Bundesgerichtshof Urteil, 24. Feb. 2015 - VI ZR 106/13

bei uns veröffentlicht am24.02.2015
vorgehend
Landgericht Bad Kreuznach, 3 O 70/10, 31.08.2012
Oberlandesgericht Koblenz, 5 U 1175/12, 29.01.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 106/13 Verkündet am:
24. Februar 2015
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Frage, welche Maßnahmen der Arzt aus der berufsfachlichen Sicht seines
Fachbereichs unter Berücksichtigung der in seinem Fachbereich vorausgesetzten
Kenntnisse und Fähigkeiten in der jeweiligen Behandlungssituation
ergreifen muss, richtet sich in erster Linie nach medizinischen Maßstäben,
die der Tatrichter mit Hilfe eines Sachverständigen zu ermitteln hat. Er darf
den medizinischen Standard grundsätzlich nicht ohne eine entsprechende
Grundlage in einem Sachverständigengutachten oder gar entgegen den Ausführungen
des Sachverständigen aus eigener Beurteilung heraus festlegen.

b) Bei der Einstufung eines ärztlichen Fehlverhaltens als grob handelt es sich
um eine juristische Wertung, die dem Tatrichter obliegt. Diese wertende Entscheidung
muss aber in vollem Umfang durch die vom ärztlichen Sachverständigen
mitgeteilten Fakten getragen werden und sich auf die medizinische
Bewertung des Behandlungsgeschehens durch den Sachverständigen stützen
können.
BGH, Urteil vom 24. Februar 2015 - VI ZR 106/13 - OLG Koblenz
LG Bad Kreuznach
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Februar 2015 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter
Wellner und Stöhr und die Richterinnen von Pentz und Dr. Oehler

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 29. Januar 2013 aufgehoben. Die Sache wird zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt die Beklagten, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, aus eigenem und übergegangenem Recht wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung ihres am 17. Oktober 2005 verstorbenen Sohnes auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.
2
Der im Jahr 1975 geborene Sohn der Klägerin litt unter einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, weshalb er mehrfach - zuletzt im Januar 2004 - stationär behandelt wurde. In den Entlassungsberichten der R. Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie vom 24. Juli 2003 und 30. April 2004 wurde jeweils eine bradykarde Herzaktion vermerkt. Am 25. Juli 2003, 22. Dezember 2004, 18. Mai 2005 und 24. August 2005 suchte der Sohn der Klägerin den Beklagten zu 1 in der von den Beklagten geführten Gemeinschaftspraxis für Neurologie und Psychiatrie auf. Am 22. Dezember 2004 erhielt er vom Beklagten zu 1 80 Tabletten Amisulprid 200. Am Morgen des 17. Oktober 2005 fand die Klägerin ihren Sohn leblos in seinem Bett liegend auf. Im Bad befand sich Erbrochenes. Bei der rechtsmedizinischen Untersuchung wurde ein Amisulpridspiegel am oberen Grenzwert des Wirkbereichs festgestellt und ein rhythmogenes Herzversagen nach Einnahme von Amisulprid als naheliegende Todesursache angenommen.
3
Die Klägerin macht geltend, die Beklagten hätten angesichts der kardiologischen Nebenwirkungen von Amisulprid und des Umstands, dass bei ihrem Sohn Bradykardien aufgetreten seien, halbjährliche EKG-Untersuchungen veranlassen müssen. Dabei wären eine Bradykardie sowie ein verlängertes QTIntervall festgestellt worden, die ein sofortiges Eingreifen, insbesondere eine Umstellung der Medikation, erfordert hätten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Klägerin gegen die Beklagten keine Schadensersatzansprüche zu. Dem Beklagten zu 1 sei kein Behandlungsfehler unterlaufen. Ein solcher liege insbesondere nicht darin, dass der Beklagte zu 1 beim Sohn der Klägerin keine halbjährlichen EKG-Kontrollen veranlasst habe. Derartige Kontrollen seien nicht geboten gewesen. Anhaltspunkte für eine kardiologische Problematik seien für die Konsultationen beim Beklagten zu 1 nicht dargetan. Der Sohn der Klägerin habe dem Beklagten zu 1 insbesondere nicht von Unverträglichkeiten berichtet. Die Dokumentation des Beklagten lasse auch nicht erkennen, dass die klinische Anamnese Anhaltspunkte für eine erforderliche kardiologische Untersuchung gegeben habe. Abgesehen davon scheitere die Annahme eines Befunderhebungsfehlers auch an einem fehlenden Verschulden. Denn in den Leitlinien und Fachinformationen werde die EKG-Untersuchung nur empfohlen; lediglich in der Literatur würden entsprechende Kontrollen für indiziert gehalten. Selbst wenn ein Befunderhebungsfehler zu bejahen wäre, fehle es an der erforderlichen Kausalität. Die Klägerin habe nicht bewiesen, dass das Unterlassen halbjährlicher EKG-Kontrollen ursächlich für den Tod ihres Sohnes sei. Eine Beweislastumkehr unter dem Gesichtspunkt eines groben Behandlungsfehlers komme nicht in Betracht. Selbst wenn man die Vornahme von EKG-Kontrollen als zwingend ansähe, läge lediglich ein einfacher Behandlungsfehler vor. Eine Beweislastumkehr nach einem einfachen Befunderhebungsfehler scheitere daran, dass ein halbjährliches EKG nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem reaktionspflichtigen Befund geführt hätte. Es sei nicht dargetan, dass der Sohn der Klägerin vor dem 17. Oktober 2005 über Störungen der Herzrhythmustätigkeit geklagt habe. Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Obduktionsberichte seien in der Literatur auch plötzliche Todesfälle im Zusammenhang mit der Einnahme von Amisulprid beschrieben, bei denen zuvor keine Auffälligkeiten im EKG zu verzeichnen gewesen seien. Die gerichtlich bestellte Sachverständige habe Bradykardien bei der vorliegend verordneten Dosierung von 200 mg pro Tag als unwahrscheinlich erachtet. Aus dem zweiten Obduktionsbericht vom 22. März 2006 ergebe sich, dass es dem Sohn der Klägerin bis zum 12. September 2005 körperlich gut gegangen sei. Es sei nicht erkennbar, weshalb ein regelmäßiges EKG zwischen dem letzten dokumentierten Besuch des Sohns der Klägerin beim Beklagten zu 1 am 24. August 2005 und dem Todeszeitpunkt am 17. Oktober 2005 zu terminieren gewesen sei. Nehme man ausgehend von dem in der R. Klinik vorgenommenen EKG vom 20. Januar 2004 einen halbjährlichen Rhythmus an, so hätte eine Kontrolle letztmals im Juli 2005 erfolgen müssen. Da der Todesfall erst Monate später im Oktober 2005 eingetreten sei, sei nicht hinreichend wahrscheinlich, dass sich bereits im Juli 2005 ein reaktionspflichtiger Befund gezeigt hätte. Schließlich habe die Klägerin auch nicht plausibel gemacht, welche Reaktion des Beklagten zu 1 im Falle eines auffälligen EKG geboten gewesen wäre. Soweit sie ausführt, es hätte einer sofortigen Umstellung der Medikation bedurft, bleibe dies formelhaft und abstrakt. Sie habe insbesondere nicht dargelegt, dass es überhaupt ein Präparat ohne die bezeichneten Nebenwirkungen gegeben habe. Der Sohn der Klägerin sei aufgrund seiner Erkrankung auf den Wirkstoff angewiesen gewesen, weshalb er das Risiko der Nebenwirkungen habe eingehen müssen.

II.

