vorgehend
Landgericht Arnsberg, 4 O 116/16, 02.11.2016
Oberlandesgericht Hamm, 5 U 147/16, 19.10.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 308/17
Verkündet am:
13. Juli 2018
Weschenfelder
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis folgende selbstständige Verpflichtung
(hier: Versorgung des Nachbargrundstücks mit Wasser) ist mit Rücksicht
auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen eine eng begrenzte Ausnahme und
kann nur dann angenommen werden, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender
billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwingend geboten
erscheint (Bestätigung der st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 8. Februar 2013
- V ZR 56/12, NJW-RR 2013, 650).
Das Vorhandensein von Leitungen, die Grundstücksgrenzen überschreiten und der
Versorgung verschiedener Grundstücke dienen, begründet für sich genommen keine
zwischen den Grundstückseigentümern bestehende Rechtsgemeinschaft.
BGH, Urteil vom 13. Juli 2018 - V ZR 308/17 - OLG Hamm
LG Arnsberg
ECLI:DE:BGH:2018:130718UVZR308.17.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juli 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner, die Richter Dr. Kazele und Dr. Hamdorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. Oktober 2017 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg vom 2. November 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke, die durch Teilung eines Grundstücks entstanden sind. Der Großvater des Klägers errichtete etwa 1950 auf dem ursprünglich einheitlichen Grundstück ein Wohnhaus. 1968 wurde im hinteren Teil des Grundstücks ein Doppelhaus errichtet. Für die Frischwasserversorgung wurde eine Leitung verlegt, die unterhalb der Terrasse des zuerst errichteten Hauses beginnt und an einer Doppelhaushälfte endet. Von dort wird das Wasser zu der anderen Doppelhaushälfte weitergeleitet. Gegenüber dem Wasserversorger trat der Großvater des Klägers als alleiniger Abnehmer auf. In den Doppelhaushälften baute er zur Erfassung des Wasserverbrauchs Zähler ein. 1989 parzellierte der Großvater des Klägers das Grundstück , wobei aus der Fläche im hinteren Teil zwei Grundstücke gebildet wurden, auf denen sich jeweils eine der Doppelhaushälften befindet. Beide Grundstücke grenzen unmittelbar an eine öffentliche Straße an. Eines dieser Grundstücke veräußerte der Großvater des Klägers an die Beklagten zu 2 und 3, das andere an den Vater des Klägers. Dieser veräußerte es 2007 an die Beklagte zu 1. In den jeweiligen Kaufverträgen heißt es: „Sollten hinsichtlich der Wasserversorgung mit Gebrauchswasser (…) in Zukunft Änderungen in der Wasserversorgung eintreten, so verpflichtet sich der Käufer/die Käuferin, sämtliche Kosten, die hierdurch entstehen, zu übernehmen. Der Verkäufer weist den Käufer/die Käuferin darauf hin, dass die Wasserversorgung bisher über das Grundstück des Verkäufers (…) erfolgt und über die Zwischenzähler einzeln abgerechnet wird. Sollte der Wasserversorgungsträger für die Zukunft einen gesonderten Anschluss für das verkaufte Grundstück verlangen, so trägt die hierdurch entstandenen Kosten und Gebühren der Käufer/die Käuferin.“
2
Eine dingliche Absicherung der Wasserversorgung der Doppelhaushälften erfolgte nicht. Die Beklagten zahlten für den Wasserbezug jeweils Vorschüsse an den Großvater des Klägers, der jährlich eine Abrechnung erstellte. Im Jahr 2012 verstarb der Großvater des Klägers. Sein Grundstück verkaufte die Erbin 2013 an den Kläger, der - obgleich die Beklagten weiterhin Vorschusszahlungen leisteten - seither keine Abrechnung mehr vorgenommen hat.
3
Der Kläger verlangt die Feststellung, dass er nicht verpflichtet ist, die Grundstücke der Beklagten - die Beklagte zu 1 hat ihr Grundstück während des Rechtsstreits veräußert - durch die vorhandene Leitung mit Wasser zu versorgen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht sie abgewiesen. Mit der von dem Oberlandesge- richt zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, will der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht den Beklagten gegen den Kläger ein Anspruch auf Versorgung ihrer Grundstücke durch die auf dem Grundstück des Klägers verlegte Wasserleitung zu. Allerdings komme ein Notleitungsrecht analog § 917 BGB nicht in Betracht, da die Grundstücke der Beklagten an einer öffentlichen Straße lägen und insoweit eine Anschlussmöglichkeit bestehe. Eine Verpflichtung des Klägers, die Grundstücke mit Wasser zu versorgen, ergebe sich jedoch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis. Das Notweg- und Notleitungsrecht stelle zwar eine spezialgesetzliche Ausgestaltung dar, so dass auf das allgemeine Rechtsinstitut grundsätzlich nicht zurückgegriffen werden könne. Etwas anderes gelte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber dann, wenn aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall ein zwingender Ausnahmefall anzunehmen sei. So liege es hier. Die Beklagten hätten darauf vertrauen können, dass der bisherige Zustand auch künftig erhalten bleibe. Demgegenüber habe der Kläger das Grundstück mit dem situationsbedingten Nachteil der Wasserversorgung der Grundstücke der Beklagten erworben. Selbst wenn dies in Unkenntnis des Verlaufs der Wasserleitungen erfolgt sei, entstehe ihm durch den gegenwärtigen Zustand kein Nachteil, der das Bestandsinteresse der Beklagten zurücktreten lasse.
5
Zudem folge der Anspruch der Beklagten auf Versorgung mit Frischwasser über das Grundstück des Klägers aus §§ 741, 743 Abs. 2 BGB. Zwischen den Parteien bestehe - auch ohne entsprechende Vereinbarung - eine Rechtsgemeinschaft , weil sie über ein einheitliches, die gemeinsamen Grundstücksgrenzen überschreitendes Rohrleitungssystem verfügten. Als Teilhaber der Gemeinschaft stehe den Beklagten das Recht zur Nutzung des Rohrsystems zu. Der Kläger könne die Aufhebung der Gemeinschaft nicht verlangen, da das Rohrsystem auf Dauer angelegt sei und wegen dieser Zweckbestimmung eine Aufhebung der Gemeinschaft nur einvernehmlich oder bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich sei. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor.

II.

6
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
1. Zu Recht verneint das Berufungsgericht allerdings ein Notleitungsrecht der Beklagten in entsprechender Anwendung des § 917 BGB.
8
a) Unmittelbar regeln die Vorschriften der §§ 917, 918 BGB nur das Notwegrecht , und für ihre analoge Anwendung besteht kein Bedürfnis, wenn das Landesrecht die Voraussetzungen des Notleitungsrechts entsprechend dem Vorbehalt in Art. 124 EGBGB in eigenständiger Weise regelt (vgl. Senat, Urteil vom 4. Juli 2008 - V ZR 172/07, BGHZ 177, 165 Rn. 7, 15 f.; Urteil vom 26. Januar 2018 - V ZR 47/17, NJW-RR 2018, 913 Rn. 5 jeweils mwN). Entsprechend § 917 BGB kann sich daher zwar ein Recht ergeben, Versorgungsleitungen über ein anderes, fremdes Grundstück zu führen, um diese mit den öffentlichen Versorgungsnetzen zu verbinden, soweit - wie hier im Nachbarrecht des Landes Nordrhein-Westfalen - entsprechende landesrechtliche Regelungen fehlen.
9
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die Grundstücke der Beklagten aber an einer öffentlichen Straße, so dass eine Verbindung zu dem öffentlichen Leitungsnetz möglich ist. Dass das Gebrauchmachen von dieser Verbindungsmöglichkeit für den Grundstücksinhaber umständlicher, weniger bequem oder kostspieliger ist als die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks , rechtfertigt für sich allein noch nicht das Verlangen nach einer Notleitung. Solche Erschwernisse müssen vielmehr regelmäßig hingenommen werden. Nur wenn sie sich ausnahmsweise als derartig groß erweisen, dass durch sie die Wirtschaftlichkeit der Grundstücksbenutzung aufgehoben oder doch in unzumutbarer Weise geschmälert würde, ist der Nachbar verpflichtet, den Weg über sein eigenes Gelände freizumachen (vgl. Senat, Urteil vom 7. Juli 2006 - V ZR 159/05, NJW 2006, 3426 Rn. 12; Urteil vom 24. Januar 1968 - V ZR 175/64, WM 1968, 434, 435; Urteil vom 15. April 1964 - V ZR 134/62, MDR 1964, 583). Das machen die Beklagten nicht geltend.
10
2. Rechtsfehlerhaft ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Pflicht des Klägers, die Grundstücke der Beklagten mit Wasser zu versorgen, ergebe sich aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis.
11
a) Die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn haben insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins Einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Auch auf sie ist zwar der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzuwenden; daraus folgt für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den konkreten Fall unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammengefasst wird (vgl. Senat, Urteil vom 31. Januar 2003 - V ZR 143/02, NJW 2003, 1392 mwN). In der Regel begründet der Gedanke von Treu und Glauben aber im Rahmen eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses keine selbständigen Ansprüche, sondern wirkt sich hauptsächlich als bloße Schranke der Rechtsausübung aus (etwa Senat, Urteil vom 21. Oktober 1983 - V ZR 166/82, BGHZ 88, 344, 351; Urteil vom 7. Juli 1995 - V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634 f.). Sie kann den Grundstückseigentümer im Einzelfall allerdings auch zu positivem Handeln verpflichten (Senat, Urteil vom 8. Februar 2013 - V ZR 56/12, NJW-RR 2013, 650 Rn. 6 mwN). Eine aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis folgende selbstständige Verpflichtung ist mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen jedoch eine eng begrenzte Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwingend geboten erscheint (vgl. Senat, Urteil vom 8. Februar 2013 - V ZR 56/12, NJW-RR 2013, 650 Rn. 6; Urteil vom 29. Juni 2012 - V ZR 97/11, NJW-RR 2012, 1160 Rn. 20; Urteil vom 31. Januar 2003 - V ZR 143/02, NJW 2003, 1392 jeweils mwN; siehe auch BVerfGK 11, 420, 433). Nur unter dieser Voraussetzung kann die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werden oder dem Grundstücksnachbarn eine selbstständige Verpflichtung auferlegt werden. Das Rechtsinstitut darf nicht dazu dienen, die nachbarrechtlichen Regelungen in ihr Gegenteil zu verkehren (vgl. Senat, Urteil vom 29. Juni 2012 - V ZR 97/11, NJW-RR 2012, 1160 Rn. 20 mwN).
12
b) Danach kann eine Verpflichtung des Klägers, die Beklagten weiterhin mit Wasser zu versorgen, nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis abgeleitet werden.
13
aa) Ob ein billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen es im Einzelfall zwingend erfordert, eine selbstständige Verpflichtung aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis abzuleiten, ist zwar eine Frage tatrichterlicher Würdigung, die im Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüft werden kann (Senat, Urteil vom 8. Februar 2013 - V ZR 56/12, NJW-RR 2013, 650 Rn. 8). Die tatrichterliche Würdigung ist in diesem Rahmen aber zu beanstanden.
14
Das Berufungsgericht stützt sie maßgeblich auf Parallelen zu dem Sachverhalt , welcher dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31. Januar 2003 (V ZR 143/02, NJW 2003, 1392) zugrunde lag, verkennt aber, dass dieser schon deshalb anders lag, weil den Käufern dort nicht bekannt war, dass die Abwasserversorgung ihrer Grundstücke über ein fremdes Grundstück führte. Zudem nimmt es nicht in den Blick, dass dort nur die Duldung einer Abwasserleitung und deren Nutzung in Rede stand, während es hier um die Verpflichtung des Klägers geht, Wasser entgeltlich zu beziehen und die Lieferung gegenüber den Beklagten abzurechnen. Wollte man sich bei der Würdigung an einem Vergleichsfall orientieren, hätte eine Parallele zu der - von dem Berufungsgericht nicht angesprochenen - Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8. Februar 2013 (V ZR 56/12, NJW-RR 2013, 650) nahegelegen, in der eine aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis abzuleitende Verpflichtung des Eigentümers einer Doppelhaushälfte verneint wurde, die andere (ohne eigene Heizung erbaute) Doppelhaushälfte dauerhaft mit Heizwärme zu versorgen.
15
Unabhängig davon verkennt das Berufungsgericht den anzulegenden Prüfungsmaßstab. Es begründet, warum das Interesse der Beklagten an der Beibehaltung der derzeitigen Wasserversorgung Vorrang vor den Interessen des Klägers an der Veränderung dieses Zustandes habe, nimmt also eine Interessenabwägung vor. Das greift indessen zu kurz. Denn eine aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ausnahmsweise abzuleitende selbständige Verpflichtung kommt nicht schon in Betracht, wenn das Interesse einer der Nachbarn hieran (ggf. deutlich) überwiegt; erforderlich ist vielmehr, dass die in Rede stehende Verpflichtung zum Ausgleich der im konkreten Fall widerstreitenden Interessen zwingend geboten ist.
16
bb) Die erforderliche Würdigung kann der Senat selbst nachholen, weil der Sachverhalt feststeht und weitere Erkenntnisse nicht zu erwarten sind. Danach fehlt es an zwingenden Gründen, die es geböten, den Kläger auf unbestimmte Dauer zu verpflichten, die Grundstücke der Beklagten mit Frischwasser zu versorgen.
17
(1) Ein schützenswertes Vertrauen der Beklagten auf den unbefristeten Fortbestand der Wasserversorgung ist nicht gegeben. Eine Pflicht eines Grundstückseigentümers zur Versorgung des Nachbargrundstücks mit Medien, die zu dessen ordnungsgemäßen Bewirtschaftung erforderlich sind, besteht im Allgemeinen nur, wenn derartige Rechte dinglich abgesichert sind. Fehlt es daran, fällt es daher grundsätzlich in den Risikobereich des Eigentümers des Nachbargrundstücks , die Anbindung an das öffentliche Leitungsnetz herzustellen (vgl. Senat, Urteil vom 8. Februar 2013 - V ZR 56/12, NJW-RR 2013, 650 Rn. 10).
18
(2) Ein besonders gelagerter Ausnahmefall, wie er dem Urteil des Senats vom 31. Januar 2003 (V ZR 143/02, NJW 2003, 1392) zugrunde lag, ist hier schon deshalb nicht gegeben, weil die Beklagten ihre Grundstücke in Kenntnis des Umstandes erworben haben, dass die Wasserversorgung über das nunmehr im Eigentum des Klägers stehende Grundstück erfolgt. Sie haben sich insoweit mit einer schuldrechtlichen Vereinbarung mit dem Großvater des Klägers begnügt und damit in Kauf genommen, dass diese Form der Versorgung endet und sie gezwungen sein könnten, ihre Grundstücke mit einem eigenen Anschluss für die Wasserversorgung zu versehen. Für die Beklagten hat sich damit ein Risiko verwirklicht, das bei dem Erwerb der Grundstücke erkennbar war. Bereits dies lässt das Entstehen eines schutzwürdigen Vertrauenstatbestandes entfallen (vgl. Senat, Urteil vom 8. Februar 2013 - V ZR 56/12, NJW-RR 2013, 650 Rn. 10).
19
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht den Beklagten gegenüber dem Kläger auch kein Anspruch auf Versorgung mit Frischwasser auf der Grundlage von § 743 Abs. 2 BGB (ggf. i.V.m. § 746 BGB) zu. Die getroffenen Feststellungen tragen die Annahme einer zwischen den Parteien bestehenden Rechtsgemeinschaft nicht (§ 741 BGB).
20
a) Voraussetzung für einen solchen Anspruch wäre zunächst das Bestehen einer Bruchteilsgemeinschaft zwischen den Parteien im Sinne von § 741 BGB. Das Berufungsgericht nimmt zwar in ständiger Rechtsprechung (OLG Hamm, OLGR 1994, 35 f.; OLGR 1994, 251 f.; Urteil vom 26. Januar 2012 - 5 U 133/11; Urteil vom 8. November 2012 - 5 U 100/12, juris Rn. 42; vgl. auch OLG Düsseldorf, NJW-RR 2007, 299 f.) an, dass zwischen Eigentümern von Grundstücken eine Rechtsgemeinschaft im Sinne des § 741 BGB besteht, wenn sie über ein einheitliches, die gemeinsamen Grundstücksgrenzen überschreitendes Leitungssystem verfügen. Diese Aussage ist in dieser Allgemeinheit aber nicht haltbar. Das Vorhandensein von Leitungen, die Grundstücksgrenzen überschreiten und der Versorgung verschiedener Grundstücke dienen, begründet für sich genommen keine zwischen den Grundstückseigentümern bestehende Rechtsgemeinschaft.
21
b) Die Berechtigung zu ideellen Bruchteilen im Sinne von § 741 BGB ist Voraussetzung, nicht Rechtsfolge der Gemeinschaft (vgl. MüKoBGB/Karsten Schmidt, 7. Aufl., § 741 Rn. 25). Ausgangspunkt für die Annahme einer Gemeinschaft ist daher ein Recht, das den Beteiligten gemeinschaftlich zusteht.
Ein solches benennt das Berufungsgericht nicht; tatsächlich steht den Parteien des Rechtsstreits auch kein solches Recht zu.
22
aa) Soweit die Beklagte zu 1 meint, Gegenstand der Gemeinschaft sei ein Besitzrecht (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 1974 - VI ZR 103/72, BGHZ 62, 243, 245; kritisch zum Besitz als Recht im Sinne des § 741 BGB allerdings MüKoBGB/Karsten Schmidt, 7. Aufl., § 741 Rn. 17 sowie Palandt/Herrler, BGB, 77. Aufl., § 866 Rn. 1 u. Erman/Aderhold, BGB, 15. Aufl., § 741 Rn. 12), fehlt es an Feststellungen, dass Mitbesitz begründet worden ist. Es versteht sich insbesondere hinsichtlich der Leitungen, die von dem öffentlichen Anschluss zu dem Haus des Klägers führen, keinesfalls von selbst, dass den Beklagten Mitbesitz eingeräumt worden ist. Die Revisionserwiderungen zeigen auch keinen Vortrag auf, der eine solche Schlussfolgerung zulässt.
23
bb) Ebenso wenig besteht Miteigentum der Parteien an den Wasserleitungen. Dieses wird nicht schon durch eine gemeinschaftliche Nutzung begründet ; nicht jeder, der durch eine Leitung versorgt wird, ist deshalb (Mit-) Eigentümer dieser Leitung. Maßgeblich ist vielmehr die sachenrechtliche Zuordnung der Leitung auf der Grundlage der §§ 93 ff. BGB. Danach ist hier kein Miteigentum entstanden.
24
(1) Die Leitungen, die das auf dem Grundstück des Klägers aufstehende Gebäude mit dem öffentlichen Leitungsnetz verbinden, sind zur Herstellung dieses Gebäudes eingefügt worden und damit nach § 94 Abs. 2 BGB dessen wesentliche Bestandteile. Als solche stehen sie, wenn das Gebäude, wie hier, wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist, im (Allein-)Eigentum des Grundstückseigentümers. Hieran hat sich durch den späteren Bau des Doppelhauses im hinteren Bereich des Grundstücks nichts geändert. Anders als das Berufungsgericht offenbar meint, führte der Anschluss des Doppelhauses an die Lei- tungen des bereits errichteten Hauses nicht dazu, dass dessen (vorhandene) Leitungen nunmehr auch wesentliche Bestandteile des Doppelhauses sind. Die sachenrechtliche Zuordnung einer Leitung ändert sich nicht dadurch, dass ihr später eine neue Anschlussstelle hinzugefügt und sie über diese zur Versorgung weiterer Gebäude oder Grundstücke genutzt wird.
25
(2) Ebenso wenig ist Miteigentum der Parteien an der Leitung entstanden , die von der Terrasse des zuerst errichteten Hauses zu den Doppelhaushälften führt. Sie ist, weil allein deren Versorgung dienend, entweder deren Zubehör (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juni 2011 - V ZR 233/10, NJW-RR 2011, 1458) oder aber wesentlicher Bestandteil der Doppelhaushälften im Sinne des § 94 Abs. 2 BGB (vgl. Senat, Urteil vom 26. Oktober 2012 - V ZR 57/12, NJW 2013, 1154 Rn. 10); hierzu können auch Leitungen zählen, die außerhalb des Gebäudes (BGH, Urteil vom 25. März 1998 - IV ZR 137/97, NJW-RR 1998, 1034, 1035) bzw. in fremdem Grund verlegt sind (vgl. Senat, Urteil vom 19. Oktober 2012 - V ZR 263/11, NJW-RR 2013, 652 Rn. 11 für einen Öltank). An dieser Zuordnung hat sich durch die Grundstücksteilung nichts geändert; das gilt auch, soweit die Leitung auf dem Grundstück des Klägers liegt. Bei einer festen Verbindung mit Grund und Boden käme zwar auch in Betracht, sie nach § 94 Abs. 1 BGB als Bestandteil des Grundstücks des Klägers anzusehen. In diesem Fall hätte allerdings die Sondervorschrift des § 94 Abs. 2 BGB Vorrang, so dass es dabei bliebe, dass die Leitung Zubehör oder Bestandteil der Doppelhaushälften ist (vgl. Senat, Urteil vom 19. Oktober 2012 - V ZR 263/11, aaO Rn. 13). Dabei kann dahinstehen, ob die Wasserleitung als wesentlicher Bestandteil beider Doppelhaushälften anzusehen ist. Dann wäre allenfalls zwischen den Eigentümern der neu gebildeten Grundstücke, auf denen die Doppelhaushälften aufstehen, eine Bruchteilsgemeinschaft bezüglich dieser Leitung entstanden. Teilhaber wäre jedenfalls nicht der Kläger.

