Bundesgerichtshof Urteil, 17. Feb. 2004 - VI ZR 39/03

bei uns veröffentlicht am17.02.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 39/03 Verkündet am:
17. Februar 2004
Blum,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird eine Amtshaftungsklage (hier gegen einen beamteten Chefarzt einer Universitätsklinik
) wegen desselben Schadens mit der Klage gegen einen Dritten (hier: die
Universitätsklinik) verbunden und ist die Frage, ob diesen eine Ersatzpflicht trifft,
noch nicht entscheidungsreif, dann darf die Amtshaftungsklage nicht mit dem Hinweis
auf die noch nicht geklärte Ersatzpflicht des (einfachen) Streitgenossen durch
Teilurteil abgewiesen werden, weil die Entscheidung hierüber für den durch Teilurteil
entschiedenen Amtshaftungsanspruch präjudiziell ist (Bestätigung des Senatsurteils
BGHZ 120, 376, 380).
BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 - VI ZR 39/03 - OLG Braunschweig
LG Göttingen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Februar 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Teilurteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 30. Dezember 2002 aufgehoben, soweit die Klage gegen den Beklagten zu 2 mit dem diesen betreffenden Kostenausspruch abgewiesen worden ist. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte zu 1, eine Universitätsklinik, den Beklagten zu 2, einen beamteten Chefarzt, und den Beklagten zu 3, einen hinzugezogenen Konsiliararzt, auf Schadensersatz in Anspruch, weil bei einem bestehenden Sturge-Weber-Syndrom mit epileptischen Anfällen eine funktionelle Hemisphärektomie (Entfernung der linken Großhirnhälfte) wegen eines fehlerhaften EEG-Langzeit-Monitorings nicht bereits im Jahre 1995, sondern erst im Jah-
re 1998 vorgenommen worden sei. Das Landgericht hat die Beklagten zu 1 und 3 zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 150.000 DM, der Hälfte des vom Kläger genannten Mindestbetrages, verurteilt und die Klage im übrigen , auch soweit sie gegen den Beklagten zu 2 gerichtet war, abgewiesen. Hiergegen haben sowohl der Kläger als auch die Beklagten zu 1 und 3 Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat mit Teilurteil die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende landgerichtliche Urteil betreffend den Beklagten zu 2 zurückgewiesen und hat auf die Berufung des Beklagten zu 3 das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und auch die gegen diesen gerichtete Klage (in vollem Umfang) abgewiesen. Der erkennende Senat hat die Revision des Klägers gegen das Teilurteil, mit der er sein Klagebegehren gegen die Beklagten zu 2 und 3 weiterverfolgt, lediglich bezüglich des Beklagten zu 2 zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seines Teilurteils betreffend den Beklagten zu 2 ausgeführt, dessen deliktische Haftung richte sich, da er beamteter Chefarzt bei der Beklagten zu 1 gewesen sei, allein nach § 839 BGB. Nach Art. 34 GG treffe die Verantwortlichkeit jedoch zunächst die Körperschaft, in deren Dienst der Beklagte zu 2 stehe, hier also die Universität als Beklagte zu 1. Der Beamte selbst könne hingegen nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB im Falle fahrlässiger Amtspflichtverletzung den Geschädigten auf die Staatshaftung verweisen und sei selbst von der Haftung frei. Für eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung durch den Beklagten zu 2, die allein seine persönliche Haftung auslösen könne, bestünden keinerlei Anhaltspunkte.

II.

Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Das angefochtene Urteil ist auf die Rüge der Revision bereits deshalb aufzuheben, weil die Zurückweisung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts betreffend den Beklagten zu 2 im Wege eines Teilurteils unzulässig ist. 1. Ein Teilurteil darf nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 25. November 2003 - VI ZR 8/03 - zur Veröffentlichung bestimmt) nur dann ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig ist, so daß die Gefahr einander widerstreitender Erkenntnisse, auch durch das Rechtsmittelgericht, nicht besteht (vgl. Senatsurteile BGHZ 120, 376, 380; vom 23. Januar 1996 - VI ZR 387/94 - VersR 1996, 779, 780 und vom 12. Januar 1999 - VI ZR 77/98 - VersR 1999, 734, jeweils m.w.N.; BGHZ 107, 236, 242; BGH, Urteil vom 5. Juni 2002 - XII ZR 194/00 - FamRZ 2002, 1097). Dies gilt auch bei Klagen gegen mehrere einfache Streitgenossen (vgl. Senatsurteile vom 25. November 2003 - VI ZR 8/03 - und vom 12. Januar 1999 - VI ZR 77/98 - aaO; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 176/02 - ZIP 2003, 594; vgl. auch OLG München, NJW-RR 1994, 1278 f.; LG Köln, MDR 2001, 232 mit Anmerkung von E. Schneider; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 301 Rdn. 4, 7). 2. Im vorliegenden Fall ist die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen nicht auszuschließen.
a) Verfehlt ist bereits der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts , indem es einerseits eine Verantwortlichkeit der beklagten Universitätsklinik für das Verschulden ihres beamteten Chefarztes nach Art. 34 GG ange-
nommen hat, andererseits aber im Folgesatz von einem Verweisungsprivileg des Beklagten zu 2 nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB spricht, was bei einer Haf- tungsüberleitung im Sinne des Art. 34 GG gerade nicht erforderlich wäre (vgl. Senatsurteile BGHZ 85, 393, 395 ff.; 89, 263, 273). Die Revision weist insoweit mit Recht darauf hin, daß Art. 34 GG nur eingreift, wenn jemand die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht "in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes" verletzt, mithin hoheitlich tätig wird. Demgegenüber kommt eine persönliche Haftung des Beklagten zu 2 nach § 839 BGB mit der Verweisungsmöglichkeit des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn es sich nicht um eine hoheitliche , sondern um eine Tätigkeit im privatrechtlichen Bereich handelt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2001 - III ZR 111/99 - NJW 2001, 2626, 2629). Da das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, daß das Behandlungsverhältnis mit dem Kläger (ausnahmsweise) öffentlich-rechtlich ausgestaltet war, ist revisionsrechtlich zu Gunsten des Klägers zu unterstellen, daß es - wie dies regelmäßig der Fall ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 85, 393, 395; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Aufl., A Rdn. 22) - dem privatrechtlichen Bereich zuzuordnen ist.
b) Greift unter diesen Umständen eine Haftungsüberleitung nach Art. 34 GG nicht ein, so durfte das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht geltend macht, die Berufung des Klägers gegen das seine Klage gegen den Beklagten zu 2 abweisende Urteil nicht durch Teilurteil zurückweisen, bevor die Haftung der Beklagten zu 1 als unter den Umständen des Streitfalls allein in Betracht kommende anderweitige Ersatzmöglichkeit endgültig geklärt ist. Das ist noch nicht der Fall, da das Berufungsgericht hierzu ein neues Gutachten einholen will. Sollte das Berufungsgericht nach weiterer Beweisaufnahme eine Haftung der Beklagten zu 1 verneinen, bestünde keine anderweitige Ersatzmöglichkeit , so daß eine persönliche Haftung des Beklagten zu 2 auch vom
Standpunkt des Berufungsgerichts aus, daß ihm kein Vorsatz angelastet werden könne, nicht auszuschließen ist. Das reicht aus, um ein Teilurteil unzulässig zu machen. Ist ein Beamter wegen einer Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB auf Leistung von Schadensersatz allein verklagt, so kann zwar, wenn eine anderweitige Ersatzmöglichkeit nicht auszuschließen ist, die Klage als (derzeit) unbegründet abgewiesen werden. Wird aber die Amtshaftungsklage wegen desselben Schadens mit der Klage gegen einen Dritten verbunden, und ist die Frage, ob diesen eine Ersatzpflicht trifft, noch nicht entscheidungsreif, dann darf die Amtshaftungsklage nicht mit dem Hinweis auf die noch nicht geklärte Ersatzpflicht des (einfachen) Streitgenossen durch Teilurteil abgewiesen werden, weil die Entscheidung hierüber für den durch Teilurteil entschiedenen Amtshaftungsanspruch präjudiziell ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 120, 376, 380 m.w.N.). Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

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Bundesgerichtshof Urteil, 17. Feb. 2004 - VI ZR 39/03 zitiert 4 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 839 Haftung bei Amtspflichtverletzung


(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Ansp

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 34


Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder g

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 194/00 Verkündet am: 5. Juni 2002 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein FGB

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bei uns veröffentlicht am 19.12.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VII ZR 176/02 Verkündet am: 19. Dezember 2002 Heinzelmann, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

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bei uns veröffentlicht am 10.05.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 111/99 Verkündet am: 10. Mai 2001 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja --------------
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 17. Feb. 2004 - VI ZR 39/03.

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Nov. 2018 - III ZR 69/17

bei uns veröffentlicht am 15.11.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 69/17 Verkündet am: 15. November 2018 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 839 A Fc

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(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 194/00 Verkündet am:
5. Juni 2002
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
FGB-DDR § 40; BGB § 1378; ZPO § 301

a) Zur Verjährung des Ausgleichsanspruchs nach § 40 FGB-DDR bei Scheidung der
Ehe nach dem Beitritt (im Anschluß an die Senatsurteile vom 5. Mai 1993 - XII ZR
38/92 - FamRZ 1993, 1048 ff. und vom 5. Mai 1999 - XII ZR 184/97 - FamRZ
1999, 1197 ff.).

b) Zur Unzulässigkeit eines Teilurteils, wenn neben dem Zugewinnausgleich auch ein
Ausgleichsanspruch nach § 40 FGB-DDR geltend gemacht wird.
BGH, Urteil vom 5. Juni 2002 - XII ZR 194/00 - OLG Dresden
AG Leipzig
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Juni 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Sprick, Prof. Dr. Wagenitz, Dr. Ahlt und Dr. Vézina

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Parteien werden das Urteil des 10. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden vom 28. April 2000 und das Teilurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Leipzig vom 19. August 1999 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Amtsgericht - Familiengericht - Leipzig zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die seit dem 9. Mai 1984 miteinander verheirateten Parteien lebten bis zum Beitritt im gesetzlichen Güterstand der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft der DDR. Eine Erklärung zur Fortgeltung dieses Güterstandes nach dem Beitritt gemäß Art. 234 § 4 Abs. 2 EGBGB hat keine der Parteien abgegeben. Ihre Ehe wurde durch seit dem 11. Februar 1997 rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Leipzig geschieden; das Verfahren über den Zugewinnausgleich wurde abgetrennt. In diesem Verfahren forderte der Antragsteller zuletzt mit Schriftsatz vom 9. August 1999 einen Zugewinnausgleich in Höhe von 115.528 DM. Zugleich machte er erstmals mit diesem Schriftsatz einen in das Ermessen des Gerichts
gestellten Ausgleichsanspruch nach § 40 FGB hinsichtlich eines Gebäudes geltend, das die Antragsgegnerin am 1. Juli 1980 gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann Dr. P. erworben hatte und das im November 1981 im Wege der Vermögensteilung nebst dem darauf lastenden Kredit von 11.900 Mark/DDR in ihr Alleineigentum überging. In der Folgezeit wurde der Kredit in monatlichen Raten zurückgeführt und im Februar 1990 durch eine Restzahlung, die der Antragsteller aus eigenen Mitteln erbracht haben will, vollständig getilgt. Mit notariellem Kaufvertrag vom 10. Juni 1990 erwarb die Antragsgegnerin auch das zugehörige Grundstück, wurde am 22. August 1991 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen und veräußerte das Hausgrundstück mit notariellem Kaufvertrag vom 22. Juni 1993 an einen Dritten. Durch Teilurteil verurteilte das Amtsgericht die Antragsgegnerin, an den Antragsteller einen Ausgleichsbetrag nach § 40 FGB in Höhe von 63.000 DM zu zahlen. Auf die Berufung der Antragsgegnerin änderte das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2001, 761 ff. veröffentlicht ist, das Teilurteil des Amtsgerichts ab, verurteilte die Antragsgegnerin zur Zahlung eines Ausgleichsbetrages in Höhe von 15.872,75 DM und wies die Klage im übrigen, soweit ein Ausgleichsanspruch nach § 40 FGB geltend gemacht wird, ab. Dagegen richten sich die Revisionen der Parteien, mit denen der Antragsteller Wiederherstellung des erstinstanzlichen Teilurteils und die Antragsgegnerin Abweisung des Ausgleichsanspruchs insgesamt begehrt.

