Bundesgerichtshof Urteil, 08. Nov. 2018 - VII ZR 100/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
c) Hat der durch die mangelhafte Architektenleistung verursachte Mangel des Bauwerks zur Folge, dass eine Störung des Äquivalenzverhältnisses des Bauvertrags vorliegt, kann der Besteller stattdessen seinen Schaden auch in der Weise bemessen , dass er ausgehend von der mit dem Bauunternehmer vereinbarten Vergütung den mangelbedingten Minderwert des Werks des Bauunternehmers ermittelt.
d) Darüber hinaus hat der Besteller wegen Planungs- oder Überwachungsfehlern, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, einen Schadenersatzanspruch gemäß § 634 Nr. 4, § 280 BGB auf Vorfinanzierung in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags gegen den Architekten, wenn er den Mangel des Bauwerks beseitigen lassen will. (Im Anschluss an BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, BauR 2018, 815 = NZBau 2018, 201, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen)
BGH, Urteil vom 8. November 2018 - VII ZR 100/16 - OLG Köln LG Köln
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2018 durch die Richter Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit, die Richterinnen Graßnack und Borris und den Richter Röhl
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger begehrt von dem beklagten Architekten Schadensersatz wegen mangelhafter Bauüberwachung.
- 2
- Der Kläger ließ auf einem ihm gehörenden Grundstück in K. ein Mehrfamilienhaus errichten. Im Juli 2007 beauftragte er den Beklagten mit der Erbringung von Architektenleistungen hierfür, unter anderem mit der Bauüberwachung. Die Streithelferin des Beklagten beauftragte er entsprechend der Pla- nung und Ausschreibung des Beklagten mit der Aufbringung eines Wärmedämmverbundsystems auf den Fassaden. Diese Arbeiten nahm der Kläger ab.
- 3
- Im Jahr 2011 leitete der Kläger ein selbständiges Beweisverfahren gegen die Streithelferin ein. Der Sachverständige gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass das Wärmedämmverbundsystem nicht fachgerecht angebracht worden sei. Es müsse komplett entfernt und eine neue Dämmung angebracht werden. Die hierfür erforderlichen Kosten schätzte der Sachverständige auf 131.300 € bis 178.342 € netto.
- 4
- Der Kläger hat Bauüberwachungsfehler des Beklagten in Bezug auf die Erstellung des Wärmedämmverbundsystems behauptet. Hierdurch sei ihm ein Schaden von 150.000 € (Mittelbetrag aus der vom Sachverständigen ermittelten Spanne) entstanden. Unter Abzug von 26.199,08 € wegen einer von ihm gegenüber dem Restwerklohnanspruch der Streithelferin in einem Vorprozess erfolgreich erklärten Aufrechnung nimmt der Kläger den Beklagten in Höhe von 123.800,92 € auf Zahlung in Anspruch. Darüber hinaus begehrt der Kläger, der eine Sanierung der Fassade bislang nicht vorgenommen hat, die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten, ihm jeden weiteren, über den Betrag von 150.000 € hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der ihm durch die näher bezeichneten Mängel des Wärmedämmverbundsystems entstanden sei und/oder entstehe.
- 5
- Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten und seiner Streithelferin hat das Berufungsgericht durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Beklagten und seiner Streithelferin hat der Senat unter Zurückweisung der weiteren Beschwerde die Revision zugelassen, soweit die Berufung des Beklagten gegen die Verurteilung zur Zahlung von 123.800,92 € nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist, wobei die Zulassung auf die Anspruchshöhe beschränkt worden ist. Mit ihrer im Umfang der Zulassung eingelegten Revision beantragen der Beklagte und seine Streithelferin , den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit die Berufung des Beklagten gegen die Verurteilung zur Zahlung von 123.800,92 € nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist, und insoweit unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe:
- 6
- Die Revision des Beklagten und seiner Streithelferin führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Beschlusses des Berufungsgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 7
- Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für ab dem 1. Januar 2002 und bis zum 31. Dezember 2017 geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1, § 39 EGBGB.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - ausgeführt:
- 9
- Der Kläger habe gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1, §§ 633, 634 Nr. 4 BGB. Der Beklagte habe einen Bauüberwachungsfehler begangen, der zu einem Mangel des Bauwerks, nämlich einer mangelhaften Erstellung des Wärmedämmverbundsystems geführt habe. Das von der Streithelferin verwandte Wärmedämmverbundsystem sei von dieser nicht nach den Vorgaben der Verarbeitungsrichtlinien des Herstellers angebracht worden. Im Wesentlichen lägen die Mängel darin, dass bei den Dämm- platten nicht der mindestens erforderliche Klebeflächenanteil von 40 % erreicht worden sei. Das Dämmsystem entspreche so nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik, auch wenn aktuell keine Risse an der Gebäudefassade festzustellen seien.