III.

26
Das Urteil kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind und der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die Beklagten von dem Kläger die Versorgung mit Frischwasser über dessen Grundstück nicht beanspruchen können, ist ihre Berufung gegen das Urteil des Landgerichts zurückzuweisen.

IV.

27
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner
Kazele Hamdorf Vorinstanzen:
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Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten.

Steht ein Recht mehreren gemeinschaftlich zu, so finden, sofern sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt, die Vorschriften der §§ 742 bis 758 Anwendung (Gemeinschaft nach Bruchteilen).

(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.

(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.

Steht ein Recht mehreren gemeinschaftlich zu, so finden, sofern sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt, die Vorschriften der §§ 742 bis 758 Anwendung (Gemeinschaft nach Bruchteilen).

(1) Jedem Teilhaber gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte.

(2) Jeder Teilhaber ist zum Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstands insoweit befugt, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Teilhaber beeinträchtigt wird.

(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.

(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.

(1) Die Verpflichtung zur Duldung des Notwegs tritt nicht ein, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Wege durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wird.

(2) Wird infolge der Veräußerung eines Teils des Grundstücks der veräußerte oder der zurückbehaltene Teil von der Verbindung mit dem öffentlichen Wege abgeschnitten, so hat der Eigentümer desjenigen Teils, über welchen die Verbindung bisher stattgefunden hat, den Notweg zu dulden. Der Veräußerung eines Teils steht die Veräußerung eines von mehreren demselben Eigentümer gehörenden Grundstücken gleich.

7
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann sich aus § 917 BGB die Befugnis ergeben, Abwässer eines Grundstücks über ein anderes, fremdes Grundstück der öffentlichen Kanalisation zuzuführen (BGHZ 79, 307, 308 f.; Urt. v. 4. November 1959, V ZR 49/58, WM 1959, 1461, 1462; Urt. v. 15. April 1964, V ZR 134/62, NJW 1964, 1321, 1322; Urt. v. 24. Januar 1968, V ZR 175/64, WM 1968, 434, 435; Urt. v. 22. Juni 1990, V ZR 59/89, NJW 1991, 176 f.; vgl. auch Urt. v. 31. Januar 2003, V ZR 143/02, NJW 2003, 1392 f.). Inhalt eines solchen Notleitungsrechts kann auch die Mitbenutzung der auf dem belasteten Grundstück vorhandenen Leitungen sein (vgl. nur Senat, BGHZ 79, aaO). Wie der Senat in seinem Urteil vom 22. Juni 1990 (V ZR 59/89, aaO) klargestellt hat, dient diese Rechtsprechung zur Lückenfüllung im Wege analoger Rechtsfortbildung , soweit entsprechende landesrechtliche Regelungen fehlen. Unmittelbar regeln die Vorschriften der §§ 917, 918 BGB nämlich nur das Notwegrecht, und für ihre analoge Anwendung besteht kein Bedürfnis, wenn das Landesrecht die Voraussetzungen des Notleitungsrechts entsprechend dem Vorbehalt in Art. 124 EGBGB in eigenständiger Weise regelt, wie dies in den Nachbarrechtsgesetzen der Bundesländer Baden-Württemberg (§ 7e), Brandenburg (§ 44), Hessen (§ 30), Rheinland-Pfalz (§ 26), Saarland (§ 27), Sachsen (§ 19) und Thüringen (§ 26) der Fall ist.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 26. Januar 2017 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter, in Schleswig-Holstein belegener Grundstücke, die durch Teilung eines Grundstücks im Jahr 1977 entstanden sind. Die beiden Grundstücke der Kläger sind bebaut, verfügen aber - anders als das angrenzende Grundstück des Beklagten - über keine direkte Verbindung zu einer öffentlichen Straße. Das Grundstück des Beklagten ist in voller Breite mit einem Wohnhaus bebaut. Die Ver- und Entsorgungsleitungen zu den Grundstücken der Kläger verlaufen seit der Errichtung der Gebäude in den Jahren 1900 bis 1910 von der öffentlichen Straße durch den Keller dieses Wohnhauses. Dinglich abgesicherte Leitungsrechte bestehen insoweit nicht.

2

Die Kläger verlangen von dem Beklagten, das auf seinem Grundstück befindliche Leitungszubehör ihrer Grundstücke sowie dessen notwendige Unterhaltung und erforderlichenfalls Neuanlage zu dulden. Das Landgericht hat die Klage, mit der eine entsprechende Duldungspflicht des Beklagten zunächst (nur) festgestellt werden sollte, abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat der nach Antragsumstellung unmittelbar auf Duldung gerichteten Klage mit der Maßgabe stattgegeben, dass ein Betreten der Räume durch Dritte in der Regel nur nach vorheriger Ankündigung und zu näher festgelegten Zeiten möglich ist. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, will der Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe

I.

3

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Beklagte analog § 917 Abs. 1 BGB zur Duldung der Ver- und Entsorgungsleitungen verpflichtet, weil den Grundstücken der Kläger eine Verbindung zu einem öffentlichen Weg fehlt. Duldungspflichtig sei wegen der vorangegangenen Grundstücksteilung nach § 918 Abs. 2 BGB allein der Beklagte als Eigentümer des Grundstücksteils, über den die Verbindung bisher stattgefunden habe. Inhalt des Notleitungsrechts könne es auch sein, Leitungen durch ein Gebäude zu legen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn Leitungen nur durch ein Gebäude geführt werden könnten. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, die jegliche Inanspruchnahme von Wohngebäuden verbiete, finde sich nicht. Es gebe auch keine Gründe, § 917 Abs. 1 BGB einschränkend auszulegen. Die Belastung, die von durch ein Gebäude verlaufenden Leitungen ausgehe, sei grundsätzlich gering.

II.

4

Das hält rechtlicher Überprüfung stand.

5

1. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich aus der entsprechenden Anwendung des § 917 BGB ein Recht ergeben kann, Versorgungsleitungen über ein anderes, fremdes Grundstück zu führen, um diese mit den öffentlichen Versorgungsnetzen zu verbinden. Die diesbezügliche Rechtsprechung des Senats dient zur Lückenfüllung im Wege analoger Rechtsfortbildung, soweit entsprechende landesrechtliche Regelungen fehlen. Unmittelbar regeln die Vorschriften der §§ 917, 918 BGB nämlich nur das Notwegrecht, und für ihre analoge Anwendung besteht kein Bedürfnis, wenn das Landesrecht die Voraussetzungen des Notleitungsrechts entsprechend dem Vorbehalt in Art. 124 EGBGB in eigenständiger Weise regelt (vgl. Senat, Urteil vom 4. Juli 2008 - V ZR 172/07, BGHZ 177, 165 Rn. 7, 15 f. mwN). Das hier maßgebliche Nachbarrecht des Landes Schleswig-Holstein enthält keine Regelung über private Notleitungsrechte.

