Bundesgerichtshof Urteil, 12. März 2009 - IX ZR 10/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger beauftragte den Beklagten im April 2005 mit seiner anwaltlichen Vertretung in einer markenrechtlichen Angelegenheit gegen einen Wettbewerber. Der Beklagte mahnte den Wettbewerber ab und handelte einen Vergleich aus. Es stellte sich jedoch heraus, dass der Wettbewerber in der dabei angegebenen Rechtsform einer GmbH nicht existierte. Der Beklagte erwirkte daraufhin im Auftrag des Klägers eine einstweilige Verfügung gegen den Wettbewerber persönlich. Danach beauftragte der Kläger den Beklagten mit der Durchführung des Hauptsacheverfahrens. Zunächst sollte der Beklagte vom Wettbewerber die Abgabe einer Abschlusserklärung verlangen. Noch vor Absendung der vom Beklagten entworfenen Abschlusserklärung kündigte der Kläger das Mandat.
- 2
- Beklagte Der rechnete seine Tätigkeit gegenüber dem Kläger in vier Rechnungen ab. Für den Entwurf des Abschlussschreibens beanspruchte er eine gesonderte Vergütung neben dem Honorar für seine gerichtliche und außergerichtliche Tätigkeit bezüglich der einstweiligen Verfügung. Er berechnete insoweit eine 1,3-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG (jetzt Nr. 2300 VV RVG) aus einem Gegenstandswert von 167.000 € zuzüglich einer Auslagenpauschale von 20 € und 16 % Umsatzsteuer, zusammen 2.529,50 €. Nachdem der Beklagte bereits Vorschüsse und Leistungen des Gegners sowie der Rechtsschutzversicherung vereinnahmt hatte, welche das ihm unstreitig zustehende Honorar überstiegen, hat ihn der Kläger auf Rückzahlung von 1.559,55 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Der Rechnung für das Abschlussschreiben hat er erstinstanzlich entgegengehalten, dass nur eine 0,8-fache Geschäftsgebühr aus einem Wert von 150.000 € gerechtfertigt sei.
- 3
- Das Amtsgericht hat dem Beklagten für die Fertigung des Abschlussschreibens eine 1,3-fache Geschäftsgebühr aus 155.000 € zugebilligt und der Klage nur in Höhe von 10,10 € stattgegeben. Mit seiner Berufung hat der Kläger unter Erweiterung der Klage die Rückzahlung des gesamten vom Amtsgericht für das Abschlussschreiben zugebilligten Betrags von 2.413,38 € begehrt. Anders als in erster Instanz hat er nun die Honorarforderung für das Abschlussschreiben für insgesamt unberechtigt gehalten.
- 4
- Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts zu der Frage erforderten, ob nach Abmahnung und Durchführung eines Verfahrens nach §§ 935 ff ZPO das Bestreiten des nachfolgenden, gegebenenfalls eine Klageerhebung vorbereitenden Geschäfts, insbesondere das Fertigen eines Abschlussschreibens, eine gesonderte Angelegenheit i.S.v. § 17 RVG darstellten.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
- 6
- Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf die Entscheidung über den Grund der Honorarforderung des Beklagten für die Fertigung des Abschlussschreibens beschränkt. Die Beschränkung erfolgte zwar nicht im Tenor der Entscheidung. Sie ergibt sich aber eindeutig aus den Entscheidungsgründen. Die Formulierung der für die Zulassung maßgeblichen Rechtsfrage am Ende der Entscheidung lässt klar erkennen, dass das Berufungsgericht damit nicht nur eine Begründung für die Zulassung nennen, sondern auch die Zulassung der Revision auf den eindeutig abgrenzbaren, selbständigen Teil des Streitgegenstands beschränken wollte, der durch die genannte Rechtsfrage betroffen ist (BGHZ 153, 358, 361; BGH, Beschl. v. 29. Januar 2004 - V ZR 244/03, NJW-RR 2004, 1365, 1366; Urt. v. 3. März 2005 - IX ZR 45/04, NJW-RR 2005, 715, 716). Die Zulassung der Revision kann auch auf einen Teil des Streitstoffs beschränkt werden, über den durch Teil- oder Grundurteil hätte entschieden werden können. Eine Beschränkung ist daher auf den Anspruchsgrund zulässig, wenn - wie hier - die Entscheidung über den Grund des Anspruchs keine Auswirkung auf die Höhe des Anspruchs haben kann (BGH, Urt. v. 30. Juni 1982 - VIII ZR 259/81, NJW 1982, 2380 f; v. 13. Juli 2004 - VI ZR 273/03, NJW 2004, 3176, 3177).
II.