Entscheidungsgründe:

Die Rechtsmittel führen zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. 1. Die Revisionen beider Parteien sind zulässig. Das Berufungsgericht, das die Revision im Tenor der angefochtenen Entscheidung uneingeschränkt zugelassen hat, führt in den Gründen zwar aus, die Zulassung erfolge wegen der höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Fragen der für einen Ausgleichsanspruch nach § 40 FGB maßgeblichen Verjährungsfrist und der Zulässigkeit eines Teilurteils über diesen Anspruch bei gleichzeitiger Geltendmachung eines Anspruchs auf Ausgleich des Zugewinns. Eine zulässige und für das Revisionsgericht bindende Beschränkung der Zulassung liegt aber ungeachtet dieser Ausführungen schon deshalb nicht vor, weil eine Beschränkung auf einzelne Rechtsfragen grundsätzlich unwirksam ist (vgl. BGHZ 101, 276, 278) und jedenfalls die Frage der Verjährung keinen abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffes darstellt, über den durch Zwischen- oder Teilurteil entschieden werden könnte (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. § 303 Rdn. 6). 2. Wie die Revision der Antragsgegnerin zutreffend rügt, durfte das Amtsgericht nicht durch Teilurteil entscheiden und das Berufungsgericht deshalb das angefochtene Teilurteil auch nicht teilweise bestätigen.
a) Zutreffend ist zwar der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß mit der vorliegenden Klage auf Ausgleich nach § 40 FGB und auf Ausgleich des Zugewinns gemäß § 1378 BGB zwei selbständige Ansprüche geltend gemacht werden (§ 301 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative ZPO): Einem Ehegatten, der im gesetzlichen Güterstand der DDR gelebt und nach dem Beitritt keine Fortgeltungserklärung abgegeben hat, kann bei der
späteren Scheidung der Ehe wegen seines Beitrags zur Erhaltung oder Wertsteigerung des dem anderen Ehegatten allein gehörenden Vermögens ein - auch gesondert einklagbarer - Ausgleichsanspruch gemäû § 40 FGB zustehen. Dieser Anspruch folgt aus der Abwicklung des mit dem Beitritt beendeten Güterstandes der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft zum Stichtag 3. Oktober 1990 (vgl. Senatsurteil vom 5. Mai 1999 - XII ZR 184/97 - FamRZ 1999, 1197, 1198). Soweit der Antragsteller darüber hinaus Ausgleich des Zugewinns nach § 1378 BGB verlangt, richtet sich dieser Anspruch auf die Abwicklung des durch die Scheidung beendeten neuen gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft , der mangels Rückwirkung der Änderung des Güterstandes auf den Ehebeginn erst am 3. Oktober 1990 eintrat und allein den von diesem Stichtag an erzielten Zugewinn der Parteien betrifft; demgegenüber ist der Ausgleichsanspruch aus § 40 FGB wertmäûig auf diesen Stichtag zu begrenzen, um eine Überschneidung mit der Teilhabe an Wertsteigerungen des Vermögens des anderen Ehegatten im Zugewinnausgleich zu vermeiden (vgl. Senatsurteil vom 5. Mai 1999 aaO S. 1199).
b) Auch bei objektiver Klagehäufung oder grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstandes (vgl. dazu BGH, Urteil vom 27. Oktober 1999 - VIII ZR 184/98 - NJW 2000, 958, 960) darf ein Teilurteil jedoch nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist (vgl. Senat BGHZ 107, 236, 242; BGH, Urteil vom 13. Oktober 2000 - V ZR 356/99 - NJW 2001, 78, 79 m.w.N.). Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen zu Vorfragen besteht im Fall objektiver Klagehäufung (§ 260 ZPO) auch dann, wenn durch Teilurteil über eine Frage entschieden wird, die sich im weiteren Verfahren über die anderen Ansprüche noch einmal stellt (vgl. BGH, Urteile
vom 13. April 2000 - I ZR 220/97 - NJW 2000, 3716, 3717 und vom 27. Mai 1992 - IV ZR 42/91 - NJW-RR 1992, 1053). Das ist hier - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - der Fall. aa) Dies ergibt sich zum einen aus dem vom Berufungsgericht selbst angeführten Umstand, daû der Ausgleichsanspruch nach § 40 FGB auch die Entscheidung über den Zugewinnausgleich beeinfluût, weil er mit der Überleitung in den Güterstand des Bürgerlichen Gesetzbuches zum Anfangsvermögen des Antragstellers zählt und das Anfangsvermögen der Antragsgegnerin mindert (vgl. Senatsurteil vom 5. Mai 1999 aaO S. 1198). Als Trugschluû erweist sich jedenfalls die auf den ersten Blick naheliegende Überlegung, für die spätere Entscheidung über den Zugewinnausgleich sei die Höhe des Ausgleichsanspruchs nach § 40 FGB im Ergebnis ohne Bedeutung , weil dieser in Fällen der vorliegenden Art notwendigerweise auch (zum nach § 1384 BGB maûgeblichen Stichtag) dem Endvermögen des nach § 40 FGB Ausgleichsberechtigten zuzurechnen sei und das Endvermögen des Ausgleichspflichtigen mindere, so daû die jeweiligen Beträge sich letztlich kompensieren würden. Denn bei der Berechnung des Zugewinns ist dem jeweiligen Endvermögen das um die Steigerung des Lebenshaltungskostenindexes erhöhte jeweilige Anfangsvermögen gegenüberzustellen (vgl. Johannsen/Henrich/ Jaeger, Eherecht 3. Aufl. § 1376 BGB Rdn. 21 und 23a), so daû sich für den nach § 40 FGB Ausgleichsberechtigten ein von der Höhe dieses Anspruchs abhängiger scheinbarer Zugewinn ergeben kann. Zudem versagt die rechnerische Kompensation in Fällen, in denen der nach § 40 FGB Ausgleichsberechtigte ein im übrigen negatives Anfangsvermögen oder der Ausgleichspflichtige kein Endvermögen hatte.
Somit besteht die Gefahr, daû das erstinstanzliche Gericht im Anschluû an das Teilurteil ein Schluûurteil über den Zugewinnausgleich erläût, dem es bei der Berechnung des Anfangsvermögens den vorab durch Teilurteil zugesprochenen Betrag nach § 40 FGB zugrunde legt, während das Berufungsgericht - wie im vorliegenden Fall geschehen - die Höhe dieses Ausgleichsanspruchs auf Rechtsmittel gegen das Teilurteil anders bemiût. Dem steht die Erwägung , daû das erstinstanzliche Gericht in solchen Fällen regelmäûig erst den Ausgang des Rechtsmittelverfahrens abwarten wird, ehe es durch Schluûurteil entscheidet, nicht entgegen, weil es für die Frage der Zulässigkeit eines Teilurteils auf den Zeitpunkt seines Erlasses ankommt. bb) Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen zu Vorfragen ergibt sich hier - entsprechend den zutreffenden Ausführungen der Revision der Antragsgegnerin - auch daraus, daû der dem Teilurteil zugrunde gelegte Gebäudewert zum 3. Oktober 1990, der den Ausgangspunkt für die Bemessung des Ausgleichsanspruchs nach § 40 FGB bildet und zugleich nach § 40 Abs. 2 Satz 1 FGB dessen Höchstgrenze bestimmt, bei der Entscheidung über den Zugewinnausgleich erneut - nämlich beim Anfangsvermögen der Antragsgegnerin - zu berücksichtigen ist (vgl. Senatsurteil vom 5. Mai 1999 aaO S. 1198), ohne daû insoweit eine Bindung an die Feststellung dieses Wertes im Teilurteil gegeben wäre (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2000 aaO). 3. Da der Erlaû eines unzulässigen Teilurteils einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 539 ZPO a.F. darstellt und das Berufungsgericht die an sich gebotene Zurückverweisung an die erste Instanz unterlassen hat, ist diese Entscheidung in der Revisionsinstanz nachzuholen. Der Senat sieht davon ab, den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Zwar können Gründe der Prozeûwirtschaftlichkeit im Einzelfall dafür sprechen, daû der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen wird und dieses
ausnahmsweise den noch im ersten Rechtszug anhängigen Teil des Verfahrens an sich zieht; solche Gründe sind hier indes nicht gegeben. 4. Für die weitere Behandlung der Sache sieht der Senat sich zu folgenden Hinweisen veranlaût:
a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, der geltend gemachte Ausgleichsanspruch nach § 40 FGB sei nicht verjährt, begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken. Die Übergangsregelung des Art. 231 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, derzufolge die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Verjährung auf am Tag des Wirksamwerdens des Beitritts bestehende und noch nicht verjährte Ansprüche Anwendung finden, ist zumindest entsprechend auch auf solche nach dem Recht der DDR zu beurteilende Ansprüche anzuwenden, die erst nach dem Beitritt entstanden sind (vgl. BGHZ 129, 282, 287). Das ist hier der Fall, da der Anspruch aus § 40 FGB kraft Gesetzes erst mit der Scheidung der Ehe (hier: im Jahre 1997) entstanden ist (vgl. Senatsurteil vom 5. Mai 1993 - XII ZR 38/92 - FamRZ 1993, 1048, 1049 für den Fall einer Scheidung vor dem Beitritt). Insoweit kann dahinstehen, ob diese Übergangsvorschrift ausnahmsweise dann nicht eingreift, wenn der nach DDR-Recht zu beurteilende Anspruch dem bundesdeutschen Recht so wesensfremd ist, daû sich im Bürgerlichen Gesetzbuch keine Verjährungsregelung findet, deren Anwendungsbereich dem nach DDR-Recht zu beurteilenden Anspruch nahekommt. Ein solcher Fall ist nämlich - entgegen der Auffassung der Revision der Antragsgegnerin - nicht gegeben. Zwar folgen die Bestimmungen über die Abwicklung der ehelichen Eigentums- und Vermögensgemeinschaft der DDR anderen Regeln als der Zugewinnausgleich ; ihnen gemeinsam ist aber, daû es sich um einen güterrechtli-
chen Ausgleich nach Beendigung des Güterstandes handelt, der darauf gerichtet ist, einen Ehegatten an der ehezeitlichen Entwicklung des Vermögens des anderen teilhaben zu lassen. Dies rechtfertigt die Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1378 Abs. 4 BGB, die für Ansprüche aus §§ 39, 40 FGB am ehesten in Betracht kommt. Der mit Rechtskraft der Scheidung am 11. Februar 1997 entstandene Anspruch aus § 40 FGB war somit im Zeitpunkt seiner gerichtlichen Geltendmachung mit Schriftsatz vom 9. August 1999 noch nicht verjährt, ohne daû es darauf ankommt, ob der Auffassung des Berufungsgerichts zu folgen ist, daû sich der Beginn der Verjährung nach § 40 Abs. 2 FGB bestimmt. Denn auch nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches konnte die Verjährung nach dem allgemeinen Grundsatz des § 198 Satz 1 BGB a.F. nicht vor der Entstehung des Anspruchs am 11. Februar 1997 beginnen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daû § 1378 Abs. 4 BGB die Verjährung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich abweichend von § 198 Abs. 1 BGB a.F. (erst) mit Kenntnis des Berechtigten von der Beendigung des Güterstandes beginnen läût. Denn darin liegt keine Durchbrechung des Grundsatzes, daû die Verjährung eines Anspruchs nicht vor seiner Entstehung beginnen kann, weil der Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns mit Beendigung des Güterstandes entsteht. Bei entsprechender Anwendung des § 1378 Abs. 4 Satz 1 BGB auf einen Anspruch aus § 40 FGB ist daher ebenfalls auf die Kenntnis von den Voraussetzungen seiner Entstehung abzustellen, mithin nicht etwa auf die Kenntnis von der Beendigung des DDR-Güterstandes, sondern auf die Kenntnis von der Scheidung der Ehe. Aber selbst wenn man dem nicht folgen wollte, wäre die Verjährung des Anspruchs aus § 40 FGB jedenfalls nach § 204 Satz 1 BGB a.F. gehemmt gewesen, solange die Ehe der Parteien bestand.

