Bundesgerichtshof Urteil, 23. Okt. 2007 - X ZR 104/06

bei uns veröffentlicht am23.10.2007
vorgehend
Bundespatentgericht, 4 Ni 43/05, 12.07.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 104/06 Verkündet am:
23. Oktober 2007
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die
Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 12. Juli 2006 unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Klägerin abgeändert: Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte war zuletzt Inhaberin des deutschen Patents 37 14 115 (Streitpatents), das im Verlauf des Berufungsverfahrens durch Ablauf der Schutzdauer erloschen ist. Es umfasste sieben Ansprüche, von denen allein der erste mit der Nichtigkeitsklage angegriffen wird. Dieser lautet: "1. Münzschloss mit einer Kopplungseinrichtung, zum Anbau an Transportwagen, insbesondere an Einkaufswagen, das auf Pfandbasis ein An- und Abkoppeln frei stehender Transportwagen untereinander und/oder ein An- und Abkoppeln von Transportwagen ermöglicht, die mit einer fest installierten Sammelstelle direkt oder über weitere Transportwagen indirekt mit dieser Sammelstelle verbunden sind, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass das Münzschloss mit einem oder mit zwei Schiebegriffabschnitten ausgestattet ist und dass Endbereiche des Münzschlosses zur Befestigung an den Transportwagen bestimmt sind."
2
Nach den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen sollte der kennzeichnende Teil von Patentanspruch 1 lauten: "Münzschloss …, g e k e n n z e i c h n e t durch folgendes Merkmal: das Münzschloss ist zumindest mit einem Schiebegriffabschnitt ausgestattet."
3
Die Klägerin, die von der Beklagten wegen Verletzung des Streitpatents in Anspruch genommen wird, hat mit der Nichtigkeitsklage geltend gemacht, der Gegenstand von Patentanspruch 1 gehe über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus.
4
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent unter Abweisung der weitergehenden Klage insoweit für nichtig erklärt, als es im kennzeichnenden Teil über folgende Fassung hinausgeht: "Münzschloss …, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass das Münzschloss mit einem oder mit zwei Schiebegriffabschnitten ausgestattet ist und dass Endbereiche des Münzschlosses zur Befestigung an den Transportwagen bestimmt sind, w o b e i im Falle eines Schie- begriffabschnitts ein Endbereich der Endbereich eines Schiebegriffabschnitts ist und wobei im Fall von zwei Schiebegriffabschnitten zwei Endbereiche die Endbereiche der Schiebegriffabschnitte sind."
5
Gegen das Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen. Die Klägerin erstrebt mit ihrem weiterverfolgten erstinstanzlichen Hauptantrag sowie mit einem zusätzlichen Hilfsantrag eine weitergehende Teilnichtigerklärung des Streitpatents; die Beklagte begehrt mit ihrem Rechtsmittel die Abweisung der Klage. Beide Parteien beantragen, das jeweilige Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:



6
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage, während das Rechtsmittel der Klägerin ohne Erfolg bleibt.
7
I. Die Nichtigkeitsklage ist auch nach Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents zulässig, weil die Klägerin von der Beklagten als Patentverletzerin in Anspruch genommen wird und sie deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis an der Nichtigerklärung des Streitpatents im angegriffenen Umfang hat (st. Rspr., vgl. zuletzt Sen.Urt. v. 24.4.2007 - X ZR 201/02, Mitt. 2007, 269 - Verpackungsmaschine

).


8
II. Der Nichtigkeitsgrund des § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG i. V. mit § 22 PatG ist weder in dem vom Bundespatentgericht im angefochtenen Urteil angenommenen , noch in dem von der Klägerin mit der Berufung erstrebten Umfang gegeben.
9
1. Das Streitpatent betrifft ein Münzschloss mit einer Kopplungseinrichtung zum Anbau an Transportwagen, insbesondere an Einkaufswagen, die auf Pfandbasis ein An- und Abkoppeln von Transportwagen ermöglicht, die mit einer fest installierten Sammelstelle direkt oder über weitere Transportwagen indirekt verbunden oder vereinzelt abgestellt worden sind. Die Streitpatentschrift führt aus, Münzschlösser zur Befestigung an solchen Transportwagen seien zwar bekannt; durch die diesen Wagen eigentümliche Form sei es aber nicht einfach, diese Schlösser an geeigneter Stelle so anzubringen, dass die Wagen sowohl problemlos ineinander geschoben als auch bequem gehandhabt werden könnten. Ein Münzschloss etwa entsprechend der deutschen Offenlegungsschrift 25 54 916 rage aufgrund seiner Größe teilweise in den Ladebereich des Einkaufskorbs hinein, so dass die eingekaufte Ware beim Verstauen im Korb von der Griffseite des Wagens her immer um das Münzschloss herum bewegt werden müsse. Andere Münzschlösser seien zwar kleiner und ließen sich an dem im rückwärtigen Bereich des Einkaufswagens befindlichen Griff auch befestigen. Jedoch würden etwa Schlösser nach Art des deutschen Gebrauchsmusters 81 21 677 mittig am Griff so befestigt, dass sie, wenn die Einkaufswagen mit einem Kindersitz ausgestattet seien, störend in den Bereich dieses Sitzes hineinragten. Der Nachteil der in der deutschen Offenlegungsschrift 33 24 962 gezeigten Schlösser bestehe darin, dass sie außen an den Korbseitenwänden befestigt werden müssten, wodurch der seitliche Platzbedarf des Wagens zunehme. Schließlich müssten alle diese Münzschlösser mit Hilfe von Befestigungselementen an den Transportwagen angebracht werden. Bei Massenartikeln wie Einkaufswagen summiere sich die pro Wagen für die Schlossmontage erforderliche Zeit zu einem kostenträchtigen Zeitaufwand.
10
Nach der Streitpatentschrift soll die Erfindung einerseits die zum Anbringen eines Münzschlosses anfallende Montagezeit auf ein Minimum reduzieren, andererseits sollen der Raum für ein beispielsweise in einem Einkaufswagen mitgeführtes Kleinkind durch das Münzschloss nicht in unzumutbarer Weise verkleinert und das Be- und Entladen eines Transportwagens nicht behindert werden.
11
Dazu schlägt Patentanspruch 1 vor, dass das mit einer nicht näher beschriebenen Kopplungseinrichtung zum An- und Abkoppeln von Einkaufs- und sonstigen Transportwagen versehene Münzschloss 1. mit einem oder mit zwei Schiebegriffabschnitten ausgestattet ist und 2. dass Endbereiche des Münzschlosses zur Befestigung an den Transportwagen bestimmt sind.
12
Die nachfolgend abgebildeten Figuren der Streitpatentschrift zeigen: ein Münzschloss mit zwei Schiebegriffabschnitten (Figur 1), ein Münzschloss mit einem Schiebegriffabschnitt (Figur 2) und eine Befestigungsmöglichkeit des Münzschlosses an einem Transportwagen (Figur 3):
13
2. Der Gegenstand des Streitpatents geht nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen hinaus.
14
a) Der Gegenstand der Anmeldung darf bei der Aufstellung des Patentanspruchs abweichend von den ursprünglichen Unterlagen formuliert und beschränkt werden. Den Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG füllen entsprechende Änderungen erst aus, wenn der Gegenstand der Anmeldung erweitert oder ein aliud an die Stelle der angemeldeten Erfindung gesetzt wird (BGHZ 110, 123, 125 - Spleißkammer); der Patentanspruch darf nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, der nicht von vornherein als zur Erfindung gehörend von den Anmeldungsunterlagen umfasst war (Sen.Beschl. v. 11.9.2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49 ff. - Drehmomentübertragungseinrichtung; Sen.Urt. v. 5.7.2005 - X ZR 30/02, GRUR 2005, 1023 f. - Einkaufswagen II). Ob ein solcher Fall vorliegt, ist durch Vergleich des Gegenstands des erteilten Patents mit den ursprünglichen Unterlagen zu ermitteln. Darin offenbart ist alles, was sich dem fachkundigen Leser ohne Weiteres aus der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen erschließt (Sen.Urt. v. 22.5.2007 - X ZR 56/03, Mitt. 2007, 411 Tz. 12 - injizierbarer Mikroschaum). Gegenstand des Patents ist die durch die Patentansprüche formulierte technische Lehre. Ihr Gehalt ist durch Auslegung unter Heranziehung der Beschreibung zu ermitteln (§ 14 Satz 2 PatG). Durch die Berücksichtigung der Beschreibung soll sichergestellt werden, dass der tatsächliche Sprachgebrauch des Patents hinreichend beachtet und dem Umstand Rechnung getragen wird, dass Patentschriften im Hinblick auf die in ihnen verwendeten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon darstellen können und dass die Beschreibung gleichsam als Wörterbuch dienen kann (BGHZ 150, 149, 155 f. - Schneidmesser I; Benkard/Scharen, Patentgesetz, 10. Aufl., § 14 Rdn. 22; Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Aufl., § 14 Rdn. 67).
15
b) Der in Patentanspruch 1 formulierte Lösungsvorschlag überschreitet den Rahmen der ursprünglichen Offenbarung nicht.
16
aa) Das in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Münzschloss bezieht sich, anders als es der allgemeine Sprachgebrauch zunächst erwarten lässt, nicht isoliert auf die auf Pfandbasis funktionierende Kopplungseinrichtung für die Transportwagen. Den Teil des Münzschlosses, in dem diese Kopplungseinrichtung untergebracht ist, bezeichnet das Streitpatent durchgängig als "Münzschlossgehäuse". Das Münzschloss i. S. des Streitpatents stellt demgegenüber ein komplexes Bauelement dar, welches aus dem die Kopplungseinrichtung aufnehmenden Münzschlossgehäuse und einem oder zwei Schiebegriffabschnitten besteht, die entweder direkt an das Gehäuse angeformt oder - nach einer Ausführung (Anspruch 4) - lösbar daran befestigt sind. Dieses einheitliche Bauteil ist dafür vorgesehen, in einem Arbeitsgang quer an den seitlich an der Rückseite des Transportwagens angebrachten Tragarmen bzw. deren Schlaufen montiert zu werden. Die Verwendung eines solchen integralen Bauteils, das zwei funktionale Erfordernisse - Abkopplungsmöglichkeit des Wagens gegen Pfand einerseits und Schiebevorrichtung andererseits - gleichermaßen erfüllt, soll die in der Beschreibung dargelegten technischen Probleme lösen, namentlich den Zeitaufwand für das Anbringen eines separaten Münzschlosses einzusparen helfen. Das gilt auch für Ausführungen nach Unteranspruch 4 des Streitpatents, wonach die Schiebegriffabschnitte nach dieser Ausführungsform lösbar - die Beschreibung spricht beispielsweise von bajonettartigen Verschlüssen (Sp. 3 Z. 52-60) - mit dem Münzschlossgehäuse verbunden sein können. Damit will das Streitpatent nur eine Konstruktions- und Herstellungsvariante für das - nach wie vor integral verstandene - Münzschloss anbieten.
17
bb) Für das Verständnis der im Merkmal 2 der obigen Merkmalsgliederung bezeichneten "Endbereiche des Münzschlosses zur Befestigung an den Transportwagen" ergibt sich aus dem Münzschlossbegriff des Streitpatents, dass der Endbereich eines Schiebegriffabschnitts zwangsläufig immer zugleich Endbereich des (einheitlichen) Münzschlosses ist. Liegt das Münzschlossgehäuse nach einer bevorzugten Ausführungsform mittig zwischen zwei symmetrisch angeordneten Schiebegriffabschnitten, so sind unter den Endbereichen des Münzschlosses die Endbereiche dieser beiden Schiebegriffabschnitte zu verstehen. Ist aus Platzgründen eine seitliche Anbringung des Schlosses am Transportwagen erforderlich und deshalb am Münzschlossgehäuse lediglich ein Schiebegriffabschnitt vorgesehen, so dass beide Hände einer den Wagen schiebenden Person auf einer Seite neben dem Münzschloss Platz finden (vgl. Beschreibung Sp. 2 Z. 46-54), sind die Endbereiche des Münzschlosses im Sinne von Patentanspruch 1 zum einen der Endbereich des (einzigen) Schiebegriffabschnitts und zum anderen der Endbereich des Münzschlossgehäuses. Ein Münzschloss, das in dieser Weise lediglich mit einem Schiebegriff ausgestattet ist, wird, wie Figur 2 des Streitpatents zeigt, an der dem Griffabschnitt abgewandten Seite mit dem äußeren Ende des Münzschlossgehäuses am Transportwagen befestigt.
18
cc) Soweit es die Befestigung des Münzschlosses betrifft, erfasst der Gegenstand des Patents diese beiden Modalitäten. Zu Unrecht hat das Bundespatentgericht angenommen, in Patentanspruch 1 fehle gegenüber der ursprünglichen Offenbarung das Merkmal, dass Endbereiche des Münzschlosses zur Befestigung an den Transportwagen bestimmt seien, wobei im Falle eines Schiebegriffabschnitts ein Endbereich der Endbereich eines Schiebegriffabschnitts sei und im Fall von zwei Schiebegriffabschnitten zwei Endbereiche die Endbereiche dieser Schiebegriffabschnitte seien.
19
Die vom Bundespatentgericht angenommene Diskrepanz zwischen dem Inhalt von Patentanspruch 1 und den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen besteht nicht. Was als Merkmal 2 in den endgültigen Patentanspruch aufgenommen wurde, ist vollständig und als zur Erfindung gehörend in diesen Unterlagen enthalten und war deshalb Gegenstand der ursprünglichen Offenbarung. Die Aufnahme dieses Merkmals in den Text des Patentanspruchs hat deshalb weder den Gegenstand der Anmeldung erweitert noch ist dadurch an die Stelle der angemeldeten Erfindung (partiell) eine andere gesetzt worden.
20
In den ursprünglichen Unterlagen ist entgegen der Ansicht des Bundespatentgerichts nicht allein die Befestigung des Münzschlosses an den Endbereichen der Schiebegriffe offenbart, sondern auch die Befestigung des Münzschlossgehäuses (direkt) am Transportwagen. In den Erläuterungen zu Figur 3 (vgl. Offenlegungsschrift Sp. 4 Z. 48-68) wird zunächst die Befestigung eines Schiebegriffabschnitts beschrieben und danach ausgeführt, das Münzschloss werde mit beiden Endbereichen jeweils auf die beschriebene Art und Weise an den Griffkappen und damit am Einkaufswagen befestigt (aaO Z. 64-68). Das Bundespatentgericht will diese Passage nur als Offenbarung der Befestigung von Schiebegriffabschnitten gelten lassen, nicht aber auch als Offenbarung für die Anbringung des Schlosses an der Gehäuseseite direkt am Transportwagen. Für eine solche Einschränkung bietet der Wortlaut der Anmeldung jedoch weder Raum noch Veranlassung. Da ein Münzschloss mit einem Schiebegriffabschnitt (Figur 2) schon ursprünglich vorgesehen war und bei einer solchen Ausführung ein Endbereich zwangsläufig im Endbereich des Münzschlossgehäuses besteht, bezieht sich der Vorschlag, das Schloss mit beiden Endbereichen auf die beschriebene Art und Weise am Wagen zu befestigen, zwanglos und unmittelbar auch auf die direkte Befestigung des Münzschlossgehäuses am Wagen. Ins Detail gehende Anweisungen dazu, wie das Befestigungselement am Schlossgehäuse auszugestalten ist, waren nicht erforderlich. Die in Anmeldung und Streitpatent offenbarte Befestigung des Münzschlosses am Wagen ist ohnehin nur beispielhaft angeführt und nicht wesentlich für die Bestimmung des Gegenstands von Patentanspruch 1. Sie bleibt in erster Linie dem Fachmann überlassen, der das Befestigungsproblem ohne Einsatz schöpferischer Tätigkeit zu lösen weiß.
21
3. Das Begehren der Klägerin, das Streitpatent im Umfang ihres erstinstanzlichen Hauptantrags für nichtig zu erklären, ist nicht gerechtfertigt. Die Klägerin stellt zwar nicht in Abrede, dass ein Münzschloss mit nur einem Schiebegriffabschnitt ursprünglich offenbart ist, ist aber gleichwohl mit dem Bundespatentgericht der Auffassung, der in den Anmeldungsunterlagen verwendete Begriff der Endbereiche bezeichne ausschließlich Endbereiche von Schiebegriffabschnitten. Sie will daraus herleiten, Patentanspruch 1 dürfe ohne Verstoß gegen das Erweiterungsverbot nur ein Münzschloss unter Schutz stellen, das mit zwei Schiebegriffabschnitten ausgestattet ist, deren beide dem Schlossgehäuse abgewandten Endbereiche zur Befestigung am Transportwagen bestimmt sind. Dem kann schon deshalb nicht beigetreten werden, weil, wie ausgeführt (insb. II. 2. b) cc)), die Prämisse der Klägerin nicht zutrifft, der ursprünglichen Anmeldung sei kein zur Befestigung am Transportwagen geeigneter Endbereich des Münzschlosses (i. S. des Streitpatents) zu entnehmen. Im Übrigen kann ein dem Gegenstand des Streitpatents entsprechendes Münzschloss nicht an einer Seite mit dem Endbereich des Münzschlossgehäuses zur Befestigung am Transportwagen bestimmt sein und gleichzeitig mehrere Schiebegriffabschnitte haben, sondern es hat dann zwangsläufig nur einen solchen Griffabschnitt.
22
4. Aus den gleichen Gründen bleibt auch der von der Klägerin im Berufungsverfahren gestellte Hilfsantrag ohne Erfolg.
23
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i. V. mit § 121 Abs. 2 PatG.

Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 12.07.2006 - 4 Ni 43/05 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Patentgesetz - PatG | § 21


(1) Das Patent wird widerrufen (§ 61), wenn sich ergibt, daß 1. der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist,2. das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann,3. der w

Patentgesetz - PatG | § 14


Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.

Patentgesetz - PatG | § 22


(1) Das Patent wird auf Antrag (§ 81) für nichtig erklärt, wenn sich ergibt, daß einer der in § 21 Abs. 1 aufgezählten Gründe vorliegt oder der Schutzbereich des Patents erweitert worden ist. (2) § 21 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

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IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 201/02 Verkündet am:
24. April 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verpackungsmaschine

a) Eine Klageerweiterung ist im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren stets
zuzulassen, wenn der Beklagte einwilligt oder der Bundesgerichtshof die
Klageerweiterung für sachdienlich hält.

b) Die Vorschriften des § 529 Abs. 1 und des § 531 Abs. 2 ZPO sind im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren
nicht entsprechend anwendbar.
BGH, Urteil vom 24. April 2007 - X ZR 201/02 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. April 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts vom 19. März 2002 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Das europäische Patent 226 693 wird im Umfang der Patentansprüche 1, 19, 20 und 21 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des während des Berufungsverfahrens durch Zeitablauf erloschenen europäischen Patents 226 693 (Streitpatents), das auf einer Anmeldung vom 25. April 1986 beruht, für die die Priorität einer deutschen Patentanmeldung vom 20. Dezember 1985 in Anspruch genommen worden ist. Das Streitpatent umfasst 21 Patentansprüche, von denen die Ansprüche 1, 19, 20 und 21 wie folgt lauten: "1. Verpackungsmaschine zum Herstellen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material und zum Füllen sowie Verschließen der Beutel, mit einem vorzugsweise vertikal verlaufenden Füllrohr (3), das von einer Formschulter umgeben ist, an der das kontinuierlich abziehbare Hüllstoffband zu einem Schlauch formbar ist, mit einem Längssiegelorgan (12) zur Verbindung der sich überlappenden Ränder der Hüllstoffbahn und einer Quersiegelstation (6), die hinter dem Ausgangsende des Füllrohres angeordnet ist und Quersiegelbacken (81, 82) aufweist, welche an zwei um parallele Achsen synchron und gegenläufig drehbaren Siegelbackenträgern (26, 27) angeordnet sind, wobei jede Siegelbacke von einem relativ zum zugeordneten Siegelbackenträger schwenkbaren Backenhalter (36) gehalten ist, und wobei die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken während ihres Kontakts mit dem Folienschlauch höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) ständig umlaufende Hüllstoffförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen sind, die im Bereich unterhalb der Form- schulter (11) mit Reibschluss am Hüllstoff (5) anliegen, und dass das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) einstellbar ist.
19. Verpackungsmaschine nach einem der vorhergehenden Ansprüche , d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass das Verhältnis zwischen der Abzugsgeschwindigkeit des Hüllstoffschlauches (4) und der Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) während eines Umlaufes der Siegelbackenträger (26, 27) veränderlich ist zur Herstellung einer gleichschnellen Bewegung von Hüllstoffschlauch (4) und Quersiegelbacken (81, 82, 81a, 82a) im Bereich der Siegelzone (D-C).
20. Verpackungsmaschine nach Anspruch 19, d a d u r c h g e - k e n n z e i c h n e t , dass die Abzugsgeschwindigkeit des Hüllstoffschlauches (4) konstant und die Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) veränderlich ist.
21. Verpackungsmaschine nach Anspruch 20, d a d u r c h g e - k e n n z e i c h n e t , dass die Winkelgeschwindigkeit der Schlauchbeutelträger (26, 27) etwa bis zur Mitte der Siegelzone (D-C) zunimmt und danach wieder abnimmt."
2
Die Klägerin, die von der Beklagten wegen Verletzung des Streitpatents in Anspruch genommen wird, hält den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht für patentfähig. Sie beruft sich auf folgende vorveröffentlichte Druckschriften: (1) US-Patentschrift 3 850 780 (Anl. NK 3) (2) deutsche Offenlegungsschrift 27 01 443 (Anl. NK 4) (3) US-Patentschrift 4 023 327 (Anl. NK 7) (4) US-Patentschrift 2 950 588 (Anl. NK 8) (5) US-Patentschrift 4 549 386 (Anl. E 2) (6) deutsche Offenlegungsschrift 22 24 407 (Anl. E 3) (7) deutsche Offenlegungsschrift 33 38 105 (Anl. E 5)
3
Das Bundespatentgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage das Streitpatent dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass der kennzeichnende Teil des Patentanspruchs 1 wie folgt lautet: "dass der Hüllstofftransport und die Quersiegelung getrennt sind, dass zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) ständig umlaufende Hüllstoffförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen sind, die im Bereich unterhalb der Formschulter (11) mir Reibschluss am Hüllstoff (5) anliegen, und dass das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) durch voneinander unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) beliebig einstellbar ist."
4
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag, soweit abgewiesen, weiterverfolgt und ferner die Patentansprüche 19 bis 21 angreift.
5
Die Beklagte tritt der Berufung entgegen, wobei sie die Patentansprüche 19 bis 21 mit der Maßgabe verteidigt, dass sich die Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 auf die Anspruchsfassung des angefochtenen Urteils beziehen soll, und Patentanspruch 1 hilfsweise folgende Fassung erhalten soll: 1. Verpackungsmaschine zum Herstellen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material und zum Füllen sowie Verschließen der Beutel mit 1.1 einem vorzugsweise vertikal verlaufenden Füllrohr (3), 1.2 einer das Füllrohr (3) umgebenden Formschulter, an der das kontinuierlich abziehbare Hüllstoffband zu einem Schlauch formbar ist, 1.3 einem Längssiegelorgan (12) zur Verbindung der sich überlappenden Ränder der Hüllstoffbahn und 1.4 einer Quersiegelstation (6); 2. die Quersiegelstation (6) 2.1 ist hinter dem Ausgangsende des Füllrohres angeordnet , 2.2 und weist Quersiegelbacken (81, 82) auf; 3. die Quersiegelbacken (81, 82) sind an zwei Siegelbackenträgern (26, 27) angeordnet; 4. die Siegelbackenträger (26, 27) sind um parallele Achsen synchron und gegenläufig kontinuierlich drehbar; 5. jede Siegelbacke ist von einem Backenhalter (36) gehalten; 6. der Backenhalter (36) ist relativ zum zugeordneten Siegelbackenträger schwenkbar; 7. die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken ist während ihres Kontaktes mit dem Folienschlauch höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes; 7a. der Hüllstofftransport und die Quersiegelung sind getrennt; 8. zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) sind ständig umlaufende Hüllstoffförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen; 9. die Hüllstoffförderer liegen im Bereich unterhalb der Formschulter (11) mit Reibschluss am Hüllstoff (5) an; 10. das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) ist einstellbar; 10a. das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) ist durch voneinander unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) beliebig einstellbar ; 11. das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) ist derart einstellbar, dass die Abzugsgeschwindigkeit für den Hüllstoff an die Fallgeschwindigkeit des zu verpackenden Gutes annäherbar ist.
6
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Professor Dr.-Ing. H. R. , ein , schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Klägerin hat ein Gutachten vorgelegt, das Prof. Dr.-Ing. habil. J. H. , D. , in ihrem Auftrag verfasst hat; die Beklagte hat ein Gutachten vorgelegt, das Prof. Dr.-Ing. B. C. , A. , für sie erstattet hat.

Entscheidungsgründe:


7
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
8
I. Die Klage ist zulässig.
9
1. Obwohl das Streitpatent durch Zeitablauf erloschen ist, hat die Klägerin ein fortbestehendes Interesse an der Nichtigerklärung, da sie aus dem Streitpatent gerichtlich in Anspruch genommen wird (vgl. Sen.Urt. v. 15.11.2005 - X ZR 17/02, GRUR 2006, 316 - Koksofentür; st. Rspr.).
10
2. Die Klage ist auch insoweit zulässig, als sie in zweiter Instanz auf die Patentansprüche 19 bis 21 erweitert worden ist.
11
Die Klageerweiterung, der die Beklagte widersprochen hat, ist entsprechend § 533 Nr. 1 ZPO als sachdienlich zuzulassen, da sie zu einer sachgemäßen und endgültigen Erledigung des Streits zwischen den Parteien führt, der den Gegenstand des anhängigen Verfahrens bildet, und einem andernfalls zu erwartenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt (vgl. Sen.Urt. v. 6.4.2004 - X ZR 132/02, BGH Rep. 2004, 1107, m.w.N.). Soweit § 533 Nr. 2 ZPO die Zu- lassung einer Klageänderung weiterhin davon abhängig macht, dass diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat, kommt eine entsprechende Anwendung auf das Patentnichtigkeitsberufungsverfahren nicht in Betracht, da die Anwendung des § 529 Abs. 1 ZPO ihrerseits wegen der selbständigen Regelung des Umfangs der Sachprüfung im Berufungsrecht des Patentgesetzes ausscheidet (vgl. Sen.Urt. v. 13.1.2004 - X ZR 212/02, GRUR 2004, 354 - Crimpwerkzeug; Sen.Beschl. v. 7.6.2005 - X ZR 174/04, GRUR 2005, 888 - Anschlussberufung im Patentnichtigkeitsverfahren

).