5
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts können die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens nicht verneint werden.
6
1. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , den Beklagten sei nicht deshalb ein Befunderhebungsfehler vorzuwerfen , weil sie beim Sohn der Klägerin keine halbjährliche EKG-Kontrolle veranlasst haben.
7
a) Im Ansatz zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen , dass das Absehen von halbjährlichen EKG-Untersuchungen nur dann als Behandlungsfehler qualifiziert werden kann, wenn es dem im Zeitpunkt der Behandlung bestehenden medizinischen Standard zuwiderlief. Der Standard gibt Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung vorausgesetzt und erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat (vgl. Senatsurteile vom 21. Dezember 2010 - VI ZR 284/09, BGHZ 188, 29 Rn. 9, 12; vom 15. April 2014 - VI ZR 382/12, VersR 2014, 879 Rn. 11).
8
Die Ermittlung des Standards ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Ergebnis der tatrichterlichen Würdigung kann revisionsrechtlich nur auf Rechts- und Verfahrensfehler überprüft werden, also insbesondere darauf, ob ein Verstoß gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze vorliegt, das Gericht den Begriff des medizinischen Standards verkannt oder den ihm unterbreiteten Sachverhalt nicht erschöpfend gewürdigt hat (vgl. Senat, Urteile vom 27. März 2007 - VI ZR 55/05, BGHZ 172, 1 Rn. 17 ff.; vom 15. April 2014 - VI ZR 382/12, VersR 2014, 879 Rn. 13).
9
b) Ein solcher Rechtsfehler ist hier gegeben. Die Revision rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht den medizinischen Standard verfahrensfehlerhaft bestimmt hat.
10
aa) Die Frage, welche Maßnahmen der Arzt aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs unter Berücksichtigung der in seinem Fachbereich vorausgesetzten Kenntnisse und Fähigkeiten in der jeweiligen Behandlungssi- tuation ergreifen muss, richtet sich in erster Linie nach medizinischen Maßstäben , die der Tatrichter mit Hilfe eines Sachverständigen zu ermitteln hat. Er darf den medizinischen Standard nicht ohne eine entsprechende Grundlage in einem Sachverständigengutachten oder gar entgegen den Ausführungen des Sachverständigen aus eigener Beurteilung heraus festlegen (vgl. Senatsurteile vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93, VersR 1995, 659, 660; vom 19. November 1996 - VI ZR 350/95, VersR 1997, 315, 316; vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06, VersR 2008, 644 Rn. 16; vom 15. April 2014 - VI ZR 382/12, VersR 2014, 879 Rn. 13; Senatsbeschluss vom 9. Juni 2009 - VI ZR 138/08, VersR 2009, 1405 Rn. 3). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Tatrichter ausnahmsweise selbst über das erforderliche medizinische Fachwissen verfügt und dies in seiner Entscheidung darlegt (vgl. Senatsurteil vom 8. Juli 2003 - VI ZR 304/02, VersR 2003, 1256, 1257; vom 28. Mai 2002 - VI ZR 42/01, VersR 2002, 1026, 1028; vom 27. März 2001 - VI ZR 18/00, VersR 2001, 859, 860).
11
bb) Wie die Revision zu Recht beanstandet, hat das Berufungsgericht im Streitfall eine von der Beurteilung der gerichtlich bestellten Sachverständigen abweichende, eigene medizinische Bewertung des Behandlungsgeschehens vorgenommen ohne aufzuzeigen, dass es über die erforderliche Sachkunde verfügt. Es hat damit den medizinischen Standard in unzulässiger Weise selbst bestimmt.
12
(1) Die Sachverständige Dr. R. hat halbjährliche EKG-Kontrollen im Streitfall medizinisch für geboten erachtet. Zur Begründung ihrer Beurteilung hat sie insbesondere auf die Warnhinweise der Hersteller von Solian und Amisulprid-Generika verwiesen, wonach Amisulprid eine dosisabhängige Verlängerung des QT-Intervalls verursache und wonach dieser Effekt - der das Risiko von schweren ventrikulären Arrhythmien wie Torsades de pointes erhöhe - bei Vorliegen kardialer Störungen, insbesondere Bradykardie, verstärkt werde. Sie hat weiter die Leitlinien der DDPPN angeführt, wonach die Durchführung eines EKG in halbjährlichen Abständen bei einer Amisulprid-Medikation empfohlen werde, und Fachliteratur zitiert, wonach bei allen Antipsychotika ein EKG in mehrmonatigen Abständen indiziert sei. Auf Seite 32 ihres Gutachtens vom 19. Mai 2011 hat sie zusammenfassend ausgeführt: "In Zusammenschau mit den Empfehlungen der Fachgesellschaft, der entscheidenden Literatur und der Herstellerinformation ist aber eine halbjährliche EKG-Kontrolle indiziert, insbesondere , da bei Herrn G. [Sohn der Klägerin] eine Bradykardie vordokumentiert war." Zwar hat sie ihre Beurteilung auf Seite 35 ihres Gutachtens dahingehend eingeschränkt, dass unter dem Risikofaktor der vordokumentierten Bradykardie und der kontinuierlichen Behandlung mit Amisulprid eine EKG-Untersuchung im halbjährlichen Abstand hätte erfolgen sollen; die kontinuierliche Einnahme von Amisulprid sei anhand der Akte allerdings nicht nachzuvollziehen. Im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Landgericht hat die Sachverständige aber unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen auf Seite 32 ihres Gutachtens daran festgehalten , dass es ausgehend von den Empfehlungen als fehlerhaft zu werten sei, wenn keine halbjährliche EKG-Kontrolle durchgeführt werde.
13
(2) Das Berufungsgericht hat dagegen aufgrund einer - von dieser sachverständigen Beurteilung abweichenden - eigenen medizinischen Würdigung des Behandlungsgeschehens angenommen, es sei weder notwendig gewesen, den Sohn der Klägerin selbst mittels EKG zu untersuchen noch eine Überweisung an einen anderen Arzt in Betracht zu ziehen.
14
2. Die angefochtene Entscheidung wird auch nicht von der Hilfserwägung getragen, ein in dem Unterlassen halbjährlicher EKG-Kontrollen liegender Befunderhebungsfehler sei für den Tod des Sohnes der Klägerin jedenfalls nicht kausal geworden. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Klägerin komme insoweit eine Beweislastumkehr nicht zugute.
15
a) Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass grundsätzlich der Anspruchsteller den Ursachenzusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem geltend gemachten Gesundheitsschaden nachzuweisen hat (vgl. Senatsurteile vom 21. Dezember 2010 - VI ZR 284/09, BGHZ 188, 29 Rn. 19; vom 5. November 2013 - VI ZR 527/12, VersR 2014, 247 Rn. 13). Es hat seiner Entscheidung auch zutreffend die Rechtsprechung des Senats zugrunde gelegt, nach der bei der Unterlassung einer gebotenen Befunderhebung eine Beweislastumkehr hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität erfolgt, wenn bereits das Absehen von einer aus medizinischer Sicht gebotenen Befunderhebung einen groben ärztlichen Fehler darstellt. Zudem kann auch eine nicht grob fehlerhafte Unterlassung der Befunderhebung dann zu einer Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden führen, wenn sich bei der gebotenen Abklärung der Symptome mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde und diese Fehler generell geeignet sind, den tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden herbeizuführen (vgl. Senatsurteile vom 5. November 2013 - VI ZR 527/12, VersR 2014, 247 Rn. 14; vom 21. Januar 2014 - VI ZR 78/13, VersR 2014, 374 Rn. 20; siehe nun auch § 630h Abs. 5 BGB).
16
b) Die Revision beanstandet aber mit Erfolg, dass das Berufungsgericht das Unterlassen halbjährlicher EKG-Kontrollen nicht als groben, sondern als einfachen Befunderhebungsfehler eingestuft hat. Diese Beurteilung findet in den Ausführungen der Sachverständigen keine Grundlage. Zwar handelt es sich bei der Einstufung eines ärztlichen Fehlverhaltens als grob um eine juristi- sche Wertung, die dem Tatrichter obliegt. Indessen muss diese wertende Entscheidung in vollem Umfang durch die vom ärztlichen Sachverständigen mitgeteilten Fakten getragen werden und sich auf die medizinische Bewertung des Behandlungsgeschehens durch den Sachverständigen stützen können. Es ist dem Tatrichter nicht gestattet, den Behandlungsfehler ohne entsprechende Darlegungen aufgrund eigener Wertung als grob oder nicht grob zu qualifizieren (vgl. etwa Senatsurteile vom 28. Mai 2002 - VI ZR 42/01, VersR 2002, 1026, 1027 f.; vom 3. Juli 2001 - VI ZR 418/99, VersR 2001, 1116, 1117; vom 19. Juni 2001 - VI ZR 286/00, VersR 2001, 1115 f.; vom 7. Juni 2011 - VI ZR 87/10, VersR 2011, 1148 Rn. 9).
17
Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht die gerichtlich bestellte Sachverständige nicht dazu befragt hat, wie das von ihr als fehlerhaft angesehene Absehen von halbjährlichen EKG-Kontrollen medizinisch zu gewichten sei, und die erforderliche Beweiserhebung durch eine eigene medizinische Würdigung des Behandlungsgeschehens ersetzt hat. Soweit das Berufungsgericht darauf verwiesen hat, lediglich in der Literatur fänden sich Hinweise darauf, dass eine EKG-Kontrolle indiziert sei, hat es sich über die Beurteilung der Sachverständigen hinweggesetzt, die das Unterlassen der EKGKontrolle unter den Umständen des vorliegenden Falles als fehlerhaft erachtet hat.
18
c) Von durchgreifenden Rechtsfehlern beeinflusst sind auch die Erwägungen , mit denen das Berufungsgericht eine Umkehr der Beweislast bei einem einfachen Befunderhebungsfehler verneint hat. Ob halbjährliche EKGKontrollen beim Sohn der Klägerin mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem reaktionspflichtigen Befund geführt hätten, bestimmt sich nach medizinischen Maßstäben, die der Tatrichter mit Hilfe eines Sachverständigen aus dem betroffenen medizinischen Fachgebiet zu ermitteln hat. Die Revision rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht auch diese Frage verfahrensfehlerhaft ohne die erforderliche Hinzuziehung eines Sachverständigen aus eigener, nicht ausgewiesener Sachkunde beantwortet hat. Die gerichtlich bestellte Sachverständige hat sich zu dieser Frage nicht geäußert. Soweit sich das Berufungsgericht auf ihre Angaben gestützt hat, bei einer therapeutischen Dosierung von 200 mg pro Tag seien Bradykardien unwahrscheinlich, hat es übersehen, dass die Sachverständige als kardiale Nebenwirkungen von Amisulprid neben der Bradykardie in erster Linie eine von dieser zu unterscheidende Verlängerung des QT-Intervalls (Verlängerung der Repolarisation des Ventrikels) angeführt hat. Eine Verlängerung des QT-Intervalls kann nach ihren Ausführungen zu lebensbedrohlichen ventrikulären Tachyarrhythmien einschließlich sogenannter Torsades de pointes führen. Das Risiko für derartige Arzneimittelwirkungen ist danach bei einer Bradykardie erhöht, setzt sie aber nicht voraus. In diese Richtung weisen auch die Ausführungen des Sachverständigen Dr. N. , der für die Staatsanwaltschaft die Leichenöffnung durchgeführt und den toxikologischen Befund erstellt hat. Danach kann Amisulprid zu einer Störung der Reizleitung innerhalb des Herzens führen und Herzrhythmusstörungen verursachen, die auch bei therapeutischen Dosen zu Herzversagen führen können. Wie die Revision zu Recht geltend macht, hatte sich die Klägerin diese Angaben ausdrücklich zu Eigen gemacht.
19
d) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Patientenseite müsse bei einem einfachen Befunderhebungsfehler die gebotene Reaktion auf den hypothetischen Befund in fachlich-medizinischer Hinsicht konkret substantiieren; soweit die Klägerin ausführe , die Bestätigung der Bradykardie hätte ein sofortiges Eingreifen notwendig gemacht sowie eine Beendigung der Medikation mit Amisulprid gefordert, bleibe dies formelhaft und abstrakt. Hierbei hat das Berufungsgericht übersehen, dass an die Substantiierungspflichten der Parteien im Arzthaftungsprozess maßvolle und verständige Anforderungen zu stellen sind. Vom Patienten kann regelmäßig keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden. Der Patient und sein Prozessbevollmächtigter sind insbesondere nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen. Vielmehr darf sich die Partei auf Vortrag beschränken, der die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes aufgrund der Folgen für den Patienten gestattet (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03, BGHZ 159, 245, 252).
20
Diesen Anforderungen genügte der Vortrag der Klägerin. Wie die Revision mit Erfolg geltend macht, hatte die Klägerin bereits in der Klageschrift vorgetragen , dass bei der EKG-Kontrolle die Bradykardie bestätigt worden und eine verlängerte Herzreizweiterleitung bei ihrem Sohn festgestellt worden wäre, die ein sofortiges Eingreifen, insbesondere eine sofortige Beendigung der Medikation mit Amisulprid notwendig gemacht hätte. Die aufgrund eigener - nicht ausgewiesener - Sachkunde getroffene Beurteilung des Berufungsgerichts, die weitere Einnahme von Amisulprid sei "alternativlos" gewesen, weshalb der Sohn der Klägerin das Risiko der Nebenwirkungen habe eingehen müssen, wird durch das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht getragen.
21
3. Die angefochtene Entscheidung wird auch nicht von der weiteren Hilfserwägung getragen, der Beklagte zu 1 habe die gebotene Befunderhebung jedenfalls nicht schuldhaft unterlassen. Das Berufungsgericht hat seine Beurteilung damit begründet, dass die EKG-Untersuchung in den Leitlinien und Fachinformationen nur empfohlen und lediglich in der Literatur für indiziert gehalten werde. Hierbei hat es übersehen, dass auch im Arzthaftungsrecht der objektivierte zivilrechtliche Fahrlässigkeitsbegriff des § 276 Abs. 2 BGB maßgeblich ist. Danach hat der Arzt für die Einhaltung der objektiv erforderlichen Sorgfalt einzustehen. Er muss die Voraussetzungen einer dem medizinischen Standard entsprechenden Behandlung kennen und beachten. Für ein dem Standard zuwiderlaufendes Vorgehen ist er haftungsrechtlich auch dann verantwortlich, wenn dieses aus seiner persönlichen Lage heraus subjektiv als entschuldbar erscheinen mag (Senatsurteile vom 29. Januar 1991 - VI ZR 206/90, BGHZ 113, 297, 303; vom 13. Februar 2001 - VI ZR 34/00, VersR 2001, 646; vom 6. Mai 2003 - VI ZR 259/02, VersR 2003, 1128, 1130). Den medizinischen Standard hatte die Sachverständige aber gerade dahingehend bestimmt, dass aufgrund der Verabreichung von Amisulprid halbjährliche EKG-Kontrollen geboten waren.
22
4. Das angefochtene Urteil beruht auf den aufgezeigten Rechtsfehlern. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung der vorhandenen und Einholung der erforderlichen sachverständigen Stellungnahmen einen zu einer Beweislastumkehr führenden Befunderhebungsfehler bejaht hätte. Galke Wellner Stöhr von Pentz Oehler
Vorinstanzen:
LG Bad Kreuznach, Entscheidung vom 31.08.2012 - 3 O 70/10 -
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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 276 Verantwortlichkeit des Schuldners