b) Die Bemessung des Ausgleichsanspruchs nach § 40 FGB obliegt weitgehend (von der Höchstgrenze des § 40 Abs. 2 Satz 1 FGB abgesehen) tatrichterlichem Ermessen, das vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüft werden kann (vgl. Senatsurteil vom 5. Mai 1993 aaO). Die Revision des Antragstellers rügt indes zu Recht, das Berufungsgericht habe nicht alle in Betracht kommenden Umstände berücksichtigt. So stellt das Berufungsgericht allein darauf ab, die monatliche Tilgung des auf dem Gebäude lastenden Kredits von ursprünglich 11.900 Mark/DDR sei ausschlieûlich mit Mitteln der Antragsgegnerin bewirkt worden, ohne auf den unter Beweis gestellten Vortrag des Antragstellers einzugehen, den am 20. Februar 1990 noch offenstehenden Kreditrest von 9.025,04 Mark/DDR aus seinem persönlichen Sparguthaben beglichen zu haben. Soweit das Berufungsgericht davon ausgeht, daû das Gebäude ohne die seit 1984 maûgeblich vom Antragsteller vorgenommene Sanierung einen weit geringeren, gegen Null tendierenden Wert gehabt hätte, bezweifelt die Revision des Antragstellers zudem zu Recht, ob die Bemessung des Ausgleichsanspruchs mit einem Achtel des zugrunde gelegten Gebäudewerts auf der Grundlage dieser Erwägung noch im Rahmen tatrichterlichen Ermessens liegt. Auch dies wird bei der erneuten Entscheidung zu berücksichtigen sein.
c) In der erneuten Verhandlung wird der Antragsteller Gelegenheit haben , die Ausführungen in seiner Revisionsbegründung zu einem weiteren Anspruch aus § 39 FGB vorzutragen und seine Sachanträge gegebenenfalls klarzustellen; insoweit wird das Gericht voraussichtlich auch aufzuklären haben, ob
der Antragsgegnerin am Stichtag 3. Oktober 1990 bereits eine gesicherte Anwartschaft an dem später auf sie umgeschriebenen Grundstück zustand.
Hahne Sprick Wagenitz Ahlt Vézina

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 8/03 Verkündet am:
25. November 2003
Blum,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Besteht die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen, ist der Erlaß
eines Teilurteils gegen einen von mehreren einfachen Streitgenossen (hier:
Belegarzt und Träger des Belegkrankenhauses) unzulässig.

b) Kommt es im Arzthaftungsprozeß auf den Inhalt der Mutterschafts-Richtlinien
an, so hat das Gericht in geeigneter Weise zu klären, welche Fassung in
dem für die Haftungsfrage maßgeblichen Zeitraum gegolten hat.

c) Zu der Frage, ob im Jahr 1990 eine werdende Mutter bei einem möglicherweise
makrosomen Kind vom Arzt über die Möglichkeit einer Schnittentbindung
aufzuklären war.
BGH, Urteil vom 25. November 2003 - VI ZR 8/03 - OLG Frankfurt
LG Darmstadt
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. November 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten zu 2 wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. Dezember 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Mutter des Klägers begab sich am 21. Januar 1990 nach Mitternacht in der 41. Schwangerschaftswoche mit einem vorzeitigen Blasensprung in die Geburtshilfeabteilung des Belegkrankenhauses des Beklagten zu 2. Die Geburt des Klägers, die von dem Beklagten zu 1, einem Belegarzt, betreut wurde, erfolgte gegen 5 Uhr. Dabei erlitt der Kläger, der bei der Geburt 4.230 g wog, eine Schulterdystokie und nachfolgend eine Clavikulafraktur und eine Erb'sche Läh-
mung. Infolge der Armplexuslähmung ist der Kläger zu 80% behindert. Er wirft dem Erstbeklagten ärztliche Behandlungsfehler und dem Zweitbeklagten Organisationsmängel vor, die den Gesundheitsschaden verursacht hätten. Er nimmt deshalb beide Beklagte auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung ihrer Ersatzpflicht in Anspruch. Das Landgericht hat den Beklagten zu 2 durch Teilurteil verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 60.000,00 DM zu zahlen; ferner hat es die Ersatzpflicht des Zweitbeklagten für die materiellen und immateriellen Schäden festgestellt, die dem Kläger aufgrund der bei seiner Geburt eingetretenen Gesundheitsbeeinträchtigungen noch entstehen. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zu 2 zurückgewiesen und ihn auf die Berufung des Klägers zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von insgesamt ! #" %$& (')" $* + , , - /.- ,- 0 " 51.129,19 Revision verfolgt der Beklagte zu 2 das Ziel einer Abweisung der gegen ihn gerichteten Klage weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht führt in dem angefochtenen Urteil (veröffentlicht in OLG-Report Frankfurt 2003, 55) aus: Das Landgericht habe zulässigerweise durch Teilurteil entschieden, weil sich die Entscheidung abschließend gegen einen der verklagten Streitgenossen richte.
Es habe auch im Ergebnis zutreffend ein zum Schadensersatz verpflichtendes Organisationsverschulden bejaht. Es habe schon 1990 zum allgemeinen Krankenhausstandard gehört, daß eine vor der Entbindung stehende Patientin einer fachärztlichen Eingangsuntersuchung zu unterziehen sei. Dies hätte auch in dem Belegkrankenhaus des Beklagten zu 2 durch organisatorische Anweisungen sichergestellt werden müssen. Eine ärztliche Eingangsuntersuchung sei vorliegend um so mehr angezeigt gewesen, als die Mutter des Klägers einen vorzeitigen Blasensprung gehabt habe. Auch schon die 1990 geltenden Mutterschafts -Richtlinien hätten in einem vorzeitigen Blasensprung eine Indikation für eine Ultraschalluntersuchung gesehen. Dies habe der von dem Senat bestellte Sachverständige auf gerichtliches Befragen ausdrücklich erklärt. An der erforderlichen Organisationsanweisung habe es vorliegend gefehlt. Der Organisationsmangel sei schlechterdings nicht nachvollziehbar und deshalb als grob zu bewerten. Auch in einem Belegkrankenhaus habe der Träger dafür Sorge zu tragen, daß jederzeit ein ausreichend qualifizierter Arzt für die indizierte Behandlung zur Verfügung stehe. Wäre die gebotene (fach-)ärztliche Aufnahmeuntersuchung durchgeführt worden, so wäre die Patientin auch sonographiert worden. Aufgrund der bei vorzeitigem Blasensprung von den Mutterschafts-Richtlinien verlangten Ultraschalluntersuchung , die im übrigen auch wegen der seit der letzten derartigen Untersuchung verstrichenen Zeit und der verstärkten Gewichtszunahme der Kindesmutter erforderlich gewesen sei, hätte sich der Arzt einen Eindruck über Lage und Stellung des Fötus verschaffen können. Zwar seien 1990 die technischen und diagnostischen Möglichkeiten, ein makrosomes Kind eindeutig zu erkennen, gegenüber heute eingeschränkt gewesen. Deshalb wäre die Makrosomie des Klägers möglicherweise selbst bei der gebotenen Ultraschalluntersuchung nicht erkannt worden. Insoweit kämen
dem Kläger wegen des groben Organisationsverschuldens des Beklagten zu 2 aber Beweiserleichterungen zugute. Es müsse von einer Umkehr der Beweislast ausgegangen werden. Den Beweis, daß auch bei Durchführung aller gebotenen Untersuchungen das Übergewicht des Klägers nicht erkannt worden wäre, habe der Beklagte zu 2 nicht angetreten. Die Kausalität zwischen dem Unterlassen der Eingangsuntersuchung und dem geltend gemachten Schaden sei zu bejahen. Wären die gebotenen Untersuchungen ordnungsgemäß durchgeführt worden, so wäre die Mutter des Klägers über das Schulterdystokierisiko aufzuklären gewesen. Der Senat sei aufgrund ihrer Anhörung davon überzeugt, daß sie sich dann - auch entgegen möglicher ärztlicher Empfehlung - für einen Kaiserschnitt entschieden hätte. Insofern müsse deutlich unterschieden werden zwischen der Risikoaufklärung einerseits und der Schnittentbindungsindikation andererseits.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. 1. Das angefochtene Urteil ist auf die Rüge der Revision bereits deshalb aufzuheben, weil es unzutreffend annimmt, das Landgericht habe über den gegen den Beklagten zu 2 gerichteten Anspruch durch Teilurteil entscheiden dürfen. Die dafür gegebene Begründung, das Teilurteil sei zulässig, weil es nur einen der beiden verklagten Streitgenossen betreffe, entspricht nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
a) Danach darf ein Teilurteil nur dann ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig ist, so daß die Gefahr einander widerstreitender Erkenntnisse, auch
durch das Rechtsmittelgericht, nicht besteht (vgl. Senatsurteile BGHZ 120, 376, 380; vom 23. Januar 1996 - VI ZR 387/94 - VersR 1996, 779, 780 und vom 12. Januar 1999 - VI ZR 77/98 - VersR 1999, 734 f. jew. m.w.N.; BGHZ 107, 236, 242; BGH, Urteil vom 5. Juni 2002 - XII ZR 194/00 - FamRZ 2002, 1097). Das gilt auch bei Klagen gegen mehrere einfache Streitgenossen (Senatsurteil vom 12. Januar 1999 - VI ZR 77/98 - aaO; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 176/02 - ZIP 2003, 594; vgl. auch OLG München, NJW-RR 1994, 1278 f.; LG Köln, MDR 2001, 232 mit Anm. von E. Schneider; Stein/Jonas/Leipold, 21. Aufl., § 301 Rn. 8; Zöller/ Vollkommer, 24. Aufl., § 301 Rn. 4, 7). Ein Teilurteil ist schon dann unzulässig, wenn die bloße Möglichkeit besteht, daß es in demselben Rechtsstreit, auch im Instanzenzug, zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 1999 - VI ZR 77/98 - aaO, m.w.N.). Das vorliegende Verfahren gibt keinen Anlaß, diese Rechtsprechung in Frage zu stellen.
b) Dem vom Berufungsgericht für seine Entscheidung angeführten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Juli 1983 (III ZR 119/82, NJW 1984, 615, insoweit in BGHZ 88, 85 nicht abgedruckt) ist nichts Abweichendes zu entnehmen. Dort geht es nicht um die Zulässigkeit eines Teilurteils, sondern darum, unter welchen Umständen eine Beschränkung der Revisionszulassung möglich ist. Soweit den dortigen Ausführungen entnommen werden kann, daß bei einer Klage gegen einfache Streitgenossen der Erlaß eines Teilurteils grundsätzlich denkbar ist, ist dies zweifellos richtig. Dies besagt aber nichts darüber, ob ein Teilurteil bei subjektiver Klagehäufung erlassen werden darf, obwohl dem Gebot der Widerspruchsfreiheit nicht genügt ist.
c) Im vorliegenden Fall ist die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen nicht auszuschließen. Nach dem Vortrag des Klägers stehen die behauptete unzureichende Organisation des Krankenhauses der Zweitbeklagten und die
ebenfalls behauptete fehlerhafte Betreuung der Geburt durch den Erstbeklagten in einem unmittelbaren Zusammenhang. Es handelt sich um einen komplexen einheitlichen Lebenssachverhalt, der auch dadurch geprägt ist, daß die Tätigkeit der anwesenden Hebamme je nach Zeitabschnitt und rechtlicher Sicht dem Beklagten zu 1 oder dem Beklagten zu 2 zugeordnet werden kann. Da das Berufungsgericht ein - durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellendes - ärztliches Tätigwerden im Vorfeld des Geburtsvorgangs für erforderlich hält, kann es für die Haftung beider Beklagter darauf ankommen, welche ärztlichen Maßnahmen situationsbedingt erforderlich waren. Daß hier eine ausreichend deutliche zeitliche oder sachbedingte Zäsur vorliegt, die eine widerspruchsfreie, völlig getrennte Beurteilung beider Verantwortungsbereiche ermöglicht, läßt sich auf Grund der bisher getroffenen Feststellungen nicht ausreichend sicher sagen.
d) Das Berufungsgericht hätte die Unzulässigkeit des Teilurteils von Amts wegen (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 1999 - VI ZR 77/98 - aaO), aber auch deshalb berücksichtigen müssen, weil sie in der Berufungsbegründung des Beklagten zu 2 gerügt war. Schon dieser Fehler führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht (dazu unten

III).