12
II. Soweit die Beklagte die Patentansprüche 19 bis 21 in ihrer (unmittelbaren oder mittelbaren) Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 des erteilten Patents nicht mehr verteidigt, ist das Streitpatent in diesem Umfang ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären. Aber auch im Übrigen führt die Berufung im Umfang des Patentanspruchs 1, auch soweit das Bundespatentgericht die Klage abgewiesen hat, und ferner im Umfang der mit der zweitinstanzlichen Klageerweiterung angegriffenen Patentansprüche 19 bis 21 zur Nichtigerklärung des Streitpatents, da sich dessen Gegenstand, auch in der Fassung des Hilfsantrags , als dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt und daher nicht patentfähig erweist (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artt. 52 Abs. 1, 56 EPÜ).
13
1. Das Streitpatent betrifft eine Verpackungsmaschine zum Herstellen , Füllen und Verschließen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material. Die Maschine weist ein - vorzugsweise vertikal verlaufendes - Füllrohr auf, das von einer Formschulter umgeben ist, an der das kontinuierlich abziehbare Hüllstoffband zu einem Schlauch formbar ist, wobei ein Längssiegelorgan die sich überlappenden Ränder der Hüllstoffbahn verbindet.
Hinter der Ausgangsöffnung des Füllrohrs ist eine Quersiegelstation angeordnet , deren Siegelbacken von Backenhaltern gehalten werden und mit diesen schwenkbar an Backenträgern angeordnet sind, die um parallele Achsen synchron gegenläufig drehbar sind. Die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken ist während ihres Kontakts mit dem Folienschlauch höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbands.
14
Die Streitpatentschrift beschreibt, dass aus der deutschen Offenlegungsschrift 21 26 498 eine Verpackungsmaschine dieser Art bekannt ist, bei der der Vorschub des Folienschlauches durch die Schweißbacken erfolgt. Da nach dem Lösen der Quersiegelbacken vom Schlauch und dem Angreifen der nächsten Quersiegelbacken notwendig eine gewisse Zeit verstreicht, ist die Abzugsbewegung diskontinuierlich, was - neben den erheblichen Massenkräften durch die hohen Gewichte der Siegelbacken - die mögliche Arbeitsgeschwindigkeit begrenzt. Bei bekannten kontinuierlich arbeitenden Vorrichtungen bereitet die Anpassung an unterschiedliche Beutellängen Schwierigkeiten.
15
Der Erfindung liegt das technische Problem zugrunde, bei hoher Arbeitsleistung eine kontinuierliche Verarbeitung von Beuteln frei wählbarer Länge zu ermöglichen (vgl. Sp. 2 Z. 56-61 der Streitpatentschrift).
16
Das soll nach Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils mit folgender Merkmalskombination erreicht werden (Zusätze des Hilfsantrags kursiv): 1. Verpackungsmaschine zum Herstellen, Füllen und Verschließen von Beuteln aus einem Hüllstoffband (5) aus heißversiegelbarem Material mit 1.1 einem - vorzugsweise vertikal verlaufenden - Füllrohr (3), 1.2 einer das Füllrohr (3) umgebenden Formschulter (11), an der das kontinuierlich abziehbare Hüllstoffband (5) zu einem Schlauch (4) formbar ist, 1.3 einem Längssiegelorgan (12) zur Verbindung der sich überlappenden Ränder der Hüllstoffbahn und 1.4 einer Quersiegelstation (6); 2. zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) sind Hüllstoffförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen, die 2.1 ständig umlaufen und 2.2 im Bereich unterhalb der Formschulter (11) mit Reibschluss am Hüllstoff (5) anliegen; 3. die Quersiegelstation (6) 3.1 ist hinter dem Ausgangsende des Füllrohres (3) angeordnet , 3.2 und weist Siegelbacken (81, 82) auf; 4. Die Siegelbacken (81, 82) sind jeweils 4.1 von einem Backenhalter (36) gehalten und 4.2 über diesen schwenkbar an einem von zwei Siegelbackenträgern (26, 27) angeordnet; 5. die Siegelbackenträger (26, 27) sind um parallele Achsen synchron und gegenläufig kontinuierlich drehbar; 6. Hüllstofftransport und Quersiegelung sind getrennt; 7. das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) ist einstellbar 7.1 auf jede beliebige Relation 7.2 durch voneinander unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27), 7.2a derart, dass die Abzugsgeschwindigkeit für den Hüllstoff an die Fallgeschwindigkeit des zu verpackenden Gutes annäherbar ist, 7.3 wobei die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken (81, 82) während ihres Kontaktes mit dem Hüllstoffschlauch (4) höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes (5) ist.
17
Die Patentansprüche 19 bis 21 fügen folgende Merkmale hinzu: 7.4 wobei das Verhältnis zwischen der Abzugsgeschwindigkeit des Hüllstoffschlauches (4) und der Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) während eines Umlaufs der Siegelbackenträger (26, 27) zur Herstellung einer gleich schnellen Bewegung von Hüllstoffschlauch (4) und Siegelbacken (81, 82) im Bereich der Siegelzone (D-C) veränderlich ist (Patentanspruch 19), 7.5 derart, dass die Abzugsgeschwindigkeit des Hüllstoffschlauchs (4) konstant und die Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) veränderlich ist (Patentanspruch 20), 7.6 indem diese etwa bis zur Mitte der Siegelzone (D-C) zu- und danach wieder abnimmt (Patentanspruch 21).
18
Die nebenstehend wiedergegebene Figur 1 der Streitpatentschrift zeigt ein Ausführungsbeispiel.
19
2. Der Gegenstand der verteidigten Patentansprüche 1 und 19 bis 21 war dem Fachmann am Prioritätstag durch den Stand der Technik nahegelegt.
20
a) Nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts wird durch das der Erfindung zugrunde liegende Problem ein an einer Fachhochschule ausgebildeter DiplomIngenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Erfahrungen in der Entwicklung von Verpackungsmaschinen angesprochen. Dies wird von den Parteien nicht in Zweifel gezogen und entspricht im Wesentlichen der Beurteilung durch den gerichtlichen Sachverständigen und die Privatgutachter der Parteien.
21
b) Eine Verpackungsmaschine zum Herstellen, Füllen und Verschließen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material mit Füllrohr, Formschulter, Längssiegelorgan und Quersiegelstation war aus der US-Patentschrift 2 950 588 (Druckschrift 4) bekannt. Die Quersiegelstation ist hinter dem Ausgangsende des Füllrohres angeordnet und weist Siegelba- cken (die faces 46) auf. Sie sind jeweils von einem Backenhalter (die body 45) gehalten und über diesen schwenkbar an einem Siegelbackenträger (crank 52) angeordnet. Die Siegelbackenträger sind um parallele Achsen (der Wellen 28, 57) synchron gegenläufig drehbar, wobei die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken während ihres Kontakts mit dem Folienschlauch der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes entspricht (Sp. 6 Z. 23 f.). Hüllstofftransport und Quersiegelung sind getrennt: Zum Abzug des Hüllstoffbandes sind Hüllstoffförderer (film feed rollers 44) vorgesehen, die ständig umlaufen und im Bereich unterhalb der Formschulter mit Reibschluss am Hüllstoff anliegen. Das entspricht , wie auch die Beklagte nicht bezweifelt, im Umfang der Merkmale 1 bis 6 sowie 7.3 der technischen Lehre des Streitpatents.
22
Hingegen ist, wie die Beklagte zu Recht geltend macht, und entgegen der Annahme des Bundespatentgerichts bei der bekannten Vorrichtung das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer und der Siegelbackenträger nicht wie von Merkmal 7 gefordert einstellbar. Denn zur Verarbeitung unterschiedlicher Beutellängen sind auf dem Hüllstoffband Markierungen (60) vorgesehen, die von einem photoelektrischen Sensor (59) abgetastet werden, der über ein Relais (61) eine elektrische Kupplung (29) steuert, die die Antriebswellen für die Siegelbackenträger mit dem Motor (24) verbindet. Je nach Größe des Abstands zwischen zwei Markierungen werden die Siegelbackenträger während ihres Umlaufs für eine bestimmte Zeit angehalten. Werden sie in Bewegung gesetzt, laufen sie mit konstanter Geschwindigkeit um, die gewährleistet, dass sie sich in der Siegelzone mit gleicher Geschwindigkeit wie der Hüllstoffschlauch bewegen (Sp. 4 Z. 37-54). Dies stellt keine Einstellbarkeit des Verhältnisses der Umfangsgeschwindigkeiten im Sinne des Merkmals 7 dar. Das Verhältnis der Umfangsgeschwindigkeiten bleibt vielmehr konstant, damit in der Siegelzone keine Geschwindigkeitsdifferenz auftritt (Merkmal 7.3).
Stehen die Siegelbackenträger hingegen still, gibt es keine Relation zwischen zwei Umfangsgeschwindigkeiten.
23
Der Erwägung der Klägerin, unter der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger im Sinne des Merkmals 7 sei deren durchschnittliche Umfangsgeschwindigkeit zu verstehen, kann nicht gefolgt werden. Insbesondere kann dieses Verständnis nicht damit begründet werden, dass das Streitpatent es zulässt und in den Merkmalen 7.4 und 7.5 sogar erfordert, dass sich die Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger während eines Umlaufs verändert. Vielmehr ergibt sich umgekehrt aus dem Umstand, dass sich erfindungsgemäß nicht nur die Geschwindigkeiten ändern, sondern das Geschwindigkeitsverhältnis selbst während eines Umlaufs der Siegelbackenträger veränderlich sein kann (Merkmal 7.4), dass unter dem Geschwindigkeitsverhältnis im Sinne des Merkmals 7 die Relation der beiden Geschwindigkeiten über einen gegebenen Drehwinkel zu verstehen ist.
24
c) Gleichwohl war es dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt, die bekannte Vorrichtung dadurch weiterzubilden, dass er für eine Einstellbarkeit des Verhältnisses der Umfangsgeschwindigkeiten Sorge trug, wie sie die Merkmale 7 bis 7.6 des Streitpatents vorschreiben.
25
aa) Bei einer Analyse der Vorrichtung nach der Druckschrift 4, wie sie von einem Diplom-Ingenieur erwartet werden konnte, war erkennbar, dass die Steuerung des Siegelbackenträgerumlaufs es in einfacher Weise ermöglichte, Beutel unterschiedlicher Länge zu verarbeiten, dass der Steuerungsmechanismus jedoch relativ unflexibel war. Das Hüllstoffmaterial musste mit (lesbaren) Markierungen versehen und zur Anbringung solcher Markierungen geeignet sein, und eine Änderung der Beutellänge setzte die Zuführung eines mit anderen Markierungen versehenen Hüllstoffbandes voraus. Schon darin hat der ge- richtliche Sachverständige einen aus der fachmännischen Sicht des Prioritätszeitpunkts nach Abhilfe verlangenden Nachteil gesehen. Zudem beschränkte die Regelung des Siegelbackenträgerumlaufs durch unterschiedlich lange Stillstandszeiten den regelbaren Bereich möglicher (durchschnittlicher) Umlaufgeschwindigkeiten ; auch dies fiel aus der Sicht des um Prozessoptimierung bemühten Fachmanns ins Gewicht. Schließlich mussten diesem auch das Abbremsen der Siegelbackenträger bis zum Stillstand und das Wiederanfahren innerhalb sehr kurzer Arbeitstakte ungünstig erscheinen.
26
All dies bot hinreichenden Anlass für die Prüfung, wie die Umlaufgeschwindigkeit der Siegelbackenträger in anderer Weise gesteuert werden konnte. Insoweit gehörte es, wie der gerichtliche Sachverständige erläutert hat, im Prioritätszeitpunkt zum allgemeinen Fachwissen, dass bei zwei von einem einzigen Motor angetriebenen Maschinenteilen, die zeitweise unterschiedliche Ansteuerungen erforderten, ohne besonderen Aufwand anstelle einer Kupplungsverbindung ein zweiter Schrittmotor vorgesehen und gesondert angesteuert werden kann. Sah der Fachmann sich, sofern es dessen überhaupt bedürfen sollte, nach einem Vorbild für eine derartige Steuerung um, so fand er in der US-Patentschrift 4 549 386 (Druckschrift 5) eine Verpackungsmaschine, bei der die Quersiegelbacken mikroprozessorgesteuert von einem eigenen Motor angetrieben werden.
27
Der Bitte der Beklagten, diese Druckschrift nach § 531 Abs. 2 ZPO wegen verspäteter Einführung erst in der Berufungsinstanz außer Betracht zu lassen , kann nicht entsprochen werden. Abgesehen davon, dass auch nach § 531 Abs. 2 ZPO unstreitiges neues Vorbringen, wie es der Inhalt der USPatentschrift 4 549 386 als solcher darstellt, nicht zurückgewiesen werden könnte (BGHZ 161, 138), findet die Vorschrift aus den zu I. dargelegten Grün- den im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren keine Anwendung. Die Voraussetzungen des § 117 Abs. 1 PatG liegen nicht vor.
28
bb) Erwog der Fachmann eine Regelung der in der Druckschrift 5 beschriebenen Art für den Siegelbackenträgerantrieb, musste ihm dabei bewusst sein, dass er den Gleichlauf von Siegelbackenträgern und Hüllstofftransport im Bereich der Siegelzone beibehalten musste, jedenfalls die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken während ihres Kontaktes mit dem Folienschlauch höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes sein durfte (vgl. Merkmal 7.3), um Beschädigungen des Hüllstoffbandes auszuschließen. Daraus ergab sich zwangsläufig die Konsequenz, einerseits eine von der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger mit der Folge einer beliebigen Geschwindigkeitsrelation (Merkmale 7 bis 7.2) und der Möglichkeit einer kontinuierlichen Drehung (Merkmal 5 i.d.F. des Hilfsantrags) vorzusehen, andererseits im Bereich der Siegelzone den Gleichlauf mit der Folge eines im Sinne des Merkmals 7.4 veränderlichen Geschwindigkeitsverhältnisses beizubehalten.
29
cc) Zur Umsetzung eines solchen veränderlichen Geschwindigkeitsverhältnisses bot es sich an, die Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger im Bereich der Siegelzone zweckentsprechend zu wählen (Merkmale 7.5 und 7.6). Eine solche Abstimmung konnte, wie auch die Streitpatentschrift bemerkt (Sp. 11 Z. 23-27) "mit konventionellen Mitteln erfolgen", wobei hierfür sowohl rein mechanische als auch elektronische Lösungen zur Verfügung standen. Dies zeigen sowohl die deutsche Offenlegungsschrift 22 24 407 (Druckschrift 6) als auch die deutsche Offenlegungsschrift 33 38 105 (Druckschrift 7), die jeweils entsprechende Steuerkurven für Siegelbackenträger offenbaren, und ist auch von der Beklagten zuletzt nicht mehr in Zweifel gezogen worden.
30
dd) Schließlich musste es zweckmäßig erscheinen, die Abzugsgeschwindigkeit für den Hüllstoff in weitgehender Annäherung an die Fallgeschwindigkeit des zu verpackenden Gutes zu wählen (Merkmal 7.2a). Denn bei einer höheren Geschwindigkeit müsste, wenn die Beutel vollständig gefüllt werden sollten, der Hüllstoff diskontinuierlich gefördert werden, was unerwünscht ist. Eine wesentlich niedrigere Geschwindigkeit führte hingegen zu einer unerwünschten Verlangsamung des Herstellungsprozesses und wäre zudem mit der offenkundigen Gefahr einer stärkeren Beanspruchung der frischen Quersiegelnaht verbunden.
31
ee) Insgesamt gelangte der Fachmann damit in naheliegender Weise zu einem Gegenstand mit sämtlichen Merkmalen 1 bis 7.6 der Patentansprüche 1 und 19 bis 21.
32
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 19.03.2002 - 1 Ni 8/01 (EU) -

(1) Das Patent wird widerrufen (§ 61), wenn sich ergibt, daß

1.
der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist,
2.
das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann,
3.
der wesentliche Inhalt des Patents den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Gerätschaften oder Einrichtungen eines anderen oder einem von diesem angewendeten Verfahren ohne dessen Einwilligung entnommen worden ist (widerrechtliche Entnahme),
4.
der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist; das gleiche gilt, wenn das Patent auf einer Teilanmeldung oder einer nach § 7 Abs. 2 eingereichten neuen Anmeldung beruht und der Gegenstand des Patents über den Inhalt der früheren Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der früheren Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist.

(2) Betreffen die Widerrufsgründe nur einen Teil des Patents, so wird es mit einer entsprechenden Beschränkung aufrechterhalten. Die Beschränkung kann in Form einer Änderung der Patentansprüche, der Beschreibung oder der Zeichnungen vorgenommen werden.

(3) Mit dem Widerruf gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten. Bei beschränkter Aufrechterhaltung ist diese Bestimmung entsprechend anzuwenden.

(1) Das Patent wird auf Antrag (§ 81) für nichtig erklärt, wenn sich ergibt, daß einer der in § 21 Abs. 1 aufgezählten Gründe vorliegt oder der Schutzbereich des Patents erweitert worden ist.

(2) § 21 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Das Patent wird widerrufen (§ 61), wenn sich ergibt, daß

1.
der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist,
2.
das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann,
3.
der wesentliche Inhalt des Patents den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Gerätschaften oder Einrichtungen eines anderen oder einem von diesem angewendeten Verfahren ohne dessen Einwilligung entnommen worden ist (widerrechtliche Entnahme),
4.
der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist; das gleiche gilt, wenn das Patent auf einer Teilanmeldung oder einer nach § 7 Abs. 2 eingereichten neuen Anmeldung beruht und der Gegenstand des Patents über den Inhalt der früheren Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der früheren Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist.

(2) Betreffen die Widerrufsgründe nur einen Teil des Patents, so wird es mit einer entsprechenden Beschränkung aufrechterhalten. Die Beschränkung kann in Form einer Änderung der Patentansprüche, der Beschreibung oder der Zeichnungen vorgenommen werden.