6

2. Das Berufungsgericht bejaht zu Recht die Voraussetzungen eines Notleitungsrechts analog § 917 BGB.

7

a) Die Grundstücke der Kläger haben keine eigene Verbindung zu den öffentlichen Versorgungsnetzen. Eine solche Verbindung ist erforderlich, weil die Grundstücke zu Wohnzwecken sowie gewerblich genutzt werden. Diese Nutzung ist ordnungsgemäß. Hiervon geht das Berufungsgericht aus. Die Revision nimmt dies hin.

8

b) Das Notleitungsrecht kann auch dazu berechtigen, Leitungen durch ein Gebäude zu führen; eine Einschränkung ergibt sich nur aus dem Gebot, die für den Duldungspflichtigen geringstmögliche Belastung zu wählen.

9

aa) Der Wortlaut des § 917 Abs. 1 BGB nimmt eine Beschränkung auf bestimmte Flächen eines Grundstücks, die in Anspruch genommen werden können, nicht vor. Satz 1 dieser Vorschrift spricht nur allgemein davon, dass der Eigentümer des notleidenden Grundstücks von den Nachbarn verlangen kann, die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung zu dulden. Danach kann das gesamte Grundstück, gleich ob dieses bebaut ist oder nicht, in Anspruch genommen werden. Dies steht in Einklang mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Sie will der Notlage eines vom Zugang zu einem öffentlichen Weg abgeschnittenen Grundstücks abhelfen. Im Interesse des Eigentümers des notleidenden Grundstücks, dieses in angemessener Weise wirtschaftlich zu nutzen, hat der Nachbar die Nutzung seines Grundstücks zu dulden (vgl. Staudinger/Roth, BGB [2016], § 917 Rn. 1; Soergel/Baur, BGB, 13. Aufl., § 917 Rn. 1). Dieser Zweck lässt sich nur verwirklichen, wenn die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks uneingeschränkt möglich ist.

10

Dementsprechend ist im Rahmen des unmittelbaren Anwendungsbereichs der Vorschrift anerkannt, dass der Notweg nicht nur über den Grund und Boden selbst führen, sondern auch über diesem (vgl. RG, Recht 1914, Rspr. Nr. 211: Drehbrücke im Luftraum des Nachbargrundstücks) oder unter dem Boden hergestellt werden kann (RGZ 157, 305, 309). Daher kann auch eine Untertunnelung, etwa zur Herstellung einer Tiefgaragenausfahrt, in Betracht kommen (Staudinger/Roth, BGB [2016], § 917 Rn. 34; vgl. auch Soergel/Baur, BGB, 13. Aufl., § 917 Rn. 11). Für das Notleitungsrecht gilt nichts anderes. Es ermöglicht nicht nur die Mitbenutzung der auf dem belasteten Grundstück vorhandenen Leitungen (Senat, Urteil vom 4. Juli 2008 - V ZR 172/07, BGHZ 177, 165 Rn. 7; Urteil vom 30. Januar 1981 - V ZR 6/80, BGHZ 79, 307, 308 f.; vgl. auch Urteil vom 22. Juni 1990 - V ZR 59/89, NJW 1991, 176), sondern auch die ober- und unterirdische Herstellung von Leitungen auf dem Nachbargrundstück (Senat, Urteil vom 11. November 1959 - V ZR 98/58, BGHZ 31, 159, 161; Urteil vom 4. November 1959 - V ZR 49/58, MDR 1960, 124). Im Grundsatz können die Leitungen auch durch bestehende Gebäude geführt werden, ohne dass es auf die Art der Gebäudenutzung ankommt. Soweit der Senat ausgeführt hat, dass das Notleitungsrecht analog § 917 BGB nicht die Befugnis zur Inanspruchnahme von Wohngebäuden umfasst (Urteil vom 10. Juni 2011 - V ZR 233/10, GE 2011, 1365 Rn. 12), hält er daran nicht fest.

11

bb) Im Rahmen der Ausübung eines Notleitungsrechts ist allerdings der Verlauf zu wählen, der für den Duldungspflichtigen die geringstmögliche Belastung darstellt (MüKoBGB-Brückner, 7. Aufl., § 917 Rn. 36). Die inhaltliche Beschränkung des Eigentumsrechts des Nachbarn kann nämlich nur so weit reichen, wie sie zur Behebung der Notlage des gefangenen Grundstücks erforderlich ist. Insoweit kann auch auf den in § 1020 Satz 1 BGB enthaltenen Rechtsgedanken zurückgegriffen werden, das Eigentum am belasteten Grundstück tunlichst zu schonen (vgl. Senat, Urteil vom 22. Juni 1990 - V ZR 59/89, NJW 1991, 176, 178). Der Rechtsgedanke gilt auch hier, weil § 917 Abs. 1 BGB eine zulässige Eigentumsschranke im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt. Daher hat das Interesse des Notleitungsberechtigten an dem für ihn effizientesten Verlauf gegenüber dem Interesse des Duldungsverpflichteten zurückzustehen, wobei im Rahmen der Abwägung auf objektive Gesichtspunkte, wie etwa Nutzungsart und Zuschnitt der Grundstücke abzustellen ist (vgl. Staudinger/Roth, BGB [2016], § 917 Rn. 38). Die Inanspruchnahme von Gebäuden zum Zwecke der Verlegung von Versorgungsleitungen wird daher grundsätzlich nur dann in Betracht kommen, wenn eine Verbindung zu dem öffentlichen Leitungsnetz anders auf dem Nachbargrundstück nicht hergestellt werden kann.

12

cc) Nach diesen Maßstäben ist das Berufungsurteil nicht zu beanstanden, insbesondere ist das Gebot der geringstmöglichen Belastung des Verpflichteten gewahrt. Dass die Leitungen in einer das Grundstück des Beklagten schonenderer Weise, insbesondere im Boden, verlegt werden könnten, ist angesichts der Bebauung in voller Breite nicht erkennbar und wird von dem Beklagten auch nicht geltend gemacht.

13

c) Der Beklagte kann nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass die Leitungen über andere Grundstücke verlegt werden könnten.

14

aa) Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich das Notleitungsrecht nach § 918 Abs. 2 Satz 1 BGB allein gegen den Beklagten richtet. Wird infolge einer Veräußerung eines Teils des Grundstücks der veräußerte oder der zurückbehaltene Teil von der Verbindung mit dem öffentlichen Weg abgeschnitten, so hat nach dieser Vorschrift der Eigentümer desjenigen Teils, über welchen die Verbindung bisher stattgefunden hat, den Notweg zu dulden. So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde durch die Teilung des ursprünglichen Grundstücks und die Veräußerung des an der Straße gelegenen Grundstücksteils an die Mutter des Beklagten der von den Klägern erworbene Grundstücksteil von dem öffentlichen Versorgungsnetz abgeschnitten. Da der Anschluss der klägerischen Grundstücke an das öffentliche Leitungsnetz bislang über das nunmehr im Eigentum des Beklagten stehende Grundstück erfolgte, ist dieser nach § 918 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Duldung der Leitungen verpflichtet.

15

bb) Soweit der Beklagte geltend macht, dass den Klägern ein Wegerecht zu einer anderen öffentlichen Straße über zwei andere Grundstücke zusteht und sie daher das Notleitungsrecht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gegenüber deren Eigentümern durchsetzen müssten, bleibt dies ohne Erfolg. Das Wegerecht berechtigt nur zu der damit eingeräumten Nutzungsmöglichkeit des belasteten Grundstücks, nicht zu der Verlegung von Leitungen. Einer Inanspruchnahme der Eigentümer der mit dem Wegerecht belasteten Grundstücke entsprechend § 917 Abs. 1 BGB stünde, wie dargelegt, § 918 Abs. 2 Satz 1 BGB entgegen.

III.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Stresemann     

        

Brückner     

        

Weinland

        

Kazele      

        

Hamdorf      

        

(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.

(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.

12
Grundsätzlich muss der Grundstückseigentümer den Zugang von dem öffentlichen Weg zu abgeschnittenen Grundstücksteilen auf dem eigenen Grundstück schaffen. Dies gilt auch dann, wenn das für den Grundstückseigentümer umständlicher, weniger bequem oder kostspieliger ist als die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks (Senat, BGHZ 75, 315, 319; OLG Brandenburg DtZ 1996, 389). Der Eigentümer muss deshalb grundsätzlich Umbaumaßnahmen vornehmen, um eine vorhandene Verbindung seines Grundstücks zu einem öffentlichen Weg nutzen zu können (vgl. RGZ 157, 305, 308; Senat, Urt. v. 15. April 1964, V ZR 134/62, NJW 1964, 1321, 1322). Erst wenn die mit der Schaffung eines Zugangs auf dem eigenen Grundstück verbundenen Erschwernisse so groß sind, dass die Wirtschaftlichkeit der Grundstücksbenutzung aufgehoben oder in unzumutbarer Weise geschmälert wird, ist der Nachbar zur Duldung der Benutzung seines Grundstücks als Zugang verpflichtet. Die Grenze der Zumutbarkeit für den Grundstückseigentümer ist nicht durch einen Vergleich zwischen der Beeinträchtigung des auf Duldung eines Notwegs in Anspruch genommenen Nachbarn und den Kosten zu bestimmen, die durch die Schaffung eines Zugangs auf dem eigenen Grundstück entstehen. Maßgeblich ist vielmehr das Verhältnis der für die Schaffung einer Zuwegung notwendigen Kosten zu der Wirtschaftlichkeit der Nutzung des Grundstücks (Senat, Urt. v. 15. April 1964, V ZR 134/62, NJW 1964, 1321, 1322).

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 143/02 Verkündet am:
31. Januar 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis kann auch durch spätere Parzellierung
eines bebauten Gesamtgrundstücks entstehen, durch die vorhandene Gebäude
rechtlich von ihrer bisherigen Abwasserentsorgung abgeschnitten werden.

b) Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis kann in einem solchen Fall auch dann
zur weiteren Duldung der Abwasserdurchleitung verpflichten, wenn das begünstigte
Grundstück nicht an das belastete angrenzt.
BGH, Urt. v. 31. Januar 2003 - V ZR 143/02 - OLG Hamm
LG Essen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 31. Januar 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. Februar 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 27. August 2001 zurückgewiesen und die Klage im übrigen abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Das Grundstück des Klägers und die Grundstücke der Beklagten waren ursprünglich Teile eines ungeteilten Hanggrundstücks in E. . Sie sind durch die späteren Parzellierung dieses Grundstücks entstanden. Das Areal liegt an der Straße S. und fällt in einem langen Hang ab zur Straße Am Sch. .
1953 ließ die damalige Eigentümerin von der Straße S. aus hangabwärts Stichstraßen anlegen und an diesen Häuser errichten. Die Häuser der Beklagten liegen an einer dieser Stichstraßen. Zur Entsorgung der Abwässer dieser Häuser hatte die damalige Eigentümerin von dem am tiefsten gelegenen Haus durch das darunter liegende Wiesengelände ein Abwasserrohr zum öffentlichen Abwasserkanal in der Straße Am Sch. verlegen lassen. In den 70er Jahren wurde das Areal an einen Immobilienhändler veräußert und von diesem parzelliert. Hierbei entstanden u. a. aus Flächen, auf denen die Häuser der Beklagten stehen, einzelne Hausgrundstücke, die später an die Beklagten veräußert wurden. Das am Fuß des Hangs an der Straße Am Sch. gelegene Wiesengelände wurde dabei ebenfalls parzelliert und später an Erwerber zur Bebauung verkauft. Einer dieser Erwerber ist der Kläger.
Als der Kläger im Jahre 2000 die Baugrube für sein Einfamilienhaus ausheben ließ, fiel das Abwasserrohr auf. Der Kläger ließ das Rohr zunächst teilweise umlegen, um die Baugrube für seinen Neubau ausheben zu können. Er verlangte von den Beklagten Erstattung der für die Umlegung des Rohrs entstandenen Kosten sowie seine Entfernung, weil er seiner Verlegung und Unterhaltung nicht zugestimmt habe und dieses Rohr auch nicht dulden müsse, hilfsweise, die Einleitung von Abwässern auf sein Grundstück zu unterlassen. Dies lehnten die Beklagten unter Hinweis darauf ab, daß das Rohr durch den seinerzeitigen Eigentümer angelegt worden sei und seitdem dort liege.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat dem Entfernungsbegehren entsprochen, die Berufung hinsichtlich des Zahlungsantrags indes zurückgewiesen. Mit der Revision beantragen die Beklag-
ten, ihre Verurteilung zur Entfernung des Rohrs aufzuheben und die Klage ins- gesamt abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe


I.


Nach Ansicht des Berufungsgerichts beeinträchtigen die Beklagten das Grundeigentum des Klägers dadurch, daß sie ihre Hausabwässer in dem Rohr durch das Grundstück des Klägers in den öffentlichen Kanal leiten. Das müsse der Kläger nicht dulden. Seine Pflicht zur Duldung des Rohrs und der Ableitung der Hausabwässer lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Notwegrechts begründen. Denn die Beklagten könnten ihre Hausabwässer in die am oberen Hangende verlaufende Straße S. entsorgen. Die Kosten für die Errichtung der dazu erforderlichen Abwasserhebeanlage sei den Beklagten zuzumuten.

II.


Diese Erwägung halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Der Kläger kann von den Beklagten weder die Entfernung des Abwasserrohrs verlangen, noch daß diese ihre Hausabwässer nicht mehr in sein Grundstück einleiten. Die Voraussetzungen des als Grundlage für diese Ansprüche allein in Betracht kommenden § 1004 BGB sind unbeschadet der Frage einer Störung durch die Beklagten jedenfalls deshalb nicht gegeben, weil die Beklagten von dem Kläger die Duldung des Abwasserrohrs und seine Nutzung zur Durchleitung der Abwässer verlangen können.