2. Unabhängig davon sind wesentliche Feststellungen, die das Berufungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung zu Grunde legt, nicht in verfahrensrechtlich einwandfreier Weise getroffen worden. Der für die Entscheidung des Berufungsgerichts wesentlichen Annahme, bei der Aufnahme der Mutter des Klägers wäre eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie) durchzuführen gewesen , fehlt eine ausreichende tatsächliche Grundlage.

a) Das Berufungsgericht meint, daß im Rahmen der für erforderlich erachteten Eingangsuntersuchung eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt und dabei möglicherweise die Übergewichtigkeit (Makrosomie) des Klägers entdeckt worden wäre und daß sodann die Mutter des Klägers über die bestehenden Risiken, insbesondere einer Schulterdystokie, und die Möglichkeit einer Schnittentbindung hätte aufgeklärt werden müssen, für die sie sich nach der Überzeugung des Berufungsgerichts entschieden hätte.
b) Das Berufungsgericht stützt seine Auffassung, bei der Eingangsuntersuchung wäre eine Sonographie durchzuführen gewesen, auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen. Dieser hat in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, "laut Mutterschaftsrichtlinien" stelle der vorzeitige Blasensprung eine Indikation für eine Ultraschalluntersuchung dar; diese sei auch wegen der verstärkten Gewichtszunahme der Mutter und deshalb zu fordern gewesen, weil die letzte derartige Untersuchung acht Wochen zurückgelegen habe. Die Revision zeigt jedoch einen Widerspruch zwischen den Äußerungen des Sachverständigen und den für den Zeitpunkt der Geburt des Klägers geltenden Mutterschafts -Richtlinien auf, dem das Berufungsgericht hätte nachgehen müssen. Ersichtlich hat der Sachverständige seinem schriftlichen Gutachten die Mutterschafts-Richtlinien nach dem Stand von 1999 zugrunde gelegt. Bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Sachverständige sodann auf Fragen des Gerichts erklärt, die Mutterschaftsrichtlinien hätten auch schon zum Zeitpunkt der Geburt des Klägers bei einem vorzeitigen Blasensprung eine Indikation für eine Ultraschalluntersuchung vorgesehen. Das hat der Zweitbeklagte mit nachgelassenem Schriftsatz in Abrede gestellt. Diesem Widerspruch hätte das Berufungsgericht in geeigneter Weise nachgehen müssen.
Die Mutterschafts-Richtlinien werden vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) i.V.m. § 196 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. § 23 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1972) beschlossen. Sie dienen der Sicherung einer nach den Regeln der ärztlichen Kunst und unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen ärztlichen Betreuung der Versicherten während der Schwangerschaft und nach der Entbindung (§§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 28 Abs. 1, 70 Abs. 1 und 73 Abs. 2 SGB V). Die jeweiligen Fassungen sind im Bundesanzeiger bzw. im Bundesarbeitsblatt veröffentlicht und lassen sich bis zu der für den Eingriff maßgeblichen Fassung zurückverfolgen. Im Hinblick darauf erscheint es als bedenklich, wenn das Gericht, sofern es auf die zu einem bestimmten Zeitpunkt geltende Fassung der Richtlinien ankommt , hierfür lediglich in der mündlichen Verhandlung den Sachverständigen befragt, der sich auf diese Frage erkennbar nicht hat vorbereiten können.
c) Die Revision zeigt auf, daß hier ein Widerspruch zwischen den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen und den für den Behandlungszeitpunkt maßgeblichen Mutterschafts-Richtlinien vorliegt. Sie beruft sich mit Recht darauf, daß die Mutterschafts-Richtlinien in der 1990 geltenden Fassung sonographische Untersuchungen lediglich in der 16. bis 20. und in der 32. bis 36. Schwangerschaftswoche vorsahen (Abschnitt A Nr. 5) und daß darüber hinausgehende Ultraschalluntersuchungen nur nach Maßgabe des Indikationskataloges nach Anlage 1 der Richtlinien angezeigt waren (Abschnitt B Nr. 4a), dessen Voraussetzungen hier nicht vorlagen. Daraus folgert die Revision zutreffend, daß sich eine Verpflichtung des Zweitbeklagten, bei stationärer Aufnahme von Schwangeren in die gynäkologische Abteilung eine Ultraschall-
untersuchung sicherzustellen, aus den 1990 geltenden MutterschaftsRichtlinien nicht herleiten läßt.
d) Bei dieser Sachlage beruhen die tatsächlichen Feststellungen, aus denen das Berufungsgericht einen für den Schaden des Klägers möglicherweise ursächlichen Organisationsfehler herleiten will, auf einem durchgreifenden Verfahrensfehler. Das angefochtene Urteil ist demnach auch wegen fehlerhafter Feststellungen aufzuheben. 3. Da das Berufungsurteil schon aus den oben (zu 1 und 2) erörterten Gründen keinen Bestand haben kann, bedarf es keiner abschließenden Erörterung der Revisionsrügen, nach denen das Berufungsgericht zu Unrecht einen groben Organisationsfehler mit der Folge einer Beweislastumkehr bejaht hat. Für das weitere Verfahren weist der erkennende Senat lediglich auf Folgendes hin:
a) Das Berufungsgericht geht ersichtlich davon aus, daß die Makrosomie des Klägers nur hätte entdeckt werden können, wenn im Rahmen der von ihm für erforderlich gehaltenen Eingangsuntersuchung eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt worden wäre. Sollte die Ergänzung der Beweisaufnahme - wofür derzeit nichts spricht - ergeben, daß eine solche Untersuchung auch unter Berücksichtigung der bereits 1990 geltenden Mutterschafts-Richtlinien durchzuführen war, wird es darauf ankommen, ob die Durchführung einer Eingangsuntersuchung zu den Organisationspflichten des Beklagten zu 2 als Träger des Belegkrankenhauses gehörte. Dafür kann sprechen, daß nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ein Belegkrankenhaus ungeachtet der Tatsache , daß es grundsätzlich keine ärztlichen Leistungen schuldet, für schuldhafte Versäumnisse innerhalb seines Verantwortungsbereichs, die zu einem Schaden des Patienten führen, einzustehen hat (Senatsurteile BGHZ 129, 6, 13 f. und
vom 16. April 1996 - VI ZR 190/95 - VersR 1996, 976, 977). Auf die in den ge- nannten Entscheidungen entwickelten Grundsätze wird gegebenenfalls zurückzugreifen sein.
b) Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der von ihm bejahte Organisationsfehler sei als grob zu bewerten. Insoweit verweist die Revision mit Recht darauf, daß das Berufungsgericht ausreichende tatsächliche Feststellungen, die diese Wertung tragen, nicht getroffen hat. Inwieweit sich das Organisationsversäumnis auch unter Berücksichtigung dessen als besonders schwerwiegend darstellt, daß die Mutter des Klägers von der anwesenden Hebamme betreut wurde und ärztliche Hilfe, wie die Hinzuziehung des Beklagten zu 1 zu der Geburt zeigt, zur Verfügung stand, legt das Berufungsgericht nicht dar. Es ist auch nicht ersichtlich, daß diese Frage Gegenstand der Befragung des Sachverständigen war. Der Senat hat aber bereits mehrfach darauf hingewiesen, daß der Tatrichter einen groben Behandlungsfehler nicht ohne ausreichende Grundlage in den medizinischen Darlegungen des Sachverständigen bejahen darf (zuletzt Senatsurteile vom 3. Juli 2001 - VI ZR 418/99 - VersR 2001, 1116, 117 und vom 28. Mai 2002 - VI ZR 42/01 - VersR 2002, 1026, 1027 f., jeweils m.w.N.). Entsprechendes kann auch für einen Organisationsfehler des Krankenhausträgers gelten, soweit es um die Anforderungen an die Organisation aus medizinischer Sicht geht.
c) Erheblichen Bedenken begegnet die Auffassung des Berufungsgerichts , die aus dem von ihm bejahten groben Organisationsverschulden hergeleitete Beweiserleichterung reiche so weit, daß zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden könne, die Makrosomie wäre entdeckt worden. Mit Recht macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe nicht ausreichend beachtet , daß ein Verstoß gegen die bei der Eingangsuntersuchung aus medizinischer Sicht gebotene Befunderhebung im Wege der Beweiserleichterung auf
ein reaktionspflichtiges positives Befundergebnis nur schließen läßt, wenn dies hinreichend wahrscheinlich ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 132, 47, 50 ff. und vom 6. Juli 1999 - VI ZR 290/98 - VersR 1999, 1282, 1283). Beweiserleichterungen sind jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn ein haftungsbegründender Ursachenzusammenhang "äußerst unwahrscheinlich" ist (Senatsurteile BGHZ 85, 212, 216 f.; 129, 6, 12; 138, 1, 8; vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96 - VersR 1997, 362, 363 f. m.w.N.). Das Berufungsgericht erkennt selbst, daß eine Makrosomie des Klägers angesichts der eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten im Jahr 1990 möglicherweise nicht entdeckt worden wäre. Aufgrund welcher Erwägungen die gegenteilige Feststellung im Streitfall gleichwohl als gerechtfertigt erscheint, ist den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil nicht ausreichend deutlich zu entnehmen.
d) Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen auch nicht hinreichend klar erkennen, ob es sich bei der Annahme, dem Kläger komme eine mehrstufige Beweiserleichterung zugute, der Voraussetzungen bewußt gewesen ist, die nach der Rechtsprechung des erkennenden Senat insoweit zu beachten sind (vgl. Senatsurteile BGHZ 132, 47, 50 ff.; 138, 1, 4 ff.; vom 4. Oktober 1994 - VI ZR 205/93 - VersR 1995, 46 f.; vom 21. November 1995 - VI ZR 341/94 - VersR 1996, 330 ff.; vom 6. Juli 1999 - VI ZR 290/98 – aaO). Dem muß indes im Hinblick auf die verschiedenen vorrangig zu prüfenden, bisher nicht zu beantwortenden Fragen nicht weiter nachgegangen werden.
e) Der erkennende Senat muß angesichts der zahlreichen ungeklärten Vorfragen auch nicht abschließend zu der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Zulassungsfrage Stellung nehmen, ob die Mutter des Klägers über die Möglichkeit einer Schnittentbindung hätte aufgeklärt werden müssen.
aa) Das Berufungsgericht erkennt selbst, daß seine Ansicht, diese Frage sei zu bejahen, im Widerspruch zur Mehrheit der dazu publizierten Entscheidungen steht (vgl. OLG Frankfurt, AHRS 2500, 159; OLG Hamm, VersR 1990, 52; AHRS 2500, 169; OLG München, AHRS 2500/110; OLG Schleswig, VersR 2000, 1544; OLG Stuttgart, VersR 1989, 519; OLG Zweibrücken, VersR 1997, 1103). Ob es sich mit Recht auf die von ihm als abweichend bezeichneten Urteile (OLG Hamm, VersR 1997, 1403; OLG Koblenz, NJW-RR 2002, 310; OLG Köln, OLGR 1997, 296) berufen kann oder ob diese Entscheidungen, wie die Revision meint, durch besondere Sachverhaltsgestaltungen veranlaßt waren, kann hier dahinstehen. Festzuhalten ist aber, daß die Ausführungen des Berufungsgerichts schwerlich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats stehen. Nach dieser muß über die Möglichkeit einer Schnittentbindung nur aufgeklärt werden, wenn sie aus medizinischer Sicht indiziert ist, weil für den Fall, daß die Geburt vaginal erfolgt, ernstzunehmende Gefahren für das Kind drohen und daher im Interesse des Kindes gewichtige Gründe für eine Schnittentbindung sprechen, wobei diese auch unter Berücksichtigung der Konstitution und Befindlichkeit der Mutter in der konkreten Situation eine medizinisch verantwortbare Alternative darstellen muß (Senatsurteile BGHZ 106, 153, 157; vom 12. November 1991 - VI ZR 369/90 - VersR 1992, 237; vom 19. Januar 1993 - VI ZR 60/92 - VersR 1993, 835; vom 16. Februar 1993 - VI ZR 300/91 - VersR 1993, 703). Der vorliegende Fall gibt keinen Anlaß, von diesen Grundsätzen abzuweichen. bb) Mit Recht weist die Revision auch darauf hin, daß sich das Berufungsgericht für seine Auffassung nicht auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen berufen kann. Dieser hat in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, nach dem ärztlichen Standard von 1990 sei ein Hinweis auf die Schulterdystokie und auf die Alternative einer Sectio angesichts der Unsicherheiten bei der ultrasonographischen Gewichtsschätzung "höchstens als erwä-
genswert zu bewerten" gewesen, zumal zum damaligen Zeitpunkt der Umstand, daß ein "großes" Kind zu erwarten sei, keine Indikation zu einer Schnittentbindung dargestellt habe. In diesem Sinne hat sich der Sachverständige auch zunächst bei seiner mündlichen Anhörung durch das Berufungsgericht geäußert. Seine im späteren Verlauf der Anhörung vorgebrachte scheinbar abweichende Äußerung beruht auf einem zumindest mißverständlichen Vorhalt des Berufungsgerichts zur Rechtslage und ist deshalb nicht aussagekräftig.