(3) Mit dem Widerruf gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten. Bei beschränkter Aufrechterhaltung ist diese Bestimmung entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 18/00
vom
11. September 2001
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend das deutsche Patent 34 47 925
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Drehmomentenübertragungseinrichtung
Werden in den Patentanspruch nur einzelne Merkmale eines Ausführungsbeispiels
der Erfindung aufgenommen, geht die sich daraus ergebende Merkmalskombination
dann über den Inhalt der Anmeldung hinaus, wenn sie in ihrer Gesamtheit
eine technische Lehre umschreibt, die der Fachmann den ursprünglichen
Unterlagen nicht als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen
kann.
BGH, Beschl. v. 11. September 2001 - X ZB 18/00 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. September 2001
durch den Vorsitzenden Richter Rogge und die Richter Prof. Dr. Jestaedt,
Dr. Melullis, Scharen und Dr. Meier-Beck

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 13. Juli 2000 verkündeten Beschluß des 6. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird zurückgewiesen.
Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf 100.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:


I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 34 47 925 (Streitpatent), das eine Drehmomentübertragungseinrichtung betrifft. Das Streitpatent beruht auf der Anmeldung 34 40 927.0 vom 9. November 1984, zu der die Patentinhaberin mit Eingabe vom 17. Januar 1985 zwei Teilungserklärungen abgegeben hat. Auf eine der beiden Trennanmeldungen ist das Streitpatent am 26. Januar 1995 mit folgenden Ansprüchen 1, 3 und 12 veröffentlicht worden:
"1. Drehmomentübertragungseinrichtung mit einer Vorkehrung zum Aufnehmen bzw. Ausgleichen von Drehstößen, insbesondere von Drehmomentschwankungen einer Brennkraftmaschine mit mindestens zwei, koaxial angeordneten, entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung zueinander verdrehbaren Schwungmassen, von denen die eine, erste, mit der Brennkraftmaschine und die andere, zweite, über eine Reibungskupplung mit dem Eingangsteil eines Getriebes verbindbar ist, wobei die Reibungskupplung über ein Ausrücksystem betätigbar ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die Schwungmassen (3, 4) durch einen Kraftspeicher axial zueinander federnd verspannt sind derart, daß die die Kupplung tragende Schwungmasse in einer Richtung belastet wird, die der beim Ausrücken der Kupplung wirksamen Kraftrichtung entgegengesetzt ist.
3. Drehmomentübertragungseinrichtung nach Anspruch 1 oder 2, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t daß die Schwungmassen in Abhängigkeit von der Betätigung der Reibungskupplung (7, 107) zueinander begrenzt axial verlagerbar sind.
12. Drehmomentübertragungseinrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 11, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,
daû die Schwungmassen (3, 4) über wenigstens zwei Reiboder Gleitflächen miteinander in Reib- oder Gleitverbindung stehen bzw. bringbar sind, wobei in Abhängigkeit der Betätigung der Reibungskupplung (7, 107) die Dämpfungswirkung dieser Verbindung veränderbar ist."
Gegen das Streitpatent ist Einspruch erhoben worden, der damit begründet worden ist, daû der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht patentfähig sei. Nach Rücknahme des Einspruchs hat die Patentinhaberin mit Erklärung vom 29. Oktober 1996 eine Teilung des Streitpatents erklärt, die zur Trennanmeldung 34 48 593.7 geführt hat. Nach einem Zwischenbescheid der Patentabteilung hat die Patentinhaberin den Widerruf der Teilungserklärung vom 29. Oktober 1996 erklärt und zugleich eine erneute Teilungserklärung abgegeben. Das Streitpatent hat die Patentinhaberin mit 24 Ansprüchen verteidigt , von denen Anspruch 1 lautet (Änderungen gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 kursiv):
"Drehmomentübertragungseinrichtung mit einer Vorkehrung zum Aufnehmen bzw. Ausgleichen von Drehstöûen, insbesondere von Drehmomentschwankungen einer Brennkraftmaschine mit mindestens zwei über eine Lagerung koaxial angeordneten, entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung relativ zueinander verdrehbaren Schwungmassen, von denen die eine, erste, mit der Brennkraftmaschine und die andere, zweite, über eine Reibungskupplung mit dem Eingangsteil eines Getriebes verbindbar ist, wobei die Reibungskupplung über ein Ausrücksystem betätigbar ist,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daû die Schwungmassen (3, 4) durch einen Kraftspeicher axial zueinander federnd verspannt sind derart, daû die die Kupplung tragende Schwungmasse in einer Richtung belastet wird, die der beim Ausrücken der Kupplung wirksamen Kraftrichtung entgegengesetzt ist."
Die Patentabteilung hat das Streitpatent widerrufen, weil die Einfügung der Worte "über eine Lagerung" eine unzulässige Erweiterung gegenüber dem Inhalt der Anmeldung darstelle.
Die Patentinhaberin hat gegen den Beschluû der Patentabteilung Beschwerde eingelegt und beantragt,
1. den angefochtenen Beschluû aufzuheben und das Streitpatent mit den verteidigten Patentansprüchen aufrechtzuerhalten.
2. die Rückzahlung der Gebühren für die abgetrennte Anmeldung 34 48 593.7 anzuordnen.
Mit Beschluû vom 13. Juli 2000 hat das Bundespatentgericht die Beschwerde und den Antrag zurückgewiesen, die Rückzahlung der Gebühren für die Anmeldung 34 48 593.7 anzuordnen.
Hiergegen richtet sich die - zugelassene - Rechtsbeschwerde der Patentinhaberin , mit der diese beantragt,
den Beschluû des Bundespatentgerichts aufzuheben und die Sache zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung statthaft; das Rechtsmittel bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Das Bundespatentgericht hat die Teilungserklärung, die zu der dem Streitpatent zugrundeliegenden Trennanmeldung geführt hat, als wirksam angesehen , da zumindest der Gegenstand, der sich aus den mit der Teilungserklärung eingereichten Ansprüchen 1 und 6 oder 7, 10, 11 und 20 ergebe und den Ausführungen nach den ursprünglichen Figuren 4 und 5 entspreche, zum Zeitpunkt der Teilung Inhalt der Stammanmeldung 34 40 927.0 gewesen sei und in der Stammanmeldung jedenfalls die Ausführung nach der ursprünglichen Figur 1 verblieben sei. Das läût keinen Rechtsfehler erkennen.
2. Das Bundespatentgericht hat sich für befugt gehalten, den Anspruch, mit dem die Patentinhaberin das Streitpatent verteidigt, umfassend daraufhin zu überprüfen, ob er gegenüber dem Inhalt der Patentanmeldung 34 40 927.0 unzulässig erweitert ist. Zwar sei das Bundespatentgericht nicht befugt, von Amts wegen erstmalig neue Widerrufsgründe in das Verfahren einzuführen, die nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens vor dem Deutschen Patent- und Markenamt gewesen seien. Dies hindere das Bundespatentgericht aber grundsätzlich nicht daran, unter Wahrung des rechtlichen Gehörs innerhalb ein und desselben Widerrufsgrundes neue Tatsachen heranzuziehen und neue rechtliche Überlegungen anzustellen. Ebenso wie es bei der Prüfung der Patentfähigkeit den gesamten ihm bekannten Stand der Technik berücksichtigen könne
und nicht auf das den Beschluû der Patentabteilung tragende Material beschränkt sei, könne es im Einspruchsbeschwerdeverfahren im Rahmen des von der Patentabteilung festgestellten Widerrufsgrundes nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG weitere nicht ausdrücklich gerügte unzulässig erweiterte Merkmale zum Gegenstand seiner Entscheidung machen.
Die Rechtsbeschwerde meint demgegenüber, das Bundespatentgericht habe übersehen, daû die Patentabteilung nicht den gesetzlichen Widerrufsgrund des § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG angewendet habe, auch wenn diese Vorschrift unzutreffend als Grundlage der Entscheidung genannt sei. Die Patentabteilung habe gerade nicht festgestellt, daû der Gegenstand des erteilten Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe. Der Widerruf sei vielmehr darauf gestützt, daû das im Einspruchsverfahren neu eingefügte Merkmal "über eine Lagerung" in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart sei. Damit habe das Patentamt von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, bei einer Verteidigung des Patents in veränderter Fassung die Zulässigkeit der Änderungen zu überprüfen; der von ihm behandelte Widerrufsgrund habe sich daher auf eine Erweiterung des Schutzbereichs des erteilten Patents bezogen.
Diese Rüge hat keinen Erfolg.
Allerdings ist das Beschwerdegericht nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 128, 280, 292 f. - Aluminium-Trihydroxid; Beschl. v. 3.2.1998 - X ZB 6/97, GRUR 1998, 901, 902 - Polymermasse) im Einspruchsbeschwerdeverfahren grundsätzlich nicht befugt, vom Einsprechenden innerhalb der Frist des § 59 Abs. 1 PatG nicht geltend gemachte und vom Patentamt nicht in
das Verfahren eingeführte Widerrufsgründe von Amts wegen aufzugreifen und den Widerruf des Patents hierauf zu stützen. Das stand der Entscheidung des Bundespatentgerichts jedoch nicht entgegen.
Die Beschränkung des Gegenstandes der gerichtlichen Prüfung auf die vor dem Deutschen Patent- und Markenamt geltend gemachten Widerrufsgründe ergibt sich aus der Funktion des Beschwerdegerichts im Rechtszug und seiner Bindung an den Streitgegenstand. Das Bundespatentgericht ist im Beschwerdeverfahren zur Nachprüfung und Änderung von Entscheidungen nur in dem Umfang befugt, in dem eine Nachprüfung beantragt wird (Sen.Beschl. v. 2.3.1993 - X ZB 14/92, GRUR 1993, 655, 656 - Rohrausformer). Im Streitfall hat die Patentabteilung das Patent widerrufen, da der "geltende Patentanspruch" , als den die Patentabteilung den von der Patentinhaberin verteidigten Anspruch angesehen hat, i.S.d. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG auf einen über den Inhalt der Anmeldung hinausgehenden Gegenstand gerichtet sei. Die Patentabteilung hat dies damit begründet, daû die Einfügung der Worte "über eine Lagerung" in den erteilten Anspruch über den Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Unterlagen hinausgehe, denen der Fachmann nicht allgemein ein Lager, sondern ausschlieûlich ein Wälzlager zwischen den Schwungmassen entnehme. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Entscheidung der Patentabteilung hiernach nicht auf eine Erweiterung des Schutzbereichs des erteilten Patents durch den verteidigten Anspruch gestützt. Es kann dahinstehen , ob die Patentabteilung zunächst die Zulässigkeit der Änderung des Anspruchs hätte prüfen und in Anbetracht der - nach ihrem Standpunkt - unzulässigen Änderung die erteilte Fassung zum Gegenstand ihrer weiteren Untersuchung hätte machen müssen (in diesem Sinne Busse, Patentgesetz, 5. Aufl., § 21 Rdn. 107, § 83 Rdn. 42, 45; BPatGE 20, 133, 138; 29, 223, 226 für das
Gebrauchsmusterlöschungsverfahren; a.A. Hövelmann, GRUR 1997, 109, 110 f., und - für das Nichtigkeitsverfahren - wohl auch Schulte, PatG, 5. Aufl., § 81 Rdn. 62b). Nachdem die Patentabteilung so nicht verfahren ist, sondern den verteidigten Anspruch daraufhin untersucht hat, ob dieser Anspruch auf einen über den Inhalt der Anmeldung hinausgehenden Gegenstand gerichtet ist (der als erteilter Anspruch nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG zum Widerruf des Streitpatents führen müûte und mit dem das Patent daher nicht aufrechterhalten werden kann), hatte das Beschwerdegericht diese Entscheidung nachzuprüfen. Im Rahmen dieser Prüfung war das Bundespatentgericht nicht auf dasjenige Merkmal beschränkt, das die Patentabteilung als unzulässige Erweiterung angesehen hat, denn die Erweiterung bezieht sich stets auf den Anspruch als Ganzen.
3. Das Beschwerdegericht hat angenommen, der Durchschnittsfachmann habe den ursprünglichen Unterlagen die Lehre nach dem geltenden Patentanspruch 1 nicht entnehmen können. Denn in den ursprünglichen Unterlagen sei zum einen das Merkmal im Oberbegriff des Anspruchs 1, wonach die Relativverdrehung der Schwungmassen entgegen der Wirkung einer beliebigen Dämpfungseinrichtung erfolgen solle, sachlich nicht offenbart, zum anderen erlaubten sie nicht das Weglassen von zwingend zum Gegenstand der ursprünglichen Stammanmeldung gehörigen lösungswesentlichen Merkmalen im geltenden und auch schon erteilten Patentanspruch 1. Aus der Anmeldung ergebe sich für den Fachmann eine Drehmomentübertragungseinrichtung mit einer bestimmten baulichen Konzeption und einer speziellen Steuerung zur Veränderung bzw. Verringerung der Dämpfung, wenn die Reibungskupplung gelöst werde. Für diese Steuerung sei in den ursprünglichen Unterlagen ein Mechanismus offenbart, der nicht nur die Merkmale des kennzeichnenden Teils
des geltenden Patentanspruchs 1, sondern zugleich auch die axiale Verschiebbarkeit der die Reibungskupplung tragenden Schwungmasse (erteilter Anspruch 3) und die Reib- und Gleitverbindung (etwa erteilter Anspruch 12) in untrennbarer Weise umfasse.
Das beanstandet die Rechtsbeschwerde im Ergebnis ohne Erfolg.

a) Das Bundespatentgericht hält das Merkmal, wonach die Schwungmassen entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung relativ zueinander verdrehbar sind, für in den ursprünglichen Unterlagen in dieser allgemeinen Weise nicht offenbart. Aus der ursprünglichen Beschreibung in Verbindung mit den Figuren gehe wie auch aus dem ursprünglichen Anspruch 31 hervor, daû die Dämpfungseinrichtung aus in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeichern bestehe und damit das Nominaldrehmoment übertragen werde. Die im ursprünglichen Anspruch 31 enthaltene Alternative, die statt der in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeicher Reib- oder Gleitmittel vorsehe, bilde nach dem Verständnis des Fachmanns zumindest beim abgetrennten Gegenstand keinen Ersatz für in Umfangsrichtung wirkende Kraftspeicher. Andere Ausführungsmöglichkeiten hinsichtlich der Übertragung des Nominaldrehmoments seien vom Fachmann nicht erkennbar.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Merkmal findet sich - abgesehen von der bereits von der Patentabteilung für unbedenklich angesehenen Einfügung des Wortes "relativ" - bereits in Anspruch 1 der zugrundeliegenden Anmeldung. Das Bundespatentgericht, das das nicht verkennt, meint, der ursprüngliche Patentanspruch 1 weise vorwiegend allgemeine dämpfungstechnische Wirkangaben auf und sei so weit gefaût, daû ein Bezug zu
der sich aus der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen ergebenden konkreten Lehre nicht ersichtlich sei und Anspruch 1 deshalb nicht als prinzipielle Verkörperung des Anmeldungsgegenstands verstanden werde. Dies gelte schon deswegen, weil im ursprünglichen Anspruch 1 die Reibungskupplung und das zugehörige Ausrücksystem nicht erwähnt würden, die aber für den im Streitpatent weiterzubildenden Gegenstand die entscheidende Grundlage bildeten.
Diese Erwägungen begründen die vom Bundespatentgericht angenommene unzulässige Erweiterung nicht. Das Bundespatentgericht zieht nicht in Zweifel, daû in den ursprünglichen Unterlagen eine Dämpfungseinrichtung aus in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeichern offenbart ist. Es zieht auch nicht in Zweifel, daû der Fachmann, als den das Bundespatentgericht rechtsfehlerfrei einen Hochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Dämpfungsvorrichtungen insbesondere in Verbindung mit Kraftfahrzeugkupplungen ansieht, hierin ein Mittel sieht, kraft dessen die Schwungmassen - in den Worten des verteidigten Anspruchs - entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung relativ zueinander verdrehbar sind. Unter diesen - dem Rechtsbeschwerdeverfahren zugrundezulegenden - Voraussetzungen kann aber das sachlich unverändert aus Anspruch 1 der Anmeldung in Patentanspruch 1 übernommene Merkmal keine unzulässige Erweiterung darstellen, weil es nichts enthält, was nicht bereits Inhalt der Anmeldung gewesen wäre. Der Umstand, daû die Anmeldung nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts nur eine Ausführungsform "einer ganz bestimmten Baukonzeption" mit in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeichern (ausführbar) offenbart, steht dem nicht entgegen. Denn offenbart ist alles das, was in der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen schriftlich niedergelegt
ist und sich dem Fachmann ohne weiteres aus dem Gesamtinhalt der Unterlagen am Anmeldetag erschlieût (Sen., BGHZ 111, 21, 26 - Crackkatalysator I). Ein "breit" formulierter Anspruch ist unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung deshalb jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung - sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen - als zu der angemeldeten Erfindung gehörig entnehmbar war.