(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 630h Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler


(1) Ein Fehler des Behandelnden wird vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat.

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Bundesgerichtshof Urteil, 15. Okt. 2019 - VI ZR 105/18

bei uns veröffentlicht am 15.10.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 105/18 Verkündet am: 15. Oktober 2019 Böhringer-Mangold Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

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1. Das Berufungsgericht ist im Ansatzpunkt zutreffend davon ausgegangen , dass dem Kläger als Alleinerben seiner verstorbenen Ehefrau aus dem zwischen dieser und der Beklagten als Trägerin des Krankenhauses zustande gekommenen Behandlungsvertrag vertragliche Ansprüche zustehen können, wenn die Beklagte oder deren Ärzte als ihre Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) die geschuldete ärztliche Behandlung in einer dem fachärztlichen Standard zuwiderlaufenden Weise erbracht haben (vgl. Senatsurteil vom 8. Juli 2003 - VI ZR 304/02, VersR 2003, 1256).
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a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Übernahme der Behandlung der Mutter der Klägerin nur dann als Behandlungsfehler qualifiziert werden kann, wenn sie dem im Zeitpunkt der Behandlung bestehenden medizinischen Standard zuwiderlief (vgl. Senatsurteile vom 8. Juli 2003 - VI ZR 304/02, VersR 2003, 1256; vom 21. Dezember 2010 - VI ZR 284/09, BGHZ 188, 29 Rn. 9, 12). Der Standard gibt Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat (vgl. Senatsurteile vom 22. September 1987 - VI ZR 238/86, BGHZ 102, 17, 24 f.; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93, VersR 1995, 659, 660 mwN; vom 16. März 1999 - VI ZR 34/98, VersR 1999, 716, 718; vom 16. Mai 2000 - VI ZR 321/98, BGHZ 144, 296, 305 f.; Katzenmeier in Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 6. Auflage, Kap. X Rn. 6; Wenzel/Müller, Der Arzthaftungsprozess, Rn. 1426 ff.; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 12. Aufl., Rn. 157 ff., 174; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Auflage, B Rn. 2 ff.; Dressler, FS Geiß, S. 379 f., jeweils mwN).
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3. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken unterliegt auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, mit der es einen Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der Verabreichung des Medikaments vor dem 5. Mai 1992 verneint. Die Beurteilung , ob ein Behandlungsfehler vorliegt, ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters und revisionsrechtlicher Überprüfung nur eingeschränkt zugänglich. Das Berufungsgericht ist jedoch bei seiner Beurteilung unter den besonderen Umständen des Streitfalles von einem fehlerhaften, weil zu geringen Sorgfaltsmaßstab ausgegangen.
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a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Übernahme der Behandlung der Mutter der Klägerin nur dann als Behandlungsfehler qualifiziert werden kann, wenn sie dem im Zeitpunkt der Behandlung bestehenden medizinischen Standard zuwiderlief (vgl. Senatsurteile vom 8. Juli 2003 - VI ZR 304/02, VersR 2003, 1256; vom 21. Dezember 2010 - VI ZR 284/09, BGHZ 188, 29 Rn. 9, 12). Der Standard gibt Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat (vgl. Senatsurteile vom 22. September 1987 - VI ZR 238/86, BGHZ 102, 17, 24 f.; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93, VersR 1995, 659, 660 mwN; vom 16. März 1999 - VI ZR 34/98, VersR 1999, 716, 718; vom 16. Mai 2000 - VI ZR 321/98, BGHZ 144, 296, 305 f.; Katzenmeier in Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 6. Auflage, Kap. X Rn. 6; Wenzel/Müller, Der Arzthaftungsprozess, Rn. 1426 ff.; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 12. Aufl., Rn. 157 ff., 174; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Auflage, B Rn. 2 ff.; Dressler, FS Geiß, S. 379 f., jeweils mwN).
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Die Beurteilung, ob ein Behandlungsfehler als grob oder nicht einzustufen ist, ist eine juristische Wertung, die dem Tatrichter obliegt, der sich dabei mangels eigener Fachkenntnisse der Hilfe eines medizinischen Sachverständigen zu bedienen hat. In aller Regel wird er sonst den berufsspezifischen Sorgfaltsmaßstab des Arztes, der bei der Prüfung eines groben Behandlungsfehlers zu berücksichtigen ist, nicht zutreffend ermitteln können (st. Rspr., vgl. Senatsurteile BGHZ 72, 132, 135; 132, 47, 53 f.; vom 3. Dezember 1985 - VI ZR 106/84 - VersR 1986, 366, 367; vom 10. November 1987 - VI ZR 39/87 - VersR 1988, 293, 294; vom 13. Februar 1996 - VI ZR 402/94 - VersR 1996, 633, 634 und vom 27. März 2001 - VI ZR 18/00 - VersR 2001, 859, 860). Das einzuholende Sachverständigengutachten muss vollständig und überzeugend und insbesondere frei von Widersprüchen sein. Unklarheiten und Zweifel zwischen den verschiedenen Bekundungen des Sachverständigen hat das Gericht durch gezielte Befragung zu klären. Andernfalls bietet der erhobene Sachverständigenbeweis keine ausreichende Grundlage für die tatrichterliche Überzeugungsbildung (vgl. Senatsurteile vom 27. September 1994 - VI ZR 284/93 - VersR 1995, 195, 196; vom 4. Oktober 1994 - VI ZR 205/93 - VersR 1995, 46, 47; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93 - VersR 1995, 659, 660 und vom 27. März 2001 - VI ZR 18/00 - aaO).
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a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Übernahme der Behandlung der Mutter der Klägerin nur dann als Behandlungsfehler qualifiziert werden kann, wenn sie dem im Zeitpunkt der Behandlung bestehenden medizinischen Standard zuwiderlief (vgl. Senatsurteile vom 8. Juli 2003 - VI ZR 304/02, VersR 2003, 1256; vom 21. Dezember 2010 - VI ZR 284/09, BGHZ 188, 29 Rn. 9, 12). Der Standard gibt Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat (vgl. Senatsurteile vom 22. September 1987 - VI ZR 238/86, BGHZ 102, 17, 24 f.; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93, VersR 1995, 659, 660 mwN; vom 16. März 1999 - VI ZR 34/98, VersR 1999, 716, 718; vom 16. Mai 2000 - VI ZR 321/98, BGHZ 144, 296, 305 f.; Katzenmeier in Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 6. Auflage, Kap. X Rn. 6; Wenzel/Müller, Der Arzthaftungsprozess, Rn. 1426 ff.; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 12. Aufl., Rn. 157 ff., 174; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Auflage, B Rn. 2 ff.; Dressler, FS Geiß, S. 379 f., jeweils mwN).
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a) Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass sich das Gericht bei der Frage, ob eine Abweichung vom medizinischen Standard und damit ein Behandlungsfehler vorliegt, grundsätzlich auf die medizinische Bewertung des Behandlungsgeschehens durch einen Sachverständigen aus dem betroffenen medizinischen Fachgebiet stützen muss (vgl. etwa Senatsurteil vom 19. Mai 1987 - VI ZR 147/86 - VersR 1987, 1091, 1092). Es hat jedoch übersehen, dass beim Sorgfaltsmaßstab des Arztes nicht nur die im jeweiligen Fachgebiet geltenden Maßstäbe zu berücksichtigen sind, sondern auch allgemeine medizinische Grundkenntnisse (vgl. Senatsurteil BGHZ 140, 309, 317 betreffend physikalische Grundkenntnisse; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht , 6. Aufl., Rn. 32). Die Verletzung allgemeiner Grundkenntnisse durch den Beklagten zu 2 hat der Kläger jedoch - gestützt auf das Gutachten des toxikologischen Sachverständigen Prof. Dr. E. - behauptet.
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1. Das Berufungsgericht ist im Ansatzpunkt zutreffend davon ausgegangen , dass dem Kläger als Alleinerben seiner verstorbenen Ehefrau aus dem zwischen dieser und der Beklagten als Trägerin des Krankenhauses zustande gekommenen Behandlungsvertrag vertragliche Ansprüche zustehen können, wenn die Beklagte oder deren Ärzte als ihre Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) die geschuldete ärztliche Behandlung in einer dem fachärztlichen Standard zuwiderlaufenden Weise erbracht haben (vgl. Senatsurteil vom 8. Juli 2003 - VI ZR 304/02, VersR 2003, 1256).
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a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass grundsätzlich der Patient den Ursachenzusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem geltend gemachten Gesundheitsschaden nachzuweisen hat. Dabei ist zwischen der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität zu unterscheiden. Erstere betrifft die Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für die Rechtsgutverletzung als solche, also für den Primärschaden des Patienten im Sinne einer Belastung seiner gesundheitlichen Befindlichkeit. Insoweit gilt das strenge Beweismaß des § 286 ZPO, das einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit verlangt. Die Feststellung der haftungsausfüllenden Kausalität und damit der Ursächlichkeit der Rechtsgutverletzung für alle weiteren (Folge-)Schäden richtet sich hingegen nach § 287 ZPO; hier kann zur Überzeugungsbildung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06, VersR 2008, 644 Rn. 9 mwN; vom 22. Mai 2012 - VI ZR 157/11, VersR 2012, 905 Rn. 10 mwN; vom 2. Juli 2013 - VI ZR 554/12, VersR 2013, 1174 Rn. 15; näher Senatsurteile vom 24. Juni 1986 - VI ZR 21/85, VersR 1986, 1121, 1122 f.; vom 4. November 2003 - VI ZR 28/03, VersR 2004, 118, 119 f.; siehe auch Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Rn. B 189 ff.; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht , 12. Aufl., Rn. 626 ff.).