III.

Auf die Revision ist das angefochtene Urteil danach aufzuheben. Der erkennende Senat verweist die Sache an das Berufungsgericht zurück. Zwar ist das Teilurteil des Landgerichts unzulässig, so daß eine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht in Betracht kommt. Das Berufungsgericht kann den beim Landgericht verbliebenen Teil des Rechtsstreits jedoch an sich ziehen (Senatsurteil vom 12. Januar 1999 - VI ZR 77/98 - aaO). Inwieweit diese Möglichkeit auf Grund der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Vorschriften über das Berufungsverfahren möglicherweise eingeschränkt ist, kann dahinstehen. Im vorliegenden Fall sind für das Berufungsverfahren nach Zurückverweisung der Sache noch die am 31. Dezember 2001 geltenden Vorschriften weiterhin anzuwenden , weil die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht am 16. Juli 1998 geschlossen worden ist (vgl. § 26 Nr. 5 EGZPO). Eine abschließende Entscheidung der Sache durch das Berufungsgericht erscheint als sachdienlich (§ 540 ZPO a.F.). Zur Verantwortlichkeit des Beklagten zu 1 ist in erster Instanz bereits verhandelt und Beweis erhoben worden. Der Gesamtablauf des Behandlungsgeschehens bedarf möglicherweise, zumindest in Teilaspekten, einer einheitlichen Betrachtung. Nicht zuletzt fällt auch ins Gewicht, daß der Rechtsstreit seit
mehr als neun Jahren anhängig ist, so daß das Interesse an einer alsbaldigen abschließenden Entscheidung hinsichtlich sämtlicher Streitgegenstände das Interesse, den Verlust einer Instanz zu vermeiden, deutlich überwiegt.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 176/02 Verkündet am:
19. Dezember 2002
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Unterbrechung eines Verfahrens gegen einen einfachen Streitgenossen wegen
der Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens gemäß § 240 ZPO berührt
das Verfahren der übrigen Streitgenossen nicht.

b) Dieses Verfahren kann regelmäßig durch Teilurteil abgeschlossen werden.
BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 176/02 - OLG Dresden
LG Leipzig
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die
Richter Hausmann, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Teilurteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 10. April 2002 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von den Beklagten zu 1 bis 3 als Gesamtschuldner Zahlung von Restwerklohn aus einem Bauvertrag. Die Beklagte zu 1 sowie die in der Objektgesellschaft Auepark GbR zusammengeschlossenen Beklagten zu 2 und 3 beauftragten die Klägerin mit Erschließungsleistungen. Die Klägerin hat die nach ihrer Auffassung vertraglich geschuldete Vergütung für die Bereitstellung von Containern verlangt. Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 158.527,50 DM nebst Zinsen verurteilt. Während des Berufungsverfahrens ist über das Vermögen der Beklagten zu 2 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Das Berufungsgericht hat nach Vernehmung von Zeugen und der Anhö-
rung des Geschäftsführers der Klägerin die gegen die Beklagten zu 1 und 3 gerichtete Klage durch Teilurteil abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist unbegründet.

I.


Das Berufungsgericht kommt aufgrund der Beweisaufnahme zu der Überzeugung, die Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagten zu 2 hätten sich während der Baumaßnahmen dahin geeinigt, daß die Klägerin aus der Position für die Bereitstellung des Baucontainers ungeachtet einer längeren Nutzungsdauer lediglich eine Vergütung für 4 Wochen verlangen könne. Das ergebe sich aus der Aussage des Zeugen G. und dem damit in Übereinstimmung zu bringenden Akteninhalt. Die Angaben des als Partei gehörten Geschäftsführers der Klägerin seien dagegen nicht glaubhaft. Für eine von der Klägerin angeregte Parteivernehmung ihres Geschäftsführers lägen die Voraussetzungen des § 448 ZPO nicht vor. Gegen die Richtigkeit der Sachdarstellung der Klägerin sprächen in Würdigung der Gesamtumstände weitaus überwiegende und letztlich überzeugende Gesichtspunkte. Die Parteivernehmung zum Zwecke des Gegenbeweises sei nicht zulässig. Der Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit rechtfertige keine andere Beurteilung. Dieser sei
durch den Grundsatz der freien Beweiswürdigung gewährleistet. Die Vernehmung des nicht gehörten Geschäftsführers der Beklagten zu 2 sei ebenfalls entbehrlich, wie sich bereits aus dem in § 445 Abs. 2 ZPO normierten Rechtsgedanken ergebe. Die Klägerin habe keine Ansprüche mehr, weil die sich aus der nachträglichen Einigung ergebende Vergütung bezahlt sei. Die Klage gegen die Beklagten zu 1 und 3 könne durch Teilurteil abgewiesen werden. Der Grundsatz, dass ein Teilurteil nur ergehen dürfe, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten Anspruchs unabhängig sei, gelte bei einer subjektiven Klagehäufung nur eingeschränkt. Den Beklagten zu 1 und 3 sei es nicht zumutbar, nach der Beweisaufnahme die Verfahrensverzögerung bis zur Beendigung der Unterbrechung hinsichtlich der Beklagten zu 2 hinzunehmen. Ohne diese Unterbrechung hätte der Senat die Verfahren gemäß § 145 ZPO trennen können.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Verfahrensfehlerfrei hat das Berufungsgericht durch Teilurteil entschieden (1.) und von einer Vernehmung der Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagten zu 2 abgesehen (2.). 1. Das Berufungsurteil hat die Klage gegen die Beklagten zu 1 und 3 ohne Verfahrensfehler durch Teilurteil abgewiesen.
a) Zutreffend weist die Revision allerdings darauf hin, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich ein Teilurteil nur dann ergehen darf, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig ist, so daß die Gefahr einander
widerstreitender Erkenntnisse, auch durch das Rechtsmittelgericht, nicht besteht (BGH, Urteil vom 5. Juni 2002 - XII ZR 194/00, MDR 2002, 1068 m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn die Klage über einen Anspruch gegen mehrere Personen erhoben wird (BGH, Urteil vom 12. Januar 1999 - VI ZR 77/98, NJW 1999, 1035). In diesem Fall darf sich jedenfalls dann, wenn eine Beweisaufnahme stattzufinden hat, ein Gericht grundsätzlich nicht auf ein Prozeßrechtsverhältnis beschränken und gleichzeitig über das andere vorab durch Teilurteil entscheiden. Denn die Beweise sind wegen der Einheitlichkeit des Verfahrens nur einmal zu erheben und einheitlich frei zu würdigen, so daß unterschiedliche Ergebnisse gegen einzelne Streitgenossen ausgeschlossen sind (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1991 - V ZR 341/89, WM 1992, 242, 243).
b) Diese Grundsätze gelten jedoch nicht, wenn über das Vermögen eines einfachen Streitgenossen das Konkurs- oder Insolvenzverfahren eröffnet und deshalb gemäß § 240 ZPO das Verfahren insoweit unterbrochen worden ist. Das Verfahren gegen die übrigen Streitgenossen wird durch die Unterbrechung des Verfahrens gegen einen einfachen Streitgenossen nicht berührt. In diesen Fällen hat der Bundesgerichtshof trotz der jeweils offen liegenden Gefahr, daß bei Aufnahme des durch den Konkurs bzw. die Insolvenz unterbrochenen Verfahrens eine abweichende Entscheidung ergehen könnte, stets die Möglichkeit bejaht, gemäß § 301 ZPO ein Teilurteil zu erlassen (BGH, Urteil vom 3. Juli 2001 - VI ZR 284/00, BGHZ 148, 214, 216; Urteil vom 10. März 1988 - IX ZR 194/87, NJW 1988, 2113; Urteil vom 1. April 1987 - VIII ZR 15/86, NJW 1987, 2367, 2368). Diese Ausnahme von dem Grundsatz, daß ein Teilurteil dann nicht ergehen soll, wenn die Gefahr widerstreitender Erkenntnisse besteht, ist im Falle der Unterbrechung des Verfahrens durch Konkurs oder Insolvenz eines einfachen Streitgenossen regelmäßig gerechtfertigt, weil die Unterbrechung zu einer faktischen Trennung der Verfahren führt. Die Dauer der Unterbrechung ist in der Regel ungewiß. Sie endet, wenn das Verfahren nicht nach den für das
Konkurs- oder Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen wird, erst dann, wenn das Konkurs- oder Insolvenzverfahren beendet ist. Dieses Verfahren kann sich in Einzelfällen viele Jahre lang hinziehen. Ob und gegebenenfalls wann eine Aufnahme des Verfahrens erfolgt, ist in aller Regel nicht voraussehbar. Die übrigen Streitgenossen haben keine prozessuale Möglichkeit , die Aufnahme des Verfahrens und damit auch den Fortgang des Prozesses insgesamt zu bewirken. Es wäre mit dem Anspruch der übrigen Prozeßbeteiligten auf einen effektiven Rechtsschutz nicht vereinbar, wenn die Unterbrechung des Verfahrens eine Entscheidung nur deshalb nachhaltig verzögern würde, weil die abstrakte Gefahr einer widersprüchlichen Entscheidung nach einer eventuellen Aufnahme des Verfahrens besteht. Anders kann es zu beurteilen sein, wenn Anhaltspunkte dafür gegeben sind, daß das unterbrochene Verfahren alsbald fortgesetzt werden kann. Solche Anhaltspunkte lagen nicht vor. 2. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht hätte aus Gründen der prozessualen Waffengleichheit die Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagten zu 2 von Amts wegen als Partei vernehmen müssen.
a) Die Entscheidung über die Vernehmung einer Partei nach § 448 ZPO liegt im Ermessen des Tatrichters und ist im Revisionsverfahren nur daraufhin nachprüfbar, ob die rechtlichen Voraussetzungen verkannt sind oder das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt worden ist. Die Parteivernehmung von Amts wegen darf nur angeordnet werden, wenn aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache spricht (BGH, Urteil vom 16. Juli 1998 - I ZR 32/96, NJW 1999, 363, 364 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die in § 448 ZPO geregelten
Voraussetzungen für eine Parteivernehmung der Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagten zu 2 verneint. Es ist zu der Überzeugung gekommen, daß die im einzelnen festgestellten Ergebnisse der Beweisaufnahme überzeugend gegen die Richtigkeit der Darstellung der Klägerin sprächen. Damit hat es zum Ausdruck gebracht, daß die Behauptung der Klägerin unwahrscheinlich ist. Die von der Revision angeführten Gründe, die für eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Behauptung der Klägerin sprechen sollen, hat das Berufungsgericht umfassend berücksichtigt.
b) Durch die Ablehnung der Vernehmung der Geschäftsführer der Klägerin und, soweit zulässig, der Beklagten zu 2 hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision nicht gegen den Grundsatz der Waffengleichheit verstoßen, wie er aus dem Gleichheitssatz, dem Rechtsstaatsgebot und Art. 6 Abs. 1 EMRK abgeleitet werden kann (vgl. die Entscheidung des EGMR, NJW 1995, 1413, 1414 - Dombo Beheer B.V.; BVerfG, Beschluß vom 25. Juli 1979 - 2 BvR 878/74, BVerfGE 52, 131, 156; Beschluß vom 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00, NJW 2001, 2531, 2532). aa) Erfordert der Grundsatz der Waffengleichheit, daß der Partei, die für ein Gespräch keinen Zeugen hat, Gelegenheit gegeben wird, ihre Darstellung des Gesprächs in den Prozeß persönlich einzubringen, so ist dem grundsätzlich Genüge getan, wenn die Partei nach § 141 ZPO angehört wird. Die dagegen von der Revision und teilweise auch von der Literatur erhobenen Bedenken (Kluth/Böckelmann, MDR 2002, 476, 480; Messer, Festschrift 50 Jahre Bundesgerichtshof , S. 67, 81 f.) sind unbegründet. Sie tragen nicht dem Umstand Rechnung, daß der Bundesgerichtshof einerseits den Anwendungsbereich und den Beweiswert einer Parteianhörung gesteigert und andererseits die Anforderungen an die Zulässigkeit der Vernehmung einer Partei, die sich in Beweisnot befindet, abgesenkt hat (vgl. BVerfG, Beschluß vom 21. Februar 2001 - 2 BvR
140/00, aaO; BGH, Urteil vom 9. März 1990 - V ZR 244/88, BGHZ 110, 363, 365 f.). Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gewährleistet, daß das Ergebnis der Anhörung ausreichend Gewicht hat (BGH, Urteil vom 16. Juli 1998, aaO). Durch die Anhörung der Partei wird das Gericht freilich nicht von der Prüfung der Frage entbunden, ob nach § 448 ZPO eine förmliche Parteivernehmung stattzufinden hat. Bei dieser Prüfung kann es jedoch unter Heranziehung aller Umstände wie auch der Anhörung der Partei nach § 141 ZPO zu dem Ergebnis kommen, daß keine Wahrscheinlichkeit für die unter Beweis gestellte Behauptung besteht (vgl. Lange, NJW 2002, 476, 482). Das Berufungsgericht hat den Geschäftsführer der Klägerin nach § 141 ZPO angehört. Es hat seine Angaben bei der persönlichen Anhörung in der Beweiswürdigung ausführlich berücksichtigt. bb) Der Grundsatz der Waffengleichheit wird nicht verletzt, wenn das Gericht nach Vernehmung eines Zeugen davon absieht, die Gegenpartei gemäß § 448 ZPO von Amts wegen zu vernehmen, weil es keine Wahrscheinlichkeit für die Parteibehauptung erkennt (BGH, Urteil vom 19. April 2002 - V ZR 90/01, NJW 2002, 2247).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 ZPO. Dressler Hausmann Kuffer Kniffka Bauner

