Bundesgerichtshof Urteil, 09. Nov. 2010 - X ZR 67/05

bei uns veröffentlicht am09.11.2010
vorgehend
Bundespatentgericht, 2 Ni 38/03, 16.02.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 67/05 Verkündet am:
9. November 2010
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 9. November 2010 durch den Richter Gröning, die Richterin
Mühlens und die Richter Dr. Berger, Dr. Grabinski und Hoffmann

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 16. Februar 2005 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Beklagte ist Inhaber des am 25. September 1986 angemeldeten, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 261 267 (Streitpatents), das einen Stangenverschluss für Blechschranktüren betrifft. Das Streitpatent umfasst 14 Ansprüche. Patentanspruch 1 lautet in der allein angegriffenen zweiten Alternative des kennzeichnenden Teils: "Stangenverschluss für Montage in einem oder zwei rechteckigen Durchbrüchen (32, 34) von Blechschranktüren (12), bestehend aus einem Schloss (16) mit einem Schlüsselfang oder Schlüsselschild und mit in einem Antrieb-/Ritzel- und Stangenlager (60) drehbar gehaltenen Ritzel oder mit einer ein Ritzel tragenden, in dem Lager (16) drehbar gehaltenen Schlossnuss, welche Schlossnuss bzw. Ritzel mittels durch das Türblatt (12) nach außen geführter Betätigungseinrichtung , wie Griff, Schwenkhebel, Steckschlüssel oder dgl. drehbar ist, und aus einer einzigen, sich in beide Türkantenrichtungen erstreckenden, in der Mitte gekröpften, umsetzbaren Stange (18 in Figur 6, 7, 9 und 11) oder aus zwei demgegenüber kurzen, sich im Wesentlichen nur in einer der Türkantenrichtungen erstreckenden , gegenläufigen und am Ende gekröpften Stangen (18 in Figur 10 und 30), wobei die Stange oder die Stangen entlang ihrer Längsachse symmetrisch ausgebildet sind und eine Zahnung (66) oder Perforation (66) zum Eingriff der Zähne des Ritzels im Bereich des Schlosses (16) besitzen und in diesem Bereich sowie an zumindest einer Stelle außerhalb des Schlosses (16) am Türblatt (12) verschieblich gelagert sind, und aus am Türrahmen bzw. Stange angebrachten Verriegelungseinrichtungen (38, 46), die bei Verschiebung der Stange miteinander in Eingriff treten, wobei das Antrieb -/Ritzel- und Stangenlager (60 in Figur 1) des Stangenverschlussschlosses (16) ein vom Schlüsselfang oder Schlüsselschild gebildetes ein- oder zweiteiliges Basisteil (z.B. 68 in Figur 3; 268 in Figur 19; 368 in Figur 20) und ein auf das Basisteil (z.B. 68) aufsetzbares und mit diesem mittels Schrauben und dgl. verbindbares Kappenteil (70 in Figur 3; 170 in Figur 20; 670 in Figur 31) aufweist, das zusammen mit dem Basisteil (z.B. 68) zwei wahlweise belegbare Führungsschlitze (74, 76 in Figur 2) für die Stange(n) (18) bildet, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , - dass das Basisteil eine Schulter (92) trägt, die im Bereich des Durchbruchs an der Außentürfläche anliegt, - dass ein Sockel am Basisteil den Durchbruch durchragt, - dass das Basisteil (z.B. 368 in Figur 20; 668 in Figur 31) zweiteilig und aus einem Schlüsselfangteil (144 in Figur 20; 644 in Figur 31) mit der Schulter (92) und aus einem Lagerteil (146 in Figur 20; 646 in Figur 31), das zusammen mit dem Kappenteil (170 in Figur 20; 670 in Figur 31) die Führungsschlitze für die Stange (n) bildet, ausgebildet ist, - dass das Ritzel (62) an einer Seite im Kappenteil (z.B. 170) und an der anderen Seite im Lagerteil (z.B. 146) gelagert ist, - dass an Kappenteil (170) und Lagerteil (146) eine gemeinsame zentrierende Steckverbindung ausgebildet ist, - dass das Lagerteil (146) mit einer dem Schlüsselfangteil (z.B. 144) des Basisteils (z.B. 368) zugewandten Stirnfläche im Bereich des Durchbruchs (32) an der Innentürfläche anliegt, - dass das Kappenteil (170) und das aufgesteckte Lagerteil (146) gemeinsam mittels beide durchdringender Schrauben (72) am Schlüsselfangteil (144) des Basisteils (368) befestigt sind, - dass vom Boden des Kappenteils (170) und, spiegelbildlich dazu, von einem Boden des Lagerteils (146) zwei parallele längere und zwei dazu senkrechte kürzere Seitenwände ausgehen und im montierten Zustand zusammen mit den Böden die beiden wahlweise belegbaren Führungsschlitze für die Stange(n) (18) bilden, und - dass die Zahnung in Form einer einzigen entlang der Längsachse verlaufenden Perforation (66) ausgebildet ist."
2
Wegen der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 14 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
3
Mit ihrer Teilnichtigkeitsklage hat die Klägerin geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei bezüglich der angegriffenen zweiten Alternative des Anspruchs 1 nicht patentfähig, weil er insoweit nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Gleiches gelte für die Unteransprüche 2 bis 5 sowie 8 bis 14 im Umfang ihres Rückbezuges auf Patentanspruch 1 in seiner zweiten Alternative.
4
Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen.
5
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren Klageantrag weiter verfolgt.
6
Der Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das Streitpatent hilfsweise in der Fassung von zwei Hilfsanträgen.
7
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. B. , Institut für Konstruktionstechnik und Technisches Design, Universität S. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. http://www.juris.de/jportal/portal/t/1kkb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE320522007&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1kkb/ [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1kkb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE320952007&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1kkb/ [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1kkb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE320152009&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 5 -

Entscheidungsgründe:


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I. Die Nichtigkeitsklage ist, auch nachdem das Streitpatent durch Ablauf erloschen ist, zulässig. Die Klägerin, die wegen Verletzung des Streitpatents gerichtlich in Anspruch genommen wird, hat aus diesem Grund weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf seine Nichtigerklärung im angegriffenen Umfang (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 24. April 2007 - X ZR 201/02, GRUR 2008, 90 - Verpackungsmaschine; Urteil vom 16. Oktober 2007 - X ZR 226/02, GRUR 2008, 60 - Sammelhefter II; BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung).
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II. 1. Das Streitpatent betrifft einen Stangenverschluss für Blechschranktüren. Derartige Stangenverschlüsse, bei denen sich die Schubstangen durch besondere Ausgestaltung ihres Mittelteils oder ihrer Enden sowohl für links wie auch für rechts angeschlagene Schaltschranktüren verwenden lassen, sind nach der Streitpatentbeschreibung aus der deutschen Offenlegungsschrift 34 07 700 A1 bekannt. An dem dort offenbarten Vorschlag bemängelt die Streitpatentschrift, dass die Schubstangen, wenn die Verzahnung nicht bis zum Stangenende weitergeführt sei oder sich sonstige Hindernisse beim Durchschieben ergäben, nicht auf einfache Weise bei bereits vormontiertem Schloss gewechselt werden könnten. Vielmehr müsse unter Entfernung einer Abdeckkappe und eines Sicherungsringes vorher das Ritzel in umständlicher Weise demontiert werden, damit dann die Stangen in gewünschter Weise herausgenommen und gewechselt werden könnten. Ein weiterer Nachteil bestehe darin, dass das Ritzel nur einseitig gelagert sei. Dies führe zu erhöhter Belastung des Lager- und Ritzelmaterials, weshalb unter Umständen auch keine einfachen Kunststoffe für diese Bauteile verwendet werden könnten.
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2. Die Beschreibung des Streitpatents formuliert - von Lösungselementen entkleidet - als zu lösende Probleme, einen Stangenverschluss von Blechschranktüren nach der aus dem Stand der Technik bekannten Art derart weiterzubilden , dass er weiterhin rechts und links in einer Tür verwendet werden kann und die Schließ- und Öffnungsrichtung des Schlosses frei bestimmbar bleibt, gleichzeitig aber eine nachträgliche Änderung ohne umständliche Demontagearbeiten ermöglichen soll. Dabei sollen einzelne Bauteile auch aus einfachen Kunststoffmaterialien hergestellt werden können, ohne dass Stabilitätsprobleme auftreten. Weiterhin sollen reibungserhöhende Verkantungen der Schubstangen auszuschließen sein und schließlich soll eine Vereinfachung der Lagerhaltung für die Bauteile des Stangenverschlusses erreicht werden.
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3. Hierzu soll durch die zweite Alternative des Patentanspruchs 1 in der hauptsächlich verteidigten Fassung ein Stangenverschluss mit folgenden Merkmalen zu Verfügung gestellt werden: Stangenverschluss 1. für Montage in einem oder zwei rechteckigen Durchbrüchen von Blechschranktüren 2. bestehend aus 2.1 einem Schloss 2.1.1 mit Schlüsselfang [oder Schlüsselschild], 2.1.2.1 und mit Ritzel, das in einem Antriebs-/Ritzelund Stangenlager drehbar gehalten ist, oder 2.1.2.2 mit einer ein Ritzel tragenden, in dem Lager drehbar gehaltenen Schlossnuss, welche Schlossnuss bzw. Ritzel - mittels durch das Türblatt nach außen geführter - Betätigungseinrichtung wie Griff, Schwenk- hebel, Steckschlüssel oder dergleichen drehbar ist, 2.2.1 und aus einer einzigen, sich in beide Türkantenrichtungen erstreckenden, in der Mitte gekröpften, umsetzbaren Stange oder aus 2.2.2 zwei demgegenüber kurzen, sich im Wesentlichen nur in einer der Türkantenrichtungen erstreckenden, gegenläufigen und am Ende gekröpften Stangen, 2.2.3 wobei die Stange oder die Stangen 2.2.3.1 entlang ihrer Längsachse symmetrisch ausgebildet sind, 2.2.3.2 eine Zahnung zum Eingriff der Zähne des Ritzels im Bereich des Schlosses besitzen, die in Form einer einzigen, entlang der Längsachse verlaufenden Perforation ausgebildet ist, 2.2.3.3 in diesem Bereich sowie an mindestens einer Stelle außerhalb des Schlosses am Türblatt verschieblich gelagert sind, 2.3 und aus an Türrahmen bzw. Stange angebrachten Verriegelungseinrichtungen , 2.3.1 die bei Verschiebung der Stange miteinander in Eingriff treten, wobei 3. das Antriebs-/Ritzel- und Stangenlager des Stangenverschlussschlosses 3.1 ein zweiteiliges Basisteil und 3.2 ein auf das Basisteil aufsetzbares und mit diesem mittels Schrauben und dgl. verbindbares Kappenteil aufweist, 4. und das zweiteilige Basisteil 4.1 aus einem Schlüsselfangteil mit einer Schulter, 4.1.1 die im Bereich des Durchbruchs an der Außentür anliegt , 4.2 und aus einem Lagerteil gebildet ist, 5. und ein Sockel am Basisteil den Durchbruch durchragt, und wobei 6. das Lagerteil an der Innentürfläche anliegt, und zwar mit einer dem Schlüsselfangteil des Basisteils zugewandten Stirnfläche im Bereich des Durchbruchs, 7. an Kappenteil und Lagerteil eine gemeinsame zentrierende Steckverbindung ausgebildet ist, 8. das Kappenteil und das aufgesteckte Lagerteil gemeinsam mittels beide durchdringender Schrauben am Schlüsselfangteil des Basisteils befestigt sind, 9. das Lagerteil zusammen mit dem Kappenteil zwei wahlweise belegbare Führungsschlitze für die Stange(n) bildet, in der Weise dass 9.1 vom Boden des Kappenteils und, spiegelbildlich dazu, von einem Boden des Lagerteils zwei parallele längere und zwei dazu senkrechte kürzere Seitenwände ausgehen und 9.2 in montiertem Zustand zusammen mit den Böden die beiden wahlweise belegbaren Führungsschlitze für die Stange (n) bilden, 10. das Ritzel an einer Seite im Kappenteil und an der anderen Seite im Lagerteil gelagert ist.
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4. Unter dem im Merkmalen 4.1 verwendeten Begriff "Schulter" ist - wie sich aus der Angabe zu ihrer Position in Merkmal 4.1.1 entnehmen lässt und weiter durch die Figur 12 und ihre Beschreibung in der Streitpatentschrift (Sp. 8 Z. 46 bis 48) sowie durch die entsprechende auf die zweite Ausführungsalternative bezogene Figur 27 (vgl. Sp. 10 Rn. 31) erläutert wird - der Rand des Schlüsselfangteils zu verstehen, mit dem das Basisteil nach Einsetzen in die rechteckige Öffnung des Durchbruchs an der Außentürfläche anliegt. Dieses Element, das in der Beschreibung der Streitpatentschrift unter der Bezeichnung als "Rand" ebenso wie im Patentanspruch 1 unter dem Begriff "Schulter" durch das Bezugszeichen 92 gekennzeichnet wird, springt gegenüber dem die Ein- senkung (96) umfassenden Sockelbereich des Basisteils vor und kann so seine Abdeckfunktion erfüllen.
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Aus der Funktion der Schulter, einen axialen Anschlag des Schlüsselfangteils an das Türblatt sicherzustellen, ergibt sich - wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat - zugleich, dass sich der nach Merkmal 5 vorgesehene Sockel am Basisteil, der den Durchbruch in der Türfläche durchragt, nur am Schlüsselfangteil des Basisteils befinden kann. Für die erste Alternative des Patentanspruchs 1 folgt dies zudem auch schon unmittelbar aus dem Wortlaut des Patentanspruchs, da das hier einteilige Basisteil allein vom Schlüsselfang gebildet wird. Für die angegriffene zweite Alternative des Patentanspruchs 1 wird das Zusammenwirken von Schulter und Sockel am Schlüsselfangteil von der Streitpatentschrift auch zeichnerisch in den diesbezüglichen Ausführungsbeispielen (Figuren 20 und 31 sowie Figuren 27, 28 und 23) gezeigt.
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Nach der Lehre des Patentanspruchs 1 des Streitpatents wird das (Teil-) Problem einer Vereinfachung der Montage bzw. Demontage und Umstellbarkeit des Stangenverschlusses durch das funktionale Zusammenwirken einer Reihe der genannten Merkmale gelöst. Die Montage wird zunächst dadurch erleichtert , dass durch die einheitliche und symmetrische Ausbildung der Bauteile des Kappenteils und des Lagerteils, die schon mithilfe der zentrierenden und eine gegenseitige Verriegelung der beiden Teile bewirkenden Steckverbindung zusammengefügt werden (Streitpatentbeschreibung Sp. 10 Z. 40 bis 50), gemäß den Merkmalen 7 und 9 eine Art Schlosskasten als vormontierbare Baueinheit zur Verfügung gestellt wird. Dieser Schlosskasten lässt sich durch die zwei in Merkmal 8 vorgesehenen ihn durchdringenden Schrauben an dem Schlüsselfangteil befestigen, womit der Stangenverschluss zugleich am Türblatt befestigt wird, das zwischen den beiden Teilen des Basisteils eingeklemmt wird. Durch den nach Merkmal 5 vorgesehenen, den Durchbruch in der Türfläche durchragenden Sockel am Schlüsselfangteil erfolgt eine Festlegung dieses Bauteils. Zugleich wird dadurch, dass der Sockel den Durchbruch in der Türfläche durchragt , eine schnelle Positionierung auch des Schlosskastens an dem vorgesehenen Platz erreicht, an dem mit Schlüsselfangteil und Lagerteil beide Teile des Basisteils aneinanderliegen. Dabei verhindert schon der Sockel eine Verschiebung der beiden Komponenten des Basisteils, wobei das Lagerteil, soweit es gemäß Merkmal 6 im Bereich des Durchbruchs an der Innentürfläche anliegt, dem aus dem Durchbruch herausragenden Teil des Sockels übergestülpt ist. Da der gesamte Stangenverschluss über die Schraubenverbindung nach Merkmal 8 zusammengehalten und am Türblatt ohne zusätzliche Schrauben montiert wird, sind durch bloßes Öffnen der Verschraubung am Kappenteil des Schlosskastens nachträgliche Änderungen in der Anordnung der zusammenwirkenden Teile des Verschlusses auf einfache Art möglich.
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Ein Ausführungsbeispiel des streitpatentgemäßen Stangenverschlusses in der zweiten Alternative des Patentanspruchs 1, bei der das Basisteil zweiteilig ist, zeigen die drei nachstehend verkleinert wiedergegebenen zeichnerischen Darstellungen in Figur 20 des Streitpatents, die den Stangenverschluss in einer Axialschnittansicht, von hinten und von oben zeigen:
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III. Das Patentgericht hat den Gegenstand des Streitpatents für patentfähig erachtet und das Vorliegen der hier allein streitigen Voraussetzung, dass die nach Patentanspruch 1 geschützte Lehre auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht , im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Ausgehend von einem Stangenverschluss, wie er in der deutschen Offenlegungsschrift 34 07 701 A1 oder der deutschen Offenlegungsschrift 34 07 700 A1 beschrieben sei, stellten sich zwar einzelne der in der Streitpatentschrift angegebenen Teilaufgaben - wie die Änderung der Schließ- und Öffnungsrichtung bzw. die Umstellung von links auf rechts ohne umständliche Demontagearbeiten oder die Vermeidung unerwünschter Reibungen der Flachstangen - in der Praxis von selbst. Der Fachmann wäre jedoch überfordert , würde er zugleich vor alle sechs, in der Streitpatentschrift angegebenen Teilaufgaben gestellt; es sei auch nicht zu erwarten, dass ihm eine Führungskraft einen Konstruktionsauftrag erteile, der die Lösung von sechs Teilaufgaben umfasse. Vielmehr werde ein Fachmann zunächst daran denken, den vorliegenden , aus der DE 34 07 701 A1 oder der DE 34 07 700 A1 bekannten Stangenverschluss an einzelnen Stellen - etwa die Reibung der Stangen oder die Lagerung des Ritzels betreffend - zu verbessern, eine vollständige Umkonstruktion werde er aber nicht in Betracht ziehen.
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Denke der Fachmann zunächst daran, die Reibung der Schienen bei dem Stangenverschluss gemäß der DE 34 07 701 A1 oder der DE 34 07 700 A1 zu verbessern, so könne er zwar aus der deutschen Gebrauchsmusterschrift 74 03 366 entnehmen, dass bei dem darin beschriebenen Stangenverschluss eine geringere Reibung auftrete. Jedoch werde der Fachmann wegen aufwändiger Demontage, d.h. schwieriger Zugänglichkeit zu den Schienen abgehalten, diesen Stangenverschluss insgesamt zu übernehmen, zumal er ihn dabei auch noch für die Montage in einem oder zwei rechteckigen Durchbrüchen anzupassen gehabt hätte. Dazu hätte der Fachmann mehrere Konstruktionsschritte durchführen müssen, die ihm mangels systematischer Schulung aber nicht zu- zutrauen seien. Auch in Kenntnis der deutschen Offenlegungsschrift 33 00 423 A1 gelange der Fachmann nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 in seiner angegriffenen Alternative, da ihm die Druckschrift nur einen Hinweis darauf gebe, wie eine Stange zu führen sei. Damit liege diese für den Fachmann noch weiter ab als die deutsche Gebrauchsmusterschrift 74 03 366, welche die Führung zweier Stangen zeige. Eine andere Beurteilung ergäbe sich auch nicht, wenn der Fachmann anstelle der deutschen Offenlegungsschriften 34 07 701 A1 oder 34 07 700 A1 von dem Prospekt PS 4000 i.V.m. den Fotos (Anlage K4) ausgehen würde, da der darin gezeigte Stangenverschluss dem in den beiden Offenlegungsschriften gezeigten sehr ähnlich sei. Es sei demnach nicht ersichtlich, warum der Fachmann einzelne Merkmale aus dem Stand der Technik kombinieren sollte, um zum Stangenverschluss des Patentanspruchs 1 in seiner angegriffenen Alternative zu gelangen.
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IV. Diese Beurteilung durch das Patentgericht hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand. Das Patentgericht hat den Gegenstand des Streitpatents zu Recht als patentfähig angesehen. Auch der Senat gelangt nicht zu der für eine Nichtigerklärung des Streitpatents erforderlichen Wertung, dass dessen Lehre zum technischen Handeln, deren Neuheit auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war und damit nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhte (Art. 56 EPÜ). Die im Stand der Technik zum Anmeldezeitpunkt bekannten Lösungen haben dem Fachmann weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit Anlass bzw. Anregung gegeben, den mit dem Streitpatent vorgeschlagenen Lösungsweg zu beschreiten.
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1. Hier maßgeblicher Fachmann ist in Übereinstimmung mit den Parteien und dem Patentgericht, das insoweit einer entsprechenden Definition des Senats in zwei vorausgegangenen Nichtigkeitsverfahren betreffend das parallele europäische Patent 0 261 266 des Beklagten gefolgt ist (Senat, Urteil vom 24. Oktober 1996 - X ZR 29/94 und Urteil vom 17. Dezember 2002 - X ZR 155/99), ein Techniker mit langjährigen betrieblichen Erfahrungen in der Konstruktion von Blechschränken, der sich auf verwandten Gebieten wie dem der Fensterbeschläge, Torverschlüsse und Autoschlösser grob auskennt und sich dort zu findende Lösungen nutzbar macht. Er verfügt nicht über die systematische Schulung eines Fachhochschulingenieurs und löst die ihm gestellten konstruktiven Aufgaben nicht durch systematische Problemanalyse, sondern in Kombination seines Erfahrungswissens. Der Entwicklungsauftrag wird diesem Fachmann in der Regel von Führungskräften gestellt, die Fachhochschulingenieure sind und die dem Techniker bei der Kontrolle von Entwürfen gelegentlich auch konstruktive Hinweise geben. Die eigentliche "Arbeit am Objekt" und das Auffinden der Problemlösung sind danach aber nicht Aufgabe der genannten Führungskräfte, sondern bleiben Aufgabe des Technikers, der die Lösungsvorschläge aus seinem Erfahrungswissen entwickelt. Der gerichtliche Sachverständige hat den Ausbildungsstand des Durchschnittsfachmanns dahin weiter konkretisiert, dass dieser eine Ausbildung als technischer Zeichner oder im handwerklichen Bereich besitzt und sich zum Maschinenbautechniker weiterqualifiziert hat.
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2. Die deutsche Offenlegungsschrift 34 07 701 (Anlage K5), welche die Klägerin als nächstkommende Entgegenhaltung aus dem Stand der Technik ansieht, hat dem Fachmann keine Anregung für eine streitpatentgemäße Weiterentwicklung eines gattungsgemäßen Stangenverschlusses gegeben. Diese Druckschrift betrifft einen Schaltschrank mit einer Tür, die zwei Durchbrüche aufweist. Ihr liegt das Problem zugrunde, Schaltschränke so auszugestalten, dass sie mit den unterschiedlichsten Verschlussbetätigungs- und Schlosselementen bestückbar sind und nur eine einheitliche Türtype erfordern, ohne die Variationsmöglichkeiten der Verschlüsse einzuschränken. Dazu werden an der Tür ein Verschlusselement und zwei gleich ausgebildete und symmetrisch zur horizontalen Mittelachse der Durchbrüche angeordnete Schlossplatten angebracht , wobei eine Schlossplatte das durch einen Durchbruch der Tür geführte Verschlussbetätigungselement trägt, während die weitere Schlossplatte jeweils den anderen Durchbruch abdeckt.
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Die deutsche Offenlegungsschrift 34 07 701 (K5) zeigt ähnlich wie die parallele deutsche Offenlegungsschrift 34 07 700 desselben Anmelders (Anlage ES5), die unmittelbar den Verschluss für Schaltschranktüren betrifft und bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt sowie in der Streitpatentschrift gewürdigt worden ist (Sp. 1 f. Rn. 2 und 3), einen gattungsgemäßen Stangenverschluss, der in einem der beiden rechteckigen Durchbrüche einer Blechschranktür montiert wird. Die von der Entgegenhaltung K5 offenbarte Verschlussvorrichtung besteht aus einem Schloss (51), einem als Schlossplatte bezeichneten Schlüsselfang (20) und einem Lagerelement (30-33), in dem ein Ritzel (38) drehbar gehalten wird, wobei das Ritzel mittels durch das Türblatt (10) nach außen geführter Betätigungseinrichtung (25) über eine Betätigungswelle (36) drehbar ist (K5, Beschreibung S. 13 Abs. 2; Figuren 3 bis 5), sowie aus Schubstangen, die mit Verzahnungen versehen sind (K5, Beschreibung S. 11 Abs. 2 Satz 4). In diese Verzahnungen greifen die Zähne des als Zahnrad ausgebildeten Ritzels (38) ein, wobei die Schubstangen jedenfalls im Bereich des Schlosses am Türblatt verschieblich gelagert sind. Die Verschlussvorrichtung weist damit ein zweiteiliges Basisteil auf, das sich aus einem Schlüsselfangteil (Schlossplatte 20) und aus einem Lagerteil (30-33) zusammensetzt, das die Führungsschlitze für die Stangen bildet (K5, Beschreibung S. 11 Abs. 2 Satz 4) und mit einer dem Schlüsselfangteil zugewandten Stirnfläche (31) über den Randbereich des Durchbruchs hinausgehend an der Innentürfläche anliegt (vgl. K5, Figuren 1 und 3). Zudem ist es der Beschreibung der Offenlegungsschrift zufolge zweckmäßig , dass das dort als "Verschluss" bezeichnete Lagerelement auf seiner der Tür zugekehrten Seite einen Zentrieransatz aufweist, der auf den Querschnitt des ersten Durchbruchs hin ausgelegt ist (K5, Beschreibung S. 8 Abs. 3, S. 10 f.; Patentanspruch 6). Im Gegensatz zu der parallelen deutschen Offenlegungsschrift 34 07 700 (ES5) ist mithin auch ein Sockel (Zentrieransatz) am Basisteil offenbart. Der Verschluss nach der Entgegenhaltung K5 übernimmt daher sowohl die Funktion einer Getriebelagerung als auch die eines Zentriermittels. Da der Sockel allerdings nicht nur dem Querschnitt, sondern auch der Tiefe des Durchbruchs entsprechen soll, durchragt er diesen, anders als es das Merkmal 5 des Streitpatentanspruchs 1 vorsieht, nicht.
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Abgesehen von der unterschiedlichen Problemstellung der Entgegenhaltung K5 gegenüber derjenigen des Streitpatents bestehen zwischen dem in dieser Offenlegungsschrift beschriebenen Stangenverschluss und dem Gegenstand des Streitpatents so erhebliche konstruktive Unterschiede, dass diese Entgegenhaltung für sich genommen dem Fachmann die Lehre nach Patentanspruch 1 nicht nahegelegt hat. Denn der Stangenverschluss nach der Druckschrift K5 zeigt im Unterschied zum Gegenstand des Streitpatents keine gekröpfte und entlang ihrer Längsachse symmetrisch ausgebildete Schubstange und sieht auch kein Kappenteil vor. Daher sind neben der Merkmalsgruppe 2.2, die nur teilweise erfüllt ist, insbesondere das Merkmal 3.2 sowie die Merkmale 7 bis 10 nicht verwirklicht, die vornehmlich den inneren Aufbau des zweiteiligen Schlosskastens betreffen, der gekennzeichnet ist durch die Lagerung des Ritzels sowohl im Kappen- als auch im Lagerteil und durch deren Zusammenfügung über eine gemeinsame Steckverbindung zu einer Einheit, die Führungsschlitze für die Schubstange(n) ausbildet.
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Außerdem erhält der Fachmann aus der deutschen Offenlegungsschrift 34 07 701 keine Hinweise darauf, dass der gesamte Stangenverschluss wie nach der Lehre des Streitpatents über dieselbe Schraubenverbindung, die den Schlosskasten mit dem Schlüsselfangteil verspannend zusammenhält, in einem Montagevorgang von einer Türseite aus am Türblatt befestigt werden könnte, ohne dass es hierfür noch zusätzlicher Schrauben bedürfte. Vielmehr werden nach der deutschen Offenlegungsschrift (K5, Beschreibung S. 8 Abs. 3, S. 11 Abs. 2) - wie auch das Schaubild gemäß Anlage K16 veranschaulicht, das aus den Figuren 1 bis 3 der Druckschrift K5 unter Ergänzung eines Sockels am Verschluss (30-33) zusammengesetzt worden ist - die zwei Verbindungsschrauben, welche die Schlossplatte am Türblatt befestigen, von der Türinnenseite aus in die Gewindesacklochbohrungen (21, 22) der Schlossplatte geschraubt, wobei nur eine der beiden Verbindungsschrauben auch durch eine Befestigungsbohrung (35) geführt wird, die auf der Grundplatte (31) des Verschlusses (30-33) angebracht ist, und den Verschluss gemeinsam mit der Schlossplatte an der Tür festlegt und verspannt. Erst durch eine dritte Verbindungsschraube kann von der Türaußenseite aus über eine dritte Befestigungsbohrung des Türblatts (16) und die weitere Befestigungsbohrung (34) auf der Grundplatte (31) des Verschlusses (30-33) dessen Verbindung mit der Tür vervollständigt werden. Auch die Befestigungskonstruktion des Verschlusses nach der Druckschrift K5 weist den Fachmann daher in eine andere Richtung als in die des streitpatentgemäßen Stangenverschlusses. Gleiches gilt insoweit ebenfalls für die parallele deutsche Offenlegungsschrift 34 07 700 (ES5), bei der das dort zusätzlich offenbarte , allerdings lediglich einer Abdeckung dienende Kappenteil ("Abdeckkappe" 38 in Figur 3) noch mit einer zusätzlichen Schraube (39) am Führungsblock (33) des Verschlusses befestigt werden muss (ES5, Beschreibung S. 15 Abs. 1).
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3. Die Montageanleitung "PS 4000 Perfektschrank-System" des Herstellers R. (Anlage K3) zeigt einen Stangenverschluss, der sowohl hinsichtlich des inneren Aufbaus des Schlosskastens (Lagerteils) als auch hinsichtlich der Befestigungskonstruktion der aus der Entgegenhaltung K5 bekannten Vorrichtung sehr ähnlich ist und insbesondere die Merkmale 7 bis 10 des Streitpatent- anspruchs 1 nicht verwirklicht, die vornehmlich den inneren Aufbau des zweiteiligen Schlosskastens betreffen. Sie führt den Fachmann ebenfalls nicht zur Lehre des Streitpatents.
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Bei der Verschlussvorrichtung nach der R. -Montageanleitung (K3) werden der an der einen Seite der Schranktür anliegende Schlosskasten und die auf der gegenüberliegenden Seite des Türblatts anliegende Schlossabdeckung unabhängig voneinander befestigt. Die Entgegenhaltung K3 stellt in den einen Verschlussumbau illustrierenden Abbildungen auf Seite 10 eine den Verschluss auf der der Tür abgewandten Seite abdeckende und als "Schlossplatte" bezeichnete Kappe (5) dar, die jedoch lediglich der Abdeckung des Verschlusses dient. Denn nach Entfernen der Schlossplatte (5) durch Lösen der beiden Senkschrauben (1, 4) wird der Verschluss nach wie vor mit seiner der Tür zugewandten Platte durch die von der Frontseite aus eingesetzte Zylinderschraube (11) auf der Innenseite des Türblatts gehalten. Wie sich aus den Erläuterungen der Abbildungen zum Verschlussumbau beim Türanschlagwechsel ergibt (K3, S. 10 zu Ziff. 3), wird die Schlossabdeckung (9), die auf der dem Verschluss gegenüberliegenden Außenseite des Türblatts angeordnet ist, unabhängig von der Befestigung des Verschlusses von der Zylinderschraube (10) auf das Türblatt von der Türinnenseite aus aufgeschraubt. Von der Lehre des Streitpatents unterscheidet der Verschluss nach der Entgegenhaltung K3 sich mithin auch durch seine Befestigungskonstruktion, die zusätzliche Verschraubungen benötigt, deren Vermeidung zur Vereinfachung der Montage ein Anliegen des Streitpatents ist.
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4. Entgegen der Ansicht der Berufung war der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents dem Fachmann auch nicht durch eine Kombination der Entgegenhaltung K5 mit der deutschen Gebrauchsmusterschrift 74 03 366 (K7) nahegelegt.
28
Aus dieser ebenfalls bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigten sowie in der Streitpatentschrift gewürdigten (Sp. 2 Rn. 6) Druckschrift ist ein Antriebsgehäuse für eine Verriegelungseinrichtung für Fenster und Türen oder dergleichen bekannt, das kassettenartig in Ausnehmungen eines Fensterrahmens oder eines Türblatts eingesetzt werden kann. Die Entgegenhaltung K7 beschreibt das Antriebsgehäuse als einen Stangenverschluss, der ein Ritzel (23) als Antriebsmittel für zwei entgegengesetzt angetriebene Zahnstangen (21, 22) aufweist, deren Ausnehmungen (26) eine entlang der Längsachse verlaufende Perforation darstellen. Das Gehäuse besteht aus zwei gleichen, seitenverkehrt aufeinanderliegenden Profilabschnitten (1, 2), die Rippen und Nuten aufweisen, die sich in Längsrichtung erstrecken und zum Zwecke der Zentrierung und des Verschlusses formschlüssig ineinandergreifen (K7, Beschreibung S. 2 Abs. 4, S. 3 Abs. 2, S. 4 Abs. 2). Dabei gehen spiegelbildlich von der Oberfläche bzw. vom Boden (6, 6’) der beiden Gehäuseteile (1, 2) jeweils zwei Rippen (4, 13’; 4’, 13) aus, welche die längeren parallelen Außen-/Seitenwände von zwei Längsnuten (7, 11’; 11, 7’) bilden, die als wahlweise belegbare Führungsschlitze (14, 15) für die Stangen dienen. Das Ritzel ist mit seinen Wellenzapfen (24) drehbar in Bohrungen (17, 17’) gelagert, die sich in der Mitte der Oberfläche beider Gehäuseteile befinden. Beide Gehäuseteile werden dadurch zusammengefügt, dass sie in Längsrichtung durch die in Teilnuten eingelegten Rippen (4, 4’; 8, 8’; 13, 13’) zentriert und mit zwei Schrauben (32) verschraubt werden.
29
Die Gebrauchsmusterschrift offenbart damit zwar eine Reihe weiterer Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents, die den inneren Aufbau des Schlosskastens betreffen und bei dem Stangenverschluss der Entgegenhaltung K5 fehlen. Gleichwohl bietet sich der Schlosskasten nach der Gebrauchsmusterschrift K7 dem Fachmann nicht als Vorbild für eine Weiterentwicklung des gattungsgemäßen Verschlusses nach der Offenlegungsschrift K5 an. Der Entgegenhaltung K7, die als Aufgabe der Erfindung beschreibt, eine Anpassung des Antriebsgehäuses an unterschiedliche Einbaulängen und Montagemaße zu vereinfachen und die Herstellungskosten zu verringern, liegt eine andere Problemstellung als die des Streitpatents zugrunde. Demgemäß wird in der Gebrauchsmusterschrift - worauf bereits in der Streitpatentschrift zutreffend hingewiesen worden ist - die Möglichkeit einer freien Bestimmbarkeit der Schließ- und Öffnungsrichtung des Schlosses und dessen Umsetzbarkeit von einer zur anderen Fenster- bzw. Türseite nicht angesprochen. Zudem steht die andersartige Befestigungskonstruktion des Verschlusses, der nicht auf die (Fenster-)Zarge aufgeschraubt, sondern in eine Ausnehmung eingesetzt wird, einer näheren Befassung des Fachmanns mit dieser Druckschrift entgegen. Vor allem erkennt der Fachmann hinsichtlich des sich ihm stellenden Problems einer einfachen Montage und Demontage des Stangenverschlusses sofort, dass dieser Vorgang bei dem in der Gebrauchsmusterschrift K7 gezeigten Schlosskasten recht umständlich ist. Danach werden die beiden Gehäuseteile (1, 2) nicht schon durch eine zentrierende Steckverbindung zusammengehalten, wie sie in Merkmal 7 des Streitpatentanspruchs 1 vorgesehen ist, sondern sie werden , nachdem sie umgekehrt aufeinander gelegt und zentriert worden sind (K7, Beschreibung S. 4 f.), erst mit zwei Schrauben (32) fixiert. Das hierdurch zusammengefügte Gehäuse wird in der Zarge des Fensterrahmens (34) mit zwei zusätzlichen Schrauben (33) befestigt, die von außen durch Bohrungen der Fußplatte des Griffs (27) und der Zarge (34) hindurchgeführt werden und in die Gewindebohrung (18, 18’) des Gehäuses eingreifen (K7, Beschreibung S. 6 Abs. 2 mit Figur 4). Für eine nach Patentanspruch 1 des Streitpatents ermöglichte einfache Montage des Verschlusses, der mittels eines am Basisteil angeordneten Sockels zentriert und in seiner Gesamtheit von der Türinnenseite her befestigt wird, gibt danach auch die Entgegenhaltung K7 keinerlei Anregung.
30
Überdies hätte der in der Entgegenhaltung K7 gezeigte Schlosskasten für den Einbau in den rechteckigen Durchbruch einer Blechschranktür im Wege mehrerer Entwicklungsschritte komplex umgestaltet werden müssen, indem ein Sockel zur einfachen Zentrierung des Verschlusses in der Tür vorzusehen und die Befestigungskonstruktion zu ändern gewesen wäre. Hierzu war ein Techniker als hier maßgeblicher Fachmann, dessen Vorgehen anders als bei einem Fachhochschulingenieur nicht durch eine systematische Herangehensweise an das sich stellende Problem gekennzeichnet ist, nicht in der Lage, wie bereits das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat.
31
5. Schließlich hat der Senat vor dem Hintergrund des Standes der Technik , wie ihn u.a. die vorgenannten Entgegenhaltungen widerspiegeln, auch nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die vom Streitpatent vorgeschlagene Lösung bereits auf Grund des allgemeinen Fachwissens und des stets vorhandenen Strebens nach Verbesserung bekannter Lösungen nahegelegen hat. Wenngleich aus den vorgenannten Entgegenhaltungen eine Vielzahl von Einzelmerkmalen in der Ausprägungsform der geschützten Lehre des Patentanspruchs 1 bekannt gewesen sind, stellt die streitpatentgemäße Konstruktion gegenüber den bekannten gattungsmäßigen Stangenverschlüssen doch eine komplexe Veränderung dar, die Überlegungen in ganz unterschiedliche Richtungen voraussetzt. Der Senat folgt dem gerichtlichen Sachverständigen in der Annahme, dass es an den Fachmann keine besonderen Ansprüche gestellt haben mag, jedes der Einzelmerkmale in der Ausprägungsform der geschützten Lehre für sich genommen aufzufinden und geometrische Variationen bekannter Lösungen zu entwickeln. Daraus folgt aber nicht zwingend, dass ohne erfinderische Leistung die den Erfindungsgegenstand ausmachende geschickte Kombination der Einzelmerkmale möglich war, die etwa zu der beschriebenen einfachen Montage des Stangenverschlussschlosses führt. Mangels eines konkreten Vorbilds als Ausgangspunkt für die streitpatentgemäße Vorrichtung mag sich http://www.juris.de/jportal/portal/t/2hl9/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE320152009&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2hl9/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE320152009&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 23 - hier zwar im Nachhinein eine aus der Sachlogik der gefundenen Lösung herzuleitende Möglichkeit begründen lassen, dass der Fachmann die einzelnen vom gerichtlichen Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten aufgezeigten gedanklichen Schritte hätte vollziehen können, nach deren Vornahme er zur patentgemäßen Lehre gelangt wäre. Um das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungswegs nicht nur als möglich, sondern dem Fachmann nahegelegt anzusehen, bedarf es allerdings - abgesehen von den Fällen, in denen es für den Fachmann aufgrund seines Fachwissens oder -könnens auf der Hand liegt, was zu tun ist - in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; Senat, Urteil vom 7. September 2010 - X ZR 173/07 - Walzgerüst II). Derartige Anstöße sind nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats nicht erkennbar.
32
6. Mit Patentanspruch 1 haben ebenfalls die auf ihn rückbezogenen und seinen Gegenstand weiterbildenden Unteransprüche 2 bis 14 Bestand.
33
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.
Gröning Mühlens Berger Grabinski Hoffmann
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 16.02.2005 - 2 Ni 38/03 (EU) -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 201/02 Verkündet am: 24. April 2007 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

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Berichtigt durch Beschluß vom 19. Februar 2003 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 155/99 Verkündet am: 17. Dezember 2002 Wermes Justizhaup

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkün in der Patentnichtigkeitssache X ZR 226/02 Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Sammelhefter II PatG § 21 Abs. 1 Nr. 4, § 38; ZPO § 69 a) Wird von mehreren, ein Ausführungsbeispiel der

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2010 - X ZR 173/07

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 173/07 Verkündet am: 7. September 2010 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: n

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 201/02 Verkündet am:
24. April 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verpackungsmaschine

a) Eine Klageerweiterung ist im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren stets
zuzulassen, wenn der Beklagte einwilligt oder der Bundesgerichtshof die
Klageerweiterung für sachdienlich hält.