2. Die Duldungspflicht des Klägers ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn haben insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Auch auf sie ist allerdings der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzuwenden; daraus folgt für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den konkreten Fall man unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammenfaßt (z. B. Senat BGHZ 28, 110, 114; Senat BGHZ 42, 374, 377; BGHZ 58, 149, 157; BGHZ 88, 344, 351; BGHZ 113, 384, 389; Senatsurt. v. 26. April 1991, V ZR 346/89, NJW 1991, 2826, 2827 u. v. 6. Juli 2001, V ZR 246/01, NJW 2001, 3119, 3120; Soergel/ J. F. Baur, 13. Aufl. [2002] § 903 Rdn. 51 jeweils m. w. Nachw.). Eine solche Pflicht zur Rücksichtnahme ist zwar mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen eine Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung kommen , wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint (Senat BGHZ 28, 110, 114; BGHZ 42, 374, 377; BGHZ 58, 149, 157; BGHZ 88, 344, 351; Senatsurt. v. 26. April 1991, V ZR 346/89, NJW 1991, 2826, 2827). Wenn diese Bedingungen vorliegen, ist die Ausübung eines Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung vorrangiger Interessen des Störers unzulässig (vgl. Senat BGHZ 28, 225, 229 f.; 68, 350, 353 ff.; BGHZ 113, 384, 389; Urt. v 26. April 1991, V ZR 346/01, NJW 1991, 2826, 2827, u. v. 6. Juli 2001, V ZR 246/01, NJW 2001, 3119, 3120 f. ) .
3. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Die Beklagten können auf Grund der Umstände, die zu dem vom Kläger beanstandeten Zustand geführt haben, und auf Grund des langen Zeitraums, während dessen dieser Zustand bis zu dem Streit der Parteien unangefochten bestanden hat, darauf vertrauen, daß dieser Zustand auch künftig erhalten bleibt. Dieses Bestandsschutzinteresse der Beklagten hat Vorrang vor dem Interesse des Klägers an einer Veränderung dieses Zustands. Dies kann der Senat auch selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht die dazu erforderlichen Feststellungen getroffen hat.

a) Die Grundstücke der Parteien sind im Wege der Parzellierung aus einem einheitlichen Gesamtgrundstück hervorgegangen. Auf diesem Gesamtgrundstück hatte dessen ursprünglicher Eigentümer die Siedlung errichten lassen , zu der auch die Häuser der Beklagten gehören. Die Abwässer dieser Häuser wurden nach den von dem Berufungsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen auf Veranlassung des damaligen Eigentümers von Anfang an in dem streitigen Rohr hangabwärts durch die Wiesenfläche des Gesamtareals in den Abwasserkanal der Straße Am Sch. am Fuß des Hanges entsorgt. Dieses so bebaute Gesamtareal wurde später in dem Zustand parzelliert , in dem es sich damals befand. Das Rohr ist bei dieser Parzellierung nicht dinglich abgesichert worden. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß dem die Absicht zugrunde lag, den bestehenden Zustand zu ändern. Das Areal sollte vielmehr nur aufgeteilt und an Erwerber veräußert werden. Das 20 Jahre zuvor angelegte Rohr ist damals übersehen worden. Es wäre auch erhalten geblieben , wenn es rechtzeitig entdeckt worden wäre.

b) Die Beklagten haben ihre Häuser seinerzeit mit der heute vorhandenen Abwasserentsorgung erworben. Da die Grundstücke alle zu einem einheit-
lichen Areal gehört hatten, durften sie auch davon ausgehen, daß sich daran nichts ändern würde. In ihrer Erwartung sind sie dadurch gestärkt worden, daß dieser Zustand nahezu 30 Jahre lang unangefochten blieb und auch die von dem Rohr ebenfalls betroffenen anderen Erwerber keine Einwände erheben.

c) Dieses Vertrauen der Beklagten wiegt stärker als das Interesse des Klägers an der Beendigung der Durchleitung der Abwässer. Der Kläger hat die von ihm jetzt beanstandete Lage bei Erwerb vorgefunden und sein Grundstück mit diesem situationsbedingten Nachteil erworben. Das Abwasserrohr liegt in einem Streifen seines Grundstücks, der wegen der einzuhaltenden Abstandsflächen nur eingeschränkt nutzbar ist. Er könnte zudem von den Beklagten nach Treu und Glauben verlangen, daß sie einer Verlegung des Rohrs zustimmen , wenn es eine künftige Nutzung seines Grundstücks durch den Kläger an der gegenwärtigen Ausübungsstelle in nicht zumutbarer Weise beeinträchtigen sollte.

d) Das Grundstück des Klägers grenzt allerdings nicht unmittelbar an die Grundstücke der Beklagten. Das hindert aber die Entstehung eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zwischen den Parteien nicht. Die Pflicht der Parteien zur Rücksichtnahme beruht darauf, daß die Grundstücke zu einem Gesamtgrundstück gehört haben und die Beklagten auf den Forbestand des tatsächlichen Entsorgungszustands vertrauen können, der bei Parzellierung vorhanden war. Es kommt deshalb nur auf die tatsächlichen Verhältnisse an; zu welchem Grundstückszuschnitt die Parzellierung geführt hat, ist unerheblich. Ohne Bedeutung ist deshalb auch, ob die heutigen Grundstücksgrenzen durch eine Parzellierung in einem Zuge entstanden sind oder ob dies in mehreren Parzellierungsschritten geschehen ist, wie der Kläger vorträgt.


e) Nach dem Vortrag des Klägers ist das Abwasserrohr nicht an der Stelle verlegt worden, die in den damaligen Plänen angeben war. Es soll auch weder im Baulastenverzeichnis oder in einem Abwasserkataster enthalten sein. Dieser Vortrag könnte die Duldungspflicht des Klägers nur in Frage stellen, wenn sich aus ihm ableiten ließe, daß das Rohr seinerzeit rechtswidrig angelegt wurde. Das ist nicht der Fall. Für die angeblichen Abweichungen von den ursprünglichen Planungen folgt das schon daraus, daß die Duldungspflicht nicht an die Planung, sondern an den tatsächlichen Zustand anknüpft, in dem sich das Areal bei Parzellierung befand. Da lag das Rohr aber an der beanstandeten Stelle. Aus dem gleichen Grund kommt es auch nicht auf das Fehlen einer Baulast an, die zudem seinerzeit auch nicht begründet werden konnte, weil sich das Rohr in eigenem Grund befand. Die fehlende Eintragung des Rohrs in ein Abwasserkataster besagt über die Rechtmäßigkeit einer Abwasserleitung nichts. Ein solches Kataster dient allein einer Bestandsaufnahme und erfaßt gewöhnlich auch nur die Leitungen von öffentlichen Netzen.
4. Keiner Entscheidung bedarf im vorliegenden Fall, ob der Kläger das Abwasserrohr und seine weitere Nutzung durch die Beklagten ohne Ausgleich hinzunehmen oder ob die Beeinträchtigung das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Einwirkung übersteigt und dem Kläger deshalb ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zuzubilligen ist (vgl. Senatsurt. v. 11. Juni 1999, V ZR 377/98, NJW 1999, 2896 u. v. 23. Februar 2001, V ZR 389/99, NJW 2001, 1865, 1866). Denn der Kläger hat einen solchen Ausgleich nicht beantragt.

III.


Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf Klein Lemke Schmidt-Räntsch
6
a) Nach der Rechtsprechung des Senats begründet der Gedanke von Treu und Glauben im Rahmen eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in der Regel keine selbständigen Ansprüche, sondern wirkt sich hauptsächlich als bloße Schranke der Rechtsausübung aus (etwa Senat, Urteile vom 21. Oktober 1983 - V ZR 166/82, BGHZ 88, 344, 351 und vom 7. Juli 1995 - V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634 f.). Diese Schranke kann den Grundstückseigentümer zwingen, eine bestimmte eigene Nutzung seines Grundstücks zu unterlassen oder eine bestimmte Nutzung seines Grundstücks durch den Nach- barn zu dulden. Die Pflicht zur Rücksichtnahme muss sich zwar darauf nicht beschränken; sie kann den Grundstückseigentümer im Einzelfall auch zu positivem Handeln verpflichten (Senat, Urteile vom 29. April 1977 - V ZR 71/75, BGHZ 68, 350, 354 und vom 22. Februar 1991 - V ZR 308/89, BGHZ 113, 384, 389). Solche Ansprüche gegen den Grundstückseigentümer ergeben sich aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis aber in jedem Fall nur, wenndies - über die gesetzlichen Regelungen hinausgehend - für einen billigen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwingend geboten erscheint (etwa Senat, Urteile vom 16. Februar 2001 - V ZR 422/99, NJW-RR 2001, 1208, 1209, vom 31. Januar 2003 - V ZR 143/02, NJW 2003, 1392 und vom 29. Juni 2012 - V ZR 97/11, NJW-RR 2012, 1160, 1162 Rn. 20; vgl. auch BVerfG, BVerfGK 11, 420,
20
a) Die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn haben nach ständiger Rechtsprechung des Senats insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins Einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Zwar ist auch auf sie der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzuwenden; daraus folgt für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den konkreten Fall unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammengefasst werden. Eine daraus folgende selbständige Verpflichtung ist aber mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen eine Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint. Nur unter diesen Voraussetzungen kann die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werden. Das Rechtsinstitut darf insbesondere nicht dazu dienen, die nachbarrechtlichen Regelungen in ihr Gegenteil zu verkehren (siehe nur Senatsurteile vom 21. Oktober 1983 - V ZR 166/82, BGHZ 88, 344, 351 f. und vom 31. Januar 2003 - V ZR 143/02, NJW 2003, 1392 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 143/02 Verkündet am:
31. Januar 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis kann auch durch spätere Parzellierung
eines bebauten Gesamtgrundstücks entstehen, durch die vorhandene Gebäude
rechtlich von ihrer bisherigen Abwasserentsorgung abgeschnitten werden.

b) Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis kann in einem solchen Fall auch dann
zur weiteren Duldung der Abwasserdurchleitung verpflichten, wenn das begünstigte
Grundstück nicht an das belastete angrenzt.
BGH, Urt. v. 31. Januar 2003 - V ZR 143/02 - OLG Hamm
LG Essen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 31. Januar 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. Februar 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 27. August 2001 zurückgewiesen und die Klage im übrigen abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Das Grundstück des Klägers und die Grundstücke der Beklagten waren ursprünglich Teile eines ungeteilten Hanggrundstücks in E. . Sie sind durch die späteren Parzellierung dieses Grundstücks entstanden. Das Areal liegt an der Straße S. und fällt in einem langen Hang ab zur Straße Am Sch. .
1953 ließ die damalige Eigentümerin von der Straße S. aus hangabwärts Stichstraßen anlegen und an diesen Häuser errichten. Die Häuser der Beklagten liegen an einer dieser Stichstraßen. Zur Entsorgung der Abwässer dieser Häuser hatte die damalige Eigentümerin von dem am tiefsten gelegenen Haus durch das darunter liegende Wiesengelände ein Abwasserrohr zum öffentlichen Abwasserkanal in der Straße Am Sch. verlegen lassen. In den 70er Jahren wurde das Areal an einen Immobilienhändler veräußert und von diesem parzelliert. Hierbei entstanden u. a. aus Flächen, auf denen die Häuser der Beklagten stehen, einzelne Hausgrundstücke, die später an die Beklagten veräußert wurden. Das am Fuß des Hangs an der Straße Am Sch. gelegene Wiesengelände wurde dabei ebenfalls parzelliert und später an Erwerber zur Bebauung verkauft. Einer dieser Erwerber ist der Kläger.
Als der Kläger im Jahre 2000 die Baugrube für sein Einfamilienhaus ausheben ließ, fiel das Abwasserrohr auf. Der Kläger ließ das Rohr zunächst teilweise umlegen, um die Baugrube für seinen Neubau ausheben zu können. Er verlangte von den Beklagten Erstattung der für die Umlegung des Rohrs entstandenen Kosten sowie seine Entfernung, weil er seiner Verlegung und Unterhaltung nicht zugestimmt habe und dieses Rohr auch nicht dulden müsse, hilfsweise, die Einleitung von Abwässern auf sein Grundstück zu unterlassen. Dies lehnten die Beklagten unter Hinweis darauf ab, daß das Rohr durch den seinerzeitigen Eigentümer angelegt worden sei und seitdem dort liege.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat dem Entfernungsbegehren entsprochen, die Berufung hinsichtlich des Zahlungsantrags indes zurückgewiesen. Mit der Revision beantragen die Beklag-
ten, ihre Verurteilung zur Entfernung des Rohrs aufzuheben und die Klage ins- gesamt abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe


I.


Nach Ansicht des Berufungsgerichts beeinträchtigen die Beklagten das Grundeigentum des Klägers dadurch, daß sie ihre Hausabwässer in dem Rohr durch das Grundstück des Klägers in den öffentlichen Kanal leiten. Das müsse der Kläger nicht dulden. Seine Pflicht zur Duldung des Rohrs und der Ableitung der Hausabwässer lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Notwegrechts begründen. Denn die Beklagten könnten ihre Hausabwässer in die am oberen Hangende verlaufende Straße S. entsorgen. Die Kosten für die Errichtung der dazu erforderlichen Abwasserhebeanlage sei den Beklagten zuzumuten.

II.


Diese Erwägung halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Der Kläger kann von den Beklagten weder die Entfernung des Abwasserrohrs verlangen, noch daß diese ihre Hausabwässer nicht mehr in sein Grundstück einleiten. Die Voraussetzungen des als Grundlage für diese Ansprüche allein in Betracht kommenden § 1004 BGB sind unbeschadet der Frage einer Störung durch die Beklagten jedenfalls deshalb nicht gegeben, weil die Beklagten von dem Kläger die Duldung des Abwasserrohrs und seine Nutzung zur Durchleitung der Abwässer verlangen können.