- 7
- Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung im Umfang der Revisionszulassung stand. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen gesonderten Honoraranspruch des Beklagten für die Anfertigung des Abschlussschreibens bejaht.
- 8
- 1. Der Bundesgerichtshof hat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden , dass die Anfertigung eines Abschlussschreibens hinsichtlich der Anwaltsgebühren nicht mehr zum vorangegangenen Eilverfahren gehört, sondern zur angedrohten Hauptsacheklage, und sich deshalb als eine neue, selbständig zu honorierende Angelegenheit im Sinne des § 17 RVG darstellt. Fordert der Rechtsanwalt im Auftrag seines Mandanten nach Erwirkung einer auf eine Unterlassung gerichteten einstweiligen Verfügung den Anspruchsgegner dazu auf, auf einen Widerspruch hiergegen und auf die Stellung eines Antrags nach § 926 ZPO zu verzichten, will er auf diese Weise die Klaglosstellung seines Auftraggebers und damit ein Ergebnis erzielen, wie es nur mit dem Hauptsacheprozess erreicht werden kann. Daher gehört die von ihm entfaltete weitere Tätigkeit sachlich zum Hauptsacheprozess und damit zu einer nach § 17 Nr. 4 Buchstabe b RVG vom Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verschiedenen Angelegenheit. Sie wird durch die in jenem Verfahren verdiente Geschäftsgebühr nicht nach § 15 Abs. 1 RVG abgegolten, sondern begründet einen neuen Gebührentatbestand (BGH, Urt. v. 4. März 2008 - VI ZR 176/07, NJW 2008, 1744, Rn. 7 f, im Anschluss an BGH, Urt. v. 2. März 1973 - I ZR 5/72, NJW 1973, 901).
- 9
- 2. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Sie lag schon dem Senatsurteil vom 8. Dezember 2005 (IX ZR 188/04, WM 2006, 1216) zugrunde. Die Umstände des vorliegenden Falles rechtfertigen keine andere Beurteilung.
- 10
- a) Entgegen der Ansicht der Revision, die sich auf eine Entscheidung des Kammergerichts stützt (KGR Berlin 2006, 850, 853), handelte es sich bei der außergerichtlichen Tätigkeit des Beklagten nicht deshalb um eine insgesamt einheitliche Angelegenheit, weil sowohl die außergerichtliche Tätigkeit vor der Erwirkung der einstweiligen Verfügung als auch die Fertigung des Abschlussschreibens der Durchsetzung desselben Unterlassungsbegehrens dienten. Der Kläger hatte den Beklagten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zunächst mit der Erwirkung einer einstweiligen Verfügung beauftragt. Erst nach deren Erlass erteilte er dem Beklagten den Auftrag zur Durchführung des Hauptsacheverfahrens, wobei zunächst eine Abschlusserklärung gefertigt werden sollte. Im Rahmen dieser beiden unterschiedlichen Aufträge wurde der Beklagte jeweils auch außergerichtlich tätig. Die außergerichtlichen Tätigkeiten eines Rechtsanwalts können in einem solchen Fall nicht anders beurteilt werden als seine gerichtlichen Tätigkeiten. Die Regelung in § 17 Nr. 4 Buchstabe b RVG, nach der das Verfahren in der Hauptsache und ein Verfahren über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verschiedene Angelegenheiten sind, gilt deshalb hier für die Geschäftsgebühren in gleicher Weise wie für die Verfahrensgebühren (vgl. BGH, Urt. v. 4. März 2008, aaO Rn. 6).
- 11
- b) Die Zuordnung des Abschlussschreibens zum Hauptsacheverfahren setzt auch nicht, wie die Revision meint, voraus, dass bereits ein Auftrag zur Hauptsacheklage erteilt wurde. Es genügt, dass der Mandant dem Rechtsanwalt einen über die Vertretung im einstweiligen Verfügungsverfahren hinausgehenden Auftrag erteilt hat (BGH aaO Rn. 10). Beschränkt sich der Auftrag hingegen auf das einstweilige Verfügungsverfahren, betrifft die Tätigkeit des Anwalts insgesamt nur eine einheitliche Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn. So liegt der Fall hier aber nicht. Der Kläger beauftragte den Beklagten nach Erlass der einstweiligen Verfügung mit der Durchführung der Hauptsache.
III.
- 12
- Der hilfsweise geführte Angriff der Revision gegen die Entscheidung zur Höhe des Honoraranspruchs des Beklagten bleibt ohne Erfolg, weil das Beru- fungsgericht die Zulassung der Revision - wie dargelegt - wirksam auf den Grund des Anspruchs beschränkt hat.
