Bundesgerichtshof Urteil, 19. Nov. 2013 - VI ZR 363/12

bei uns veröffentlicht am19.11.2013
vorgehend
Amtsgericht Koblenz, 142 C 273/08, 18.06.2008
Landgericht Koblenz, 6 S 197/08, 10.07.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 363/12 Verkündet am:
19. November 2013
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird eine im Bereich einer Autobahn befindliche Baustellenabsicherungsanlage
durch ein Kraftfahrzeug beschädigt, kann dem Unternehmer, der die Anlage im
Auftrag der zuständigen Behörde errichtet hat, ein Anspruch auf Ersatz des
entstandenen Schadens in Höhe des Werklohns zustehen, den ein gewerblicher
Betrieb für eine Reparatur in vergleichbaren Fällen üblicherweise verlangen
kann.
BGH, Urteil vom 19. November 2013 - VI ZR 363/12 - LG Koblenz
AG Koblenz
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. November 2013 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter
Zoll, Wellner und Stöhr und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 10. Juli 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagten haben der Klägerin unstreitig den bei einem Verkehrsunfall am 27. Juni 2007 entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das komplette Baustellenabsicherungsanlagen errichtet. Am Unfalltag geriet ein vom Beklagten zu 2 gesteuerter, bei der Beklagten zu 1 versicherter Lkw auf der A 61 im Bereich der Gemarkung D. aufgrund eines geplatzten Vorderreifens ins Schleudern und kollidierte mit einer von der Klägerin errichteten Baustellenabsicherungsanlage, wobei diese beschädigt wurde.
2
Die Beklagte zu 1 hat auf den von der Klägerin in Rechnung gestellten Ersatzbetrag in Höhe von 7.830,14 € insgesamt eine Zahlung von 2.832,42 € (zuzüglich einer Schadenspauschale) erbracht. Der Ersatzbetrag setzt sich im Wesentlichen zusammen aus der Höhe der Netto-Materialkosten, den abgerechneten Arbeitsstunden und den Fahrzeugkosten. Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um die Ersatzfähigkeit der Positionen Materialgemeinkostenzuschlag , Fertigungsgemeinkostenzuschlag, Kosten der Schadensbekämpfung , Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie Wagnis und Gewinn.
3
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin unter Abweisung der erweiterten Klage zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht führt im Wesentlichen aus:
5
Der Bundesgerichtshof lasse zu, dass, wenn bei einer Beschädigung einer Sache der Geschädigte die Sache im eigenen Betrieb reparieren lasse, dieser neben dem Lohn- und Materialaufwand auch anteilige Gemein-kosten - außer Unternehmergewinn - geltend machen könne. Der Bundesgerichtshof habe jedoch klargestellt, dass der Geschädigte nur die Kosten der jeweiligen Schadensbeseitigung beanspruchen könne. Der Anspruch sei auf die dem Geschädigten erwachsenen unfallbedingten Selbstkosten beschränkt. Mithin könne der Geschädigte nur die Mehrkosten verlangen, die ihm durch den jeweiligen konkreten Unfall entstanden seien, die also als solche durch die Schadensbilanz - und nicht durch eine betriebswirtschaftliche Kalkulation - ausgewiesen würden.
6
Die geltend gemachten Materialgemeinkosten, Fertigungsgemeinkosten, Kosten der Schadensbekämpfung und Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie Wagnis und Gewinn seien in diesem Sinne nicht auf das konkrete Unfallereignis bezogen. Bei den Kosten handele es sich um solche, die sich aus dem Geschäftsmodell der Klägerin bzw. aufgrund der "klassischen Mühewaltung" ergäben und die durch den "normalen Geschäftsbetrieb", nicht aber durch Schadensfälle erwirtschaftet werden müssten.

II.