2. Die Duldungspflicht des Klägers ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn haben insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Auch auf sie ist allerdings der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzuwenden; daraus folgt für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den konkreten Fall man unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammenfaßt (z. B. Senat BGHZ 28, 110, 114; Senat BGHZ 42, 374, 377; BGHZ 58, 149, 157; BGHZ 88, 344, 351; BGHZ 113, 384, 389; Senatsurt. v. 26. April 1991, V ZR 346/89, NJW 1991, 2826, 2827 u. v. 6. Juli 2001, V ZR 246/01, NJW 2001, 3119, 3120; Soergel/ J. F. Baur, 13. Aufl. [2002] § 903 Rdn. 51 jeweils m. w. Nachw.). Eine solche Pflicht zur Rücksichtnahme ist zwar mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen eine Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung kommen , wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint (Senat BGHZ 28, 110, 114; BGHZ 42, 374, 377; BGHZ 58, 149, 157; BGHZ 88, 344, 351; Senatsurt. v. 26. April 1991, V ZR 346/89, NJW 1991, 2826, 2827). Wenn diese Bedingungen vorliegen, ist die Ausübung eines Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung vorrangiger Interessen des Störers unzulässig (vgl. Senat BGHZ 28, 225, 229 f.; 68, 350, 353 ff.; BGHZ 113, 384, 389; Urt. v 26. April 1991, V ZR 346/01, NJW 1991, 2826, 2827, u. v. 6. Juli 2001, V ZR 246/01, NJW 2001, 3119, 3120 f. ) .
3. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Die Beklagten können auf Grund der Umstände, die zu dem vom Kläger beanstandeten Zustand geführt haben, und auf Grund des langen Zeitraums, während dessen dieser Zustand bis zu dem Streit der Parteien unangefochten bestanden hat, darauf vertrauen, daß dieser Zustand auch künftig erhalten bleibt. Dieses Bestandsschutzinteresse der Beklagten hat Vorrang vor dem Interesse des Klägers an einer Veränderung dieses Zustands. Dies kann der Senat auch selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht die dazu erforderlichen Feststellungen getroffen hat.

a) Die Grundstücke der Parteien sind im Wege der Parzellierung aus einem einheitlichen Gesamtgrundstück hervorgegangen. Auf diesem Gesamtgrundstück hatte dessen ursprünglicher Eigentümer die Siedlung errichten lassen , zu der auch die Häuser der Beklagten gehören. Die Abwässer dieser Häuser wurden nach den von dem Berufungsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen auf Veranlassung des damaligen Eigentümers von Anfang an in dem streitigen Rohr hangabwärts durch die Wiesenfläche des Gesamtareals in den Abwasserkanal der Straße Am Sch. am Fuß des Hanges entsorgt. Dieses so bebaute Gesamtareal wurde später in dem Zustand parzelliert , in dem es sich damals befand. Das Rohr ist bei dieser Parzellierung nicht dinglich abgesichert worden. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß dem die Absicht zugrunde lag, den bestehenden Zustand zu ändern. Das Areal sollte vielmehr nur aufgeteilt und an Erwerber veräußert werden. Das 20 Jahre zuvor angelegte Rohr ist damals übersehen worden. Es wäre auch erhalten geblieben , wenn es rechtzeitig entdeckt worden wäre.

b) Die Beklagten haben ihre Häuser seinerzeit mit der heute vorhandenen Abwasserentsorgung erworben. Da die Grundstücke alle zu einem einheit-
lichen Areal gehört hatten, durften sie auch davon ausgehen, daß sich daran nichts ändern würde. In ihrer Erwartung sind sie dadurch gestärkt worden, daß dieser Zustand nahezu 30 Jahre lang unangefochten blieb und auch die von dem Rohr ebenfalls betroffenen anderen Erwerber keine Einwände erheben.

c) Dieses Vertrauen der Beklagten wiegt stärker als das Interesse des Klägers an der Beendigung der Durchleitung der Abwässer. Der Kläger hat die von ihm jetzt beanstandete Lage bei Erwerb vorgefunden und sein Grundstück mit diesem situationsbedingten Nachteil erworben. Das Abwasserrohr liegt in einem Streifen seines Grundstücks, der wegen der einzuhaltenden Abstandsflächen nur eingeschränkt nutzbar ist. Er könnte zudem von den Beklagten nach Treu und Glauben verlangen, daß sie einer Verlegung des Rohrs zustimmen , wenn es eine künftige Nutzung seines Grundstücks durch den Kläger an der gegenwärtigen Ausübungsstelle in nicht zumutbarer Weise beeinträchtigen sollte.

d) Das Grundstück des Klägers grenzt allerdings nicht unmittelbar an die Grundstücke der Beklagten. Das hindert aber die Entstehung eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zwischen den Parteien nicht. Die Pflicht der Parteien zur Rücksichtnahme beruht darauf, daß die Grundstücke zu einem Gesamtgrundstück gehört haben und die Beklagten auf den Forbestand des tatsächlichen Entsorgungszustands vertrauen können, der bei Parzellierung vorhanden war. Es kommt deshalb nur auf die tatsächlichen Verhältnisse an; zu welchem Grundstückszuschnitt die Parzellierung geführt hat, ist unerheblich. Ohne Bedeutung ist deshalb auch, ob die heutigen Grundstücksgrenzen durch eine Parzellierung in einem Zuge entstanden sind oder ob dies in mehreren Parzellierungsschritten geschehen ist, wie der Kläger vorträgt.


e) Nach dem Vortrag des Klägers ist das Abwasserrohr nicht an der Stelle verlegt worden, die in den damaligen Plänen angeben war. Es soll auch weder im Baulastenverzeichnis oder in einem Abwasserkataster enthalten sein. Dieser Vortrag könnte die Duldungspflicht des Klägers nur in Frage stellen, wenn sich aus ihm ableiten ließe, daß das Rohr seinerzeit rechtswidrig angelegt wurde. Das ist nicht der Fall. Für die angeblichen Abweichungen von den ursprünglichen Planungen folgt das schon daraus, daß die Duldungspflicht nicht an die Planung, sondern an den tatsächlichen Zustand anknüpft, in dem sich das Areal bei Parzellierung befand. Da lag das Rohr aber an der beanstandeten Stelle. Aus dem gleichen Grund kommt es auch nicht auf das Fehlen einer Baulast an, die zudem seinerzeit auch nicht begründet werden konnte, weil sich das Rohr in eigenem Grund befand. Die fehlende Eintragung des Rohrs in ein Abwasserkataster besagt über die Rechtmäßigkeit einer Abwasserleitung nichts. Ein solches Kataster dient allein einer Bestandsaufnahme und erfaßt gewöhnlich auch nur die Leitungen von öffentlichen Netzen.
4. Keiner Entscheidung bedarf im vorliegenden Fall, ob der Kläger das Abwasserrohr und seine weitere Nutzung durch die Beklagten ohne Ausgleich hinzunehmen oder ob die Beeinträchtigung das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Einwirkung übersteigt und dem Kläger deshalb ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zuzubilligen ist (vgl. Senatsurt. v. 11. Juni 1999, V ZR 377/98, NJW 1999, 2896 u. v. 23. Februar 2001, V ZR 389/99, NJW 2001, 1865, 1866). Denn der Kläger hat einen solchen Ausgleich nicht beantragt.

III.


Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf Klein Lemke Schmidt-Räntsch
20
a) Die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn haben nach ständiger Rechtsprechung des Senats insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins Einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Zwar ist auch auf sie der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzuwenden; daraus folgt für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den konkreten Fall unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammengefasst werden. Eine daraus folgende selbständige Verpflichtung ist aber mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen eine Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint. Nur unter diesen Voraussetzungen kann die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werden. Das Rechtsinstitut darf insbesondere nicht dazu dienen, die nachbarrechtlichen Regelungen in ihr Gegenteil zu verkehren (siehe nur Senatsurteile vom 21. Oktober 1983 - V ZR 166/82, BGHZ 88, 344, 351 f. und vom 31. Januar 2003 - V ZR 143/02, NJW 2003, 1392 mwN).
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a) Nach der Rechtsprechung des Senats begründet der Gedanke von Treu und Glauben im Rahmen eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in der Regel keine selbständigen Ansprüche, sondern wirkt sich hauptsächlich als bloße Schranke der Rechtsausübung aus (etwa Senat, Urteile vom 21. Oktober 1983 - V ZR 166/82, BGHZ 88, 344, 351 und vom 7. Juli 1995 - V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634 f.). Diese Schranke kann den Grundstückseigentümer zwingen, eine bestimmte eigene Nutzung seines Grundstücks zu unterlassen oder eine bestimmte Nutzung seines Grundstücks durch den Nach- barn zu dulden. Die Pflicht zur Rücksichtnahme muss sich zwar darauf nicht beschränken; sie kann den Grundstückseigentümer im Einzelfall auch zu positivem Handeln verpflichten (Senat, Urteile vom 29. April 1977 - V ZR 71/75, BGHZ 68, 350, 354 und vom 22. Februar 1991 - V ZR 308/89, BGHZ 113, 384, 389). Solche Ansprüche gegen den Grundstückseigentümer ergeben sich aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis aber in jedem Fall nur, wenndies - über die gesetzlichen Regelungen hinausgehend - für einen billigen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwingend geboten erscheint (etwa Senat, Urteile vom 16. Februar 2001 - V ZR 422/99, NJW-RR 2001, 1208, 1209, vom 31. Januar 2003 - V ZR 143/02, NJW 2003, 1392 und vom 29. Juni 2012 - V ZR 97/11, NJW-RR 2012, 1160, 1162 Rn. 20; vgl. auch BVerfG, BVerfGK 11, 420,

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 143/02 Verkündet am:
31. Januar 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis kann auch durch spätere Parzellierung
eines bebauten Gesamtgrundstücks entstehen, durch die vorhandene Gebäude
rechtlich von ihrer bisherigen Abwasserentsorgung abgeschnitten werden.

b) Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis kann in einem solchen Fall auch dann
zur weiteren Duldung der Abwasserdurchleitung verpflichten, wenn das begünstigte
Grundstück nicht an das belastete angrenzt.
BGH, Urt. v. 31. Januar 2003 - V ZR 143/02 - OLG Hamm
LG Essen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 31. Januar 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. Februar 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 27. August 2001 zurückgewiesen und die Klage im übrigen abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Das Grundstück des Klägers und die Grundstücke der Beklagten waren ursprünglich Teile eines ungeteilten Hanggrundstücks in E. . Sie sind durch die späteren Parzellierung dieses Grundstücks entstanden. Das Areal liegt an der Straße S. und fällt in einem langen Hang ab zur Straße Am Sch. .
1953 ließ die damalige Eigentümerin von der Straße S. aus hangabwärts Stichstraßen anlegen und an diesen Häuser errichten. Die Häuser der Beklagten liegen an einer dieser Stichstraßen. Zur Entsorgung der Abwässer dieser Häuser hatte die damalige Eigentümerin von dem am tiefsten gelegenen Haus durch das darunter liegende Wiesengelände ein Abwasserrohr zum öffentlichen Abwasserkanal in der Straße Am Sch. verlegen lassen. In den 70er Jahren wurde das Areal an einen Immobilienhändler veräußert und von diesem parzelliert. Hierbei entstanden u. a. aus Flächen, auf denen die Häuser der Beklagten stehen, einzelne Hausgrundstücke, die später an die Beklagten veräußert wurden. Das am Fuß des Hangs an der Straße Am Sch. gelegene Wiesengelände wurde dabei ebenfalls parzelliert und später an Erwerber zur Bebauung verkauft. Einer dieser Erwerber ist der Kläger.
Als der Kläger im Jahre 2000 die Baugrube für sein Einfamilienhaus ausheben ließ, fiel das Abwasserrohr auf. Der Kläger ließ das Rohr zunächst teilweise umlegen, um die Baugrube für seinen Neubau ausheben zu können. Er verlangte von den Beklagten Erstattung der für die Umlegung des Rohrs entstandenen Kosten sowie seine Entfernung, weil er seiner Verlegung und Unterhaltung nicht zugestimmt habe und dieses Rohr auch nicht dulden müsse, hilfsweise, die Einleitung von Abwässern auf sein Grundstück zu unterlassen. Dies lehnten die Beklagten unter Hinweis darauf ab, daß das Rohr durch den seinerzeitigen Eigentümer angelegt worden sei und seitdem dort liege.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat dem Entfernungsbegehren entsprochen, die Berufung hinsichtlich des Zahlungsantrags indes zurückgewiesen. Mit der Revision beantragen die Beklag-
ten, ihre Verurteilung zur Entfernung des Rohrs aufzuheben und die Klage ins- gesamt abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe


I.


Nach Ansicht des Berufungsgerichts beeinträchtigen die Beklagten das Grundeigentum des Klägers dadurch, daß sie ihre Hausabwässer in dem Rohr durch das Grundstück des Klägers in den öffentlichen Kanal leiten. Das müsse der Kläger nicht dulden. Seine Pflicht zur Duldung des Rohrs und der Ableitung der Hausabwässer lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Notwegrechts begründen. Denn die Beklagten könnten ihre Hausabwässer in die am oberen Hangende verlaufende Straße S. entsorgen. Die Kosten für die Errichtung der dazu erforderlichen Abwasserhebeanlage sei den Beklagten zuzumuten.

II.


Diese Erwägung halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Der Kläger kann von den Beklagten weder die Entfernung des Abwasserrohrs verlangen, noch daß diese ihre Hausabwässer nicht mehr in sein Grundstück einleiten. Die Voraussetzungen des als Grundlage für diese Ansprüche allein in Betracht kommenden § 1004 BGB sind unbeschadet der Frage einer Störung durch die Beklagten jedenfalls deshalb nicht gegeben, weil die Beklagten von dem Kläger die Duldung des Abwasserrohrs und seine Nutzung zur Durchleitung der Abwässer verlangen können.