Pape Grupp
Vorinstanzen:
AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 11.09.2006 - 8 C 97/06 -
LG Berlin, Entscheidung vom 29.11.2007 - 51 S 312/06 -
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Annotations
Verschiedene Angelegenheiten sind
- 1.
das Verfahren über ein Rechtsmittel und der vorausgegangene Rechtszug, soweit sich aus § 19 Absatz 1 Satz 2 Nummer 10a nichts anderes ergibt, - 1a.
jeweils das Verwaltungsverfahren, das einem gerichtlichen Verfahren vorausgehende und der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende weitere Verwaltungsverfahren (Vorverfahren, Einspruchsverfahren, Beschwerdeverfahren, Abhilfeverfahren), das Verfahren über die Beschwerde und die weitere Beschwerde nach der Wehrbeschwerdeordnung, das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung oder Anordnung der sofortigen Vollziehung sowie über einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte Dritter und ein gerichtliches Verfahren, - 2.
das Mahnverfahren und das streitige Verfahren, - 3.
das vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger und das streitige Verfahren, - 4.
das Verfahren in der Hauptsache und ein Verfahren - a)
auf Anordnung eines Arrests oder zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, - b)
auf Erlass einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, - c)
über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, über die Aufhebung der Vollziehung oder über die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts sowie - d)
über die Abänderung, die Aufhebung oder den Widerruf einer in einem Verfahren nach den Buchstaben a bis c ergangenen Entscheidung,
- 5.
der Urkunden- oder Wechselprozess und das ordentliche Verfahren, das nach Abstandnahme vom Urkunden- oder Wechselprozess oder nach einem Vorbehaltsurteil anhängig bleibt (§§ 596, 600 der Zivilprozessordnung), - 6.
das Schiedsverfahren und das Verfahren über die Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme sowie das Verfahren über einen Antrag auf Aufhebung oder Änderung einer Entscheidung über die Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 7.
das gerichtliche Verfahren und ein vorausgegangenes - a)
Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle (§ 794 Absatz 1 Nummer 1 der Zivilprozessordnung) oder, wenn die Parteien den Einigungsversuch einvernehmlich unternehmen, vor einer Gütestelle, die Streitbeilegung betreibt (§ 15a Absatz 3 des Einführungsgesetzes zur Zivilprozessordnung), - b)
Verfahren vor einem Ausschuss der in § 111 Absatz 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes bezeichneten Art, - c)
Verfahren vor dem Seemannsamt zur vorläufigen Entscheidung von Arbeitssachen und - d)
Verfahren vor sonstigen gesetzlich eingerichteten Einigungsstellen, Gütestellen oder Schiedsstellen,
- 8.
das Vermittlungsverfahren nach § 165 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und ein sich anschließendes gerichtliches Verfahren, - 9.
das Verfahren über ein Rechtsmittel und das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels, - 10.
das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und - a)
ein nachfolgendes gerichtliches Verfahren und - b)
ein sich nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens anschließendes Bußgeldverfahren,
- 11.
das Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde und das nachfolgende gerichtliche Verfahren, - 12.
das Strafverfahren und das Verfahren über die im Urteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung und - 13.
das Wiederaufnahmeverfahren und das wiederaufgenommene Verfahren, wenn sich die Gebühren nach Teil 4 oder 5 des Vergütungsverzeichnisses richten.
(1) Ist die Hauptsache nicht anhängig, so hat das Arrestgericht auf Antrag ohne mündliche Verhandlung anzuordnen, dass die Partei, die den Arrestbefehl erwirkt hat, binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben habe.
(2) Wird dieser Anordnung nicht Folge geleistet, so ist auf Antrag die Aufhebung des Arrestes durch Endurteil auszusprechen.
(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit.
(2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.
(3) Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, entstehen für die Teile gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr.
(4) Auf bereits entstandene Gebühren ist es, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, ohne Einfluss, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist.
(5) Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Ist der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und in diesem Gesetz bestimmte Anrechnungen von Gebühren entfallen. Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Vergleich mehr als zwei Kalenderjahre nach seinem Abschluss angefochten wird oder wenn mehr als zwei Kalenderjahre nach Zustellung eines Beschlusses nach § 23 Absatz 3 Satz 1 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes der Kläger einen Antrag nach § 23 Absatz 4 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes auf Wiedereröffnung des Verfahrens stellt.
(6) Ist der Rechtsanwalt nur mit einzelnen Handlungen oder mit Tätigkeiten, die nach § 19 zum Rechtszug oder zum Verfahren gehören, beauftragt, erhält er nicht mehr an Gebühren als der mit der gesamten Angelegenheit beauftragte Rechtsanwalt für die gleiche Tätigkeit erhalten würde.