b) Das Bundespatentgericht hat weiter festgestellt, der Fachmann entnehme den ursprünglichen Unterlagen eine Steuerung zur Veränderung bzw. Verringerung der Dämpfung, die nicht nur die Merkmale des kennzeichnenden Teils des geltenden Patentanspruchs 1, sondern zugleich auch die axiale Verschiebbarkeit der die Reibungskupplung tragenden Schwungmasse in untrennbarer Weise umfasse.
aa) Im einzelnen hat das Bundespatentgericht hierzu ausgeführt: In der Anmeldung werde die ferdernde Verspannung der Schwungmassen im Zusammenhang mit der Tellerfeder 34, dem Reibring 22 und der axialen Verlagerbarkeit der Schwungmasse 4 gegenüber der Schwungmasse 3 beschrieben. Im weiteren werde dort zur Funktionsweise ausgeführt, daû das durch den Reibring 22 erzeugte Reibmoment abnehme, wenn mit zunehmender Ausrückkraft die Vorspannung der Tellerfeder 34 allmählich kompensiert werde, und daû bei Überwindung der Vorspannung der Tellerfeder 34 diese verschwenkt und die Schwungmasse 4 um den Betrag X in Richtung der Schwungmasse 3 mit der
Folge verlagert werde, daû der Reibring 22 abhebe und keine Reibungsdämpfung mehr erzeugt werde. Die axial federnde Verspannung der Schwungmassen mit der entgegen der Betätigungskraft der Reibungskupplung wirkenden Vorspannkraft und die axiale Verlagerbarkeit der Schwungmassen sowie die Reib- und Gleitverbindung stellten eine Funktions- und Steuereinheit dar, die das allgemeine Lösungsprinzip verkörpere. In den ursprünglichen Unterlagen werde es bei der als Stand der Technik erörterten Drehmomentübertragungseinrichtung nach der deutschen Offenlegungsschrift 28 26 274 als nachteilig angesehen, daû der radiale Flansch der Flanschhülse, die die drehbare Lagerung der Schwungmassen zueinander ermögliche, beim Betätigen der Reibungskupplung zwischen den Schwungmassen mit groûer Kraft verspannt werde, wodurch ein hohes Reibmoment zwischen den Schwungmassen auftrete und die Dämpfung beeinträchtige. Mit dem Patentgegenstand solle eine derart hohe Reib- und Dämpfungswirkung vermieden werden, wofür die axiale Verlagerbarkeit der Schwungmassen und die Reib- und Gleitverbindung unverzichtbare Bestandteile der offenbarten Steuerung seien.
bb) Das trägt die angefochtene Entscheidung.
Bis zum Beschluû über die Erteilung des Patents sind nach § 38 PatG Änderungen der in der Anmeldung enthaltenen Angaben zulässig, die den Gegenstand der Anmeldung nicht erweitern. Der Gegenstand der Anmeldung darf bei der Aufstellung des Patentanspruchs anders formuliert werden, und er darf beschränkt werden. Eine solche Änderung darf aber nicht zu einer Erweiterung des Gegenstands der Anmeldung führen, und sie darf nicht dazu führen, daû an die Stelle der angemeldeten Erfindung eine andere gesetzt wird (Sen., BGHZ 66, 17, 29 - Alkylendiamine I; BGHZ 110, 123, 125 - Spleiûkammer). Der
Patentanspruch darf mithin nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, von dem der Durchschnittsfachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen kann, daû er von vornherein von dem Schutzbegehren umfaût sein soll (Sen.Urt. v. 21.9.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn; Sen.Beschl. v. 20.6.2000 - X ZB 5/99, GRUR 2000, 1015, 1016 - Verglasungsdichtung; v. 5.10.2000 - X ZR 184/98, GRUR 2001, 140, 141 - Zeittelegramm).
Das Bundespatentgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daû der Fachmann den in dem verteidigten - wie in dem erteilten - Patentanspruch bezeichneten Gegenstand den ursprünglichen Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörig entnehmen kann.
cc) Die Rechtsbeschwerde verweist allerdings zu Recht darauf, daû der Anmelder oder der Patentinhaber, wenn er nur noch für eine bestimmte Ausführungsform der angemeldeten Erfindung Schutz begehrt, nicht genötigt ist, sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Anspruch aufzunehmen. Die Aufnahme eines weiteren Merkmals aus der Beschreibung in den Patentanspruch ist zulässig, wenn dadurch die zunächst weiter gefaûte Lehre auf eine engere Lehre eingeschränkt wird und wenn das weitere Merkmal in der Beschreibung als zu der beanspruchten Erfindung gehörend zu erkennen war (Sen., BGHZ 111, 21, 25 - Crackkatalysator I; Beschl. v. 30.10.1990 - X ZB 18/88, GRUR 1991, 307, 308 - Bodenwalze; Urt. v. 7.12.1999 - X ZR 40/95, GRUR 2000, 591, 592 - Inkrustierungsinhibitoren). Dienen mehrere in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannte Merkmale der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung, die je für sich, aber auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, hat es
der Patentinhaber in der Hand, ob er sein Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser Merkmale beschränkt; in dieser Hinsicht können dem Patentinhaber keine Vorschriften gemacht werden (Sen., BGHZ 110, 123, 126 - Spleiûkammer).
Das bedeutet jedoch nicht, daû der Patentinhaber nach Belieben einzelne Elemente eines Ausführungsbeispiels im Patentanspruch kombinieren dürfte. Die Kombination muû vielmehr in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre darstellen, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen kann; andernfalls wird etwas beansprucht , von dem der Durchschnittsfachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen kann, daû es von vornherein von dem Schutzbegehren umfaût sein soll, und das daher gegenüber der angemeldeten Erfindung ein aliud darstellt (Sen.Beschl. v. 23.1.1990 - X ZB 9/89, GRUR 1990, 432, 434 - Spleiûkammer [insoweit nicht in BGHZ]).
dd) Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Bundespatentgerichts umfaût die Angabe im verteidigten Patentanspruch , daû die Schwungmassen durch einen Kraftspeicher axial zueinander federnd verspannt sind, aus der Sicht des Fachmanns nicht notwendigerweise eine axiale Verlagerbarkeit der Schwungmassen als ungeschriebenen Bestandteil der technischen Lehre des Anspruchs. Vom Anspruch umfaût ist daher auch eine Ausführungsform, bei der die Schwungmassen axial federnd verspannt sind, ohne axial verlagerbar zu sein. Nach den weiteren Ausführungen des Beschwerdegerichts konnte der Fachmann der Anmeldung axial federnd verspannte Schwungmassen jedoch nur im Zusammenhang mit einer gleichzeitigen axialen Verschiebbarkeit dieser Schwungmassen entnehmen. Das
Bundespatentgericht hat insoweit auf die dem Fachmann in der Beschreibung erläuterte Funktion der axial federnde Verspannung der Schwungmassen für deren axiale Verlagerung und die Bedeutung dieser Verlagerung für die Lösung des der Anmeldung zugrundeliegenden Problems abgestellt. Diese Ausführungen , die das Bundespatentgericht noch zusätzlich darauf hätte stützen können, daû die axiale Verspannung der Schwungmassen auch im allgemeinen Teil der Beschreibung und in den in der Anmeldung formulierten Ansprüchen nur als Ausführungsform axial verlagerbarer Schwungmassen angesprochen ist, sind als tatrichterliche Feststellungen, gegen die durchgreifende Rechtsbeschwerdegründe nicht erhoben sind, für das Rechtsbeschwerdeverfahren bindend (§ 107 Abs. 2 PatG).
ee) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, diesen Feststellungen lägen unzutreffende Maûstäbe zugrunde.
Zu Unrecht sieht sie solche in der Bemerkung des Bundespatentgerichts , für den Fachmann seien aus der Anmeldung auch keine anderen Ausführungsformen erkennbar, die die Offenbarung der im geltenden Anspruch 1 angegebenen Lösung rechtfertigen könnten. Damit hat das Bundespatentgericht nicht zum Ausdruck gebracht, nur bei einem solchen (weiteren) Ausführungsbeispiel könne die beanspruchte Lösung als offenbart gelten.
Unbegründet ist auch die Rüge, das Bundespatentgericht habe angenommen , Rechte aus dem Streitpatent könnten "(selbstverständlich) nur im Sinne des in der Beschreibung offenbarten Ausführungsbeispiels geltend gemacht werden". An der angegebenen Stelle hat das Bundespatentgericht vielmehr - zutreffend - ausgeführt, Mängel im geltenden Anspruch 1 hinsichtlich
der ursprünglichen Offenbarung könnten nicht, wie von der Patentinhaberin eingeworfen worden sei, dadurch kompensiert werden, daû das Streitpatent (selbstverständlich) nur im Sinne des in der Beschreibung offenbarten Ausführungsbeispiels gegenüber Dritten geltend gemacht werden könne; dafür biete das Patentrecht keine Handhabe.
Nicht unbedenklich sind hingegen zwar die Ausführungen des Beschwerdegerichts , die Abstraktion des konkreten Gegenstandes dürfe nicht zu einer unbestimmten und diffusen Aussage oder Anweisung führen, die eine klare Vorstellung vom Wesen des ursprünglich offenbarten Anmeldungsgegenstandes nicht mehr vermittele und über die ursprüngliche Offenbarung in unzulässiger Weise hinausgehe, was im Streitfall ersichtlich der Fall sei, da wesentliche Elemente der Steuerung nicht im Hauptanspruch angegeben würden und für das Lösungsprinzip die steuernden und zu steuernden Mittel oder Vorrichtungen unverzichtbar seien. Es ist jedoch weder von der Rechtsbeschwerde dargelegt noch sonst erkennbar, inwiefern die Feststellungen zum Verständnis des Fachmanns vom Inhalt der Anmeldung hierdurch beeinfluût sein könnten.
ff) Wenn das Bundespatentgericht aus den zu dd) genannten Feststellungen abgeleitet hat, ein Anspruch, der nur die axial federnde Verspannung der Schwungmassen und den der Ausrückkraft der Reibkupplung entgegenwirkenden Kraftspeicher zur Kennzeichnung der Lösung anführe, sei "aus Offenbarungsgründen nicht statthaft" und führe zu einer sich dem Fachmann aus den ursprünglichen Unterlagen nicht erschlieûenden und deshalb unzulässigen Teil- oder Unterkombination, hat es nach alledem entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht unzulässig Fragen zum Anspruch auf Erteilung des Patents mit solchen aus dem Recht der Patentverletzung vermengt. Es hat
vielmehr zutreffend darauf abgestellt, daû der verteidigte Anspruch auf eine Kombination von Merkmalen gerichtet sei, die dem Fachmann nach seinen Feststellungen in der dem Streitpatent zugrundeliegenden Anmeldung nicht als zur Erfindung gehörende Kombination offenbart wird.