b) Die Vorschriften des § 529 Abs. 1 und des § 531 Abs. 2 ZPO sind im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren
nicht entsprechend anwendbar.
BGH, Urteil vom 24. April 2007 - X ZR 201/02 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. April 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts vom 19. März 2002 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Das europäische Patent 226 693 wird im Umfang der Patentansprüche 1, 19, 20 und 21 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des während des Berufungsverfahrens durch Zeitablauf erloschenen europäischen Patents 226 693 (Streitpatents), das auf einer Anmeldung vom 25. April 1986 beruht, für die die Priorität einer deutschen Patentanmeldung vom 20. Dezember 1985 in Anspruch genommen worden ist. Das Streitpatent umfasst 21 Patentansprüche, von denen die Ansprüche 1, 19, 20 und 21 wie folgt lauten: "1. Verpackungsmaschine zum Herstellen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material und zum Füllen sowie Verschließen der Beutel, mit einem vorzugsweise vertikal verlaufenden Füllrohr (3), das von einer Formschulter umgeben ist, an der das kontinuierlich abziehbare Hüllstoffband zu einem Schlauch formbar ist, mit einem Längssiegelorgan (12) zur Verbindung der sich überlappenden Ränder der Hüllstoffbahn und einer Quersiegelstation (6), die hinter dem Ausgangsende des Füllrohres angeordnet ist und Quersiegelbacken (81, 82) aufweist, welche an zwei um parallele Achsen synchron und gegenläufig drehbaren Siegelbackenträgern (26, 27) angeordnet sind, wobei jede Siegelbacke von einem relativ zum zugeordneten Siegelbackenträger schwenkbaren Backenhalter (36) gehalten ist, und wobei die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken während ihres Kontakts mit dem Folienschlauch höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) ständig umlaufende Hüllstoffförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen sind, die im Bereich unterhalb der Form- schulter (11) mit Reibschluss am Hüllstoff (5) anliegen, und dass das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) einstellbar ist.
19. Verpackungsmaschine nach einem der vorhergehenden Ansprüche , d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass das Verhältnis zwischen der Abzugsgeschwindigkeit des Hüllstoffschlauches (4) und der Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) während eines Umlaufes der Siegelbackenträger (26, 27) veränderlich ist zur Herstellung einer gleichschnellen Bewegung von Hüllstoffschlauch (4) und Quersiegelbacken (81, 82, 81a, 82a) im Bereich der Siegelzone (D-C).
20. Verpackungsmaschine nach Anspruch 19, d a d u r c h g e - k e n n z e i c h n e t , dass die Abzugsgeschwindigkeit des Hüllstoffschlauches (4) konstant und die Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) veränderlich ist.
21. Verpackungsmaschine nach Anspruch 20, d a d u r c h g e - k e n n z e i c h n e t , dass die Winkelgeschwindigkeit der Schlauchbeutelträger (26, 27) etwa bis zur Mitte der Siegelzone (D-C) zunimmt und danach wieder abnimmt."
2
Die Klägerin, die von der Beklagten wegen Verletzung des Streitpatents in Anspruch genommen wird, hält den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht für patentfähig. Sie beruft sich auf folgende vorveröffentlichte Druckschriften: (1) US-Patentschrift 3 850 780 (Anl. NK 3) (2) deutsche Offenlegungsschrift 27 01 443 (Anl. NK 4) (3) US-Patentschrift 4 023 327 (Anl. NK 7) (4) US-Patentschrift 2 950 588 (Anl. NK 8) (5) US-Patentschrift 4 549 386 (Anl. E 2) (6) deutsche Offenlegungsschrift 22 24 407 (Anl. E 3) (7) deutsche Offenlegungsschrift 33 38 105 (Anl. E 5)
3
Das Bundespatentgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage das Streitpatent dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass der kennzeichnende Teil des Patentanspruchs 1 wie folgt lautet: "dass der Hüllstofftransport und die Quersiegelung getrennt sind, dass zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) ständig umlaufende Hüllstoffförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen sind, die im Bereich unterhalb der Formschulter (11) mir Reibschluss am Hüllstoff (5) anliegen, und dass das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) durch voneinander unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) beliebig einstellbar ist."
4
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag, soweit abgewiesen, weiterverfolgt und ferner die Patentansprüche 19 bis 21 angreift.
5
Die Beklagte tritt der Berufung entgegen, wobei sie die Patentansprüche 19 bis 21 mit der Maßgabe verteidigt, dass sich die Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 auf die Anspruchsfassung des angefochtenen Urteils beziehen soll, und Patentanspruch 1 hilfsweise folgende Fassung erhalten soll: 1. Verpackungsmaschine zum Herstellen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material und zum Füllen sowie Verschließen der Beutel mit 1.1 einem vorzugsweise vertikal verlaufenden Füllrohr (3), 1.2 einer das Füllrohr (3) umgebenden Formschulter, an der das kontinuierlich abziehbare Hüllstoffband zu einem Schlauch formbar ist, 1.3 einem Längssiegelorgan (12) zur Verbindung der sich überlappenden Ränder der Hüllstoffbahn und 1.4 einer Quersiegelstation (6); 2. die Quersiegelstation (6) 2.1 ist hinter dem Ausgangsende des Füllrohres angeordnet , 2.2 und weist Quersiegelbacken (81, 82) auf; 3. die Quersiegelbacken (81, 82) sind an zwei Siegelbackenträgern (26, 27) angeordnet; 4. die Siegelbackenträger (26, 27) sind um parallele Achsen synchron und gegenläufig kontinuierlich drehbar; 5. jede Siegelbacke ist von einem Backenhalter (36) gehalten; 6. der Backenhalter (36) ist relativ zum zugeordneten Siegelbackenträger schwenkbar; 7. die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken ist während ihres Kontaktes mit dem Folienschlauch höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes; 7a. der Hüllstofftransport und die Quersiegelung sind getrennt; 8. zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) sind ständig umlaufende Hüllstoffförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen; 9. die Hüllstoffförderer liegen im Bereich unterhalb der Formschulter (11) mit Reibschluss am Hüllstoff (5) an; 10. das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) ist einstellbar; 10a. das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) ist durch voneinander unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) beliebig einstellbar ; 11. das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) ist derart einstellbar, dass die Abzugsgeschwindigkeit für den Hüllstoff an die Fallgeschwindigkeit des zu verpackenden Gutes annäherbar ist.
6
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Professor Dr.-Ing. H. R. , ein , schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Klägerin hat ein Gutachten vorgelegt, das Prof. Dr.-Ing. habil. J. H. , D. , in ihrem Auftrag verfasst hat; die Beklagte hat ein Gutachten vorgelegt, das Prof. Dr.-Ing. B. C. , A. , für sie erstattet hat.

Entscheidungsgründe:


7
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
8
I. Die Klage ist zulässig.
9
1. Obwohl das Streitpatent durch Zeitablauf erloschen ist, hat die Klägerin ein fortbestehendes Interesse an der Nichtigerklärung, da sie aus dem Streitpatent gerichtlich in Anspruch genommen wird (vgl. Sen.Urt. v. 15.11.2005 - X ZR 17/02, GRUR 2006, 316 - Koksofentür; st. Rspr.).
10
2. Die Klage ist auch insoweit zulässig, als sie in zweiter Instanz auf die Patentansprüche 19 bis 21 erweitert worden ist.
11
Die Klageerweiterung, der die Beklagte widersprochen hat, ist entsprechend § 533 Nr. 1 ZPO als sachdienlich zuzulassen, da sie zu einer sachgemäßen und endgültigen Erledigung des Streits zwischen den Parteien führt, der den Gegenstand des anhängigen Verfahrens bildet, und einem andernfalls zu erwartenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt (vgl. Sen.Urt. v. 6.4.2004 - X ZR 132/02, BGH Rep. 2004, 1107, m.w.N.). Soweit § 533 Nr. 2 ZPO die Zu- lassung einer Klageänderung weiterhin davon abhängig macht, dass diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat, kommt eine entsprechende Anwendung auf das Patentnichtigkeitsberufungsverfahren nicht in Betracht, da die Anwendung des § 529 Abs. 1 ZPO ihrerseits wegen der selbständigen Regelung des Umfangs der Sachprüfung im Berufungsrecht des Patentgesetzes ausscheidet (vgl. Sen.Urt. v. 13.1.2004 - X ZR 212/02, GRUR 2004, 354 - Crimpwerkzeug; Sen.Beschl. v. 7.6.2005 - X ZR 174/04, GRUR 2005, 888 - Anschlussberufung im Patentnichtigkeitsverfahren

).


12
II. Soweit die Beklagte die Patentansprüche 19 bis 21 in ihrer (unmittelbaren oder mittelbaren) Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 des erteilten Patents nicht mehr verteidigt, ist das Streitpatent in diesem Umfang ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären. Aber auch im Übrigen führt die Berufung im Umfang des Patentanspruchs 1, auch soweit das Bundespatentgericht die Klage abgewiesen hat, und ferner im Umfang der mit der zweitinstanzlichen Klageerweiterung angegriffenen Patentansprüche 19 bis 21 zur Nichtigerklärung des Streitpatents, da sich dessen Gegenstand, auch in der Fassung des Hilfsantrags , als dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt und daher nicht patentfähig erweist (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artt. 52 Abs. 1, 56 EPÜ).
13
1. Das Streitpatent betrifft eine Verpackungsmaschine zum Herstellen , Füllen und Verschließen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material. Die Maschine weist ein - vorzugsweise vertikal verlaufendes - Füllrohr auf, das von einer Formschulter umgeben ist, an der das kontinuierlich abziehbare Hüllstoffband zu einem Schlauch formbar ist, wobei ein Längssiegelorgan die sich überlappenden Ränder der Hüllstoffbahn verbindet.
Hinter der Ausgangsöffnung des Füllrohrs ist eine Quersiegelstation angeordnet , deren Siegelbacken von Backenhaltern gehalten werden und mit diesen schwenkbar an Backenträgern angeordnet sind, die um parallele Achsen synchron gegenläufig drehbar sind. Die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken ist während ihres Kontakts mit dem Folienschlauch höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbands.
14
Die Streitpatentschrift beschreibt, dass aus der deutschen Offenlegungsschrift 21 26 498 eine Verpackungsmaschine dieser Art bekannt ist, bei der der Vorschub des Folienschlauches durch die Schweißbacken erfolgt. Da nach dem Lösen der Quersiegelbacken vom Schlauch und dem Angreifen der nächsten Quersiegelbacken notwendig eine gewisse Zeit verstreicht, ist die Abzugsbewegung diskontinuierlich, was - neben den erheblichen Massenkräften durch die hohen Gewichte der Siegelbacken - die mögliche Arbeitsgeschwindigkeit begrenzt. Bei bekannten kontinuierlich arbeitenden Vorrichtungen bereitet die Anpassung an unterschiedliche Beutellängen Schwierigkeiten.
15
Der Erfindung liegt das technische Problem zugrunde, bei hoher Arbeitsleistung eine kontinuierliche Verarbeitung von Beuteln frei wählbarer Länge zu ermöglichen (vgl. Sp. 2 Z. 56-61 der Streitpatentschrift).
16
Das soll nach Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils mit folgender Merkmalskombination erreicht werden (Zusätze des Hilfsantrags kursiv): 1. Verpackungsmaschine zum Herstellen, Füllen und Verschließen von Beuteln aus einem Hüllstoffband (5) aus heißversiegelbarem Material mit 1.1 einem - vorzugsweise vertikal verlaufenden - Füllrohr (3), 1.2 einer das Füllrohr (3) umgebenden Formschulter (11), an der das kontinuierlich abziehbare Hüllstoffband (5) zu einem Schlauch (4) formbar ist, 1.3 einem Längssiegelorgan (12) zur Verbindung der sich überlappenden Ränder der Hüllstoffbahn und 1.4 einer Quersiegelstation (6); 2. zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) sind Hüllstoffförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen, die 2.1 ständig umlaufen und 2.2 im Bereich unterhalb der Formschulter (11) mit Reibschluss am Hüllstoff (5) anliegen; 3. die Quersiegelstation (6) 3.1 ist hinter dem Ausgangsende des Füllrohres (3) angeordnet , 3.2 und weist Siegelbacken (81, 82) auf; 4. Die Siegelbacken (81, 82) sind jeweils 4.1 von einem Backenhalter (36) gehalten und 4.2 über diesen schwenkbar an einem von zwei Siegelbackenträgern (26, 27) angeordnet; 5. die Siegelbackenträger (26, 27) sind um parallele Achsen synchron und gegenläufig kontinuierlich drehbar; 6. Hüllstofftransport und Quersiegelung sind getrennt; 7. das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) ist einstellbar 7.1 auf jede beliebige Relation 7.2 durch voneinander unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27), 7.2a derart, dass die Abzugsgeschwindigkeit für den Hüllstoff an die Fallgeschwindigkeit des zu verpackenden Gutes annäherbar ist, 7.3 wobei die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken (81, 82) während ihres Kontaktes mit dem Hüllstoffschlauch (4) höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes (5) ist.
17
Die Patentansprüche 19 bis 21 fügen folgende Merkmale hinzu: 7.4 wobei das Verhältnis zwischen der Abzugsgeschwindigkeit des Hüllstoffschlauches (4) und der Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) während eines Umlaufs der Siegelbackenträger (26, 27) zur Herstellung einer gleich schnellen Bewegung von Hüllstoffschlauch (4) und Siegelbacken (81, 82) im Bereich der Siegelzone (D-C) veränderlich ist (Patentanspruch 19), 7.5 derart, dass die Abzugsgeschwindigkeit des Hüllstoffschlauchs (4) konstant und die Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) veränderlich ist (Patentanspruch 20), 7.6 indem diese etwa bis zur Mitte der Siegelzone (D-C) zu- und danach wieder abnimmt (Patentanspruch 21).
18
Die nebenstehend wiedergegebene Figur 1 der Streitpatentschrift zeigt ein Ausführungsbeispiel.
19
2. Der Gegenstand der verteidigten Patentansprüche 1 und 19 bis 21 war dem Fachmann am Prioritätstag durch den Stand der Technik nahegelegt.
20
a) Nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts wird durch das der Erfindung zugrunde liegende Problem ein an einer Fachhochschule ausgebildeter DiplomIngenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Erfahrungen in der Entwicklung von Verpackungsmaschinen angesprochen. Dies wird von den Parteien nicht in Zweifel gezogen und entspricht im Wesentlichen der Beurteilung durch den gerichtlichen Sachverständigen und die Privatgutachter der Parteien.
21
b) Eine Verpackungsmaschine zum Herstellen, Füllen und Verschließen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material mit Füllrohr, Formschulter, Längssiegelorgan und Quersiegelstation war aus der US-Patentschrift 2 950 588 (Druckschrift 4) bekannt. Die Quersiegelstation ist hinter dem Ausgangsende des Füllrohres angeordnet und weist Siegelba- cken (die faces 46) auf. Sie sind jeweils von einem Backenhalter (die body 45) gehalten und über diesen schwenkbar an einem Siegelbackenträger (crank 52) angeordnet. Die Siegelbackenträger sind um parallele Achsen (der Wellen 28, 57) synchron gegenläufig drehbar, wobei die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken während ihres Kontakts mit dem Folienschlauch der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes entspricht (Sp. 6 Z. 23 f.). Hüllstofftransport und Quersiegelung sind getrennt: Zum Abzug des Hüllstoffbandes sind Hüllstoffförderer (film feed rollers 44) vorgesehen, die ständig umlaufen und im Bereich unterhalb der Formschulter mit Reibschluss am Hüllstoff anliegen. Das entspricht , wie auch die Beklagte nicht bezweifelt, im Umfang der Merkmale 1 bis 6 sowie 7.3 der technischen Lehre des Streitpatents.
22
Hingegen ist, wie die Beklagte zu Recht geltend macht, und entgegen der Annahme des Bundespatentgerichts bei der bekannten Vorrichtung das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer und der Siegelbackenträger nicht wie von Merkmal 7 gefordert einstellbar. Denn zur Verarbeitung unterschiedlicher Beutellängen sind auf dem Hüllstoffband Markierungen (60) vorgesehen, die von einem photoelektrischen Sensor (59) abgetastet werden, der über ein Relais (61) eine elektrische Kupplung (29) steuert, die die Antriebswellen für die Siegelbackenträger mit dem Motor (24) verbindet. Je nach Größe des Abstands zwischen zwei Markierungen werden die Siegelbackenträger während ihres Umlaufs für eine bestimmte Zeit angehalten. Werden sie in Bewegung gesetzt, laufen sie mit konstanter Geschwindigkeit um, die gewährleistet, dass sie sich in der Siegelzone mit gleicher Geschwindigkeit wie der Hüllstoffschlauch bewegen (Sp. 4 Z. 37-54). Dies stellt keine Einstellbarkeit des Verhältnisses der Umfangsgeschwindigkeiten im Sinne des Merkmals 7 dar. Das Verhältnis der Umfangsgeschwindigkeiten bleibt vielmehr konstant, damit in der Siegelzone keine Geschwindigkeitsdifferenz auftritt (Merkmal 7.3).
Stehen die Siegelbackenträger hingegen still, gibt es keine Relation zwischen zwei Umfangsgeschwindigkeiten.
23
Der Erwägung der Klägerin, unter der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger im Sinne des Merkmals 7 sei deren durchschnittliche Umfangsgeschwindigkeit zu verstehen, kann nicht gefolgt werden. Insbesondere kann dieses Verständnis nicht damit begründet werden, dass das Streitpatent es zulässt und in den Merkmalen 7.4 und 7.5 sogar erfordert, dass sich die Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger während eines Umlaufs verändert. Vielmehr ergibt sich umgekehrt aus dem Umstand, dass sich erfindungsgemäß nicht nur die Geschwindigkeiten ändern, sondern das Geschwindigkeitsverhältnis selbst während eines Umlaufs der Siegelbackenträger veränderlich sein kann (Merkmal 7.4), dass unter dem Geschwindigkeitsverhältnis im Sinne des Merkmals 7 die Relation der beiden Geschwindigkeiten über einen gegebenen Drehwinkel zu verstehen ist.
24
c) Gleichwohl war es dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt, die bekannte Vorrichtung dadurch weiterzubilden, dass er für eine Einstellbarkeit des Verhältnisses der Umfangsgeschwindigkeiten Sorge trug, wie sie die Merkmale 7 bis 7.6 des Streitpatents vorschreiben.
25
aa) Bei einer Analyse der Vorrichtung nach der Druckschrift 4, wie sie von einem Diplom-Ingenieur erwartet werden konnte, war erkennbar, dass die Steuerung des Siegelbackenträgerumlaufs es in einfacher Weise ermöglichte, Beutel unterschiedlicher Länge zu verarbeiten, dass der Steuerungsmechanismus jedoch relativ unflexibel war. Das Hüllstoffmaterial musste mit (lesbaren) Markierungen versehen und zur Anbringung solcher Markierungen geeignet sein, und eine Änderung der Beutellänge setzte die Zuführung eines mit anderen Markierungen versehenen Hüllstoffbandes voraus. Schon darin hat der ge- richtliche Sachverständige einen aus der fachmännischen Sicht des Prioritätszeitpunkts nach Abhilfe verlangenden Nachteil gesehen. Zudem beschränkte die Regelung des Siegelbackenträgerumlaufs durch unterschiedlich lange Stillstandszeiten den regelbaren Bereich möglicher (durchschnittlicher) Umlaufgeschwindigkeiten ; auch dies fiel aus der Sicht des um Prozessoptimierung bemühten Fachmanns ins Gewicht. Schließlich mussten diesem auch das Abbremsen der Siegelbackenträger bis zum Stillstand und das Wiederanfahren innerhalb sehr kurzer Arbeitstakte ungünstig erscheinen.
26
All dies bot hinreichenden Anlass für die Prüfung, wie die Umlaufgeschwindigkeit der Siegelbackenträger in anderer Weise gesteuert werden konnte. Insoweit gehörte es, wie der gerichtliche Sachverständige erläutert hat, im Prioritätszeitpunkt zum allgemeinen Fachwissen, dass bei zwei von einem einzigen Motor angetriebenen Maschinenteilen, die zeitweise unterschiedliche Ansteuerungen erforderten, ohne besonderen Aufwand anstelle einer Kupplungsverbindung ein zweiter Schrittmotor vorgesehen und gesondert angesteuert werden kann. Sah der Fachmann sich, sofern es dessen überhaupt bedürfen sollte, nach einem Vorbild für eine derartige Steuerung um, so fand er in der US-Patentschrift 4 549 386 (Druckschrift 5) eine Verpackungsmaschine, bei der die Quersiegelbacken mikroprozessorgesteuert von einem eigenen Motor angetrieben werden.
27
Der Bitte der Beklagten, diese Druckschrift nach § 531 Abs. 2 ZPO wegen verspäteter Einführung erst in der Berufungsinstanz außer Betracht zu lassen , kann nicht entsprochen werden. Abgesehen davon, dass auch nach § 531 Abs. 2 ZPO unstreitiges neues Vorbringen, wie es der Inhalt der USPatentschrift 4 549 386 als solcher darstellt, nicht zurückgewiesen werden könnte (BGHZ 161, 138), findet die Vorschrift aus den zu I. dargelegten Grün- den im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren keine Anwendung. Die Voraussetzungen des § 117 Abs. 1 PatG liegen nicht vor.
28
bb) Erwog der Fachmann eine Regelung der in der Druckschrift 5 beschriebenen Art für den Siegelbackenträgerantrieb, musste ihm dabei bewusst sein, dass er den Gleichlauf von Siegelbackenträgern und Hüllstofftransport im Bereich der Siegelzone beibehalten musste, jedenfalls die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken während ihres Kontaktes mit dem Folienschlauch höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes sein durfte (vgl. Merkmal 7.3), um Beschädigungen des Hüllstoffbandes auszuschließen. Daraus ergab sich zwangsläufig die Konsequenz, einerseits eine von der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger mit der Folge einer beliebigen Geschwindigkeitsrelation (Merkmale 7 bis 7.2) und der Möglichkeit einer kontinuierlichen Drehung (Merkmal 5 i.d.F. des Hilfsantrags) vorzusehen, andererseits im Bereich der Siegelzone den Gleichlauf mit der Folge eines im Sinne des Merkmals 7.4 veränderlichen Geschwindigkeitsverhältnisses beizubehalten.
29
cc) Zur Umsetzung eines solchen veränderlichen Geschwindigkeitsverhältnisses bot es sich an, die Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger im Bereich der Siegelzone zweckentsprechend zu wählen (Merkmale 7.5 und 7.6). Eine solche Abstimmung konnte, wie auch die Streitpatentschrift bemerkt (Sp. 11 Z. 23-27) "mit konventionellen Mitteln erfolgen", wobei hierfür sowohl rein mechanische als auch elektronische Lösungen zur Verfügung standen. Dies zeigen sowohl die deutsche Offenlegungsschrift 22 24 407 (Druckschrift 6) als auch die deutsche Offenlegungsschrift 33 38 105 (Druckschrift 7), die jeweils entsprechende Steuerkurven für Siegelbackenträger offenbaren, und ist auch von der Beklagten zuletzt nicht mehr in Zweifel gezogen worden.
30
dd) Schließlich musste es zweckmäßig erscheinen, die Abzugsgeschwindigkeit für den Hüllstoff in weitgehender Annäherung an die Fallgeschwindigkeit des zu verpackenden Gutes zu wählen (Merkmal 7.2a). Denn bei einer höheren Geschwindigkeit müsste, wenn die Beutel vollständig gefüllt werden sollten, der Hüllstoff diskontinuierlich gefördert werden, was unerwünscht ist. Eine wesentlich niedrigere Geschwindigkeit führte hingegen zu einer unerwünschten Verlangsamung des Herstellungsprozesses und wäre zudem mit der offenkundigen Gefahr einer stärkeren Beanspruchung der frischen Quersiegelnaht verbunden.
31
ee) Insgesamt gelangte der Fachmann damit in naheliegender Weise zu einem Gegenstand mit sämtlichen Merkmalen 1 bis 7.6 der Patentansprüche 1 und 19 bis 21.
32
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 19.03.2002 - 1 Ni 8/01 (EU) -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkün
in der Patentnichtigkeitssache
X ZR 226/02
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Sammelhefter II

