Bundesgerichtshof Urteil, 22. Apr. 2004 - IX ZR 370/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 41.159 € (= 80.500 DM) nebst 4 v.H. Zinsen seit dem 16. April 1998 zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Verwalter in dem am 11. November 1997 eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der M. GmbH (im folgenden auch: Schuldnerin). Die Schuldnerin war im Baugewerbe tätig. Der Beklagte arbeitete bei einer Anzahl von Bauvorhaben als ihr Subunternehmer.Am 29. Juli 1997 beliefen sich seine offenen Werklohnforderungen aus diesen Subunternehmeraufträgen auf 120.313,93 DM.
Am 3. August 1997 verkaufte und übereignete die Schuld nerin dem Beklagten einen Mobilbagger, den sie anschließend zurückmietete. Der Kaufpreis von 80.500 DM war am 20. August 1997 fällig. Er wurde nicht bezahlt.
Der Aufforderung des Klägers, den Kaufpreis für den M obilbagger zu entrichten, ist der Beklagte durch Aufrechnung mit Gegenforderungen entgegengetreten. Der Kläger hat behauptet, die Schuldnerin sei spätestens im Juli 1997 zahlungsunfähig gewesen. Dies habe der Beklagte gewußt. Er habe den Bagger lediglich erworben, um eine Sicherheit für seine Forderungen zu erhalten. Seine Aufrechnung sei deshalb nicht statthaft. Die am 15. Januar 1999 erhobene Klage ist in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger den geltend gemachten Kaufpreisanspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg; die Klage ist begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, daß der geltend gemachte Kaufpreisanspruch durch Aufrechnung erloschen sei. Nach § 7 Abs. 5 GesO könne der Beklagte seine vor Verfahrenseröffnung entstandenen Ansprüche
gegen den Kaufpreisanspruch der Masse aufrechnen. Dies sei auch nicht durch den Rechtsgedanken des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO gehindert. Danach sei zwar die Aufrechnung gegen eine Forderung der Insolvenzmasse unzulässig, wenn der Insolvenzgläubiger die Möglichkeit zur Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt habe. Diese Vorschrift könne aber auf Sachverhalte vor ihrem Inkrafttreten nicht angewendet werden. Hier gelte der konkursrechtliche Grundsatz, daß der Kläger den Kaufvertrag nur im ganzen, nicht aber eine einzelne Wirkung wie die Herstellung der Aufrechnungslage isoliert anfechten könne (BGH, Urt. v. 12. November 1998 - IX ZR 199/97, NJW 1999, 359). Auf den Zeitpunkt der Zahlungseinstellung und die Kenntnis des Beklagten hiervon komme es deshalb für die Entscheidung des Streitfalles nicht an.
II.
Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht st and. Der vom Kläger geltend gemachte Kaufpreisanspruch ist nach dem unstreitigen Sachverhalt begründet, weil er danach mit Recht die Herstellung der Aufrechnungslage durch den Kaufvertrag vom 3. August 1997 nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO angefochten hat.
1. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ka nn die gläubigerbenachteiligende Wirkung, die mit der Herstellung einer Aufrechnungslage eintritt, insolvenzrechtlich selbständig angefochten werden. Wenn sich der Gläubiger durch eine Rechtshandlung zugleich in eine Schuldnerstellung gegenüber dem Schuldner versetzt und so die Voraussetzungen für eine Aufrechnung begründet, wird die erklärte Aufrechnung durch Anfechtung wir-
kungslos und die Forderung des Schuldners bleibt durchsetzbar (BGHZ 145, 245, 254; 147, 233, 236, 238; BGH, Urt. v. 4. Oktober 2000 - IX ZR 207/00, WM 2001, 2208, 2209 f zu § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO; v. 9. Oktober 2003 - IX ZR 28/03, ZIP 2003, 2370, 2371; anders noch das vom Berufungsgericht angeführte Urt. v. 12. November 1998 aaO). Diese - erst nach Verkündung des Berufungsurteils ergangenen - Entscheidungen konnten in der Vorinstanz noch nicht berücksichtigt werden. Die Aufrechnungslage ist unabhängig von der insolvenzrechtlichen Zulässigkeit der Aufrechnung (§ 7 Abs. 5 GesO) anfechtbar.
2. Der Kläger hat im Streitfall die Herstellung der Aufrechnungslage innerhalb von zwei Jahren seit Eröffnung der Gesamtvollstreckung und damit nach § 10 Abs. 2 GesO rechtzeitig angefochten. Die Anfechtung ist rechtzeitig erfolgt, wenn der Gesamtvollstreckungsverwalter innerhalb der Anfechtungsfrist den Anspruch der Masse rechtshängig macht und dabei dem aufgerechneten Gegenanspruch mit einem Sachverhalt entgegentritt, der geeignet sein kann, die Anfechtung der Aufrechnungslage zu stützen (vgl. ähnlich BGHZ 135, 140, 149 ff; BGH, Urt. v. 26. Oktober 2000 - IX ZR 289/99, WM 2001, 98, 100 unter III. 1. a). Diesen Anforderungen hat der Kläger genügt.