c) Hiernach kommt es nicht mehr darauf an, ob das Bundespatentgericht auch rechtsfehlerfrei festgestellt hat, nach der Ursprungsoffenbarung gehöre ebenso die Reib- und Gleitverbindung, wie sie etwa im erteilten Anspruch 12 angegeben sei, zu dem erfindungsgemäûen Steuerungsmechanismus, wogegen sprechen könnte, daû eine solche Verbindung in der Beschreibung (S. 17) lediglich als vorteilhaft bezeichnet ist.
4. Das Bundespatentgericht hat den Antrag zurückgewiesen, die Rückzahlung der Gebühren für die abgetrennte Anmeldung 34 48 593.7 anzuordnen. Insoweit ist die Rechtsbeschwerde ohne Begründung geblieben und deswegen als unzulässig zu verwerfen (§§ 102, 104 PatG).
III. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (§ 107 Abs. 1 PatG).
Rogge Jestaedt Melullis
Scharen Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 30/02 Verkündet am:
5. Juli 2005
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Einkaufswagen II
EPÜ Art. 138 Abs. 1 Buchst. c; IntPatÜG Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3
Zur Beantwortung der Frage, ob der Gegenstand der Patentansprüche in der
erteilten Fassung des Patents über den Inhalt der Anmeldung hinausgeht und
deshalb der Nichtigkeitsgrund des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i.V.m.
Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ vorliegt, ist die durch die Patentansprüche definierte
Lehre mit dem gesamten Offenbarungsgehalt der Patentanmeldung zu
vergleichen. Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Offenbarung in ihrer Gesamtheit
das in den erteilten Patentansprüchen niedergelegte Schutzbegehren
umfaßt. Den mit der Anmeldung ursprünglich formulierten Patentansprüchen
kommt im Rahmen des Erteilungsverfahrens keine eine weitergehende Offenbarung
in der Beschreibung einschränkende Bedeutung zu.
BGH, Urt. v. 5. Juli 2005 - X ZR 30/02 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Juli 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. MeierBeck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28. November 2001 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.
Das europäische Patent 0 199 274 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter anderem mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 199 274 (Streitpatents), das unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Offenlegungsschrift 35 15 069 vom 26. April 1985 angemeldet worden ist.
Es betrifft einen "Transportwagen" und umfaßt sechs Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Deutsch:
"Transportwagen, der in einen gleichgearteten Transportwagen einschiebbar und mit einer zur Aufnahme von Ware vorgesehenen Einrichtung ausgestattet ist, wobei in seinem Griffbereich ein mit einer Kopplungseinrichtung versehenes Münzschloß angeordnet ist, das auf Pfandbasis ein gegenseitiges An- und Abkoppeln von Transportwagen mit oder ohne Inanspruchnahme einer Sammelstelle erlaubt, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das Münzschloß im Bereich eines der beiden Grifftragarme angeordnet ist und sich sowohl am Grifftragarm als auch am Griff abstützt."
Wegen der Patentansprüche 2 bis 6 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin macht mit ihrer Klage geltend, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung hinaus und sei deshalb für nichtig zu erklären.
Das Bundespatentgericht hat die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Klageziel weiterverfolgt. Die Beklagte tritt der Berufung entgegen.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. H.
schriftliches ein Gutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung ist begründet. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund , der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung hinaus (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ, Art. 123 Abs. 2 EPÜ), liegt vor.
1. Das Streitpatent betrifft einen Transportwagen, wie er beispielsweise als Einkaufswagen in Supermärkten zum Einsatz kommt, wo er von Kunden auf Pfandbasis benutzt werden kann. Mehrere solcher Wagen können ineinandergeschoben und aneinandergekoppelt werden. Die Koppelungseinrichtung ist im
Griffbereich des Wagens angeordnet und weist ein Münzschloß auf, in das die Pfandmünze eingesteckt werden kann. Damit betätigt der Kunde - meistens unter Verwendung einer Kette - eine Steckverbindung zum nächsten Wagen und kann einen Wagen von den übrigen trennen.
Die Lehre des Streitpatents befaßt sich mit der Anordnung des Münzschlosses an einer geeigneten Stelle des Wagens.
Die Streitpatentschrift geht davon aus, daß es bei Wagensammel- und Ausleihsystemen durch die den Einkaufswagen eigentümliche Form nicht einfach sei, die Münzschlösser an geeigneten Stellen anzubringen, nämlich so, daß sowohl das Ineinanderschieben als auch die bequeme Handhabung des Einkaufswagens erhalten bleibe (Sp. 1 Z. 26-31).
Bei der Lösung nach der deutschen Offenlegungsschrift 25 54 916 bestehe die Schwierigkeit darin, daß das Münzschloß wegen seiner Größe teilweise in den Ladebereich des Korbs rage, so daß beim Beladen von der Griffseite des Einkaufswagens aus die Ware immer um das Münzschloß herum bewegt werden müsse (Sp. 1 Z. 31-39). Die in der deutschen Offenlegungsschrift 29 00 367 und dem deutschen Gebrauchsmuster 81 21 677 beschriebenen Münzschlösser seien kleiner und ließen sich am Griff des Einkaufswagens befestigen ; es bestehe jedoch die Gefahr, daß sie entweder mit Absicht um die Griffachse verdreht würden oder daß sie sich im Laufe der Zeit lockerten und ihre Lage veränderten (Sp. 1 Z. 39-49). Die Münzschlösser nach Art des deutschen Gebrauchsmusters 81 21 677 würden mittig am Griff des Einkaufswagens angebracht und ragten dadurch bei einem mit einem Kindersitz ausgestatteten Wagen störend in diesen Kindersitz hinein (Sp. 1 Z. 49-53). Der Nach-
teil der in der deutschen Offenlegungsschrift 33 24 962 vorgeschlagenen Münzschlösser bestehe schließlich darin, daß diese außen an den Korbseitenwänden befestigt würden, was beispielsweise beim Passieren des engen Durchgangs an der Kasse zu Schwierigkeiten führen könne (Sp. 1 Z. 54-63).
Die Streitpatentschrift bezeichnet es als Aufgabe der Erfindung, die geschilderten Nachteile zu vermeiden und das Münzschloß so anzuordnen, daß es den für ein im Wagen mitzuführendes Kleinkind vorgesehenen Raum nicht verkleinere, daß das Be- und Entladen der zur Aufnahme der Ware vorgesehenen Einrichtung nicht behindert werde, daß es ferner nicht mutwillig in seiner Lage veränderbar sei und daß sich schließlich seine Lage im Laufe der Zeit nicht durch Gebrauchseinflüsse von selbst ändere (Sp. 1 Z. 64 - Sp. 2 Z. 8). Das Streitpatent schlägt dazu einen Transportwagen vor,
1. der in einen gleichgearteten Transportwagen einschiebbar und mit einer zur Aufnahme von Waren vorgesehenen Einrichtung ausgestattet ist,
2. wobei im Griffbereich des Transportwagens ein mit einer Kopplungseinrichtung versehenes Münzschloß angeordnet ist,
3. das auf Pfandbasis ein gegenseitiges An- und Abkoppeln von Transportwagen mit oder ohne Inanspruchnahme einer Sammelstelle erlaubt;
4. das Münzschloß ist
4.1 im Bereich eines der beiden Grifftragarme angeordnet und
4.2 stützt sich sowohl am Grifftragarm als auch am Griff ab.
Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung trifft keine näheren Aussagen dazu, wo das Münzschloß "im Bereich" der beiden Grifftragarme anzuordnen ist. Beansprucht ist daher nicht nur eine Anordnung des Münzschlosses oberhalb der beiden Grifftragarme, sondern jede beliebige Anordnung in deren Bereich , also auch auf gleicher Höhe oder unterhalb der Grifftragarme, sofern die Anordnung nur in räumlicher Nähe zu den Grifftragarmen erfolgt.
2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung geht damit über den Inhalt der Anmeldung hinaus, denn Anordnungen in gleicher Höhe und unterhalb des Grifftragarms sind nicht Teil der Offenbarung der Anmeldung; die in den ursprünglichen Unterlagen offenbarte Lehre ist auf eine Anordnung des Schlosses unmittelbar oberhalb eines Griffarms beschränkt.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist durch die Anmeldung offenbart , was sich dem Fachmann des Betreffenden Gebietes der Technik ohne weiteres aus dem Gesamtinhalt der Unterlagen am Anmeldetag erschließt (so für die Rechtslage in Deutschland vor 1978 BGHZ 111, 21, 26 - Crackkatalysator I m.w.N.).
Zur Feststellung, ob der Nichtigkeitsgrund des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ vorliegt, ist der Gegenstand des
erteilten Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Gegenstand des Patents ist die durch die Patentansprüche definierte Lehre. Der Inhalt der Patentanmeldung ist hingegen der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen, ohne daß dabei den Patentansprüchen eine gleich hervorragende Bedeutung zukommt (Sen.Urt. v. 03.12.1991 - X ZR 101/89, GRUR 1992, 157, 158 f. - Frachtcontainer; Sen.Urt. v. 21.09.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn). Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Offenbarung für den Fachmann erkennen ließ, der geänderte Lösungsvorschlag solle von vornherein vom Schutzbegehren umfaßt werden.
Der Gegenstand der Anmeldung darf im Erteilungsverfahren bei der Aufstellung des Patentanspruchs daher anders formuliert beschränkt werden. Eine solche Änderung darf aber nicht zu einer Erweiterung de s Gegenstands der Anmeldung führen (Sen. BGHZ 110, 123, 125 f. - Spleißkammer). Der Patentanspruch darf nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, von dem der Fachmann aufgrund der ursprünglichen Unterlagen nicht erkennen kann, daß die darin enthaltene Offenbarung von vornherein ihn als zur Erfindung gehörend erkennen ließ (vgl. Sen.Beschl. v. 05.10.2000 - X ZR 184/98, GRUR 2001, 140, 141 - Zeittelegramm; Sen.Beschl. v. 11.09.2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung; vgl. ferner EPA - T 255/88, EPOR 1992, 87 - Befestigungsvorrichtung für Fassadenelemente; EPA - T 192/89, EPOR 1990, 287 - Dispositif d' homogénisation; EPA - T 270/89, EPOR 1991, 540 - Splash bar method). Eine solche Zuordnung ist für die im erteilten Patentanspruch bezeichnete Anordnung des Münzschlosses nicht zu erkennen.
In den Anmeldungsunterlagen wird die Aufgabe der Erfindung wie in der Streitpatentschrift angegeben. Zur Lösung dieser Aufgabe gibt die Anmeldung eine Anordnung eines wesentlichen Teils des Münzschlosses unmittelbar über einem der beiden Grifftragarme an. Soweit die Beschreibung sich mit Angaben zur Lage des Schlosses befaßt, sind der Anmeldung wiederum nur Hinweise zu einer Anordnung in dieser Weise zu entnehmen (S. 4 Z. 23 ff.), wobei sich die Einschränkung, daß die beschriebene Anordnung bevorzugt sei, zwanglos mit der Anordnung auf der Seite des Wagens in Verbindung bringen läßt. Dem entspricht auch der in der Anmeldung formulierte Patentanspruch 1, wonach der Einkaufswagen allein dadurch gekennzeichnet sein soll, daß ein wesentlicher Teil des Münzschlosses unmittelbar über einem der beiden Grifftragarme angeordnet ist. Hierzu wird in der Beschreibung ausgeführt, das Münzschloß werde in einem Bereich angeordnet, der nicht anderweitig bereits für die Funktion oder für das Bewegen des Einkaufswagens vonnöten sei (S. 3 Z. 5 ff.).
Der Senat folgt dem gerichtlichen Sachverständigen, soweit dieser ausgeführt hat, der Fachmann, bei dem es sich um einen Techniker mit Konstruktionserfahrungen handele, entnehme der Anmeldung, daß das Münzschloß im Bereich Grifftragarm/Griff anzuordnen ist, damit es sich sowohl an einem der beiden Grifftragarme als auch am Griff abstützen kann. Dies kommt in Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung durch Verwendung der Worte "im Bereich eines der beiden Grifftragarme" zum Ausdruck. Darin erschöpfen sich die Angaben in der Anmeldung über die erfindungsgemäße Anordnung des Münzschlosses jedoch nicht.
Denn solche Anordnungen, bei denen zwar eine solche Abstützung möglich ist, das Münzschloß sich jedoch in gleicher Höhe oder unter dem Griff-
tragarm befindet, entnahm der Fachmann nicht den Anmeldungsunterlagen. Diese geben nicht nur an, daß die Anordnung des Münzschlosses dadurch gekennzeichnet sei, daß ein wesentlicher Teil des Münzschlosses unmittelbar über einem der Grifftragarme angeordnet ist; allein ein solche Lage findet sich auch in sämtlichen Abbildungen. Neben dem Hinweis auf die Lösung der gestellten Aufgage durch eine Anordnung eines wesentlichen Teils des Münzschlosses unmittelbar über einem der beiden Grifftragarme (S. 3 Z. 1-3), wird als besonderer Vorteil hervorgehoben, daß durch die Inanspruchnahme des seitlich über dem Griff befindlichen Raums zur Unterbringung des Münzschlosses der unter dem Griff befindliche Bereich zum Zwecke des Ineinanderschiebens mehrerer Einkaufswagen voll erhalten bleibt und das Be- und Entladen des Korbs nicht nachteilig beeinflußt wird (S. 3 Z. 22-29). Auch bei der Erläuterung der Zeichnungen wird an verschiedenen Stellen stets betont, daß der wesentliche Teil des Münzschlosses, so die Kopplungseinrichtung und die Geldeinwurf - und -ausgabeöffnung, sich über dem Grifftragarm befinden (S. 4 Z. 23-32; S. 7 Z. 1-5; S. 7 Z. 13-16). Soweit in der weiteren Beschreibung eine Anordnung "im Bereich" der Grifftragarme angesprochen wird, ist dem keine beliebige Lage im Verhältnis zu den Grifftragarmen zu entnehmen; es handelt sich hier jedoch um die Verwendung sprachlicher Alternativen zur Bezeichnung des gleichen Gegenstandes. Daß weiterhin eine unmittelbare Lage oberhalb des Grifftragarms gefordert wird, ergibt sich auf S. 5 Z. 20 etwa daraus, daß der angesprochene Schacht, der das eigentliche Münzschloß trägt, in seiner Kontur dem Grifftragarm angepaßt wird und diesen bei der Befestigung des Schlosses aufnimmt. Bezug genommen wird in diesem Zusammenhang zudem jeweils auf die Abbildungen, die das Schloß allein in einer Lage unmittelbar oberhalb des Grifftragarms zeigen. Das gilt auch für die auf S. 8 angesprochenen Bereiche.

Der Fachmann hatte im Zeitpunkt der Anmeldung auch keine Veranlassung , diese Aussagen in den Anmeldungsunterlagen zu relativieren und die Anordnung des Münzschlosses mit einem wesentlichen Teil unmittelbar über einem der beiden Grifftragarme nur als eine mögliche Anordnung anzusehen. Wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend dargestellt hat, war angesichts der damaligen Größe der Münzschlösser, wie in den Zeichnungen der Anmeldung dargestellt, eine Behinderung beim Ineinanderschieben der Wagen die Folge, wenn eine andere Anordnung des Schlosses als im wesentlichen über einem der Grifftragarme, insbesondere eine solche unterhalb eines der Grifftragarme, gewählt worden wäre. Danach war eine solche andere Anordnung nicht Teil der Offenbarung, wie sie in den Anmeldungsunterlagen Ausdruck gefunden hat. Sie war für den Fachmann aus der Anmeldung nicht zu entnehmen. Da sie von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung dagegen umfaßt wird, ist dieser auf einen Gegenstand gerichtet, von dem der Fachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen konnte, daß er von vornherein vom Schutzbegehren umfaßt sein sollte.
Daher geht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Streitpatents über den Gegenstand der Anmeldung hinaus mit der Folge, daß das Streitpatent für nichtig zu erklären ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 91 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 56/03 Verkündet am:
22. Mai 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
injizierbarer Mikroschaum
PatG §§ 81 ff., §§ 110 ff.; EPÜ Art. 56, Art. 138

a) Zur Möglichkeit des beklagten Patentinhabers, sich auf eine abweichende
Fassung der im Patentnichtigkeitsverfahren verteidigten Patentansprüche
zurückzuziehen, wenn die zunächst verteidigte Fassung zu einer Erweiterung
führen würde.

b) Zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bei einer beliebigen Auswahl
aus verschiedenen dem Fachmann zur Verfügung stehenden Möglichkeiten
(Fortführung von BGHZ 156, 179 - blasenfreie Gummibahn I).
BGH, Urt. v. 22. Mai 2007 - X ZR 56/03 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Mai 2007 durch die Richter Scharen, Keukenschrijver, die
Richterinnen Ambrosius und Mühlens und den Richter Asendorf

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 4. Februar 2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des unter Inanspruchnahme der Priorität einer internationalen Anmeldung vom 23. Juni 1993 am 21. Juni 1994 angemeldeten, auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 656 203 (Streitpatents), das "injectable microfoam containing a sclerosing agent" ("injizierbaren Mikroschaum, der ein Verödungsmittel enthält") betrifft und 15 Patentansprüche umfasst, die in der Verfahrenssprache Englisch wie folgt lauten: "1. An injectable micro-foam for therapeutic uses, prepared or for preparation as required, characterized in that the micro-foam is prepared with any sclerosing substance.

2. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to claim 1, characterized in that the sclerosing substance is polidocanol. 3. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to claim 1, characterized in that the sclerosing substance is sodium tetradecyl sulphate. 4. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to claim 1, characterized in that the sclerosing substance is a hypertonic glucose or glucosaline solution. 5. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to claim 1, characterized in that the substance used is chromic glycerol. 6. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to claim 1, characterized in that the substance used is ethanolamine oleate. 7. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to claim 1, characterized in that the substance used is sodium morrhuate. 8. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to claim 1, characterized in that the substance used is any iodic solution. 9. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to the preceding claims for use in phlebology. 10. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to claims 1 to 8, for use in the tretament of oesophageal varices. 11. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to claims 1 to 8, for the use in proctology. 12. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to claims 1 to 8, for use in angiology.
13. A method for the preparation of an injectable micro-foam for use in therapy characterized in that it comprises producing a micro-foam with a sclerosing substance. 14. A method as claimed in claim 13 characterized in that the sclerosing substance is a polidocanol, sodium tetradecyl sulphate, hypertonic glucose or glucosaline solution, chromic glycerol, ethanolamine oleate, sodium morrhuate or iodic solution. 15. A micro-foam for use in therapy characterized in that is obtainable by beating a sclerosing solution with a micromotor rotated brush at 8.000 to 15.000 r.p.m. for 60 to 120 seconds."
2
In der deutschen Übersetzung der Patentschrift lauten diese Patentansprüche wie folgt: "1. Injizierbarer Mikroschaum für therapeutische Zwecke, hergestellt oder zur Herstellung nach Bedarf, dadurch gekennzeichnet , daß der Mikroschaum mit irgendeiner sklerosierenden Substanz gebildet ist. 2. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die sklerosierende Substanz Polidocanol ist. 3. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die sklerosierende Substanz Natriumtetradecylsulfat ist. 4. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die sklerosierende Substanz eine hypertonische Glucose oder Glucose /Salz-Lösung ist. 5. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die verwendete Substanz Chromglycerin ist. 6. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die verwendete Substanz Ethanolaminoleat ist.

7. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die verwendete Substanz Natriummorrhuat ist. 8. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die verwendete Substanz irgendeine Iodverbindung ist. 9. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach einem der vorangehenden Ansprüche zur Verwendung in der Phlebologie. 10. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach den Ansprüchen 1 bis 8 zur Verwendung bei der Behandlung von Ösophagusvarizen. 11. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach den Ansprüchen 1 bis 8 zur Verwendung in der Proktologie. 12. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach den Ansprüchen 1 bis 8 zur Verwendung in der Angiologie. 13. Verfahren zur Herstellung eines injizierbaren Mikroschaums zur Verwendung bei der Therapie, dadurch gekennzeichnet, daß es die Herstellung eines Mikroschaums mit einer sklerosierenden Substanz umfaßt. 14. Verfahren nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, daß die sklerosierende Substanz ein Polidocanol, Natriumtetradecylsulfat , hypertonische Glycose oder Glucose/Salz-Lösung, Chromglycerin, Ethanolaminoleat, Natriummorrhuat oder eine Iodlösung ist. 15. Mikroschaum zur Verwendung bei der Therapie, dadurch gekennzeichnet , daß er erhältlich ist durch Aufschlagen einer sklerosierenden Lösung mit einer durch einen Mikromotor angetriebenen rotierenden Bürste mit 8.000 bis 15.000 UpM während 60 bis 120 s."
3
Die Klägerin hat geltend gemacht, dass der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig sei. Sie hat sich dazu auf zahlreiche Veröffentlichungen der Jahre 1895 bis 1993, die deutsche Patentschrift 34 17 182 und nachveröffentlichte Schriften bezogen; wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen. Sie hat beantragt, das Streitpatent für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten; sie hat das Streitpatent mit geänderten Patentansprüchen verteidigt, und zwar mit einem Hauptantrag und vier Hilfsanträgen, wegen derer auf das angefochtene Urteil verwiesen wird.
4
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig erklärt.
5
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die das Streitpatent nunmehr in erster Linie mit folgenden Patentansprüchen verteidigt, wobei sie sich damit einverstanden erklärt hat, dass in Patentanspruch 1 die entfallenen Worte "hergestellt oder zur Herstellung nach Bedarf" wieder eingefügt werden: "1. Injizierbarer Mikroschaum für therapeutische Zwecke, erhältlich durch Aufschäumen einer sklerosierenden Lösung in einer Atmosphäre aus Sauerstoff oder einem Gemisch aus Sauerstoff und Kohlendioxid in einem sterilen luftdichten Behälter. 2. Mikroschaum nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass man das Aufschäumen durch mechanisches Schlagen durchführt. 3. Mikroschaum nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass das mechanische Schlagen das Rotieren einer Bürste umfasst.
4. Mikroschaum nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass man die Bürste mit 8.000 bis 15.000 UpM für einen Zeitraum von 60 bis 120 Sekunden rotiert. 5. Mikroschaum nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet , dass die sklerosierende Lösung eine sklerosierende Substanz, ausgewählt aus Polidocanol, Natriumtetradecylsulfat , hypertonischer Glucose oder Glucose/Salz-Lösung, Chromglycerin, Ethanolaminoleat, Natriummorrhuat oder einer Iodlösung, umfasst. 6. Mikroschaum nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet , dass die sklerosierende Lösung weiterhin eine Substanz mit Schaumbildungsfähigkeit enthält. 7. Mikroschaum nach einem der Ansprüche 1 bis 6 zur Verwendung in der Phlebologie, Proktologie oder Angiologie. 8. Verfahren zur Herstellung eines injizierbaren Mikroschaums, dadurch gekennzeichnet, dass man eine sklerosierende Lösung in einer Atmosphäre aus Sauerstoff oder einem Gemisch aus Sauerstoff und Kohlendioxid in einem sterilen luftdichten Behälter aufschäumt. 9. Verfahren nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass man das Aufschäumen durch mechanisches Schlagen durchführt. 10. Verfahren nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass das mechanische Schlagen das Rotieren einer Bürste umfasst. 11. Verfahren nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, dass man die Bürste mit 8.000 bis 15.000 UpM für einen Zeitraum von 60 bis 120 Sekunden rotiert. 12. Verfahren nach einem der Ansprüche 8 bis 11, dadurch gekennzeichnet , dass die sklerosierende Lösung eine sklerosierende Substanz, ausgewählt aus Polidocanol, Natriumtetradecylsulfat , hypertonischer Glucose oder Glucose/Salz-Lösung, Chromglycerin, Ethanolaminoleat, Natriummorrhuat oder einer Iodlösung, umfasst.
13. Verfahren nach einem der Ansprüche 8 bis 12, dadurch gekennzeichnet , dass die sklerosierende Lösung weiterhin eine Substanz mit Schaumbildungsfähigkeit umfasst. 14. Verwendung eines injizierbaren Mikroschaums umfassend eine sklerosierende Substanz und Gas zur Behandlung von Krampfadern mit einem Durchmesser von gleich oder größer 7 mm durch Injektion ohne Operation, wobei das in der Vene enthaltene Blut verdrängt wird und der ganze von dem Mikroschaum eingenommene Venenabschnitt sklerosiert wird. 15. Verwendung nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet, dass die sklerosierende Substanz aus Polidocanol, Natriumtetradecylsulfat , hypertonischer Glucose oder Glucose/SalzLösung , Chromglycerin, Ethanolaminoleat, Natriummorrhuat oder einer Iodlösung ausgewählt wird. 16. Verwendung nach einem der Ansprüche 14 oder 15, dadurch gekennzeichnet, dass das Gas Sauerstoff oder ein Gemisch aus Sauerstoff und Kohlendioxid ist. 17. Verwendung nach Anspruch 16, dadurch gekennzeichnet, dass der Mikroschaum nach einem Verfahren nach einem der Ansprüche 8 bis 13 erhältlich ist."
6
Hilfsweise verteidigt die Beklagte, wie sie in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, das Streitpatent in seiner erteilten Fassung.
7
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
8
Im Auftrag des Senats hat Professor Dr. med. W. L.
ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Berufungsklägerin hat ein Parteigutachten von Prof. Dr. med. Dr. med. habil. M. M. eingereicht.

Entscheidungsgründe:


9
Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
10
I. 1. Infolge der Verteidigung durch die Beklagte steht das Streitpatent in der verteidigten eingeschränkten Fassung, daneben in der Fassung des Erteilungsbeschlusses zur Überprüfung. Dabei hat der Senat in der verteidigten Fassung die Worte "hergestellt oder zur Herstellung nach Bedarf" wieder eingefügt , womit sich die Beklagte einverstanden erklärt hat. Dies war schon deshalb geboten, weil durch das Weglassen dieser Worte im vorliegenden Fall die Gefahr begründet würde, dass in den Schutz des Patents nicht nur hergestellte (im Sinn eines konfektionierten Produkts) und nach Bedarf herzustellende Mikroschäume einbezogen würden, sondern auch Mikroschäume, die der einen wie der anderen Voraussetzung nicht entsprächen; dies könnte zu einer Erweiterung des Schutzbereich des Streitpatents führen, die auch im Patentnichtigkeitsverfahren ausgeschlossen ist (st. Rspr. des Senats, zuletzt Sen.Urt. v. 14.9.2004 - X ZR 149/01, GRUR 2005, 145 - elektronisches Modul). Dem kann jedoch durch Wiedereinfügung der gestrichenen Worte Rechnung getragen werden (vgl. - zum Gebrauchsmusterlöschungsverfahren - BPatGE 19, 161, 163; vgl. auch BPatGE 29, 223, 226 = GRUR 1988, 530). Der weiteren Prüfung wird somit der verteidigte Patentanspruch 1 unter Wiedereinfügung der Worte "hergestellt oder zur Herstellung nach Bedarf" zugrunde gelegt.
11
2. Die im verteidigten Patentanspruch 1 eingefügten Merkmale, dass das Aufschäumen in einer Atmosphäre aus Sauerstoff oder einem Gemisch aus Sauerstoff und Kohlendioxid erfolgen solle, sind in den ursprünglichen Unterlagen (PCT-Anmeldung ES94/00064) und im erteilten Patent ausreichend als zur Erfindung gehörend offenbart.