- 10
- Es liege ein Bauüberwachungsfehler des Beklagten vor. Er habe sich nicht auf bloße Stichproben verlassen dürfen, sondern habe konkret die Anwendung der zu den Herstellervorgaben gehörenden Klebemethode überprüfen müssen.
- 11
- Dem Kläger sei ein Schaden in eingeklagter Höhe entstanden. Dieser bestehe in Höhe der erforderlichen Mangelbeseitigungskosten, obwohl der Kläger die Mängel (bisher) tatsächlich nicht beseitigt habe. Es komme nicht darauf an, ob und in welchem Umfang der Besteller einen Mangel tatsächlich habe beseitigen lassen.
II.
- 12
- Das hält der rechtlichen Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
- 13
- 1. Aufgrund der beschränkten Zulassung der Revision und der Zurückweisung der weitergehenden Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten und seiner Streithelferin durch den Senat steht rechtskräftig fest, dass dem Kläger gegen den Beklagten dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch wegen mangelhafter Bauüberwachung zusteht, weil diese dazu geführt hat, dass das gesamte Wärmedämmverbundsystem nicht nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik durch die Streithelferin angebracht worden ist. Es steht weiter fest, dass der Kläger seinen Schaden in voller Höhe ersetzt verlangen kann und der Anspruch nicht wegen eines Mitverschuldens des Klägers gekürzt ist.
- 14
- 2. Keinen Bestand hat die Feststellung der Höhe dieses Anspruchs.
- 15
- Die Ermittlung der Höhe des Vermögensschadens des Klägers durch das Berufungsgericht beruht auf der Annahme, er lasse sich nach den erforderlichen , tatsächlich jedoch nicht angefallenen (Netto-)Mängelbeseitigungskosten betreffend das Bauwerk - hier das unzulängliche Wärmedämmverbundsystem - bemessen. Diese im Einklang mit der früheren Rechtsprechung des Senats stehende Auffassung trifft nicht zu. Der Senat hat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden , dass im Verhältnis zum Architekten hinsichtlich der von ihm zu vertretenden Planungs- oder Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, ein Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten betreffend das Bauwerk ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17 Rn. 60-67, BauR 2018, 815 = NZBau 2018, 201, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann deshalb ein Schaden des Klägers in der vom Berufungsgericht angenommenen Höhe nicht festgestellt werden.
- 16
- 3. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um die Höhe des vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruchs wegen der Mängel des gesamten Wärmedämmverbundsystems neu festzustellen und zu berechnen. Hierzu muss der Kläger zunächst auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung Gelegenheit bekommen , seinen Schaden anderweitig darzulegen und zu beziffern (vgl.BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17 Rn. 62-67, BauR 2018, 815 = NZBau 2018, 201). Sodann wird das Berufungsgericht nach Anhörung der Parteien Feststellungen zur Schadenshöhe neu zu treffen haben.
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 03.07.2014 - 8 O 163/12 -
OLG Köln, Entscheidung vom 11.04.2016 - 11 U 26/15 -
moreResultsText
Annotations
Ist das Werk mangelhaft, kann der Besteller, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
- 1.
nach § 635 Nacherfüllung verlangen, - 2.
nach § 637 den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, - 3.
nach den §§ 636, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 638 die Vergütung mindern und - 4.
nach den §§ 636, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
Ist das Werk mangelhaft, kann der Besteller, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
- 1.
nach § 635 Nacherfüllung verlangen, - 2.
nach § 637 den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, - 3.
nach den §§ 636, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 638 die Vergütung mindern und - 4.
nach den §§ 636, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Der Unternehmer hat dem Besteller das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.
(2) Das Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln,
- 1.
wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst - 2.
für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann.
(3) Das Werk ist frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf das Werk keine oder nur die im Vertrag übernommenen Rechte gegen den Besteller geltend machen können.
Ist das Werk mangelhaft, kann der Besteller, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
- 1.
nach § 635 Nacherfüllung verlangen, - 2.
nach § 637 den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, - 3.
nach den §§ 636, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 638 die Vergütung mindern und - 4.
nach den §§ 636, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.