2. Die Duldungspflicht des Klägers ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn haben insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Auch auf sie ist allerdings der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzuwenden; daraus folgt für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den konkreten Fall man unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammenfaßt (z. B. Senat BGHZ 28, 110, 114; Senat BGHZ 42, 374, 377; BGHZ 58, 149, 157; BGHZ 88, 344, 351; BGHZ 113, 384, 389; Senatsurt. v. 26. April 1991, V ZR 346/89, NJW 1991, 2826, 2827 u. v. 6. Juli 2001, V ZR 246/01, NJW 2001, 3119, 3120; Soergel/ J. F. Baur, 13. Aufl. [2002] § 903 Rdn. 51 jeweils m. w. Nachw.). Eine solche Pflicht zur Rücksichtnahme ist zwar mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen eine Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung kommen , wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint (Senat BGHZ 28, 110, 114; BGHZ 42, 374, 377; BGHZ 58, 149, 157; BGHZ 88, 344, 351; Senatsurt. v. 26. April 1991, V ZR 346/89, NJW 1991, 2826, 2827). Wenn diese Bedingungen vorliegen, ist die Ausübung eines Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung vorrangiger Interessen des Störers unzulässig (vgl. Senat BGHZ 28, 225, 229 f.; 68, 350, 353 ff.; BGHZ 113, 384, 389; Urt. v 26. April 1991, V ZR 346/01, NJW 1991, 2826, 2827, u. v. 6. Juli 2001, V ZR 246/01, NJW 2001, 3119, 3120 f. ) .
3. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Die Beklagten können auf Grund der Umstände, die zu dem vom Kläger beanstandeten Zustand geführt haben, und auf Grund des langen Zeitraums, während dessen dieser Zustand bis zu dem Streit der Parteien unangefochten bestanden hat, darauf vertrauen, daß dieser Zustand auch künftig erhalten bleibt. Dieses Bestandsschutzinteresse der Beklagten hat Vorrang vor dem Interesse des Klägers an einer Veränderung dieses Zustands. Dies kann der Senat auch selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht die dazu erforderlichen Feststellungen getroffen hat.

a) Die Grundstücke der Parteien sind im Wege der Parzellierung aus einem einheitlichen Gesamtgrundstück hervorgegangen. Auf diesem Gesamtgrundstück hatte dessen ursprünglicher Eigentümer die Siedlung errichten lassen , zu der auch die Häuser der Beklagten gehören. Die Abwässer dieser Häuser wurden nach den von dem Berufungsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen auf Veranlassung des damaligen Eigentümers von Anfang an in dem streitigen Rohr hangabwärts durch die Wiesenfläche des Gesamtareals in den Abwasserkanal der Straße Am Sch. am Fuß des Hanges entsorgt. Dieses so bebaute Gesamtareal wurde später in dem Zustand parzelliert , in dem es sich damals befand. Das Rohr ist bei dieser Parzellierung nicht dinglich abgesichert worden. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß dem die Absicht zugrunde lag, den bestehenden Zustand zu ändern. Das Areal sollte vielmehr nur aufgeteilt und an Erwerber veräußert werden. Das 20 Jahre zuvor angelegte Rohr ist damals übersehen worden. Es wäre auch erhalten geblieben , wenn es rechtzeitig entdeckt worden wäre.

b) Die Beklagten haben ihre Häuser seinerzeit mit der heute vorhandenen Abwasserentsorgung erworben. Da die Grundstücke alle zu einem einheit-
lichen Areal gehört hatten, durften sie auch davon ausgehen, daß sich daran nichts ändern würde. In ihrer Erwartung sind sie dadurch gestärkt worden, daß dieser Zustand nahezu 30 Jahre lang unangefochten blieb und auch die von dem Rohr ebenfalls betroffenen anderen Erwerber keine Einwände erheben.

c) Dieses Vertrauen der Beklagten wiegt stärker als das Interesse des Klägers an der Beendigung der Durchleitung der Abwässer. Der Kläger hat die von ihm jetzt beanstandete Lage bei Erwerb vorgefunden und sein Grundstück mit diesem situationsbedingten Nachteil erworben. Das Abwasserrohr liegt in einem Streifen seines Grundstücks, der wegen der einzuhaltenden Abstandsflächen nur eingeschränkt nutzbar ist. Er könnte zudem von den Beklagten nach Treu und Glauben verlangen, daß sie einer Verlegung des Rohrs zustimmen , wenn es eine künftige Nutzung seines Grundstücks durch den Kläger an der gegenwärtigen Ausübungsstelle in nicht zumutbarer Weise beeinträchtigen sollte.

d) Das Grundstück des Klägers grenzt allerdings nicht unmittelbar an die Grundstücke der Beklagten. Das hindert aber die Entstehung eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zwischen den Parteien nicht. Die Pflicht der Parteien zur Rücksichtnahme beruht darauf, daß die Grundstücke zu einem Gesamtgrundstück gehört haben und die Beklagten auf den Forbestand des tatsächlichen Entsorgungszustands vertrauen können, der bei Parzellierung vorhanden war. Es kommt deshalb nur auf die tatsächlichen Verhältnisse an; zu welchem Grundstückszuschnitt die Parzellierung geführt hat, ist unerheblich. Ohne Bedeutung ist deshalb auch, ob die heutigen Grundstücksgrenzen durch eine Parzellierung in einem Zuge entstanden sind oder ob dies in mehreren Parzellierungsschritten geschehen ist, wie der Kläger vorträgt.


e) Nach dem Vortrag des Klägers ist das Abwasserrohr nicht an der Stelle verlegt worden, die in den damaligen Plänen angeben war. Es soll auch weder im Baulastenverzeichnis oder in einem Abwasserkataster enthalten sein. Dieser Vortrag könnte die Duldungspflicht des Klägers nur in Frage stellen, wenn sich aus ihm ableiten ließe, daß das Rohr seinerzeit rechtswidrig angelegt wurde. Das ist nicht der Fall. Für die angeblichen Abweichungen von den ursprünglichen Planungen folgt das schon daraus, daß die Duldungspflicht nicht an die Planung, sondern an den tatsächlichen Zustand anknüpft, in dem sich das Areal bei Parzellierung befand. Da lag das Rohr aber an der beanstandeten Stelle. Aus dem gleichen Grund kommt es auch nicht auf das Fehlen einer Baulast an, die zudem seinerzeit auch nicht begründet werden konnte, weil sich das Rohr in eigenem Grund befand. Die fehlende Eintragung des Rohrs in ein Abwasserkataster besagt über die Rechtmäßigkeit einer Abwasserleitung nichts. Ein solches Kataster dient allein einer Bestandsaufnahme und erfaßt gewöhnlich auch nur die Leitungen von öffentlichen Netzen.
4. Keiner Entscheidung bedarf im vorliegenden Fall, ob der Kläger das Abwasserrohr und seine weitere Nutzung durch die Beklagten ohne Ausgleich hinzunehmen oder ob die Beeinträchtigung das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Einwirkung übersteigt und dem Kläger deshalb ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zuzubilligen ist (vgl. Senatsurt. v. 11. Juni 1999, V ZR 377/98, NJW 1999, 2896 u. v. 23. Februar 2001, V ZR 389/99, NJW 2001, 1865, 1866). Denn der Kläger hat einen solchen Ausgleich nicht beantragt.

III.


Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf Klein Lemke Schmidt-Räntsch
6
a) Nach der Rechtsprechung des Senats begründet der Gedanke von Treu und Glauben im Rahmen eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in der Regel keine selbständigen Ansprüche, sondern wirkt sich hauptsächlich als bloße Schranke der Rechtsausübung aus (etwa Senat, Urteile vom 21. Oktober 1983 - V ZR 166/82, BGHZ 88, 344, 351 und vom 7. Juli 1995 - V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634 f.). Diese Schranke kann den Grundstückseigentümer zwingen, eine bestimmte eigene Nutzung seines Grundstücks zu unterlassen oder eine bestimmte Nutzung seines Grundstücks durch den Nach- barn zu dulden. Die Pflicht zur Rücksichtnahme muss sich zwar darauf nicht beschränken; sie kann den Grundstückseigentümer im Einzelfall auch zu positivem Handeln verpflichten (Senat, Urteile vom 29. April 1977 - V ZR 71/75, BGHZ 68, 350, 354 und vom 22. Februar 1991 - V ZR 308/89, BGHZ 113, 384, 389). Solche Ansprüche gegen den Grundstückseigentümer ergeben sich aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis aber in jedem Fall nur, wenndies - über die gesetzlichen Regelungen hinausgehend - für einen billigen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwingend geboten erscheint (etwa Senat, Urteile vom 16. Februar 2001 - V ZR 422/99, NJW-RR 2001, 1208, 1209, vom 31. Januar 2003 - V ZR 143/02, NJW 2003, 1392 und vom 29. Juni 2012 - V ZR 97/11, NJW-RR 2012, 1160, 1162 Rn. 20; vgl. auch BVerfG, BVerfGK 11, 420,

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 143/02 Verkündet am:
31. Januar 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis kann auch durch spätere Parzellierung
eines bebauten Gesamtgrundstücks entstehen, durch die vorhandene Gebäude
rechtlich von ihrer bisherigen Abwasserentsorgung abgeschnitten werden.

b) Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis kann in einem solchen Fall auch dann
zur weiteren Duldung der Abwasserdurchleitung verpflichten, wenn das begünstigte
Grundstück nicht an das belastete angrenzt.
BGH, Urt. v. 31. Januar 2003 - V ZR 143/02 - OLG Hamm
LG Essen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 31. Januar 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. Februar 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 27. August 2001 zurückgewiesen und die Klage im übrigen abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Das Grundstück des Klägers und die Grundstücke der Beklagten waren ursprünglich Teile eines ungeteilten Hanggrundstücks in E. . Sie sind durch die späteren Parzellierung dieses Grundstücks entstanden. Das Areal liegt an der Straße S. und fällt in einem langen Hang ab zur Straße Am Sch. .
1953 ließ die damalige Eigentümerin von der Straße S. aus hangabwärts Stichstraßen anlegen und an diesen Häuser errichten. Die Häuser der Beklagten liegen an einer dieser Stichstraßen. Zur Entsorgung der Abwässer dieser Häuser hatte die damalige Eigentümerin von dem am tiefsten gelegenen Haus durch das darunter liegende Wiesengelände ein Abwasserrohr zum öffentlichen Abwasserkanal in der Straße Am Sch. verlegen lassen. In den 70er Jahren wurde das Areal an einen Immobilienhändler veräußert und von diesem parzelliert. Hierbei entstanden u. a. aus Flächen, auf denen die Häuser der Beklagten stehen, einzelne Hausgrundstücke, die später an die Beklagten veräußert wurden. Das am Fuß des Hangs an der Straße Am Sch. gelegene Wiesengelände wurde dabei ebenfalls parzelliert und später an Erwerber zur Bebauung verkauft. Einer dieser Erwerber ist der Kläger.
Als der Kläger im Jahre 2000 die Baugrube für sein Einfamilienhaus ausheben ließ, fiel das Abwasserrohr auf. Der Kläger ließ das Rohr zunächst teilweise umlegen, um die Baugrube für seinen Neubau ausheben zu können. Er verlangte von den Beklagten Erstattung der für die Umlegung des Rohrs entstandenen Kosten sowie seine Entfernung, weil er seiner Verlegung und Unterhaltung nicht zugestimmt habe und dieses Rohr auch nicht dulden müsse, hilfsweise, die Einleitung von Abwässern auf sein Grundstück zu unterlassen. Dies lehnten die Beklagten unter Hinweis darauf ab, daß das Rohr durch den seinerzeitigen Eigentümer angelegt worden sei und seitdem dort liege.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat dem Entfernungsbegehren entsprochen, die Berufung hinsichtlich des Zahlungsantrags indes zurückgewiesen. Mit der Revision beantragen die Beklag-
ten, ihre Verurteilung zur Entfernung des Rohrs aufzuheben und die Klage ins- gesamt abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe


I.


Nach Ansicht des Berufungsgerichts beeinträchtigen die Beklagten das Grundeigentum des Klägers dadurch, daß sie ihre Hausabwässer in dem Rohr durch das Grundstück des Klägers in den öffentlichen Kanal leiten. Das müsse der Kläger nicht dulden. Seine Pflicht zur Duldung des Rohrs und der Ableitung der Hausabwässer lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Notwegrechts begründen. Denn die Beklagten könnten ihre Hausabwässer in die am oberen Hangende verlaufende Straße S. entsorgen. Die Kosten für die Errichtung der dazu erforderlichen Abwasserhebeanlage sei den Beklagten zuzumuten.

II.


Diese Erwägung halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Der Kläger kann von den Beklagten weder die Entfernung des Abwasserrohrs verlangen, noch daß diese ihre Hausabwässer nicht mehr in sein Grundstück einleiten. Die Voraussetzungen des als Grundlage für diese Ansprüche allein in Betracht kommenden § 1004 BGB sind unbeschadet der Frage einer Störung durch die Beklagten jedenfalls deshalb nicht gegeben, weil die Beklagten von dem Kläger die Duldung des Abwasserrohrs und seine Nutzung zur Durchleitung der Abwässer verlangen können.