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 111/99
Verkündet am:
10. Mai 2001
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
------------------------------------
BGB §§ 179, 839 A; BadWürttGO § 54 Abs. 1

a) Ist eine im Privatrechtsverkehr namens der Gemeinde abgegebene Verpflichtungserklärung
des Bürgermeisters für die Gemeinde nur deshalb
nicht bindend, weil sie der Bürgermeister entgegen der kommunalrechtlichen
Bestimmung (hier: § 54 Abs. 1 Gemeindeordnung von Baden-Württemberg
) nicht unterzeichnet hat, kann er von dem betroffenen Adressaten
der Verpflichtungserklärung nicht als Vertreter ohne Vertretungsmacht
nach § 179 Abs. 1 BGB auf Erfüllung oder Schadensersatz in Anspruch
genommen werden.

b) Zur Anwendung des § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB bei Vertragsverhandlungen
mit dem Bürgermeister einer Gemeinde.

c) Zur persönlichen Haftung des Bürgermeisters nach § 839 BGB und zum
Inhalt seiner Schadensersatzpflicht in einem solchen Fall.
BGH, Urteil vom 10. Mai 2001 - III ZR 111/99 - OLG Karlsruhe
LG Heidelberg
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 3. März 1999 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Kläger nehmen den Beklagten, den ehemaligen Bürgermeister einer baden-württembergischen Gemeinde, auf Schadensersatz aus einem Handeln als Vertreter ohne Vertretungsmacht in Anspruch. Sie waren aufgrund eines im Jahr 1989 geschlossenen Vertrages Jagdpächter eines Eigenjagdbezirks dieser Gemeinde. Im Jagdpachtvertrag war vorgesehen, daß der Pächter für den entstehenden Wild- und Jagdschaden entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen Ersatz zu leisten habe. Vom Wildschaden im Stadtwald sollten der
Verpächter 25 % und der Pächter den Rest tragen. Der Verpächter sollte den Anspruch auf Ersatz von Wildschaden nur geltend machen dürfen, wenn der Pächter den Abschußplan in zwei aufeinanderfolgenden Jahren bei weiblichem Wild nicht erfüllte. Nachdem die Kläger dieser Pflicht in der Zeit von April 1991 bis April 1993 nicht vollständig nachgekommen waren, fand am 6. Oktober 1993 im Rathaus eine Besprechung statt, die sich mit dem Anstieg der Schälschäden und der Geltendmachung von Wildschadensersatz befaßte. Um eine gerichtliche Auseinandersetzung über die Ersatzpflicht der Pächter zu vermeiden , nahmen die Parteien den Vorschlag eines Mitarbeiters des Staatlichen Forstamts an, die Jagdpächter sollten den Abschuß beim weiblichen Rotwild im laufenden Pachtjahr um zwei Stück erhöhen, was die Kläger in der Folgezeit auch taten. Über das Ergebnis der Besprechung wurde ein den Klägern Ende Oktober 1993 zugeleitetes Protokoll gefertigt, das ein bei der Gemeinde tätiger Forstoberinspektor unterzeichnet hatte. Der Gemeinderat beschloß ungeachtet dieses Vorgangs im März 1994, die Schälschäden den Pächtern in Rechnung zu stellen.
In einem Vorprozeß, in dem die Pächter dem Beklagten den Streit verkündet hatten, wurden diese verurteilt, an die Gemeinde 46.303,66 DM nebst Zinsen zu zahlen. Das Landgericht vertrat die Auffassung, der Anspruch der Gemeinde sei nicht durch die Vereinbarung vom 6. Oktober 1993 erloschen, da der Bürgermeister diese Erklärung entgegen der Vorschrift des § 54 Abs. 1 der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg (im folgenden: BWGO) nicht handschriftlich unterzeichnet und ein Geschäft der laufenden Verwaltung nicht vorgelegen habe.
Die auf Erstattung des Verurteilungsbetrags im Vorprozeß und auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten und der Kosten des Vorprozesses gerichtete Klage über insgesamt 77.200,46 DM nebst Zinsen hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist nicht begründet.
1. Aufgrund der Interventionswirkung des landgerichtlichen Urteils im Vorprozeß zwischen der Gemeinde und den Jagdpächtern (§§ 68, 74 ZPO) ist im vorliegenden Verfahren zu Lasten des Beklagten davon auszugehen, daß die im Protokoll über die Besprechung vom 6. Oktober 1993 wiedergegebene Einigung , von der Geltendmachung der entstandenen Schälschäden abzusehen, wenn die Kläger im laufenden Pachtjahr - wie dann auch geschehen - den Abschuß beim weiblichen Rotwild erhöhten, die Gemeinde rechtlich nicht gebunden hat. Die Bindungswirkung der Streitverkündung bezieht sich auch auf die rechtliche Begründung der Entscheidung im Vorprozeß (vgl. BGHZ 116, 95, 102), die dahin geht, der Beklagte habe diese Erklärung nicht - wie nach § 54 Abs. 1 BWGO geboten - schriftlich abgefaßt und handschriftlich unterzeichnet, und es habe sich nicht um eine Erklärung in einem Geschäft der laufenden Verwaltung gehandelt, für das diese Formvorschrift unbeachtlich gewesen wäre (§ 54 Abs. 4 BWGO).
Auch wenn die Gemeindeordnung in diesem Zusammenhang von "Formvorschriften" spricht, geht es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insoweit nicht um Bestimmungen, deren Nichteinhaltung zur Nichtigkeit nach § 125 BGB führt. Denn mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechende privatrechtliche Vorschriften der Landesgesetze außer Kraft getreten (Art. 55 EGBGB), und zur Einführung solcher Vorschriften fehlt dem Landesgesetzgeber die Kompetenz (Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG). Vielmehr handelt es sich um materielle Vorschriften über die Beschränkung der Vertretungsmacht, die dem Schutz der öffentlich-rechtlichen Körperschaften und ihrer Mitglieder dienen (vgl. BGHZ 32, 375, 380 f zu § 68 Abs. 1 NdsGO; Senatsurteile vom 16. November 1978 - III ZR 81/77 - NJW 1980, 117, 118 zu § 56 Abs. 1 RhPfGO; vom 13. Oktober 1983 - III ZR 158/82 - NJW 1984, 606 zu § 56 Abs. 1 NRWGO; BGH, Urteil vom 20. Januar 1994 - VII ZR 174/92 - NJW 1994, 1528 zu § 71 Abs. 2 HessGO; Beschluß vom 24. Februar 1997 - II ZR 9/96 - DtZ 1997, 222, 223 zu § 60 Abs. 1 SächsGO); die Landesgesetzgeber machen insoweit von ihrer Befugnis Gebrauch, die dem öffentlichen Recht zugehörige Organisation dieser juristischen Personen zu regeln und dabei zu bestimmen, in welcher Weise diese durch ihre Organe vertreten werden (vgl. schon RGZ 64, 408, 413).
2. Von diesem rechtlichen Ausgangspunkt her zieht das Berufungsgericht in Betracht, daß der Beklagte den Klägern wegen eines Mangels seiner Vertretungsmacht nach § 179 Abs. 1 BGB zu Schadensersatz verpflichtet sein könnte. Es verneint jedoch einen Anspruch der Kläger, weil sie den Mangel der Vertretungsmacht hätten kennen müssen (§ 179 Abs. 3 Satz 1 BGB). Dabei könne offenbleiben, ob eine generelle Verpflichtung zu verneinen sei, sich über die Vertretungsverhältnisse einer juristischen Person zu informieren. Hier seien
die Kläger durch die in dem Jagdpachtvertrag vereinbarte Schriftform hinreichend darauf hingewiesen worden, daß sich die öffentliche Hand aufgrund ihrer Vertretungsregelungen grundsätzlich nur durch schriftliche Verträge binden könne. Anläßlich des Ausscheidens eines weiteren Mitpächters im Jahre 1993 hätten sich die Kläger darüber im klaren sein müssen, daß die vereinbarte Schriftform für die verpachtende Gemeinde von wesentlicher Bedeutung sei. Sie hätten angesichts der Größenordnung des vom Beklagten ausgesprochenen Verzichts auch nicht von einem Geschäft der laufenden Verwaltung ausgehen dürfen.
3. Falls eine Haftung des Beklagten nach § 179 BGB wegen der Nichteinhaltung der gemeindlichen Formvorschrift in Betracht käme, rügt die Revision die Annahme des Berufungsgerichts zu Recht als fehlerhaft, die Kläger hätten den Mangel der Vertretungsmacht kennen, also wissen müssen, daß der Beklagte die Gemeinde nur durch handschriftliche Unterzeichnung einer Erklärung , wie sie dem Protokoll durch Auslegung zu entnehmen war, verpflichten konnte.