(1) Ein Fehler des Behandelnden wird vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat.

(2) Der Behandelnde hat zu beweisen, dass er eine Einwilligung gemäß § 630d eingeholt und entsprechend den Anforderungen des § 630e aufgeklärt hat. Genügt die Aufklärung nicht den Anforderungen des § 630e, kann der Behandelnde sich darauf berufen, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte.

(3) Hat der Behandelnde eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis entgegen § 630f Absatz 1 oder Absatz 2 nicht in der Patientenakte aufgezeichnet oder hat er die Patientenakte entgegen § 630f Absatz 3 nicht aufbewahrt, wird vermutet, dass er diese Maßnahme nicht getroffen hat.

(4) War ein Behandelnder für die von ihm vorgenommene Behandlung nicht befähigt, wird vermutet, dass die mangelnde Befähigung für den Eintritt der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit ursächlich war.

(5) Liegt ein grober Behandlungsfehler vor und ist dieser grundsätzlich geeignet, eine Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, wird vermutet, dass der Behandlungsfehler für diese Verletzung ursächlich war. Dies gilt auch dann, wenn es der Behandelnde unterlassen hat, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, soweit der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, das Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben hätte, und wenn das Unterlassen solcher Maßnahmen grob fehlerhaft gewesen wäre.

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2. Feststellungen dazu, ob bei Durchführung einer MRT-Untersuchung im Zeitraum kurz nach dem 6. November 1998 der Schlaganfall bei der Klägerin mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erkannt werden musste und sich die Verkennung eines solchen Befundes oder die Nichtreaktion auf ihn als grob fehlerhaft dargestellt hätte, hat das Berufungsgericht bislang aufgrund der fehlerhaften Beurteilung der Voraussetzungen der Beweislastumkehr bei einem einfachen Befunderhebungsfehler nicht in zureichender Weise getroffen. Die medizinischen Sachverständigen sind nicht dazu gehört worden, wie das Nichterkennen des Schlaganfalls bei Durchführung der gebotenen Untersuchungen bei der Klägerin bzw. im Falle des Erkennens des Schlaganfalls das Unterlassen der gebotenen Therapie medizinisch zu bewerten sei. Darauf weist die Revision mit Recht hin. Auch wenn die Beurteilung eines Behandlungsgeschehens als grob fehlerhaft eine juristische ist, die dem Tatrichter obliegt, muss diese doch in vollem Umfang durch die vom ärztlichen Sachverständigen mitgeteilten Fakten getragen werden und sich auf die medizinische Bewertung des Behandlungsgeschehens durch den Sachverständigen stützen können; es ist dem Tatrichter nicht gestattet, ohne entsprechende Darlegungen oder gar entgegen den medizinischen Ausführungen des Sachverständigen das Behandlungsgeschehen nur aufgrund eigener Wertung zu beurteilen (vgl. etwa Senatsurteile vom 28. Mai 2002 - VI ZR 42/01, VersR 2002, 1026, 1027; vom 3. Juli 2001 - VI ZR 418/99, VersR 2001, 1116, 1117 und vom 19. Juni 2001 - VI ZR 286/00, VersR 2001, 1115, 1116 jeweils mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 199/03 Verkündet am:
8. Juni 2004
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 823 Aa, I; ZPO (2002) §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 Nr. 3

a) Auch nach der Reform der Zivilprozeßordnung dürfen beim Vortrag zu medizinischen
Fragen im Arzthaftungsprozeß an den Vortrag zu Einwendungen gegen ein
Sachverständigengutachten ebenso wie an den klagebegründenden Sachvortrag
nur maßvolle Anforderungen gestellt werden.

b) Der Patient und sein Prozeßbevollmächtigter sind nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen
Prozeßführung medizinisches Fachwissen anzueignen.

c) Läßt das Berufungsgericht fehlerhaft Vorbringen nicht zu, weil es zu Unrecht dieses
für neu hält oder Nachlässigkeit bejaht (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO), so kann es
sich nicht auf die Bindung an die erstinstanzlich festgestellten Tatsachen berufen,
wenn die Berücksichtigung des Vorbringens zu Zweifeln im Sinne von § 529 Abs.
1 Nr. 1 ZPO hätte führen müssen.
BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03 - OLG Köln
LG Aachen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Juni 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. Juni 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen die Beklagte als Trägerin des Krankenhauses B. Schadensersatzansprüche geltend. Im Dezember 1998 stürzte die Klägerin und zog sich einen Speichenbruch mit Abriß des Griffelfortsatzes der Elle zu. Der erlittene Trümmerbruch mit einer hauptsächlich streckseitig gelegenen Trümmerzone wurde im Krankenhaus der Beklagten operativ eingerichtet. Anschließend wurde die Reponierung mit zwei durch die Haut eingebrachten Kirschner-Drähten und einer Gipsschiene stabilisiert. Nach Entfernung der Drähte Anfang Februar 1999 klagte die Klägerin über Beschwerden im Bereich des rechten Handgelenks und über ein
Taubheitsgefühl der Streckseite des rechten Daumens. Bei einer Untersuchung in der unfallchirurgischen Klinik R. wurde eine in Fehlstellung verheilte Radiusfraktur sowie eine Defektläsion des Daumenastes des Nervus radialis superficialis diagnostiziert. Die Klägerin hat vor dem Landgericht behauptet, die Ärzte des Krankenhauses B. hätten den Bruch fehlerhaft behandelt. Die unzureichende Stabilisierung habe zu einer Verheilung in Fehlstellung geführt. Auf ihre starken postoperativen Schmerzen sei nicht in angemessener Weise durch die Verordnung von Schmerzmitteln reagiert worden. Dies sei zur Prophylaxe eines Morbus Sudeck erforderlich gewesen. Bei Entfernung der Kirschner-Drähte sei es behandlungsfehlerhaft zu einer Durchtrennung des sensiblen Astes des Nervus radialis superficialis gekommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil in VersR 2004, 517 veröffentlicht ist, ist der Klage auf der Grundlage der in erster Instanz festgestellten Tatsachen der Erfolg zu versagen. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründeten und deshalb eine neue Feststellung gebieten würden, lägen nicht vor (§ 529 Abs. 1 ZPO).
Soweit die Klägerin weiterhin Behandlungsfehler bei der Durchführung der Spickdrahtosteosynthese rüge, bestehe keine Veranlassung zu einer weiteren Sachaufklärung. Der Sachverständige habe ausdrücklich hervorgehoben, die Einbringung der Drähte sei fehlerfrei erfolgt in Anwendung eines Verfahrens , welches dem Lehrbuchstandard entspreche und auch lehrbuchhaft durchgeführt worden sei. Die abweichende Auffassung der Klägerin, daß die Spickdrähte nicht korrekt angebracht worden seien, so daß eine ausreichende Stabilität nicht habe erzielt werden können, begründe keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen. Keine im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erheblichen Zweifel bestünden auch, soweit die Klägerin es als behandlungsfehlerhaft ansehe, daß die Enden der Drähte unter der Haut versenkt worden seien. Auch hierzu habe der Sachverständige festgestellt, die Einbringung der beiden Bohrdrähte sei regelgerecht erfolgt. Es stehe auch nicht fest, daß die Nervverletzung vermeidbar fehlerhaft von den behandelnden Ärzten verursacht worden sei. Der Sachverständige habe dargelegt, trotz größtmöglicher Sorgfalt habe es zu einer Durchtrennung bzw. Quetschung von kleinen Hautnerven kommen können. Mit ihrem erstmals in zweiter Instanz erfolgten Vorbringen, die Spickdrahtosteosynthese sei nicht die Methode der Wahl gewesen, könne die Klägerin ebensowenig durchdringen wie mit der gleichfalls neuen Behauptung, der Morbus Sudeck sei nicht adäquat bzw. überhaupt nicht behandelt worden. Auch bei der dargelegten Behandlungsalternative mit einem Fixateur externe handele es sich um eine Tatsachenbehauptung und nicht - wie die Klägerin meine - um die Darlegung eines von Amts wegen zu berücksichtigenden medizinischen Erfahrungssatzes. Beide Tatsachenbehauptungen fielen unter die Bestimmungen der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO. Sie stellten neue Angriffsmittel im Sinne von § 531 ZPO dar und seien nicht zuzulassen, weil die Voraussetzun-
gen der hier nur in Betracht kommenden Bestimmungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO nicht dargetan seien. Dem Landgericht sei kein Verfahrensfehler im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO unterlaufen. Es sei auf der Grundlage des erstinstanzlichen Vorbringens zu einer weiteren Sachaufklärung nicht gehalten gewesen. Die schriftliche Begutachtung sei eindeutig gewesen; die von der Klägerin erstinstanzlich für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen habe der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung beantwortet. Sei das Vorbringen somit als neuer Sachvortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, scheide eine weitere Sachaufklärung nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aus. Der neue Sachvortrag könne aus Rechtsgründen auch nicht geeignet sein, Zweifel an der Richtigkeit der bisherigen Feststellungen des Sachverständigen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu begründen; anderenfalls würden die Präklusionsregeln und das Reformziel, den Rechtsstreit möglichst im ersten Rechtszug umfassend aufzuklären, unterlaufen. Die Klägerin habe nicht dargetan, daß sie den neuen Vortrag ohne Nachlässigkeit nicht bereits im ersten Rechtszug hätte in den Rechtsstreit einführen können (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Sie sei gehalten gewesen, jede in Betracht kommende Möglichkeit zu nutzen, Einwendungen gegen die in erster Instanz vorgelegte Begutachtung ausfindig zu machen. Sie habe auch nicht vorgetragen , daß sie bzw. ihr Prozeßbevollmächtigter sich nicht in gleicher Weise hätten informieren können wie der Prozeßbevollmächtigte in der zweiten Instanz. Fehl gehe auch der Vorwurf, der entstandene Morbus Sudeck sei nicht adäquat behandelt worden. Eine unzureichende Sudeck-Prophylaxe sei nicht erwiesen.