7
Die dagegen gerichtete Revision ist begründet. Die Abweisung der Klage kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht aufrechterhalten werden.
8
1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Anspruch der Klägerin sei zu verneinen, weil die streitigen Positionen nicht durch das konkrete Unfallereignis bedingt seien, beruht auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, wonach dann, wenn wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten ist, der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen kann.
9
a) Das Berufungsgericht meint, seiner Entscheidung die Ausführungen des erkennenden Senats in dem Urteil vom 31. Mai 1983 (VI ZR 241/79, VersR 1983, 755) zugrunde legen zu können (ähnlich auch OLG Zweibrücken, VersR 2002, 1566). Das ist indes nicht der Fall. Jene Entscheidung greift Erwägungen des Senatsurteils vom 26. Mai 1970 (VI ZR 168/68, BGHZ 54, 82, 87 f.; vgl. auch Senatsurteil vom 3. Februar 1961 - VI ZR 178/59, JZ 1961, 420, 421) auf. Diesen Entscheidungen liegt jeweils zugrunde, dass ein Verkehrsbetrieb unfall- bedingt einen Schaden an seinen Fahrzeugen erlitt. Der erkennende Senat hat entschieden, dass ein Verkehrsbetrieb, der eine Werkstätte unterhält, die nur zur Instandsetzung der eigenen Fahrzeuge bestimmt ist, von dem Beschädiger eines Fahrzeugs nicht ohne weiteres Ersatz der höheren Kosten einer nicht vorgenommenen Fremdreparatur fordern kann, dass vielmehr in der Regel lediglich nach den Selbstkosten einer solchen Betriebswerkstatt zuzüglich anteiliger Gemeinkosten abgerechnet werden kann, weil nur diese Kosten im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Herstellung erforderlich sind.
10
Bei der vorliegenden Fallgestaltung liegen die Dinge anders. Ein Verkehrsbetrieb , der seine eigenen Fahrzeuge in einer eigenen Werkstatt repariert, ist nicht als Reparaturbetrieb gegenüber Dritten gewerblich tätig. Er führt die Reparaturen durch, um seine Leistungen als Verkehrsbetrieb unter Inanspruchnahme der reparierten Verkehrsmittel erbringen zu können. Es ist deshalb gerechtfertigt , ihn auf die Selbstkosten der durchgeführten Reparaturen zuzüglich anteiliger Gemeinkosten zu verweisen.
11
Die Klägerin erbringt hingegen die Einrichtung und Wartung von Baustellenabsicherungsanlagen als typische Fremdleistung für die beauftragenden Straßenverwaltungen. Auch die Reparatur einer unfallbeschädigten Baustellenabsicherungsanlage erfolgt, sofern nicht ohnehin ein gesonderter Auftrag für die Reparatur einer Fremdanlage vorliegt, um die dem Auftraggeber geschuldete Leistung vertragsgemäß zu erbringen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats hat aber ein Gewerbetreibender, der die ansonsten gewinnbringend eingesetzten Kapazitäten seines Betriebs dazu benutzt, beschädigtes Eigentum selbst zu reparieren, einen Anspruch darauf, dass ihm die Kosten einer Fremdreparatur ersetzt werden. Dies gilt selbst dann, wenn das vorhandene Personal die Reparatur ohne gesonderte Vergütung vornimmt. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Betrieb nicht ausgelastet ist und deshalb ansonsten un- genutzte Kapazitäten für die notwendige Reparatur genutzt werden können (vgl. Senatsurteile vom 26. Mai 1970 - VI ZR 168/68, aaO S. 87; vom 19. Juni 1973 - VI ZR 46/72, BGHZ 61, 56, 58; BGH, Urteil vom 30. Juni 1997 - II ZR 186/96, VersR 1997, 1287, 1288 f.; OLG Hamm, VersR 1991, 349 f.). Für Letzteres ist der Schädiger darlegungs- und beweisbelastet (vgl. OLG Frankfurt, NJW 2012, 2977; LG Bochum, NJW-RR 1989, 1195; LG Mühlhausen, Urteil vom 8. November 2011 - 2 S 95/11, juris Rn. 10; a.A. wohl OLG Saarbrücken, r+s 2013, 520, 522), wobei allerdings dem Geschädigten im Rahmen der sekundären Darlegungslast eine konkrete Darstellung der betrieblichen Auslastungssituation obliegt (LG Hannover, SP 2012, 364; dazu Wenker, jurisPR-VerkR 1/2013 Anm. 3).
12
b) Dass der Betrieb der Klägerin nicht ausgelastet gewesen wäre, stellt das Berufungsgericht nicht fest. Demgemäß hätte es darauf abstellen müssen, welchen Werklohn ein gewerblicher Betrieb für eine Reparatur in vergleichbaren Fällen üblicherweise verlangen kann. Denn das ist der zur Herstellung erforderliche Betrag im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, wobei sich die Grenzen aus § 632 Abs. 2 BGB ergeben (vgl. Senatsurteile vom 15. Oktober 2013 - VI ZR 528/12 und - VI ZR 471/12, z.V.b.). Üblich im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB ist eine Vergütung, die zur Zeit des Vertragsschlusses nach allgemeiner Auffassung der beteiligten Kreise am Ort der Werkleistung gewährt zu werden pflegt, wobei Vergleichsmaßstab Leistungen gleicher Art, gleicher Güte und gleichen Umfangs sind und die Anerkennung der Üblichkeit gleiche Verhältnisse in zahlreichen Einzelfällen voraussetzt (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2000 - VII ZR 239/98, NJW 2001, 151, 152). Auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den einzelnen von der Klägerin in Rechnung gestellten Positionen kommt es dabei ebenso wenig an wie auf die betriebswirtschaftlichen Ausführungen der Revision.
13
c) Demnach ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der neuen Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht im Rahmen freier Schadensschätzung (§ 287 Abs. 1 ZPO) den Umfang der üblichen Vergütung und den danach zu bemessenden zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag festzustellen haben. Galke Zoll Wellner Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
AG Koblenz, Entscheidung vom 18.06.2008 - 142 C 273/08 -
LG Koblenz, Entscheidung vom 10.07.2012 - 6 S 197/08 -