2. Die Duldungspflicht des Klägers ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn haben insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Auch auf sie ist allerdings der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzuwenden; daraus folgt für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den konkreten Fall man unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammenfaßt (z. B. Senat BGHZ 28, 110, 114; Senat BGHZ 42, 374, 377; BGHZ 58, 149, 157; BGHZ 88, 344, 351; BGHZ 113, 384, 389; Senatsurt. v. 26. April 1991, V ZR 346/89, NJW 1991, 2826, 2827 u. v. 6. Juli 2001, V ZR 246/01, NJW 2001, 3119, 3120; Soergel/ J. F. Baur, 13. Aufl. [2002] § 903 Rdn. 51 jeweils m. w. Nachw.). Eine solche Pflicht zur Rücksichtnahme ist zwar mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen eine Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung kommen , wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint (Senat BGHZ 28, 110, 114; BGHZ 42, 374, 377; BGHZ 58, 149, 157; BGHZ 88, 344, 351; Senatsurt. v. 26. April 1991, V ZR 346/89, NJW 1991, 2826, 2827). Wenn diese Bedingungen vorliegen, ist die Ausübung eines Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung vorrangiger Interessen des Störers unzulässig (vgl. Senat BGHZ 28, 225, 229 f.; 68, 350, 353 ff.; BGHZ 113, 384, 389; Urt. v 26. April 1991, V ZR 346/01, NJW 1991, 2826, 2827, u. v. 6. Juli 2001, V ZR 246/01, NJW 2001, 3119, 3120 f. ) .
3. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Die Beklagten können auf Grund der Umstände, die zu dem vom Kläger beanstandeten Zustand geführt haben, und auf Grund des langen Zeitraums, während dessen dieser Zustand bis zu dem Streit der Parteien unangefochten bestanden hat, darauf vertrauen, daß dieser Zustand auch künftig erhalten bleibt. Dieses Bestandsschutzinteresse der Beklagten hat Vorrang vor dem Interesse des Klägers an einer Veränderung dieses Zustands. Dies kann der Senat auch selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht die dazu erforderlichen Feststellungen getroffen hat.

a) Die Grundstücke der Parteien sind im Wege der Parzellierung aus einem einheitlichen Gesamtgrundstück hervorgegangen. Auf diesem Gesamtgrundstück hatte dessen ursprünglicher Eigentümer die Siedlung errichten lassen , zu der auch die Häuser der Beklagten gehören. Die Abwässer dieser Häuser wurden nach den von dem Berufungsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen auf Veranlassung des damaligen Eigentümers von Anfang an in dem streitigen Rohr hangabwärts durch die Wiesenfläche des Gesamtareals in den Abwasserkanal der Straße Am Sch. am Fuß des Hanges entsorgt. Dieses so bebaute Gesamtareal wurde später in dem Zustand parzelliert , in dem es sich damals befand. Das Rohr ist bei dieser Parzellierung nicht dinglich abgesichert worden. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß dem die Absicht zugrunde lag, den bestehenden Zustand zu ändern. Das Areal sollte vielmehr nur aufgeteilt und an Erwerber veräußert werden. Das 20 Jahre zuvor angelegte Rohr ist damals übersehen worden. Es wäre auch erhalten geblieben , wenn es rechtzeitig entdeckt worden wäre.

b) Die Beklagten haben ihre Häuser seinerzeit mit der heute vorhandenen Abwasserentsorgung erworben. Da die Grundstücke alle zu einem einheit-
lichen Areal gehört hatten, durften sie auch davon ausgehen, daß sich daran nichts ändern würde. In ihrer Erwartung sind sie dadurch gestärkt worden, daß dieser Zustand nahezu 30 Jahre lang unangefochten blieb und auch die von dem Rohr ebenfalls betroffenen anderen Erwerber keine Einwände erheben.

c) Dieses Vertrauen der Beklagten wiegt stärker als das Interesse des Klägers an der Beendigung der Durchleitung der Abwässer. Der Kläger hat die von ihm jetzt beanstandete Lage bei Erwerb vorgefunden und sein Grundstück mit diesem situationsbedingten Nachteil erworben. Das Abwasserrohr liegt in einem Streifen seines Grundstücks, der wegen der einzuhaltenden Abstandsflächen nur eingeschränkt nutzbar ist. Er könnte zudem von den Beklagten nach Treu und Glauben verlangen, daß sie einer Verlegung des Rohrs zustimmen , wenn es eine künftige Nutzung seines Grundstücks durch den Kläger an der gegenwärtigen Ausübungsstelle in nicht zumutbarer Weise beeinträchtigen sollte.

d) Das Grundstück des Klägers grenzt allerdings nicht unmittelbar an die Grundstücke der Beklagten. Das hindert aber die Entstehung eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zwischen den Parteien nicht. Die Pflicht der Parteien zur Rücksichtnahme beruht darauf, daß die Grundstücke zu einem Gesamtgrundstück gehört haben und die Beklagten auf den Forbestand des tatsächlichen Entsorgungszustands vertrauen können, der bei Parzellierung vorhanden war. Es kommt deshalb nur auf die tatsächlichen Verhältnisse an; zu welchem Grundstückszuschnitt die Parzellierung geführt hat, ist unerheblich. Ohne Bedeutung ist deshalb auch, ob die heutigen Grundstücksgrenzen durch eine Parzellierung in einem Zuge entstanden sind oder ob dies in mehreren Parzellierungsschritten geschehen ist, wie der Kläger vorträgt.


e) Nach dem Vortrag des Klägers ist das Abwasserrohr nicht an der Stelle verlegt worden, die in den damaligen Plänen angeben war. Es soll auch weder im Baulastenverzeichnis oder in einem Abwasserkataster enthalten sein. Dieser Vortrag könnte die Duldungspflicht des Klägers nur in Frage stellen, wenn sich aus ihm ableiten ließe, daß das Rohr seinerzeit rechtswidrig angelegt wurde. Das ist nicht der Fall. Für die angeblichen Abweichungen von den ursprünglichen Planungen folgt das schon daraus, daß die Duldungspflicht nicht an die Planung, sondern an den tatsächlichen Zustand anknüpft, in dem sich das Areal bei Parzellierung befand. Da lag das Rohr aber an der beanstandeten Stelle. Aus dem gleichen Grund kommt es auch nicht auf das Fehlen einer Baulast an, die zudem seinerzeit auch nicht begründet werden konnte, weil sich das Rohr in eigenem Grund befand. Die fehlende Eintragung des Rohrs in ein Abwasserkataster besagt über die Rechtmäßigkeit einer Abwasserleitung nichts. Ein solches Kataster dient allein einer Bestandsaufnahme und erfaßt gewöhnlich auch nur die Leitungen von öffentlichen Netzen.
4. Keiner Entscheidung bedarf im vorliegenden Fall, ob der Kläger das Abwasserrohr und seine weitere Nutzung durch die Beklagten ohne Ausgleich hinzunehmen oder ob die Beeinträchtigung das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Einwirkung übersteigt und dem Kläger deshalb ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zuzubilligen ist (vgl. Senatsurt. v. 11. Juni 1999, V ZR 377/98, NJW 1999, 2896 u. v. 23. Februar 2001, V ZR 389/99, NJW 2001, 1865, 1866). Denn der Kläger hat einen solchen Ausgleich nicht beantragt.

III.


Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf Klein Lemke Schmidt-Räntsch
6
a) Nach der Rechtsprechung des Senats begründet der Gedanke von Treu und Glauben im Rahmen eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in der Regel keine selbständigen Ansprüche, sondern wirkt sich hauptsächlich als bloße Schranke der Rechtsausübung aus (etwa Senat, Urteile vom 21. Oktober 1983 - V ZR 166/82, BGHZ 88, 344, 351 und vom 7. Juli 1995 - V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634 f.). Diese Schranke kann den Grundstückseigentümer zwingen, eine bestimmte eigene Nutzung seines Grundstücks zu unterlassen oder eine bestimmte Nutzung seines Grundstücks durch den Nach- barn zu dulden. Die Pflicht zur Rücksichtnahme muss sich zwar darauf nicht beschränken; sie kann den Grundstückseigentümer im Einzelfall auch zu positivem Handeln verpflichten (Senat, Urteile vom 29. April 1977 - V ZR 71/75, BGHZ 68, 350, 354 und vom 22. Februar 1991 - V ZR 308/89, BGHZ 113, 384, 389). Solche Ansprüche gegen den Grundstückseigentümer ergeben sich aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis aber in jedem Fall nur, wenndies - über die gesetzlichen Regelungen hinausgehend - für einen billigen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwingend geboten erscheint (etwa Senat, Urteile vom 16. Februar 2001 - V ZR 422/99, NJW-RR 2001, 1208, 1209, vom 31. Januar 2003 - V ZR 143/02, NJW 2003, 1392 und vom 29. Juni 2012 - V ZR 97/11, NJW-RR 2012, 1160, 1162 Rn. 20; vgl. auch BVerfG, BVerfGK 11, 420,

(1) Jedem Teilhaber gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte.

(2) Jeder Teilhaber ist zum Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstands insoweit befugt, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Teilhaber beeinträchtigt wird.

Haben die Teilhaber die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Gegenstands geregelt, so wirkt die getroffene Bestimmung auch für und gegen die Sondernachfolger.

Steht ein Recht mehreren gemeinschaftlich zu, so finden, sofern sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt, die Vorschriften der §§ 742 bis 758 Anwendung (Gemeinschaft nach Bruchteilen).

(1) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks.

(2) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 233/10
Verkündet am:
10. Juni 2011
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Juni 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 26. Oktober 2010 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte verurteilt worden ist, die im Keller des Hausanwesens K. 10 in O. verlaufenden Strom- und Wasserleitungen, die das Hausgrundstück K. 12 und 14 in O. versorgen, zu entfernen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien sind Nachbarn. Die Kläger haben ihr Hausgrundstück im Jahr 2005 aufgrund notariellen Vertrages von dem Beklagten erworben. § 4 („Sach- und Rechtsmängel“) des Vertrages enthält unter Absatz 1 einen Gewährleistungsausschluss. In Absatz 2 ist bestimmt, dass der Käufer den Kauf- gegenstand besichtigt hat und ihn im gegenwärtigen Zustand kauft. Das Haus der Kläger grenzt unmittelbar an die beiden auf dem Grundstück des Beklagten befindlichen Häuser an. Für alle drei Häuser besteht eine gemeinsame Stromund Wasserversorgung. Die Leitungen für die Versorgung der Häuser des Beklagten verlaufen im Keller des Hauses der Kläger. In einem diesem Rechtsstreit vorangegangenen gerichtlichen Verfahren verlangten die Kläger vom Beklagten die Rückabwicklung des Kaufvertrages; ihre Klage blieb jedoch ohne Erfolg. Die Kläger begehren nun die Beseitigung der in ihrem Keller verlaufenden , der Versorgung der Anwesen des Beklagten dienenden Leitungen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und, soweit hier von Interesse, der Widerklage des Beklagten auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten, die ihm anlässlich des vorangegangenen Prozesses und wegen des streitgegenständlichen Verfahrens entstanden sind, stattgegeben. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben und die Widerklage, soweit hier von Interesse, abgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision möchte der Beklagte die Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts erreichen. Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I.


2
Nach Ansicht des Berufungsgerichts können die Kläger einen Beseitigungsanspruch zwar nicht aus einer mit dem Beklagten getroffenen mündlichen Vereinbarung herleiten; selbst wenn sich die Parteien anlässlich des notariellen Kaufvertrages auf eine Beseitigung der Leitungen geeinigt haben sollten, wäre diese Vereinbarung mangels notarieller Beurkundung unwirksam. Der Anspruch der Kläger sei jedoch nach § 1004 BGB begründet. Eine Duldungspflicht der Kläger nach § 1004 Abs. 2 BGB bestehe nicht. Soweit sich der Beklagte darauf berufe, sich mit den Klägern über den Verbleib der Leitungen geeinigt zu haben , fehle es ebenfalls an der erforderlichen notariellen Beurkundung. Im Übrigen müsste eine solche Vereinbarung, hätte sie tatsächlich stattgefunden, als jederzeit kündbarer unentgeltlicher Gestattungsvertrag eingestuft werden. Die widerklagend geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten seien mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht erstattungsfähig.

II.