Anders wäre das rechtliche Ergebnis nur dann, wenn die Schuldnerin den Bagger nach dem Willen der Vertragsteile vom 3. August 1997 nur an Erfüllungs Statt auf die Werklohnforderungen des Beklagten geleistet hätte. Dann wäre eine Aufrechnungslage nicht entstanden, so daß der Kläger nur die Rückgewähr der an Erfüllungs Statt geleisteten Sache verlangen könnte. Für die Möglichkeit einer bloßen Erfüllungsabrede statt eines Verkaufs des Baggers am 3. August 1997 gibt jedoch der Parteivortrag nichts her.
3. Die mit der Klage neben dem Anfechtungsgrund des § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO gleichfalls geltend gemachte Absichtsanfechtung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO greift nach unstreitigem Sachvortrag durch, so daß es keiner tatrichterlichen Feststellungen zu den streitigen Behauptungen mehr bedarf, ob die Schuldnerin am 3. August 1997 bereits zahlungsunfähig war und dem Beklagten diese Tatsache nach den Umständen hätte bekannt sein müssen.
a) Durch den Verkauf des Mobilbaggers an den Beklagten am 3. August 1997 haben die anderen Gläubiger der Schuldnerin einen Nachteil erlitten. Einen für die Gläubiger verwertbaren Kaufpreisanspruch gegen den Beklagten hat die Schuldnerin zum Ausgleich für den Vermögensabgang nicht erlangt, weil der Beklagte mit seinen unbeglichenen Forderungen gegen die Kaufpreisschuld aufrechnen konnte. Hierdurch entgeht der Gesamtvollstreckungsmasse der Unterschied zwischen dem Nennwert der Kaufpreisschuld des Beklagten einerseits sowie der bloßen Quote auf dessen Gegenforderungen andererseits (vgl. BGH 147, 233, 238 a.E.). Weitere Gläubiger der Schuldnerin waren, wie auch der Beklagte wußte, zumindest mit den beschäftigten Arbeitnehmern und ihrer gesetzlichen Krankenkasse vorhanden.
Der Vortrag des Beklagten, daß er nach Sicherung durch die Aufrechnungsmöglichkeit am 3. August 1997 Arbeiten auf Baustellen der Schuldnerin fortgeführt habe (Schriftsatz vom 19. April 1999, S. 3 bis 5), ändert an der Gläubigerbenachteiligung durch den Verkauf vom 3. August 1997 nichts (vgl. BGHZ 154, 190, 196; BGH, Urt. v. 25. September 1952 - IV ZR 13/52, LM KO § 30 Nr. 1).
b) Die Schuldnerin hat bei dem Verkauf des Mobilbagge rs an den Beklagten am 3. August 1997 in der nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO vorausgesetzten Absicht gehandelt, ihre anderen Gläubiger zu benachteiligen. Dafür genügt der bedingte Vorsatz (BGHZ 131, 189, 195 m.w.N.).
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lie gt in der Inkongruenz einer Deckung ein starkes Beweisanzeichen für den Vorsatz des Schuldners, durch die Rechtshandlung seine anderen Gläubiger zu benachteiligen (BGHZ 123, 320, 326; 138, 291, 308; BGH, Urt. v. 17. Juli 2003 - IX ZR 202/02, ZIP 2003, 1799; v. 18. Dezember 2003 - IX ZR 199/02, WM 2004, 299, 301 f).
Der Beklagte hat durch den Ankauf des Baggers von der Ge meinschuldnerin am 3. August 1997 eine inkongruente Deckung seiner offenen Forderungen erhalten. Denn er hatte auf die Aufrechnungslage keinen Anspruch, weil die Schuldnerin ihm gegenüber zum Abschluß des Kaufvertrages nicht verpflichtet war (vgl. BGHZ 147, 233, 240 unter IV. 2.).