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes


(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. (2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadenser

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 632 Vergütung


(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. (2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige V

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Tenor Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 30.10.2012, BK8-12-019, aufgehoben. Die weitergehende auf Neubescheidung gerichtete Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließl

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(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) Ein Kostenanschlag ist im Zweifel nicht zu vergüten.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 239/98 Verkündet am:
26. Oktober 2000
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Üblich im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB ist die Vergütung, die zur Zeit des Vertragsschlusses
nach allgemeiner Auffassung der beteiligten Kreise am Ort der Werkleistung
gewährt zu werden pflegt.
BGH, Urteil vom 26. Oktober 2000 - VII ZR 239/98 - OLG München
LG München I
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Oktober 2000 durch die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Haß, Dr. Kuffer,
Dr. Kniffka und Wendt

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 10. März 1998 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt Werklohn für Betonbohr- und -sägearbeiten, die sie als Nachunternehmerin der mit Abbrucharbeiten beauftragten Beklagten auf drei Baustellen in M. erbracht hat. Die Parteien streiten im wesentlichen über die Höhe der vereinbarten Vergütung; nach Darstellung der Beklagten sollte der ihr gegen ihren Auftraggeber zustehende Werklohn nach Abzug einer "Provision" für die Beklagte an die Klägerin weitergereicht werden. Außerdem streiten die Parteien darüber, ob die Klägerin nach den mit der Beklagten geschlossenen Verträgen über die reinen Bohr- und Sägearbeiten hinaus den
vom Baukörper getrennten Beton hätte zerkleinern und entsorgen müssen. Mit den Kosten für diese Zusatzarbeiten hat die Beklagte gegen die Klageforderung aufgerechnet. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 127.253,51 DM stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil dahingehend abgeändert, daß die Beklagte lediglich 108.165,48 DM und Zinsen zu zahlen hat. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin erstrebt mit ihrer Anschlußrevision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

A) Die Revision der Beklagten:

I.