II.

Das angefochtene Urteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. 1. a) Nicht zu beanstanden ist das Berufungsurteil allerdings, soweit es keine Notwendigkeit für eine weitere Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich eines Behandlungsfehlers bei der Durchführung der Spickdrahtosteosynthese und bei der Prophylaxe für einen Morbus Sudeck sieht und diesbezüglich Behandlungsfehler auf der Grundlage der erstinstanzlichen Feststellungen verneint. Die Revision macht hierzu nur geltend, das Berufungsgericht sei dem Einwand der Klägerin nicht nachgegangen, die Schädigung des Nervs bei Entfernung der Kirschner-Drähte wäre vermieden worden, wenn deren Enden nicht zuvor unter die Haut versenkt worden wären. Indessen hält die Auffassung des Berufungsgerichts , aus dem Vorbringen der Klägerin ergäben sich keine Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, die eine neue Tatsachenfeststellung erforderten, in diesem Punkt revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. aa) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich aus Fehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 230/03 - und BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03 - WM 2004, 845, 846, jeweils vorgesehen zur Veröffentlichung in BGHZ; Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drs.
14/4722, S. 100; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann, NJW 2003, 169, 171). Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - NJW 2003, 3480, 3481; Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 14/6036 S. 124). Dies gilt grundsätzlich auch für Tatsachenfeststellungen , die auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens getroffen worden sind. In diesem Fall kann unter anderem die - hier von der Revisionsklägerin gerügte - Unvollständigkeit des Gutachtens Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen wecken (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - aaO; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 529 Rdn. 18; Zöller /Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 529 Rdn. 9). bb) Gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es die Notwendigkeit einer neuen Tatsachenfeststellung insoweit verneint, sind keine durchgreifenden Revisionsrügen vorgebracht. Das Berufungsgericht hat im Hinblick darauf, daß der Sachverständige ausführlich dazu Stellung genommen hat, ob bei Durchführung der hier angewandten Spickdrahtosteosynthese Behandlungsfehler vorlagen, und er dies verneint hat, ausgeführt, daß es keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen hat, die hinsichtlich dieses Komplexes eine erneute Feststellung geböten. Hiergegen ist von Seiten des Revisionsgerichts nichts zu erinnern.
b) Das Berufungsurteil hält auch dem Angriff der Revision stand, soweit das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin zu einer unterlassenen Behandlung des Morbus Sudeck als neues Vorbringen nicht zugelassen hat.
Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin wurde zutreffend als neu im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO angesehen. Entgegen der Auffassung der Revision schließt nämlich der erstinstanzliche Sachvortrag der Klägerin nicht die Frage ein, ob ein Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der Behandlung des entstandenen Morbus Sudeck vorliegt. Der von ihr in Bezug genommene und aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ersichtliche erstinstanzliche Vortrag der Klägerin befaßte sich nämlich allein mit dessen Prophylaxe und nicht mit einer angeblich unterlassenen Behandlung. Die Behauptungen , den Ausbruch einer Krankheit nicht verhindert und eine ausgebrochene Krankheit nicht behandelt zu haben, betreffen indes zwei unterschiedliche zeitliche Abschnitte des Behandlungsverlaufs. Mit dem zweitinstanzlich erhobenen Vorwurf wird die Behauptung fehlerhafter Prophylaxe demgemäß nicht lediglich konkretisiert, sondern der Angriff der Klägerin geändert. Das Berufungsgericht hat dieses neue Vorbringen auch zu Recht nicht zugelassen, weil nicht dargetan ist, daß die Klägerin es nicht bereits im ersten Rechtzug hätte in den Rechtsstreit einführen können. Anders als bei einer vorzugswürdigen Behandlungsalternative (vgl. dazu unter 2.) geht es hier nämlich zunächst nicht um eine medizinische Frage, sondern darum, auch diesen Abschnitt des gesamten Behandlungsverlaufs zur Überprüfung durch das Gericht zu stellen. Dazu waren keine medizinischen Fachkenntnisse erforderlich. Die Klägerin wußte vielmehr aus eigenem Erleben, ob eine Behandlung des Morbus Sudeck erfolgt war, und konnte die von ihr jetzt behauptete Unterlassung der Behandlung deshalb zum Gegenstand der gerichtlichen und sachverständigen Überprüfung machen, ohne auf vertiefte medizinische Kenntnisse angewiesen zu sein. Indem sie dies im ersten Rechtszug nicht getan hat, hat sie gegen die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten verstoßen.
2. Das Berufungsurteil hält jedoch den Angriffen der Revision nicht stand, soweit das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin zu einer Behandlungsalternative als neues Vorbringen nicht zugelassen hat (§ 531 Abs. 2 ZPO) und deshalb nicht zu Zweifeln im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gelangt ist.
a) Das Vorbringen der Klägerin zu einer Behandlungsalternative ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bereits nicht als neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO zu werten. aa) Die Revision macht geltend, der Vortrag fehlerhafter Behandlung, insbesondere auch durch Erzielung einer unzureichenden Stabilität und Drehstabilität , schließe den Vorwurf mit ein, im Hinblick auf die ausgedehnte Trümmerzone sei seitens der Ärzte mit der Spickdrahtosteosynthe se eine Behandlungsmethode gewählt worden, die wesentlich weniger geeignet gewesen sei als eine Behandlung mittels eines Fixateur externe. Der gerichtliche Sachverständige hätte sich deshalb bereits in erster Instanz mit der Frage einer besser geeigneten Methode und damit einer Behandlungsalternative befassen müssen. Dem ist unter den Umständen des Streitfalls zuzustimmen. bb) Der Begriff der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ist nach dem bisherigen Recht auszulegen (Meyer-Seitz in Hannich/Meyer-Seitz, ZPOReform , 2002, § 531 Rdn. 8). Ob ein in zweiter Instanz konkretisiertes Vorbringen neu ist, hängt also davon ab, wie allgemein es in erster Instanz gehalten war. Wenn es einen sehr allgemein gehaltenen Vortrag der ersten Instanz konkretisiert oder erstmals substantiiert, ist es neu, nicht aber dann, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus der ersten Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (vgl. BGH, Urteile vom 5. Juni 1991 - VIII ZR 129/90 - NJW-RR 1991, 1214, 1215 und vom 26. Juni 2003 - VII ZR 281/02 - NJW-RR 2003, 1321, 1322; Baum-
bach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 531 Rdn. 12; Drossart, Bauprozessrecht 2004, 4, 6). Zwar enthielt der erstinstanzliche Vortrag der Klägerin nicht ausdrücklich den Vortrag einer besseren Behandlungsalternative durch einen Fixateur externe. Bei der Beurteilung, ob ein neuer Vortrag vorliegt, ist aber zu berücksichtigen , daß an die Substantiierungspflicht der Partei im Arzthaftungsprozeß nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen, weil vom Patienten regelmäßig keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden kann. Die Partei darf sich auf Vortrag beschränken, der die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes auf Grund der Folgen für den Patienten gestattet (vgl. Senatsurteile vom 19. Mai 1981 - VI ZR 220/79 - VersR 1981, 752; vom 10. November 1981 - VI ZR 92/80 - VersR 1982, 168, 169 und vom 15. Juli 2003 - VI ZR 203/02 - VersR 2003, 1541, 1542; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht , 4. Aufl., E Rdn. 2). Der Vortrag, es habe eine bessere Behandlungsmethode , also eine echte und indizierte Behandlungsalternative gegeben, stellt im Streitfall unter Berücksichtigung dieser Darlegungserleichterungen im Arzthaftungsprozeß lediglich eine weitere Verdeutlichung des schlüssigen Vorbringens einer fehlerhaften Behandlung des Bruchs dar, der nicht ausreichend stabilisiert worden sei.
b) Im übrigen hätte das Berufungsgericht das Vorbringen zur Behandlungsalternative selbst dann berücksichtigen müssen, wenn es - entgegen den obigen Darlegungen - neu gewesen wäre. Bei der Beurteilung, ob der Klägerin Nachlässigkeit im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO vorzuwerfen ist, hat das Berufungsgericht zu hohe Anforderungen an die Informations- und Substantiierungspflicht der Partei im Arzthaftungsprozeß gestellt.
Das Berufungsgericht hat das von ihm als neu angesehene Vorbringen nicht zugelassen, weil die Klägerin nicht dargetan habe, daß sie den neuen Vortrag ohne Nachlässigkeit nicht bereits im ersten Rechtszug hätte in den Rechtsstreit einführen können. Das rügt die Revision mit Erfolg. Die in der Revisionsinstanz zulässige Prüfung, ob § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO richtig angewendet worden ist (vgl. Meyer-Seitz in Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 531 Rdn. 26; MünchKomm/ZPO/Aktualisierungsband-Rimmelspacher, § 531 Rdn. 35 und § 530 Rdn. 34; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 22 ff.; Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 531 Rdn. 37), führt zu dem Ergebnis, daß die unterlassene Geltendmachung im ersten Rechtszug nicht auf einer Nachlässigkeit der Klägerin beruhte. Jede Partei ist zwar grundsätzlich gehalten, schon im ersten Rechtszug die Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen, deren Relevanz für den Rechtsstreit ihr bekannt ist oder bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt hätte bekannt sein müssen und zu deren Geltendmachung sie dort imstande ist. Sorgfaltsmaßstab ist dabei die einfache Fahrlässigkeit (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2003, 139, 140 und OLGR Saarbrücken, 2003, 249, 250; KG, MDR 2003, 471, 472; MünchKomm/ZPO/Aktualisierungsband-Rimmelspacher, § 531 Rdn. 28; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 19; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1904; Gehrlein, MDR 2003, 421, 428; BT-Drs. 14/4722 S. 101 f.). Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze überspannt das Berufungsgericht indes die Anforderungen an die Informations- und Substantiierungspflicht einer klagenden Partei im Arzthaftungsprozeß. Der oben dargelegte Grundsatz, daß in einem Arzthaftungsprozeß an die Substantiierungspflicht des Klägers nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen, gilt nämlich auch für Einwendungen gegen ein gerichtliches Gutachten. Die Partei ist nicht verpflichtet, bereits in erster Instanz ihre Einwendun-
gen gegen das Gerichtsgutachten auf die Beifügung eines Privatgutachtens oder auf sachverständigen Rat zu stützen oder - wie das Berufungsgericht meint - selbst oder durch Dritte in medizinischen Bibliotheken Recherchen anzustellen , um Einwendungen gegen ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu formulieren. Sie ist durchaus berechtigt, ihre Einwendungen zunächst ohne solche Hilfe vorzubringen (vgl. Senatsurteile vom 19. Mai 1981 - VI ZR 220/79 - VersR 1981, 752 und vom 10. November 1981 - VI ZR 92/80 - VersR 1982, 168; BGH, Urteil vom 19. Februar 2003 - IV ZR 321/02 - VersR 2004, 83, 84). Das Gesetz zur Reform der Zivilprozeßordnung hat an diesen Grundsätzen nichts geändert, weil der dafür maßgebende Gesichtspunkt, die Waffengleichheit zwischen Arzt und Patienten zu gewährleisten, weiter gilt. Die Klägerin hat in erster Instanz das gerichtliche Gutachten nicht hingenommen , sondern mit substantiierten Ausführungen in Frage gestellt. Bei dieser Sachlage kann es nicht als Nachlässigkeit angesehen werden, wenn sie in zweiter Instanz ihren Angriff konkretisiert hat, nachdem ihr zweitinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter durch eigene medizinische Recherchen zusätzliche Informationen über die Behandlung eines Trümmerbruchs erlangte. Daß sich die Klägerin bereits erstinstanzlich durch zwei Fachärzte hat beraten lassen und hierbei möglicherweise nicht vollständig informiert wurde, geht nicht zu ihren Lasten. Der Patient und sein Prozeßbevollmächtigter sind nämlich nicht verpflichtet , sich zur ordnungsgemäßen Prozeßführung medizinisches Fachwissen anzueignen. Im konkreten Fall hätte überdies auch für das erstinstanzliche Gericht Veranlassung bestanden, den Sachverständigen nach einer Behandlungsalternative zu befragen, nachdem dieser ausgeführt hatte, nach Angaben in der Fachliteratur komme es erfahrungsgemäß bei dem angewandten Spickdrahtosteosyntheseverfahren bei einem Bruch wie dem vorliegenden in etwa 20 % der Fälle zu einem Korrekturverlust. Unter diesen Umständen war mit dem
Sachverständigen zu erörtern, wie die Praxis dieses beträchtliche Risiko zu vermeiden oder zu verringern suchte.
c) Bei der mithin gebotenen Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin zur Behandlungsalternative mußten sich für das Berufungsgericht konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ergeben, die eine erneute Tatsachenfeststellung geboten. Hier hat die Klägerin nämlich nach den von ihrem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten durchgeführten Recherchen in der Berufungsbegründung ausführlich und substantiiert vorgetragen und durch Nachweise aus der medizinischen Fachliteratur belegt, daß ihrer Ansicht nach eine vorzugswürdige Behandlungsmethode hätte angewendet werden müssen.