Das Beweisanzeichen der inkongruenten Deckung für den bed ingten Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin ist hier nach dem Parteivortrag nicht durch besondere Umstände ausgeräumt. Die Schuldnerin wußte, daß sie dem Beklagten auf sein Drängen am 3. August 1997 eine bevorzugte Befriedigungsmöglichkeit für seine Forderungen verschafft hat. Von einem anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen war sie dabei auch dann nicht geleitet , wenn der Verkauf des Baggers hauptsächlich bezweckte, den Beklagten als ihren Subunternehmer zur Weiterarbeit zu bewegen. Die Schuldnerin wußte auch, daß sie mit Herstellung der inkongruenten Aufrechnungslage ihre sonsti-
gen Gläubiger objektiv benachteiligte, wenn sie sich nicht aus anderen Gründen sicher war, diese in absehbarer Zeit sämtlich befriedigen zu können (vgl. BGHZ 138, 291, 308 m.w.N.). Daß auf seiten der Schuldnerin diese Sicherheit am 3. August 1997 noch bestand, behauptet selbst der Beklagte nicht. Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte in einer weiteren Tatsacheninstanz seinen Vortrag hierzu noch ergänzen könnte, sind nicht ersichtlich.
bb) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin setzt die Absicht sanfechtung nicht voraus. Es genügt das ernsthafte Risiko bevorstehender Zahlungsstörungen oder -stockungen, weil sich damit die Gefährdung der anderen Gläubiger aufdrängt (BGH, Urt. v. 21. Januar 1999 - IX ZR 329/97, ZIP 1999, 406, 407; v. 18. Dezember 2003 - IX ZR 199/02, WM 2004, 299, 301 f, z.V.b. in BGHZ).
c) Die Kenntnis der Schuldnerin und des Beklagten von de r Inkongruenz der Aufrechnungslage bestand bereits, weil ihnen die Tatsachen bekannt waren , die hier den Rechtsbegriff der Inkongruenz ausfüllen. Die Kenntnis von der inkongruenten Aufrechnungslage ist ferner ein wesentliches Beweisanzeichen dafür, daß der Beklagte die Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Schuldnerin gekannt hat (vgl. BGH, Urt. v. 21. Januar 1999 - IX ZR 329/97, aaO; v. 2. Dezember 1999 - IX ZR 412/98, ZIP 2000, 82, 83 m.w.N.; v. 17. Juli 2003 - IX ZR 272/02, ZIP 2003, 1799, 1801; v. 18. Dezember 2003 - IX ZR 199/02, aaO).
Die Schuldnerin hatte schon vor dem Verkauf des Baggers o bjektiv Anlaß , an ihrer Liquidität zu zweifeln. Denn der Beklagte hat nicht bestritten, daß die Schuldnerin im Frühjahr 1997 den vereinbarten Ratenplan zur Tilgung der ihm gegenüber aufgelaufenen Rückstände nicht eingehalten hat. Infolgedessen
war auch dem Beklagten trotz der noch erhaltenen Zahlungen bekannt, daß sich eine mögliche Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin abzeichnete.
Das wird dadurch bestätigt, daß der Beklagte sich zu der unter Beweis gestellten Behauptung der Berufungsbegründung (S. 2 oben), ihm sei vor dem 3. August 1997 von dem Geschäftsführer und Mitarbeitern der Schuldnerin wiederholt erklärt worden, bei dieser sei es "sehr eng", entgegen § 138 Abs. 2 ZPO nicht eindeutig erklärt, sondern nur die Bedeutung einer solchen Äußerung im Hinblick auf eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit in Abrede gestellt hat (Seite 2 des Schriftsatzes vom 25. Februar 2000). Andere Tatsachen , mit denen die Vermutung der Kenntnis der Gläubigerbenachteiligungsabsicht entkräftet werden könnte, sind aus dem vorgetragenen Sachverhalt nicht ersichtlich. Auch insoweit besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß der Beklagte noch ihm günstige Tatsachen vortragen könnte.
III.
Die vom Beklagten angezeigte Umwandlung seines Einzelunt ernehmens durch Aufnahme von Kommanditisten berührt den Rechtsstreit nicht. Die Haftung der Gesellschaft gemäß § 28 Abs. 1 HGB ist nicht Streitgegenstand.
Kreft Ganter Raebel
Kayser Cierniak
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Annotations
(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,
- 1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist, - 2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat, - 3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat, - 4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.
(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.
(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
(1) Tritt jemand als persönlich haftender Gesellschafter oder als Kommanditist in das Geschäft eines Einzelkaufmanns ein, so haftet die Gesellschaft, auch wenn sie die frühere Firma nicht fortführt, für alle im Betriebe des Geschäfts entstandenen Verbindlichkeiten des früheren Geschäftsinhabers. Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf die Gesellschaft übergegangen.
(2) Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von einem Gesellschafter dem Dritten mitgeteilt worden ist.
(3) Wird der frühere Geschäftsinhaber Kommanditist und haftet die Gesellschaft für die im Betrieb seines Geschäfts entstandenen Verbindlichkeiten, so ist für die Begrenzung seiner Haftung § 26 entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, daß die in § 26 Abs. 1 bestimmte Frist mit dem Ende des Tages beginnt, an dem die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen wird. Dies gilt auch, wenn er in der Gesellschaft oder einem ihr als Gesellschafter angehörenden Unternehmen geschäftsführend tätig wird. Seine Haftung als Kommanditist bleibt unberührt.