12
Die Beklagte kann sich auch im Nichtigkeitsverfahren auf einen Gegenstand beschränken, der in den Anmeldeunterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart worden ist (vgl. zum Einspruchsverfahren Sen.Beschl. v. 30.10.1990 - X ZB 18/88, GRUR 1991, 307, 308 - Bodenwalze). In diesem Sinn offenbart ist alles das, was in der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen schriftlich niedergelegt ist und sich dem fachkundigen Leser ohne weiteres aus dem Gesamtinhalt der Unterlagen am Anmeldetag erschließt. Die Ermittlung des Gesamtinhalts der Erstunterlagen hat dabei mit den Augen eines Fachmanns zu erfolgen; es kommt darauf an, welche Erkenntnisse ihm objektiv und ohne weiteres vermittelt worden sind. Der Fachmann orientiert sich dabei nicht an dem Wortlaut der Unterlagen, sondern an dem mit der Erfindung im Hinblick auf die Nachteile des Stands der Technik verfolgten Zweck und an dem Lösungsvorschlag mit seinen Elementen (Sen. BGHZ 111, 21, 26 - Crackkatalysator I; Sen.Beschl. v. 6.10.1994 - X ZB 4/92, GRUR 1995, 113 - Datenträger). Die entsprechende Offenbarung ist im Beispiel 1 (example 1) des Streitpatents (Beschr. Abs. 0019) wie schon in der ursprünglichen Anmeldung (PCTAnmeldung ES94/00064 Seite 3 Z. 17 - 23) enthalten.
13
II. 1. Das Streitpatent betrifft einen injizierbaren Mikroschaum, insbesondere zur Verödung von Krampfadern. Als Krampfadern werden erweiterte und geschlängelte Venen des oberflächlichen Venensystems bezeichnet. Je nach der Lokalisation der Krampfaderbildung unterscheidet man zwischen Stammvarikosis , Seitenastvarikosis, retikulärer Varikosis, Perforansvarikosis und Besenreiservarikosis als pathologische Zustände. Die Stammvarikosis betrifft die Vena saphena magna oder parva (große und kleine verborgene Vene) im Bein. Die Beschreibung des Streitpatents schildert einleitend, dass die Sklerose der Varikose auf der Injektion von flüssigen Substanzen in die Venen beruht, die eine lokalisierte Entzündungsreaktion hervorruft und dadurch die Ausschaltung dieser anormalen Venen begünstigt (Beschr. Abs. 0001). Die sklerosierende Flüssigkeit werde, so die Beschreibung, mit dem in der Vene enthaltenen Blut vermischt und in unbekanntem Maß und mit ungewissem Ergebnis verdünnt (Abs. 0002). Krampfadern mit Durchmessern ab 7 mm würden chirurgisch behandelt (Beschr. Abs. 0003), die Verödungsbehandlung sei auf große Krampfadern nicht anwendbar (Beschr. Abs. 0004). Die Konzentration der sklerosierenden Substanz in der Vene, ihre homogene Verteilung im Blut und die Zeit, in der sie mit den Innenwänden des behandelten Gefäßes in Kontakt stehe, seien nicht bekannt (Beschr. Abs. 0005).
14
1946 habe Orbach einige (a few) Kubikzentimeter Luft in kleine Krampfadern injiziert und eine Verdrängung des Bluts durch die injizierte Luft innerhalb des Gefäßes festgestellt. Die unmittelbar danach erfolgte Injektion der sklerosierenden Lösung sei wirksamer als die Injektion in das Blut gewesen (Beschr. Abs. 0006). Bei dicken Krampfadern bilde die injizierte Luft eine Blase im Inneren der Vene, wodurch das Verfahren in diesen Gefäßen unwirksam sei (Beschr. Abs. 0007). Orbach habe einige Jahre später auch Schaum injiziert, der durch Schütteln (agitation) eines Natriumtetradecylsulfat enthaltenden Behälters hergestellt worden sei (Beschr. Abs. 0008). Das Verfahren sei nur wenig nützlich gewesen, weil die gebildeten Bläschen groß gewesen seien; es sei zudem wegen der Nebenwirkungen des atmosphärischen Stickstoffs gefährlich gewesen, der in Blut nur in geringem Maß löslich sei (Beschr. Abs. 0009).
15
2. Nach den Angaben in der Beschreibung, die freilich insoweit in Patentanspruch 1 in seiner verteidigten Fassung keinen Niederschlag gefunden hat, kann ein Mikroschaum eines pharmakologisch inerten, sterilen, physiologischen Serums bei Injektion in horizontaler Lage auch in großen Krampfadern das in ihnen enthaltene Blut auf Grund dessen geringen Drucks in horizontaler Lage verdrängen (Beschr. Abs. 0012). Dabei verringere das Anheben des Glieds, in das die Injektion erfolge, den Venendruck noch mehr und erleichtere so die Füllung der Vene ausschließlich mit Mikroschaum, der in der Vene verbleibe, solange der Patient nicht vom Operationstisch aufstehe (Beschr. Abs. 0013). Wenn der mit physiologischem Serum gebildete Mirkoschaum durch mit einer sklerosierenden Substanz gebildeten Mikroschaum ersetzt werde , verdränge er das in der Vene enthaltene Blut und stelle - anders als der Einsatz von flüssigen Sklerosierungsmitteln - sicher, dass das unverdünnte sklerosierende Mittel in homogener Verteilung mit dem Endothel (d.h. den zum Lumen hin gerichteten Zellen der innersten Wandschicht) des Gefäßes in einer bekannten Konzentration und für eine kontrollierbare Zeit in Kontakt komme, wodurch eine Sklerosierung des gesamten eingenommenen Segments eintrete (Beschr. Abs. 0014/0015).
16
Das Streitpatent beschreibt sodann zwei Herstellungsverfahren für den Mikroschaum je in einem sterilen, hermetisch verschlossenen Behälter, wobei nach dem einen Verfahren der Behälter mit einer Druckflasche mit Sauerstoff oder einem Gemisch aus Sauerstoff und Kohlendioxid oder anderen physiologischen Gasen verbunden sein kann und das Aufschlagen mit einer in die sklerosierende Lösung eingetauchten Bürste mittels eines Mikromotors bei 8.000 bis 15.000 UpM über eine Zeit zwischen 60 und 120 Sekunden erfolgt (Beschr. Abs. 0019 bis 0022). Nach dem zweiten Verfahren wird die sklerosierende Substanz in einen Druckbehälter eingeführt und der Schaum wird durch Rühren der Lösung erzeugt.
17
3. a) Der verteidigte Patentanspruch 1 soll einen Schaum unter Schutz stellen, 1 bei dem es sich um einen injizierbaren Mikroschaum handelt, 2 der entweder hergestellt (d.h. ein Fertigprodukt) 2’ oder nach Bedarf herstellbar ist, 3 erhältlich ist 3.1 durch Aufschäumen 3.2 einer sklerosierenden Lösung 3.3 in einer Atmosphäre 3.3.1 aus Sauerstoff 3.3.1’ oder einem Gemisch aus Sauerstoff und Kohlendioxid 3.4 in einem Behälter, der 3.4.1 steril 3.4.2 und luftdicht ist.
18
b) Dies bedarf hinsichtlich einiger Merkmale näherer Erläuterung:
19
aa) Der Begriff des Mikroschaums ist nicht als feststehender Terminus definiert. Im Sinn des Streitpatents ist unter Mikroschaum ein Schaum zu verstehen , der mit einem Sklerosierungsmittel insbesondere nach den Beispielen 1 und 2 des Streitpatents erzeugt wird, wobei das Beispiel 2 das Herstellungsverfahren schon deshalb nicht abschließend beschreibt, weil durch bloßes Rühren nicht ohne Weiteres Schaum entsteht. Unter injizierbarem Mikroschaum ist aber ein Schaum zu verstehen, dessen Bläschen klein sind und dessen Oberfläche im Verhältnis zur Menge des sklerosierenden Mittels deshalb groß ist und der von einer Konsistenz ist, die dazu führt, dass sich aus dem Blut und dem Schaum nicht eine Emulsion oder Suspension bildet, sondern dass das in der Vene enthaltene Blut durch den Schaum verdrängt wird.
20
bb) Die Atmosphäre aus Sauerstoff oder aus einem Gemisch aus Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid (Kohlendioxid), in der das Aufschlagen erfolgen soll, bleibt hinter der Offenbarung in der Beschreibung des Streitpatents zurück.
Erfasst ist jedenfalls nicht eine Atmosphäre aus reinem Kohlenstoffdioxid (Kohlendioxid ); erfasst sind weiter nicht Atmosphären, die nur aus (Umgebungs)luft oder etwa aus reinem Stickstoff bestehen. Die Erörterung in der mündlichen Verhandlung, insbesondere die Befragung des gerichtlichen Sachverständigen, hat jedoch zur Überzeugung des Senats ergeben, dass auch Atmosphären erfasst sind, die Luft oder auch Stickstoff als Bestandteile aufweisen können. Dies ergibt sich zum einen schon daraus, dass der Sauerstoff, das Kohlendioxid oder andere physiologische Gase in ein Behältnis eingeführt werden sollen , das im Regelfall zuvor Luft (mit einem Anteil von rund 80% molekularen Stickstoffs (N2)) enthalten wird, über deren (völlige) Verdrängung keine Aussage gemacht wird und die somit auch nicht notwendig zum beschriebenen Herstellungsverfahren gehört. Zum anderen hat die fakultative Zuführung anderer physiologischer Gase auch die Möglichkeit zum Inhalt, dass diese physiologischen Gase Luft- oder Stickstoffanteile aufweisen, wie dies auch der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, ohne dass eine der Parteien dem widersprochen hätte.
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4. Der nebengeordnete verteidigte Patentanspruch 14 soll die Verwendung eines injizierbaren Mikroschaums schützen, der 1. eine sklerosierende Substanz und Gas umfasst 2. zur Behandlung von Krampfadern mit einem Durchmesser von gleich oder größer 7 mm 3. durch Injektion ohne Operation, 4. wobei das in der Vene enthaltene Blut verdrängt und 5. der ganze vom Mikroschaum eingenommene Venenabschnitt sklerosiert wird.
22
III. Die Lehre des verteidigten Patentanspruchs 1 ergab sich für den Fachmann, einen Pharmakologen oder Pharmazeuten, der sich die erforderlichen Kenntnisse auf den Gebieten der Phlebologie und der Angiologie in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Fachmedizinern erschließt, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (Art. 56 EPÜ).
23
1. Die Verödung von Varizen war an sich seit den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts bekannt. Davon geht auch das Streitpatent aus (Beschr. Abs. 0006 - Orbach). Seinerzeit erfolgte allerdings keine Injektion von Mikroschaum , sondern zunächst von Luft und dann einer sklerosierenden Lösung. Die Verwendung eines kleinblasigen Schaums ist jedoch bereits in den Aufsätzen von Flückiger, Nicht-operative retrograde Varicenverödung mit Varsylschaum , Schweizerische Medizinische Wochenschrift 1956, S. 1368 - 1370 (Anl. K1), und Beitrag zur Technik der ambulanten Varizenbehandlung, Med. Welt 1963, S. 617 - 621 (Anl. K4) beschrieben. Während das von Flückiger (K1) verwendete und beschriebene Varsyl nicht sicher identifiziert werden konnte, hat Flückiger (K4) später 5%iges Sotradecol (Natriumtetradecylsulfat entsprechend Patentanspruch 3 des Streitpatents) verwendet. Auch die 1988 veröffentlichte deutsche Patentschrift 34 17 182 (Anl. K 11 - Hess) verwendet einen homogenen und dichten Schaum, der einem Mikroschaum im Sinn des Streitpatents zumindest nahe kommt. Somit waren die Merkmalsgruppen 1 und 2 des verteidigten Patentanspruchs vorbeschrieben. Dass der Schaum als Fertigschaum vorliegen wie für die einzelne Anwendung hergestellt werden kann, ist dabei eine Selbstverständlichkeit, auch wenn das Fertigpräparat möglicherweise nur über eine begrenzte Standzeit verfügt. Fertigpräparate oder die Herstellung nach Bedarf sind die nächstliegenden Möglichkeiten in der pharmazeutischen Technologie. All dies zieht auch die beklagte Patentinhaberin nicht mehr ernsthaft in Zweifel.
24
2. Dass das Aufschäumen in einer (oben unter III. 3. a näher bestimmten ) Atmosphäre aus Sauerstoff oder aus Sauerstoff und Kohlendioxid erfolgen soll (Merkmalsgruppe 2.3), war ebenfalls naheliegend.
25
Dem Fachmann standen verschiedene Atmosphären zur Verfügung, in denen er das Aufschäumen vornehmen konnte. Zunächst bot sich dafür die atmosphärische Luft an, die etwa von Flückiger (K1 und K4) verwendet worden ist und, wie der gerichtliche Sachverständige zur Überzeugung des Senats ausgeführt hat, trotz des an sich nicht ganz unproblematischen Stickstoffanteils bei den den Schaum bildenden Luftmengen unkritisch war; dies entspricht auch den Ausführungen von Flückiger (K1) sowie von Sigg, der allerdings die AirBlock -Technik angewandt und nicht mit Mikroschaum verödet hat (Therapeutische Umschau 1949, 127, 130 - Anl. K12). Daneben kamen andere Gase für die Atmosphäre in Betracht, vor allem das bekannte, gut verfügbare und auf Grund seiner Eigenschaften völlig unproblematische Kohlenstoffdioxid (Kohlendioxid ). Aber auch eine Sauerstoffatmosphäre musste dem Fachmann auf Grund der Eigenschaften des Sauerstoffs als geeignet erscheinen, wenngleich sich nicht ohne weiteres aufdrängen. Gleiches galt für Atmosphären aus Gasgemischen , z. B. aus Sauerstoff und Kohlendioxid, aber auch aus Sauerstoff und anderen physiologischen Gasen. Wie sich aus den Bekundungen des gerichtlichen Sachverständigen ergibt, ist die Auswahl der Gasatmosphäre nach dem Beispiel 1 des Streitpatents, aus dem der verteidigte Patentanspruch 1 für einen Ausschnitt Schutz beansprucht, damit letztlich nahezu völlig willkürlich und beliebig möglich. Wie der Senat bereits für die Bereichsauswahl entschieden hat, kann die willkürliche Auswahl aus einem größeren Bereich - anders als die gezielte Auswahl zum Erreichen eines bestimmten Ergebnisses - das Kriterium des Naheliegens erfüllen (BGHZ 156, 179 - blasenfreie Gummibahn I; Sen.Urt. v. 30.3.2004 - X ZR 199/00, im Druck nicht veröffentlicht), denn einen Rechtssatz, dass nur die Lösungsalternative, die der Fachmann voraussichtlich zunächst ausprobieren würde, naheliegend ist, gibt es nicht (s. nur Sen. BGHZ 133, 57, 65 - Rauchgasklappe; Sen.Urt. v. 18.2.1997 - X ZR 25/95, bei Bausch, Nichtigkeitsrechtsprechung in Patentsachen, Bd. 1, S. 445, 452 f. - Zerstäubervorrichtung m.w.N.; v. 26.7.2001 - X ZR 93/95, bei Bausch, Nichtigkeitsrechtsprechung in Patentsachen, Bd. 3, S. 119, 127, insoweit in Mitt. 2002, 16 - Filtereinheit nicht abgedruckt). Kommen für den Fachmann Alternativen in Betracht , können daher mehrere von ihnen nahliegend sein (vgl. Sen.Urt. v. 6.5.2003 - X ZR 113/00, im Druck nicht veröffentlicht). So verhält es sich auch hier. In welcher Atmosphäre das Aufschäumen vorgenommen wird, ist, solange ein physiologisch ausreichend verträgliches Gas zum Einsatz kommt, völlig gleichgültig. Die Auswahl des Gases ist in diesem Rahmen beliebig. Dass gegen eines der von Patentanspruch 1 in seiner verteidigten Fassung erfassten Atmosphären von der Anwendbarkeit her Bedenken bestehen konnten, erscheint ausgeschlossen und trifft nicht einmal für Luft zu, wie der gerichtliche Sachverständige zur Überzeugung des Senats bekundet hat. Auf dieser Grundlage begründet die Vorgabe der Atmosphäre im verteidigten Patentanspruch 1 eine erfinderische Leistung nicht.
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Den übrigen hierzu ins Spiel gebrachten Argumenten kommt demgegenüber allenfalls bestätigender Charakter zu. So könnte verschiedenen Entgegenhaltungen , die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken (insbesondere den Aufsätzen von Steffey et al., Nitrous Oxide Intensifies the Pulmonary Arterial Pressure Response to Venous Injection of Carbon Dioxide in the Dog, Anesthesiology 1980, 52 - 55 [Anl. E 17], Moore/Braselton, Injections of Air and of Carbon Dioxide into a Pulmonary Vein, Ann. Surg. 1940, 212 [Anl. E18] und Graff et al., Gas Embolism: A Comparative Study of Air and Carbon Dioxide as Embolic Agents in the Systemic Venous System, An. J. Obst. & Gynec. 1959, 259 [Anl. E 19] sowie dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Aufsatz von Hess, Digitale Subtraktionsarteriographie mit Kohlen- dioxid …, in Fortschr. Röntgenstr. 1990, 233 [Anl. D 4]) allenfalls - wenn man dem gerichtlichen Sachverständigen nicht folgen wollte - entnommen werden, dass gegen stickstoffhaltige Atmosphären wegen deren geringerer Bioverträglichkeit (die etwa auch aus Phänomenen wie der "Taucherkrankheit" bekannt ist), in Fachkreisen Bedenken bestehen konnten. Die Beklagte hat zudem selbst darauf hingewiesen, dass der Einsatz einer stickstoffhaltigen Atmosphäre in Patientenkreisen wegen möglicher Assoziationen etwa mit Erscheinungen nach Art einer Luftembolie auf Vorbehalte stoßen konnte. Unterstellt man das eine oder das andere hiervon als zutreffend, musste dies für den Fachmann ein Anlass dafür sein, die Verwendung von Stickstoff einzuschränken, wenn nicht zu vermeiden, und böte damit einen zusätzlichen Anreiz dahin, mit Gasen zu arbeiten, die keinen Stickstoff enthalten.
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3. Bei der Herstellung des Schaums in einem Behälter, der steril und luftdicht ist, handelt es sich um eine geläufige Anordnung zur Herstellung pharmazeutischer Produkte, für die Sterilität und Luftabschluss immer wünschenswert sind und etwa nach der deutschen Patentschrift 34 17 182 (Anl. K11) schon praktiziert wurde; bei der dort beschriebenen Zwillingsspritze zur Schaumbereitung handelt es sich ersichtlich um einen sterilen und luftdichten Behälter, wie dies auch der gerichtliche Sachverständige - von den Parteien nicht angegriffen - bestätigt hat.
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4. Auch eine Zusammenschau der verschiedenen Merkmale zeigt nichts, was eine erfinderische Tätigkeit zu stützen geeignet wäre.
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IV. 1. Der verteidigte Patentanspruch 4 enthält nicht mehr als einen - noch dazu relativ weiten - Wertebereich, in dem ein Mikroschaum der gewünschten Konsistenz erhalten werden kann. Diese Werte zu bestimmen, be- durfte es, wie auch der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, nur weniger und einfacher Versuche.
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2. Ein eigenständiger erfinderischer Gehalt der verteidigten Unteransprüche ist weder geltend gemacht noch sonst für den Senat ersichtlich.
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V. 1. Die Lehre des verteidigten Patentanspruchs 14 unterscheidet sich grundsätzlich nicht von dem von Flückiger (Anl. K1) beschriebenen Verfahren. Flückiger diskutiert auch schon seine Anwendung bei sehr großen Venen, sagt dazu allerdings aus, dass er dem Patienten eine kombinierte Behandlung vorschlage. Schon daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass die Verwendung des Mikroschaums ohne Operation bereits angedacht und damit naheliegend war. Auch Sigg (Neue Gesichtspunkte zur Technik der Varizenbehandlung, Therapeutische Umschau 1949, 127 ff., Anl. K12) hat bereits großkalibrige Varizen nur mit Flüssigkeitsverödung behandelt (so Parteigutachten Prof. M. , S. 19). Dies bei der Schaumverödung ebenso zu machen, bedurfte keiner erfinderischen Tätigkeit. Auch wenn die therapeutischen Anweisungen, die Patentanspruch 14 enthält, als Eigenschaften des Schaums bei der Prüfung der Schutzfähigkeit mit herangezogen werden, wie dies die Beklagte in Anspruch nimmt, enthalten sie doch nichts, was gegenüber den Entgegenhaltungen eine erfinderische Tätigkeit zu begründen geeignet wäre.
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2. Der verteidigte Patentanspruch 15 reichert Patentanspruch 14 lediglich mit bekannten Verödungsmitteln an.
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3. Der verteidigte Patentanspruch 16 ergänzt den verteidigten Patentanspruch 14 dadurch, dass er das von dem injizierbaren Mikroschaum umfasste Gas näher als Sauerstoff oder ein Sauerstoff-Kohlendioxid-Gemisch definiert.
Hierzu gelten die zum verteidigten Patentanspruch 1 genannten Gesichtspunkte gleichermaßen.
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VI. Die hilfsweise verteidigten Patentansprüche des Patents in seiner erteilten Fassung enthalten nichts über die verteidigten Patentansprüche Hinausgehendes ; sie können daher nicht zu einer für die Patentinhaberin günstigeren, abweichenden Beurteilung der Patentfähigkeit führen.
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VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 97 ZPO.
Scharen Keukenschrijver Ambrosius
Asendorf Mühlens
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 04.02.2003 - 3 Ni 35/01 (EU) -

Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.