1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, zwischen den Parteien seien drei Werkverträge zustande gekommen. Die Behauptung der Beklagten, sie habe die Klägerin auch mit der Betonentsorgung beauftragt, sei widerlegt. Soweit die Beklagte für diese Behauptung erstmals mit ihrer Berufungsbegrün-
dung die Zeugin P. angeboten habe, sei das gemäß § 528 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Die Benennung der Zeugin erst im zweiten Rechtszug sei grob nachlässig. Die Zulassung des Beweismittels würde zudem die Erledigung des Rechtsstreits verzögern. 2. a) Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht die notwendigen Feststellungen für das Vorliegen grober Nachlässigkeit nicht getroffen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts ist notwendige Voraussetzung für eine Präklusion nach § 528 Abs. 2 ZPO, daß die Partei das Vorbringen im ersten Rechtszug aus grober Nachlässigkeit unterlassen hat. Dabei muß das Gericht die für die Annahme der groben Nachlässigkeit erforderlichen Tatsachen in seinem Urteil feststellen. Die Feststellung der notwendigen Tatsachen setzt wiederum voraus, daß das Gericht der Partei Gelegenheit gibt, sich zu den Gründen für die Verspätung des Vorbringens zu äußern (BGH, Urteil vom 8. November 1990 - VII ZR 3/90 = BauR 1991, 257, 258 = ZfBR 1991, 68 m.w.N.).
b) Das Berufungsgericht hätte das Beweismittel auch deshalb zulassen müssen, weil dadurch bei ordnungsgemäßer Prozeßführung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert worden wäre. aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage, ob eine Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreits eintritt, auf der Grundlage des § 273 Abs. 2 ZPO, d.h. unter Berücksichtigung der Möglichkeit des Gerichts zu beantworten, durch vorbereitende Maßnahmen eine Verzögerung zu vermeiden (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1998 - VII ZR 82/97, BauR 1999, 198 = ZfBR 1999, 91 = BGHR ZPO § 528 Abs. 2 - Verzögerung 11 m.w.N.). Ob der Tatrichter den sich aus § 273 ergebenden Pflichten zur Förderung des Prozes-
ses in genügender Weise nachgekommen ist, unterliegt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht. bb) Das Berufungsgericht meint, die Zulassung des neuen Beweismittels hätte auch die Ladung der drei im ersten Rechtszug vernommenen Zeugen und damit die Anberaumung eines neuen Termins zur Beweisaufnahme erfordern können. Letzteres trifft jedoch nicht zu. Es kann insoweit nicht außer Betracht bleiben, daß es sich um ein inhaltlich eng umgrenztes Beweisthema handelte. In solchen Fällen entspricht es der dem Tatrichter obliegenden Prozeßförderungspflicht , auch mehrere Zeugen durch vorbereitende Maßnahmen nach § 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO zu laden. Im Streitfall kommt hinzu, daß die Berufungsbegründungsschrift am 24. Dezember 1997 bei Gericht einging und daß das Berufungsgericht den auf den 10. März 1998 anberaumten Termin ohnehin nicht nur auf die eigentliche Verhandlung selbst, sondern auch auf eine mündliche Anhörung der Geschäftsführer der Parteien nach § 141 ZPO ausgerichtet und deren persönliches Erscheinen angeordnet hatte.

II.

1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Behauptungen der Beklagten zur Höhe der Vergütung seien als widerlegt anzusehen 2. Die Revision rügt aus den unter I. 2. mitgeteilten Gründen wiederum zu Recht, daß das Berufungsgericht auch zu diesem das Beweisthema nicht wesentlich erweiternden Punkt nicht die Zeugin P. gehört hat.

III.

1. Das Berufungsgericht ermittelt die übliche Vergütung gemäß § 632 Abs. 2 BGB lediglich durch Erwägungen zu der Preisgestaltung in Verträgen, durch die die Klägerin selbst für zwei der Baustellen Subunternehmer beauftragte. 2. Die Erwägungen des Berufungsgerichts sind rechtsfehlerhaft. Üblich im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB ist die Vergütung, die zur Zeit des Vertragsschlusses nach allgemeiner Auffassung der beteiligten Kreise am Ort der Werkleistung gewährt zu werden pflegt (Erman/Seiler, BGB, 10. Aufl., § 632 Rdn. 6). Vergleichsmaßstab sind Leistungen gleicher Art, gleicher Güte und gleichen Umfangs. Die Anerkennung der Üblichkeit setzt gleiche Verhältnisse in zahlreichen Einzelfällen voraus (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 1965 - VII ZR 194/63 = BGHZ 43, 154, 159). Das Berufungsgericht hat somit für seine Beurteilung ohne sachverständige Beratung eine nicht hinreichende Grundlage gewählt.

B) Die Anschlußrevision der Klägerin: 1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die übliche Vergütung ergebe sich erst durch einen Abschlag von 15 % auf die Klageforderung. 2. Mit Recht rügt die Anschlußrevision, daß das Berufungsgericht ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen oder die andernfalls erforderliche Darlegung eigener Sachkunde zu diesem Ergebnis gekommen ist.
Gegenüber der Auffassung des Berufungsgerichts, ein Sachverständiger sei "ebenfalls auf Preisvergleiche angewiesen", verweist sie darauf, daß der Sachverständige nicht nur auf die von den Parteien genannten Preise, sondern auch auf Preise der Unternehmer der Branche bei vergleichbaren Bauvorhaben zurückgreifen kann. Die Klägerin hat in den Tatsacheninstanzen durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellt, daß die Preise, die sie der Beklagten in Rechnung gestellt hat, den üblichen Sätzen entsprechen. Die Anschlußrevision sieht daher mit Recht einen Verstoß gegen § 286 ZPO darin, daß sich das Berufungsgericht insoweit mit Vermutungen begnügt hat, anstatt durch Einschaltung eines Sachverständigen den Sachverhalt aufzuklären.
Thode Haß Kuffer Kniffka Wendt

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.