weise zu verstehen, und sollte der nochmalige Vergleich der angegriffenen Ausführungsform mit der Lehre des Gebrauchsmusters ergeben, daß eine wortsinngemäße Benutzung vorliegt, kann es aus Rechtsgründen nicht auf die Frage ankommen, ob der angegriffenen Ausführungsform eine erfinderische Leistung zugrunde liegt. Diese Frage ist allein von Bedeutung, wenn eine angegriffene Ausführungsform in mindestens einer Hinsicht von den Anweisungen des sinnvoll verstandenen Wortlauts des Schutzanspruchs abweicht und deshalb zu klären ist, ob sie gleichwohl vom Ausschließlichkeitsschutz umfaßt ist.
Sollte das Berufungsgericht hingegen wiederum zu dem Ergebnis gelangen , daß die Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 lediglich als abgewandelte Ausführungsform zum Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters gehören kann, wird es für den Fall, daß die Prüfung, die nach den zu 2. gemachten Ausführungen nachzuholen ist, eine Einbeziehung der angegriffenen Ausführungsform in den Schutzbereich ergibt, dem sogenannten FormsteinEinwand nach Maßgabe der Ausführungen des Senats in dem ersten Revisionsurteil nachzugehen haben.
Rogge Jestaedt Scharen

Mühlens Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 176/00
vom
19. Oktober 2000
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Hat das Berufungsgericht auch über Kosten entschieden, die für einen durch Anerkenntnis
oder übereinstimmende Erledigungserklärungen erledigten Teil des
Rechtsstreits entstanden sind (§§ 91a, 93 ZPO), ist dieser Teil des Berufungsurteils
im Revisionsverfahren nicht überprüfbar. Das entsprechende Kosteninteresse
muß daher auch bei der Bemessung des Wertes der Beschwer außer Betracht
bleiben.
BGH, Beschl. v. 19. Oktober 2000 – I ZR 176/00 – OLG Hamm
LG Bochum
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 19. Oktober 2000 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. UngernSternberg
, Starck, Prof. Dr. Bornkamm und Dr. Schaffert

beschlossen:
Der Antrag der Beklagten auf Heraufsetzung des Wertes der Beschwer wird abgelehnt.
Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf 60.000 DM festgesetzt.

Gründe:


I. Die Klägerin und die Beklagte zu 1 handeln mit Schmuck, den sie über sogenannte Beraterinnen vertreiben. Die Beklagte zu 2 war früher für die Klägerin und ist jetzt für die Beklagte zu 1 als Beraterin tätig. Gegenstand des Rechtsstreits ist eine Ä ußerung über die Klägerin, die die Beklagte zu 2 nach ihrem Wechsel zur Beklagten zu 1 in einem an ihre Kundinnen gerichteten Rundschreiben gemacht hat.
Nachdem die Klägerin diese Ä ußerung als wettbewerbswidrig beanstandet hatte, gab nur die Beklagte zu 2 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, weigerte sich jedoch, die geltend gemachten Kosten der Abmahnung in Höhe von 1.213,80 DM (Anwaltskosten aus einem Streitwert von 60.000 DM) zu zahlen. Die Klägerin nahm daraufhin die Beklagte zu 1 auf Unterlassung in Anspruch und begehrte von der Beklagten zu 2 Zahlung der Abmahnkosten. Vor dem Landgericht
gab die Beklagte zu 2 ein Anerkenntnis ab. Das Landgericht verurteilte sie entsprechend diesem Anerkenntnis zur Zahlung; die Klage gegen die Beklagte zu 1 wies das Landgericht ab; die Kosten des gesamten Rechtsstreits erlegte es der Klägerin auf, und zwar hinsichtlich des anerkannten Teils nach § 93 ZPO. Auf die Berufung der Klägerin, die sich sowohl gegen die Klageabweisung als auch gegen die Kostenentscheidung (soweit sie auf § 93 ZPO beruhte) richtete, verurteilte das Oberlandesgericht die Beklagte zu 1 antragsgemäß und belastete die Beklagten anteilsmäßig mit den Kosten des Rechtsstreits. Den Streitwert setzte das Berufungsgericht auf 60.600 DM fest, wobei 60.000 DM auf die Unterlassungsklage gegen die Beklagte zu 1 und – als Kosteninteresse – 600 DM auf das Verfahren gegen die Beklagte zu 2 entfielen. Ferner wurde bestimmt, daß das Urteil keine der Parteien mit mehr als 60.000 DM beschwere.
Die Beklagten beantragen, den Wert der Beschwer auf 60.600 DM heraufzusetzen.
II. Der Antrag ist nicht begründet.
Zwar sind, worauf die Beklagten mit Recht hinweisen, für die Berechnung der Beschwer – soweit es sich nicht um wirtschaftlich identische Streitgegenstände handelt – die Werte der Beschwer aller Streitgenossen nach §§ 2, 5 ZPO zusammenzurechnen , und zwar unabhängig davon, ob das Berufungsurteil auch von allen Streitgenossen angefochten worden ist (BGH, Beschl. v. 28.10.1980 – VI ZR 303/79, NJW 1981, 578; Beschl. v. 23.6.1983 – IVa ZR 136/82, NJW 1984, 927, 928; Urt. v. 23.5.1989 – IVa ZR 88/88, BGHR ZPO § 546 Abs. 1 Satz 1 – Streitgenossen 1). Von dieser Regel ist jedoch im Streitfall eine Ausnahme zu machen. Denn die Verurteilung der Beklagten zu 2 betrifft lediglich die Kosten des Rechtsstreits. Der Beklagten zu 2 wäre es daher verwehrt, ihre Verurteilung zur
Zahlung eines (anteilsmäßig bestimmten) Teils der Kosten des Rechtsstreits mit der Revision anzufechten. Der Teil des Rechtsstreits, hinsichtlich dessen die Revision unstatthaft wäre, muß bei der Bemessung des Wertes der Beschwer außer Betracht bleiben.
Entscheidet das Landgericht – wie im Streitfall – durch Teilanerkenntnisund Schlußurteil und trifft es insofern eine einheitliche Kostenentscheidung, so kann der auf § 93 ZPO beruhende Teil der Kostenentscheidung nicht nur mit der sofortigen Beschwerde (§ 99 Abs. 2 ZPO), sondern – zusammen mit dem streitigen Teil der Hauptsache – auch mit der Berufung angefochten werden (BGHZ 17, 392, 397 f.; Zöller/Herget, ZPO, 21. Aufl., § 99 Rdn. 11). Es gilt insofern nichts anderes als für die Anfechtung der Kostenentscheidung nach einer Teilerledigung (§ 91a ZPO; Zöller/Vollkommer aaO § 91a Rdn. 56; Musielak/Wolst, ZPO, § 91a Rdn. 53). In diesen Fällen ist jedoch die Bestimmung des § 567 Abs. 4 ZPO zu beachten, die eine weitere Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Oberlandesgerichts ausschließt (Musielak/Wolst aaO). Sollen derartige Entscheidungen der Oberlandesgerichte keiner weiteren Sachprüfung unterzogen werden, muß dies auch gelten, wenn die Kosten(teil)entscheidung ausnahmsweise wegen der gleichzeitigen Entscheidung über weitere Anträge der Klage mit der Berufung angefochten worden ist (BGHZ 58, 341, 342; 107, 315, 317 f.; 113, 362, 363 f.; BGH, Urt. v. 30.11.1989 – I ZR 55/87, WRP 1990, 488, 498 – Metro III).
Scheidet aus diesen Gründen eine Anfechtung des Berufungsurteils durch die Beklagte zu 2 als unstatthaft aus, muß deren Beschwer auch bei der Festsetzung des Wertes der Beschwer nach § 546 Abs. 2 ZPO außer Betracht bleiben. Die für die Zusammenrechnung der Werte der Beschwer mehrerer Streitgenossen maßgebliche Erwägung, schon bei Erlaß des Berufungsurteils müsse der Umfang der Beschwer feststehen, damit das Berufungsgericht gegebenenfalls über die
Frage der Zulassung der Revision befinden könne, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Nichtanfechtbarkeit dieses Teils der Kostenentscheidung steht bereits bei Erlaß des Berufungsurteils fest und kann daher auch vom Berufungsgericht bei der Bemessung des Wertes der Beschwer berücksichtigt werden.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Starck
Bornkamm Schaffert