a) Wird von mehreren, ein Ausführungsbeispiel der Erfindung beschreibenden
Merkmalen nur eines in den Patentanspruch aufgenommen, das die mit
dem Ausführungsbeispiel erzielte technische Wirkung angibt, liegt darin
auch dann keine unzulässige Erweiterung, wenn ein anderer Weg zur Erzielung
derselben Wirkung nicht offenbart ist.

b) Wer dem Patentnichtigkeitsverfahren auf Seiten des Klägers beitritt, gilt als
Streitgenosse des Klägers (Abweichung vom Sen.Urt. v. 30.9.1997
- X ZR 85/94, GRUR 1998, 382, 387 - Schere).
BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 - X ZR 226/02 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. MeierBeck
und Gröning

für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 25. Juni 2002 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 4/5 der Klägerin und ihrer Streithelferin und zu 1/5 der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 16. Mai 1986 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Schweizer Anmeldung vom 4. Juni 1985 angemeldeten und im Laufe des Berufungsverfahrens durch Zeitablauf erlosche- nen deutschen Patents 36 16 566 (Streitpatents). Das Streitpatent ist mit sechs Patentansprüchen erteilt worden, von denen Patentanspruch 1 lautet: "Sammelhefter mit Anlegestationen, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf rittlings abgelegten Druckbogen angeordnet sind, wobei die Sammelstrecke mit längs der Auflage zu einem Heftapparat wirksamen Mitnehmern versehen ist, d a d u r c h g e k e n n - z e i c h n e t , dass der Sammelhefter in Kombination folgende Merkmale aufweist:
a) parallel zur erwähnten Sammelstrecke ist wenigstens eine weitere Sammelstrecke mit Mitnehmern (6) vorhanden,
b) mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jede der Sammelstrecken mit einem Druckbogen , wobei bei allen Sammelstrecken die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und aufgespreizt werden und
c) der Heftapparat (9) wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet ist und je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) aufweist."
2
Im Einspruchsbeschwerdeverfahren hat Patentanspruch 1 durch Beschluss des Bundespatentgerichts vom 19. September 1994 (11 W (pat) 45/92) folgende Fassung erhalten: "Sammelhefter mit Anlegestationen, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen angeordnet sind, wobei die Sammelstrecke mit längs der Auflage wirksamen Mitnehmern versehen ist, welche die abgelegten Druckbogen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat transportieren , d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Sammelhefter in Kombination folgende Merkmale aufweist:
a) parallel zur erwähnten Sammelstrecke ist wenigstens eine weitere gleich aufgebaute Sammelstrecke vorhanden, wobei die Sammelstrecken symmetrisch zu einer Achse (1) und um diese drehend angeordnet sind,
b) mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) die sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen, und die Sammelstrecken drehen sich um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter,
c) der Heftapparat (9) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf, wobei im Wirkbereich des Heftapparates (9) die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken stillstehen und die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen."
3
Mit der Nichtigkeitsklage hat die Klägerin, die rechtskräftig wegen Verletzung des Streitpatents verurteilt ist, dieses im Umfang der Patentansprüche 1 bis 3 und 6 angegriffen. Sie macht geltend, der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gehe über den Inhalt der Anmeldung hinaus und der Schutzbereich dieses Patentanspruchs sei gegenüber der erteilten Fassung des Patents erweitert. Ferner ergebe sich der Gegenstand des Streitpatents in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
4
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent unter Abweisung der weitergehenden Klage dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält, auf welche die Patentansprüche 2, 3 und 6 rückbezogen sind: "Sammelhefter mit Anlegestationen, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen angeordnet sind, wobei die Sammelstrecke mit längs der Auflage wirksamen Mitnehmern versehen ist, welche die abgelegten Druckbo- gen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat transportieren , d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Sammelhefter in Kombination folgende Merkmale aufweist:
a) parallel zur erwähnten Sammelstrecke ist wenigstens eine weitere gleich aufgebaute Sammelstrecke vorhanden, wobei die Sammelstrecken symmetrisch zu einer Achse (1) und um diese drehend angeordnet sind,
b) mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jede sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen, wobei bei allen Sammelstrecken die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und aufgespreizt werden, und die Sammelstrecken drehen sich um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter,
c) der Heftapparat (9) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf, wobei im Wirkbereich des Heftapparates (9) die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken stillstehen und die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen,
d) es sind Mittel (3, 4, 10) vorhanden, um die Druckbogen unabhängig von der Angriffsrichtung der Schwerkraft in hinreichender Anlage mit der sattelförmigen Auflage zu halten."
5
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin und ihrer im Berufungsverfahren beigetretenen, gleichfalls wegen Verletzung des Streitpatents verurteilten Streithelferin, mit welcher diese den Antrag weiterverfolgen, das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 3 und 6 für nichtig zu erklären. Die Beklagte hat sich der Berufung mit dem Antrag angeschlossen, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Fassung des Patentanspruchs 1 wie folgt lautet: "Sammelhefter mit Anlegestationen, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen angeordnet sind, wobei die Sammelstrecke mit längs der Auflage wirksamen Mitnehmern versehen ist, welche die abgelegten Druckbogen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat transportieren , d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Sammelhefter in Kombination folgende Merkmale aufweist:
a) parallel zur erwähnten Sammelstrecke ist wenigstens eine weitere gleich aufgebaute Sammelstrecke vorhanden, wobei die Sammelstrecken symmetrisch zu einer Achse (1) und um diese drehend angeordnet sind,
b) mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jede sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen, und die Sammelstre- cken drehen sich um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter,
c) der Heftapparat (9) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf, wobei im Wirkbereich des Heftapparates (9) die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken stillstehen und die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen."
6
Hilfsweise soll Patentanspruch 1 die folgende Fassung erhalten: "Sammelhefter mit Anlegestationen, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen angeordnet sind, wobei die Sammelstrecke mit längs der Auflage wirksamen Mitnehmern versehen ist, welche die abgelegten Druckbogen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat transportieren , d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Sammelhefter in Kombination folgende Merkmale aufweist:
a) parallel zur erwähnten Sammelstrecke ist wenigstens eine weitere gleich aufgebaute Sammelstrecke vorhanden, wobei die Sammelstrecken symmetrisch zu einer Achse (1) und um diese drehend angeordnet sind,
b) mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jede sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen, und die Sammelstrecken drehen sich um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter,
c) der Heftapparat (9) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf, wobei im Wirkbereich des Heftapparates (9) die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken stillstehen und die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen,
d) es sind Mittel (3, 4, 10) vorhanden, um die Druckbogen unabhängig von der Angriffsrichtung der Schwerkraft in hinreichender Anlage mit der sattelförmigen Auflage zu halten."
7
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Professor Dr.-Ing. B. K. , Fakultät Maschinenbau der Universität D. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Klägerin hat ein Gutachten vorgelegt, das Professor Dr.-Ing. K. D. F. , Universität W. , in ihrem Auftrag erstellt hat.

Entscheidungsgründe:


8
Die zulässigen Rechtsmittel der Parteien haben keinen Erfolg. Das Bundespatentgericht hat zu Recht der - auch nach Erlöschen des Streitpatents zulässigen (vgl. Sen.Urt. v. 15.11.2005 - X ZR 17/02, GRUR 2006, 316 - Koksofentür ) - Nichtigkeitsklage teilweise entsprochen und sie im Übrigen abgewiesen.
9
I. Das Streitpatent betrifft einen Sammelhefter, mit dem bedruckte und gefaltete Bogen (Druckbogen) gesammelt und anschließend in derselben Maschine zur Herstellung von mehrseitigen Druckprodukten wie Zeitschriften, Broschüren oder dergleichen geheftet werden. Dabei werden die einzelnen Druckbogen von innen nach außen übereinandergelegt und dann im Falzbereich geheftet. Ein derartiger Sammelhefter besteht aus den Komponenten Anlegestation , Sammelstrecke und Heftapparat. Die Anzahl der Anlegestationen entspricht der Anzahl der Druckbogen des fertigen Druckproduktes. Jede Anlegestation liefert an die Sammelstrecke einen bestimmten Druckbogen, indem die erste Anlegestation den innersten Druckbogen des fertigen Druckproduktes liefert, die zweite Anlegestation den - von innen nach außen betrachtet - nächstfolgenden Druckbogen und so fort. Die Sammelstrecke nimmt die von den Anlegestationen auf ihrer sattelförmigen Auflage rittlings abgelegten Druckbogen auf. Mit Hilfe von Mitnehmern werden die Druckbogen längs ihrer Auflage von Anlegestation zu Anlegestation seitlich vorgeschoben und gelangen schließlich zum Heftapparat, in dem sie zu fertigen Druckprodukten zusammengefügt werden.
10
Ein Sammelhefter dieser Art ist, wie die Streitpatentschrift erläutert, aus der Schweizer Patentschrift 519 993 (E 9) bekannt. Sein Nachteil ist die geringe Arbeitsgeschwindigkeit.
11
Der Erfindung liegt das technische Problem zugrunde, einen Sammelhefter bereitzustellen, welcher bei gleichermaßen präziser Verarbeitung der gefalteten Einzelbögen wie bei der bekannten Maschine ein Mehrfaches der Produktionsgeschwindigkeit zulässt (Sp. 3 Z. 65 - Sp. 4 Z. 2 der Streitpatentschrift).
12
Dieses Problem wird nach Patentanspruch 1 des Streitpatents in der geltenden Fassung durch folgende Merkmalskombination gelöst: (1) Der Sammelhefter weist Anlegestationen (7, 8, 19) auf, die im Maschinentakt angetrieben und an Sammelstrecken angeordnet sind. (2) Es sind wenigstens zwei parallele Sammelstrecken vorhanden. (3) Die Anlegestationen dienen der Beschickung der einander folgenden Sammelstrecken mit einem Druckbogen.
(4)
Die Sammelstrecken sind (4.1) gleich aufgebaut, (4.2) symmetrisch zu einer Achse (1) angeordnet und (4.3) drehen um die Achse (1).
(5)
Jede Sammelstrecke weist auf: (5.1) eine sattelförmige Auflage (3) für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen, (5.2) längs der Auflage wirksame Mitnehmer (6), welche die abgelegten Druckbogen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat (9) transportieren. (6) Mit jedem Maschinentakt (6.1) beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) die sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen und (6.2) drehen sich die Sammelstrecken um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter.
(8)
Der Heftapparat (9) (8.1) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und (8.2) weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf.
(9)
Im Wirkbereich des Heftapparates (9) (9.1) stehen die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken still und (9.2) folgen die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf.
13
Die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 der Streitpatentschrift zeigt ein Ausführungsbeispiel.
14
Der mit Merkmal 9.2 beanspruchte Gleichlauf zwischen den Heftköpfen des Heftapparats und den Sammelstrecken (mit den darauf abgelegten, relativ zur Sammelstrecke stillstehenden Druckbogen) wird dadurch erzielt, dass der Heftkopf, der die Druckbogen auf der zugeordneten Sammelstrecke heftet, seinerseits bewegt wird und während eines Bewegungsweges (im Ausführungsbeispiel während des Weges, den der pendelnde Heftapparat in Drehrichtung des Sammelhefters zurücklegt) der Sammelstrecke in gleicher Richtung und in gleichem Radialabstand folgt. Hierdurch wird erreicht, dass für die Heftung mehr Zeit zur Verfügung steht (Sp. 4 Z. 4-9), nämlich derjenige Zeitraum, in dem sich die Sammeltrommel um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiterdreht.
15
II. Die Anschlussberufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Bundespatentgericht angenommen, dass das Streitpatent mit dem vorstehend gegliederten Patentanspruch 1 keinen Bestand haben kann, weil hierdurch der Schutzbereich des Streitpatents erweitert worden ist (§ 22 Abs. 1 2. Alt. PatG).
16
Ein erteiltes Patent hat einen Schutzbereich, der gemäß § 14 PatG durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt wird, zu deren Auslegung Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind. Jedenfalls dann, wenn das Patent im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren derart geändert wird, dass sein Schutzbereich nunmehr über dasjenige hinausgeht, was zuvor vom Schutzbereich umfasst war, liegt der Nichtigkeitsgrund des § 22 Abs. 1 2. Alt. PatG vor.
17
Soweit das Bundespatentgericht eine solche Schutzbereichserweiterung darin gesehen hat, dass infolge der Ersetzung der Wörter "nacheinander jede" durch den bestimmten Artikel "die" in Merkmal 6.1 des Patentanspruchs 1 auch Sammelhefter umfasst sein könnten, bei denen nicht nacheinander jede sattelförmige Auflage beschickt werde, die Reihenfolge der Beschickung der Sam- melstrecken vielmehr beliebig sei und auch Lücken in der Beschickung möglich seien, greift die Anschlussberufung das erstinstanzliche Urteil nicht an.
18
Dem Bundespatentgericht ist aber auch darin beizutreten, dass die Weglassung des im erteilten Patentanspruch 1 enthaltenen Halbsatzes "wobei bei allen Sammelstrecken die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und aufgespreizt werden" in Merkmal 6.1 des Patentanspruchs 1 in der geltenden Fassung zu einer Schutzbereichserweiterung führt.
19
Das Bundespatentgericht hat dies damit begründet, dass vom Schutzbereich des geltenden Anspruchs auch Sammelhefter umfasst sein könnten, die nicht mit der offenen Seite voran gegen, sondern beispielsweise von der Seite her auf die Sammelstrecke gefördert würden, wie es aus der veröffentlichten europäischen Patentanmeldung 95 603 (E 1) bekannt sei. Auch könnten Sammelhefter umfasst sein, die nicht während des Beschickens, sondern bereits vorher aufgespreizt würden, wie dies aus der deutschen Offenlegungsschrift 31 17 419 (E 8) bekannt sei. Merkmal 6.1 der erteilten Fassung sei jedoch unter Berücksichtigung der Beschreibung (insbesondere Sp. 3 Z. 47-57 der C2Schrift ) so auszulegen, dass nur Sammelhefter vom Schutzbereich umfasst seien, die mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und erst während der Beschickung aufgespreizt würden.
20
Dagegen wendet die Anschlussberufung ohne Erfolg ein, das erteilte Streitpatent unterscheide lediglich zwischen dem Sammeln der Druckbogen von außen nach innen in V-förmigen Taschen (deutsche Auslegeschrift 1 224 329 [E 10] und Schweizer Patentschrift 584 153 [E 11]) und dem erfindungsgemäßen Sammeln von innen nach außen auf sattelförmigen Auflagen, wobei letzteres durch Merkmal 5.1 zum Ausdruck gebracht werde und die zusätzliche Angabe in Merkmal 6.1 nichts anderes besage als das, was Merkmal 5.1 ohnehin schon zum Ausdruck bringe, da eine Ablage "rittlings" nur erfolgen könne, wenn die Druckbogen zuvor aufgespreizt und mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert würden.
21
Denn die Beschreibung des Streitpatents in seiner erteilten Fassung erläutert die Vorrichtung nach der E 1 dahin, dass diese einen endlos umlaufenden , zur Aufnahme der Druckbogen bestimmten Förderer aufweise, entlang welchem eine Anzahl von Zuförderern für die Druckbogen angeordnet seien. Hierbei würden die Produkte mit quer zur Förderrichtung liegendem Falz an den Zuförderern vorbeigeführt. Die Schenkel der Druckbogen hingen hierbei frei nach unten. Diese bekannte Vorrichtung lasse konstruktiv offen, wie dabei die frei herabhängenden Schenkel der Druckbogen bei hohen Geschwindigkeiten stabil gehalten und wie der Heftvorgang an den fertig zusammengetragenen Produkten ausgeführt werden solle (Sp. 1 Z. 44-57).
22
Von dieser bekannten Lösung, bei der bereits eine Sammelstrecke mit sattelförmigen Auflagen für die vereinzelten Druckbogen vorhanden ist, hebt sich die erfindungsgemäße Lösung nach dem erteilten Patentanspruch 1 durch die weitere Angabe ab, dass die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert werden und (hierbei, um eine zuverlässige Auflage zu gewährleisten, nicht frei herabhängen, sondern) aufgespreizt werden. Diese Anforderung ist im geltenden Patentanspruch 1 nicht mehr enthalten, nach dem die Zuführung in beliebiger Weise und aus beliebiger Richtung erfolgen kann.
23
Der geltende Patentanspruch ist damit auf eine Teilkombination der durch den erteilten Patentanspruch geschützten technischen Lehre gerichtet. Damit ist der Schutzbereich erweitert, denn eine solche Teilkombination war durch das erteilte Patent nicht geschützt (vgl. Sen.Urt. v. 31.5.2007 - X ZR 172/04, WRP 2007, 1231 - Zerfallszeitmessgerät [für BGHZ vorgesehen ]).
24
Da auch der Hilfsantrag der Anschlussberufung das Merkmal nicht enthält , nach dem bei allen Sammelstrecken die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und aufgespreizt werden, kann Patentanspruch 1 auch in der Fassung dieses Antrags keinen Bestand haben.
25
III. Auch die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils ist gegenüber dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen nicht unzulässig erweitert, und der Gegenstand dieses Anspruchs ist patentfähig.
26
1. In dieser Fassung lässt sich Patentanspruch 1 wie folgt gliedern: (1) Der Sammelhefter weist Anlegestationen (7, 8, 19) auf, die im Maschinentakt angetrieben und an Sammelstrecken angeordnet sind. (2) Es sind wenigstens zwei parallele Sammelstrecken vorhanden. (3) Die Anlegestationen dienen der Beschickung der einander folgenden Sammelstrecken mit einem Druckbogen.
(4)
Die Sammelstrecken sind (4.1) gleich aufgebaut, (4.2) symmetrisch zu einer Achse (1) angeordnet und (4.3) drehen um die Achse (1).
(5)
Jede Sammelstrecke weist auf: (5.1) eine sattelförmige Auflage (3) für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen, (5.2) längs der Auflage wirksame Mitnehmer (6), welche die abgelegten Druckbogen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat (9) transportieren. (6) Mit jedem Maschinentakt (6.1) beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jede sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen, wobei die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und aufgespreizt werden, und (6.2) drehen sich die Sammelstrecken um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter. (7) Es sind Mittel (3, 4, 10) vorhanden, um die Druckbogen unabhängig von der Angriffsrichtung der Schwerkraft in hinreichender Anlage mit der sattelförmigen Auflage (3) zu halten.
(8)
Der Heftapparat (9) (8.1) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und (8.2) weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf.
(9)
Im Wirkbereich des Heftapparates (9) (9.1) stehen die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken still und (9.2) folgen die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf.
27
2. Dieser Patentanspruch enthält keine unzulässige Erweiterung. Das Bundespatentgericht hat zutreffend angenommen, dass eine unzulässige Erweiterung insbesondere nicht darin liegt, dass Merkmal 9.2 lediglich vorschreibt , dass die Heftköpfe beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen, hingegen nicht vorgibt, dass der Heftapparat hierzu konzentrisch zur Achse (1) der Welle (2) gelagert sein und eine Pendelbewegung ausführen muss.
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Merkmal 9.2 ist als solches, wie auch die Klägerin nicht bezweifelt, ursprungsoffenbart. Denn die Patentanmeldung beschreibt ein durch die mit der oben wiedergegebenen Zeichnung identischen Figur 1 illustriertes Ausführungsbeispiel , bei dem der Heftapparat (9) einen um die Achse (1) schwenkbar gelagerten Bügel (11) aufweist, an dem zwei Heftkopfpaare (12, 13) angeordnet sind. Der Bügel (11) führt eine Hin- und Her-Schwenkbewegung aus und folgt dabei während eines Bewegungsweges den Auflagen (3) mit gleicher Geschwindigkeit. Die sich mitbewegenden Heftkopfpaare (12, 13) führen jeweils während des Gleichlaufs mit den Auflagen (3) simultan eine Heftoperation aus, mit der die aufeinanderliegenden Druckbogen von zwei Sammelstrecken zusammengeheftet werden (S. 9, letzter Abs. - S. 10, 2. Abs. der Offenlegungsschrift = Sp. 4 Z. 3-26 der C2-Schrift = Sp. 4 Z. 63 - Sp. 5 Z. 18 der C3-Schrift). Im Wirkbereich des Heftapparates folgen somit die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf.
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Die Patentinhaberin war auch nicht gehindert, dieses Merkmal in den Patentanspruch aufzunehmen, ohne gleichzeitig weitere Einzelheiten des Ausführungsbeispiels mit zu übernehmen.
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Änderungen der Patentansprüche dürfen freilich weder zu einer Erweiterung des Gegenstands der Anmeldung noch dazu führen, dass an die Stelle der angemeldeten Erfindung eine andere gesetzt wird (BGHZ 66, 17, 29 - Alkylendiamine I; BGHZ 110, 123, 125 - Spleißkammer). Der Patentanspruch darf mithin nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, von dem aus fachmännischer Sicht aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht zu erkennen ist, dass er von vornherein von dem Schutzbegehren umfasst sein sollte (Sen.Urt. v. 21.9.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn; Sen.Beschl. v. 20.6.2000 - X ZB 5/99, GRUR 2000, 1015, 1016 - Verglasungsdichtung; v. 5.10.2000 - X ZR 184/98, GRUR 2001, 140, 141 - Zeittelegramm; Sen.Urt. v. 5.7.2005, GRUR 2005, 1023, 1024 - Einkaufswagen II). Der Anmelder oder Patentinhaber , der nur noch für eine bestimmte Ausführungsform der angemeldeten Erfindung Schutz begehrt, ist dabei nicht genötigt, sämtliche Merkmale ei- nes Ausführungsbeispiels in den Anspruch aufzunehmen (Sen.Urt. v. 15.11.2005 - X ZR 17/02, GRUR 2006, 316, 319 - Koksofentür). Die Aufnahme eines weiteren Merkmals aus der Beschreibung in den Patentanspruch ist zulässig , wenn dadurch die zunächst weiter gefasste Lehre auf eine engere Lehre eingeschränkt wird und wenn das weitere Merkmal in der Beschreibung als zu der beanspruchten Erfindung gehörend zu erkennen war (BGHZ 111, 21, 25 - Crackkatalysator I; Sen.Beschl. v. 30.10.1990 - X ZB 18/88, GRUR 1991, 307, 308 - Bodenwalze; Sen.Urt. v. 7.12.1999 - X ZR 40/95, GRUR 2000, 591, 592 - Inkrustierungsinhibitoren). Dienen mehrere in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannte Merkmale der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung, die je für sich, aber auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, hat es der Patentinhaber in der Hand, ob er sein Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser Merkmale beschränkt ; in dieser Hinsicht können dem Patentinhaber keine Vorschriften gemacht werden (BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer; Sen.Beschl. v. 14.9.2004 - X ZB 25/02 - Fußbodenbelag).
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Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Patentinhaber nach Belieben einzelne Elemente eines Ausführungsbeispiels im Patentanspruch kombinieren dürfte. Die Kombination muss vielmehr in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre darstellen, die aus der Sicht des Fachmanns den ursprünglichen Unterlagen als mögliche Ausgestaltung der Erfindung zu entnehmen ist; andernfalls wird etwas beansprucht, von dem aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennbar ist, dass es von vornherein von dem Schutzbegehren umfasst sein soll, und das daher gegenüber der angemeldeten Erfindung ein aliud darstellt (Sen.Beschl. v. 23.1.1990 - X ZB 9/89, GRUR 1990, 432, 434 - Spleißkammer [insoweit nicht in BGHZ]; Sen.Beschl. v. 11.9.2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung).
Diesen Anforderungen genügt die Kombination des Merkmals 9.2 mit
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den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs 1. Denn in Patentanspruch 2 der Anmeldung war ganz allgemein ein Sammelhefter mit parallelen Sammelstrecken angegeben, bei dem der Heftapparat wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken zugeordnet ist und je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf aufweist. Aus der Sicht des Fachmanns, als den der Senat - auf der Grundlage der durch die Angaben des gerichtlichen Sachverständigen bestätigten Feststellungen des Bundespatentgerichts zum üblichen Ausbildungs- und Kenntnisstand der mit der Entwicklung von Sammelheftern befassten Fachleute - einen Maschinenbauingenieur mit praktischen Erfahrungen auf dem Gebiet der Konstruktion papierverarbeitender Maschinen ansieht, war erkennbar, dass der beschriebene Gleichlauf der Heftköpfe eines wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordneten Heftapparats mit den Sammelstrecken beim Heftvorgang geeignet ist, dem in der Patentanmeldung beschriebenen Nachteil des Standes der Technik, dass für den Heftvorgang nur ein Bruchteil eines Maschinentaktes zur Verfügung stand, entgegenzuwirken und damit das Ziel zu fördern, eine Vorrichtung zu schaffen, die bei gleich präziser Verarbeitung wie bei einer konventionellen Maschine ein Mehrfaches der Produktionsgeschwindigkeit erlaubt.
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Dem gegenüber ist unerheblich, dass die ursprünglichen Unterlagen mit dem konzentrisch gelagerten, pendelnden Bügel des Heftapparats nur eine Möglichkeit beschreiben, wie ein solcher Gleichlauf während eines Bewegungsweges erreicht werden kann. Denn ein solches Ausführungsbeispiel, mit dem der Anmelder der Anforderung genügt, die Erfindung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Abs. 4 PatG), nötigt nicht dazu, den Gegenstand des Patentanspruchs hierauf zu beschränken.
Entgegen der Auffassung der Berufung ergibt sich eine unzulässige Er34 weiterung auch nicht daraus, dass in der C3-Schrift die Vorrichtung nach der deutschen Patentschrift 33 43 466 (E 2) dahin beschrieben wird, mittels eines Pendelantriebs werde eine derartige Hin- und Herbewegung der Heftköpfe herbeigeführt , dass sie bei ihrer Einwirkung auf zwei aufeinanderfolgende, zu heftende Druckbogen "im Gleichlauf mit deren Bewegungsgeschwindigkeit" bewegt würden (Sp. 3 Z. 19-30). Denn damit ist lediglich zutreffend beschrieben, dass in der Einwirkungsphase in Laufrichtung der Druckbogen keine Relativbewegung zwischen Heftköpfen und Druckbogen stattfindet. Nichts anderes ist, bezogen auf Heftköpfe und Sammelstrecken, mit dem Begriff des "Gleichlaufs" in der Anmeldung des Streitpatents und in Merkmal 9.2 zum Ausdruck gebracht.
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3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils ist auch patentfähig.
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Dieser Gegenstand ist, wie auch von der Klägerin und ihrer Streithelferin nicht in Zweifel gezogen wird, neu. Verhandlung und Beweisaufnahme haben ebenso wenig tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Stand der Technik dem Fachmann den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nahegelegt hat.
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a) Die deutsche Auslegeschrift 1 114 779 (E 6) beschreibt eine Maschine zum Heften von Bogenlagen, bei der die Druckbogen auf sattelförmigen Auflagen (2) gesammelt werden, die an umlaufenden Zugorganen angeordnet sind. Mittels Verteil- und Anlegevorrichtungen (104) werden die Druckbogen auf den Auflagen abgelegt und zu einer Heftvorrichtung (105) weitertransportiert. Die Heftköpfe werden von auf einer Welle aufgekeilten Nocken gesteuert, die das Anbringen der Heftklammern während des Verschiebens der auf den Auflagen ruhenden Broschüren gestatten. Das entspricht den Merkmalen 1 bis 4.1, 5.1, 9.1 und 9.2. Hingegen fehlen die Mitnehmer wie auch alle Merkmale, die mindestens zwei parallele, um eine Achse drehend angeordnete Sammelstrecken voraussetzen.
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Es ist auch nicht erkennbar, was dem Fachmann Veranlassung geben sollte, die Vorrichtung derart umzugestalten, dass die gezeigte Sammelstrecke durch mindestens zwei parallele, um eine Achse drehend angeordnete Sammelstrecken ersetzt wird. Insbesondere ergibt sich hierfür nichts aus der von der Klägerin mehrfach zitierten Annahme im Urteil des Senats vom 26. Mai 1998 (X ZR 20/96, Bausch, BGH 1994-1998, 509), dem Fachmann sei bekannt, dass ein endlos umlaufendes Element bei einem Sammelförderer nicht nur ein Ketten- oder Riemengetriebe sein könne, sondern auch eine Trommel. Die Aussage des Senats bezieht sich auf die Erfassung des Wortsinns des Begriffs "endlos umlaufender Sammelförderer" im Patentanspruch des damaligen Streitpatents. Ihr lässt sich nichts dafür entnehmen, ob und inwieweit der Fachmann bei einem konkreten Sammelförderer Veranlassung sieht, ein umlaufendes Ketten- oder Riemengetriebe durch eine Trommel oder dergleichen zu ersetzen. Diese Frage kann stets nur aus dem Zusammenhang einer konkreten vorbekannten Lösung beantwortet werden. Selbst wenn aber der Fachmann Veranlassung sähe, die Auflagen auf einer Trommel anzuordnen, gelangte er damit nicht zum Gegenstand des Streitpatents.
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b) Dies folgt auch nicht aus der zusätzlichen Heranziehung der deutschen Offenlegungsschrift 31 08 551 (E 3). Dort wird beschrieben, dass mehrlagige Druckprodukte dadurch gebildet werden können, dass eine Anzahl von zickzackförmig gefalteten Bahnen aufeinander ausgerichtet übereinandergelegt wird. Jede Bahn wird durch einzelne Blätter gebildet, die an den quer zur Bahnlängsrichtung verlaufenden Faltstellen miteinander verbunden sind. Zum Abstützen der aufeinander zu legenden Bahnen dient eine Trommel, welche an ihrem Umfang radial abstehende Stützstege (47) aufweist, auf denen zunächst die erste Bahn aufgelegt wird. Die spiralförmig auf der Trommel geführte erste Bahn gelangt sodann zum Eingabeabschnitt der nachfolgenden Bahn, in welchem diese über die erste Bahn gelegt wird. Die beiden Bahnen werden schraubenlinienförmig gegebenenfalls zu weiteren Eingabeabschnitten und sodann zu einem Endbereich der Trommel geführt, in dem ein Heftapparat (62) vorgesehen ist, in dessen Wirkbereich sich die Blätter(bahnen) auf einer Kreisbahn bewegen.
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Diese Vorrichtung setzt voraus, dass die Blätter der am Ende des Bearbeitungsvorgangs stehenden Druckprodukte als zickzackförmig gefaltete Bahnen zugeführt werden, was die deutsche Offenlegungsschrift als besonders vorteilhaft ansieht, weil die gegenseitige Lage der Blätter einer Bahn immer definiert sei (S. 6 Z. 4-10 der Beschreibung). Die Trommel dieser Vorrichtung ist daher jedenfalls nicht ohne weiteres mit einer Vorrichtung nach der E 6 kombinierbar , und Verhandlung und Beweisaufnahme haben keine Anhaltspunkte dafür hervortreten lassen, dass der Fachmann zu dem Versuch einer solchen Kombination Veranlassung sehen sollte. Insbesondere ergibt sich hierfür nichts aus einem für sich naheliegenden Bestreben des Fachmanns, die Arbeitsgeschwindigkeit der Vorrichtung zu erhöhen, denn auch bei der Trommel nach der E 3 werden die Stützstege wie die sattelförmigen Auflagen nach der E 6 konsekutiv mit den aufeinanderfolgenden Blätterbahnen beschickt.
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Auch der Hinweis der Berufung darauf, dass in Anspruch 4 der E 3 ein Verfahren beansprucht sei, bei dem die übereinander liegenden Bahnen an allen oder einzelnen Faltstellen durchgetrennt werden, führt nicht weiter. Zwar ist in jenem Anspruch nicht angegeben, in welcher Verfahrensphase die Bahnen durch Trennung zu Blättern oder Druckbogen vereinzelt werden sollen. Für die Frage, welche Anregungen eine Schrift dem Fachmann bot, kommt es indessen nicht darauf an, wie weit ihr Gegenstand oder Schutzbereich reicht. Maßgeblich ist allein, welche technischen Erkenntnisse und Möglichkeiten dem Fachmann offenbart werden. Insoweit beschreibt die Offenlegungsschrift jedoch - ihrer Zielrichtung entsprechend - ausschließlich die Sammlung übereinander liegender Bahnen, nicht vereinzelter Druckbogen. Erst das am Entnahmeabschnitt (51) der Trommel - gegebenenfalls nach Heften (S. 15 Z. 23-26) - von einem Transporteur (59) übernommene, aus den übereinander liegenden Bahnen bestehende "Gebilde (61)" wird einer Stapelbildevorrichtung (63) zugeführt und sodann von einer Trennvorrichtung (68) durchtrennt (S. 15 Z. 10 - S. 16 Z. 22).
Auch die - ohnehin nicht näher ausgeführte - Bemerkung auf S. 17 Z. 5-7, es "wäre unter Umständen jedoch auch denkbar", die fertigen Druckprodukte vor dem Stapeln einzeln voneinander zu trennen, bezieht sich auf "die einzelnen zusammenhängenden, das Gebilde (61) bildenden fertigen Druckprodukte" und ändert daher nichts daran, dass nach dem Gesamtinhalt der Schrift eine Vereinzelung erst nach dem Sammeln in Betracht gezogen wird.
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c) Es kommt hinzu, dass weder die E 3 noch die E 6 eine Anregung dafür geben, vereinzelte Druckbogen mittels längs der Auflage wirksamer Mitnehmer einem Heftapparat zuzuführen, der wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet ist (Merkmal 8.1). Um derartiges gleichwohl zu realisieren, müsste der Fachmann zunächst zu der Erkenntnis gelangen, dass es zweckmäßig sei, zusätzlich zu dem aus der E 6 bekannten Heftkopf einen weiteren, gemeinsam mit dem ersten hin- und herpendelnden Heftkopf vorzusehen. Eine Anregung hierfür mag sich zwar in der bereits erwähnten deutschen Patentschrift 33 43 466 (E 2) finden. Bei dem dort beschriebenen Heftvorgang bewegen sich die Druckprodukte jedoch ebenso wenig wie bei der Heftvorrichtung nach der E 6 auf einer Kreisbahn. Für eine Zuordnung des Heftapparats zu wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken, die symmetrisch zu einer Achse und um diese drehend angeordnet sind, und die hierfür erforderlichen konstruktiven Maßnahmen fehlt jedes Vorbild.
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d) Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften kommen dem Gegenstand des Streitpatents in der Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts nicht näher. Ergänzend wird hierzu auf die Ausführungen zu IV 3 des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die tatsächlichen Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG können hiernach nicht festgestellt werden.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 2, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streithelferin gilt als Streitgenossin der Klägerin. Nach- dem der Senat für die Nebenintervention im Patentnichtigkeitsverfahren das Erfordernis aufgegeben hat, dass zwischen dem Nichtigkeitskläger oder dem Patentinhaber eine Rechtsbeziehung bestehen muss, die durch die im Nichtigkeitsverfahren ergehende Entscheidung beeinflusst werden kann, und es genügen lässt, dass der Nebenintervenient durch das Streitpatent in seiner geschäftlichen Tätigkeit als Wettbewerber beeinträchtigt werden kann (BGHZ 166, 18 - Carvedilol I), besteht kein Grund mehr, die Rechtskraftwirkung eines klageabweisenden Urteils gegenüber dem Streithelfer anders zu beurteilen als gegenüber dem Nichtigkeitskläger. Auch erscheint die Kostenfolge des § 101 Abs. 2 ZPO für diesen Fall sachgerechter als diejenige des § 101 Abs. 1 ZPO. Entsprechend § 69 ZPO gilt der Streithelfer daher als Streitgenosse des Nichtigkeitsklägers (offengelassen im Senatsurteil vom 22.12.1964 - Ia ZR 237/63, GRUR 1965, 297 - Nebenintervention). An der im Urteil vom 30. September 1997 (X ZR 85/94, GRUR 1998, 382, 387 - Schere) vertretenen gegenteiligen Auffassung hält der Senat nicht fest.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 25.06.2002 - 2 Ni 15/01 -
Berichtigt durch Beschluß
vom 19. Februar 2003
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 155/99 Verkündet am:
17. Dezember 2002
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis
und die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers, die im übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 15. April 1999 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts im Kostenausspruch aufgehoben und im übrigen abgeändert und wie folgt neu gefaßt: Das europäische Patent 0 261 266 wird unter Abweisung der weitergehenden Klage mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß in seinem Patentanspruch 1 die Worte "oder mit ihm verschraubten" sowie der Klammerzusatz "(z.B. 275, Fig. 29, 375, Fig. 30)" entfallen und daß sich die Patentansprüche 2 bis 11 auf den so beschränkten Patentanspruch 1 beziehen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 2/3 und der Beklagte 1/3.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des am 25. September 1986 an- gemeldeten, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 261 266 (Streitpatents), das einen Schwenkhebelstangenverschluß betrifft und vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 36 73 648 geführt wird. Das Streitpatent umfaßt 14 Patentansprüche. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"1. Mit Zylinderschloß (164) versehener Schwenkhebelstangenverschluß für Montage in zwei vorzugsweise gleich großen und vorzugsweise rechteckigen Durchbrüchen (32, 34) von Blechschranktüren (12), bestehend aus einem Schloßkasten (16) mit durch das Türblatt (12) nach außen geführter Schwenkhebelbetätigungseinrichtung zum Antrieb von zumindest einer parallel zur Türkante verlaufenden Verschlußstange (18) und mit einem den Schwenkhebel (114) in seiner eingeschwenkten Stellung festhaltenden Zylinderschloß (164), wobei der Schwenkhebelverschluß eine die Aufnahmemulde für den Schwenkhebel (114) bildende Grundplatte (168, 268, 368, 468) umfaßt, die im Bereich der Durchbrüche (32, 34) einstückig von ihr ausgehende und in die Durchbrüche eindringende und die Grundplatte in den Durchbrüchen ausrichtende Ansätze (169, 170; 269, 270) aufweist und den Verschluß mit dem Türblatt (12) fest verbindet , wobei der eine Ansatz (169, 269) eine Aufnahme für das im Ende des Schwenkhebels (114, 214) angeordnete Zylinderschloß (164) bildet, und dieser Ansatz (169, 269) zusammen mit einem von ihm ausgehenden (z.B. 175 in Fig. 14) oder mit ihm verschraubten Halteteil (z.B. 275, Fig. 29, 375, Fig. 30) das
Türblatt (12) im Bereich des einen Durchbruchs (34) zentrierend einklemmt, dadurch gekennzeichnet, daß die zumindest eine Verschlußstange (18) aus Flachbandmaterial gefertigt ist und durch den Schloßkasten (16) einstückig hindurchreicht, daß der andere Ansatz (170, 270) ein Teil des Schloßkastens (16) ist und daß dieser andere Ansatz (170, 270) zusammen mit einem weiteren Teil (z.B. 71, Fig. 16; 171, 146, Fig. 24) des Schloßkastens (16) das Türblatt (12) im Bereich des ersten Durchbruchs (32) zentrierend einklemmt."
Wegen der Patentansprüche 2 bis 14 wird auf die Patentschrift Bezug genommen.
Der Kläger ist seit 1993 einer der Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der E. , die 1993 eine auf den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit gestützte, das Streitpatent betreffende Nichtigkeitsklage erhoben hat. Diese Klage ist mit dem das Urteil des Bundespatentgerichts vom 26. August 1993 (3 Ni 6/93 (EU)) bestätigenden Urteil des Senats vom 24. Oktober 1996 (X ZR 29/94, GRUR 1997, 272 - Schwenkhebelverschluß) rechtskräftig abgewiesen worden.
Der Kläger hat vorgetragen, an der Erhebung einer neuerlichen Nichtigkeitsklage ein eigenes unmittelbares rechtliches Interesse zu haben, da er vom Beklagten aus dem Streitpatent in einem Verletzungsprozeß vor dem Landgericht Düsseldorf in Anspruch genommen und dort rechtskräftig verurteilt worden sei. Außerdem habe der Beklagte gegen ihn, u.a. gestützt auf das Streitpatent, ein Strafverfahren angestrengt, das mit einem rechtskräftigen Strafbefehl geendet habe. Er hat mit der Nichtigkeitsklage im wesentlichen geltend gemacht, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei nicht patentfähig, weil er sich für den
Fachmann ergänzend zu dem im ersten Nichtigkeitsverfahren berücksichtigten Stand der Technik in naheliegender Weise aus der deutschen Offenlegungsschrift 34 07 701, der europäischen Patentanmeldung 0 054 225 und den Beschlagteilen ergebe, die der Öffentlichkeit durch die von der Firma R. ab Juli 1985 in beträchtlichem Umfang ausgelieferten Schranksysteme mit der Bezeichnung " ... " zugänglich geworden seien.
Das Bundespatentgericht hat die für zulässig gehaltene Klage als unbegründet abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren, das Streitpatent für nichtig zu erklären, weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Der Senat hat ein schriftliches Gutachten des Prof. Dr.-Ing. H.
eingeholt, das der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert hat. Die Akten des vorausgegangenen Nichtigkeitsverfahrens 3 Ni 6/93 (X ZR 29/94) waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:


Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.
I. Die Nichtigkeitsklage ist zulässig. Das am 25. September 1986 angemeldete und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilte Streitpatent steht in Kraft. Es ist anerkannt, daß die als Popularklage ausgestaltete Nichtigkeitsklage wegen des öffentlichen Interesses an der Nichtigerklärung zu Unrecht erteilter Patente ohne Darlegung eines besonderen Rechts-
schutzinteresses durch den Nichtigkeitskläger zulässig ist. Der Nachweis eines besonderen Interesses an der Nichtigerklärung eines Patents ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur dann erforderlich, wenn das bekämpfte Patent vor der Erhebung der Nichtigkeitsklage infolge Verzichts, durch Zeitablauf, wegen Nichtzahlung der Jahresgebühren oder wegen Rücknahme erloschen ist oder wenn einer der genannten Erlöschensgründe während des anhängigen Nichtigkeitsverfahrens eintritt (BGH Urt. v. 29.9.1964 - Ia ZR 285/63, GRUR 1965, 231 - Zierfalten; vgl. Busse, PatG, 5. Aufl., § 81 PatG Rdn. 41 m.w.N.). Daher ist es zulässig, wenn nach rechtskräftiger Abweisung der Nichtigkeitsklage einer Handelsgesellschaft nunmehr der Geschäftsführer oder Gesellschafter seinerseits Nichtigkeitsklage erhebt (Benkard, PatG GebrMG, 9. Aufl., § 22 PatG Rdn. 22). Ein solcher Kläger ist nicht Rechtsnachfolger (§ 325 ZPO) des früheren Nichtigkeitsklägers; ihm können die in dem vorausgegangen Nichtigkeitsverfahren getroffenen Feststellungen nicht entgegengehalten werden.
II. Patentanspruch 1 des Streitpatents in seiner erteilten Fassung umfaßt u.a. die Ausbildung eines Schwenkhebelstangenverschlusses mit einer Grundplatte, von der ein einstückig mit ihr ausgebildeter Ansatz ausgeht, der mit einem das Türblatt im Bereich des Durchbruchs (34) zentrierend einklemmenden Halteteil (z.B. 275 Fig. 29, 375 Fig. 30) verschraubt ist. Die Kombination der Merkmale des Streitpatents nach Patentanspruch 1 mit einem solchen Halteteil erstreckt den beanspruchten Gegenstand auf Ausführungsformen, die nicht auf erfinderischer Leistung beruhen. Das Streitpatent kann deshalb mit diesem Anspruch keinen Bestand haben; es ist durch Streichung der Worte "oder mit ihm verschraubten" sowie des Klammerzusatzes "z.B. 275, Fig. 29, 375 Fig. 30" im Patentanspruch 1 einschließlich der auf diese Alternative rückbezogenen Unteransprüche 4 bis 6 teilweise für nichtig zu erklären (Art. 56, 138 Abs. 1 a EPÜ; Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG; § 22 Abs. 1 Satz 1 PatG). In diesem Umfang hat die Berufung Erfolg. Im übrigen ist die Berufung jedoch unbegrün-
det, da der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch unter Berücksichtigung des vom Kläger gegenüber dem ersten Nichtigkeitsverfahren neu eingeführten Stands der Technik nicht davon überzeugt ist, daß der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 dem Fachmann am Anmeldetag des Streitpatents durch den vorgelegten Stand der Technik und sein allgemeines Fachwissen nahegelegt war.
1. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ist der Fachmann auf dem hier einschlägigen Gebiet ein Techniker mit langjährigen betrieblichen Erfahrungen in der Konstruktion von Blechschränken , der sich auf nahe verwandten Gebieten wie dem der Fensterbeschläge , Torverschlüsse und Autoschlösser grob auskennt und sich dort zu findende Lösungen nutzbar macht. Die Parteien haben dem zugestimmt; hiervon ist der Senat auch im vorausgegangenen Nichtigkeitsverfahren ausgegangen.
Ein solcher Fachmann verfügt nicht über die systematische Schulung eines Fachhochschulingenieurs; er löst die ihm gestellten konstruktiven Aufgaben nicht durch systematische Problemanalyse, sondern durch Kombination seines Erfahrungswissens. Der Entwicklungsauftrag wird diesem Fachmann in der Regel von Führungskräften gestellt, die Fachhochschulingenieure sind und die dem Techniker bei der Kontrolle von Entwürfen gelegentlich auch konstruktive Hinweise geben. Die eigentliche "Arbeit am Objekt" und das Auffinden der Problemlösung sind danach aber nicht Aufgabe der genannten Führungskräfte, sondern bleiben Aufgabe des Technikers, der die Lösungsvorschläge aus seinem Erfahrungswissen entwickelt. Der gerichtliche Sachverständige hat dies in seinem schriftlichen Gutachten bestätigt und in der mündlichen Verhandlung dahin verdeutlicht, daß der genannte Techniker eine Ausbildung zum technischer Zeichner, Techniker oder Ingenieur, manchmal auch zum Meister absolviert hat, wobei der Schwerpunkt der Ausbildung auf der Qualifikation im techni-
schen Bereich liegt und die mit entsprechenden Entwicklungsarbeiten betrauten Personen typischerweise langjährig erfahrene Mitarbeiter mit eigener Erfahrung aus Fertigung und Montage sind (Gutachten S. 2).
2. Patentanspruch 1 des Streitpatents betrifft einen Schwenkhebelstangenverschluß , wie er für Blechschranktüren etwa in Schaltschränken Verwendung findet. Derartige Schwenkhebelstangenverschlüsse sind nach der Beschreibung des Streitpatents aus der europäischen Offenlegungsschrift 0 054 225 und der deutschen Auslegeschrift 35 06 870 bekannt. Als nachteilig bemängelt die Beschreibung an der Ausführung dieser Konstruktionen, daß sie viel Platz in Anspruch nehmen und keine Unterbringung in dem bei manchen Blechschranktüren vorhandenen Verkantungsraum erlauben (vgl. Sp. 1, Z. 34 f.). Ein weiterer Nachteil dieser Konstruktionen besteht nach der Beschreibung des Streitpatents darin, daß die Führung der Stangen dadurch erschwert wird und daß infolge ihrer Anlenkung an einem doppelarmigen Hebel neben einer Axialbewegung gleichzeitig auch eine dazu senkrechte Bewegung ausgeführt wird (Sp. 1, Z. 39 f.). Die Beschreibung weist darauf hin, daß der aus der europäischen Offenlegungsschrift 0 155 343 bekannte Schwenkhebelstangenverschluß diese Nachteile zwar nicht aufweist und so schmal ist, daß er auch im Verkantungsraum einer Blechschranktür untergebracht werden kann (Sp. 1, Z. 47 f.). An dieser Konstruktion bemängelt die Beschreibung jedoch, daß neben zwei rechteckigen Durchbrüchen im Türblatt noch zusätzliche Durchbrüche vorgesehen werden müssen, durch die Befestigungsschrauben hindurchgeführt werden, wodurch die Herstellung des Türblatts verteuert, die Baulänge vergrößert und die Montage des Verschlusses kompliziert werden. Zwar kann der in der Schrift offenbarte Verschluß durch besondere Ausgestaltung der Enden der Schubstangen, nämlich durch Anordnung von Verzahnungen an deren beiden Schmalseiten, sowohl für links als auch für rechts anschlagende Schaltschranktüren verwendet werden. Nachteilig an dieser Kon-
struktion ist der Beschreibung zufolge jedoch, daß die Verschlußstangen nicht in einfacher Weise bei bereits vormontiertem Schloß gewechselt werden können , weil zunächst das Ritzel aus dem Schloßkasten demontiert, danach die Stangen herausgenommen, in der gewünschten Weise wieder eingesetzt und sodann das Ritzel erneut montiert werden müssen (Sp. 2, Z. 11 f.).
Demgegenüber soll mit der Erfindung ein Schwenkhebelstangenverschluß geschaffen werden, der im Verkantungsraum einer Blechschranktür untergebracht werden kann, eine möglichst leichtgängige Schubstangenverbindung erlaubt, einfach im Türblatt montiert werden kann, für links- und rechtsanschlagende Türen gleichermaßen verwendbar ist, ohne umständliche Demontagearbeiten umgerüstet werden kann und einen sicheren Verschluß gewährleistet (Sp. 2, Z. 39 f.).
Hierzu schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 einen Schwenkhebelstangenverschluß mit folgenden Merkmalen vor, wobei fakultative Merkmale (wie etwa daß die beiden Durchbrüche "vorzugsweise gleich groß und vorzugsweise rechteckig" sein sollen) weggelassen sind:
1. Der Schwenkhebelstangenverschluß wird in zwei Durchbrüchen (32, 34) von Blechschranktüren montiert.
2. Er besteht aus einem Schloßkasten (16)
3. mit einem Schwenkhebel (114) und
4. einer Schwenkhebelbetätigungseinrichtung,
4.1 die durch das Türblatt (12) nach außen geführt ist,
4.2 zumindest eine Verschlußstange (18) antreibt,
4.2.1 die parallel zur Türkante verläuft, 4.2.2 aus Flachbandmaterial gefertigt ist, 4.2.3 durch den Schloßkasten einstückig hindurchreicht und
5. mit einem Zylinderschloß (164)
5.1 das den Schwenkhebel (114) in seiner eingeschwenkten Stellung festhält,
6. sowie einer Grundplatte (168, 268, 368, 468),
6.1 die eine Aufnahmemulde für den Schwenkhebel (114) bildet, 6.2 Ansätze (169, 170; 269, 270) aufweist,
6.2.1 die im Bereich der Durchbrüche (32, 34) einstückig von der Grundplatte ausgehen, 6.2.2 in die Durchbrüche eindringen, 6.2.3 die Grundplatte in den Durchbrüchen ausrichten und
6.3 den Verschluß fest mit dem Türblatt (12) verbinden.
7. Der eine Ansatz (169; 269)
7.1 bildet eine Aufnahme für das im Ende des Schwenkhebels angeordnete Zylinderschloß und
7.2 klemmt zusammen mit einem von ihm ausgehenden (z.B. 175 in Fig. 14) oder mit ihm verschraubten Halteteil (z.B. 275 in Fig. 29; 375 in Fig. 30) das Türblatt (12) im Bereich des einen Durchbruchs (34) zentrierend ein.
8. Der andere Ansatz (170; 270)
8.1 ist ein Teil des Schloßkastens (16), 8.2 klemmt zusammen mit einem weiteren Teil (z.B. 71 in Fig. 16; 171, 146 in Fig. 24) des Schloßkastens (16) das Türblatt (12) im Bereich des ersten Durchbruchs (32) zentrierend ein.
Diese Gliederung entspricht der im Urteil des Senats aus dem früheren Nichtigkeitsverfahren; von ihr ist auch das Bundespatentgericht im angefochtenen Urteil ausgegangen. Auch die Parteien haben diese Gliederung ihren Ausführungen zugrunde gelegt.
Die einzelnen Teilprobleme werden, wie der fachkundige Leser aus der Beschreibung des Streitpatents unschwer entnimmt, jeweils im Zusammenwirken eines Teils der genannten Merkmale gelöst. Für die Unterbringung im Verkantungsraum ist zum einen die Verwendung zumindest einer Verschlußstange verantwortlich (Merkmal 4.2), die parallel zur Türkante verläuft (Merkmal 4.2.1), aus Flachbandmaterial besteht (Merkmal 4.2.2) und einstückig durch den Schloßkasten hindurchreicht (Merkmal 4.2.3); zum anderen wird die Unterbringung im Verkantungsraum dadurch erreicht, daß der Schloßkasten, durch den die Verschlußstange einstückig hindurchgeführt wird, einen Ansatz (170, Merkmal
8) aufweist, der Teil des Schloßkastens ist (Merkmal 8.1), zusammen mit weiteren Teilen das Türblatt im Bereich des ersten Durchbruchs (32) zentrie-
rend einklemmt (Merkmal 8.2) und damit die parallel zum Türblatt angeordnete Verschlußstange dicht an das Türblatt heranführt. Die einfache Montage wird dadurch ermöglicht, daß die eine Aufnahmemulde für den Schwenkhebel bildende Grundplatte (Merkmal 6) ebenfalls Ansätze (169, 170) aufweist (Merkmal 6.2), die im Bereich der Durchbrüche einstückig von der Grundplatte ausgehen (Merkmal 6.2.1), von denen der eine Ansatz (170) durch den einen Durchbruch (32) und der andere Ansatz (169) durch den anderen Durchbruch (34) die Grundplatte ausrichtend hindurchgreift (Merkmal 6.2.3). Dabei wirken der Ansatz der Grundplatte und der Ansatz des Schloßkastens (16) so zusammen, daß das Türblatt einerseits im Bereich des ersten Durchbruchs (32) zwischen Grundplatte und Kappenteil (71), andererseits durch das von der Grundplatte ausgehende Halteteil (175) im Bereich des zweiten Durchbruchs (34) zentrierend eingeklemmt wird. Der fachkundige Leser ersieht daraus unschwer, daß die Befestigung des Verschlusses lediglich an den Durchbrüchen erstens durch Aufsetzen der Grundplatte und zweitens durch Festziehen der den Schloßkasten mit der Grundplatte verbindenden Schrauben erfolgt. Ihm ist auch ohne weiteres ersichtlich, daß der Schwenkhebelstangenverschluß ohne zusätzliche Bohrungen im Türblatt montiert wird und durch bloßes Öffnen der Verschraubung des Kappenteils mit der Grundplatte nachträgliche Änderungen in der Anordnung der zusammenwirkenden Teile des Schwenkhebelstangenverschlusses auf einfache Art möglich sind. Der Schwenkhebelstangenverschluß nach Patentanspruch 1 des Streitpatents wird daher nicht am Türblatt oder das Türblatt mittels besonderer Bohrungen durchgreifend verschraubt, sondern mittels des Ansatzes (170) im Zusammenwirken mit dem Kappenteil (71) im Bereich des Durchbruchs (32) sowie im weiteren Zusammenwirken mit dem Ansatz (169) und dem Halteteil (175) im Bereich des Durchbruchs (34) zentrierend verklemmt und danach durch Betätigung der Befestigungsschrauben des Kappenteils mit der Grundplatte verspannt.
3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist neu. Keine der Entgegenhaltungen im früheren Nichtigkeitsverfahren haben einen Schwenkhebelstangenverschluß mit sämtlichen in Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen gezeigt. Dies hat der Senat in seinem früheren Nichtigkeitsurteil im einzelnen ausgeführt. Von der Neuheit der patentierten Lehre geht insoweit auch der Kläger aus.
Der gerichtliche Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten überzeugend dargestellt und in der mündlichen Verhandlung näher erläutert, daß nichts anderes für den vom Kläger im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren ergänzend eingeführten Stand der Technik gilt. Weder der Prospekt "P. " noch die deutsche Offenlegungsschrift 34 07 701 offenbaren einen Gegenstand mit sämtlichen Merkmalen des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 des Streitpatents.
Bei dem Verschluß nach dem unstreitig vorveröffentlichten Prospekt "P. " von R. wird, wie der Fachmann nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen unschwer erkennt, der an der einen Seite der Schranktür anliegende Verschluss mit der auf der anderen Seite der Tür anliegenden Schloßplatte mittels außerhalb der Durchbrüche angeordneter und durch oder in das Türblatt geführter Befestigungsaufnahmen (Bohrungen) befestigt (Prospekt S. 10). Von der Lehre des Streitpatents unterscheidet er sich aber schon durch diese für die Befestigung unerläßlich vorzusehenden Bohrungen, deren Vermeidung wesentliches Anliegen des Streitpatents ist.
Die deutsche Offenlegungsschrift 34 07 701 betrifft einen Schaltschrank mit einer Tür, die zwei Durchbrüche aufweist. An der Tür werden ein Verschlußelement und zwei gleich ausgebildete und symmetrisch zur horizontalen
Mittelachse der Durchbrüche angeordnete Schloßplatten angebracht, wobei eine Schloßplatte das durch einen Durchbruch der Tür geführte Verschlußbetätigungselement trägt, während die weitere Schloßplatte jeweils den anderen Durchbruch abdeckt. Zwar ist es der Beschreibung der Offenlegungsschrift zufolge zweckmäßig, daß der Verschluß auf seiner der Tür zugekehrten Seite einen Zentrieransatz aufweist, der auf den Querschnitt des ersten Durchbruchs hin ausgelegt ist (Patentanspruch 6, Beschreibung S. 8, Z. 20-23). Mit der Grundplatte einstückig ausgebildete Ansätze, Halteteile und ein Kappenteil, die die Grundplatte sowohl in dem einen wie in dem anderen Durchbruch zentrieren und den Schloßkasten so mit der Grundplatte verklemmen, daß auf eine Verschraubung am Türblatt selbst oder dieses durchgreifend verzichtet werden kann, sind dieser Druckschrift jedoch nicht zu entnehmen.
4. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat jedoch davon überzeugt, daß der Gegenstand nach Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, soweit mit ihm eine Kombination seiner Merkmale mit einem an einem Ansatz verschraubten Halteteil (z.B. 275 Fig. 29, 375 Fig. 30) - auch in deren näherer Ausgestaltung nach den Patentansprüchen 4 bis 6 - beansprucht wird.
Wie der Fachmann aus den Figuren 29 und 30 des Streitpatents erkennt, handelt es sich bei den angeschraubten Halteteilen (275, 375) um Mittel, die mit das Türblatt durchgreifenden Schrauben eine Verschraubungsstelle des Schwenkhebelstangenverschlusses im Bereich des zweiten Durchbruchs (34) und damit neben der Verspannung des Verschlusses durch Aufschrauben des Kappenteils (71) auf der Grundplatte im Durchbruch (32) eine zweite Verspannungsstelle zur Festlegung des Verschlusses am Türblatt darstellen. Es handelt sich hierbei um eine Verschraubung der Teile des Schwenkhebelstangenverschlusses an einer von dem ersten Durchbruch (32) entfernt liegenden Stelle
mit das Türblatt durchgreifenden Mitteln, wie sie dem Fachmann aus dem Stand der Technik am Prioritätstag nahegelegt war.
Die deutsche Offenlegungsschrift 34 07 701 zeigt die verspannende Befestigung von Schloßkasten und Schloßplatten an von den Durchbrüchen des Türblatts entfernt liegenden Stellen mittels Schrauben, die durch Befestigungsaufnahmen (14, 15 und 16) in das Türblatt oder das Türblatt durchgreifend in die Schloßplatten geführt werden und die Teile des Schwenkhebelverschlusses gegeneinander verspannen. Nichts anderes gilt für die europäische Patentanmeldung 0 054 225, die einen Schwenkhebelverschluß offenbart, bei dem die Verschlußteile einerseits mittels einer einen ersten Türblattdurchbruch übergreifenden Befestigungsmutter (27) und andererseits mittels einer einen zweiten Türblattdurchbruch übergreifenden becherartigen Mutter (50) an zwei Stellen jeweils gesondert verspannt werden. Danach war die Anordnung von zwei Befestigungsstellen, an denen die Verschlußteile jeweils gesondert mittels an ihnen angreifender Verspannungsmittel verspannt werden, eine dem Fachmann am Prioritätstag geläufige Maßnahme, die - wie der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten zum Patentanspruch 4 ausgeführt hat (Gutachten S. 14) - dem Ersetzen einer zentralen Verschraubung durch mehrere Verschraubungen durch Verändern der Lage der Befestigungsstellen dient, wie sie dem Fachmann aus dem Stand der Technik bekannt und leicht aus den vorbekannten Lösungen zu gewinnen sind. Der gerichtliche Sachverständige hat dies in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage dahin bestätigt, daß auch die nähere Ausbildung der im Bereich des zweiten Durchbruchs (34) angreifenden Halteteile als Klemmwinkel oder Kappen (Patentansprüche 5 und 6) keine das Können des Fachmanns überschreitende konstruktive Maßnahme darstellt, weil sie in ihrer Wirkungsweise der Verwendung von Unterlegscheiben entsprechen.
5. Demgegenüber hat das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Senats ergeben, daß das Streitpatent in der Fassung des Patentanspruchs 1 im übrigen nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
Die im Streitpatent insoweit unter Schutz gestellte Lösung konnte der Fachmann nicht schon nach seinem allgemeinen Fachwissen in naheliegender Weise auffinden. Zwar hat der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt und in der mündlichen Verhandlung nochmals erläutert , daß es dem Fachmann geläufig war, Spannkreise aus Zug- und Druckgliedern in verschiedenen Variationen aufzubauen und dabei auch Funktionsdifferenzierungen vorzunehmen (Gutachten S. 12). Der gerichtliche Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung aber auf Nachfrage bestätigt, daß die Ausbildung des Gegenstands nach Patentanspruch 1 des Streitpatents mit einstückig an der Grundplatte ausgebildeten Ansätzen, die die Grundplatte so in den Durchbrüchen zentrieren und verklemmen, daß die Teile des Schwenkhebelverschlusses ohne zusätzliche Verspannungsmittel durch Anziehen der das Kappenteil mit der Grundplatte verspannenden Schrauben festgelegt wird, keineswegs einen trivialen Lösungsansatz darstellt, weil bei dieser Lösung die Zentrier- und Haltefunktionen auf die einander gegenüberliegenden Durchbrüche verteilt werden und durch die Ausbildung mit der Grundplatte einstückig ausgeführter Ansätze zwischen der Spiel erfordernden einfachen Montage und der Notwendigkeit einer möglichst spielfrei ausgeführten Haltefunktion vermittelt wird.
Wie der Senat bereits im Urteil vom 24. Oktober 1994 ausgeführt hat, bestehen erhebliche konstruktive Unterschiede zwischen der europäische Offenlegungsschrift 0 054 225 und dem Gegenstand des Streitpatents, so daß die europäische Offenlegungsschrift für sich genommen dem Fachmann den Gegenstand nach Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht nahegelegt hat. Dies
gilt, wie der Senat ausgeführt hat, bereits bezüglich der Verschlußstangen. Während die Verschlußstangen beim Gegenstand des Streitpatents aus Flachbandmaterial gefertigt sind und durch den Verschlußkasten hindurchreichen, sind sie nach der europäischen Offenlegungsschrift rund, reichen nur bis in den Verschlußkasten und sind zudem an einem doppelarmigen Hebel angelenkt. Ferner liegt der Verschlußkasten nach dem Streitpatent am Türblatt an, so daß das Türblatt durch das Anziehen der Schrauben zwischen den Ansätzen (170) verklemmt wird; demgegenüber ist der Verschlußkasten nach der europäischen Offenlegungsschrift mit Abstand vom Türblatt angeordnet. Dieser Schrift ist daher keine Anregung zu entnehmen, den Verschlußkasten unmittelbar an das Türblatt zu verlegen. Bezüglich der Befestigung des Schwenkhebelverschlusses am Türblatt unterscheidet sich das Streitpatent von der in der europäischen Offenlegungsschrift offenbarten Ausführung dadurch, daß beim Gegenstand des Streitpatents die Grundplatte bereits mit ihren in die beiden Durchbrüche (32) und (34) eingreifenden Ansätzen die Grundplatte am Türblatt nahezu kraftschlüssig hält und zentriert, so daß nur die abschließende Festlegung des Verschlusses durch Anziehen der Schrauben des Kappenteils erfolgen muß, während die europäische Offenlegungsschrift dem Fachmann offenbart, daß die Festlegung des Verschlusses mittels zweier voneinander unabhängiger Muttern stattfindet, von denen die eine Befestigungsmutter (27) den einen Durchbruch übergreifend das Lagergehäuse gegen das Türblatt verspannt und die andere (Bechermutter 58) den anderen Durchbruch übergreifend den Aufsatz (46) gegen das Türblatt verspannt. Hierdurch erfährt der Fachmann keine Anregung, die Grundplatte mit einstückig an ihr angeordneten Ansätzen so auszubilden, daß diese nahezu kraftschlüssig von den Durchbrüchen aufgenommen, in ihnen zentrierend verklemmt und mittels Anziehen der Schrauben im Kappenteil so an der Grundplatte festgelegt wird, daß er an dem Türblatt verspannt ist. Die Konstruktion des Schwenkhebelverschlusses nach der Druckschrift weist den Fachmann daher insgesamt in andere Richtung. Auch der Kläger zeigt keinen
Umstand auf, der den Fachmann bei Lektüre der Druckschrift in die Richtung der Lösung des Streitpatents weisen könnte.
Weiter kann nicht festgestellt werden, daß die deutsche Offenlegungsschrift 34 07 701 für sich genommen dem Fachmann den Gegenstand nach Patentanspruch 1 des Streitpatents nahegelegt haben könnte. Der Offenlegungsschrift liegt das Problem zugrunde, Schaltschränke so auszugestalten, daß sie mit den unterschiedlichsten Verschlußbetätigungs- und Schloßelementen bestückbar sind und nur eine einheitliche Türtype erfordern, ohne die Variationsmöglichkeiten der Verschlüsse einzuschränken. Dies wird der Beschreibung zufolge dadurch erreicht, daß die beiden Türdurchbrüche gleich und symmetrisch zur horizontalen Mittelachse der Tür angeordnet werden, anstelle nur einer Schloßplatte weitere Schloßplatten an der Tür anbringbar sind, die jeweils nur ein Verschlußbetätigungselement oder nur ein mit einem Schloßelement kombiniertes Verschlußbetätigungselement tragen und daß das mit einem Schloßelement kombinierte Verschlußbetätigungselement jeweils nur durch einen Durchbruch der Tür geführt ist, während eine weitere Schloßplatte jeweils den anderen Durchbruch abdeckt (Beschreibung Offenlegungsschrift S. 6 Abs. 4, 5). Dagegen sieht der Gegenstand des Streitpatents eine einstückig beide Durchbrüche übergreifende Grundplatte vor, die in beiden Durchbrüchen mittels Ansätzen zentriert und verklemmt wird und es erlaubt, von den beiden für den Schwenkhebelverschluß vorgesehenen Rechteckdurchbrüchen so Gebrauch zu machen, daß bei einer Auswechslung des Schwenkhebelverschlusses gegen einen anderen nicht mehr benötigte Zusatzlöcher weder abgedeckt, noch abgedichtet oder sonstwie beseitigt werden müssen (Beschreibung Streitpatent Sp. 3, Z. 26-36). Auch eine Anregung, die den Schwenkhebel aufnehmende Grundplatte unter Verzicht auf gegenüber den beiden Durchbrüchen zusätzliche Befestigungsausnehmungen im Türblatt so auszubilden, daß sie mittels einstückig an ihr angebrachter Ansätze im Zusammenwirken mit dem Halteteil
(175) sowie dem Kappenteil (71) sowohl an dem einen wie an dem anderen Türdurchbruch gleichzeitig zentriert und verklemmt wird, hat der Fachmann aus der Offenlegungsschrift 34 07 701 nicht erhalten. Zwar offenbart die Offenlegungsschrift dem Fachmann, daß der Verschluß an seiner der Tür zugekehrten Seite einen Zentrieransatz aufweisen kann, der auf den Querschnitt des ersten Durchbruchs ausgelegt ist und so in den Durchbruch eingreift, daß der Verschluß zentriert wird (Unteranspruch 6, Beschreibung S. 8, Z. 20-23). Sie offenbart dem Fachmann auch, daß er das Getriebe für die Schubstange in einen Verschluß mit U-förmigem Profil verlegen kann, das an das Türblatt angeschraubt wird, so daß der Verschluß am Türblatt anliegt. Dabei wird die Grundseite des Profils genutzt, um den Verschluß mittels eines an den Durchbruch angepaßten Teils im Durchbruch zu zentrieren. Der Verschluß übernimmt daher sowohl die Funktion einer Getriebelagerung als auch eines Zentriermittels. Wie sich aus dem Rückbezug des Unteranspruchs 6 auf die Ansprüche 2 bis 5 der Offenlegungsschrift ergibt, wird infolge der Befestigung des Verschlusses in den Befestigungsausnehmungen des Türblatts aber lediglich der Verschluß (einseitig ) in Preßsitz mit dem Türblatt gebracht und zentriert. Dagegen wird beim Gegenstand nach Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht lediglich der Schloßkasten in Preßsitz mit dem Türblatt gebracht. Vielmehr wird die den Schloßkasten und die Grundplatte mit der Aufnahme für den Schwenkhebelverschluß zentrierende und verklemmende Kraft durch das Zusammenwirken der einstückig mit der Grundplatte ausgebildeten Ansätze mit dem Halteteil (175) und dem die Getriebeanordnung übergreifenden, zum Türblatt hin offenen Kappenteil (71) in der Weise ausgeübt, daß Grundplatte und Kappenteil das Türblatt zwischen sich so verklemmen, daß der Schloßkasten und die Grundplatte auf den Durchbruch zentriert und auf Mittel, die den Verschluß an einer weiteren Stelle gegen das Türblatt verspannen, verzichtet werden kann. Hinweise darauf, daß Verschluß und Schloß- oder Grundplatte ohne außerhalb der Durchbrüche liegende Befestigungsmaßnahmen am Türblatt befestigt werden können, erhält der
Fachmann weder aus der Beschreibung noch aus den Zeichnungen der Offenlegungsschrift.
Nichts anderes gilt für den Prospekt "P. ". Zwar stellt dieser Prospekt in den Abbildungen Seite 10 eine den Verschluß auf der der Tür abgewandten Seite abdeckende Schloßplatte (5) mit aufgeschraubter Schließnase (2) dar; die dort dargestellte Schloßplatte (5) dient aber lediglich der Abdeckung des Verschlusses. Denn nach Entfernen der Schloßplatte (5) durch Lösen der Senkschrauben (1, 4) wird der Verschluß nach wie vor mit seiner der Tür zugewandten Platte durch die Zylinderschraube 11 auf dem Türblatt gehalten. Diese Schraube bringt, wie sich aus den Erläuterungen zum Verschlußumbau unter Nr. 3 ergibt, nicht etwa die auf der dem Verschluß gegenüberliegenden Seite des Türblatts angeordnete Schloßabdeckung (9) in das Türblatt zentrierende Verklemmung mit dem Verschluß. Vielmehr wird die Schloßabdeckung (9) unabhängig von der Befestigung des Verschlusses durch die Zylinderschraube (11) von der Zylinderschraube (10) auf dem Türblatt gehalten und damit unabhängig von der Befestigung des Verschlusses auf das Türblatt aufgeschraubt. Hinweise, die dem Fachmann nahelegen könnten, unter Verzicht auf Verschraubungen des Verschlusses und der auf der gegenüberliegenden Seite des Türblatts liegenden Abdeckung Grundplatte und Schloßkasten allein durch gegeneinander zentrierende Verklemmung am Türblatt zu befestigen , enthält auch der Prospekt mithin nicht. Wie die deutsche Offenlegungsschrift weist auch der Prospekt den Fachmann in andere Richtung, nämlich nur einen Durchbruch zur Zentrierung des Verschlusses zu nutzen und den Verschluß wie die auf der gegenüberliegenden Seite des Türblatts angeordnete Abdeckung unabhängig voneinander mittels in der Tür außerhalb der Durchbrüche ausgebildeter Befestigungsaufnahmen (Bohrungen) zu verspannen.
Wie der gerichtliche Sachverständige auf Nachfrage bestätigt hat, erhielt der Fachmann auch aus der Zusammenschau der am Prioritätstag im Stand der Technik vorbekannten Schwenkhebelstangenverschlüsse keine Anregung zur Ausbildung eines Gegenstandes mit der Gesamtheit der Kombinationsmerkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der eingeschränkten Fassung. Vielmehr hat der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten - dort allerdings im Zusammenhang mit der Erörterung des Patentanspruchs 7 - darauf hingewiesen, daß das mit den Merkmalen des Patentanspruch 7 näher ausgebildete Kappenteil gemeinsam mit der Grundplatte des Schlosses für die Funktionen des Klemmens, Zentrierens und der Getriebelagerung (Lagerung für Ritzel und Stange) einen hohen Grad an Integration aufweist, der durch schematisches Variieren in der gezeigten vorteilhaften Form nicht zu gewinnen ist. Dies gilt, wie die Erörterungen mit dem gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung ergeben haben, bereits für die Gesamtheit der Kombinationsmerkmale nach Patentanspruch 1 in der beschränkten Fassung und nicht erst für die nähere Ausgestaltung des Schlosskastens nach Patentanspruch 7. Es kann daher nicht festgestellt werden, daß Patentanspruch 1 in der nunmehr eingeschränkten Fassung nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
6. Mit dem eingeschränkten Patentanspruch 1 haben auch die auf ihn rückbezogenen Unteransprüche Bestand, soweit sie nicht als bloße zweckmäßige Ausführungsformen der nicht als erfinderisch anzusehenden Alternative aus Patentanspruch 1 für nichtig zu erklären sind (Patentansprüche 4 bis 6).
III. Auf die Berufung ist das angefochtene Urteil daher teilweise abzu- ändern, das Streitpatent im erkannten Umfang für nichtig zu erklären und die weitergehende Klage unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung mit der Kostenfolge aus § 121 Abs. 2 PatG, § 92 Abs. 1 ZPO abzuweisen.
Melullis Jestaedt Scharen
Keukenschrijver Asendorf BESCHLUSS X ZR 155/99 vom 19. Februar 2003 in der Patentnichtigkeitssache den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Asendorf
beschlossen:
Der Tenor des Senatsurteils vom 17. Dezember 2002 wird wegen eines Schreibversehens dahin berichtigt, daß er wie folgt lautet:
Auf die Berufung des Klägers, die im übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 15. April 1999 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts im Kostenausspruch aufgehoben und im übrigen abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Das europäische Patent 0 261 266 wird unter Abweisung der weitergehenden Klage mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß in seinem Patentanspruch 1 die Worte "oder mit ihm verschraubten" sowie der Klammerzusatz "(z.B. 275, Fig. 29, 375, Fig. 30)" einschließlich der Pa- tentansprüche 4 bis 6 entfallen, sich die Patentansprüche 2 bis 11 auf den so beschränkten Patentanspruch 1 beziehen und in Pa- tentanspruch 7 der Rückbezug auf die Patentansprüche 4 bis 6 entfällt.
Melullis Jestaedt Scharen
Keukenschrijver Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 173/07 Verkündet am:
7. September 2010
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Walzgerüst II
EPÜ Art. 56, PatG § 4
Der Umstand, dass sich eine komplexe Vorrichtung (hier: Walzgerüst) gedanklich
in Komponenten oder Module zerlegen lässt, für deren Relativbewegung
zueinander eine begrenzte Anzahl von Möglichkeiten zur Verfügung steht, lässt
für sich genommen grundsätzlich noch nicht den Schluss zu, dass es für den
Fachmann nahegelegen hat, zur Lösung von Problemen, die bei der Bewegung
einer Komponente auftreten, die übrigen Bewegungsalternativen in Erwägung
zu ziehen, wenn hiermit erhebliche Umgestaltungen der Komponenten verbunden
sind (Fortführung von BGHZ 182, 1 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung).
BGH, Urteil vom 7. September 2010 - X ZR 173/07 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. September 2010 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Berger, Hoffmann und die Richterin
Schuster