a) Für das "Kennenmüssen" im Sinne des § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB kommt es darauf an, ob die Unkenntnis auf Fahrlässigkeit beruht (vgl. § 122 Abs. 2 BGB). Danach führt zwar nach § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB jede Fahrlässigkeit zum Ausschluß der Haftung. Eine Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt liegt aber nur vor, wenn die Umstände des Falles den Vertragspartner veranlassen müssen, sich danach zu erkundigen, ob der Vertreter die zumindest stillschweigend behauptete Vertretungsmacht tatsächlich hat (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1989 - II ZR 16/89 - NJW 1990, 387, 388). Weil im Interesse der Verkehrssicherheit in § 179 Abs. 1 BGB eine gesetzliche
Garantenhaftung vorgesehen ist, darf der Vertragsgegner grundsätzlich auf die behauptete Vertretungsmacht vertrauen, ohne zu Nachforschungen über deren Bestand und Umfang verpflichtet zu sein. Nur wenn er Anhaltspunkte für eine fehlende Vertretungsmacht hat und diesen Bedenken nicht nachgeht, ist er nicht schutzwürdig (vgl. BGHZ 105, 283, 285 f; Urteil vom 2. Februar 2000 - VIII ZR 12/99 - NJW 2000, 1407, 1408).

b) Gemessen hieran durften die Kläger davon ausgehen, daß der Beklagte an der im Protokoll festgehaltenen Einigung über die Behandlung von Wildschadensersatzansprüchen mit Bindungswirkung für die Gemeinde mitwirkte. Der Umstand, daß der Pachtvertrag in § 16 Abs. 4 Satz 2 vorsah, daß "sämtliche Erklärungen, Genehmigungen usw., die innerhalb des Pachtverhältnisses abgegeben oder erteilt werden, zu ihrer Gültigkeit der Schriftform" bedürfen , wies keinen unmittelbaren Bezug zu dem in der Gemeindeordnung geregelten Formerfordernis auf. Letzteres richtet sich lediglich an den Bürgermeister und ist unabdingbar, während die angeführte Schriftformklausel im Pachtvertrag beide Vertragsparteien betraf und - wie das Berufungsgericht an anderer Stelle zutreffend ausführt - stillschweigend aufgehoben werden konnte, wenn die Beteiligten die Maßgeblichkeit der mündlichen Absprache übereinstimmend wollten. Es kommt hinzu, daß die Gemeinden in Baden-Württemberg - anders als das Berufungsgericht meint und es der von ihm zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11. Juni 1992 (VII ZR 110/91 - NJW-RR 1992, 1435, 1436) zu Art. 35 BayLKrO in der damals geltenden Fassung zugrunde lag - auch durch mündliche Erklärungen ihres Vertretungsorgans verpflichtet werden können, wenn es sich um Geschäfte der laufenden Verwaltung oder um Vertretergeschäfte handelt, sofern nur der Vertreter formgerecht ermächtigt ist (§ 54 Abs. 4 BWGO). Das Ausscheiden eines Mitpächters im Jahr
1993, das Gegenstand eines schriftlichen Ä nderungsvertrags gewesen ist, mochte zwar belegen, daß Ä nderungen des Pachtvertrags, wie in dessen § 16 Abs. 4 Satz 1 vorgesehen, der Schriftform unterlagen (vgl. auch § 11 Abs. 4 Satz 1 BJagdG; Senatsbeschluß vom 24. März 1994 - III ZR 65/93 - NJW-RR 1994, 778, 779). Aber auch insoweit besteht kein Bezug zu § 54 Abs. 1 BWGO, zumal die hier in Rede stehende Vereinbarung, mit der auf einen nach dem Vertrag bereits entstandenen Anspruch verzichtet wurde, den Jagdpachtvertrag selbst unberührt ließ.
Da es mithin keine besonderen Umstände gab, die den Klägern zu Zweifeln Anlaß boten, kommt es auch nicht darauf an, ob sie die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der von ihnen angenommenen Vertretungsmacht in jeder Hinsicht richtig beurteilten (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1989 - II ZR 16/89 - NJW 1990, 387, 388). Das gilt namentlich für ihre Einschätzung der rechtsgeschäftlichen Bedeutung des über die Besprechung vom 9. Oktober 1993 gefertigten Protokolls und für ihre Beurteilung der Frage, ob ein Geschäft laufender Verwaltung vorliegen könne. Selbst wenn die Kläger Einsicht in die maßgeblichen Vorschriften der Gemeindeordnung genommen hätten, wozu sie aber keinen Anlaß hatten (vgl. RGZ 104, 191, 194 f), hätten sie sich wegen der im Einzelfall schwierigen Abgrenzung, ob ein Geschäft laufender Verwaltung vorliege, im Anwendungsbereich des § 179 BGB, also im Verhältnis zu dem Vertreter, darauf verlassen dürfen, daß der Beklagte die Grenzen seiner Vertretungsbefugnis beachtete (vgl. Senatsurteile BGHZ 92, 164, 175; vom 26. Oktober 2000 - III ZR 53/99 - WM 2001, 147, 149 im Zusammenhang mit hoheitlicher Tätigkeit des Vertretungsorgans). Dies steht in Einklang damit, daß den Bürger, der mit der Gemeinde in Kontakt tritt, grundsätzlich keine Prüfungs - und Erkundigungspflicht trifft, ob sich das Vertretungsorgan an die ihn
intern bindenden Beschlüsse des Gemeinderats gehalten hat (vgl. Senatsurteil vom 17. April 1997 - III ZR 98/96 - WM 1997, 2410, 2412).
4. Die Versagung eines Anspruchs nach § 179 Abs. 1 BGB erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig, weil diese Norm dann nicht anwendbar ist, wenn eine gemeindliche Formvorschrift durch ein Organ nicht beachtet wird.

a) Allerdings steht nicht in Frage, daß § 179 Abs. 1 BGB nicht nur im Bereich rechtsgeschäftlich erteilter Vollmacht gilt, sondern auch in Fällen anzuwenden ist, in denen Organe die ihnen gesetzten Vertretungsbefugnisse überschreiten (vgl. BGHZ 6, 330, 333; BGHZ 32, 375, 381).

b) Entsprechend dem vertretungsrechtlichen Verständnis kommunalrechtlicher Formvorschriften finden sich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung verschiedentlich Aussagen zur Anwendung des § 179 BGB.
aa) Das Reichsgericht hielt in einem Verfahren gegen den Gemeindevorsteher einer schlesischen Landgemeinde § 179 BGB für anwendbar. Der Gemeindevorsteher hatte einen Kaufvertrag geschlossen, der für die Gemeinde - wie das Reichsgericht befand - wegen Formmangels unwirksam war (RGZ 104, 191, 192 f); insoweit war § 88 Abs. 4 Nr. 7 Abs. 2 der Preußischen Landgemeindeordnung vom 3. Juli 1891 nicht beachtet, wonach "Urkunden über Rechtsgeschäfte, welche die Gemeinde gegen Dritte verbinden sollen, ... unter Anführung des betreffenden Gemeindebeschlusses und der dazu etwa erforderlichen Genehmigung oder Entschließung der zuständigen Aufsichtsbehörde im Namen der Gemeinde von dem Gemeindevorsteher und einem der Schöffen unterschrieben und mit dem Gemeindesiegel versehen sein" mußten. Dem
Leitsatz und dem Inhalt der angeführten Entscheidung läßt sich allerdings nicht entnehmen, ob es nur an den in dieser Vorschrift genannten Förmlichkeiten fehlte, die Gemeinde zu binden, oder auch an den materiellen Voraussetzungen für ein alleiniges Auftreten des für die Gemeinde Handelnden.
bb) In einem Fall, in dem der Gemeindevorsteher die Vorschrift des § 102 der Landgemeindeordnung für die Rheinprovinz vom 23. Juli 1845 nicht beachtet hatte, wonach die Gemeinde nur durch einen schriftlichen vom Gemeindevorsteher und Bürgermeister unterzeichneten Vertrag verpflichtet werden konnte, hat das Reichsgericht eine Haftung nach § 179 BGB verneint, weil der Gemeindevorsteher vom Gemeinderat eine Vollmacht erhalten hatte (vgl. RG Warn. 1926 Nr. 152). Das Reichsgericht hielt zwar eine entsprechende Anwendung des § 179 BGB auf rechtsähnliche Fälle für möglich, sah aber - wohl mit Rücksicht auf die erteilte Vollmacht - in der Nichtbeachtung der Vertretungsregelung des § 102 RheinLGO keinen Mangel der Vertretungsmacht im eigentlichen Sinne.
cc) In weiteren Entscheidungen des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs wird eine mögliche Haftung des gemeindlichen Vertretungsorgans nach § 179 BGB nur beiläufig erwähnt (vgl. RG SeuffArch. 82 Nr. 57; RG HRR 1928 Nr. 1396; BGHZ 6, 330, 333); denn in den diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Verfahren wurde nicht das Vertretungsorgan, sondern die Gebietskörperschaft in Anspruch genommen.
dd) Soweit es um die Inanspruchnahme der Gemeinde selbst geht, führen Mängel der kommunalrechtlichen Erfordernisse für die Abgabe von Verpflichtungserklärungen grundsätzlich zur Unverbindlichkeit für die Gemeinde.
Abgesehen von den Fällen, in denen die Gemeinde aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens ihres Vertreters bei Vertragsschluß Ersatz für einen etwa eingetretenen Vertrauensschaden zu leisten hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2000 - XI ZR 235/99 - WM 2000, 1840 m.w.N.), kommt eine Haftung auf das Erfüllungsinteresse nur ausnahmsweise in Betracht. Trotz des vertretungsrechtlichen Ansatzes hat der Bundesgerichtshof wiederholt offengelassen, ob auf eine unvollkommen abgegebene Verpflichtungserklärung § 177 Abs. 1 BGB entsprechend anwendbar ist (vgl. BGHZ 32, 375, 382; Senatsurteil vom 16. November 1978 - III ZR 81/77 - NJW 1980, 117, 118). Soweit es um Förmlichkeiten wie die handschriftliche Unterzeichnung und die Beidrückung eines Amtssiegels geht, ist eine "Genehmigung" nach § 177 Abs. 1 BGB zur Beseitigung des Mangels auch schwerlich vorstellbar. In besonderem Maße gilt dies, wenn - wie nach § 42 Abs. 1 Satz 2 BWGO - der Bürgermeister das einzige Vertretungsorgan der Gemeinde ist. Eine wirkliche Beseitigung des Mangels ist unter solchen Umständen, wie dies auch bei einer nach § 125 BGB formnichtigen Erklärung der Fall ist, nur durch Neuvornahme unter Einhaltung der Förmlichkeiten vorstellbar. Dem entspricht es, daß der Bundesgerichtshof für die Frage, ob die Gemeinde trotz der Verletzung einer gemeindlichen Formvorschrift auf Vertragserfüllung in Anspruch genommen werden kann, wegen der gleichartigen Interessenlage, wie sie bei der Mißachtung von Formvorschriften besteht, prüft, ob der Grundsatz von Treu und Glauben einer Berufung auf den Formmangel entgegensteht. Dabei hat er betont, daß dies nur in Betracht kommt, wenn die Nichtigkeitsfolge für den anderen Vertragsteil schlechthin untragbar ist (vgl. Senatsurteile vom 16. November 1978 - III ZR 81/77 - NJW 1980, 117, 118; vom 13. Oktober 1983 - III ZR 158/82 - NJW 1984, 606, 607), als wesentlichen Ausnahmefall aber auch angesehen, wenn das für die Willensbildung der Gemeinde maßgebliche Beschlußorgan den Abschluß des
Verpflichtungsgeschäfts gebilligt hat (vgl. Urteile vom 8. Juni 1973 - V ZR 72/72 - NJW 1973, 1494, 1495; vom 20. Januar 1994 - VII ZR 174/92 - NJW 1994, 1528; Beschluß vom 24. Februar 1997 - II ZR 9/96 - DtZ 1997, 222, 223; Senatsurteile vom 22. Juni 1989 - III ZR 100/87 - NVwZ 1990, 403, 405, soweit wenigstens die formgerechte Erklärung eines von zwei Gesamtvertretern vorlag; vom 6. Juli 1995 - III ZR 176/94 - NJW 1995, 3389, 3390).