3
Die Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es einen Anspruch der Kläger gem. § 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung der durch ihren Keller verlaufenden Versorgungsleitungen des Beklagten bejaht, halten rechtlicher Prüfung nicht in allen Punkten stand.
4
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings eine Eigentumsbeeinträchtigung der Kläger durch den Beklagten bejaht.
5
Unter einer Eigentumsbeeinträchtigung ist jeder dem Inhalt des Eigentums (§ 903 BGB) widersprechende Zustand zu verstehen. Zu der dem Eigentümer durch § 903 BGB garantierten umfassenden Sachherrschaft gehört es, fremde Gegenstände von dem eigenen Grundstück fernzuhalten. Deshalb sind diese Gegenstände bis zu ihrer Entfernung allein durch ihre Anwesenheit eine Quelle fortdauernder Eigentumsstörungen (Senat, Urteil vom 4. Februar 2005 - V ZR 142/04, NJW 2005, 1366, 1367 Rn. 5). Bei den Leitungen handelt es sich um für die Kläger fremde Gegenstände. Sie stehen im Eigentum des Beklagten.
6
a) Entgegen der Auffassung des Beklagten erstreckt sich das Eigentum der Kläger an dem Hausgrundstück nicht gem. § 946 BGB auf die in deren Kel- ler verlaufenden, der Versorgung allein der Anwesen des Beklagten dienenden Leitungen. Denn diese Leitungen sind nicht wesentlicher Bestandteil (§ 94 BGB) des Hauses der Kläger. Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören nach § 94 Abs. 2 BGB die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen. Hierfür ist eine feste Verbindung mit dem Gebäude nicht nötig (Senat, Urteil vom 10. Februar 1978 - V ZR 33/76, NJW 1978, 1311). "Zur Herstellung" in diesem Sinne sind alle Teile eingefügt, ohne die das Gebäude nach der Verkehrsanschauung noch nicht fertig gestellt ist (Senat, Urteil vom 25. Mai 1984 - V ZR 149/83, NJW 1984, 2277, 2278). Dies ist bei den Versorgungsleitungen nicht der Fall. Sie sind nicht zur Herstellung des Gebäudes der Kläger eingefügt , sondern dienen allein der Versorgung des Nachbargrundstücks mit Wasser und Strom.
7
Die Versorgungsleitungen sind auch nicht aufgrund der allgemeinen Vorschrift des § 93 BGB wesentlicher Bestandteil des Gebäudes der Kläger geworden (vgl. Senat, Urteil vom 25. Oktober 1961 - V ZR 30/60, BGHZ 36, 47, 51). Anhaltspunkte dafür, dass sie nur im Wege der Zerstörung entfernt werden können, liegen nicht vor.
8
b) Anders als der Beklagte meint, stehen die Versorgungsleitungen auch nicht im Eigentum des Versorgungsunternehmens. Das Beseitigungsverlangen der Kläger bezieht sich nicht auf die öffentlichen Versorgungsleitungen, sondern auf die in ihrem Keller verlaufenden Leitungen, die - ausgehend von der gemeinsamen Hauptversorgungsleitung - der Versorgung der angrenzenden Häu- ser des Beklagten dienen. Dieses „innere Leitungsnetz“ ist nicht Eigentum des Versorgungsunternehmens (vgl. Staudinger/Jickeli/Stieper, BGB [2004], § 94 Rn. 37).
9
c) Die Versorgungsleitungen stehen als Zubehör des Hausgrundstücks des Beklagten vielmehr in dessen Eigentum. Gemäß § 97 BGB ist eine bewegliche Sache grundsätzlich dann Zubehör, wenn sie, ohne Bestandteil der Hauptsache zu sein, nicht nur vorübergehend dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt ist und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis steht. Die Leitungen sind - und zwar nicht nur vorübergehend - dazu bestimmt, die Anwesen des Beklagten mit Strom und Wasser zu versorgen und so die Nutzbarkeit der Wohngebäude zu ermöglichen. Der Annahme der Zubehöreigenschaft steht nicht entgegen, dass sich die Leitungen nicht auf dem Grundstück des Beklagten befinden. Geht es um die Frage, ob ein Gegenstand Zubehör zu einem Grundstück ist, dann braucht er sich nicht auf diesem Grundstück selbst zu befinden; auch wenn er nur in der Nähe desselben untergebracht ist, kann dem Erfordernis des räumlichen Verhältnisses genügt sein (Senat, Urteil vom 19. März 1965 - V ZR 270/62, MDR 1965, 561). So liegt es hier. Zwischen den im Keller des Hauses der Kläger verlaufenden Leitungen und den beiden Häusern des Beklagten besteht eine unmittelbare räumliche Beziehung, da die Anwesen der Parteien aneinander angrenzen. Gerade diese räumliche Situation wurde für die Versorgung des Hausgrundstücks des Beklagten nutzbar gemacht.
10
2. Nicht frei von Rechtsfehlern hat das Berufungsgericht jedoch eine Duldungspflicht der Kläger gem. § 1004 Abs. 2 BGB verneint.
11
a) Allerdings begründet entgegen der Ansicht des Beklagten § 26 Landesnachbarrechtsgesetz (LNRG) für Rheinland-Pfalz keine Pflicht der Kläger zur Duldung der in ihrem Keller verlaufenden Wasserleitung des Beklagten. Nach dieser Vorschrift hat der Eigentümer zu dulden, dass durch sein Grundstück Wasserversorgungs- und Abwasserleitungen zu einem Nachbargrundstück hindurchgeführt werden, wenn der Anschluss an das Wasserversorgungs- oder Entwässerungsnetz anders nicht zweckmäßig oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann und die damit verbundene Beeinträchtigung nicht erheblich ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Voraussetzungen hier erfüllt sind. § 26 LNRG Rheinland-Pfalz gewährt das Recht zum Eingriff in die Bodensubstanz des Nachbargrundstücks (Reich, Landesnachbarrechtsgesetz für Rheinland-Pfalz, § 26 Rn. 1), nicht aber das Recht zur Inanspruchnahme eines auf dem Grundstück befindlichen Wohnhauses für den Leitungsverlauf.
12
b) Ebensowenig kann sich der Beklagte auf ein Notleitungsrecht in entsprechender Anwendung von § 917 BGB (vgl. Senat, Urteil vom 4. Juli 2008 - V ZR 172/07, BGHZ 177, 165, 167) berufen. Auch das Notleitungsrecht umfasst nicht die Befugnis zur Inanspruchnahme der Wohngebäude des vom Notleitungsrecht betroffenen Grundstücks.
13
c) Eine Duldungspflicht der Kläger folgt auch nicht - wie der Beklagte meint - aus dem kaufvertraglich vereinbarten Gewährleistungsausschluss oder aus § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen sind, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel kennt. Denn die Kläger machen nicht kaufvertragliche Gewährleistungsansprüche, sondern einen aus dem Eigentum abgeleiteten dinglichen Abwehranspruch geltend. Auf die von dem Beklagten aufgeworfene Frage, ob das Vorhandensein der Leitungen einen Mangel des an die Kläger verkauften Hauses darstellt, kommt es daher nicht an.
14
d) Auch aus § 4 Abs. 2 des Kaufvertrages, wonach der Käufer den Kaufgegenstand besichtigt hat und ihn im gegenwärtigen Zustand kauft, lässt sich eine Duldungspflicht der Kläger nicht herleiten. Wie bereits die Überschrift zu § 4 „Sach- und Rechtsmängel“ nahe legt, handelt es sich um eine Regelung zum kaufvertraglichen Haftungsausschluss für Mängel der Kaufsache. Um kaufvertragliche Gewährleistungsansprüche geht es hier jedoch nicht.
15
e) Allerdings hat das Berufungsgericht verkannt, dass sich eine Duldungspflicht der Kläger aus einer im Rahmen des Kaufvertrages zwischen den Parteien mündlich getroffenen Vereinbarung ergeben kann.
16
aa) Nach dem (bestrittenen) erstinstanzlichen Vorbringen des Beklagten hat er den Klägern vor Abschluss des Kaufvertrages erklärt, eine Trennung der Versorgungsleitungen komme für ihn nicht in Betracht, eher werde er das Grundstück nicht verkaufen. Hiermit seien die Kläger einverstanden gewesen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann auf eine Beweiserhebung über diese Behauptung des Beklagten nicht verzichtet werden. Die von ihm behauptete Vereinbarung ist als unentgeltlicher Gestattungsvertrag auszulegen. Zwar ist bei unentgeltlichen Gestattungsverträgen grundsätzlich von einer jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit auszugehen (Senat, Urteil vom 26. Januar 2007 - V ZR 175/06, juris, Rn. 9). Ist aber der Verbleib der sein angrenzendes Haus versorgenden Wasser- und Stromleitungen von dem Beklagten zur Voraussetzung für den Abschluss eines Kaufvertrages über das Anwesen , in dem sich die Leitungen befinden, gemacht worden und haben die Erwerber hiermit ihr Einverständnis erklärt, so liegt darin die Vereinbarung einer dauerhaften Nutzungsmöglichkeit durch den Veräußerer, bei der eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit durch den Erwerber gerade nicht gegeben sein soll. Lediglich eine außerordentliche Kündigungsmöglichkeit bliebe unberührt.
17
bb) Der Annahme eines wirksamen Gestattungsvertrages steht die fehlende Beurkundung der behaupteten Vereinbarung nicht entgegen. Zutreffend ist zwar der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertra- gen oder zu erwerben, der notariellen Beurkundung bedarf (§ 311b Abs. 1 Satz 1 BGB) und dass das Beurkundungserfordernis alle Vereinbarungen umfasst , aus denen sich nach dem Willen der Vertragspartner das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 20. Dezember 1974 - V ZR 132/73, BGHZ 63, 359, 361; Urteil vom 30. Juni 2006 - V ZR 148/05, NJW-RR 2006, 1292 mwN). Eine formnichtige Abrede der Parteien über den Verbleib der Versorgungsleitungen wäre aber gemäß § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB mit der Auflassung des Grundstücks an die Kläger und ihrer Eintragung als Eigentümer in das Grundbuch wirksam geworden und damit beachtlich.
18
Allerdings wäre aus denselben Erwägungen auch die von den Klägern behauptete gegenteilige Vereinbarung, wonach sich der Beklagte anlässlich des Kaufvertrages ausdrücklich zur Entfernung der Versorgungsleitungen verpflichtet habe, wirksam mit der Folge, dass hieraus ein vertraglicher Beseitigungsanspruch der Kläger abzuleiten wäre.
19
Für die Begründetheit der Klage kommt es daher darauf an, ob und mit welchem Inhalt die Parteien eine Vereinbarung hinsichtlich der Versorgungsleitungen getroffen haben. Diese Frage hat das Berufungsgericht nicht geprüft. Die Sache ist daher zurückzuverweisen, damit die für eine Endentscheidung erforderlichen Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

III.


20
Die auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Widerklage des Beklagten hat das Berufungsgericht zu Recht abgewiesen.
21
1. Dem Beklagten steht ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten für seine Verteidigung gegen das Begehren der Kläger auf Auflösung des notariellen Kaufvertrages nicht zu. Das Berufungsgericht hat zutreffend ein fahrlässiges Handeln der Kläger verneint.
22
Fahrlässig handelt der Gläubiger nicht schon dann, wenn er nicht erkennt , dass seine Forderung in der Sache nicht berechtigt ist. Die Berechtigung seiner Forderung kann sicher nur in einem Rechtsstreit geklärt werden. Dessen Ergebnis vorauszusehen, kann von dem Gläubiger im Vorfeld oder außerhalb eines Rechtsstreits nicht verlangt werden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entspricht der Gläubiger vielmehr schon dann, wenn er prüft, ob die Vertragsstörung auf eine Ursache zurückzuführen ist, die dem eigenen Verantwortungsbereich zuzuordnen, der eigene Rechtsstandpunkt mithin plausibel ist. Mit dieser Plausibilitätskontrolle hat es sein Bewenden. Bleibt dabei ungewiss, ob tatsächlich eine Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei vorliegt, darf der Gläubiger die sich aus einer Pflichtverletzung ergebenden Rechte geltend machen , ohne Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt (Senat, Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 133/08, BGHZ 179, 238, 246 Rn. 20).
23
Anhaltspunkte für ein schuldhaftes Verhalten der Kläger liegen nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass die Kläger die fehlende Berechtigung ihrer Forderung kannten oder sie anlässlich der erforderlichen Plausibilitätsprüfung hätten erkennen müssen, dass ihr Rechtsstandpunkt nicht plausibel ist. Der Hinweis des Beklagten auf die „Komplexität der Sache“ bestätigt vielmehr die Würdi- gung des Berufungsgerichts, wonach für die Kläger ungewiss war, ob eine Pflichtverletzung des Beklagten vorlag und sie zum Rücktritt berechtigte.
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2. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten des Beklagten zur Abwehr des Verlangens der Kläger auf Entfernung der Versorgungsleitungen sind ebenfalls nicht gemäß § 280 Abs. 1 BGB ersatzfähig. In diesem Zusammenhang ist es ohne Bedeutung, ob sich das Verlangen der Kläger letztlich als berechtigt oder unberechtigt erweisen wird. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass den Klägern der Vorwurf eines fahrlässigen Verhaltens zu machen ist, zumal sie mit ihrem Abwehrverlangen vor dem Berufungsgericht Erfolg hatten.
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3. Gegen die rechtlich zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts , mangels Verzugs der Kläger stehe dem Beklagten ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten für die widerklagend geltend gemachten verauslagten öffentlichen Abgaben und Versicherungsleistungen nicht zu, erhebt der Beklagte keine Einwendungen.
Krüger Schmidt-Räntsch Roth Brückner Weinland Vorinstanzen:
AG Sinzig, Entscheidung vom 14.04.2010 - 14 C 118/09 -
LG Koblenz, Entscheidung vom 26.10.2010 - 6 S 109/10 -

(1) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks.

(2) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen.

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a) Auf die Regelung in der Teilungserklärung, nach der die Wasserleitungen vom Anschluss an die gemeinsame Steigleitung an zum Sondereigentum gehören, kommt es allerdings nicht an. Durch eine Teilungserklärung kann Sondereigentum an wesentlichen Bestandteilen des Gebäudes (§§ 93, 94 BGB), zu denen die innerhalb des Gebäudes verlegten Wasserleitungen zählen , nämlich nicht begründet werden.
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(1) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören nach § 94 Abs. 2 BGB alle Bauteile, die zur Errichtung in das Gebäude eingefügt werden und dem Gebäude sein spezifisches Gepräge geben (Senat, Urteil vom 13. März 1970 - V ZR 71/67, BGHZ 53, 324, 325). Zu diesen zählt jedenfalls bei einem Wohnhaus nach der Rechtsprechung des Senats auch die Heizungsanlage (Senat, Urteil vom 13. März 1970 - V ZR 71/67, BGHZ 53, 324, 325 f.; ebenso BGH, Beschluss vom 17. September 1987 - III ZR 222/86, BGHR BGB § 94 Abs. 2 Stallgebäude 1). Das gilt nicht nur für die Teile der Heizungsanlage, die im Zusammenhang mit ihrem Ersteinbau in das Gebäude eingefügt werden, sondern auch für solche, deren Einbau im Zusammenhang mit einer Erneuerung oder einem Austausch der Heizungsanlage erfolgt (Senat, Urteil vom 13. März 1970 - V ZR 71/67, BGHZ 53, 324, 326; RGZ 158, 362, 367 für Holztäfelung in einem Schloss). Wesentliche Bestandteile des Gebäudes werden nicht nur die Aggregate der Heizungsanlage, die in das Gebäude selbst eingefügt werden, sondern auch solche, die außerhalb des Gebäudes aufgestellt werden. Entschieden ist das für den in 15 m Entfernung von dem Wohngebäude stehenden Wärmetauscher einer in das Gebäude eingebauten Wärmepum- penheizung (BGH, Urteil vom 15. November 1989 - IVa ZR 212/88, NJW-RR 1990, 158, 159). Für den außerhalb des Wohngebäudes im Erdreich vergrabenen Öltank einer Ölheizung gilt nichts anderes (MünchKomm-BGB/Stresemann, 6. Aufl., § 94 Rn. 15 Fn. 55; Motzke, NJW 1987, 363).

(1) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks.

(2) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen.

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(1) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören nach § 94 Abs. 2 BGB alle Bauteile, die zur Errichtung in das Gebäude eingefügt werden und dem Gebäude sein spezifisches Gepräge geben (Senat, Urteil vom 13. März 1970 - V ZR 71/67, BGHZ 53, 324, 325). Zu diesen zählt jedenfalls bei einem Wohnhaus nach der Rechtsprechung des Senats auch die Heizungsanlage (Senat, Urteil vom 13. März 1970 - V ZR 71/67, BGHZ 53, 324, 325 f.; ebenso BGH, Beschluss vom 17. September 1987 - III ZR 222/86, BGHR BGB § 94 Abs. 2 Stallgebäude 1). Das gilt nicht nur für die Teile der Heizungsanlage, die im Zusammenhang mit ihrem Ersteinbau in das Gebäude eingefügt werden, sondern auch für solche, deren Einbau im Zusammenhang mit einer Erneuerung oder einem Austausch der Heizungsanlage erfolgt (Senat, Urteil vom 13. März 1970 - V ZR 71/67, BGHZ 53, 324, 326; RGZ 158, 362, 367 für Holztäfelung in einem Schloss). Wesentliche Bestandteile des Gebäudes werden nicht nur die Aggregate der Heizungsanlage, die in das Gebäude selbst eingefügt werden, sondern auch solche, die außerhalb des Gebäudes aufgestellt werden. Entschieden ist das für den in 15 m Entfernung von dem Wohngebäude stehenden Wärmetauscher einer in das Gebäude eingebauten Wärmepum- penheizung (BGH, Urteil vom 15. November 1989 - IVa ZR 212/88, NJW-RR 1990, 158, 159). Für den außerhalb des Wohngebäudes im Erdreich vergrabenen Öltank einer Ölheizung gilt nichts anderes (MünchKomm-BGB/Stresemann, 6. Aufl., § 94 Rn. 15 Fn. 55; Motzke, NJW 1987, 363).

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)