Bundesgerichtshof Urteil, 22. Apr. 2008 - VI ZR 237/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 14. September 2006, bei dem die alleinige Haftung des Beklagten dem Grunde nach außer Streit steht. Der vom Kläger beauftragte Sachverständige schätzte die Reparaturkosten auf 5.574,89 €, den Wiederbeschaffungswert auf 4.400 € und den Restwert auf 800 €, jeweils einschließlich Mehrwertsteuer. Der Kläger ließ das Auto bei einer Fachwerkstatt reparieren, die am 29. September 2006 einen Betrag in Höhe von 5.650,62 € in Rechnung stellte. Im November 2006 veräußerte der Kläger sein Fahrzeug. Er verlangt von dem Beklagten, der lediglich 3.505,88 € zahlte, die restlichen Reparaturkosten und außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 148,33 € ersetzt.
- 2
- Das Amtsgericht hat den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 94,12 € nebst Zinsen und Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 46,41 € verurteilt. Das Landgericht hat dieses Urteil teilweise abgeändert und den Beklagten zur Zahlung weiterer 2.050,62 € nebst Zinsen und Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von weiteren 101,92 € verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte, die Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
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- Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts, das eine sechsmonatige Weiternutzung des reparierten Fahrzeugs als erforderlich angesehen hat, um das für eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis erforderliche Integritätsinteresse nachzuweisen, ist das Berufungsgericht der Auffassung, dem Kläger stehe der in Rechnung gestellte Reparaturbetrag zu. Dieser liege innerhalb der Grenze von 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs. Eine weitere Nutzung von mindestens sechs Monaten nach dem Unfall sei nicht erforderlich. Der Bundesgerichtshof stelle bei einer fachgerechten Reparatur nicht auf eine nachfolgende längere Nutzung des Fahrzeugs durch den Geschädigten ab. Soweit der Beklagte eine vollständige Reparatur bestreite, sei dies nicht hinreichend substantiiert.
II.
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- Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Geschädigte kann auch nach einer vollständigen und fachgerechten Reparatur zum Ausgleich eines Fahrzeugschadens, der den Wiederbeschaffungswert um nicht mehr als 30 % übersteigt, Reparaturkosten im Regelfall nur verlangen, wenn er das Fahrzeug nach dem Unfall sechs Monate weiter nutzt.
- 5
- 1. Nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats hat der Geschädigte unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Ersatz des Reparaturaufwands bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs (vgl. Senatsurteile BGHZ 115, 364, 371; 162, 161, 166; 162, 170, 173). Dass der Geschädigte Schadensersatz erhält, der den Wiederbeschaffungswert übersteigt, steht mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot aber nur im Einklang, wenn er den Zustand des ihm vertrauten Fahrzeugs wie vor dem Unfall wiederherstellt, um dieses Fahrzeug nach der Reparatur weiter zu nutzen. Sein für den Zuschlag von bis zu 30 % ausschlaggebendes Integritätsinteresse bringt der Geschädigte im Regelfall dadurch hinreichend zum Ausdruck, dass er das Fahrzeug nach der Reparatur für einen längeren Zeitraum nutzt (vgl. Senatsurteile vom 13. November 2007 - VI ZR 89/07 - VersR 2008, 134, 135; vom 27. November 2007 - VI ZR 56/07 - VersR 2008, 135, 136). Nach Erlass des Berufungsurteils hat der Senat für Fälle, bei denen eine Reparatur in Eigenregie erfolgt ist, entschieden, dass der Geschädigte zum Ausgleich eines Fahrzeugschadens, der den Wiederbeschaffungswert um nicht mehr als 30 % übersteigt, Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) auch bei vollständiger und fachgerechter Reparatur im Regelfall nur verlangen kann, wenn er das Fahrzeug nach dem Unfall sechs Monate weiter nutzt (vgl. Senatsurteile vom 13. November 2007 - VI ZR 89/07 - aaO; vom 27. November 2007 - VI ZR 56/07 - aaO).
- 6
- Die Frage, wie lange der Geschädigte sein Fahrzeug weiter nutzen muss, um sein Integritätsinteresse hinreichend zum Ausdruck zu bringen und auf Reparaturkostenbasis abrechnen zu können, ist für die im Streitfall gegebene Fallgestaltung, in der eine konkrete Abrechnung aufgrund einer in einer Fachwerkstatt erfolgten vollständigen und fachgerechten Reparatur erfolgt, nicht anders zu beurteilen. Auch hier trifft der aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot folgende Grundsatz zu, dass allein ein Integritätsinteresse am Behalten des vertrauten Fahrzeugs die Erstattung des höheren Reparaturaufwandes rechtfertigt , wenn bei der Reparatur der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs überschritten wird. Ist dies nicht - etwa durch eine Weiternutzung von sechs Monaten - nachgewiesen, kann der Geschädigte mithin im Regelfall nur den Wiederbeschaffungsaufwand ersetzt verlangen (vgl. Senatsurteil vom 27. November 2007 - VI ZR 56/07 - aaO; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. März 2008 - I-1 W 6/08 -, juris Rn. 21 f.; Heß/Burmann, NJW - Spezial 2007, 207 f. und 2008, 170 f.; Eggert/Ernst, Verkehrsrecht aktuell 2008, 28; Schneider, jurisPRVerkR 2/2008 Anm. 2 und 3; Staab NZV 2007, 279, 280 f.; Praxishinweis, Verkehrsrecht aktuell 2008, 21; Wittschier, NJW 2008, 898 f.; a.A. OLG Celle, NJW 2008, 928).
- 7
- 2. Dies steht nicht in Widerspruch zu den Senatsurteilen vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 77/06 - VersR 2007, 372 f. und vom 15. Februar 2005, BGHZ 162, 161 und 162, 170. In dem Urteil vom 5. Dezember 2006 kam es auf das Integritätsinteresse nicht an, weil der Geschädigte einen Schaden tatsächlich hat reparieren lassen, der den Wiederbeschaffungswert nicht über- stiegen hat. Ihm waren die Kosten für die Wiederherstellung des Fahrzeugs in jedem Fall entstanden und sie waren vom Wert des Fahrzeugs auch gedeckt. In den den Entscheidungen vom 15. Februar 2005 zugrunde liegenden Fällen hatte der jeweilige Kläger das Fahrzeug weiter genutzt. Es ging daher nur um die Frage, unter welchen sonstigen Voraussetzungen bei einer Weiternutzung des Fahrzeugs ein Reparaturaufwand von bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert erstattet verlangt werden kann.
- 8
- 3. Der Kläger hat keine besonderen Umstände dargelegt, die ausnahmsweise ein Integritätsinteresse trotz der nicht ausreichenden Weiternutzung begründen könnten, sondern nur darauf hingewiesen, dass er ein wirtschaftliches Interesse an der Durchführung der Reparatur gehabt habe, um bei der Neuanschaffung eines Fahrzeugs einen angemessenen Preis für das verunfallte Fahrzeug zu erhalten. Der Senat kann daher gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts zurückzuweisen. Der Kläger kann entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung wegen seines fehlenden Integritätsinteresses an einer Reparatur nur Schadensersatz in Höhe des Wiederbeschaffungsaufwands verlangen.
- 9
- 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Vorinstanzen:
AG Oberhausen, Entscheidung vom 23.05.2007 - 31 C 28/07 -
LG Duisburg, Entscheidung vom 30.08.2007 - 5 S 63/07 -
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Annotations
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)