c) Während daher Vorschriften über die Vertretungsmacht der zur Vertretung berufenen Organe, soweit sie etwa eine Gesamtvertretung anordnen, im Ergebnis nicht durch den Einwand des Verstoßes gegen Treu und Glauben außer Kraft gesetzt werden können - insoweit kommt lediglich eine Haftung der Gemeinde auf Ersatz des Vertrauensschadens aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß in Betracht -, unterliegen die Bestimmungen über reine Förmlichkeiten wie Schriftform, Angabe der Dienstbezeichnung und Beifügung des Amtssiegels im wesentlichen einer rechtlichen Behandlung, wie sie für die Verletzung von Formvorschriften auch im übrigen gilt (vgl. zur Abgrenzung Senatsurteil BGHZ 92, 164, 174). Auch der Zweck des § 54 Abs. 1 BWGO, der dahin geht, im Interesse einer klaren Verantwortung des Bürgermeisters gegenüber dem Gemeinderat und einer einwandfreien Rechnungslegung zu vermeiden, daß nachträglich Zweifel am Verpflichtungswillen des Bürgermeisters oder Streit über Inhalt und Zeitpunkt der eingegangenen Verpflichtung entstehen (vgl. Sixt, in: Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, 4. Aufl., § 54 Rn. 1), fügt sich in die Zwecke privatrechtlicher Formvorschriften ein, indem das Vertretungsorgan von der Eingehung übereilter und unüberlegter Verpflichtungen, die den Gemeindeinteressen zuwiderlaufen , abgehalten (vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 1989 - III ZR 100/87 - NVwZ 1990, 403, 404, allerdings in einem Fall zusätzlich angeordneter Ge-
samtvertretung; BGH, Urteil vom 11. Juni 1992 - VII ZR 110/91 - NJW-RR 1992, 1435, 1436) und zugleich der Klarstellungs- und Beweisfunktion Rechnung getragen wird. Demgegenüber bezieht sich die Regelung des § 179 BGB, die einen im Interesse der Verkehrssicherheit eingeführten Fall der Vertrauenshaftung darstellt (vgl. RGZ 106, 68, 70; BGHZ 39, 45, 51; BGH, Urteil vom 2. Februar 2000 - VIII ZR 12/99 - NJW 2000, 1407, 1408), im Kern auf das Vertrauen , daß der Vertreter für den Vertretenen bindend handeln kann, nicht aber darauf, daß der Vertreter die in welchen Vorschriften auch immer angeordneten Förmlichkeiten zutreffend beachtet. Dementsprechend trägt selbst der Vertreter ohne Vertretungsmacht grundsätzlich nicht das Risiko sonstiger Mängel des Vertretergeschäfts (vgl. RGZ 106, 68, 70 f).
Der Senat verkennt nicht, daß sich im vorliegenden Fall die Gesichtspunkte der Vertretungsberechtigung und der vom Vertretungsorgan zu beachtenden Form in einer Weise verschränken, daß man über die unterschiedliche gesetzgeberische Wertung für die Vertrauenshaftung des Vertreters nach § 179 BGB und die Folgen eines nicht formgerecht zustande gekommenen Vertrages zu keinem zweifelsfreien Ergebnis gelangt. Einerseits ist der Bürgermeister nach § 42 Abs. 1 Satz 2 BWGO das einzige Vertretungsorgan der Gemeinde; er bindet diese auch dann, wenn er sich über Beschlüsse des Gemeinderats hinwegsetzt oder ganz davon absieht, ihn in einer dafür vorgesehenen Angelegenheit zu beteiligen, vorausgesetzt, er hält die in § 54 Abs. 1 BWGO bestimmte Form ein. Andererseits könnte man in bezug auf die einzuhaltende Form erwägen, der Bürgermeister solle hierdurch gerade auch an seine dem Gemeinderat gegenüber bestehenden Bindungen erinnert werden.
Bei der danach gebotenen wertenden Betrachtung gewinnen Gesichtspunkte die Oberhand, die letztlich gegen die Anwendbarkeit des § 179 Abs. 1 BGB auf die hier vorliegende Fallkonstellation sprechen: Der Schutz der Gemeinde vor übereilten und unüberlegten Verpflichtungserklärungen des Bürgermeisters kann, weil dem Landesgesetzgeber insoweit die Gesetzgebungskompetenz fehlt, nicht unmittelbar durch Einführung einer Formvorschrift erreicht werden; er wird vielmehr durch Verknüpfung des Formerfordernisses mit der Vertretungsregelung bewirkt. Das würde im Falle der Anwendung des § 179 Abs. 1 BGB bei Nichtbeachtung der Form zur persönlichen Haftung des Bürgermeisters führen, während sonst im rechtsgeschäftlichen Verkehr der Vertreter einer natürlichen Person oder einer juristischen Person des Privatrechts beim Abschluß eines formfehlerhaften Geschäfts nicht nach der genannten Vorschrift haftet. Damit würde der Kompetenzmangel, der die Einbeziehung einer für notwendig erachteten Formvorschrift in die Vertretungsregelung veranlaßt, zum Auslöser einer Ungleichbehandlung, die unter dem von der Sache her allein maßgeblichen Gesichtspunkt des haftungsrechtlichen Vertrauensschutzes der inneren Rechtfertigung entbehrt. Der Senat hält deshalb dafür, daß die angesprochene Verletzung des § 54 Abs. 1 BWGO die scharfe, am Erfüllungsinteresse orientierte Vertrauenshaftung des grundsätzlich allein vertretungsberechtigten Organs nach § 179 Abs. 1 BGB nicht rechtfertigt und daß kein Anlaß besteht, den Vertragsgegner besser zu stellen, als sei dem rechtsgeschäftlich bevollmächtigten Vertreter einer natürlichen Person oder einer juristischen Person des Privatrechts ein die Wirksamkeit des Geschäfts beeinträchtigender Formfehler unterlaufen.
5. Die Kläger werden durch eine solche Lösung nicht rechtlos gestellt.

a) Dem Beklagten oblag als Bürgermeister auch bei seinem Handeln für die Gemeinde im privatrechtlichen Bereich die Amtspflicht, die Bestimmungen der Gemeindeordnung einzuhalten und Sorge dafür zu tragen, daß den Klägern als Vertragspartnern der Gemeinde aus seinem Verhalten keine Schäden entstehen konnten. Mögen die in § 54 Abs. 1 BWGO enthaltenen Bestimmungen , die die Vertretungsberechtigung des Bürgermeisters für die Abgabe von Verpflichtungserklärungen ausgestalten, im wesentlichen Pflichten umreißen, die er im Interesse der Allgemeinheit wahrzunehmen hat, so läßt sich doch nicht leugnen, daß der Beklagte im Rahmen der bestehenden Vertragsbeziehung verpflichtet war, sich auch in bezug auf die Kläger darüber zu vergewissern , ob er im Rahmen eines Geschäfts der laufenden Verwaltung formlos eine Vereinbarung schließen konnte oder ob er die Förmlichkeiten des § 54 Abs. 1 BWGO zu beachten hatte.

b) Danach kommt grundsätzlich eine persönliche Haftung des Beklagten nach § 839 BGB in Betracht, die nicht nach Art. 34 Satz 1 GG auf die Gemeinde überzuleiten ist, weil es sich um keine hoheitliche Tätigkeit handelte. Unter Zugrundelegung des objektivierten Sorgfaltsmaßstabs, der im Rahmen des § 839 Abs. 1 BGB gilt und nach dem es für die Beurteilung des Verschuldens auf Kenntnisse und Fähigkeiten ankommt, die für die Führung des übernommenen Amts im Durchschnitt erforderlich sind (vgl. Senatsurteile BGHZ 134, 268, 274; vom 26. Oktober 2000 - III ZR 53/99 - WM 2001, 147, 149), ist ein Verschulden des Beklagten nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt nicht zu verneinen.

c) Allerdings erfaßt der mögliche Anspruchsinhalt nicht, wie die Kläger begehren, die Freistellung von dem der Gemeinde zugesprochenen Wildscha-
densersatz. Denn die Kläger können im Rahmen eines Anspruchs nach § 839 BGB lediglich verlangen, so gestellt zu werden, als hätte sich der Beklagte amtspflichtgemäß verhalten. Dann aber hätte der Beklagte davon absehen müssen, vor einer entsprechenden Beschlußfassung im Gemeinderat auf die entstandenen Ansprüche zu verzichten. Da der Gemeinderat, wie der weitere Fortgang gezeigt hat, zu einem entsprechenden Verzicht nicht bereit war, hätten sich die Kläger damit abfinden müssen, daß die Ansprüche nach Maßgabe des Pachtvertrages geltend gemacht und geklärt werden. Im Schutzbereich des § 839 BGB liegen hier daher nur solche Schadenspositionen, die darauf beruhen , daß die Kläger auf die Wirksamkeit der mit dem Beklagten getroffenen Vereinbarung vertraut haben. Hierzu gehören etwa Aufwendungen, die die Kläger im Hinblick auf die Erhöhung der Abschußzahlen tätigten. Solche werden indes im laufenden Verfahren nicht geltend gemacht.
Darüber hinaus kommt in Betracht, daß die Kläger bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Gemeinde die Wirksamkeit der mit dem Beklagten getroffenen Vereinbarung unter Bezugnahme auf die Vorschrift des § 54 Abs. 1 BWGO leugnete , vom rechtlichen Bestand dieser Vereinbarung ausgehen durften. Sie waren auch danach nicht ohne weiteres verpflichtet, dem erhobenen Anspruch der Gemeinde Folge zu leisten. Vielmehr waren sie im Hinblick auf die geschlossene Vereinbarung berechtigt, sich über deren Wirksamkeit anwaltlichen Rat einzuholen.

d) Der Senat muß im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht abschließend entscheiden, ob die Sach- und Rechtslage es rechtfertigte, daß die Kläger neben der vorgerichtlichen Zuziehung eines Rechtsanwalts zwei gerichtliche Instanzen zur Klärung der Frage in Anspruch nahmen, ob es sich hier um
ein Geschäft der laufenden Verwaltung handelte, das die Gemeinde an den erklärten Verzicht band. Auch wenn man dies unterstellt, besteht derzeit gegen den Beklagten ein Anspruch nicht, weil dieser die Kläger nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB auf eine anderweitige Ersatzmöglichkeit verweisen darf, die in der Haftung der Gemeinde nach §§ 31, 89 BGB für das Verhalten ihres verfassungsmäßig berufenen Vertreters besteht. Zwar haben die Kläger im Vorprozeß bereits Gegenansprüche gegen die Gemeinde geltend macht, denen das Landgericht nicht entsprochen hat. Sie betrafen jedoch im Kern Freistellungsansprüche in bezug auf den Wildschadensersatz und Bereicherungsansprüche aus dem Umstand, daß die Kläger den Abschuß weiblichen Rotwilds erhöht hatten. Die vorstehend umrissenen Ansprüche wegen Kosten anwaltlicher Beratung und des Vorprozesses sind jedoch bislang nicht geltend gemacht worden. Daß im Vorprozeß zu Lasten der Kläger eine Kostenentscheidung ergangen ist, steht einem möglichen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch als Schadensersatzanspruch auf der Grundlage der §§ 31, 89, 839 BGB nicht entgegen.
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Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.