III.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich die Berücksichtigung des übergangenen Vortrags zum Bestehen einer Behandlungsalternative auf
die Beurteilung des Rechtsstreits ausgewirkt hätte. Deshalb war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur Nachholung der gebotenen Feststellungen zurückzuverweisen.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 259/02 Verkündet am:
6. Mai 2003
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Das Absehen von einer medizinisch gebotenen Vorgehensweise begründet einen
ärztlichen Behandlungsfehler. Auf die subjektiven Fähigkeiten des behandelnden
Arztes kommt es insoweit nicht an.

b) Wird aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers ein weiterer Eingriff erforderlich
, der dem Patienten bei korrektem medizinischem Vorgehen erspart geblieben
wäre, hat der erstbehandelnde Arzt haftungsrechtlich für den weiteren Eingriff einzustehen.
Dabei umfaßt seine Einstandspflicht regelmäßig auch die Folgen eines
Fehlers des nachbehandelnden Arztes.
BGH, Urteil vom 6. Mai 2003 - VI ZR 259/02 - OLG Jena
LG Erfurt
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Mai 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter Dr.
Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 26. Juni 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen behaupteter ärztlicher Behandlungsfehler auf Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht materieller und weiterer immaterieller Schäden in Anspruch. Sie suchte wegen Unterleibsbeschwerden den Zweitbeklagten, einen Gynäkologen, auf, um ein intrauterines Pessar (IUP) entfernen zu lassen. Der ambulant vorgenommene Versuch, das Pessar mittels Faßhäkchen zu entfernen, war erfolglos. Deshalb wurde vereinbart , den Eingriff stationär unter Narkose vorzunehmen. In der Frauenklinik der Drittbeklagten wurde die Klägerin, die selbst Kinderärztin ist, über die Möglichkeiten der Laparoskopie, der Pelviskopie, einer eventuell erforderlichen Lapa-
rotomie und die gegebenenfalls durchzuführende Ausschabung der Gebärmutter mit der Entfernung des IUP aufgeklärt. Der am 27. Mai 1994 unter Narkose von den Beklagten zu 1 und 2 vorgenommene Eingriff hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das IUP konnte weder mittels Kürette, noch mittels Faßhäkchen oder Faßzange entfernt werden. Die Operation wurde nach etwa 35 Minuten abgebrochen. Wegen unmittelbar danach auftretender starker Schmerzen im Uterusbereich erhielt die Klägerin Antibiotika und Schmerzmittel. Am 30. Mai 1994 wurde sie aus der stationären Behandlung entlassen. Da die Unterleibsschmerzen nicht nachließen, suchte die Klägerin am 1. Juni 1994 die Frauenärztin Dr. P. auf. Diese wies sie in eine Klinik in F. ein, wo sie zunächst mit Antibiotika behandelt und ihr schließlich der Uterus entfernt wurde. Untersuchungen ergaben , daß dieser perforiert worden war.
Die Klägerin hat geltend gemacht, zu dieser Perforation sei es bei dem Eingriff am 27. Mai 1994 gekommen, als die Beklagten zu 1 und 2 entgegen dem medizinischen Standard wiederum Faßhäkchen verwendet hätten. Nachdem alle Versuche, das IUP zu entfernen, fehlgeschlagen seien, hätte die Operation unter Sicht, nämlich mittels Hysteroskopie und einer Laparoskopie weitergeführt werden müssen; dann wäre die Perforation erkannt und die spätere Entfernung des Uterus vermieden worden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision, mit der sie ihr Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht ist der Auffassung, es sei bereits fraglich, ob überhaupt ein Behandlungsfehler hinsichtlich des Eingriffs selbst oder bezüglich der postoperativen Versorgung nachgewiesen sei. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. habe die von den Beklagten zu 1 und 2 gewählte Vorgehensweise zur Entfernung des IUP den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen , und zwar auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß es sich um den zweiten Versuch gehandelt habe. Eine dabei eingetretene Perforation des Uterus sei als schicksalhaft zu betrachten und habe von dem Operateur nicht unbedingt bemerkt werden müssen. Das Absehen von der ursprünglich geplanten Laparoskopie sei nicht zu beanstanden.
Ein Behandlungsfehler liege auch nicht in dem Unterlassen einer Hysteroskopie. Zwar habe der Sachverständige Prof. Dr. S. zunächst erklärt, es sei unverständlich , warum die Beklagten zu 1 und 2 nach dem erfolglosen Versuch nicht unter Einsatz eines Hysteroskops unter Sicht weiter operiert hätten. Eine Hysteroskopie habe komplikationslos vorgenommen werden können und sei von der Aufklärung und Einwilligung der Klägerin gedeckt gewesen. Seine ursprüngliche Einschätzung habe der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung jedoch dahingehend relativiert, daß die Beklagten zu 1 und 2 gegebenenfalls entweder wegen Unsicherheit über die Reichweite der erklärten Einwilligung übergroße Vorsicht hätten walten lassen oder mit dem neuen Instrumentarium des Hysteroskops angesichts des zur damaligen Zeit in den neuen Bundesländern durchweg eher noch spärlichen medizinischen Gerätebestandes noch nicht hinreichend vertraut gewesen seien und daher nicht ohne weiteres in dem laufenden Eingriff die Operationsmethode hätten wechseln wollen. Im Hinblick darauf sei der Abbruch des Eingriffs jedenfalls nicht grob fehlerhaft
gewesen. Auch sei der Klägerin durch das Unterlassen der Hysteroskopie - abgesehen von der Notwendigkeit eines dritten Eingriffs - noch kein (gravierender ) Nachteil entstanden.
Die Perforation des Uterus sei für dessen spätere Entfernung nicht ursächlich gewesen. Durch die Wahl einer neuen Ärztin und die Einweisung in die Klinik in F. habe die Klägerin eine selbständige Kausalkette in Gang gesetzt, die jeglichen eventuell anzunehmenden Verursachungsbeitrag der Beklagten zu 1 und 2 aus der vorangegangenen Behandlung überholt habe. Als Kinderärztin habe sie die Bedeutung der aufgrund ihrer damaligen Beschwerden nicht indizierten und mit ihrer Einwilligung vorgenommen Uterusentfernung gekannt.