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 25. Oktober 2007 verkündete Urteil des 10. Senats (Juristischen Beschwerdesenats und Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des u.a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 597 265 (Streitpatents ). Das Patent nimmt die Priorität einer deutschen Patentanmeldung vom 15. Oktober 1992 in Anspruch. Patentanspruch 1 lautet: "Walzgerüst mit zwei zueinander parallelen Walzenständern (3, 4), von denen der bedienungsseitige Walzenständer (4) von dem anderen Walzenständer (3) wegbewegbar ist, anstellbar gelagerten Walzen, insbesondere Universalwalzgerüst (1) mit Horizontalwalzen (5, 6) und in Kassetten (17) angeordneten Vertikalwalzen (7), d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass ein mit dem bedienungsseitigen Walzenständer (3) wegbewegbarer Wechselrahmen (13) die Walzen (5, 6; 7) aufnimmt."
2
Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil er nicht neu sei, zumindest aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
3
Die Beklagte hat in der ersten Instanz Klageabweisung beantragt und das Streitpatent hilfsweise nach Maßgabe eines Hilfsantrags verteidigt.
4
Das Bundespatentgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 25. Oktober 2007 - 10 Ni 7/07 (EU), juris).
5
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren Antrag auf Nichtigerklärung des Streitpatents weiterverfolgt.
6
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
7
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. F. schriftliches ein Gutachten erstattet , welches er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:

8
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
9
I. Das Streitpatent betrifft ein Walzgerüst mit zwei zueinander parallelen Walzenständern und dazwischen gelagerten Walzen, die mithilfe eines Wechselrahmens ausgewechselt werden können.
10
1. Es geht aus von dem aus der veröffentlichten internationalen Patentanmeldung 88/06930 (X2) bekannten Walzgerüst. Bei diesem - in der Streitpatentschrift nicht näher beschriebenen - Walzgerüst sind die Walzen in einem als Abstandhalteranordnung (spacer structure 15) bezeichneten Wechselrahmen gehaltert, der auf einem Tisch (17) aufsitzt und zwischen zwei verfahrbaren Walzenständern (1, 3) angeordnet ist. Zum Walzenwechsel werden die Walzenständer auseinander gefahren, so dass die Abstandhalteranordnung und die darin gehaltenen Walzen durch einen Deckenlaufkran vom Tisch abgehoben und durch eine andere Abstandhalteranordnung ersetzt werden können.
11
Das Streitpatent gibt als der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe an, bei einem gattungsgemäßen Walzgerüst den Walzenwechsel weiter zu vereinfachen und die Stillstandszeiten der Walzstraße beim Walzenwechsel zu verringern.
12
Dieses Problem soll durch ein Walzgerüst gelöst werden, dessen Merkmale mit dem Patentgericht wie folgt gegliedert werden können: 1. Das Walzgerüst hat zwei zueinander parallele Walzenständer (3, 4); 2. der bedienungsseitige Walzenständer (4) ist von dem anderen Walzenständer (3) wegbewegbar; 3. in den Walzenständern sind Walzen (5, 6, 7) anstellbar gelagert ; 4. ein Wechselrahmen (13) 4.1 nimmt die Walzen (5, 6, 7) auf und 4.2 ist mit dem bedienungsseitigen Walzenständer (4) wegbewegbar.
13
2. Erfindungsgemäß wird somit der die Walzen aufnehmende Wechselrahmen zusammen mit dem antriebslosen, bedienungsseitigen Walzenständer (4) von dem antriebsseitigen Walzenständer (3) weg in eine Zwischenposition gefahren, so dass der Wechselrahmen von dem antriebsseitigen Walzenständer gelöst ist. Danach wird der bedienungsseitige Walzenständer allein in eine Endposition gefahren, so dass der Wechselrahmen mit den von ihm aufgenommenen Walzen freiliegt und nach oben weggehoben werden kann. Das Vereinzeln der Walzen kann an einem anderen Ort erfolgen, während sogleich ein bereits neu mit Walzen bestückter, weiterer Wechselrahmen in umgekehrter Reihenfolge in das Walzgerüst montiert wird und der Betrieb damit fortgesetzt werden kann.
14
Figur 2 zeigt ein Ausführungsbeispiel in der Zwischenposition, in der der den Wechselrahmen aufnehmende bedienungsseitige Walzenständer von dem antriebsseitigen Walzenständer wegbewegt worden ist, der Wechselrahmen jedoch noch nicht vom Walzenständer getrennt ist.
15
Wie die Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen ergeben hat, wird hierdurch der Walzenwechsel gegenüber dem Stand der Technik nach der Entgegenhaltung X2 insofern weiter vereinfacht, als der Austausch der Wechselrahmen nicht in der Walzstraße, sondern an einem (in Grenzen) frei wählbaren Ort außerhalb derselben stattfindet. Die Zugänglichkeit des Wechselrahmens wird hierdurch verbessert. Außerdem muss dieser nicht notwendigerweise nach oben herausgehoben werden, sondern kann auch in anderer Weise abgefördert werden.
16
3. Das Patentgericht hat die Merkmale 2 und 4 näher erläutert (zu II 2 der Entscheidungsgründe). Dagegen ist nichts zu erinnern und wird auch von den Parteien nichts vorgebracht.
17
Die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten, wenn der bedienungsseitige Walzenständer mit dem Wechselrahmen wegbewegt werde, müsse dieser über den Walzenständer ersatzweise gestützt werden, und die hieran geübte Kritik der Klägerin veranlassen jedoch ergänzende Ausführungen zu Merkmal 4.2.
18
Es gibt seinem Wortlaut nach nur vor, dass der Wechselrahmen mit dem Walzenständer bewegt wird. Dies erfordert jedoch, dass der Wechselrahmen, der im Stand der Technik nach der Entgegenhaltung X2 auf dem ortsfesten Tisch (17) aufliegt, so gehalten werden muss, dass sein Gewicht und das Gewicht der Walzen sicher aufgenommen wird. Wie dies geschieht, lässt der Patentanspruch offen. Jedenfalls theoretisch denkbar ist eine auskragende Halterung unmittelbar am Walzenständer, wie sie in Abb. 4 des Sachverständigengutachtens dargestellt ist. In jedem Falle kann die notwendige Abstützung dadurch erreicht werden, dass der Tisch als Bestandteil der verfahrbaren Einheit von Wechselrahmen und bedienungsseitigem Walzenständer gleichfalls ver- fahrbar ausgestaltet wird, wie dies für das Ausführungsbeispiel des Streitpatents in den Figuren 1 bis 3 dargestellt ist.
19
II. Das Patentgericht hat den Gegenstand des Streitpatents für patentfähig erachtet und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: 1. Der Gegenstand des Patents sei neu.
20
a) Die Entgegenhaltung X2 enthalte die Merkmale 1 bis 4.1, jedoch nicht das Merkmal 4.2. Anders als im Streitpatent werde der Wechselrahmen nicht seitlich gemeinsam mit dem bedienungsseitigen Walzenständer vom anderen Walzenständer weggefahren. Vielmehr bleibe nach der Entgegenhaltung der Wechselrahmen zunächst unbewegt, während beide Walzenständer von ihm weggefahren würden.
21
b) Die US-Patentschrift 4 907 437 (Entgegenhaltung X7) betreffe ein Walzgerüst, bei dem die Horizontalwalzen auf fliegenden Wellen gelagert seien (Cantilever-Bauweise), womit diesem Walzgerüst ein zweiter Walzenständer fehle. Bereits das Merkmal 1 sei damit nicht erfüllt.
22
c) In der japanischen Offenlegungsschrift Sho 54-139866 (Entgegenhaltung X8) werde ein Universalwalzwerk beschrieben, bei dem der Abstand zwischen zwei parallelen Walzenständern verändert werden könne, um Horizontalwalzen der erforderlichen Länge einsetzen zu können. Damit würden die Merkmale 1 bis 3 erfüllt. Auch wenn nach der Beschreibung eine Horizontalwalzeneinheit und eine Vertikalwalzeneinheit unter Anwendung eines "C-Hakens" oder dergleichen entfernt werden könne, lasse diese Offenbarung keinen Wechselrahmen im Sinne des Streitpatents erkennen, von dem die Walzen aufgenommen würden. Damit fehle es an den Merkmalen 4.1 und 4.2.
23
d) In der italienischen Patentschrift 1 220 852 (X9) und der US-Patentschrift 5 497 644 (X10) werde beschrieben, dass zum Walzenwechsel komplette Walzgerüste auszutauschen seien. Ein Wechselrahmen entsprechend den Merkmalen 4.1 und 4.2 werde damit nicht offenbart.
24
e) Gegenstand der veröffentlichten europäischen Patentanmeldung 163 104 (Entgegenhaltung X11) sei ein Walzgerüst mit zwei parallelen Walzenständern und darin anstellbar gelagerten Walzen, bei denen der von den Antriebselementen des Walzgerüstes abgewandte Walzenständer von dem anderen Walzenständer wegbewegt werden könne. An diesem beweglichen Walzenständer seien Halteelemente für die Walzen bzw. Walzringe angeordnet, so dass diese zusammen mit dem Walzenständer herausgebracht werden könnten. Ein Wechselrahmen entsprechend den Merkmalen 4.1 und 4.2 sei damit nicht offenbart.
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2. Auch könne nicht festgestellt werden, dass sich der Gegenstand des Streitpatents auf naheliegende Weise aus dem Stand der Technik ergeben habe.
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Den nächstliegenden Stand der Technik repräsentiere die Entgegenhaltung X2. Darin werde zur Vereinfachung des Walzenwechsels ein Wechselrahmen verwendet, von dem beide Walzenständer wegbewegt werden müssten. Dies bedinge, dass von dem antriebsseitigen Walzenständer die Antriebsspindeln entfernt werden müssten. Der Fachmann könne zwar ohne weiteres erkennen , dass der Walzenwechsel vereinfacht werden könne, indem auf ein Verfahren des antriebsseitigen Walzenständers verzichtet und stattdessen nur der bedienungsseitige Walzenständer wegbewegt werde. Es liege auch auf der Hand, dass der Wechselrahmen mit den Walzen zum Herausheben aus dem Walzgerüst von beiden Walzenständern freigestellt werden müsse. Daraus resultiere aber noch keine Anregung, den Wechselrahmen entsprechend dem Merkmal 4.2 des Streitpatents gemeinsam mit dem bedienungsseitigen Walzenständer vom antriebsseitigen Walzenständer wegzubewegen. Da nach der Entgegenhaltung X2 der Wechselrahmen beim Auseinanderbewegen der Walzenständer an seinem Platz verbleibe, sei die unmittelbar naheliegende Lösung beim Übergang auf ein Walzgerüst, bei dem nur der bedienungsseitige Walzenständer zu verfahren sei, den Wechselrahmen zunächst an seinem Platz am antriebsseitigen Walzenständer zu belassen. Dies entspreche dem natürlichen Vorgehen beim Demontieren von Strukturen, nämlich Teile nach und nach abzunehmen.
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Auch in Kombination mit den weiteren Entgegenhaltungen ergebe sich für den Fachmann keine Anregung zur Lehre des Streitpatents.
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III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand. Das Patentgericht hat den Gegenstand des Streitpatents zu Recht für patentfähig erachtet.
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1. Als maßgeblicher Fachmann ist entsprechend den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ein Absolvent einer Universität oder einer Fachhochschule auf dem Gebiet des allgemeinen Maschinenbaus mit dem Schwerpunkt Konstruktionstechnik oder Getriebetechnik anzusehen, der mindestens eine fünfjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Walzstraßen für Stahl besitzt.
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2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist neu. Insoweit ist gegenüber den von der Klägerin nicht weiter beanstandeten Ausführungen des Patentgerichts nichts zu erinnern.
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3. Der Gegenstand des Streitpatents ist durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.
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a) Ausgehend von der Entgegenhaltung X2 mag zwar der Fachmann Anlass gehabt haben, sich die Frage vorzulegen, ob der Austausch des Wechselrahmens mit den darin aufgenommen Walzen nicht in einer Weise erfolgen könne, bei der der antriebsseitige Walzenständer nicht bewegt wird. Denn dieser Walzenständer ist mit dem Antrieb verbunden, und es müssen daher u.a. Versorgungsleitungen für ein Verfahren dieses Ständers gelöst und schließlich wieder hergestellt werden oder weitere Teile des Walzgerüstes mit dem Walzenständer verfahren werden. Weiterhin muss, wie der Sachverständige erläutert hat, nach einem Hin- und Herverfahren des antriebsseitigen Walzenständers (auch) dieser wieder so ausgerichtet werden, dass sich das Walzenlager exakt in der Sollposition befindet und eine Zentrierung der Walzen erfolgen kann. Der damit verbundene Aufwand konnte, wie auch das Patentgericht angenommen hat, Anlass zu der Überlegung geben, ob der Walzenwechsel nicht ohne Bewegung des antriebsseitigen Walzenständers ausgeführt werden konnte.
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Der Stand der Technik bietet jedoch keine Anregung für den Fachmann, dieses Problem erfindungsgemäß dadurch zu lösen, dass der Wechselrahmen mit dem bedienungsseitigen Walzenständer von dem antriebsseitigen wegbewegt wird. Allenfalls hätte der Fachmann, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, erwägen können, im Sinne einer schrittweisen Demontage zunächst den bedienungsseitigen Walzenständer und sodann den Wechselrahmen von dem antriebsseitigen Walzenständer abzunehmen.
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Hingegen bestand keine Veranlassung, den Wechselrahmen, der nach der X2 mit Hilfe eines Krans aus der Walzstraße herausgehoben wurde, statt dessen zusammen mit dem bedienungsseitigen Walzenständer vom antriebseitigen Walzenständer abzukuppeln und einheitlich (zunächst) horizontal zu verfahren. Ebenso wie eine schrittweise Demontage des Walzgerüsts erforderte nämlich jede andere Lösung, bei der der antriebsseitige Walzenständer nicht bewegt wurde, statt dessen eine Horizontalbewegung des Wechselrahmens. Diese konnte aber dem Fachmann kaum wünschenswerter erscheinen als eine Bewegung des antriebsseitigen Walzenständers. Denn der Walzenwechsel erfordert ohnehin, wie der gerichtliche Sachverständige erläutert hat, eine gewisse vertikale (durch einen entsprechenden hydraulischen Antrieb zu bewerkstelligende ) Beweglichkeit des den Wechselrahmen stützenden Tisches, damit die in den Walzenständern gelagerten Walzen für die Trennung von den Walzenständern statt dessen durch hierfür im Wechselrahmen vorgesehene Einrichtungen aufgenommen und gehalten werden können. Diese Bewegung mit einer Horizontalverschiebung zu kombinieren, war - auch dies hat der Sachverständige anschaulich erläutert - zumal unter den in der Walzstraße herrschenden, durch hohe Temperaturen, Abfallprodukte des Walzprozesses und beengte Raumverhältnisse charakterisierten Bedingungen mit der Gefahr von Querspannungen und weiteren erheblichen und für den Fachmann nicht ohne weiteres zu überschauenden Risiken behaftet.
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Derartige Risiken einzugehen bestand für den Fachmann um so weniger Anlass, als er, wie sich aus den weiteren Ausführungen des Sachverständigen zur Überzeugung des Senats ergeben hat, die praktische Ausführung einer solchen Idee zum Verfahren des Wechselrahmens für einen Walzenwechsel nicht erproben konnte. Aufgrund der hohen Investitionskosten und des Umstandes, dass Walzgerüste nicht "auf Lager", sondern aufgrund eines konkreten Kundenauftrags produziert werden, war - jedenfalls im Prioritätszeitpunkt - die Bereitschaft gering, eine bekannte Bauweise grundsätzlich in Frage zu stellen, und lag es im Allgemeinen nahe, auftretende Probleme nach Möglichkeit in der Weise zu lösen, dass so weit wie möglich bewährte Komponenten beibehalten wurden und sich um deren punktuelle und schrittweise Verbesserung bemüht wurde. Schwierigkeiten und Aufwand einer Bewegung des antriebsseitigen Walzenständers mussten daher eher Anlass geben, an dieser Stelle über Verbes- serungen wie etwa eine erleichterte Ab- und Ankopplung von Versorgungsleitungen und dergleichen nachzudenken, als den Ablauf des Walzenwechsels und die Funktionalität der einzelnen Komponenten als solche zu verändern.
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Dies steht auch Erwägungen entgegen, wie sie die Klägerin vorgetragen hat, die das Walzgerüst als einen aus drei Komponenten (antriebsseitiger Walzenträger , Wechselrahmen, bedienungsseitiger Walzenträger) bestehenden "Baukasten" begreifen, bei dem es für die notwendigen Relativbewegungen der Komponenten zueinander eine sich dem Fachmann aufgrund seiner Fachkenntnisse ohne weiteres erschließende begrenzte Anzahl von Möglichkeiten gibt. Eine solche Betrachtungsweise läuft darauf hinaus, die für ein Naheliegen der erfindungsgemäßen Lösung erforderliche Anregung durch die Sachlogik der gefundenen Lösung zu ersetzen (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 Rn. 20 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung). Wie der Sachverständige anschaulich geschildert hat, lernt der Fachmann bei seiner Hochschulausbildung zwar eine solche abstrahierende, eine komplexe Vorrichtung in Funktionseinheiten zerlegende Sichtweise. Dies bedeutet jedoch nicht oder jedenfalls nicht ohne weiteres, dass sie die Entwicklung eines Fachgebiets prägt, in die vielmehr typischerweise eine Vielzahl praktischer Erfahrungen und auch Gewohnheiten sowie das Bestreben einfließen, schon im Hinblick auf Kosten , Aufwand und möglicherweise nicht voll überschaubare Risiken einer grundsätzlichen Neukonstruktion Probleme möglichst unmittelbar dort zu lösen, wo sie auftreten. Für das hier in Rede stehende Gebiet gilt dies, wie ausgeführt, in besonderem Maße.
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b) Auch eine Einbeziehung des übrigen in das Verfahren eingeführten Standes der Technik ergibt nicht, dass der Gegenstand des Streitpatents dem Fachmann nahegelegt war.
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aa) Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, tritt bei der aus der Entgegenhaltung X7 bekannten Vorrichtung das Problem, dass ein Wechselrahmen mit den darin aufgenommenen Walzen von zwei Walzenständern freigestellt werden muss, bereits nicht auf. Der Wechselrahmen wird dort mittels einer Montageeinheit (14) und eines Installationssystems (15) ausgetauscht, die beide nicht näher erläutert sind. Es ist zwar richtig, dass bei der Entgegenhaltung X7 nur die Horizontalwalzen (12), nicht aber die Vertikalwalzen (23) fliegend gelagert sind. An der Richtigkeit der - vom gerichtlichen Sachverständigen geteilten - Bewertung durch das Patentgericht, dass die Freistellung von zwei Walzenständern nicht offenbart ist, ändert dies jedoch nichts. Wenn die Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts demgegenüber annimmt, das technische Merkmal, den Wechselrahmen "gemeinsam mit einer Halterung für den Walzenwechsel" quer zur Walzlinie vom feststehenden antriebsseitigen Walzenständer wegbewegbar zu gestalten, sei dem Fachmann aus der Entgegenhaltung bekannt und sei für ihn unmittelbar naheliegend, diese Maßnahme bei einem Walzgerüst nach der Entgegenhaltung X2 anzuwenden (Anl. X13, S. 8), kann der Senat dem nicht beitreten. Wenn der Gedanke gefasst ist, den Wechselrahmen mit dem bedienungsseitigen Walzenständer "mitzunehmen", kann in einer bloßen Halterung für den Walzenwechsel, der bei einer fliegenden Lagerung in einer feststehenden Antriebseinheit naturgemäß quer zur Walzlinie erfolgen muss, in der Tat ein (in der Terminologie der Klägerin) Äquivalent zum Walzenständer gesehen werden. Ist er aber nicht gefasst, kann der Fachmann aus dem Umstand, dass eine bei einem Cantilever-Walzgerüst verwendete Halterung für den Walzenwechsel die zu wechselnden Walzen mitnimmt, keine Anregung für die Ausgestaltung eines Walzgerüsts nach der Entgegenhaltung X2 gewinnen. Auch der vom Tribunale Ordinario di Trieste beauftragte Sachverständige hat eine derartige Gleichsetzung ausdrücklich verworfen (Anl. X14 S. 16-20 = X14a S. 16-20).
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Zudem betrifft die Entgegenhaltung entsprechend den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen eine andere Leistungsklasse. Für die Bearbeitung von Metallen sind bei dieser Entgegenhaltung ersichtlich nur geringere Kräfte aufzuwenden, weshalb die Walzen und ihre Aufhängung nur ein deutlich geringeres Gewicht aufzuweisen brauchen, für das es infolgedessen keines zweiten Walzenständers bedarf. Der Fachmann erfährt aus dieser Entgegenhaltung auch deshalb keine Anregungen für die Ausgestaltung eines Walzgerüsts nach der Entgegenhaltung X2.
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bb) Aus der Entgegenhaltung X8 ergibt sich für den Fachmann bereits nicht hinreichend deutlich, ob nach dieser Lehre überhaupt ein Wechselrahmen zum Einsatz kommen soll. Vor allem aber gibt diese Entgegenhaltung keinen Hinweis darauf, wie in welcher Weise ein solcher Wechselrahmen und die Walzenständer zu verfahren sind, um die Walzen freizulegen. Für ein gemeinsames Verfahren des Wechselrahmens mit dem bedienseitigen Walzenständer enthält diese Entgegenhaltung daher keine weiterführenden Hinweise.
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cc) Entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten kann der Fachmann auch den Entgegenhaltungen X9/X10 keine Lehre entnehmen, die ihm Anstöße oder Hinweise für das gemeinsame Verfahren eines Wechselrahmens mit einem der beiden Walzenständer gäbe, denn nach dieser Entgegenhaltung wird als Vorrichtung zum Walzenwechsel eine Einheit ausgetauscht, die die Funktion beider Walzenständer nebst Walzenlager umfasst. Ein Auseinanderfahren beider Walzenständer, um einen Wechselrahmen freizulegen, ist in dieser Entgegenhaltung nicht zu erkennen, weshalb sie dem Fachmann in dieser Richtung auch keine weiteren Hinweise zu vermitteln vermag.
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dd) Die Entgegenhaltung X11 gibt als Vorteil an, dass der antriebsseitige Walzenständer, zu dem auch das Tragwellenpaar für die Walzenringe gehört, ortsfest in seiner jeweiligen Anstellposition innerhalb der Walzlinie verbleibt und die Kupplung der Tragwellen mit den Antriebselementen nicht gelöst werden müsse. Damit gibt diese Entgegenhaltung die bereits allgemein zu erkennenden , oben bereits erörterten Vorteile eines beim Walzenwechsel nicht zu bewegenden Walzenständers wieder.
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Da nach der Lehre dieser Entgegenhaltung kein Wechselrahmen zur Anwendung kommt, vielmehr anstelle von Walzen Walzringe auf Büchsen sitzen , die einen Teil des Lagers bilden und von den Tragwellen abgezogen werden , erfährt der Fachmann auch aus dieser Entgegenhaltung keine weitergehenden Hinweise für das gemeinsame Verfahren eines komplette Walzen tragenden Wechselrahmens mit einem der beiden Walzenständer.
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4. Die weiteren Patentansprüche werden durch die Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 getragen.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG, § 97 Abs. 1 ZPO. Meier-Beck Gröning Berger Hoffmann Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 25.10.2007 - 10 Ni 7/07 (EU) -

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)