II.


Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung überwiegend nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat Bedenken, die Perforation des Uterus auf einen ärztlichen Behandlungsfehler zurückzuführen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. in seinen schriftlichen Gutachten komme es zu dieser Komplikation bei der Phase des Sondierens bzw. Aufdehnens des Gebärmutterhalses in etwa 0,5 % aller operativ angegangenen Fälle. Die Verwendung eines Hysteroskops ändere hieran nichts, da dieses wegen des Instrumentenkanals ebenfalls eine Aufdehnung des Gebärmutterhalses auf etwa 6 mm und die Sondierung erforderlich mache. Die bei dem Uterus der Klägerin festgestellte Perforation am Übergang zwischen Gebärmutterhals und -körper habe an der typischen Stelle gelegen, an welcher in der Regel beim Sondieren und Aufdehnen das Durchstoßen der Gebärmutterwand vorkomme. Deswegen
wäre mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eine Perforation auch dann erfolgt, wenn bei dem Eingriff von Anfang an ein Hysteroskop verwendet worden wäre.
Diese Erwägungen begegnen durchgreifenden Bedenken. Die Revision rügt mit Recht, das Berufungsgericht habe hierzu unter Beweis gestellten Sachvortrag der Klägerin übergangen. Diese hatte nämlich unter Hinweis auf medizinische Fachliteratur vorgetragen, daß bei primärer Anwendung eines Hysteroskops die Wahrscheinlichkeit einer Perforation lediglich 0,1 % betrage. Damit hat sich das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft nicht auseinandergesetzt. Es hätte die abweichende Erklärung von Prof. Dr. S. nicht unbesehen übernehmen dürfen, sondern wäre gehalten gewesen, diesen Widerspruch - etwa durch gezielte Nachfrage bei der mündlichen Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen - abzuklären (vgl. Senatsurteile vom 2. Juni 1987 - VI ZR 174/86 - VersR 1987, 1238; vom 2. März 1993 - VI ZR 104/92 - VersR 1993, 749 f.; vom 14. Dezember 1993 – VI ZR 67/93 – VersR 1994, 480, 482; vom 10. Mai 1994 - VI ZR 192/93 - VersR 1994, 984 f.; vom 22. Februar 2000 - VI ZR 100/99 - VersR 2000, 766 f. und vom 27. März 2001 - VI ZR 18/00 - VersR 2001, 859 f.). Das gilt um so mehr, als die Einschätzung von Prof. Dr. S. auch im Widerspruch steht zu den Ausführungen in dem von der ärztlichen Schlichtungsstelle eingeholten Gutachten. Darin heißt es, von Operateuren, die mit der Hysteroskopie vertraut seien, werde zunehmend primär die IUP-Entfernung unter Sicht gewählt , insbesondere, wenn sonographisch - wie hier - eine Dislokation festgestellt worden sei. Das Berufungsgericht hätte deshalb dem Einwand der Klägerin nachgehen müssen, daß die Gefahr einer Perforation bei einem Eingriff ohne Hysteroskop fünfmal höher sei und ein solches Vorgehen deshalb einen Behandlungsfehler nahelege.
2. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, auch das Absehen von einem Wechsel zur Hysteroskopie während des Eingriffs sei nicht behandlungsfehlerhaft gewesen. Als der Versuch, das IUP auf andere Weise zu entfernen, erneut
fehlgeschlagen sei, hätten die Beklagten zu 1 und 2 zwar sofort zur Hysteroskopie schreiten dürfen und dies gegebenenfalls unter Rücksichtnahme auf die Klägerin und zur Vermeidung eines weiteren Eingriffs auch tun sollen. Vorzuwerfen sei ihnen insoweit allenfalls die Notwendigkeit eines weiteren Eingriffs unter Narkose. Diesem Umstand mißt das Berufungsgericht aber keine Bedeutung zu, weil darauf die Entfernung des Uterus nicht beruhe. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.

a) Das Berufungsgericht begründet seine Auffassung, daß in dem Unterlassen einer Hysteroskopie kein ärztlicher Behandlungsfehler liege, mit den Erklärungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. bei seiner mündlichen Anhörung im Berufungsverfahren, bei der dieser seine beiden in erster Instanz erstatteten schriftlichen Gutachten erläutert hat. In seinem ersten schriftlichen Gutachten hatte er unter anderem ausgeführt, bei dem zweiten Versuch zur Entfernung des IUP hätte die Hysteroskopie in das Behandlungskonzept aufgenommen werden müssen. In seinem Ergänzungsgutachten heißt es dazu, er sei sich mit dem (von der Krankenkasse beauftragten Gutachter) Dr. K. dahingehend einig, daß das Hysteroskop hätte benutzt werden müssen; es sei "unverständlich", warum die Beklagten zu 1 und 2 nicht sofort zur Hysteroskopie geschritten seien , um der Klägerin einen neuen Eingriff mit neuer Narkose zu ersparen. Wie aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils hervorgeht, hat der Sachverständige sich in diesem Sinne zunächst auch bei seiner mündlichen Anhörung geäußert und sodann erklärt, diese aus genereller Erfahrung als Facharzt und Gutachter geschöpfte Einschätzung in seinen beiden Gutachten sei aber bei näherem Bedenken zu relativieren.
Dieser Unklarheit in den Ausführungen des Sachverständigen in seinen schriftlichen Gutachten und bei seiner mündlichen Anhörung hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen (vgl. Senatsurteile vom 17. September 1985 - VI ZR 12/84 - VersR 1985, 1187, 1188; vom 9. Juni 1992 - VI ZR 222/91 -
VersR 1992, 1015, 1016; vom 29. September 1992 - VI ZR 234/91 - VersR 1993, 245, 247 und vom 27. September 1994 - VI ZR 284/93 - VersR 1995, 195, 196). Wenn es aus der Erklärung des Sachverständigen, die schriftlich geäußerte Einschätzung sei zu relativieren, folgern wollte, dieser verneine nunmehr das Vorliegen eines Behandlungsfehlers, hätte es ihn gezielt in dieser Richtung befragen müssen. Den Entscheidungsgründen läßt sich nicht entnehmen , inwieweit dies geschehen ist. Mündliche Erklärungen von Sachverständigen sind gem. § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO grundsätzlich im Protokoll festzustellen. Bei einer wiederholten Anhörung oder bei einer mündlichen Erläuterung eines schriftlichen Gutachtens sind jedenfalls die Erklärungen zu protokollieren, die inhaltlich von früheren Aussagen abweichen. Davon darf im Einverständnis mit den Parteien nur abgesehen werden, wenn die an sich zu protokollierende Aussage in einem Berichterstattervermerk hinreichend klar und vollständig niedergelegt wird, damit eine revisionsrechtliche Nachprüfung darüber möglich ist, ob das Berufungsgericht den Sachverständigen in diesem wichtigen Punkt richtig verstanden hat (vgl. hierzu BGHZ 40, 84, 86; Senatsurteile vom 24. Februar 1987 - VI ZR 295/85 - VersR 1988, 290, 291 und vom 27. September 1994 - VI ZR 284/93 - aaO; BGH, Urteile vom 5. Juli 1972 - VIII ZR 157/71 - NJW 1972, 1673 und vom 24. Oktober 1990 - XII ZR 101/89 - NJW 1991, 1547, 1548 f.). Die von seiner schriftlichen Beurteilung abweichenden mündlichen Erklärungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. sind weder protokolliert noch in einem Berichterstattervermerk festgehalten worden. Bei dieser Sachlage sieht die Revision zu Recht einen durchgreifenden Verfahrensfehler gem. § 286 ZPO darin, daß das Berufungsgericht in dem Absehen von einer Hysteroskopie keinen Behandlungsfehler gesehen hat, ohne zu diesem Punkt weitere Feststellungen zu treffen, zumal die schriftliche Beurteilung des Sachverständigen sowohl mit dem von der ärztlichen Schlichtungsstelle eingeholten Gutachten als auch mit der Einschätzung des von der Krankenkasse beauftragten Gutachters Dr. K. übereinstimmt.

b) Mit Recht weist die Revision auch darauf hin, daß die von dem Sachverständigen Prof. Dr. S. in seiner mündlichen Erläuterung angeführten Umstände , wonach die Beklagten zu 1 und 2 möglicherweise Zweifel über den Umfang der von der Klägerin erklärten Einwilligung gehabt hätten oder im Umgang mit dem Hysteroskop noch nicht hinreichend vertraut gewesen seien, nicht geeignet sind, einen ärztlichen Behandlungsfehler zu verneinen. Der erste Gesichtspunkt spielt für die Frage eines Behandlungsfehlers keine Rolle und ist dem Parteivorbringen auch nicht zu entnehmen. Bei dem zweiten Aspekt hat das Berufungsgericht den auch im Arzthaftungsrecht maßgeblichen objektivierten zivilrechtlichen Fahrlässigkeitsbegriff im Sinne des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB verkannt (vgl. Senatsurteil BGHZ 113, 297, 303). Hiernach hat der Arzt grundsätzlich für sein dem medizinischen Standard zuwiderlaufendes Vorgehen auch dann haftungsrechtlich einzustehen, wenn dieses aus seiner persönlichen Lage heraus subjektiv als entschuldbar erscheinen mag (Senatsurteil vom 13. Februar 2001 - VI ZR 34/00 - VersR 2001, 646). Aus diesem Grund kann ein Behandlungsfehler auch nicht mit der Erwägung des Sachverständigen Prof. Dr. S. verneint werden, möglicherweise seien die Beklagten zu 1 und 2 mit dem Instrumentarium des Hysteroskops angesichts des zur damaligen Zeit in den neuen Bundesländern durchweg eher noch spärlichen medizinischen Gerätebestandes noch nicht hinreichend vertraut gewesen und hätten daher nicht ohne weiteres in dem laufenden Eingriff die Operationsmethode wechseln wollen. Wenn das Krankenhaus, wovon das Berufungsgericht ausgeht, über ein Hysteroskop verfügte, hätte dieses bei dem Eingriff bei Bestehen einer entsprechenden Indikation eingesetzt werden müssen (vgl. Senatsurteile vom 28. Juni 1988 - VI ZR 217/87 - VersR 1989, 80 und vom 30. Mai 1989 - VI ZR 200/88 - VersR 1989, 851, 852). Das Absehen von einer medizinisch gebotenen Vorgehensweise bedeutet eine Abweichung von dem haftungsrechtlich maßgeblichen Standard eines Facharztes (vgl. Senatsurteil vom 21. November 1995 - VI ZR 341/94 - VersR 1996, 330 f.) und begründet einen ärztlichen Behandlungsfehler. Auf die subjektiven Fähigkeiten des behandelnden Arztes kommt
es insoweit nicht an (vgl. Senatsurteil vom 13. Februar 2001 - VI ZR 34/00 - aaO).
3. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, ein etwaiger Behandlungsfehler sei jedenfalls nicht als ein grober Fehler zu bewerten, der so weit vom anerkannten medizinischen Standard abweiche, daß er einem Arzt in einer vergleichbaren Situation schlechterdings nicht unterlaufen dürfe. Bei dieser Beurteilung stützt sich das Berufungsgericht wiederum auf die nicht protokollierte und auch nicht in einem Berichterstattervermerk festgehaltene mündliche Erläuterung des Sachverständigen Prof. Dr. S.. Dieser habe erklärt, im Falle der Klägerin wäre keine ambulante, sondern nur eine operative Hysteroskopie in Betracht gekommen, die zur Zeit des Eingriffs im Jahre 1994 spezielle Kenntnisse und Erfahrungen erfordert habe, über die die Beklagten zu 1 und 2 damals möglicherweise noch nicht verfügt hätten. Dies hätte weiterer Aufklärung durch entsprechende Nachfragen bedurft. Die Aussage des Sachverständigen läßt nämlich nicht hinreichend deutlich erkennen, ob er damit zum Ausdruck bringen wollte, daß die angesprochenen speziellen Kenntnisse und Erfahrungen seinerzeit möglicherweise noch nicht zum medizinischen Standard eines Facharztes zählten und nur bei einer zusätzlichen Spezialisierung zu erwarten waren oder ob nur die Beklagten zu 1 und 2 möglicherweise nicht über diese Kenntnisse und Erfahrungen verfügten. Sollte letzteres gemeint gewesen sein, würde dies der Annahme eines groben Behandlungsfehlers nicht entgegenstehen , da im Arzthaftungsrecht - wie dargelegt - der allgemeine objektivierte zivilrechtliche Fahrlässigkeitsbegriff gilt (vgl. Senatsurteil BGHZ 113, 297, aaO), bei dem es auf die subjektiven Fähigkeiten des behandelnden Arztes nicht ankommt (vgl. Senatsurteil vom 13. Februar 2001 - VI ZR 34/00 - aaO).
4. Das Berufungsgericht nimmt an, ein etwaiger Behandlungsfehler sei für die spätere Uterusentfernung jedenfalls nicht ursächlich geworden und der Klä-
gerin sei durch das Absehen von einer Hysteroskopie kein gravierender Nach- teil entstanden. Auch diese Erwägungen sind nicht frei von Rechtsirrtum.

a) Soweit die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe nicht hinreichend gewürdigt, daß bei (späterem) Einsatz eines Hysteroskops nach Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen die Chance bestanden hätte, eine zuvor erfolgte Perforation zu erkennen und dies nach Einschätzung der Vorgutachter eine möglicherweise uteruserhaltende Versorgung erlaubt hätte, kann sie allerdings keinen Erfolg haben. Sie übersieht, daß sich der gerichtliche Sachverständige und ihm folgend das Berufungsgericht mit diesem Einwand eingehend auseinandergesetzt haben. In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ist dazu im einzelnen ausgeführt, daß nach Beurteilung des Sachverständigen die später erfolgte Uterusentfernung aufgrund der Perforation nicht indiziert gewesen sei. Bei der postoperativen Versorgung sei ebenfalls kein Fehler gemacht worden. Medizinisch Notwendiges sei nicht unterlassen worden. Gegen diese tatrichterliche Würdigung ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.

b) Dem Berufungsgericht kann aber darin nicht gefolgt werden, daß die Beklagten für das Absehen von einer Hysteroskopie deswegen haftungsrechtlich nicht einzustehen hätten, weil den Beklagten zu 1 und 2 insoweit allenfalls die Notwendigkeit eines weiteren Eingriffs unter Narkose vorzuwerfen sei und die spätere Uterusentfernung darauf nicht beruhe. Mit Recht macht die Revision geltend, daß nach Lage der Dinge sowohl bei primärem Einsatz eines Hysteroskops als auch bei einem Wechsel zur Hysteroskopie das IUP nach Einschätzung aller Gutachter entfernt worden wäre und damit der Eingriff gelungen und ein weiterer Eingriff nicht notwendig gewesen wäre. Davon geht ersichtlich auch das Berufungsgericht aus. Es verkennt jedoch, daß die Entfernung des Uterus auf dem zusätzlichen Eingriff beruht, welcher der Klägerin bei korrektem medizinischen Vorgehen erspart geblieben wäre. War das Absehen von einer Hyste-
roskopie behandlungsfehlerhaft, kommt es für die gem. § 287 ZPO zu beurteilende Frage des Ursachenzusammenhangs zwischen Behandlungsfehler und Entfernung des Uterus als Folge des in dem zusätzlichen weiteren Eingriff liegenden Primärschadens nicht darauf an, ob den Beklagten zu 1 und 2 auch die Uterusperforation oder deren Nichterkennen als Behandlungsfehler anzulasten wären.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der Ursachenzusammenhang auch nicht mit der Erwägung verneint werden, die Klägerin habe in freier Verantwortung durch die Wahl einer neuen Ärztin, die Einweisung in eine andere Klinik und ihre Zustimmung zur Uterusentfernung eine selbständige Kausalkette in Gang gesetzt, die jeglichen eventuell anzunehmenden Ursachenbeitrag der Beklagten zu 1 und 2 aus der vorangegangenen Behandlung überholt habe. Das Berufungsgericht übersieht, daß es zu diesem Geschehensablauf nicht gekommen wäre, wenn die Entfernung des IUP durch Einsatz eines Hysteroskops gelungen und der Klägerin deswegen ein weiterer Eingriff erspart geblieben wäre. Eine haftungsrechtliche Zuordnung der Uterusentfernung käme selbst dann in Betracht, wenn diese - nach Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen medizinisch nicht indizierte - Maßnahme der Klägerin von der Frauenärztin Dr. P. fehlerhaft angeraten worden wäre, denn die Einstandspflicht des Arztes für einen Behandlungsfehler umfaßt regelmäßig auch die Folgen eines Fehlers des nachbehandelnden Arztes, wenn die Nachbehandlung durch den Fehler des erstbehandelnden Arztes mit veranlaßt worden ist (vgl. Senatsurteile vom 28. Januar 1986 - VI ZR 83/85 - VersR 1986, 601, 602 f. und vom 20. September 1988 - VI ZR 37/88 - VersR 1988, 1273, 1274). Die Grenze, bis zu welcher der Erstschädiger dem Verletzten für die Folgen einer späteren fehlerhaften ärztlichen Behandlung einzustehen hat, wird in aller Regel erst dann überschritten, wenn es um die Behandlung einer Krankheit geht, die mit dem Anlaß für die Erstbehandlung in keinem inneren Zusammenhang steht, oder wenn der die Zweitschädigung herbeiführende Arzt
in außergewöhnlich hohem Maße die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen außer acht gelassen oder derart gegen alle ärztlichen Regeln und Erfahrungen verstoßen hat, daß der eingetretene Schaden seinem Handeln haftungsrechtlich-wertend allein zugeordnet werden muß (Senatsurteil vom 20. September 1988 - VI ZR 37/88 - aaO m.w.N.). Dazu ist im Streitfall nichts festgestellt.

c) Im übrigen käme eine Einstandspflicht der Beklagten auch in Betracht, wenn ihnen, wie das Berufungsgericht meint, lediglich die Vornahme eines weiteren Eingriffs in Narkose anzulasten wäre. Auch ein solcher Eingriff wäre eine Körperverletzung, für die die Beklagten haftungsrechtlich einzustehen hätten. Bei dieser Sachlage hätte die Klage nach den bisher getroffenen Feststellungen jedenfalls nicht in vollem Umfang abgewiesen werden dürfen.

III.


Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen, damit die notwendigen Feststellungen nachgeholt werden können. Müller Greiner Wellner
Pauge Stöhr